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Im ersten Teil dieses Artikels, der auf Deutsch in der Weltrevolution Nr. 176 sowie auf unserer Homepage veröffentlicht wurde, betrachteten wir - auf der Grundlage einer Kritik von Christoph Darmangeats Buch Le communisme primitif n’est plus ce qu’il était - die Rolle der Frau bei der Entstehung der Kultur in unserer Spezies, dem Homo sapiens.[1] In diesem zweiten und letzten Teil wollen wir eines der mutmaßlich fundamentalsten Probleme untersuchen, die sich der primitiven kommunistischen Gesellschaft stellten: Wie produzierte die Evolution der Gattung der Hominini eine Spezies, deren bloßes Überleben auf gegenseitigem Vertrauen und gegenseitiger Solidarität beruht, und wie sah insbesondere die Rolle der Frau in diesem Prozess aus? Dabei gründen wir uns selbst im Wesentlichen auf das Werk des britischen Anthropologen Chris Knight Im ersten Teil dieses Artikels, der auf Deutsch in der Weltrevolution Nr. 176 sowie auf unserer Homepage veröffentlicht wurde, betrachteten wir - auf der Grundlage einer Kritik von Christoph Darmangeats Buch Le communisme primitif n’est plus ce qu’il était - die Rolle der Frau bei der Entstehung der Kultur in unserer Spezies, dem Homo sapiens.[1] In diesem zweiten und letzten Teil wollen wir eines der mutmaßlich fundamentalsten Probleme untersuchen, die sich der primitiven kommunistischen Gesellschaft stellten: Wie produzierte die Evolution der Gattung der Hominini eine Spezies, deren bloßes Überleben auf gegenseitigem Vertrauen und gegenseitiger Solidarität beruht, und wie sah insbesondere die Rolle der Frau in diesem Prozess aus? Dabei gründen wir uns selbst im Wesentlichen auf das Werk des britischen Anthropologen Chris Knight.
Die Rolle der Frauen in der primitiven Gesellschaft
Was ist laut Christophe Darmangeat schließlich die Rolle und die Situation der Frauen in der primitiven Gesellschaft? Wir können hier nicht die gesamte Argumentation wiedergeben, die in seinem Buch enthalten ist und die sich durch solide Kenntnisse der Ethnographie und bemerkenswerte Beispiele auszeichnet. Wir werden uns stattdessen auf eine Zusammenfassung seiner Schlussfolgerungen beschränken.
Eine erste Feststellung, die einleuchtend erscheint, es in der Realität aber nicht ist, lautet, dass die geschlechtliche Arbeitsteilung eine universelle Konstante in der menschlichen Gesellschaft bis zum Erscheinen des Kapitalismus ist. Der Kapitalismus bleibe eine fundamental patriarchalische Gesellschaft, die auf der Ausbeutung basiert (welche die sexuelle Ausbeutung, die Sexindustrie als eine der profitabelsten Industrie in der neueren Zeit mit beinhaltet). Nichtsdestotrotz habe der Kapitalismus durch die offene Ausbeutung der weiblichen Arbeitskraft und durch die Entwicklung einer Maschinerie (so dass die Körperkraft nicht mehr eine wichtige Rolle im Arbeitsprozess spielt) die Arbeitsteilung zwischen der „maskulinen“ und der „femininen“ Rolle in der gesellschaftlichen Arbeit zerstört. Auf diese Weise habe er das Fundament für eine wirkliche Befreiung der Frauen in der kommunustischen Gesellschaft gelegt.[2]
Die Lage der Frauen unterscheidet sich in den unterschiedlichen primitiven Gesellschaften, die Anthropologen zu untersuchen in der Lage waren, enorm: In einigen Fällen leiden Frauen unter einer Unterdrückung, die mehr als einen flüchtigen Vergleich mit der Klassenunterdrückung standhält, während sie in anderen nicht nur eine gesellschaftliche Wertschätzung genießen, sondern auch ganz real gesellschaftliche Macht ausüben. Wo solche Macht existiert, basiert sie auf den Eigentumsrechten über die Produktion, die durch das religiöse und rituelle Leben der Gesellschaft verstärkt werden: Um nur ein Beispiel zu nennen, berichtet uns Bronislaw Malinowski (in Argonauten des westlichen Pazifik), dass die Frauen der Trobriand-Inseln nicht nur das Monopol auf die Arbeit des Gartenbaus (von größter Bedeutung für die Inselwirtschaft) hatten, sondern auch auf verschiedene Formen der Magie, einschließlich jener, die als die gefährlichsten anerkannt sind)[3].
Während jedoch die geschlechtliche Arbeitsteilung von einem Volk und einer Existenzweise zum/zur nächsten sehr unterschiedliche Situationen umfassen kann, gibt es eine Regel, die fast ohne Ausnahme angewandt wird: Überall sind es die Männer, die das Recht haben, Waffen zu tragen, und die daher ein Monopol auf die Kriegführung haben. Infolgedessen haben sie ein Monopol auf die „äußeren Beziehungen“. Als sich die gesellschaftliche Ungleichheit zu entwickeln begann, zunächst mit der Lagerhaltung von Lebensmitteln, dann, in der Jungsteinzeit, mit der voll entfalteten Landwirtschaft und dem Aufkommen des Privateigentums und der gesellschaftlichen Klassen, erlaubte es ihre spezifische Situation den Männern, Stück für Stück die Totalität des Gesellschaftslebens zu dominieren. In diesem Sinn lag Engels zweifellos richtig, wenn er in Ursprung der Familie… sagte: „Der erste Klassengegensatz, der in der Geschichte auftritt, fällt zusammen mit der Entwicklung des Antagonismus von Mann und Weib in der Einzelehe, und die erste Klassenunterdrückung mit der des weiblichen Geschlechts durch das männliche“.[4] Dennoch sollte man tunlichst vermeiden, die Dinge schmeatisch zu betrachten, da selbst die ersten Zivilisationen in dieser Hinsicht alles andere als homogen waren. Eine Vergleichsstudie etlicher früher Zivilisationen[5] weist auf ein breites Spektrum hin: Während die Lage der Frauen in mittelamerikanischen und Inkagesellschaften wenig beneidenswert war, besaßen beispielsweise unter den Yoruba in Afrika die Frauen nicht nur Eigentum und übten ein Monopol auf bestimmte Produkte aus, sie betrieben auch einen ausgedehnten Handel auf eigene Rechnung und konnten selbst diplomatische und militärische Expeditionen anführen.
Die Frage der Mythologie
Bisher beschränkten wir uns mit Darmangeat auf den Bereich von Untersuchungen „historisch bekannter“ primitiver Gesellschaften (in dem Sinn, dass sie von den schriftkundigen Gesellschaften, von der antiken Welt bis zur modernen Anthropologie, beschrieben worden waren). Dies kann uns allenfalls etwas über die Lebensumstände seit der Erfindung der Schrift vor ungefähr 6000 Jahren verraten. Doch was können wir über die 200.000 Jahre des anatomisch modernen Menschen sagen, die dem vorausgingen? Wie sollen wir den entscheidenden Augenblick verstehen, als die Natur der Kultur als determinierender Hauptfaktor im menschlichen Verhalten Platz machte, und wie sind genetische und kulturelle Elemente in der menschlichen Gesellschaft miteinander verwoben? Um diese Fragen zu beantworten, ist eine rein empirische Betrachtung bekannter Gesellschaften völlig unzureichend.
