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Trotz der von Mussolini ausgeübten Repression war die
„bordigistische“ Strömung nicht verschwunden. Obgleich sich Bordiga nicht mehr
an ihr beteiligte und sich vorsichtig zurückhielt, hielten viele
„Basismitglieder“ an den Positionen des Kongresses von Livorno fest. Doch war
es ihnen nicht möglich, organisierte, legale wie illegale Aktivitäten
aufrechtzuerhalten. Vor allem in den Gefängnissen, in den insularen
Arbeitslagern (galera) und in den Verbannungsorten (confini) hielt die
„bordigistische“ Linke an ihrer Identität und ihren organisatorischen Bindungen
fest. Selbst als die letzten, unverwüstlichen Genossen (wie Damen, Repossi und
Fortichiari) 1934 aus der PCI ausgeschlossen worden waren, gaben die
„bordigistischen“ Militanten den Kampf nicht auf – im Gegenteil.
In Onorato Damen fanden sie ihren entschlossensten und
auch wirksamsten Sprecher und Organisator. 1893 in der Provinz Ascoli Piceno
geboren, trat er um 1910 ohne Umwege dem linken Flügel der PSI bei. Während des
Krieges trug er den Grad eines Unteroffiziers in der Armee, wurde aber 1917
wegen des „Aufrufs zur Fahnenflucht“ und wegen seiner Ablehnung des
„imperialistischen Charakters des Krieges“ degradiert und zu zwei Jahren
Gefängnis verurteilt. Nach seiner Freilassung war er zunächst in Bologna, dann
in Imola und schließlich in Livorno Mitglied der „Abstentionistischen
Fraktion“. 1921 wurde er Sekretär der Arbeitskammer in Pistoria und Direktor
der kommunistischen Zeitung L’Avenire.
Nachdem er im gleichen Jahr auf dem Heimweg von einer Wahlveranstaltung von
Faschisten festgenommen worden war, musste er nach einem Proteststreik von
Arbeitern wieder freigelassen werden. Einige Zeit später prallte er in
Begleitung bewaffneter Kommunisten mit Squadristen zusammen, ein toter Faschist
blieb auf der Strecke. Des Mordes angeklagt, musste er nach Paris flüchten, wo
er drei Jahre lang Direktor der italienischen Ausgabe von L’Humanité war. Nach seiner Rückkehr nach Italien 1924 wurde er zum
Abgeordneten von Florenz gewählt. In Opposition zu Gramsci und Togliatti
gründete er 1925 mit Repossi, Fortichiari und später auch Perrone das „Comité
d’Entente“, das eine linke Fraktion in der Partei bilden wollte. Im November
1926 wurde er nach Ustica verbannt. Im Dezember verurteilte ihn ein
Sondergericht zu zwölf Jahren Zwangsarrest. 1933 führte er die Revolte der
politischen Gefangenen in Civitavecchia an. Gegen Ende 1933 wieder
freigelassen, lebte er unter staatlicher Überwachung in Mailand. 1935 und 1937
wurde er erneut verhaftet, schließlich auch zu Kriegsbeginn, und erst unter der
Regierung Badoglio wieder freigelassen. (1)
DIE GRÜNDUNG DER PCInt: Damen und Prometeo
Trotz strenger Überwachung gelang es ihm, einen kleinen
Kreis von Militanten zu bilden, der 1943 die „Partito Comunista Internazionalista“
gründete. Ihm angeschlossen hatten
sich Mario Acquaviva, Fausto Atti, Bruno Maffi, Luciano Stefanini, Guido
Torricelli und Vittorio Faggioni – die „Kader“ der neuen Partei. Die
Genannten kamen sowohl aus der italienischen Fraktion in Belgien als auch aus
der PCI, von der sie ausgeschlossen worden waren. Einzige Ausnahme bildete
Bruno Maffi, der Mitglied von „Giustizia e Libertà“ gewesen war, ehe er sich
unter dem Einfluss Damens, der sein „Lehrer“ im Gefängnis gewesen war, von ihr
getrennt hatte. Durch die Erfahrungen im Gefängnis, in der Illegalität und in
langen Jahren militanter Arbeit geprägt, waren all diese Militanten dazu
bereit, bis ans Ende der Revolution zu kämpfen. Die Ereignisse im März 1943
sowie die Septemberstreiks im Norden des Landes erschienen ihnen als Auftakt
eben jener Revolution. Am 1. November desselben Jahres brachte die PCInt die
erste Nummer von Prometeo illegal
heraus. Die Spaltung des Landes in zwei Hälften, von denen die eine Hälfte von
der deutschen Armee, die andere von den britischen Truppen besetzt war, war die
Ursache dafür, dass ihre Verbreitung auf den nördlichen Landesteil beschränkt
blieb. Bis 1945 hatte die PCInt praktisch keinen Kontakt zu den
„bordigistischen“ Gruppen, die sich im Mezzogiorno gebildet hatten. Die PCInt
führte einen heftigen Kampf gegen den Guerillakrieg und gegen die Versuche, die
Arbeiter für die italienische Nation zu mobilisieren - einen Kampf, der streng
geheim organisiert werden musste, stieß die PCInt doch auf den erbitterten Widerstand
der PCI Togliattis, die sie als „Agenten
Deutschlands und des Faschismus“ bloßzustellen versuchte (2). Ein
außergewöhnlich aufschlussreiches Dokument, die für Mussolini bestimmten
Berichte zwischen 1943 und 1945 über die illegale Presse, beweist die Haltlosigkeit
der stalinistischen Anschuldigungen. „Ist
die einzige unabhängige Zeitung. Ideologisch am interessantesten und am besten
vorbereitet. Gegen jeden Kompromiss, verteidigen einen reinen Kommunismus,
zweifelsohne trotzkistisch und damit antistalinistisch (...) erklärt ohne
Zögern ihre Gegnerschaft gegenüber dem Russland Stalins, während sie
gleichzeitig treuer Kämpfer des Russlands Lenins sein will (...) bekämpft den
Krieg unter all seinen Gesichtern, demokratisch, faschistisch oder stalinistisch;
kämpft somit auch offen gegen die Partisanen, das nationale Befreiungskomitee
und die Italienische Kommunistische Partei.“
Es fällt auf, dass die Spitzel Mussolinis den „reinen Kommunismus“ von Prometeo mit dem Trotzkismus
verwechselten. Dabei stand auf dem Titelblatt der Zeitung deutlich
hervorgehoben: „Jahr 1922 (das Jahr
des Kongresses von Livorno) 3. Serie
(nach der ersten von 1924 und der zweiten von 1928 bis 1938) sulla via della sinistra (die
Italienische Linke)“. Es war
praktisch unmöglich, die PCInt mit den trotzkistischen Gruppen zu verwechseln.
