Die Krise, das deutsche Kapital und die kommenden Angriffe

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Anfang Oktober 2025 steht fest: "Wir müssen uns rüsten! Wir werden uns wehren müssen…" Die herrschende Klasse in Deutschland ist fest entschlossen, den Knüppel rauszuholen und die Arbeiterklasse stärker als je zuvor anzugreifen. Ihr Diskurs – von Unternehmerseite, den sogenannten wissenschaftlichen Instituten und Verbänden, diversen Parteien bis hin zur Regierung - ist einmütig: „so geht es nicht weiter mit dem Sozialstaat“, wir sollen länger & härter arbeiten, das Anspruchsdenken soll heruntergeschraubt werden. Bislang hat sich die Regierung noch vorsichtig taktierend verhalten, unter anderem abwartend, wie sich die Lage in Frankreich entwickelt, wo die herrschende Klasse einen radikalen Sparkurs angekündigt hat und auf starken Widerstand gestoßen ist. D.h. vor allem taktische Momente haben die Herrschenden bislang zum vorsichtigen Herantasten bewogen – aber die Stoßrichtung wird klar sein: Sparen, Gürtel enger schnallen, Opfer hinnehmen…

Warum das alles…? Es ist für alle ersichtlich: der Weltkapitalismus steckt in einer tiefen Krise mit einer seit 1945 und vor allem seit 1989 noch nicht dagewesenen Zuspitzung der imperialistischen Konflikte weltweit, der sich weltweit verschärfenden Wirtschaftskrise und dem damit verbundenen brutalen Konkurrenzkampf und Handelskrieg, ebenso wie dem explosiven Anstieg der Flüchtlingszahlen … all das auf dem Hintergrund einer dramatischen Zunahme der Umweltzerstörung. Kurzum – die Zerstörungskräfte des Kapitalismus sind voll am Werk und wir sollen dafür blechen!

Auf diesem Hintergrund ist es wichtig zwischen den verschiedenen Bereich zu unterscheiden und dennoch ihren Zusammenhang vor Augen zu haben.

Die Arbeiterklasse soll für die Kriegsvorbereitungen zahlen

Weltweit nimmt der Rüstungswettlauf zu (2024 lagen die Ausgaben bei 2,7 Billionen Dollar, eine Verdoppelung seit Anfang der 1990er Jahre und gut 10% mehr als 2023). All diese Ausgaben zwingen die Regierungen zu entsprechenden Erhöhungen der Rüstungsbudgets – meist mittels Schuldenfinanzierung und Einschnitten bei staatlichen Ausgaben. Für den deutschen Imperialismus bedeutet das nach der ersten Welle der Verdoppelung der Rüstungsausgaben kurz nach der Auslösung des Ukraine-Krieges zusätzliche Ausgaben im Rahmen der NATO und EU-Beschlüsse.  Anfang 2025 nach dem Beginn der zweiten Amtszeit Trumps kündigte die EU ein Paket von 800 Mrd. Euro zur Aufrüstung in Europa an. Dass Deutschland als größter Staat Unmengen an Gelder dazu beisteuern muss, liegt auf der Hand. Im Frühjahr 2025 wurde zusätzlich auf nationaler Ebene, noch bevor die neue Bundesregierung im Amt war, ein neues umfangreiches Schuldenpaket beschlossen – Dreh- und Angelpunkt unbegrenzte Rüstungsausgaben! D.h. alle Beschränkungen wurden fallen gelassen, die Schuldengrenze mit Zustimmung der Partei Die Linke und Grünen außer Kraft gesetzt. Im jüngst verabschiedeten Bundeshaushalt ist der Anteil und der Anstieg der Rüstungsausgaben größer denn je (von knapp unter 100 Mrd. 2025 auf über 160 Mrd. 2029 – und was alles sonst noch verdeckt hinzukommt).

Allein schon diese astronomisch hohen Ausgaben treiben die Schuldenspirale weiter auf ein noch nie dagewesenes Niveau und  zwingen zu den brutalen Einschnitten.

