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Obgleich die Sprachrohre der herrschenden Klasse jetzt mit Schadenfreude auf die Ereignisse in Osteuropa zeigen und uns allen einzutrichtern versuchen, dass damit der Kommunismus endgültig den Bach runter gegangen sei, fühlen wir uns als kommunistische Organisation natürlich herausgefordert, dieser Lügengeschichte entschlossen entgegenzutreten. Dies ist umso wichtiger, denn nach der großen Flüchtlingswelle, dem Jubel über die Öffnung der Mauer, den Forderungen nach Wiedervereinigung, ist mehr denn je die Zeit der Ernüchterung, des Nachdenkens eingetreten, wo man mit kühlem Kopf eine Bilanz ziehen muss. Genau dies war das Bestreben der IKS seit Anfang der Ereignisse.
Die IKS hat während dieser Zeit eine Flugschrift herausgegeben mit dem Titel: "DER ZUSAMMENBRUCH DES OSTENS KÜNDIGT DIE VERSCHÄRFUNG DER KRISE AUCH IM WESTEN AN". Darin zeigen wir die wirklichen Ursachen des Zusammenbruchs des Ostblocks und die sich daraus für Ost und West ergebenden Konsequenzen. Weiterhin treten wir der Lüge entgegen, die Kommunismus mit Stalinismus gleichzusetzen versucht und warnen die Arbeiter vor den Gefahren der Perspektivlosigkeit. Nachfolgend veröffentlichen wir einige Auszüge. Ebenso haben wir ein Flugblatt mit dem Titel "NACH 40 JAHREN STALINISMUS, WELCHE BILANZ, WELCHE PERSPEKTIVEN?" in Berlin verteilt, das sich insbesondere an die Arbeiter aus der DDR richtete. Welche wirkliche Abrechnung mit dem Stalinismus? Auszüge auch hieraus im folgenden Text. Bei einer Diskussionsveranstaltung in Köln zum gleichen Thema, an der mehrere Interessenten teilnahmen, haben wir u.a. ausführlich über die Konsequenzen für die Lage der Arbeiterklasse und die Aufgaben der Revolutionäre diskutiert (siehe dazu Artikel in dieser WR). Auch in vielen Gesprächen mit Arbeitern vor Fabriken oder Arbeitslosen stießen wir auf eine große Aufnahme- und Diskussionsbereitschaft. Obgleich jetzt die Arbeiterklasse unmittelbar vor einer schwierigeren Situation steht, heißt dies noch lange nicht, dass sich in der Arbeiterklasse nichts regt. Die Arbeiter in Ost und West stehen jetzt vor der Aufgabe, eine umfassende Bilanz zu ziehen und sich mit nüchternem Kopf Klarheit zu verschaffen über die Perspektiven.
AUSZÜGE AUS DEM FLUGBLATT DER IKS
"Nach 40 Jahren Stalinismus, Welche Bilanz? Welche Perspektiven?
Die Abrechnung mit dem Stalinismus ist nicht damit abgeschlossen, dass die SED sich umbenennt, ihrer Vergangenheit "abschwört"...
Aber für die arbeitende Bevölkerung ist diese Vergangenheitsbewältigung viel zu wichtig, als dass man so einfach zur Tagesordnung übergehen könnte...
Wir müssen die Vergangenheit verstehen, um die jetzige Lage zu begreifen und um die Lehren für die Zukunft zu ziehen. Was war dieser Stalinismus, der im Namen der Arbeiterklasse die Arbeiter ausbeutete und missbrauchte, aber jetzt so plötzlich zusammenbricht?
Das größte Verbrechen des Stalinismus besteht darin, im Namen des Sozialismus und der Arbeiterklasse ein Terrorregime GEGEN die Arbeiter errichtet zu haben. Damit wurden unzählige Menschen nicht nur physisch vernichtet, sondern ihre Hoffnungen auf eine bessere Gesellschaft wurden gebrochen und mit Dreck besudelt. Während er vorgab, die Oktoberrevolution fortzusetzen und den Marxismus zu vertreten, war der Stalinismus DER HENKER DER SOZIALISTISCHEN REVOLUTION. Er setzte damit eine der abscheulichsten Lügen in die Welt, demzufolge die Verhältnisse in der Sowjetunion sozialistisch seien...
Osteuropa wurde 1945 nicht befreit, sondern von dem neuen, sowjetischen Imperialismus besetzt. Hitlers SS und die Gestapo wurden durch Stalins NKWD und Ulbrichts Stasi abgelöst. Während am Ende des Ersten Weltkrieges in Russland und z.T. in Deutschland eine Arbeiterrevolution stattfand, gab es 1945 keine Revolution, keine Arbeiterräte und auch keine echten kommunistischen Parteien... Es wurde einfach die Raubbeute unter den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges aufgeteilt. Stalin erhielt Osteuropa, es wurde der SU unterworfen, zur sowjetischen Besatzungszone, sprich stalinistisch.
DAS STALINISTISCHE SYSTEM WAR NIEMALS SOZIALISTISCH, SONDERN EIN BÜROKRATISCHER STAATSKAPITALISMUS, der erst entstanden war, nachdem die Arbeiterrevolution in Russland international isoliert geblieben war, und von Innen her degenerierte....