So bezeichnete die trotzkistische Bandiera
Rossa (Rote Fahne) die UdSSR als „das
stärkste Bollwerk der proletarischen Revolution“. Als bedingungsloser
Anhänger des Partisanenkrieges vertrat diese Gruppe genau wie die PCI einen
deutschfeindlichen Nationalismus, ja, eine „antiteutonische“ Haltung. „Erinnern wir uns an unsere Söhne, unsere
Brüder, unsere Häuser – sie alle leiden noch unter der Schande der deutschen
(teutonischen) Grausamkeiten, unsere Frauen, sie alle leiden noch unter dem
Blutbad dieser Sippe.“ (Nr. 6, 17. März 1944, „Partecipare alla guerra“) Nach der Eroberung Roms durch die
Alliierten vertrat Bandiera Rossa
(Nr. 18, 9. Juni 1944) die Auffassung, dass der Sieg der amerikanischen Truppen
ein „Sieg der Kräfte der Zivilisation“
sei. Es liegt auf der Hand, warum diese Zeitung ab August 1944 legal erscheinen
konnte. Eine weitere trotzkistische Gruppierung, „Stella Rossa“ (Roter Stern),
unterschied sich von Ersterer lediglich darin, dass sie den „Stachanowismus“
bejubelte und den von Russland geführten Krieg als „proletarisch“ charakterisierte.
Prometeo stellte
eine direkte Verbindung zwischen der PCInt Bordigas und der italienischen
Fraktion in Frankreich und Belgien her. Sie unterstrich, dass Faschismus und
Demokratie keinen unterschiedlichen Klasseninhalt besitzen und „nach dem Tod des Faschismus sein Erbe an
die Demokratie übergegangen ist“ (1. März 1944, „Wie und wo bekämpft man den Faschismus?“).
Sie machte auf die allgemeine Tendenz zum Staatskapitalismus
(der im zitierten Text als „Vergesellschaftung“ bezeichnet wird) aufmerksam. „Die Vergesellschaftung in den
faschistischen und demokratischen Regimes stellt nicht nur keine Abweichung vom
kapitalistischen System dar, sondern bedeutet gar seine bis ans Äußerste
getriebene Verstärkung. Nicht nur ist dies kein Sozialismus, sondern es handelt
sich um eine Stärkung der herrschenden Klasse, um den Weg zur Revolution zu
versperren.“ (1. April 1944, „Vergesellschaftung
und Sozialismus“)
Während Prometeo
keinen Unterschied zwischen dem faschistischen Italien und dem stalinistischen
Russland machte, wo sich eine spezifische Form des Staatskapitalismus
breitmachte, ging sie jedoch noch immer davon aus, dass der damalige russische
Staat noch ein „proletarischer Staat“ war. Was den Krieg der Partigiani anging, so war die PCInt
überaus deutlich: keine Unterstützung und Beteiligung, stattdessen Aufruf zur
Verbrüderung der Arbeiter in Uniform auf beiden Seiten („Aufruf zur Wiederaufnahme des Klassenkampfes auf seinem spezifischen
Terrain – den Fabriken“): „Arbeiter!
Der Parole des nationalen Krieges, die die italienischen Arbeiter in einen
Gegensatz zu den deutschen und englischen Arbeitern bringt, müssen wir die
Parole der kommunistischen Revolution entgegensetzen, die über die nationalen
Grenzen hinaus die Arbeiter der gesamten Welt gegen ihren gemeinsamen Feind,
den Kapitalismus, vereinigt.“ (Prometeo,
1. November 1943) „Wie die Nazis
schlagen, wie die Kriegsmaschine außer Kraft setzen, die das deutsche Proletariat
unterdrückt? Ruft nicht eine andere Kriegsmaschine zu Hilfe, etwa die
angelsächsische oder die russische, sondern sät in den Reihen der deutschen
Soldaten den Keim der Fraternisierung, des Antimilitarismus und des
Klassenkampfes!“ (Prometeo, 4.