Diese Flucht nach vorne in die grenzenlose Staatsverschuldung übertrifft die früheren Schübe der Staatsverschuldung um ein vielfaches. Dabei ist natürlich Deutschland keine Ausnahme – die Zunahme der Verschuldung ist von China über Frankreich bis in die USA überall schwindelerregend. Hatte man schon seit den 1970er Jahren immer wieder die Politik der Verschuldung zur Krisenbekämpfung  eingesetzt und zur Finanzierung der „deutschen Einheit“ die Notenpresse angeleiert (sowie damals auch schon einen „Solidaritätszuschlag“ = Sonderabgabe für die deutsche Einheit eingeführt), um dann in der Corona-Phase nochmal einen Gang zuzulegen, hat man die Aufhebung der bis Anfang 2025 „vor allem von CDU-CSU“ verteidigten Schuldenbremse beschlossen.[1] Die Finanzierung des Krieges und Herstellung der Wehrtüchtigkeit darf keine Grenzen kennen.  Dabei sind die Zinsen jetzt noch niedrig, aber der kleinste Zinsanstieg bringt nicht nur die Wirtschaft selbst ins Straucheln, wie man z.B. jüngst beim Bausektor sehen konnte, sondern belastet den Staatshaushalt noch mehr.[2] Hinzu kommen trotz aller verabschiedeten „Superpakete“ (von denen für 2026 allein 176 Mrd. Euro aus einem ‚Sondertopf‘ entnommen werden sollen) ein zu erwartetes Haushaltsdefizit von 172 Mrd. Euro in den nächsten drei Jahren!

Gleichzeitig spitzen sich Wirtschaftskrise und erbarmungsloser Konkurrenzkampf zu

Seit zwei Jahren lahmt die deutsche Wirtschaft, immer mehr kraxelt das Wachstum um die Nullprozent-Marke herum – und die Aussichten sind düster. Einzig der Rüstungssektor boomt. Hinzu kommt der enorme Konkurrenzdruck. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss die Wirtschaft modernisieren. Sonst droht das Schicksal, durch die Walze chinesischer und amerikanischer Produkte und Technologien weiter an die Wand gedrängt zu werden. Tatsächlich sind ganze Branchen in entscheidenden Teilen in ihrem Kern bedroht - am offensichtlichsten die Automobilindustrie. Während sie über Jahrzehnte eine der Säulen des Industriestandorts Deutschlands war, droht die Krise der Automobilindustrie jetzt diese Industriekompetenz zu untergraben. Zehntausende Jobs sind allein 2025 abgebaut worden, dabei stehen noch viele Stellenstreichungen bis hin zu Werksschließungen auf dem Programm.[3] Ähnlich sieht es in der chemischen und Maschinenbauindustrie aus. All dies wird den Abstieg des deutschen Kapitals auf dem Weltmarkt weiter beschleunigen.

Natürlich gehen die Unternehmer und der Staat dabei scheibchenweise vor – Beispiel Ford Köln. Dort wurde zunächst mit gewerkschaftlicher Zustimmung der Abbau von 3.900 Stellen unter ‚sozialverträglichen Bedingungen‘ vereinbart. Nach der positiven Darstellung, gar ‚großen Erleichterung‘ über die ‚Vereinbarung‘ folgte nur kurze Zeit später die Ankündigung von zusätzlich zu streichenden 1000 Arbeitsplätzen – aber diesmal ohne die ‚Abpolsterungen’. Mit dieser Salamitaktik spaltet man die Belegschaft: Trostpflaster für einen Teil der Belegschaft, die Peitsche für andere - all das mit der Aussicht, dass das Kölner Werkwohl bald abgewickelt, heißt geschlossen werden kann. Auch in der Stahlindustrie ist ein massiver Stellenabbau (Thyssenkrupp, Mannesmann) im Gang und es sind gar Standortschließungen angekündigt. Große Standortschließungen haben wir seit 1987 nicht mehr erlebt – d.h. seit knapp 40 Jahren; ist es bald soweit, dass wieder ganze Belegschaft vor die Tür gesetzt werden? Damit kehrt für viele Beschäftigte wieder die Angst vor der Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit zurück. Auch wenn ein Teil der Beschäftigten in Rüstungsbetrieben anheuern mag, werden die Rüstungsschmieden nicht all die überflüssig gewordenen Arbeitskräfte aufsaugen können.

Wir gehen hier nicht darauf ein, dass es gleichzeitig in vielen Bereichen einen akuten Arbeitskräftemangel gibt (u.a nach jahrelangem Kaputtsparen im Gesundheitswesen und im Transport-Verkehr). Von den geplanten Investitionen in Infrastrukturprojekte, von denen viele für die Kriegslogistik (z.B. Erhöhung der Tragkraft von Brücken, Versorgungsbunker, Behandlungszentren in Krankenhäuser für Kriegsverletzte usw.) entscheidend sind, werden viele durch Arbeitskräftemangel behindert bzw. verzögert werden.

