Covid-19: Entweder das Weltproletariat überwindet den Kapitalismus oder der Kapitalismus löscht die Menschheit aus

Printer-friendly version

Heute werden in den Straßen von Madrid eine Unmenge Krankenwagen rasen, es wird ein Chaos in den Notaufnahmen der Krankenhäuser, Schmerzen und Leid geben, vergleichbar mit den Anschlägen auf den Bahnhof Atocha im Jahr 2004 (193 Tote und mehr als 1400 Verletzte). Aber dieses Mal wird es ein nur weiterer Tag dieser Pandemie sein, die bereits 2300 Todesfälle und fast 35.000 Infizierte (offiziell) in Spanien verursacht hat, die sich noch schneller als in Italien ausbreitet, das vor einigen Tagen alle Rekorde in Bezug auf die täglichen Todesfälle (651) und die tödlichen Auswirkungen der Epidemie (mehr als 7000 Tote) gebrochen hat. Schon jetzt erweist sich die Covid-19 Pandemie als die schlimmste Gesundheitskatastrophe in den beiden Ländern seit dem 2. Weltkrieg. Und diese Länder liefern nur einen Vorgeschmack von dem, was wahrscheinlich die Bevölkerung der Metropolen wie New York, Los Angeles, London usw. erwartet. Und die Zahlen werden noch horrender sein, wenn man die Auswirkungen dieser Epidemie in Lateinamerika und Afrika berücksichtigt, wo die Gesundheitssysteme noch prekärer sind oder diese gar nicht existieren.

Aber seit Wochen schon konnten sich die Herrscher dieser Länder – und zweifellos auch anderer kapitalistischer Mächte wie Frankreich, wie wir in unseren Publikationen[1] gezeigt haben – eine Vorstellung von den zu erwartenden Folgen dieser Pandemie machen. Dessen ungeachtet beschlossen die Herrschenden wie die Regierungen der anderen kapitalistischen Staaten - und nicht nur Populisten wie Johnson in Großbritannien oder Trump in den USA usw.- die Bedürfnisse der kapitalistischen Wirtschaft über die Gesundheit der Bevölkerung zu stellen. Nun behaupten dieselben Herrscher in ihren theatralischen und heuchlerischen Reden, dass sie bereit seien, alles zu tun, um die Gesundheit ihrer Bürger zu schützen, und schieben die Schuld dafür auf den "Virus", dem sie den "Krieg" erklären. Aber der Schuldige kann nicht etwas sein, das nicht einmal ein Lebewesen ist. Die Verantwortung für die durch diese Pandemie verursachte Sterblichkeit ist ganz und gar auf die sozialen Bedingungen zurückzuführen; auf eine Produktionsweise, die, anstatt die Produktivkräfte, die natürlichen Ressourcen, den Fortschritt des Wissens zu nutzen, um das Leben zu begünstigen, das menschliche Leben und die Natur auf dem Altar der kapitalistischen Gesetze der Akkumulation und des Profits opfert.

Die ausgebeutete Klasse ist auch das Hauptopfer dieser Pandemie

Man sagt uns immer wieder, dass diese Pandemie jeden betrifft, ohne Unterschied zwischen Arm und Reich. Sie berichten über die Fälle einiger "Prominenter", die von Covid-19 betroffen oder sogar getötet wurden. Aber das sind Anekdoten, um die Tatsache zu verschleiern, dass die Ausbeutungsbedingungen der Beschäftigten für den Anstieg und die Ausbreitung dieser Pandemie verantwortlich sind.

