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Flugblatt zur Klimakrise | 241.66 KB |
Im Oktober 2019 veranstaltete Extinction Rebellion eine zweiwöchige Herbstrebellion - die "International Rebellion" - die in 60 Städten weltweit geplant war. In Großbritannien ging es um Demonstrationen, die Besetzung von Straßenkreuzungen, das Besteigen von Zügen, die Errichtung eines Gerüsts am Oxford Circus, Provokation, um verhaftet zu werden, die allgemeine Inszenierung von Stunts, alles um dem entsetzlichen Zustand der Umwelt Aufmerksamkeit zu verschaffen. Auf der "theoretischen Seite" bildet das Pamphlet Common Sense for the 21st Century / Only Nonviolent Rebellion Can Now Stop Climate Breakdown and Social Collapse von Roger Hallam, einem der Führer von Extinction Rebellion, die Grundlage für die Tätigkeit von Extinction Rebellion, und ihre Tätigkeit steht im Einklang mit dem Pamphlet. (Die Zitate haben wir daraus entnommen, sofern nicht anders angegeben.)
Die Reaktionen auf die Aktivität von Extinction Rebellion waren unterschiedlich. In der Presse ist man sich einig, dass sie die Aufmerksamkeit auf wichtige Themen lenken, aber man missbilligt, welche Mittel sie zur Erregung des öffentlichen Interesses einsetzen. Es gibt auch Prominente und Linke, die Extinction Rebellion unkritisch unterstützen. Typischerweise lobt die Socialist Workers Party SWP "Menschen, die Verhaftungen und Medienangriffen mit brillanten, kreativen Reaktionen und Widerstand trotzen". "Extinction Rebellion ist in dieser Woche mit einer Vielzahl von Angriffen konfrontiert worden – von den Medien, der Polizei und den rechten Politikern. Dennoch baut Extinction Rebellion eine Bewegung auf, die es geschafft hat, dem wiederholten Druck des Staates standzuhalten – und dabei Spaß zu haben. Sie erheben die Forderungen nach einer radikalen Transformation der Gesellschaft und schaffen einen Raum, um dafür zu kämpfen." Die radikaleren Trotzkisten von wsws.org spenden ihnen auch weitgehend Lob: "Extinction Rebellion versucht, das öffentliche Bewusstsein für die globale Erwärmung zu schärfen, während sie von den Regierungen der Welt politische Veränderungen fordern (....) Die Arbeiter müssen sich energisch gegen die Massenverhaftungen von Demonstranten wenden, deren einziges Verbrechen darin besteht, einen Ausweg aus der schrecklichen Umweltkatastrophe zu suchen, die die Menschheit bedroht."
Inzwischen gibt es die traditionellen konservativen Reaktionen auf die Proteste, welche Extinction Rebellion-Aktionen als Belästigung, als Aktionen von Hippies und Crusties charakterisieren. Daneben gibt es die "Konträren" von Spiked, die „gegen den Krieg von Extinction Rebellion gegen die Arbeiterklasse" sind. „Diese Öko-Schickeria zeigt jede Menge Abscheu gegenüber den Forderungen der Armen." Als ein Extinction Rebellion-Protestler vom Dach eines U-Bahn-Zuges gezogen und von Pendlern angegriffen wurde, erklärte Spiked, dass „die heutigen Auseinandersetzungen in der U-Bahn zwischen den Pendlern aus der Arbeiterklasse und den über viel Zeit verfügenden bürgerlichen Angstmachern des Extinction Rebellion-Kults ein wunderbares Beispiel für die elitäre Natur der Ökopolitik und die wachsende öffentliche Wut auf die Öko-Agenda sind“.
Für eine ernsthafte Kritik an Extinction Rebellion ist es notwendig, die Werkzeuge des Marxismus zu nutzen, soziale Phänomene im Kontext der kapitalistischen Gesellschaft zu verstehen, im Interessenkonflikt zwischen der herrschenden Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse – einer Klasse die ausgebeutet wird, aber die Fähigkeit hat, den Kapitalismus zu stürzen. Hallams Werk ist nicht nur eine theoretische Grundlage für ihre verschiedenen Protestmittel: Es zeigt auch, auf welcher Seite Extinction Rebellion im Kampf der Klassen steht.
