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Seit seinem Wechsel ins bürgerliche Lager hat der Trotzkismus keine Gelegenheit ausgelassen, das Bewusstsein der Arbeiterklasse anzugreifen, indem er die Proletarier in den seit dem Zweiten Weltkrieg aufeinanderfolgenden Konflikten auf die Seite eines imperialistischen Lagers gegen ein anderes drängte. Seine Positionierung angesichts des kriegerischen Chaos in der Ukraine bestätigt dies einmal mehr. Diese Wachhunde des Kapitalismus schwanken also zwischen offen kriegstreibenden Stellungnahmen, in denen sie dazu aufrufen, sich auf die Seite einer der kriegführenden Seiten zu stellen, und anderen, scheinbar "subtileren" und "radikaleren" Stellungnahmen, die aber genauso die Fortsetzung der kriegerischen Barbarei rechtfertigen. Die Lügen und Mystifikationen des Trotzkismus sind ein wahres Gift gegen die Arbeiterklasse und sollen sie mit den Posen eines Marxismus, der nur dem Namen nach einer ist, verwirren.
Die Position der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) in Frankreich gehört in die Kategorie der Kriegstreiber: "Nein zum Krieg! Solidarität mit dem Widerstand des ukrainischen Volkes! [...] In Situationen wie der gegenwärtigen in der Ukraine, solange die Bombardierungen weitergehen und russische Truppen vor Ort sind, bringt jede abstrakte "pazifistische" Position wie der Aufruf zu "Ruhe", "Einstellung der Gewalt" oder "Feuerpause" die Parteien de facto in Gegensatz zueinander und kommt einer Verneinung des Rechts der Ukrainer gleich, sich selbst zu verteidigen, auch militärisch". Deutlicher kann man sich nicht ausdrücken! Diese bürgerliche Kraft ruft die Proletarier:innen offen dazu auf, als Märtyrer:innen der Verteidigung des Vaterlandes zu dienen. Mit anderen Worten: der Verteidigung des nationalen Kapitals, das sich selbst von seiner Ausbeutung ernährt. Mit der gleichen Verachtung, aber mit größerer Subtilität und der Perfidie ihrer Doppelzüngigkeit, tut Lutte Ouvrière (LO) im Namen der Verteidigung des "Internationalismus" so, als würde sie einen Krieg verurteilen, der "auf dem Rücken der Völker ausgetragen würde", um letztlich die Proletarier:innen dazu aufzurufen, sich im Namen des "Widerstands gegen den Imperialismus" und des "Rechts der Völker auf Selbstbestimmung" die Haut durchlöchern zu lassen und als Kanonenfutter zu dienen – hinter ihrer nationalen Bourgeoisie. Ihre französische Präsidentschaftskandidatin Nathalie Arthaud zögerte übrigens nicht, "die Arbeiter" zur Verteidigung des armen kleinen ukrainischen Staates gegen das "bürokratische" Russland und das "imperialistische" Amerika zu drängen: "Putin, Biden und die anderen Führer der NATO-Länder führen einen Krieg gegen die Völker, für die sie alle die gleiche Verachtung teilen".
Als ob Selenskij und seine korrupte Oligarchenclique nicht selbst für die Zerschlagung der ukrainischen Bevölkerung und insbesondere der Arbeiterklasse verantwortlich wären, deren Männer gezwungen sind, für Interessen, die nicht die ihren sind, in den Kampf zu ziehen. Das Movimiento Socialista de los Trabajadores (MST), ein südamerikanisches Mitglied der sogenannten Vierten Internationale, prangert sowohl die russische Invasion der Ukraine als auch die Einmischung der NATO an. Doch hinter dieser angeblich internationalistischen Stellungnahme verbirgt sich diesmal die Wiederanerkennung des "Rechts auf Selbstbestimmung des Donbass-Volkes", das genau das Alibi ist, das Putin für seine Invasion der Ukraine vorgebracht hat! In Großbritannien und den USA entwickelt die Internationalist Bolshevic Tendency (IBT) eine noch geschicktere Position: In einem Artikel mit dem Titel "Revolutionärer Defätismus und proletarischer Internationalismus" erinnert die IBT an Lenins bereits zweideutige Position, dass "in allen imperialistischen Ländern das Proletariat jetzt die Niederlage seiner eigenen Regierung wünschen muss" (was er als "doppelten Defätismus" bezeichnete), und fügt hinzu: "der doppelte Defätismus gilt nicht, wenn ein imperialistisches Land ein nicht-imperialistisches Land in etwas angreift, was tatsächlich ein Eroberungskrieg ist. In solchen Fällen beschränken sich Marxisten nicht darauf, die Niederlage ihrer eigenen imperialistischen Regierung herbeizuwünschen, sondern sie favorisieren aktiv den militärischen Sieg des nicht-imperialistischen Staates" (aus dem Englischen von uns übersetzt – und unterstrichen). Es reicht also, die Ukraine als nicht-imperialistischen Staat zu definieren, und die Wahl ist schnell getroffen, um die Proletarier:innen ins Schlachthaus zu treiben! Es stimmt zwar, dass die IBT eine Schwäche in Lenins Position zum Imperialismus bis ins Absurde ausnutzt.[1] Der Irrtum der Bolschewiki und der Kommunistischen Internationale, die den Übergang von der aufsteigenden Phase des Kapitalismus in seine Dekadenz zwar direkt erlebten, ohne aber alle Schlussfolgerungen daraus gezogen zu haben, ist verständlich. Aber nach einem Jahrhundert der Angriffskriege jedes Landes gegen jedes andere (Irak gegen Kuwait, Iran gegen Irak usw.) mit derselben Position hausieren zu gehen, ist reine Mystifikation!
Diese ganze Mystifizierung basiert auf der bürgerlichen Parole vom "Selbstbestimmungsrecht der Völker", die den Imperialismus zu einem Kampf zwischen den "Großmächten" allein macht. Doch wie Rosa Luxemburg bereits 1916 in Die Krise der Sozial-Demokratie feststellte: "Die imperialistische Politik ist nicht das Werk irgendeines oder einiger Staaten, sie ist das Produkt eines bestimmten Reifegrads in der Weltentwicklung des Kapitals, eine von Hause aus internationale Erscheinung, ein unteilbares Ganzes, das nur in allen seinen Wechselbeziehungen erkennbar ist und dem sich kein einzelner Staat zu entziehen vermag." Die Kämpfe der sogenannten nationalen Verteidigung können nicht mehr Teil der Forderungen der Arbeiterklasse sein, sondern stellen im Gegenteil ein wahres Gift für ihren revolutionären Kampf dar, eine Mystifizierung, die darauf abzielt, unter revolutionärem Geschwätz die Proletarier:innen unter den Fahnen des Imperialismus zu vereinigen, egal, welche Seite sie wählen!
H., 27. März 2022
[1] Da Lenin den Imperialismus als die Politik der kapitalistischen Großmächte begriff, war er in dessen Charakterisierung nicht immer klar, im Gegensatz zu Rosa Luxemburg.