Erstens wegen der dicht zusammen gedrängten  Menschen in überfüllten und ungesunden  Wohnvierteln, die einen Nährboden für die Ausbreitung von Epidemien bieten. Dies lässt sich leicht überprüfen, wenn man sieht, dass diese Pandemie in Industrieregionen mit hoher Bevölkerungsdichte (Lombardei, Venetien und Emilia Romagna in Italien, Madrid, Katalonien und Baskenland in Spanien) häufiger auftritt als in Regionen, die aufgrund der industriellen Entwicklung weniger stark besiedelt sind (Sizilien, Andalusien). Die Zuspitzung der Wohnungsnot insbesondere für die Arbeiter hat diese Ausbreitung noch begünstigt. Im Fall von Madrid befinden sich die Krankenhäuser, die am stärksten unter der hohen Patientenzahl leiden und die völlig überfordert sind, im Wesentlichen in den Stadtteilen, die die Beschäftigten aus den südlichen Industriegebieten versorgen. Und in diesen minderwertigen Wohngegenden ist es schwieriger, die von den Gesundheitsbehörden verordnete Quarantäne zu ertragen. In den "Chalets" von Somosierra oder der Villa Niza, wo Berlusconi mit seinen Kindern Zuflucht gesucht hat, ist die Enge erträglicher. Dieser Realität entgegengesetzt täuschen die Ausbeuter zynischerweise einen „Bürgersinn“ vor.

Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf diese Bevölkerung mit prekären Arbeitsplätzen, die sich zusätzlich um kleine Kinder oder ältere Menschen kümmern muss, zusammen gepfercht auf engstem Raum in minderwertigen Wohnungen. Besonders empörend ist dies im Fall der älteren Menschen, die ihr ganzes Leben lang ausgebeutet wurden und heute gezwungen sind, allein zu leben, oder die in Heimen vernachlässigt werden, die denselben Gesetzen des kapitalistischen Profits unterliegen. Mit einem Pfleger für je 18 Patienten in den Abteilungen der stark Pflegebedürftigen sind die Altenheime zu einer der Hauptquellen für die Ausbreitung der Pandemie geworden, wie man in Spanien nicht nur bei den so genannten "Bürgern", sondern auch bei den Beschäftigten selbst gesehen hat, die mit befristeten Verträgen und miserablen Gehältern gezwungen waren, gefährdete Patienten zu betreuen, wobei in vielen Fällen minimale Maßnahmen zum Selbstschutz fehlten.[2] Aber dieselbe Situation ist auch in Frankreich zu beobachten, das bis vor kurzem noch als Musterbeispiel des Sozialstaates dargestellt wurde. In Spanien ist es inzwischen so, dass hospitalisierte Patienten isoliert in ihren Zimmern neben den Leichen ihrer Mitbewohner ausharren müssen, da die Leichenhallen überfüllt sind oder nicht ausreichend geschützte Beschäftigte der Bestattungsunternehmer nicht mehr nachkommen, um all die Verstorbenen einzusammeln. Ebenso werden Einlieferungen in Krankenhäuser verzögert, da die Aufnahmekapazitäten längst erschöpft sind. Meist erwartet die neu Eingelieferten dort eine Einstufung in Patienten der dritten oder vierten Kategorie, d.h. den Regeln der "Triage" zufolge, wodurch der Einsatz von materiellen Ressourcen und Personal auf der Grundlage von Kosten-Nutzen-Kriterien bestimmt wird. All das stellt einen Angriff auf die Würde und das Leben der Menschen und all das dar, was die Menschheit bisher erreicht hat. In Spanien[3], Italien, Frankreich wurde diese Triage von den Behörden verordnet.

Wir können hier die bekannten Überausbeutung und Überbelastung der Beschäftigten im Gesundheitswesen hinzufügen. Auf sie entfallen allein 8 und 12% der Ansteckungen. Allein in Spanien sind mehr als 5.000 Beschäftigte des Gesundheitswesens infiziert. Doch diese Statistiken sind ziemlich irreführend, da ein beträchtlicher Teil der Beschäftigten noch nicht auf eine Coronavirusinfektion getestet wurde. Dennoch sind sie gezwungen, ohne die notwendigen Handschuhe, Masken und Schutzkittel zu arbeiten, da diese eine "entbehrliche" Ausgabe für die kapitalistische Gesundheit und Wirtschaft darstellten. Wie Krankenhäuser, Intensivbetten, Beatmungsgeräte, die Forschung an Coronaviren und möglichen Heilmitteln und Impfstoffen - all dies wurde der Rentabilität der Ausbeutung geopfert.