Einer der auffälligsten Aspekte in der Untersuchung früher Zivilisationen (s.o.) ist, dass, wie unterschiedlich auch immer das Bild ist, das sie von den Lebensbedingungen der Frauen zeichnen, sie alle Legenden enthalten, die sich auf Frauen als Häuptlinge beziehen, welche gelegentlich mit Göttinnen identifiziert werden. Alle von ihnen haben im Laufe der Zeit einen Niedergang in der Lage der Frauen erlebt. Man ist versucht, ein allgemeines Gesetz hierin zu erblicken: Je weiter wir in der Zeit zurückgehen, desto größer war die gesellschaftliche Autorität, die die Frauen besaßen.
Dieser Eindruck wird bestätigt, wenn wir noch primitivere Gesellschaft untersuchen. Auf jedem Kontinent finden wir ähnliche oder gar identische Mythen: Einst besaßen die Frauen Macht, doch seither haben die Männer ihnen diese Macht entrissen, und nun sind sie es, die herrschen. Überall wird die Macht der Frauen mit dem mächtigsten Zauber von allen in Verbindung gebracht: dem Zauber, der auf dem Monatszyklus der Frauen und ihrem Menstruationsblut basiert, was bis zu Ritualen reicht, in denen Männer die Menstruation imitieren.[6]
Was können wir aus dieser allgegenwärtigen Realität schließen? Können wir daraus den Schluss ziehen, dass sie eine historische Realität repräsentiert und dass einst eine Gesellschaft existierte, in der Frauen eine führende, wenn nicht gar notwendigerweise eine herrschende Rolle innehielten?
Für Darmangeat ist die Antwort unmissverständlich und negativ: „… der Gedanke, dass Mythen, die von der Vergangenheit berichten, von einer wirklichen Vergangenheit, wenn auch deformiert, erzählen, ist eine äußerst kühne, um nicht zu sagen: haltlose Hypothese“ (S. 167). Mythen „erzählen Geschichten, die nur in Bezug auf die gegenwärtige Realität eine Bedeutung haben und die die Funktion haben, Letztere zu rechtfertigen. Die Vergangenheit, von der sie sprechen, wird allein dafür erfunden, um dieses Ziel zu erfüllen“ (S. 173).
Dieses Argument ist in zweierlei Hinsicht problematisch.
Das erste Problem ist, dass Darmangeat ein Marxist zu sein behauptet, der bei der Aktualisierung seiner Schlussfolgerungen der Methode von Engels treu geblieben sei. Doch auch wenn Engels‘Ursprünge der Familie… sich ausgiebig auf Lewis Morgan stützt, pflichtet er auch dem Werk des Schweizer Juristen Bachofen große Bedeutung bei, der der erste war, der die Mythologie als eine Grundlage zum Verständnis der Geschlechterbeziehungen in der fernen Vergangenheit benutzte. Laut Darmangeat ist Engels „überaus vorsichtig bei seiner Rezeption von Bachofens Matriarchats-Theorie (…) obgleich er sich zurückhält bei der Kritik an der Theorie des Schweizer Juristen, unterstützt er sie nur sehr eingeschränkt. Es gibt nichts Überraschendes hier: In Anbetracht seiner eigenen Analyse der Gründe für die Vorherrschaft des einen Geschlechts über das andere konnte Engels kaum akzeptieren, dass vor der Entwicklung von Privateigentum der Vorherrschaft der Männer über die Frauen die Vorherrschaft der Frauen über die Männer vorausging; er stellte sich die prähistorischen Geschlechterbeziehungen vielmehr als eine bestimmte Form der Gleichheit vor“ (S. 150f.).
Engels mag durchaus vorsichtig gewesen sein, was Bachofens Schlussfolgerungen anbelangte, aber er hatte keine Bedenken, was Bachofens Methode anging, die die mythologische Analyse nutzte, um die historische Wirklichkeit zu enthüllen: In seinem Vorwort zur 4. Ausgabe vonUrsprung der Familie… (mit anderen Worten: nachdem er eine Menge Zeit hatte, sein Werk neu zu strukturieren, einschließlich einiger notwendiger Korrekturen) griff Engels Bachofens Analyse des Orest-Mythos (insbesondere die Version des griechischen Tragikers Aescyklus) auf und schloss mit dem Kommentar: „Diese neue, aber entschieden richtige Deutung der ‚Oresteia‘ ist eine der schönsten und besten Stellen im ganzen Buch (…) er, zuerst, hat die Phrase von einem unbekannten Urzustand mit regellosem Geschlechtsverkehr ersetzt durch den Nachweis, daß die altklassische Literatur uns Spuren in Menge aufzeigt, wonach vor der Einzelehe in der Tat bei Griechen und Asiaten ein Zustand existiert hat, worin nicht nur ein Mann mit mehreren Frauen, sondern eine Frau mit mehreren Männern geschlechtlich verkehrte, ohne gegen die Sitte zu verstoßen (…) Diese Sätze hat Bachofen zwar nicht in dieser Klarheit ausgesprochen – das verhinderte seine mystische Anschauung. Aber er hat sie bewiesen, und das bedeutete 1861 eine vollständige Revolution.“
Dies bringt uns zur zweiten Frage: Wie sollten Mythen erklärt werden? Mythen sind Bestandteil der materiellen Realität wie andere Phänomene auch; sie sind daher von dieser Realität auch bestimmt. Darmangeat schlägt zwei mögliche Determinanten vor: Entweder handelt es sich bei ihnen schlicht und einfach um „Geschichten“, die von Männern erfunden wurden, um ihre Herrschaft über die Frauen zu rechtfertigen, oder sie sind irrational. „In der Vorgeschichte und auch lange Zeit danach waren natürliche oder gesellschaftliche Phänomene universell und unvermeidlich durch ein magisch-religiöses Prisma interpretiert. Dies bedeutet nicht, dass das rationale Denken nicht existierte; es bedeutet, dass es selbst, als es präsent war, in einem bestimmten Umfang stets mit einem irrationalen Diskurs kombiniert war: Die beiden wurden nicht als unterschiedlich, noch weniger als miteinander unvereinbar wahrgenommen“ (S. 319). Was kann dem noch hinzugefügt werden? All diese Mythen, die sich rund um die geheimnisvollen Mächte ranken, welche vom Menstruationsblut und dem Mond übertragen werden, gar nicht zu reden von der ursprünglichen Macht der Frauen, sind bloß „irrational“ und somit außerhalb des Bereichs der wissenschaftlichen Erklärung. Darmangeat ist bestenfalls bereit zu akzeptieren, dass Mythen das Bedürfnis des menschlichen Geistes nach Kohärenz befriedigen müssen[7]; doch wenn dies der Fall ist, dann müssen wir - es sei denn, wir akzeptieren eine rein idealistische Erklärung im ursprünglichen Sinn des Wortes – eine andere Frage beantworten: Woher kommt dieses Bedürfnis? Für Lévi-Strauss konnte die Quelle des bemerkenswerten Gleichklangs der Mythen der primitiven Gesellschaften in beiden Amerikas nur in der angeborenen Struktur des menschlichen Geistes gefunden werden, weswegen seinem Werk und seiner Theorie der Name „Strukturalismus“ angehängt wurde.[8] Darmangeats „Bedürfnis nach Kohärenz“ sieht wie ein schwacher Abglanz des Strukturalismus von Lévi-Strauss aus.
Dies lässt uns in zwei bedeutenden Punkten ohne jegliche Erklärung dastehen: Warum nehmen Mythen die Form an, die sie haben, und wie können wir ihre Universalität erklären?