Gleichzeitig wurden mehrere angekündigte Mega-Investitionen gestrichen (z.B. das geplante Halbleiterwerk Intel Magdeburg mit mehr als  30 Mrd. Kosten) - entweder wegen unüberwindbarer eigener wirtschaftlicher Schwierigkeiten der jeweils betroffenen Betriebe, oder weil der US-Staat die Peitsche geschwungen hat und die Firmen sich infolge des Drucks durch die US-Regierung zurückgezogen haben.[4] Immer mehr Gelder fließen aus Deutschland ab.

Jedoch kann kein Kapital im internationalen Konkurrenzkampf mithalten, wenn der Staat nicht mächtig Gelder dazu schießt. Z.B. wäre bei der Energiewende nach Fukushima 2011 der Ausbau der Wind- und Solarenergie ohne staatliche Hilfe undenkbar gewesen. Nunmehr soll diese radikal gekürzt oder gestrichen und die eingesparten Gelder ins Militär gesteckt werden.

Wie für alle Staaten weltweit bedeuten Ausgaben für Krieg und Krise, dass man sowohl die Flucht nach vorne in die grenzenlose Verschuldung antreten muss aber auch gleichzeitig Ausgabenkürzungen vornehmen muss. Von den drei Hauptposten (Sozialabgaben, Zinsen,  Verteidigung) des deutschen Haushaltes im Gesamtumfang von knapp über 500 Mrd. Euro entfallen allein 180 Mrd. d.h. ein Drittel auf Sozialabgaben, 20% auf Zinslast, und gegenwärtig 100 Mrd. auf Militär (die versteckten Ausgaben nicht eingerechnet). Der Rüstungshaushalt soll 2029 auf 160 Mrd. hoch gepusht, die Sozialausgaben weit darunter runter gefahren werden.

Wehrtüchtigkeit nur durch die Verarmung! 

Zielscheibe Sozialstaat

Auch hier müssen wir beachten, dass der ‚Sozialstaat‘ jahrzehntelang als gesellschaftspolitischer Stabilitätsanker gewirkt hat und die Folgen der Krise und Verarmung abgefedert und als Kontrollmechanismus für unzählige Flüchtlinge gedient hat. Z.B. haben die Mechanismen und die Ideologie der Sozialpartnerschaft auf betrieblicher Ebene mit der (paritätischen) Mitbestimmung entscheidend zur jahrelangen Ruhe in den Betrieben beigetragen. Nur dank dieser ‚Sozialstaatsmechanismen‘ wurden mit der Beschleunigung der Krise Ende der 1960/70er Jahre die Auswirkungen durch ein breites Netz von ‚Sozialleistungen’ abgedämpft, der Preis für eine gewisse ‚Stabilität‘[5]. Ohne diese würden all die Arbeitslosen, Geringverdiener oder Mittellosen, die verarmten Rentner bettelnd und hungernd dastehen. Es gäbe ganze Heerscharen von Wohnungslosen; viele müssten auf der Straße vegetieren und um ihr Überleben kämpfen; vor allem stünde die Kriminalität auf einem ganz anderen Niveau. In Anbetracht der Tatsache, dass in den letzten Jahrzehnten ganze Länder und deren Wirtschaft zusammengebrochen und in Krieg und Krise versunken sind, die riesige Bevölkerungsmassen in die Flucht getrieben haben, von denen ein Großteil in den Industriezentren trotz all der Maßnahmen zum Aufbau einer Festung aufgetaucht sind, haben diese Folgen des Zusammenbruchs großer Teile des Kapitalismus die Staaten Westeuropas zu großen Sozialausgaben gezwungen.

In Deutschland ist dieser Anteil mit am höchsten – für das Kapital nun zu ‚erdrückend‘ und ein Klotz am Bein! Deshalb stehen jetzt in allen staatlichen verwalteten Sozialbereichen Ausgabenstreichungen im Sozialbereich auf der Tagesordnung – ungeachtet der Tatsache, dass gerade nach 1989 eine rasante Talfahrt in vielen von Krise und Arbeitslosigkeiten betroffenen Regionen stattgefunden hat (mit der damit verbundenen Verwahrlosung oder der Zunahme der Nichtschwimmer… weil Schwimmbäder schließen). Bis Ende September hat die Regierung zwar noch nicht die Katze aus dem Sack gelassen, sondern aus verschiedenen Gründen nur über Pläne geredet und viel konkretere Vorgaben geheim gehalten. Kanzler Merz kündigte aber drei Stoßrichtungen an: Rente, Gesundheitsausgaben und Bürgergeld (Sozialhilfe).