Heute versuchen die Stimmen, die in den Medien über die Entwicklung des Gesundheitswesens „trauern“, vor allem die linken Kräfte, den Zorn der Bevölkerung auf die "Privatisierung" des Gesundheitswesens zu lenken. Aber wer auch immer das Krankenhaus, das pharmazeutische Labor oder das Pflegeheim besitzt, die Wahrheit ist, dass die Gesundheit der Bevölkerung dem Profitstreben einer ausbeuterischen Minderheit in der gesamten Gesellschaft unterliegt.

Die Verteidigung des Lebens gegen die Gesetze der Ausbeutung

Diese Diktatur der Gesetze des Kapitals über die Bedürfnisse der Menschen hat sich deutlich bei der Durchführung der Quarantäne in Italien, Spanien und Frankreich gezeigt, die drakonische Einschränkungen beim Einkaufen und beim Besuch älterer Menschen vorsieht, Kindern oder behinderte Patienten wegsperrt, die aber dennoch die Augen zudrückte und die Beschäftigten nicht daran hindern wollte, auf Baustellen zu schuften, Schiffe mit Containern  zu be- und entladen und die Produktion in Textil-, Haushaltsgeräte- und Automobilfabriken aufrechtzuerhalten. Und um diese Ausbeutungsbedingungen "abzusichern" und gleichzeitig ein paar "Jogger" oder Arbeiter zu jagen, die in kleinen Gruppen mit dem Auto zur Arbeit fahren (und einen Teil der Reisekosten sparen), wird die Nutzung von U- oder S-Bahnen oder Pendlerzügen erlaubt, um den Produktionsprozess am Laufen zu halten. Viele Arbeiter sind über diesen verbrecherischen Zynismus der Bourgeoisie empört und drücken ihre Wut in sozialen Netzwerken aus, da es unter den gegenwärtigen Bedingungen unmöglich ist, dies gemeinsam auf der Straße, in Versammlungen usw. zu tun. So wurde gegen die Kampagne, die von den wichtigsten "Medien" mit der Parole "Bleib zu Hause" ausgebrütet wurde, ein ebenso sehr populärer Hashtag #YoNoPuedoQuedarmeEnCasa (Ich kann nicht zu Hause bleiben) ins Leben gerufen, in dem sich "Lieferanten" (Deliveroo, Uber), HauspflegerInnen, ArbeiterInnen im riesigen Bereich der Niedriglöhner  usw. äußern.

Es hat auch Proteste, Kundgebungen und Streiks gegen die Fortsetzung der Arbeit unter diesen Bedingungen gegeben, die das Leben und die Sicherheit der Beschäftigten missachten. So wie es bei den Protesten in Italien lauthals verkündet wurde. "Ihre Gewinne sind mehr wert als unser Leben."

In Italien streikten die Beschäftigten bei FIAT in Pomigliano, wo täglich 5.000 Beschäftigte arbeiten, seit der Woche vom 10. März, um gegen die unsicheren Arbeitsbedingungen zu protestieren. In anderen Fabriken des Metallsektors, zum Beispiel in Brescia, wurde den Unternehmen ein Ultimatum gestellt, die Produktion an die Bedürfnisse des Arbeitnehmerschutzes anzupassen, oder sie würden streiken. Letztendlich beschlossen die Unternehmen, die Werke zu schließen. Und als vor kurzem, am 23. März, ein späterer Erlass von Premierminister Conte die Erlaubnis für die Fortsetzung der Arbeit in nicht lebensnotwendigen Industriezweigen gab, brachen erneut spontane Streiks aus, die die Gewerkschaft CGIL dazu veranlassten, einen "Generalstreik" anzudrohen.