Wenn sie nichts anderes als „Geschichten“ sind, die erfunden wurden, um die männliche Vorherrschaft zu rechtfertigen, warum sind solch unwahrscheinlichen Geschichten erfunden worden? Wenn wir die Bibel nehmen, so gibt uns das Buch Mose‘ eine vollkommen logische Erklärung für die männliche Vorherrschaft: Gott schuf den Mann zuerst! Logisch, solange wir bereit sind, die unwahrscheinliche Vorstellung, die Jahr für Jahr widerlegt wird, zu akzeptieren, dass die Frau aus dem Leib des Mannes kam. Warum wird dann ein Mythos erfunden, der nicht nur behauptet, dass Frauen einst Macht ausgeübt hatten, sondern auch von der Forderung begleitet wird, dass die Männer mit diesen Riten fortfahren, die mit dieser Macht assoziiert sind, bis zu dem Punkt einer eingebildeten männlichen Menstruation? Diese Praxis, die in Jäger-Sammler-Gesellschaften in der ganzen Welt, wo die männliche Vorherrschaft mächtig ist, bezeugt ist, besteht darin, dass Männer in bestimmten wichtigen Ritualen ihren eigenen Blutfluss erzeugen, indem sie in einer bewussten Imitation der Monatsblutung ihre Mitglieder malträtieren und insbesondere den Penis beschneiden.
Wäre diese Art von Ritual auf ein Volk oder auf eine Gruppe von Völkern beschränkt, könnte man akzeptieren, dass dies nichts als eine zufällige und „irrationale“ Erfindung ist. Doch wenn wir es überall auf der Welt verbreitet finden, auf jedem Kontinent, dann müssen wir, wenn wir dem historischen Materialismus treu bleiben wollen, seine gesellschaftlichen Determinanten suchen.
Auf jeden Fall erscheint es uns vom materialistischen Standpunkt aus notwendig zu sein, die Mythen und Rituale, die die Gesellschaft strukturieren, als Wissensquellen ernstzunehmen, eine Sache, an der Darmangeat scheiterte.
Der Ursprung der Unterdrückung der Frauen
Wir können Darmangeats Ansichten wie folgt zusammenfassen: Im Ursprung der Unterdrückung der Frauen stand die geschlechtliche Arbeitsteilung, die den Männern systematisch die Großwildjagd und den Gebrauch von Waffen überließ. Wie interessant sein Werk auch sein mag, es lässt unserer Ansicht nach zwei Fragen unbeantwortet.
Es scheint eindeutig genug, dass mit der Entstehung der Klassengesellschaft, die notwendig auf Ausbeutung und damit auf Unterdrückung beruhte, das Waffenmonopol nahezu eine selbstgenügsame Erklärung für die männliche Vorherrschaft in ihr ist (zumindest langfristig; der Gesamtprozess ist zweifellos komplexer). Gleichermaßen erscheint es a priori plausibel, davon auszugehen, dass - zeitgleich mit dem Aufkommen der sozialen Ungleichheiten, aber noch vor dem Auftritt der Klassengesellschaft, die den Namen verdient - das Waffenmonopol eine Rolle bei der Herausbildung der männlichen Vorherrschaft spielte.
Im Gegensatz dazu, und dies ist unsere erste Frage, ist Darmangeat weitaus weniger eindeutig bei der Frage, warum die geschlechtliche Arbeitsteilung diese Rolle den Männern überlassen sollte, sagt er doch selbst, dass „physiologische Gründe (…) problematisch sind bei der Erklärung, warum Frauen von der Jagd ausgeschlossen wurden“ (S. 314f.) Auch ist nicht klar, warum die Jagd und die Nahrung als ihr Produkt angesehener sein sollte als das Produkt des Sammelns und des Gartenbaus, besonders wenn Letzterer die Hauptquelle der gesellschaftlichen Ressourcen ist.
Noch grundsätzlicher: woher kam die erste Arbeitsteilung, und warum sollte sie auf dem Geschlecht beruhen? Hier sehen wir, wie Darmangeat sich in seiner eigenen Vorstellungskraft verliert: „Wir können uns vorstellen, dass selbst eine keimhafte Spezialisierung der menschlichen Spezies gestattete, eine größere Effektivität zu erlangen, als wenn ihre Mitglieder weiterhin jede Handlung ohne Unterscheidung ausgeübt hätte (…) Wir können uns ebenfalls vorstellen, dass sich diese Spezialisierung durch die Stärkung der gesellschaftlichen Bande im Allgemeinen und der Bande innerhalb der Familiengruppen im Besonderen in der gleichen Richtung auswirkte.“[9] Gut, natürlich können wir uns viel „vorstellen“, doch ist dies nicht vielmehr das, was eigentlich demonstriert werden sollte?
Was die Frage angeht: „Wie kam die Arbeitsteilung auf der Grundlage der Geschlechter zustande?“, scheint dies für Darmangeat „nicht sehr sehr schwierig zu sein. Es erscheint offensichtlich, dass für die Mitglieder prähistorischer Gesellschaften dieser Unterschied der am unmittelbarsten ersichtliche ist.“[10] Wir können hier einwenden, dass auch wenn geschlechtliche Unterschiede sicherlich „unmittelbar ersichtlich“ für die ersten menschlichen Wesen gewesen waren, dies keine selbstgenügsame Erklärung für die Entstehung einer geschlechtlichen Arbeitsteilung ist. Primitive Gesellschaften sind reich an Einordnungen, besonders jene, die auf Totems beruhen. Warum sollte die Arbeitsteilung nicht auf dem Totemismus basieren? Dies ist offensichtlich ein bloßes Hirngespinst – genauso wie Darmangeats Hypothese. Was noch schwerer wiegt, ist, dass Darmangeat einen anderen äußerst eindeutigen Unterschied nicht erwähnt, einen Unterschied, der überall in archaischen Gesellschaften wichtig ist: den Unterschied im Alter.
Wenn es darum geht, trägt Darmangeats Buch – trotz seines eher prahlerischen Titels – nicht viel Erhellendes bei. Die Unterdrückung der Frauen beruhte auf der geschlechtlichen Arbeitsteilung. So sei es. Doch wenn wir fragen, woher diese Teilung kommt, werden wir abgespeist „mit bloßen Hypothesen, demzufolge wir uns vorstellen können, dass gewisse biologische Einschränkungen, die wahrscheinlich mit der Schwangerschaft und dem Stillen zu tun haben, das physiologische Substrat für die geschlechtliche Arbeitsteilung und den Ausschluss der Frauen von der Jagd bilden“ (S. 322).[11]
Von den Genen zur Kultur
Am Ende seiner Argumentation lässt uns Darmangeat mit der folgenden Schlussfolgerung zurück: Im Ursprung der Frauen-Unterdrückung liegt die geschlechtliche Arbeitsteilung, und trotzdem war diese Teilung ein erheblicher Schritt vorwärts in der Arbeitsproduktivität, selbst wenn ihre Ursprünge in einer weit entfernten und unzugänglichen Vergangenheit versteckt liegen.
Darmangeat bemüht sich hier darum, dem marxistischen „Modell“ treu zu bleiben. Doch was ist, wenn das Problem verkehrt herum gestellt wurde? Wenn wir das Verhalten jener Primaten betrachten, die dem Menschen am nächsten sind, insbesondere die Schimpansen, dann sehen wir, dass nur die männlichen Tiere jagen gehen – die weiblichen sind zu sehr damit beschäftigt, ihre Jungen zu füttern und auf sie aufzupassen (und sie vor den männlichen Artgenossen zu schützen: Wir sollten nicht vergessen, dass männliche Primaten oftmals Kindsmord am Nachwuchs anderer männlicher Artgenossen praktizieren, um sich für ihre eigenen reproduktiven Bedürfnisse Zugang zu den Muttertieren zu verschaffen). „Arbeitsteilung“ zwischen männlichen Tieren, die jagen, und weiblichen Tieren, die es nicht tun, ist also nichts menschlich Spezifisches. Das Problem – das nach einer Erklärung ruft – ist nicht, warum die Jagd dem männlichen Geschlecht des Homo sapiens vorbehalten war, sondern warum es der männlicheHomo sapiens, und nur der männliche, ist, der das Produkt seiner Jagd verteilt. Was bemerkenswert ist, wenn wir den Homo sapiens mit seinen Cousins unter den Primaten vergleicht, ist der Wirkungsbereich der oft sehr strengen Regeln und Tabus, die genauso unter den Aborigines in den glühenden Wüsten Australiens wie unter den Eskimos im arktischen Eis angetroffen werden und die den kollektiven Verzehr der Jagdbeute voraussetzen. Der Jäger hat nicht das Recht, sein eigenes Produkt zu konsumieren; er muss es zurück ins Lager bringen, um es an die anderen zu verteilen. Die Regeln, die die Verteilung regulieren, variieren beträchtlich von einem Volk zum nächsten, aber ihre Existenz ist universell.