Somit steht die Arbeiterklasse vor einer Zuspitzung der Verarmung und dem gleichzeitigen massenhaften Verlust von Arbeitsplätzen. Das deutsche Kapital kann nicht verhindern, dass bisherige Stützpfeiler brüchig werden und damit „von Oben“ das Ende der relativen sozialen Stabilität eingeläutet wird. Es stehen somit Einschnitte an, wie sie die Arbeiterklasse seit 1945 nicht mehr gesehen hat.

Dieser Zwang für das Kapital, die Angriffe massiv zu verstärken, erwächst somit auf dem Hintergrund eines immer konfliktreicheren Umfelds – allen voran gegenüber den USA und China, aber auch mit europäischen Verbündeten wie z.B. Frankreich. Durch die USA beispielsweise war man schon unter Trump 1.0, dann Biden und jetzt wieder unter Trump 2.0 sehr in Bedrängnis geraten (z.B. Abhängigkeiten bei Energie, Waffensystemen, Software) und Zölle. Oder nachdem China dank umfangreicher Subventionspakete für die chinesische Industrie z.B. die Solarindustrie in Deutschland aus dem Rennen geworfen hat, drängen jetzt vom chinesischen Staat subventionierte E-Autos auf den Markt. All das hat zu Sanktionen, verstärkten Subventionen, den Bemühungen um mehr Eigenständigkeit seitens der EU und so auch Deutschland geführt. Bei der Entwicklung von Waffensystemen ist Deutschland auch auf die Zusammenarbeit mit Frankreich angewiesen, liegt aber gleichzeitig im Clinch wegen der Interessenskollision mit Frankreich wegen eines Kampfjets (FCAS), wo keine der beiden Seiten nachgeben will. Diese Entwicklung macht deutlich, dass die vormaligen Stärken des deutschen Kapitals hinfällig geworden sind, und dass ein Abwehrversuch zur Aufrechterhaltung oder Rückeroberung früherer Vorteile nur mit gigantischen staatlichen Subventionen überhaupt angegangen werden kann – was wiederum nur durch Sparmaßnahmen denkbar ist. Und es liegt auf der Hand, dass  Konfliktherde mit den Konkurrenten sich noch weiter zuspitzen werden.

Die Krise und der Verlust der Glaubwürdigkeit der Bourgeoisie

Auf diesem Hintergrund wird deutlich, dass auch die deutsche Bourgeoisie inmitten des Zerfallsprozesses der bürgerlichen Gesellschaft insgesamt mit dem Problem des großen Verlustes der Glaubwürdigkeit aller traditionellen Parteien konfrontiert ist. Alle jemals an der Regierung beteiligten Parteien haben herbe Stimmenverluste hinnehmen müssen. Der Ruf der meisten dieser Parteien ist extrem ramponiert. Vor allem die „Protestparteien“ AfD und Die Linke haben von diesem Glaubwürdigkeitsverlust der traditionellen Bourgeoisie und der wachsenden Wut profitiert. Das hat dazu geführt, dass die bis dahin beiden größten Parteien – CDU-CSU und SPD mangels anderer Alternativen dazu gezwungen waren, zum wiederholten Male eine Regierungskoalition einzugehen, wohl wissend, dass dies ihrem Ansehen noch weiter schaden wird. Die beschränkten Optionen der Bourgeoisie für die Regierungsbildung zeugen an sich schon von einer Gesamtschwächung der Bourgeoisie, zumal sich die aktuelle Koalition als ‚alternativlos‘ erweist. Unter anderem aus diesem Grunde konnten CDU und SPD oder die anderen  Parteien dem Anstieg der AfD keinen Einhalt gebieten. Dabei betreibt die AfD nichts anderes als eine Sündenbockjagd auf vermeintlich Schuldige (Ausländer schlechthin, Illegale umso mehr - all das mit lautstarker Unterstützung von Trump und JD Vance). Bislang konnte die AfD zwar von Regierungsämtern auf kommunaler, Länder und Bundesebene ferngehalten werden, aber wie lange dies noch der Fall sein wird, ist heute schwer einzuschätzen. So könnte die Annahme der „Hilfeleistung“ durch die AfD von Merz im letzten Winter 2024/2025 nur der Auftakt einer schrittweisen Zulassung der AfD in Regierungskreise gewesen sein. Die Brandmauer wird jedenfalls nicht ewig von Bestand sein – weil der Abstieg der Regierungsparteien unaufhaltsam sein wird und die möglichen Optionen einer Regierungsbildung immer weniger an der AfD vorbeikommen werden.