In Spanien gab es ähnliche Reaktionen zunächst bei den Mercedes-Werken in Vitoria, denn dort beschlossen die Arbeiter, als ein mit Covid19 infizierter Beschäftigter aufgetaucht war, die Arbeit sofort einzustellen. Dasselbe geschah in der Haushaltsgerätefabrik Balay in Saragossa (1000 Arbeiter) oder bei Renault in Valladolid. Es muss gesagt werden, dass in vielen Fällen das Unternehmen selbst die Aussperrung eingeleitet hat (Airbus in Madrid, SEAT in Barcelona oder FORD in Valencia und später PSA in Saragossa oder Michelin in Vitoria), so dass die Staatskasse - also der Mehrwert, der der gesamten Arbeiterklasse entzogen wurde - für die Zahlung eines Teils der Löhne und Gehälter der Arbeiter einspringen musste, während es in Wirklichkeit schon vor der Pandemie Pläne für Entlassungen gab (bei FORD oder Nissan in Barcelona).

Aber es gibt auch offene Demonstrationen von Kampfbereitschaft, wie der wilde Streik (d.h. außerhalb und gegen den Willen der Gewerkschaften) der Busfahrer in Lüttich (Belgien), der sich gegen die Verantwortungslosigkeit des Unternehmens wandte. Dieses hatte nämlich seine Angestellten unter Bedingungen arbeiten lassen, unter denen sie völlig der Ansteckungsgefahr ausgesetzt waren und das zu einem Zeitpunkt, als Belgien als eines der ersten Länder eine Ausgangssperre verordnet hatte. Gleiches geschah beispielsweise bei den Beschäftigten einer Bäckerei und der Werft Neuhauser in Nantes oder den Beschäftigten von SNF in Andrézieux (Frankreich).[4]

In Frankreich gab es sehr starke Proteste auf den Werften von Saint Nazaire. Ein Werftarbeiter sagte dem Fernsehen: "Sie zwingen mich, mit zwei oder drei Kollegen auf engem Raum in Kabinen von kaum 9 Quadratmetern und ohne jeden Schutz zu arbeiten. Dann gehe ich zurück nach Hause, wo meine Frau und meine Kinder abgeschottet durch die Ausgangsbeschränkungen leben. Und ich frage mich mit großer Sorge, ob ich keine Gefahr für sie darstelle. Das kann ich nicht akzeptieren.“

Während sich die Epidemie und ihre schädlichen Auswirkungen auf die ArbeiterInnen ausbreitet, hört man immer mehr von vereinzelten Protesten der ArbeiterInnen gegen diese Maßnahmen und die Bedürfnisse der kapitalistischen Ausbeutung: z.B. bei FIAT Chrysler in den Werken in Tripton (Indiana/USA), wo die Beschäftigten gegen die Tatsache protestierten, dass sie zur Arbeit gehen müssen, während es verboten ist, sich außerhalb der Fabriken zu versammeln. Ähnliche Reaktionen gab es auch in den Werken der Firma Lear in Hammond, und ebenfalls in Indiana, in den Fiat-Werken in Windsor (Ontario/Kanada) oder in der Lkw-Fabrik Warren am Stadtrand von Detroit. Auch die Busfahrer in der Stadt Detroit stellten ihre Arbeit ein, bis das Unternehmen ihnen ein Mindestmaß an Sicherheit in ihren Arbeitsbedingungen zusicherte. Es ist sehr bezeichnend, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter bei diesen Kämpfen in den Vereinigten Staaten ihre Entscheidung zur Einstellung der Arbeit aufgrund der von der Gewerkschaft - in diesem Fall der UAW - festgelegten Richtlinie durchsetzen mussten, die sie dazu ermutigte, weiter zu arbeiten, um dem Unternehmen nicht zu schaden.