Es lohnt sich darauf hinzuweisen, dass die Geschlechtsunterschiede des Homo sapiens ein gutes Stück geringer sind als beim Homo erectus, was in der Tierwelt allgemein ein Indikator für ausgewogenere Verhältnisse zwischen den Geschlechtern ist.
Überall sind das Teilen von Nahrung und das kollektive Einnehmen von Mahlzeiten das Fundament der ersten Gesellschaften. In der Tat hat das gemeinsame Mahl bis heute überlebt: Selbst heute ist es unmöglich, sich irgendeinen großen Moment im Leben (Geburt, Hochzeit oder Begräbnis) ohne das gemeinsame Mahl vorzustellen. Wenn Menschen in schlichter Freundschaft zusammenkommen, findet dies fast immer rund um ein gemeinsames Essen statt, ob am Barbecue in Australien oder um einen Restauranttisch in Frankreich.
Dieses Teilen von Nahrung, das anscheinend aus uralten Zeiten stammt, ist ein Aspekt des menschlichen kollektiven und gesellschaftlichen Lebens, der sich stark von dem unserer weit entfernten Verfahren unterscheidet. Wir werden hier mit dem konfrontiert, was der Darwinologe Patrick Tort als einen „unbezahlbaren Ausdruck des ‚Egoismus‘ unserer Gene“ beschrieben hat: Die Mechanismen, die von Darwin und Mendel beschrieben worden waren und von den modernen Genetikern bestätigt wurden, haben ein soziales Leben generiert, in dem die Solidarität eine zentrale Rolle spielt, wobei dieselben Mechanismen durch den Wettbewerb funktionieren.[12]
Diese Frage des Teilens ist unserer Ansicht nach fundamental, aber nur Teil eines viel weiter gefassten wissenschaftlichen Problems: Wie können wir den Prozess erklären, der eine Spezies, deren Verhaltensänderungen vom langsamen Rhythmus der genetischen Evolution bestimmt wurden, in unsere eigene Spezies umwandelt, deren Verhalten – auch wenn es sich natürlich noch immer auf unserem genetischen Erbe gründet – sich dank einer viel schnelleren Evolution der Kultur verändert? Und wie können wir erklären, dass ein auf Konkurrenz basierender Mechanismus eine Spezies geschaffen hat, die nur durch Solidarität überleben kann: die wechselseitige Solidarität der Frauen bei der Kindsgeburt und -aufzucht, die Solidarität von Männern auf der Jagd, die Solidarität der Jäger gegenüber der Gesellschaft als Ganzes, wenn sie die Jagdbeute beisteuern, die Solidarität der Gesunden mit den Alten oder Verletzten, die nicht mehr in der Lage sind, zu jagen oder ihre eigene Nahrung zu finden, die Solidarität der Alten gegenüber den Jungen, denen sie nicht nur die lebenswichtigen Kenntnisse über die Natur und Welt beibringen, sondern auch die gesellschaftlichen, historischen, rituellen und mystischen Kenntnisse, die das Überleben einer strukturierten Gesellschaft ermöglichen? Dies scheint uns das fundamentale Problem zu sein, dass sich durch die Frage der „menschlichen Natur“ stellt.
Dieser Übergang von einer Welt zu einer anderen fand in einem Zeitraum von mehreren hunderttausend Jahren statt, eine wichtige Periode, die wir in der Tat als eine „revolutionäre“ beschreiben können.[13] Sie ist eng verknüpft mit der Evolution des menschlichen Gehirns, seiner Größe (und mutmaßlich auch seiner Struktur, auch wenn dies natürlich weitaus schwieriger in den archäologischen Funden nachzuweisen ist). Das Wachstum der Hirngröße stellt unsere sich entfaltende Spezies vor einer ganzen Reihe von Problemen, von denen der schiere Energiebedarf des Hirns nicht das geringste ist: ungefähr 20 Prozent der gesamten Energieaufnahme eines Individuums – enorme Proportionen.
Obwohl die Spezies zweifellos vom Prozess der Enzephalisation (der evolutionären Entwicklung der Großhirnrinde) profitiert hat, stellte dies ein ganz reales Problem für die Frau dar. Die Größe des Kopfes bedeutet, dass die Geburt früher eintreten muss, andernfalls passt das Embryo nicht mehr durch das mütterliche Becken. Dies wiederum setzt einen weitaus längeren Zeitraum der Abhängigkeit des Kleinkindes voraus, das, verglichen mit anderen Primaten, „vorzeitig“ zur Welt kommt; das Wachstum des Gehirns erfordert mehr Pflege, sowohl strukturell als auch energetisch (Proteine, Lipide, Kohlehydrate). Wir scheinen es mit einem unlösbaren Rätsel oder vielmehr mit einem Rätsel zu tun zu haben, das die Natur erst nach dem langen Zeitraum löste, in dem Homo erectus lebte und sich über Afrika verbreitete, in dem sich jedoch allem Anschein nach weder im Verhalten noch in der Morphologie viel änderte. Dannn aber folgte eine Periode der rasanten Weiterentwicklung, die ein Wachstum des Gehirnumfangs und das Auftreten all der spezifisch menschlichen Verhaltensformen erlebte: Sprache, symbolische Kultur, Kunst, der intensive Gebrauch von Werkzeugen und deren große Vielfalt, etc.
Es gibt ein weiteres Rätsel. Wir haben die radikalen Änderungen im männlichen Homo sapienszur Kenntnis genommen, doch die physiologischen und Verhaltensänderungen im weiblichenHomo sapiens sind nicht weniger bemerkenswert, besonders vom Standpunkt der Reproduktion.
Es gibt in diesem Zusammenhang einen auffälligen Unterschied zwischen dem weiblichen Homo sapiens und anderen Primaten. Unter Letzteren (und besonders jenen, die uns am nächsten stehen) signalisiert das Weibchen im Allgemeinen den Männchen ihre Eisprungphase (und damit die Phase ihrer größten Fruchtbarkeit) auf die deutlichste Weise: mit unübersehbaren Genitalorganen, einem „geilen“ Verhalten besonders gegenüber dem dominanten Männchen, charakteristischen Ausdünstungen. Unter den Menschen verhält es sich genau umgekehrt: Die Sexualorgane sind verborgen und ändern sich nicht während des Eisprungs, und die weiblichen Menschen sind sich nicht einmal bewusst, wenn sie „brünstig“ sind.
Am anderen Ende des Eizyklus‘ ist der Unterschied zwischen dem Homo sapiens und anderen Primaten gleichermaßen frappierend: ergiebige und sichtbare Monatsblutungen, das Gegenteil zum Schimpansen zum Beispiel. Da Blutverlust Energieverlust bedeutet, müsste die natürliche Selektion eigentlich gegen überflüssigen Blutfluss arbeiten; also kann Letzterer nur mit einem ausgesuchten Vorteil erklärt werden – aber welchem?