März 1943, S. 3, „Tod den Deutschen oder
Tod den Nazis?“) „Dem Aufruf des
Zentrismus, sich den Partisanenbanden anzuschließen, müssen wir in den Fabriken
entgegentreten, wo jene Klassengewalt entstehen wird, die den Lebensnerv des
kapitalistischen Staates zerstören muss.“ (Prometeo, ebenda, „Über den
Krieg“)
Schnell breitete sich der Einfluss der PCInt in den Reihen
der Arbeiter aus. Ende 1944 waren mehrere Föderationen entstanden, deren
bedeutendste die Föderationen von Turin, Mailand und Parma waren. Zudem wurden
in den Fabriken „internationalistische kommunistische Fabrikgruppen“ gegründet,
die sich um die Bildung von Fabrikräten anstelle der „internen Kommissionen“
bemühten, welche unter Badoglio gegründet worden waren und an denen sich auch
die PCI beteiligte. Auch trat die PCInt für eine „proletarische Einheitsfront“ im Klassenkampf und gegen den Krieg
ein, um zu verhindern, dass die Arbeiter durch die „Kriegspropaganda vergiftet wurden“. Dieser Front schlossen sich
allein die revolutionären Syndikalisten und die libertären Kommunisten wie
„L’Azione Libertaria“ und „Il Comunista Libertaria“ an. Dennoch stieß die
Propagandaarbeit von Prometeo
offensichtlich auf viel Sympathie in den Fabriken, insbesondere unter jenen
Arbeitern, die sich den Partisanenbanden nicht anschließen wollten. Ab Juni
1944 orientierte sich die PCInt mehr in Richtung einer Agitationsarbeit
innerhalb der Partisanenorganisationen, die nicht mit den linken Parteien
verbunden waren. Dies war besonders in Piemont der Fall, wo man bereits entsprechende
Kontakte geknüpft hatte. Während sich die PCInt einerseits einer direkten
Beteiligung an den Partisanenaktivitäten verweigerte, verbreitete sie
andererseits ihre Schriften in deren Reihen. Diese Politik verleitete Prometeo dazu, das nicht-proletarische
Wesen dieser Partisanenbanden zu übersehen, die bakanntlich Teil einer
militärischen Front im imperialistischen Krieg waren. „Die kommunistischen Elemente sind aufrichtig von der Notwendigkeit des
Kampfes gegen den Nazi-Faschismus überzeugt und meinen, sobald dieses Hindernis
überwunden ist, steht der Weg zur Machtergreifung und Zerstörung des
Kapitalismus offen.“ (Prometeo,
Nr. 15, August 1944)
Die PCInt betrieb in den Fabriken und in der Reihen der
Arbeiterpartisanen eine immer massivere Agitation gegen den Krieg. Im Juni 1944
verbreitete sie ein „Manifest an die
italienischen Arbeiter“, in dem sie zur Desertion vom Krieg „in all seinen Formen“ und zur
physischen Verteidigung der Klasse gegenüber der „Reaktion, der Deportation, Zwangsverschleppung und –rekrutierung“ aufrief. Ihre
ursprünglich deutlichen Positionen gegenüber den Partisanen wurden immer
unklarer, denn das Manifest rief „dort
zur Umwandlung der Partisanenverbände auf, wo sie aus proletarischen
Mitgliedern mit einem gesunden Klassenbewusstsein zusammengesetzt sind, damit
sie zu proletarischen Selbstverteidigungsorganen werden, die bereit sind, in
den revolutionären Kampf um die Macht einzugreifen“.
Die Spitzel Mussolinis hatten diese Positionsveränderung
von Prometeo, die jetzt eine Ausbreitung
ihres Einflusses auf Kosten der eigenen Prinzipien anstrebte, schnell bemerkt.
Sie stellten fest, dass „hier die
Kommunistische Linke die Sprache der anderen subversiven Gruppen übernommen
hat, wobei zweifellos die Absicht dahintersteckt, eine eigene Manövriermasse
aufzubauen“ ((086713 – 187130). Bis dahin besaß die PCInt keine politische
Plattform, doch die Erweiterung ihres Einflusses veranlasste sie, 1944 ein
„Programmschema“ zu erarbeiten. In diesem Schema wurde zunächst festgestellt,
dass der „Sieg ein überwältigender Sieg
der Alliierten war, der die Widerstandskraft des Weltkapitalismus enorm erhöhen
und die objektiven Möglichkeiten einer proletarischen Revolution schwächen
wird“. Es umriss die Haltung gegenüber den Parteien und dem „neuen demokratischen“
Staat, der nach dem Krieg entstehen werde. „...
die sozialistischen und zentristischen Parteien haben im Krieg nicht als rechte
Kräfte des Proletariats gehandelt, sondern als überaus bewusste Kräfte des
linken Flügels der Bourgeoisie (...) Auch gegenüber dem demokratischen Staat
ändert sich die Taktik der Partei des Proletariats nicht: Wir glauben weder an
die Wahlen noch an die Verfassung noch an die Presse-, Rede- und
Versammlungsfreiheit.“
Und Russland, dessen Staat immer noch als „proletarisch“
bezeichnet wurde, galt längst nicht mehr als das Land der „großen
revolutionären Errungenschaften“. Die her sehr vorsichtig zum Ausdruck
gebrachte Position ähnelte im übrigen Bordigas Position, der zögerte, vom
„Staatskapitalismus“ zu sprechen (siehe unten).
Ungeachtet der Integration der Gewerkschaften in den Staat
und der Kontrolle der PCI durch die „internen Kommissionen“ beharrte die PCInt
auf die Positionen von 1926. „Unsere
Partei wird sobald wie möglich das Problem einer einheitlichen Neuorganisierung
der Arbeiterbewegung angehen, wird das Netz ihrer gewerkschaftlichen
Fabrikgruppen (die aus Kommunisten und keiner Partei zugehörigen Arbeitern
zusammengesetzt sein werden) bis zum nationalen kommunistischen
Gewerkschaftskomitee wieder aufbauen.“ („Schema
di programma del PCInternazionalista“, 1944, Wiederveröffentlichung in Prometeo, Januar 1974)
Dennoch gestand Prometeo
ein, dass die Reste „der alten, geheim
arbeitenden gewerkschaftlichen Organisationen bewiesen haben, dass sie mehr als
politische Propagandamittel des Kalten Krieges dienten denn als wirkliche
Organe des Klassenkampfes“. Im Gegensatz zur Orientierung auf den Aufbau
gewerkschaftlicher Fraktionen trat die PCInt stets für die Schaffung von
„Fabrikräten“ ein. 1945 veröffentlichte sie u.a. eine Agitationsschrift mit dem
Titel „Die Fabrikräte“, die dieses
Thema zum Gegenstand ihrer Propaganda in den Fabriken machte.