Ist Extinction Rebellion gegen den Reformismus?
Common Sense widersetzt sich auf den ersten Blick den "Reformisten": „Sie bieten graduelle Lösungen an, die ihrer Meinung nach funktionieren werden. Es ist an der Zeit zuzugeben, dass dies falsch ist, und es ist eine Lüge. Sie lenken damit die öffentliche Meinung und die Aufmerksamkeit und Energie der Öffentlichkeit von der anstehenden Aufgabe ab: radikale kollektive Aktionen gegen das politische Regime, das unseren kollektiven Selbstmord plant“. Und doch ist exakt die gesamte Politik von Extinction Rebellion reformistisch. Alle anderen sozialen Fragen sollen offenbar auf Eis gelegt werden, bis sich der Kapitalismus verpflichtet, die "Klimakrise" anzugehen! Dies wird auch in der Behauptung der Zeitung Guardian bestätigt, dass „die Klimakrise das bestimmende Thema unserer Zeit ist“.
Das zentrale Anliegen von Extinction Rebellion ist die Umwelt und die Möglichkeit, dass der kapitalistische Staat durch Maßnahmen wie Steuern und Zölle und die Stilllegung schädlicher Technologien einen ökologischen Massenmord verhindern kann. In Theorie und Praxis wollen sie die Aufmerksamkeit auf die Ökologie als eigenständiges Thema lenken und vom Kapitalismus als globalem System ablenken, das zu imperialistischen Kriegen und ökologischen Verwüstungen führt. Besonders aufschlussreich ist die Haltung von Extinction Rebellion gegenüber dem Repressionsapparat des Staates. Common Sense sagt: „Ein proaktiver Ansatz gegenüber der Polizei ist ein wirksames Mittel, um im gegenwärtigen Kontext einen massiven zivilen Ungehorsam zu ermöglichen. Das bedeutet, mit der Polizei Kontakt aufzunehmen, sobald sie vor Ort ankommt, und zwei Dinge klar zu sagen: ‚Dies ist eine gewaltfreie friedliche Aktion‘ und ‚wir respektieren es, dass Sie hier Ihre Arbeit tun müssen‘. Wir haben wiederholt Beweise dafür erbracht, dass sich die Polizisten dadurch beruhigen und den Weg für spätere zivile Interaktionen ebnen. Die Aktionen von Extinction Rebellion haben die Polizei bei der Verhaftung und auf den Polizeiwachen stets höflich behandelt". Extinction Rebellion ist stolz darauf, vernünftig und kooperativ zu sein. „Oft ist ein persönliches Treffen mit der Polizei effektiv, da sie verstehen können, dass die Menschen, mit denen sie es zu tun haben, vernünftig und kommunikativ sind“. Extinction Rebellion sieht kein Problem darin, dass die Polizei ihre Veranstaltungen managt: „Es ist besser für die Polizei, einen geordneten und kostengünstigen Auftritt zu bewältigen, der mit unserem Interesse vereinbar ist, so dass eine große Anzahl von Menschen an einem symbolischen und dramatischen Akt teilnimmt." Aus der Sicht der herrschenden Klasse wird Extinction Rebellion nicht als Bedrohung für die Machthaber angesehen, sondern lediglich als gelegentliches Ärgernis für den Verkehr.
Die Führung von Extinction Rebellion sieht die Polizei nicht als Bedrohung, im Gegenteil, sie wird als Instrument gesehen, mit welchem die Popularität von Extinction Rebellion durch zahlreiche Verhaftungen unterstützt wird. Wie andere Kritiker bereits sagten: "Extinction Rebellion-Führer sind mehr als respektvoll gegenüber der Polizei. Sie unterstützen sie aktiv bei der Verhaftung und auch die Gerichte bei der Verurteilung." (https://libcom.org/blog/extinction-rebellion-not-struggle-we-need-pt-1-1...). Dieser Artikel des Kollektivs Out of the Woods berichtet auch, dass "Hallam behauptet, dass die Londoner Metropolitan Police ‚wahrscheinlich eine der zivilisiertesten Kräfte der Welt ist‘“.[1] Entgegen der Ansicht von Extinction Rebellion ist die historische Erfahrung der Ausgebeuteten und Unterdrückten, dass die Polizei zusammen mit den Gerichten, Gefängnissen, Sicherheitsdiensten und der Armee integraler Bestandteil des Repressionsapparates des kapitalistischen Staates sind. Sie existieren, um die Institutionen der herrschenden Klasse im Interesse der ausbeuterischen Bourgeoisie zu verteidigen. Allem, was die kapitalistische Ordnung bedroht, wird durch die Staatsgewalt und insbesondere durch die Polizei entgegengetreten.