Ein weiteres bemerkenswertes Kennzeichen der menschlichen Menstruation ist ihre Periodizität und Sychronität. Viele Untersuchungen haben bereits die Leichtigkeit aufgezeigt, mit der viele Gruppen von Frauen ihre Perioden synchronisieren, und Knight zeigt mit einer Tabelle der Monatszyklen unter Primaten auf, dass die menschliche Frau eine Periode hat, die vollkommen mit dem Mondzyklus übereinstimmt. Warum? Oder ist dies nur Zufall?
Man könnte versucht sein, dies alles einerseits als irrelevant für die Erklärung der Sprache und der menschlichen Besonderheiten im Allgemeinen zu betrachten. Solch eine Reaktion wäre darüber hinaus in völliger Eintracht mit der aktuellen Ideologie, die die Periode der Frauen wenn nicht als Tabu, so doch als etwas Negatives betrachtet: Man denke nur an all die Reklamefeldzüge für „weibliche Hygieneprodukte“, deren Fähigkeiten, die Periode unsichtbar zu machen, angepriesen werden. Die Entdeckung der immensen Bedeutung des Menstruationsblutes und all dessen in der primitiven menschlichen Gesellschaft, was mit ihm assoziiert wird, die sich beim Studium des Buchs von Knight erschließt, ist somit umso erschreckender für uns als Mitglieder der modernen Gesellschaft. Und der Glaube an die enorme Macht – auf Gut und Böse – der Perioden der Frauen ist, so meinen wir, ein universelles Phänomen. Es ist kaum eine Übertreibung zu sagen, dass die Monatsblutungen alles „regulieren“, einschließlich der Harmonie im Universum.[14] Selbst in Völkern, wo es eine starke männliche Vorherrschaft gibt und wo alles getan wird, um Frauen zu entwerten, regen ihre Perioden die Furcht in den Männern an. Menstruationsblut wird als etwas „Giftiges“ betrachtet, eine kaum noch zurechnungsfähige Ansicht, die für sich genommen ein Hinweis auf seine Macht ist. Man ist gar versucht, den Schluss zu ziehen, dass die Gewalt der Männer gegen Frauen in direkter Proportion zur Furcht steht, die die Frauen in Männern auslösen.[15]
Die Universalität dieses Glaubens ist bedeutend und verlangt nach einer Erklärung. Wir können uns drei mögliche Deutungen vorstellen:
· Er könnte das Resultat von Strukturen sein, die im menschlichen Geist angelegt sind, wie Lévi-Strauss‘ Strukturalismus suggeriert. Heute würden wir eher sagen, dass sie im human-genetischen Erbe angelegt sind – doch dies scheint allem zu widersprechen, was über die Genetik bekannt ist.
· Es könnte auf das Prinzip „dieselbe Ursache - dieselben Auswirkungen“ zurückgeführt werden. Gesellschaften, die sich in Hinsicht ihrer Produktionsverhältnisse und ihrer Techniken gleichen, produzieren die gleichen Mythen.
· Die Ähnlichkeit der Mythen könnte schließlich auf einen gemeinsamen historischen Ursprung zurückgeführt werden. Wenn dies der Fall wäre, dann müsste angesichts der Tatsache, dass die verschiedenen Gesellschaften, wo Menstruationsmythen vorkommen, geographisch weit auseinanderliegen, der gemeinsame Ursprung sehr weit zurückliegen.
Knight favorisiert die dritte Erklärung: Er betrachtet in der Tat die universelle Mythologie rund um die Menstruation als etwas sehr Altes, das auf die eigentlichen Ursprünge der Menschheit zurückgeht.
Die Entstehung der Kultur
Wie sind diese verschiedenen Fragen miteinander verknüpft? Wie könnte der Link zwischen der Menstruation der Frauen und der kollektiven Jagd aussehen? Und wie zwischen den beiden und anderen auftretenden Phänomenen wie Sprache, symbolische Kultur, eine Gesellschaft, die auf gemeinsamen Regeln beruht? Diese Fragen scheinen uns fundamental zu sein, weil all diese „Evolutionen“ keine isolierten Phänomene sind, sondern Elemente in einem einzigen Prozess, der vom Homo erectus zu uns führt. Die Hyper-Spezialisierung der modernen Wissenschaften erschwert, was größtenteils auch von den Wissenschaftlern gesehen wird, das Verständnis dieses umfassenden Prozesses, der von einer einzelnen spezialisierten wissenschaftlichen Disziplin nicht erfasst werden kann.
Was wir an Knights Werk am bemerkenswertesten finden, ist eben dieses Bemühen, genetische, archäologische, paläontologische und anthropologische Daten in einer „allumfassenden Theorie“ der menschlichen Evolution zusammenzubringen, analog zu den Anstrengungen der theoretischen Physik, die uns die Super-String- oder die Schleifenquantengravitationstheorie beschert hat.[16]
Versuchen wir also diese Theorie zusammenzufassen, die heute als „Sexstreiktheorie“ bekannt ist. Um es einfach und schematisch zu sagen, stellt Knight die Hypothese auf, dass es zunächst bei den weiblichen Homo, die mit den Schwierigkeiten der Kindsgeburt und der Säuglingspflege konfrontiert waren, zu einer Verhaltensänderung gekommen ist: Die Frauen wandten sich vom dominanten Männchen ab, um in einer Art von gegenseitigem Unterstützungspakt ihre Aufmerksamkeit den zweitrangigen Männchen zu schenken. Die Männchen akzeptierten, die Weibchen zurückzulassen, wenn sie jagen gingen, und ihnen die Jagdbeute zurückzubringen; im Gegenzug erlangten sie Zugang zu den Weibchen und somit eine Chance zur Reproduktion, was ihnen bis dahin vom Alphamännchen verweigert worden war.
Diese Verhaltensänderung bei den Männchen – die anfangs, wir erinnern uns, den Evolutionsgesetzen unterworfen war – ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich, insbesondere unter zwei: Einerseits darf es für die Männchen nicht möglich sein, anderswo Zugang zu Weibchen zu finden; andererseits müssen die Männchen darauf vertrauen können, dass sie in ihrer Abwesenheit nicht verdrängt werden. Dies sind also kollektive Verhaltensweisen. Die Weibchen - die die treibende Kraft in diesem evolutionären Prozess sind – müssen gegenüber den Männchen eine kollektive Sexverweigerung aufrechterhalten. Diese kollektive Verweigerung wird den Männchen wie auch anderen Weibchen deutlich durch die Monatsblutung signalisiert, die mit einem „universellen“ und sichtbaren Ereignis synchronisiert ist: dem Mondzyklus und den Gezeiten, die ihn in der semiaquatischen Umgebung des afrikanischen Grabenbruchs, wo die Menschheit zuerst auftauchte, begleiten.
Die Anfänge der Solidarität sind gemacht: zunächst unter den Weibchen, dann auch unter den Männchen. Kollektiv ausgeschlossen vom Zugang zu den Weibchen, können sie eine in wachsendem Maße organisierte kollektive Großwildjagd in die Tat umsetzen, die die Fähigkeit zur Planung und zur Solidarität im Angesicht von Gefahren erfordert.
Gegenseitiges Vertrauen entsteht in der kollektiven Solidarität innerhalb jedes Geschlechts, aber auch zwischen den Geschlechtern: das weibliche Vertrauen in der männlichen Beteiligung an der Kinderaufzucht, das männliche Vertrauen darin, dass ihnen nicht die Chance zur Reproduktion vorenthalten wird.