Und auch im Hafen von Santos (Brasilien) gab es Proteste der Arbeiter gegen die Auflagen der Behörden zur Fortsetzung der Arbeit. Auch in diesem Land wächst die Besorgnis der Arbeiter der Fabriken von Volkswagen, Toyota, GM usw. gegen die Fortsetzung der Produktion, als ob es keine Pandemie gäbe.

So begrenzt diese Proteste auch waren, sie sind ein wichtiger Teil der Klassenreaktion des Proletariats auf die Pandemie, die zweifellos kapitalistischen Klassencharakter hat. Selbst wenn diese Proteste auf rein defensivem Terrain stattfinden, stelle sie doch eine deutliche Verweigerung der Ausgebeuteten dar, als Kanonenfutter der Ausbeuter zu dienen.

Die Antwort der Bourgeoisie: Heuchelei und Staatstotalitarismus

Die Bourgeoisie selbst ist sich des Potenzials für die Entwicklung der Kampfbereitschaft und des Bewusstseins des Proletariats bewusst, das in dieser Anhäufung von Unruhe, Entrüstung und Opfern, die von den Arbeitern gefordert werden, enthalten ist. Jetzt nehmen sogar die Hauptverfechter von harten Sparmaßnahmen   (wie Merkel, oder Berlusconi, oder der spanische Luis de Guindos) den Mund voll mit Versprechungen von Sozialleistungen. Aber die Waffen der Ausbeuterklasse bleiben die traditionellen Waffen in der gesamten Geschichte des Klassenkampfes: Täuschung und Unterdrückung.

- Die Scheinheiligkeit der Beifallskundgebungen für die Beschäftigten des Gesundheitswesens. Natürlich verdienen die Beschäftigten des Gesundheitswesens die ganze Anerkennung und Solidarität, denn sie sind es im Wesentlichen, die mit ihrem Einsatz und ihrer Unterstützung die Gesundheitsversorgung auf einem Mindestmaß aufrechterhalten. Sie tun dies seit Jahren auf dem Hintergrund von Personalabbau und der Verschlechterung der materiellen Ressourcen. Es ist widerwärtiger Zynismus zu sehen, wie die Behörden, die genau diese Bedingungen der Überausbeutung und Ohnmacht der Beschäftigten des Gesundheitswesens gefördert haben, sich dieser "Solidarität" der Bevölkerung anschließen wollen, mit der Botschaft, dass wir alle im selben Boot sitzen, die Nationalhymne singen und die patriotischen Werte als Heilmittel (?) gegen die Ausbreitung der Pandemie preisen. Der abstoßende Nationalismus vieler dieser vom Staat selbst geförderten "Mobilisierungen" versucht zu verbergen, dass es keine Interessengemeinschaft geben kann zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten; zwischen Nutznießern und durch die Verschlechterung der Gesundheitsinfrastruktur geschädigten Personen; zwischen denen, die die Produktion und die Wettbewerbsfähigkeit des nationalen Kapitals aufrechterhalten, und denen, die das Leben und die menschlichen Bedürfnisse an die erste Stelle setzen. Das Gerede vom Vaterland ist ein Schwindel für die Arbeiter und Arbeiterinnen, egal ob Salvini und Vox oder Podemos, Macron oder Conte dies sagen.