Das Dilemma der deutschen Bourgeoisie

Wenn es nun darum geht, all die Einsparungen durchzuboxen und den Sozialstaat „herunterzufahren“, sind die Konflikte zwischen CDU-CSU und SPD schon vorprogrammiert. Das Dilemma der Bourgeoisie -  wenn die CDU zu weit und zu plump vorgeht und die SPD zu stark auf die Bremse tritt, wird die Koalition gefährdet sein. Dabei ist es keineswegs so, dass die SPD sich gegen den Sparkurs richtet. Ihr Verteidigungsminister posaunte als erster das Ziel der Erlangung der Kriegstüchtigkeit. Diese SPD-Verbundenheit mit den Bedürfnissen des Militärs hat eine lange Tradition, und es war aus der Sicht des Kapitals das große Verdienst von Scholz, die ‚Zeitenwende‘ (d.h. hin zur unglaublichen Erhöhung der Kriegsausgaben natürlich mit Hilfe der exemplarischen Kriegspartei Die Grünen und der FDP), durchgesetzt zu haben. Dabei hatte man Anfang der 2000er nach Jahren der CDU-FDP Regierung schon unter der Schröder-Fischer Regierung (d.h. Rot-Grün) mit 2003 Hartz IV [6] radikale Einschnitte auferlegt und eine große Unzufriedenheit hervorgerufen, was zum Abstieg der SPD beigetragen und den Aufstieg der Populisten begünstigt hat. Die SPD ist sich bewusst, dass jegliche Sparmaßnahmen sie noch mehr Stimmen kosten wird, und sie damit noch mehr ihr eigenes Grab schaufelt. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb man einstweilen den Aufstieg der AfD nicht verhindern kann[7]. Deshalb ist eine geschickte, umso stärker taktische Vorgehensweise bei den Angriffen angebracht. So hat die deutsche Bourgeoisie natürlich eine Antenne für das, was in Frankreich passiert. Sie verfolgen haargenau die dortige Reaktion der Arbeiterklasse. So sind die Regierungskreise zur Zeit dabei auszubaldowern, welche Vorgehensweise sie einschlagen sollten - ob sie sich z.B. zunächst die Schwächsten vorknöpfen, wie in Großbritannien unter Starmer, der die Behinderten als erstes auf die Liste der Sparopfer setzte. Die nun schon länger andauernde internationale Kampagne gegen die „Illegalen“ war dabei ein Mittel, um die Stimmung anzuheizen und von der wirklichen Sackgasse des Kapitalismus abzulenken.

Bislang haben die Gewerkschaften es meist bei Streikandrohungen (Bahn), bei Streiks in kleineren Firmen (Lieferando) oder Schwerpunktaktionen wie bei Verteilzentren von Amazon oder von Aktionstagen in der Automobil- oder Stahlindustrie belassen. Aber sobald die Sparpläne konkretisiert werden, werden diese stärker auf den Plan treten und mit Hilfe der Gruppen der extremen Linken eine anwachsende Wut der Arbeiter einzufangen versuchen.

Wir werden somit in kürze mehr sehen, wie das Kapital taktiert, wie es auf die internationale Entwicklung des Klassenkampfes reagiert und welche Sabotagetaktik die Gewerkschaften und deren Unterstützer einschlagen werden.  

TW, Ende September 2025

 

[2] Der Anteil der Zinskosten an den Gesamtausgaben hat sich von 2019 auf 2024 verdreifacht.

[3] Die deutsche Automobilindustrie beschäftigte zuletzt knapp 780.000 Personen; in der Stahlindustrie und Metallverarbeitung – wichtige Zulieferer für die Autofirmen, gibt es rund 460.000 Beschäftigte. 

[4] Für das deutsche Kapital war es gerade eine „Bestrafung“, dass Trump bei seinem jüngsten business-deal making Besuch in GB Verträge im Umfang von 100 Mrd. Euro für Investitionen in GB präsentierte.

[6] Im Jahr 2003 wurde Hartz IV eingefädelt – u.a. mit großen Leistungseinschränkungen für Sozialhilfeempfänger.

[7] In ehemaligen SPD-Hochburgen wie  Gelsenkirchen oder anderen Städten im Ruhrgebiet breitet sich die AfD immer mehr aus. In einigen Regionen in NRW konnte die AfD ihren Stimmenanteil bei den Kommunalwahlen verdreifachen.

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Lage Deutschlands