Viel kühner war die Position der PCInt in der Frage des
Staates in der Übergangsperiode, die offensichtlich stark von Bilan und Octobre geprägt worden war. Damen und seine Genossen lehnten die
Gleichsetzung der Diktatur des Proletariats mit der Parteidiktatur ab.
Hinsichtlich des „proletarischen Staates“ traten sie für eine weitestgehende
Demokratie in den Räten ein. Sie machten sich jene von Kronstadt untermauerte
Auffassung zu Eigen, wonach im Falle von Zusammenstößen zwischen dem
„Arbeiterstaat“ und dem Proletariat die KP sich auf die Seite des Proletariats
stellen müsse. „Die Diktatur des
Proletariats darf auf keinen Fall auf die Diktatur der Partei reduziert werden,
selbst wenn es sich um die Partei des Proletariats handelt, die der Geist und
der Führer des proletarischen Staates ist (...) Staat und Partei an der Macht
tragen als Organe solch einer Diktatur die Tendenz zu einem Kompromiss mit der
alten Welt in sich. Dies ist eine Tendenz, die sich, wie uns die russische
Erfahrung gezeigt hat, aufgrund der vorübergehenden Unfähigkeit der Revolution,
sich über ein Land hinaus auszudehnen und sich mit den Aufstandsbewegungen in
anderen Ländern zusammenzuschließen, entfaltet und verstärkt (...) Unsere
Partei:
a) muss vermeiden,
zum Instrument des Arbeiterstaates und seiner Politik zu werden (...) muss die
Interessen der Revolution auch in Zusammenstößen mit dem Arbeiterstaat
verteidigen;
b) muss vermeiden,
sich zu bürokratisieren, wodurch ihr Entscheidungszentrum ebenso wie die
peripheren Zentren zu einem Organ von Karrieristen werden würden;
c) muss vermeiden, dass die Klassenpolitik auf formalistische und administrative Art erarbeitet wird.“
Die Positionen insgesamt und einige ihrer Unklarheiten
riefen gegen Ende des Krieges innerhalb der Partei einige Dissonanzen hervor.
Doch war die Grundlage der PCInt offensichtlich weitaus ausgereifter und
ausgefeilter als die der „bordigistischen“ Gruppierungen im Mezzogiorno.
1944 waren im amerikanisch besetzten Süden schnell mehrere
Gruppen ins Leben gerufen geworden, die sich ohne Ausnahme auf die
Kommunistische Linke beriefen und ihre Presse illegal verbreiteten.
BORDIGA UND PISTONE: DIE „LINKSFRAKTION DER KOMMUNISTEN UND SOZIALISTEN“
In Neapel hatte sich um Renato Pistone und Amadeo Bordiga
eine Gruppe gesammelt, die die Tradition der „Abstentionistischen
Kommunistischen Fraktion“ aus dem Jahre 1919 wieder aufgriff. Die neue Fraktion
hatte in Neapel einen großen Einfluss. Trotz der Präsenz von Togliatti und des
Zentrums der PCI akzeptierten die Militanten der PCI die Widersprüche gegenüber
ihnen. Tatsächlich gab es im Süden Italiens etliche Militante der PCI, die von
ihrem „Zentrum“, das sich im Ausland befand, völlig getrennt waren. So
orientierten sie sich an den Positionen der Kommunistischen Linken, auch wenn
sie nicht genau über die Entwicklung der Partei im Bilde waren. Der von Bordiga
und Pistone verwandte Begriff „Frazione“ konnte in dem Sinn gedeutet werden,
dass sie noch die Hoffnung hegten, Mitglieder der „kommunistischen“ und
„sozialistischen“ Parteien für sich zu gewinnen. Daher schuf die
„bordigistische“ Fraktion keine eigene Partei, bis sie schließlich 1945 selbst
in die PCInt eintrat. Ihre Organ in
Neapel war die Zeitschrift La Sinistra
Proletaria, in Salerno L’Avanguardia
und in Rom Il Proletario. Die
Gruppe in Rom setzte sich aus alten Genossen Bordigas zusammen; aber auch alte
Partisanen, Ex-Mitglieder der PCI, die am Spanienkrieg teilgenommen hatten, und
Militante aus einer Abspaltung von Bandiera
Rossa, „Movimiento comunista d’Italia“, wirkten in ihr mit. Auch
Föderationen und Sektionen der PCI in Kalabrien und Puglien sympathisierten mit
Bordiga (siehe unten) (4). Die "bordigistischen“ Gruppen schlugen vor:
„1) die Parteien auf den Boden der Klassenpolitik zurückzuführen, solange noch die Möglichkeit dazu besteht;
2) sich in eine selbständige Partei umzuwandeln, falls die Wiedererrichtung der besteheneden Parteien sich als unmöglich erweisen sollte. Und wenn es die Lage erfordern sollte, muss die klare Trennung der revolutionären Kräfte von den reaktionären Kräften vollzogen werden.“ (Prometeo, „Die Lage nach Rom“, 15. Juli 1944)
Daher betrieben die „bordigistischen“ Militanten bis
Anfang 1945 eine Politik des „Entrismus“ (Eintritt zum Zweck der
Unterwanderung) in die PCI. Ein Mitglied wie Camera, der einer der Führer der
PCInt war, stand zuvor lange Zeit an der Spitze der Föderation von Cosenza in
der Partei Togliattis (La Sinistra
Proletaria, 19. Februar 1945, „Nella
federazione di Cosenza“).