Dieses theoretische Modell gestattet uns, das Rätsel zu lösen, das Darmangeat unbeantwortet ließ: Warum sind Frauen so strikt von der Jagd ausgeschlossen? Gemäß des Modells Knights kann dieser Ausschluss nur ein absoluter gewesen sein, denn wenn sich einige Weibchen – und insbesondere jene, die noch unbelastet waren von eigenem Nachwuchs – der gemeinsamen Jagd mit den Männchen anschließen konnten, dann hätten Letztere Zugang zu empfängnisbereiten Weibchen gehabt und wären nicht mehr gezwungen gewesen, die Jagdbeute mit aufziehenden Weibchen und ihren Jungen zu teilen. Damit das Modell funktioniert, sind die Weibchen gezwungen, eine totale Solidarität unter ihresgleichen aufrechtzuerhalten. Von diesem Standpunkt aus ist es möglich, das Tabu zu verstehen, das eine absolute Trennung zwischen Frauen und Jagd aufrechterhält und das das Fundament für allen anderen Tabus ist, die sich um die Menstruation und dem Blut der Jagd drehen und die den Frauen verbieten, mit irgendwelchen Schneidewerkzeugen umzugehen. Die Tatsache, dass dieses Tabu, einst eine Quelle der weiblichen Stärke und Solidarität, unter anderen Umständen zu einer Quelle der gesellschaftlichen Schwäche und Unterdrückung werden sollte, mag auf dem ersten Blick paradox erscheinen: In der Realität ist dies nur ein besonders auffälliges Beispiel für eine dialektische Umkehrung, eine weitere Veranschaulichung der tiefen dialektischen Logik allen evolutionären und historischen Wandels.[17]
Die Weibchen, die am erfolgreichsten dieses neue Verhalten unter ihresgleichen und unter den Männchen durchsetzten, hinterließen mehr Nachkommen. Der Prozess der Großhirnbildung konnte fortgesetzt werden. Das Tor zu einer Weiterentwicklung des Menschen war offen.
Gegenseitige Solidarität und gegenseitiges Vertrauen wurden also nicht durch eine Art glückseligen Mystizismus in die Welt gesetzt, sondern im Gegenteil durch die mitleidlosen Gesetze der Evolution.
Dieses gegenseitige Vertrauen ist eine Vorbedingung für die Entstehung einer echten Fähigkeit zur Sprache, die von der gegenseitigen Akzeptanz gemeinsamer Regeln (Regeln, die so elementar sind wie die Idee, dass ein einziges Wort dieselbe Bedeutung für mich wie für dich hat) und von einer Gesellschaft abhängt, die auf Kultur und Gesetz basiert, die nicht mehr dem langsamen Rhythmus der genetischen Evolution unterworfen, sondern in der Lage ist, sich weitaus schneller neuen Umgebungen anzupassen. Eines der ersten Elemente der neuen Kultur ist logischerweise der Transfer all dessen vom genetischen in den kulturellen Bereich (wenn wir es so sagen können), das die Entstehung dieser neuen Gesellschaftsform ermöglicht hat: Die ältesten Mythen und Rituale drehen sich rund um die Menstruation der Frauen (und den Mond, der ihre Sychronität garantiert) und ihre Rolle in der Regulierung nicht nur der gesellschaftlichen, sondern auch der natürlichen Ordnung.
Einige Schwierigkeiten und eine mögliche Fortsetzung
Wie Knight selbst sagt, ist seine Theorie eine Art von „Ursprungsmythos“ und bleibt eine Hypothese. Dies an sich ist selbstverständlich kein Problem; ohne Hypothesen und Spekulationen gäbe es keinen wissenschaftlichen Fortschritt. Die Religion, nicht die Wissenschaft, versucht bestimmte Wahrheiten zu etablieren.
Was uns angeht, so würden wir gern zwei Einwände gegen das Narrativ erheben, das Knight vorschlägt.
Der erste betrifft die verstrichene Zeit. Als Blood Relations 1991 veröffentlicht wurde, datierten die ersten Anzeichen künstlerischen Ausdrucks und daher der Existenz einer symbolischen Kultur, die in der Lage ist, Mythen und Rituale, die sich im Zentrum seiner Hypothese befinden, zu transportieren, vor nur 60.000 Jahren. Doch die ersten Gebeine moderner Menschen sind etwa 200.000 Jahre alt: Was passierte also in den 140.000 „fehlenden“ Jahren? Und wie könnte der Vorläufer einer völlig ausgebildeten Kultur zum Beispiel unter unseren unmittelbaren Ahnen ausgesehen haben?
Dies stellt nicht so sehr die Theorie an sich in Frage, sondern ist ein Problem, das nach weiterer Untersuchung verlangt. Seit den 1990er Jahren haben Ausgrabungen in Südafrika (Blombos Caves, Klasies River, Kelders) allem Anschein nach den Zeitraum des erstmaligen Gebrauchs von Kunst und abstrakten Symbolismus auf 80.000 oder gar 140.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung zurückversetzt.[18] Was den Homo erectus anbetrifft, scheinen die Überreste, die bei Dmanisis in Georgien Anfang der nuller Jahre entdeckt und auf ein Alter von 1,8 Millionen Jahren datiert wurden, bereits auf einen gewissen Grad an Solidarität hinzuweisen: Ein Individuum lebte etliche Jahre ohne Zähne, was nahelegt, dass andere ihm beim Essen halfen.[19] Gleichzeitig waren ihre Werkzeuge immer noch primitiv, und laut den Experten praktizierten sie noch keine Großwildjagd. Dies alles sollte uns nicht überraschen: Darwin hat seinerzeit bereits festgestellt, dass menschliche Merkmale wie Empathie, die Wertschätzung des Schönen und der Freundschaft bereits im Tierreich existierten, wenn auch auf einem rudimentären Niveau, verglichen mit der Menschheit.
Unser zweiter Einwand ist gewichtiger und betrifft die „Antriebskraft“, die das Wachstum des menschlichen Gehirns vorantrieb. Knight ist mehr darauf bedacht, festzulegen, wie dieses Wachstum ermöglicht wurde, und so steht diese Frage nicht im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit: Laut seinem Interview auf unserem Kongress hat er im Grunde die Theorie der „wachsenden sozialen Komplexität“ sich zu eigen gemacht, eine Theorie, wonach die menschlichen Wesen sich dem Leben in immer größeren Gruppen anpassen mussten (diese Theorie wird von Robert Dunbar verfochten[20] und ist auch von J.-L. Dessalles in seinem BuchWarum wir sprechen aufgegriffen worden, dessen Argumente er auf unserem letzten Kongress vorstellte). Wir können hier nicht in die Details gehen, doch scheint uns diese Theorie nicht ohne Probleme zu sein. Immerhin variiert die Größe der Primatengruppen von einem Dutzend im Falle der Gorillas bis zu etlichen Hundert für die Hamadryas-Paviane: Es wäre daher notwendig, sowohl aufzuzeigen, warum Hominini gesellschaftliche Bedürfnisse entwickelten, die über die der Paviane hinausgingen (dies steht noch aus), als auch zu demonstrieren, dass Hominini in immer größeren Gruppen lebten, bis hin zur „Dunbar-Zahl“ zum Beispiel.[21]
Alles in allem ziehen wir es vor, den Prozess der Großhirnbildung und der Sprachentwicklung mit der wachsenden Bedeutung der „Kultur“ (im breitesten Sinn des Wortes) in der menschlichen Fähigkeit zu verbinden, sich der Umwelt anzupassen. Es gibt häufig die Neigung, sich die Kultur allein in materiellen Begriffen (Steinwerkzeuge, etc.) vorzustellen. Doch wenn wir das Leben von Jäger-Sammler-Völkern in unserer eigenen Epoche untersuchen, sind wir über nichts so beeindruckt wie über ihre profunde Kenntnis ihre natürliche Umgebung: das Verhalten der Tiere, die Merkmale von Pflanzen, etc. Jedes jagende Tier „kennt“ das Verhalten seiner Beutetiere und kann sich dem bis zu einem gewissen Punkt anpassen. Bei menschlichen Wesen ist diese Kenntnis jedoch nicht genetisch, sondern kulturell bedingt und muss von Generation zu Generation übermittelt werden. Während die Nachahmung die Übermittlung eines beschränkten Grades von „Kultur“ erlaubt (Affen, die einen Stock benutzen, um zum Beispiel Termiten zu angeln), liegt es auf der Hand, dass die Übermittlung menschlicher (oder eigentlich proto-menschlicher) Kenntnisse etwas mehr als Nachahmung erfordert.