Rebellion und "Revolution"
Extinction Rebellion behauptet, Fürsprecherin einer Art "Revolution" zu sein, aber sie meinen, dass „ein dogmatisches Streben nach diskreditierten revolutionären Modellen sozial ruinös sein kann". Hallam ist so zuversichtlich, dass die Extinction Rebellion-Vision der Schlüssel sei, und dass wir ohne sie „mit orientierungslosen, ziellosen und spontanen Aufständen zurückgelassen werden (…) von denen Untersuchungen zeigen, dass sie normalerweise zu autoritären Ergebnissen und Bürgerkrieg führen". Common Sense fragt, warum „revolutionäre Episoden in den letzten 30 Jahren kläglich gescheitert sind" und sagt, dass die Antwort in „der grundlegendsten Frage der Politik - Wer entscheidet?- liegt". Es ist nicht ersichtlich was mit diesen letzten "revolutionären Episoden" gemeint ist. Wir könnten uns fragen, welche "revolutionären Episoden" in den letzten 30 Jahren stattgefunden haben. Hallam bezieht sich auf Ägypten und die Ukraine, sowie auf die "Gilets jaunes" in Frankreich. In Wirklichkeit war keine dieser Bewegungen revolutionär: Die Ereignisse auf dem ukrainischen Maidan-Platz im Jahr 2014 waren vollständig von Nationalismus durchdrungen, die "Gilets jaunes" sind eine vom Populismus dominierte interklassistische Bewegung. Die Ereignisse in Ägypten im Jahr 2011 waren anders, weil es einen deutlichen Einfluss des Klassenkampfes gab, aber sie waren noch weit davon entfernt, die Frage nach dem Sturz des kapitalistischen Systems überhaupt zu stellen. Hallam verwendet hier einen bekannten Trick: Das Konzept der Revolution entwerten – womit sie jede Art sozialer Unruhe oder politischem Coup meinen – und verdecken, was Revolution bedeutet und wie sie zustande kommen kann. Für Marxisten ist die einzige revolutionäre Kraft in der kapitalistischen Gesellschaft die Arbeiterklasse, und eine proletarische Revolution ist der einzige Prozess, der den kapitalistischen Staat stürzen kann. Common Sense hat eine komplett andere Sicht auf die Welt.
Zum einen gibt es eine Reihe von verschiedenen Elementen, die das Extinction Rebellion-Konzept der "Rebellion" ausmachen. Hallam stellt den Fall dar, als wäre er Ergebnis einer seriösen wissenschaftlichen Studie: "Historische Untersuchungen zeigen, dass erfolgreiche zivile Widerstandsepisoden drei bis sechs Monate dauern". Oder: "Der effektivste Akt des zivilen Massenungehorsams besteht darin, dass eine beträchtliche Anzahl von Menschen (zunächst mindestens 5000-10`000) den öffentlichen Raum in einer Hauptstadt von mehreren Tagen bis mehreren Wochen besetzen". All dies geht einher mit der Ansicht, dass „1% der Bevölkerung die Störung verursachen wird". Eines der 10 Grundprinzipien von Extinction Rebellion ist die "Mobilisierung von 3,5% der Bevölkerung für einen Systemwandel". Dies ist ein klassisches Beispiel von Elitismus. Auf die Frage "Wer entscheidet“, lautet die Antwort: eine kleine Minderheit, mobilisiert von Extinction Rebellion, die den Staat irgendwie zu Verhandlungen zwingen wird: "Wenn die Behörden die Fähigkeit verlieren, die Massenmobilisierung zu stoppen, ist das Regime gezwungen zu verhandeln".