Unter Berufung auf genau diese "nationale Solidarität" werden die Bürger aufgefordert, diejenigen zu melden, die angeblich die Quarantäne "brechen", wodurch ein Klima der "Hexenjagd" geschaffen wird, für das manchmal Mütter mit autistischen Kindern, ältere Leute, die einkaufen gehen, oder sogar  Gesundheitspersonal, das auf dem Weg zur Arbeit in den Krankenhäuser ist, büßen soll. Es ist besonders zynisch, die Ausbreitung der Pandemie, die durch sie verursachten Todesfälle oder den Stress, unter dem das Gesundheitspersonal leidet, auf einige wenige "Täter" zu schieben. Es gibt nichts Antisozialeres - d.h. im Gegensatz zur menschlichen Gemeinschaft – als den kapitalistischen Staat, der genau die Klasseninteressen der ausbeutenden Minderheit verteidigt, und genau dies wird durch das Feigenblatt dieser angeblichen Solidarität verdeckt. Und es ist doppelt heuchlerisch und kriminell, die durch die Nachlässigkeit des Staates, der die Interessen der feindlichen Klasse verteidigt, verursachte Katastrophe als Mittel zu benutzen, um einige Arbeiter gegen andere aufzuwiegeln. Wenn die Krankenhausmitarbeiter sich weigern, ohne Schutzmaßnahmen zu arbeiten, werden sie als ‚unsolidarisch‘[5] abgestempelt und mit Sanktionen bedroht, wie kürzlich die Entlassung des ärztlichen Direktors des Krankenhauses in Vigo (Galizien) gezeigt hat, weil er es gewagt hat, das "Bla-bla-bla" der bürgerlichen Politiker bezüglich der Schutzmaßnahmen anzuprangern. Die Regionalregierung von Valencia (der die gleichen Parteien angehören wie die "progressive" Koalition, die Spanien regiert) droht damit, Bilder zu zensieren, die den katastrophalen Zustand der Gesundheitsversorgung[6] in dieser Region zeigen, und beruft sich dabei auf das Recht auf "Privatsphäre" der Patienten, wenn sie in Notfalldienste im Massenbetrieb auf Behandlung warten oder behandelt werden.

Wenn die Beschäftigten der städtischen Bestattungsbetriebe sich weigern, ohne Schutzausrüstung den Leichnam der durch das  Coronavirus gestorbenen Menschen abzuholen, werden sie beschuldigt, die Angehörigen  daran zu hindern, den Tod des Verwandten, Freundes ... zu betrauern. Wer kennt nicht die Bedingungen in den Billigwohnungen, die beengten Bedingungen des öffentlichen Personenverkehrs im Berufsverkehr, die Bedingungen am Arbeitsplatz, die nur nach den Bedürfnissen der Produktivität und nicht gemäß den Bedürfnissen der Beschäftigten gestaltet wurden…

Mittlerweile ist die Zahl der Toten so stark angestiegen, dass die Leichen im Eispalast in Madrid aufbewahrt werden müssen.

All diese unmenschliche Brutalität wird als Ausdruck der Einheit der gesamten Gesellschaft dargestellt. Es ist kein Zufall, dass in den Pressekonferenzen der spanischen Regierung ohne jegliche Reue gelogen wird, wenn es um Fragen geht wie: Wann kommen die Tests an? Und die Masken? Und die Beatmungsgeräte? Die immer wiederholte Antwort des Gesundheitsministers: "in den nächsten Tagen". Dabei wird er unterstützt von den mit ihm auftretenden Generälen der Armee, der Polizei, der Guardia Civil mit all ihren Medaillen. Es geht darum, der Bevölkerung den bekannten militärischen Geist einzuflößen: "Gehorchen, ohne zu klagen". Es geht auch darum, die Bevölkerung dazu zu bringen, sich an alle Arten von Einschränkungen der eigenen Bürgerfreiheiten zu gewöhnen, die im Ermessen der Behörde liegen, mit der Folge, dass sie mit einer sehr zweifelhaften Wirkung[7] angewandt werden, die aber, wie wir zuvor gesehen haben, soziale Selbstdisziplin und Abgrenzung fördern und die als einziger Schutzschild gegen Krankheit und soziales Chaos verkauft werden. Es ist kein Zufall, dass die westliche Bourgeoisie heute eine unverhohlene Bewunderung für die Kontrolle ausdrückt, die bestimmte Tyranneien, wie die des chinesischen Kapitalismus[8] über die Bevölkerung ausüben.  Wenn sie heute den Erfolg des "chinesischen Weges" gegen das Coronavirus loben, dann nur, um ihre Bewunderung für die Instrumente dieser totalitären Kontrolle des Staates zu übertünchen (Gesichtserkennung, Verfolgung und Überwachung der Bewegungen und Treffen der Menschen, Nutzung dieser Informationen, um die Bevölkerung in Kategorien ihrer sozialen Gefahr einzuordnen).