Ebenso zweideutig waren ihre Beziehungen zu den
Partisanengruppen und den trotzkistischen Parteien, obwohl diese eindeutig
gegen die bordigistischen Positionen waren. Am 6./7. Januar 1945 fand in Neapel
eine Konferenz der Fraktion statt. Auf ihr waren Bandiera Rossa und „Stella Rossa“ vertreten. Die Konferenz
beabsichtigte, die „Bildung der wahren
Partei der Arbeiterklasse“ anzustreben. Im März und April erstellten
Bordiga, Libero Vallone (der später Mitglied der trotzkistischen Partei werden
sollte) und Pistone eine Reihe von Thesen für die „Bildung der wahren kommunistischen Partei“. Diese Thesen nahmen
Bezug auf die Kritik der Italienischen Linken an der „Einheitsfront“ in
Deutschland 1923, die Kritik an den Volksfronten in Frankreich und Spanien
sowie an der Résistance in Europa. Davon ausgehend, dass es unmöglich sei, die
sozialistischen und kommunistischen Parteien „wiederaufzurichten“, drückten sie jedoch die Auffassung aus, das
es weiterhin notwendig sei, „im Innern
eine ständige Arbeit der ideologischen Klärung zu betreiben, mit deren Hilfe
die von der zentristischen Entartung noch nicht korrumpierten Elemente wieder
auf den richtigen Weg zurückkehren können“.
Das Kriegsende werde jedoch mit dem wahrscheinlichen
Anbruch einer revolutionären Ära „günstige
Bedingungen für die Umwandlung der Fraktion zur Partei“ schaffen. In dieser
Frage, die schon zuvor von der Fraktion in Frankreich und Belgien geklärt
worden war, war die Haltung der „Frazione“ um Bordiga und Pistone weiterhin
sehr zögerlich. Mal verwandte sie den Begriff „Fraktion“, mal den
trotzkistischen Begriff „Linksopposition“ (s. La Sinistra Proletaria, 19. Februar 1945). Die Veröffentlichung von
Partisanenpost und Texten von Trotzki in ihrer Zeitung führte zu einer
Aufweichung der Grenze zwischen den „bordigistischen“ Gruppen und den anderen
Gruppierungen.
In der Kriegsfrage war die Haltung der „Frazione“ jedoch
eindeutig. Sie betonte die Notwendigkeit des proletarischen Internationalismus
und der Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen revolutionären
Bürgerkrieg. Sie griff auch den „Antifaschismus“ der PCI an, der ein
Schutzmantel derjenigen gewesen sei, die „für
die Internationalisierung der Nazimethoden“ (La Sinistra Proletaria, ebenda und 1. April 1945) plädiert hätten.
Im Gegensatz zum „Komitee der nationalen Befreiung“ (CLN) Togliattis sprach
sich die „Frazione“ für eine Nichtbeteiligung in den Partisanengruppen aus. „Diese stellen einen Kompromiss mit den
bürgerlichen Kräften und damit eine Schwächung der Klassenvitalität des
Proletariats dar.“ (Il Proletario,
28. Mai 1944, „Dichiarazione
programmatica“, wahrscheinlich von Bordiga verfasst) (5)
In der Frage Russland war die „Frazione“ am
unentschlossensten. Sie wandte sich nicht gegen die UdSSR, sondern gegen die
Politik der „gegenwärtigen herrschenden
russischen Klasse, weil sie schädlich ist für die Entwicklung der
proletarischen Revolution“. Doch in der „Programmatischen Erklärung“ wurde
sie als Bestandteil der neuen kapitalistischen Ordnung bezeichnet. Aus Sicht
der „Frazione“ war Russland auf der Klassenebene folgendermaßen
zusammengesetzt: aus der Klasse der Privilegierten und Ausbeuter, die mit den
reichen und wohlhabenden Bauern verbunden ist, und aus der Klasse der
Ausgebeuteten und Unterdrückten, die „aus
dem Industrie- und Agrarproletariat“ besteht. Gegen den Stalinismus
schlugen die „Bordigisten“ die Gründung einer neuen Kommunistischen
Internationalen vor.
Auch gegenüber den Gewerkschaften nahm die „Frazione“,
ähnlich wie die PCInt, eine unklare Haltung ein. Unter dem Einfluss Bordigas
schlug sie vor, die „ruhmreichen
Arbeiterbörsen“ (Camere del lavoro) wieder ins Leben zurückzurufen.
Die „Frazione“ bestand als selbständige Gruppe bis zum
Juli 1945, als sie sich als Gruppe (und nicht auf individueller Basis) mit der
PCInt von Damen und Maffi zusammenschloss. Dieser Zusammenschluss von
theoretisch und organisatorisch heterogenen Gruppen sollte sich kurze Zeit
später als zerbrechlich erweisen.
DIE FÖDERATION PUGLIENS UND DIE „KOMMUNISTISCHE ARBEITERPARTEI“ (Partito operaio comunista)