Die kapitalistische Gesellschaft hat die Menschheit in eine tödliche Sackgasse geführt, und es gibt keinen Ausweg daraus, außer durch eine massive und radikale Mobilisierung der Arbeiterklasse und den gigantischsten Bewusstseinswandel der Menschheitsgeschichte. Mit nur einer kleinen Minderheit bei der Umsetzung zu rechnen, heißt sich lustig zu machen über die enorme Herausforderung für die Arbeiterklasse und die Menschheit.
Extinction Rebellion fühlt sich wohl mit den Institutionen der bürgerlichen Herrschaft. Hallam und einige andere Extinction Rebellion-Aktivisten kandidierten bei den Europa-Wahlen 2019. Natürlich behaupteten sie, keine politische Partei zu sein, aber sie standen gerne an der Seite aller anderen bürgerlichen Politiker, die ihre ideologischen Botschaften feilboten, Propaganda zur Klimafrage betrieben und ihre Waren in die bekannten Regale stellten neben Nationalismus, Populismus, Rassismus, Stalinismus und all die anderen Kampagnen für Veränderungen im Kapitalismus. Zu verschiedenen Zeitpunkten schlägt Common Sense verschiedene Gremien vor, die am "sozialen Wandel" beteiligt sein sollen. So propagieren sie beispielsweise die Idee einer "Nationalen Bürgerversammlung, die nach Zufallsauswahl ausgewählt wird, um das Maßnahmenprogramm zur Bewältigung der Krise auszuarbeiten. Bei der Zufallsauswahl werden die Mitglieder der Versammlung nach dem Zufallsprinzip aus der gesamten Bevölkerung ausgewählt, und durch Stichprobenentnahmen wird sichergestellt, dass sie für die demografische Zusammensetzung des Landes repräsentativ ist". Ähnliches befürwortet auch die konservative Regierung. Briefe wurden an 30`000 Haushalte in ganz Großbritannien verschickt, in denen die Menschen zur Teilnahme an einer Bürgerversammlung zum Thema Klimawandel eingeladen wurden. "Die Eingeladenen zur Climate Assembly UK wurden nach dem Zufallsprinzip aus ganz Großbritannien ausgewählt. Von den Befragten werden 110 Personen als repräsentative Stichprobe der Bevölkerung ausgewählt" (Guardian 02.11.2019). Dies ist keine Grundlage für den "sozialen Wandel", da all dies mit den anderen Institutionen der bürgerlichen Demokratie in komplettem Einklang steht. Solche harmlosen Versammlungen stehen im krassen Gegensatz zu den Versammlungen oder Räten, die von der Arbeiterklasse bei ihren Versuchen, ihre Interessen zu verteidigen, geschaffen wurden und die letztendlich die Fähigkeit haben, den Kapitalismus zu stürzen.
Um verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen zu können, braucht die Arbeiterklasse keine Delegierten, die nach dem Zufallsprinzip aus der breiten Bevölkerung ausgewählt werden, sondern Delegierte, die klare Positionen, eine politische Überzeugung und eine Orientierung haben, wie man die Wurzeln der Mechanismen der kapitalistischen Zerstörung angeht. Wir können unser Schicksal nicht in die Hände einer „Lotterieauswahl“ von Delegierten legen: Wir müssen darauf vertrauen können, dass Delegierte für die Arbeiterräte unsere Interessen wirklich vertreten und verteidigen. Da solche Delegierte nur als Ausdruck einer Klasse in politischer Bewegung handeln können, sind Arbeiterräte ein Instrument der Arbeiterklasse, um ein "Kräfteverhältnis" zu schaffen, bei dem die herrschende Klasse zurückgedrängt und der Boden für ihren Sturz bereitet werden kann.
Zu den weiteren Vorschlägen von Hallam gehören Volksversammlungen, die ökologische Fragen diskutieren. Im Gegensatz zur Selbstorganisation der Arbeiterklasse und zur Diskussion innerhalb einer assoziierten Klasse, werden in Hallams Versammlungen "Experten aus der ganzen Welt helfen können, Moderatoren auszubilden und Tagesordnungen zu erstellen". Hier haben wir Gremien, die von "Experten" geleitet werden, um "Moderatoren" auszubilden und Tagesordnungen festzulegen ohne jede Absicht, die bestehende Ordnung zu gefährden.