Man könnte auch behaupten, je mehr die Kultur die Genetik bei der Bestimmung unseres Verhaltens ersetzt, desto wichtiger wird die Übermittlung dessen, was wir die „spirituelle“ Kultur (Mythen, Rituale, die Kenntnis heiliger Plätze, etc.) nennen, bei der Aufrechterhaltung des Gruppenzusammenhalts. Dies wiederum führt uns zur Verknüpfung der Sprachentwicklung mit einem anderen äußeren Merkmal, das in unserer Biologie verankert ist: die „frühe“ Menopause der Frauen, gefolgt von einer langen Periode der Unfruchtbarkeit, was ein weiteres Merkmal ist, das die menschlichen Frauen nicht mit ihren Primaten-Cousinen teilen.[22] Wie konnte eine „frühe“ Menopause von der natürlichen Selektion favorisiert werden, obwohl sie offensichtlich das weibliche Reproduktionspotenzial einschränkt? Die wahrscheinlichste Hypothese ist wohl die, dass Frauen in der Menopause ihren Töchtern besser helfen können, das Überleben ihrer eigenen Enkelkinder und damit ihres eigenen genetischen Erbes sicherzustellen.[23]
Die Probleme, die wir gerade angeschnitten haben, betreffen den Zeitraum, der von Blood Relations abgedeckt wird. Doch es gibt eine weitere Schwierigkeit, die den Zeitraum der bekannten Geschichte angeht. Es ist naheliegend, dass die primitiven Gesellschaften, von denen wir Kenntnis haben (und welche Darmangeat beschreibt), sich stark von den hypothetischen ersten menschlichen Gesellschaften Knights unterscheiden. Um nur das Beispiel von Australien zu nehmen, dessen Aboriginal-Gesellschaft eine der technisch primitivsten ist, die wir kennen: die Hartnäckigkeit von Mythen und rituellen Praktiken, die der Menstruation große Bedeutung zumessen, geht Hand in Hand mit einer völligen Vorherrschaft der Männer über die Frauen. Wenn wir davon ausgehen, dass Knights Hypothese weitgehend korrekt ist – wie können wir dann erklären, was sich zu einer veritablen „männlichen Konterrevolution“ auswuchs? In seinem Kapitel 13 (S. 449) unterbreitet Knight eine Hypothese, um das zu erklären. Er behauptet, dass das Verschwinden der Megafauna – Arten wie der gigantische Wombat – und eine Zeit des trockenen Wetters am Ende des Pleistozän die Jagdmethoden durcheinanderbrachte und dem Überfluss ein Ende bereitete, den er als materielle Vorbedingung für das Überleben des primitiven Kommunismus betrachtete. 1991 schrieb Knight, dass ein archäologischer Beweis seiner Hypothese noch aussteht. Seine eigenen Forschungen beschränken sich auf Australien. Auf jeden Fall hat es für uns den Anschein, dass dieses Problem ein weites Untersuchungsgebiet eröffnet, das es gestatten würde, die wahre Geschichte des längsten Zeitraums in der Existenz der Menschheit ins Auge zu fassen: von unseren Ursprüngen bis zur Erfindung der Landwirtschaft.[24]
Die kommunistische Zukunft
Wie kann das Studium der menschlichen Ursprünge unsere Auffassung über eine künftige kommunistische Gesellschaft verdeutlichen? Darmangeat sagt uns, dass der Kapitalismus die erste menschliche Gesellschaft sei, die es gestatte, sich ein Ende der geschlechtlichen Arbeitsteilung und die Gleichheit der Frauen vorzustellen – eine Gleichheit, die heute in einigen wenigen Ländern Gesetz geworden sei, die aber nirgendwo eine faktische Gleichheit sei: „… auch wenn der Kapitalismus das Los der Frauen an sich weder verbessert noch verschlimmert hat, ist er dennoch das erste System, das es ermöglicht hat, die Frage ihrer Gleichheit mit Männern zu stellen; und obwohl er sich als unfähig erwiesen hat, diese Gleichheit Wirklichkeit werden zu lassen, hat er dennoch die Elemente zusammengeführt, die sie realisieren werden.“[25]
Zwei Kritiken erscheinen uns angebracht zu sein: Die erste ist, dass die immense Bedeutung der Integration der Frauen in die Welt der Lohnarbeit ignoriert wird. Trotz allem hat der Kapitalismus den Arbeiterfrauen zum ersten Mal in der Geschichte der Klassengesellschaften eine ganz reale materielle Unabhängigkeit von den Männer geschenkt und somit die Möglichkeit, auf Augenhöhe mit den Männern am Kampf für die Befreiung des Proletariats und somit der Menschheit in ihrer Gesamtheit teilzunehmen.
Die zweite Kritik betrifft den eigentlichen Gleichheitsbegriff. Dieser Begriff ist mit dem Brandzeichen der bürgerlichen Ideologie versehen, eine Hinterlassenschaft des Kapitalismus, und nicht das Ziel einer kommunistischen Gesellschaft, die im Gegenteil die Unterschiede zwischen den Individuen anerkennt und – um Marx‘ Ausdruck zu benutzen – und auf ihre Fahnen schreibt: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“[26] Nun, außerhalb des Gebiets der Science fiction haben Frauen sowohl eine Fähigkeit als auch ein Bedürfnis, die Männer niemals haben werden: zu gebären.[27] Ohne diese Fähigkeit hätte die Menschheit keine Zukunft, doch sie ist auch eine körperliche Funktion und daher ein Bedürfnis für Frauen.[28] Eine kommunistische Gesellschaft muss daher jeder Frau, die es wünscht, die Möglichkeit zu geben, mit Freude zu gebären, im Vertrauen darauf, dass ihr Kind in der menschlichen Gemeinschaft willkommen geheißen wird.
Hier können wir womöglich eine Parallele zu der evolutionistischen Vision ziehen, die Knight unterbreitet. Proto-Frauen stießen den Evolutionsprozess in Richtung Homo sapiens und symbolischer Kultur an, weil sie ihre Kinder nicht mehr allein aufziehen konnten: Sie mussten die Männer dazu bringen, der Kindesaufzucht und der Erziehung der Jungen materielle Unterstützung zukommen zu lassen. Auf diese Weise führten sie das Prinzip der Solidarität unter Frauen, die von ihren Kinder in Anspruch genommen werden, unter Männern, die von der Jagd in Beschlag genommen werden, und zwischen Frauen und Männern, die gemeinsam ihre gesellschaftliche Verantwortung teilen, in die menschliche Gesellschaft ein.