Die Föderation der PCI in Puglien hatte 1926 offen für
Bordiga Partei ergriffen. Sie machte im Faschismus dieselbe Entwicklung durch
wie die italienische Fraktion im Ausland. Unter Berufung auf die Thesen von
Lyon bezeichnete sie sich 1944 als „Anhänger
einer IV. Internationalen“, nicht ahnend, dass Trotzki bereits eine solche
Internationale gegründet hatte. Einmal darüber in Kenntis gesetzt, führten die
von Nicola di Bartolomei angeführten Verhandlungen schnell zu einer Fusion
zwischen der Föderation und einem kleinen trotzkistischen Kern. Offensichtlich
wollte die von Mangano angeführte Föderation Pugliens Entrismus innerhalb der
trotzkistischen Internationalen betreiben. Die aus dieser Fusion neu
entstandene „Kommunistische Arbeiterpartei“ wurde als offizielle Sektion der
IV. Internationalen anerkannt. Zwei Jahre lang lag die Führung in den Händen
von Bartolomeo alias Fosco, der eine trotzkistische Orientierung einschlug,
während die Föderation im Hintergrund
blieb. Nach dem Tod von Fosco trat Mangano in die Führung ein, deren Sitz
mittlerweile nach Mailand verlegt worden war. 1947 bildeten Mangano und seine
Mitstreiter auf einer nationalen Konferenz in Neapel ein neues Zentralkomitee
und ein politisches Büro, aus dem die Führer der trotzkistischen Tendenz
ausgeschlossen wurden. Die neue Führung lehnte jeden Entrismus in die
kommunistischen und sozialistischen Parteien ab und schloss alle Anhänger
dieser Politik aus. In ihrem Organ Die
IV. Internationale vertrat die POC immer offener bordigistische Positionen.
Sie erkannte lediglich die ersten beiden Kongresse der Komintern an, lehnte
jede Unterstützung von nationalen Befreiungsbewegung ab und bezeichnete die
Linksparteien als bürgerliche Parteien. „Die
Kräfte der Rechten und der sog. Linken stehen sich in Wirklichkeit nicht
feindlich gegenüber. Obwohl unterschiedliche Methoden bevorzugend, erfüllen
beide die gleiche objektive Funktion, die der Wiederherstellung der
bürgerlichen Gesellschaft.“ (BI des
internationalen Sekretariats, Nr. 17, 1947) Wie die Bordigisten meinte auch
die POC, dass die UdSSR genauso imperialistisch wie die USA sei.
Auch die „taktischen“ Positionen des Trotzkismus stießen
auf offene Ablehnung in der POC. So verwarf sie das trotzkistische
„Übergangsprogramm“. „Den Marshall- und
Molotowplänen muss das Proletariat den Plan Marxens entgegenstellen: den der
gesellschaftlichen Revolution.“ (IV.
Internationale, 16. Juli 1947) Des Weiteren wandte sie sich gegen die „Einheitsfront als konterrevolutionäre
Politik“ und auch gegen die Parole der Trotzkisten, die Republik zu
unterstützen und die Monarchie abzuschaffen. Sie lehnte die Mitarbeit in der
Gewerkschaft CGIL ab und gründete in Foggia ihre eigene Wirtschaftsorganisation,
den „Soviet“. Wie die Bordigisten setzte die POC an Stelle des „demokratischen
Zentralismus“ den „organischen“ bzw. „revolutionären Zentralismus“. Während
sich aber die Bordigisten an den Wahlen von 1948 beteiligten, lehnte sie das „Wahlspektakel“ ab. „Am 18. April sind die Wähler dazu aufgerufen, für den Krieg, für den
3. Weltkrieg zu stimmen. Und sie werden nur darüber zu entscheiden haben, ob
sie an der Seite des amerikanischen oder des russischen Imperialismus kämpfen.“
(IV. Internationale, 10. März
1948) (6)
Mangano und seine Tendenz beabsichtigten, so lange wie
möglich in der IV. Internationalen zu verbleiben, auch wenn sie sich dabei zum
Schein den Anordnungen derselben unterwerfen mussten. 1948 jedoch wurde die POC
mitsamt ihrer Mitglieder ausgeschlossen. Zwischen 1948 und 1951 veröffentlichte
die POC ihr eigenes Organ: Die
Internationale. Kurz darauf löste sich die POC allem Anschein nach auf;
ihre Mitglieder traten der „bordigistischen“ PCInt bei. In den 50er Jahren war
Mangano Redaktionssekretär bei Prometeo,
dem Organ der Tendenz um Damen nach der Spaltung von 1952 (siehe unten).
Die PCInt wurde also auf sehr heterogenen Grundlagen
gegründet. 1945 war sie in nahezu ganz Italien vertreten und zählte über 1.000
– 2.000 Mitglieder. Ihr Organ „Battaglia Comunista“ war zu einer Wochenzeitung
geworden, und ab 1946 wurde eine so genannte „theoretische Zeitschrift“
herausgegeben: Prometeo. Ihre
führenden Mitglieder stießen bei ihren Propagandareisen offensichtlich auf ein
großes Echo unter den Arbeitern.
Jedoch erfolgte die Eintrittswelle, die bis 1947 gar noch
zunahm, auf wenig klaren Grundlagen. In den Reihen der PCInt fanden sich
plötzlich ehemalige Partisanen und frühere Mitglieder der PCI an. Die
regionalen und lokalen Tendenzen kamen besonders im Mezzogiorno zum Ausdruck,
wo unter der Führung von Francesco Maruca, Mario Soluri und Nicola Turano die
Föderation Kalabriens im Cantazaro über eine eigene Wochenzeitung, L’Internazionale Comunista, verfügte.
Die zahlreichen Fabrikgruppen der Partei, die sich aus Mitgliedern und
Symphatisanten rekrutierten, schienen ebenfalls ein eigenständiges Leben zu
führen.
DER KONGRESS DER PCInt IN TURIN (Dezember 1945)
Unter diesen Bedingungen wurde vom 28. Dezember 1945 bis
zum 1. Januar 1946 in Turin die erste nationale Konferenz der Partei
veranstaltet. Bordiga war auf dieser Konferenz nicht anwesend, da er erst 1949
Mitglied wurde, obgleich er schon zuvor Beiträge für die PCInt geleistet hatte.
Aus Belgien zurückgekehrt, wurde Vercesi sofort in die Parteiführung gewählt,
ohne zuvor zur Rechenschaft über seine Aktivitäten in dem „Antifaschistischen
Komitee“ in Brüssel aufgefordert worden zu sein. Auf der Konferenz trat er als
inoffizieller Sprecher der „Gedanken des
berühmten, abwesenden Genossen Bordiga“
auf. Doch die angesehensten Vertreter der Partei waren zweifellos Damen, Maffi
und Stefanini, hinter denen sich die Mitglieder der italienischen Fraktion
Danielis und Leccis gesammelt hatten.