Die entschlossenen Gegner der stalinistischen "Arbeiterparteien" waren schon immer die Arbeiter selbst, wie die Aufstände 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn, 1962 in Nowotscherkask (UdSSR), 1970, 1976 und 1980 in Polen zeigten... 11.12.1989
AUSZÜGE AUS DER FLUGSCHRIFT DER IKS:
"DER ZUSAMMENBRUCH DES OSTENS KÜNDIGT DIE VERSCHÄRFUNG DER KRISE AUCH IM WESTEN AN"
AUSZÜGE AUS DER FLUGSCHRIFT DER IKS:
"DER ZUSAMMENBRUCH DES OSTENS KÜNDIGT DIE VERSCHÄRFUNG DER KRISE AUCH IM WESTEN AN"
DIE STALINISTISCHE KONTERREVOLUTION UND DER VERLUST DER GLAUBWÜRDIGKEIT DES KOMMUNISMUS
Die Konterrevolution in Russland brachte keine Wiederherstellung des Kapitalismus mit sich, weil er auch niemals abgeschafft worden war. Es reichte, die POLITISCHE Macht der Arbeiterklasse zu brechen. Es reichte, sämtliche Internationalisten innerhalb Russlands umzubringen. Diese Henkerarbeit wurde aber nicht durch die imperialistische Invasionsarmeen besorgt - denn sie konnten zurückgeschlagen werden. Sie wurde VON INNEN durchgeführt, durch die auf der Grundlage der in Russland noch existierenden kapitalistischen Klassengesellschaft zwangsläufig entstehenden Bürokratie unter Stalin.
Diese neue kapitalistische Klasse hätte natürlich ihren Kampf gegen die Arbeiterklasse und gegen die Oktoberrevolution, ja gegen die Weltrevolution offen ankündigen können. Aber sie tat der Arbeiterklasse und der Geschichte diesen Gefallen nicht. Hätte sie es getan, so wäre ihr Sieg ungleich viel schwerer zu erringen gewesen. Ein offener Feind ist ja leichter zu schlagen als ein versteckter. Und auch nach ihrem Sieg taten die Stalinisten so, als ob sie die Revolution fortsetzen würden, während sie sie in Wirklichkeit begruben. Sie meinten, so die große weltweite Sympathie für die russische Revolution für ihre eigenen imperialistischen Ziele auszunutzen.
Die Zerschlagung der INTERNATIONALISTISCHEN Oktoberrevolution im Rahmen der verlogenen, anti-marxistischen Parole des "Sozialismus in einem Land" sowie die völlig verstaatlichte Wirtschaftsführung waren die zwei wichtigsten materiellen Grundlagen der verheerendsten Lüge der Weltgeschichte, derzufolge der Stalinismus irgendwie eine Fortsetzung der Oktoberevolution sowie eine Verwirklichung der Arbeitermacht und des Kommunismus im Sinne von Marx wäre. Und es ist gerade diese Lüge, diese Identifizierung der stalinistischen Barbarei mit dem Marxismus und Kommunismus, die heute mehr als irgendein anderer Faktor der Arbeiterklasse die einzige Perspektive raubt, mit der man die Krise der jetzigen Gesellschaft lösen kann - die revolutionäre marxistische Perspektive. Wo sind die Millionen sozialistischer Arbeiter von damals geblieben? Sie alle, und vor allem der Kampf, der ihrem Leben einen Sinn gab gegenüber der Barbarei des Kapitalismus im 20. Jahrhundert, liegen begraben unter den Leichen des stalinistischen Lügengebäudes.
Aber diese gigantische Verfälschung sollte sich noch rächen. Und sie rächt sich gerade heute, indem sie das ganze verlogene Gebäude des Stalinismus zum Einsturz bringt. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass das völlig verstaatlichte stalinistische Wirtschaftsmodell, weit entfernt die Widersprüche seiner westlichen Gegenstücke zu vermeiden, sogar weitaus weniger produktiv und effektiv ist als dieses. Eine entscheidende Rolle spielt dabei, dass im Gegensatz zur herrschenden Klasse in den Ländern des Westens die stalinistische Bürokratie eine Bourgeoisie ist, deren einzige Sorge nicht darin besteht, das Kapital zu bereichern, indem man nach den Maßstäben der Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt operiert, sondern sie streben danach, auf Kosten der Interessen der Volkswirtschaft in die eigene Tasche zu wirtschaften. Auch haben im Osten bislang die Wirtschaftsführer keinen wirklichen Anreiz, um die Produktivität zu erhöhen, da die Betriebe nicht pleite gehen können und ihren Gewinn nicht selber erwirtschaften müssen, sondern das ganze über den zentralen Plan zugeteilt bekommen. Wirkliche Produktionsanreize für die Arbeiter fehlen ebenfalls, weil u.a. das Erpressungsmittel Arbeitslosigkeit nur eingeschränkt wirksam ist, und weil die Arbeiter mit zusätzlichem Lohn in leeren Geschäften ohnehin nichts dazukaufen können.
Hinzu kommt eine gravierende, sozusagen eingebaute politische Instabilität des Stalinismus. Da fast alle Produktionsmittel verstaatlicht sind, sind wirtschaftliche und politische Führung identisch. Wer die politische Macht verliert, verliert somit auch seine Wirtschaftsmacht, seine Pfründe. In den westlichen Industriestaaten bleibt die Macht der Wirtschaftsbosse durch Wahlergebnisse mehr oder weniger unberührt. Deshalb ist eine friedliche Ablösung von der Regierung durch die Opposition in solchen Ländern möglich. Dem Stalinismus aber bleibt diese Möglichkeit ausgeschlossen. Somit regiert die politische Polizei immer und überall mit, nicht nur um die Arbeiterklasse niederzuhalten, sondern um das tägliche politische Leben der herrschenden Klasse selbst zu regeln. Somit fehlt dem Stalinismus völlig die Illusion der Demokratie als Volksmacht, welche Wahlen und Regierungswechsel mit sich bringen, und als Kontrollinstrument in ihrer Wichtigkeit kaum zu unterschätzen ist.
10. 11. 89