Obwohl sich Extinction Rebellion als eine Bewegung des "Volkes" im Allgemeinen versteht, anerkennen sie die Notwendigkeit, mehr Teile der Arbeiterklasse für ihre Kampagnen zu gewinnen. Sie möchten "eine Massenbewegung aufbauen und so die Umweltbewegung aus der bürgerlichen Blase herauszuführen, die sie seit Jahrzehnten bestimmt“. In diesem Zusammenhang stellt Extinction Rebellion fest, dass „die Arbeiterklasse in den Umweltbewegungen des Vereinigten Königreichs fast völlig abwesend ist". Aber das Problem mit Extinction Rebellion ist nicht der Mangel an Vielfalt. Das Problem besteht darin, dass berechtigte Ängste über dem Klimawandel mit einigen spektakulären Aktionen in eine Spielart des Reformismus gelenkt werden.
Während Extinction Rebellion behauptet, die Gesellschaft verändern zu wollen, bleibt in Wirklichkeit ihr gesamtes Projekt innerhalb der Grenzen des Kapitalismus. Sie will den Apparat der kapitalistischen Demokratie nicht umstoßen. "Das Parlament würde bestehen bleiben, aber in beratender Funktion für diese Versammlung von gewöhnlichen Menschen, die zufällig aus dem ganzen Land ausgewählt wurden und über die zentrale Frage unseres heutigen nationalen Lebens beraten werden – wie vermeiden wir das Aussterben?" Sie setzen auch auf Kommunalverwaltungen und NGOs wie Greenpeace und Friends of the Earth. Grundsätzlich wird das Ziel von Extinction Rebellion bezüglich der ökologischen Probleme innerhalb eines Landes und innerhalb des heutigen kapitalistischen Systems als möglich angesehen. Trotz der "Korruption" des politischen Systems könne die "politische Klasse" dazu gebracht werden, zu verhandeln und alles, was der Umwelt schade, rückgängig zu machen.
Unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Werte
In Common Sense gibt es viele Ratschläge, wie man sich den Medien nähert, wie man spricht, was man sagt, wie man einen Jargon vermeidet. Implizit erkennt man im ganzen Pamphlet eine Basis von Werten. So wird gesagt, dass "Worte wie Ehre, Pflicht, Tradition, Nation und Vermächtnis bei jeder Gelegenheit verwendet werden sollten." So liest man über die Verwendung von "Martin Luther Kings Reden als Paradebeispiel dafür, wie man den Rahmen des Nationalstolzes zurückgewinnt." Seit ihrer Gründung im April 2018 hat sich Extinction Rebellion von Grossbritannien auf andere Länder wie die USA, Australien, Deutschland und auch andere Teile Europas ausgedehnt. Obwohl international präsent, ist ihre Perspektive an den Nationalstaat, den Rahmen des Kapitalismus, gebunden und hat keine Probleme mit dem "Nationalstolz". Im Gegenteil scheint Extinction Rebellion die Wiederbelebung von Werten wie denjenigen des Nationalstolzes, der integraler Bestandteil aller Formen der bürgerlichen Ideologie ist, uneingeschränkt zu befürworten.