Und was ist die Alternative?  Nennen wir sie Kommunismus.

Wir haben gezeigt, wie sich angesichts einer sozialen Krise die Existenz zweier antagonistischer Klassen offenbart: des Proletariats und der Bourgeoisie. Die erste ist diejenige, die das Beste der Menschheit vertritt, um zu versuchen, die Auswirkungen dieser Epidemie zu stoppen. Es ist im Wesentlichen diese Arbeit der Beschäftigten des Gesundheitswesens, im Transportbereich, der Supermarktbeschäftigten und der Lebensmittelindustrie, die es uns ermöglicht hat, zu überleben oder versorgt zu werden. Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass das Proletariat auf weltweiter Ebene die Klasse ist, die den sozialen Reichtum produziert, und dass die Bourgeoisie eine parasitäre Klasse ist, die diese Zurschaustellung von Hartnäckigkeit, Kreativität und Teamarbeit nutzt, um ihren  Reichtum zu vergrößern. Jede dieser antagonistischen Klassen bietet eine völlig unterschiedliche Perspektive auf das Weltchaos, in das der Kapitalismus die Menschheit heute gestürzt hat: Das Regime der kapitalistischen Ausbeutung stürzt die Menschheit in noch mehr Kriege, Epidemien, Elend und ökologische Katastrophen; die revolutionäre Perspektive befreit die menschliche Spezies von ihrer Unterwerfung unter die Gesetze ihrer privaten Aneignung durch eine ausbeuterische Minderheit.

Aber die Ausgebeuteten können dieser Diktatur nicht einzeln entkommen. Sie können sich nicht durch bestimmte Aktionen den chaotischen Direktiven eines Staates entziehen, der faktisch zugunsten einer Produktionsweise handelt, die die ganze Welt beherrscht. Individuelle Sabotage oder Ungehorsam ist der unrealistische Traum von Klassen, die keine Zukunft für die Menschheit als Ganzes zu bieten haben. Die Arbeiterklasse ist keine Klasse von hilflosen Opfern. Sie ist eine Klasse, die die Möglichkeit einer neuen Welt mit sich bringt, die von der Ausbeutung, von den Spaltungen zwischen Klassen und Nationen, von der Unterwerfung der menschlichen Bedürfnisse unter die Gesetze der Akkumulation befreit ist.

Ein Philosoph (Buyng Chul Han), der in seiner Beschreibung des Chaos der gegenwärtigen kapitalistischen Sozialbeziehungen sehr in Mode ist, hat kürzlich erklärt, dass "wir die Revolution nicht dem Virus überlassen können“. Das ist wahr. Nur die bewusste Aktion einer Weltklasse, die bewusst die Wurzeln der Klassengesellschaft ausreißt, kann eine wirkliche Revolution vollbringen.

Valerio, 24. März 2020


[7]Wie z.B. das Verbot, in den Parks zu joggen oder sich zu bewegen. Maßnahmen, die von Regierungen mit einer niedrigeren Covid-19-Sterblichkeitsrate nicht angewandt wurden. Die Erfahrung anderer Länder zeigt, dass der effektive Weg zur Begrenzung der Ausbreitung in massiven Tests für die Bevölkerung, der Verfügbarkeit von ausreichend Krankenhausbetten und -personal, Betten auf der Intensivstation usw. im Verhältnis zu den eigenen Empfehlungen der Europäischen Union besteht, und dass die meisten Staaten der EU diese missachten.

[8]Offensichtlich sind Russland, China, Kuba und ihre Varianten aus der Sicht des wahren Kommunismus nur Ausdruck einer Version des Kapitalismus: des Staatskapitalismus.

Rubric: 

Coronavirus