Es ist bemerkenswert, dass im Anschluss an das Gedenken
Maria Acquavivas und Fausto Attis, die von Mitgliedern der PCI erschossen
worden waren, die Konferenz ausdrücklich den Beitrag der Fraktionen in Belgien
und Frankreich guthieß und nicht ablehnte. Der Berichterstatter über
Organisationsfragen, Bruno Maffi, erklärte, dass „1929 in Pantin die Linksfraktion gegründet worden war. Von diesem
Zeitpunkt an stellte sie die historische Kontinuität der Italienischen Linken
bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges dar. Die Partei wurde gegen Ende des Jahres
1942 auf der Grundlage exakt dieser historischen Tradition gegründet“ (7).
Maffi zeigte anschließend auf, dass die Aktivitäten der PCInt, die einen der „brillantesten Ausdrücke im Leben der
Partei“ sei, seit Ende 1943 hauptsächlich auf die Partisanen orientiert
gewesen seien.
„Das organische
Leben der Partei begann jedoch schon am 8. September 1943. In einer durch den
Krieg vergifteten Atmosphäre kam es vor allem darauf an, die gesunden Kräfte
der Revolution gegen all die politischen Strömungen zusammenzufassen, die
irgendwie in diesem Konflikt mitwirkten (...)
Während wir
versuchten, die proletarischen Partisanen zu einer Rückkehr zu
Klassenpositionen zu bewegen, unterwarfen wir gleichzeitig die Ideologie des
Partisanentums einer offenen Kritik, derzufolge das Partisanentum eine Waffe
des kapitalistischen Krieges gegen die Wiederaufnahme des Klassenkampfes ist.“ (Intervention
von Maffi auf der Turiner Konferenz am 28. Dezember 1945)
Da diese Interventionen in den Partisanengruppen Acquaviva
und Atti das Leben gekostet und das Leben derselben Fraktion der PCInt
erschüttert hatte, wurde sie von einem alten Mitglied der Fraktion in
Frankreich, Danielis, Sekretär der Turiner Föderation, heftig kritisiert. Nach
der Konferenz von Florenz war die Turiner Föderation zur größten Föderation der
PCInt nach der Mailänder Föderation geworden. Wir zitieren hier Danielis etwas
ausführlicher, da er ein bezeichnendes Licht auf die Existenzbedingungen der
PCInt im Jahre 1945 wirft.
„... eines muss für
jeden klar sein: Die Partei hat die schwerwiegende Erfahrung einer
oberflächlichen Ausdehnung ihres politischen Einflusses gemacht, die auf einen
nicht weniger simplen Aktivismus zurückzuführen ist, welcher sich nicht in der
Tiefe (weil schwierig), sondern an der Oberfläche bewegt. Ich werde eine
persönliche Erfahrung schildern, die als Warnung gegenüber dieser Gefahr
verstanden werden soll, nämlich der Gefahr eines oberflächlichen Einflusses der
Partei auf bestimmte Schichten der Massen, der eine automatische Folge der
geringen theoretischen Bildung der Kader ist. Als Repräsentant der Partei
befand ich mich während der letzten Kriegstage in Turin. Die Föderation war
zahlenmäßig stark; es gab sehr viele aktivistische Elemente unter den noch
jungen Mitgliedern. Es gab viele Treffen; man veröffentlichte Flugblätter, Zeitungen,
ein Bulletin. Es gab Kontakte in den Fabriken, interne Diskussionen, in denen
überall ein extremistische Tonfall zu vernehmen war, sobald Divergenzen
besonders über den Partisanenkrieg auftraten. Dann gab es auch Kontakte zu
Deserteuren. Die Haltung zum Krieg war eigentlich klar: keine Beteiligung,
Verweigerung der militärischen Disziplin durch diejenigen, die sich als
Internationalisten betrachten. Man musste daher davon ausgehen, dass kein
Parteimitglied die Anweisungen des ‚Komitees der nationalen Befreiung‘
akzeptiert hätte, doch am Morgen des 25. April griff die Föderation von Turin
zu den Waffen, um sich am Abschluss eines sechsjährigen Massakers zu
beteiligen, und einige Genossen aus der Provinz, die sich der militärischen
Disziplin unterworfen hatten, zogen ebenfalls in Turin ein, um sich an der
Menschenjagd zu beteiligen. Ich selbst hätte eigentlich die Organisation für
aufgelöst erklären müssen, aber ich fand einen Kompromiss und ließ über eine
Tagesordnung abstimmen, in der die Genossen per Beschluss sich dafür
aussprachen, sich individuell an dieser Bewegung zu beteiligen. Die Partei
bestand nicht mehr, sie hatte sich ‚verflüchtigt‘, war ‚verschwunden‘.“ (Resconto
del I. Congresso del PCInt, Florenz, 6.-9. März 1948)
Diese Intervention rief jedoch nur ein geringes Echo in
der Konferenz hervor. Die Divergenzen zwischen Damen, Vercesi und Stefanini
konzentrierten sich auf die Frage der Partei, der Gewerkschaften sowie der
eventuellen Beteiligung der Partei an den Wahlen.