Obwohl sie sich in einen "radikalen" Protestansatz kleiden, ist Extinction Rebellion bei wirtschaftlichen Maßnahmen vorsichtig: "Direkte Aktionen, als Mittel zur Schaffung eines politischen Wandels, wurden einer vereinfachten Analyse unterzogen, bei der Gewinn und Verlust in engen materiellen Dimensionen betrachtet werden. Es gibt ein starkes Argument für diesen Ansatz, denn Konfrontation, Streiks, Blockaden, Streikposten, Stillstände, wirtschaftliche Bedrohungen und Störungen können durchaus Gegner an den Tisch bringen – wie der langfristige Erfolg vieler Arbeiterstreiks auf der ganzen Welt zeigt." Ohne auf den "langfristigen Erfolg vieler Arbeiterstreiks" einzugehen (es werden keine Beweise vorgelegt), ist Hallam besorgt, dass "die Erhöhung der wirtschaftlichen Kosten für einen Gegner stark polarisierend ist". Er glaubt, dass der Kampf um "Herzen und Verstand" wichtiger ist als ein wirtschaftlicher Kampf. Für die Arbeiterklasse ist der "wirtschaftliche Kampf" jedoch Teil der Verteidigung ihrer Klasseninteressen. Im Kampf der politischen Positionen gibt es einen ablouten Gegensatz zwischen den Protesten von Extinction Rebellion gegen die Klimakrise, die den bürgerlichen Staat zur Vernunft bringen wollen, und der zentralen Auffassung des Marxismus: mit der revolutionären Fähigkeit der Arbeiterklasse den Kapitalismus zu stürzen, was nur aus dem Kampf zur Verteidigung ihrer materiellen Interessen heranwachsen kann.
Anscheinend ist Arbeit von Hallam und Extinction Rebellion von Why Civil Resistance Works: Die strategische Logik gewaltfreier Konflikte von Erica Chenoweth und Maria Stephan inspiriert worden. Stephan ist eine Strategin des US-Außenministeriums und hat im European/NATO Policy Office des US-Verteidigungsministeriums und im NATO-Hauptquartier in Brüssel gearbeitet. Ideen aus diesen Kreisen werden wohl kaum dazu beitragen, den kapitalistischen Staat oder andere Institutionen der bürgerlichen Herrschaft herauszufordern!
Wie berechtigte Sorgen eingepfercht werden
Es gibt eine sehr weit verbreitete Besorgnis über den Zustand des Planeten und den Wunsch, auf das zu reagieren, was im Kapitalismus alles auf uns zukommt. Aber Extinction Rebellion verbreite eine Ideologie und eine Karrikatur von Protesten, um solche Sorgen und militante Energien zu vereinnahmen und sie in die Unterstützung des kapitalistischen Systems einzuspannen, welches die wirkliche Wurzel der Umweltzerstörung ist. Wie bei der Propaganda aller grünen Parteien in den letzten 40 Jahren oder der jüngsten Kampagne um Greta Thunberg ist es eine gefährliche Illusion zu glauben, dass der Kapitalismus der Umweltzerstörung Einhalt gebieten kann.
Der Kapitalismus gibt bei weitem nicht nach, er zieht die gesamte Menschheit immer dramatischer mit in den Strudel der Zerstörung hinein. Die Interessen der Arbeiterklasse stehen im absoluten Gegensatz zum Kapital und können in dieser Gesellschaft nicht befriedigt werden. Der Zustand des Planeten Erde kann nur durch den Sturz des Kapitalismus durch die Arbeiterklasse verbessert werden. Dies kann nicht von einer Minderheit erreicht werden, egal wie entschlossen diese ist. Es erfordert ein Bewusstsein, welches über die bloße Erkenntnis über den Zustand der Umwelt hinausgeht. Die Zeit ist nicht auf der Seite der Arbeiterklasse, und Aktionen und Kampagnen wie die von Extinction Rebellion verlängern lediglich aktiv das Leben des kapitalistischen Systems.
Eine gemeinsame Antwort dieser radikalen Ökolog*innen auf diejenigen, die darauf bestehen, dass einzig die Weltrevolution die Probleme des Kapitalismus überwinden kann, lautet: „Wir haben keine Zeit dafür.“ Aber da die Ideologie von Extinction Rebellion und ähnlicher "Radikaler" dazu dient, Umweltbelange in bürgerliche Sackgassen zu lenken, ist sie nichts anderes als eine Bremse für die Entwicklung des Klassenbewusstseins und das Potential einer Revolution.
Barrow, November 2019
[1] Ein libertäres Kollektiv, das einen Blog auf libcom über Umweltfragen hat. Sie haben kürzlich den zweiten Teil ihrer Kritik an Extinction Rebellion verfasst und sich dabei der Wirklichkeit einer Hierarchie hinter dem Anspruch, eine "Holokratie" ohne Führer zu sein, gewidmet. https://libcom.org/article/extinction-rebellion-not-struggle-we-need-pt-2