Heute sind wir mit einer Situation konfrontiert, in der der Kapitalismus uns immer mehr auf den Status atomisierter Individuen reduziert, und Kinder aufziehende Frauen leiden am meisten darunter. Nicht nur, dass die „Herrschaft“ der kapitalistischen Gesellschaft die Familie auf ihren kleinsten Ausdruck (Mutter, Vater, Kinder) reduziert, die allgemeine Desintegration des sozialen Lebens bedeutet darüber hinaus, dass immer mehr Frauen sich in der misslichen Lage befinden, ihre sehr jungen Kinder allein aufzuziehen, und die Notwendigkeit, Arbeit zu finden, distanziert sie häufig von ihren eigenen Müttern, Schwestern oder Tanten, die einst das natürliche Unterstützungsnetzwerk für Frauen mit kleinen Kindern waren. Die „Welt der Arbeit“ ist mitleidlos gegenüber Frauen mit Kindern, die gezwungen sind, ihre Säuglinge nach bestenfalls ein paar Monaten abzustillen (abhängig vom verfügbaren Schwangerschaftsurlaub, wenn überhaupt) und sie einem Kindermädchen anzuvertrauen, oder die – wenn sie arbeitslos sind – vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten werden und gezwungen sind, sich mittels äußerst begrenzter Ressourcen um ihre Babys zu kümmern.
In einem gewissen Sinn befinden sich Arbeiterinnen in einer Lage, die vergleichbar ist mit der ihrer fernen Vorfahren – und nur eine Revolution kann ihre Situation verbessern. So wie die „Revolution“ es nach Knights Hypothese Frauen erlaubte, sich mit der sozialen Unterstützung erst durch andere Frauen, dann durch die Männer beim Gebären und bei der Erziehung ihrer Kinder zu umgeben, so muss auch die kommende kommunistische Revolution die Unterstützung die Unterstützung der Frauen bei ihrer Schwangerschaft und die kollektive Erziehung der Kinder in den Mittelpunkt stellen. Nur eine Gesellschaft, die ihren Kindern und ihrer Jugend einen privilegierten Platz einräumt, kann den Anspruch erheben, eine hoffnungsvolle Zukunft anzubieten: Von diesem Standpunkt aus kompromittiert sich der Kapitalismus allein durch die Tatsache, dass ein wachsender Teil seiner Jugend als „überzählig“ betrachtet wird.
Jens
[1]Editions Smolny, Toulouse 2009 und 2012. Wenn nicht anders festgestellt, sind die Zitate und Seitenangaben der ersten Edition entnommen.
[2]Darmangeat stellt einige interessante Ideen über die gewachsene Bedeutung der physischen Kraft bei der Bestimmung der Geschlechterrollen nach der Erfindung der Landwirtschaft vor (das Pflügen zum Beispiel).
[3]Darmangeat besteht zweifellos zu Recht darauf, dass die Beteiligung an gesellschaftlicher Produktion eine notwendige, aber nicht ausreichende Bedingung für die Sicherstellung einer günstigen Umgebung für Frauen ist.
[4]In dem Abschnitt „Die Familie“, MEW, Band 21, S. 68.
[5]Bruce Trigger, Understanding early civilizations.
[6]Knights Buch widmet ein Abschnitt der „männlichen Menstruation“ (S. 428). Ebenfalls verfügbar in PDF on Knight’s website.
[7]„Der menschliche Geist hat seine Erfordernisse, von denen eines die Kohärenz ist“ (S. 319). Wir möchten hier nicht auf die Frage eingehen, woher diese Erfordernisse kommen und warum sie ihre besonderen Formen annehmen – Fragen, die Darmangeat unbeantwortet lässt.
[8]Um eine leidenschaftliche, aber kritische Schilderung des Denkens von Lévi-Strauss zu erhalten, verweisen wir den Leser/die Leserin auf Knights Kapitel „Lévi-Strauss and ‚The Mind‘“.
[9]C. Darmangeat, 2. Ausgabe, S. 214f.
[10]Ebenda.
[11]Merkwürdigerweise hebt Darmangeat selbst nur einige Seiten zuvor hervor, dass in bestimmten nordamerikanischen Indianergesellschaften unter bestimmten Bedingungen „Frauen alles tun konnten; sie meisterten die gesamte Bandbereite weiblicher und männlicher Aktivitäten“ (S. 314).
[12]Siehe den Artikel über Patrick Torts L’Effet Darwin und Chris Knights Artikel über Solidarität und das egoistische Gen.
[13]Vgl. „The great leap forward“ von Anthony Stigliani.
[14]Bemerkenswerterweise ist das Wort für die Periode der Frauen in der deutschen, französischen, spanischen und englischen Sprache „die Regel“.
[15]Dies ist ein Thema, das sich durch das gesamte Buch Darmangeats zieht. Siehe unter anderem das Beispiel der Huli in Neuguinea (S. 222, 2. Ausgabe).
[16]Und besser noch: hat sich dabei verdient gemacht, die Theorie lesbar und zugänglich für den Laien zu machen.
[17]Daher kommen wir, wenn Darmangeat uns erzählen will, dass Knights These „kein Wort über die Gründe verliert, warum Frauen systematisch und vollkommen verboten wurde, zu jagen und Waffen zu bedienen“, nicht umhin, uns zu fragen, ob er das Buch bis zu seinem Schluss gelesen hat.
[18]Siehe die Wikipedia-Artikel über Blombos Cave.
[19]Siehe den Artikel in La Recherche: „Etonnants primitifs de Dmanisi“.
[20]Siehe zum Beispiel Dunbars The Human Story. Robin Dunbar erklärt die Evolution der Sprache mit dem Wachstum menschlicher Gruppen; Sprache erschien als eine weniger aufwändige Form der gegenseitigen Körperpflege, durch die unsere Primaten-Cousins ihre Freundschaften und Bündnisse aufrechterhalten. „Dunbars Zahl“ hat als die größte Zahl enger Beziehungen, die das menschliche Gehirn zu behalten in der Lage ist (ungefähr 150), Eingang in die anthropologische Theorie gefunden; Dunbar meint, dass dies die maximale Größe der ersten menschlichen Gruppen gewesen sei.
[21]Die Hominini (der Zweig des evolutionären Stammbaums, zu dem die modernen Menschen gehören) trennte sich von den Panini (der Zweig, der Schimpansen und Bonobos beherbergt) vor etwa sechs bis neun Millionen Jahren.
[22]Vgl. „Menopause in non-human primates“, US-National Library of Medicine).
[23]Siehe die Zusammenfassung der „Großmutter-Hypothese“.
[24]Einiges ist bereits in dieser Richtung getan worden, in einem Land auf der anderen Seite der Erde, vom Anthropologen Lionel Sims in einem Artikel mit dem Titel „The ‚Solarization‘ of the moon: manipulated knowledge at Stonehenge“, veröffentlicht in Cambridge Archaeological Journal, 16:2.
[25]Darmangeat, ob.zit., S. 426.
[26]Nicht umsonst schrieb Marx in seiner Kritik am Gothaer Programm: „Das Recht kann seiner Natur nach nur in Anwendung von gleichem Maßstab bestehn; aber die ungleichen Individuen (und sie wären nicht verschiedene Individuen, wenn sie nicht ungleich wären) sind nur an gleichem Maßstab meßbar, soweit man sie unter einen gleichen Gesichtspunkjt bringt, sie nur von einer bestimmten Seite faßt, z.B. im gegebnen Fall sie nur als Arbeiter betrachtet und weiter nichts in ihnen sieht, von allem andern absieht.“
[27]Einer der wenigen originellen Science fiction-Autoren heute, Iain M. Banks, hat eine pan-galaktische Gesellschaft („The Culture“) geschaffen, die praktisch kommunistisch ist, wo Menschen eine solche Kontrolle über ihre hormonellen Funktionen erlangt haben, dass sie fähig sind, beliebig das Geschlecht zu wechseln und somit auch zu gebären.
[28]Was natürlich nicht bedeutet, dass alle Frauen Kinder in die Welt setzen wollen, und noch weniger, dass sie dazu gezwungen werden sollten.