Ohne es offen auszusprechen, meinte Vercesi, dass die
Gründung der PCInt zu früh erfolgt sei und die „Perspektive einer Entwicklung der Partei, so wie sie sich in der
Partei der präfaschistischen Ära vollzogen hatte, d.h. eine Ausdehnung unseres
Einflusses in der gegenwärtigen Situation“, als unwahrscheinlich und
ausgeschlossen gelte. Er vertrat ferner die Auffassung, dass die Krise der
Kriegswirtschaft heute zu einer „Friedenswirtschaft“
führe. Jedoch bereute er ausdrücklich seine antifaschistischen Aktivitäten in
Brüssel. „Wir sind keine Antifaschisten,
sondern Proletarier, die den Kapitalismus in all seinen gesellschaftlichen
Erscheinungsformen bekämpfen."(7b) Im Gegensatz zum Rest der Partei
war er nicht der Auffassung, dass die neue Periode eine revolutionäre sei. „Die Bedingungen für den Sieg der
Arbeiterklasse sind nicht vorhanden. Daher kann man die gegenwärtige Zeit als
nicht anders als reaktionär bezeichnen.“ Diese Erklärungen Vercesis wurden
von Damen mit heftiger Kritik beantwortet, der meinte, dass, „wenn die Partei sich auf die Kritik und auf
die ideologische Zerstörung des Gegners beschränkt, sie nur einen Teil ihrer
Funktionen erfüllt“. Er lehnte die Auffassung von der „sog. Friedenswirtschaft“ ab, denn „die Wirtschaft, die wieder aufgebaut wird, wird von der Notwendigkeit
geprägt sein, weiter für die Bedürfnisse des Krieges zu produzieren (und das
sogar im verstärkten Maße)“. Damen, der in diesem Punkt die „orthodoxe“
Linie der Partei vertrat, wich woanders von dieser Linie ab, als er eine
Beteiligung an den Wahlen ins Auge fasste. Dabei hatte die Italienische Linke
zur Zeit ihres Ausland“aufenthaltes“ diese Auffassung verworfen. „Wir bleiben weiterhin unveränderlich gegen
das Parlament eingestellt; doch die konkrete Ausrichtung unserer Politik
gebietet es uns, jede vorgefasste abstentionistische Haltung zu verwerfen.“
In der Frage der Einschätzung der Gewerkschaften und einer
eventuellen Wahlbeteiligung der PCInt war die Konferenz zutiefst gespalten.
Unterstützt von Danielis, betonte der Berichterstatter zur Gewerkschaftsfrage,
Luciano Stefanini, die Inkohärenz der Partei. „Einerseits gehen wir von der Abhängigkeit der Gewerkschaften vom
kapitalistischen Staat aus; andererseits fordern wir die Arbeiter dazu auf,
dafür einzutreten, dass die Gewerkschaften auf dem Klassenterrain kämpfen.“
Dagegen behauptete der Berichterstatter, dass „die gegenwärtigen Gewerkschaften ihren Charakter als Staatsorgane
nicht ändern können und dass dies, wenn überhaupt, nur durch die endgültige
Zerstörung des Staates selbst geschehen kann (...) Wir müssen endlich das
Streben nach Erlangung und Besetzung von Schlüsselpositionen in den
gegenwärtigen Gewerkschaften mit Blick auf ihre Umwandlung aufgeben“. Dies,
so meinte er, sei das Ergebnis der „Dekadenz
des Kapitalismus“.
Der Bericht stieß auf den Widerstand einer Mehrheit der
Delegierten. Aus der Sicht von Lecci alias Tullio kam es darauf an, „nicht die Gewerkschaften zu zerstören und
auch nicht an ihre Stelle andere Organisationen zu setzen, sondern darum zu
kämpfen, dass der Überbau, welcher die Gewerkschaften erstickt, genau wie jeder
andere Überbau des kapitalistischen Staates abgeschafft wird. Das war übrigens
auch die Meinung Bordigas, der die Plattform der Internationalistischen Partei
verfasst hat, die der Konferenz zur Verabschiedung vorgelegt wurde. Aus seiner
Sicht sollte die italienische Gewerkschaftsbewegung zu ihren Traditionen der
engen und ausdrücklichen Unterstützung der proletarischen Klassenpartei
zurückkehren, indem man sich auf das Wiedererscheinen ihrer örtlichen Organisationen
stützt, die ruhmreichen Arbeiterbörsen.“ Dies war auch die Auffassung
Vercesis.
Die bordigistische Strömung, die aus der italienischen
Partei der „Belgischen Fraktion“ und der FFGCbis zusammengesetzt war, versäumte
es auf ihrer Konferenz, wie 1938 ein Internationales Büro der Fraktionen zu
gründen. Vercesi, der Berichterstatter in dieser Frage, meinte dazu: „In der gegenwärtigen Weltlage, in der es
keine revolutionären Bewegungen gibt, meint die PCInt, dass sie die Möglichkeit
der Bildung eines internationalen Büros der Fraktionen der Kommunistischen
Linken offen halten sollte.“ Das Büro lehnte jeden Kontakt mit
trotzkistischen Organisationen und auch mit anderen Gruppierungen ab, die sich
am Krieg beteiligt hatten. Die französische Delegation (Véga und Frédéric)
plädierte für ein solches Büro, und Lecci forderte, dass es „vor dem dominierenden Einfluss der
italienischen Partei geschützt werden und daher seinen Sitz in Paris haben
sollte“. Dabei spielte zweifellos die schlechte Erfahrung mit der Komintern
und Moskau eine Rolle.
Die Thesen zur Agrarfrage schlossen die Konferenz ab. Die
PCInt hatte sich stark in Kalabrien entwickelt, wo sie über einen
beträchtlichen Einfluss im Agrarproletariat und auch unter den Bauern besaß.
Nach Kriegsende hatte es größere Streiks auf dem Lande, in Sizilien, in der
Basilicate und in Puglien gegeben. Für den Berichterstatter war dies eine
Gelegenheit, die Thesen Lenins, seine Parole „Das Land den Bauern“ und sein Plädoyer für ein „Bündnis zwischen dem Proletariat und den
Kleinbauern“ zu kritisieren. Letzterem setzte die Konferenz die Parole der „Unterstützung des Proletariats durch die
Kleinbauern“ entgegen. Die Konferenz lehnte es ab, die bäuerlichen Elemente
in die Partei zu integrieren, ganz im Gegensatz zum Agrarproletariat, und
verwarf jeden Vorschlag einer Allianz mit bäuerlichen Gruppierungen. Während
die Möglichkeit einer „Massenagitation
auf dem Lande“ ausgeschlossen wurde, hielt die PCInt weiterhin an der
Notwendigkeit einer Koordination ihrer Agitation und Propaganda unter der
Landbevölkerung fest. Zu diesem Zweck schuf sie eine Agrarsektion, die direkt
dem Zentralkomitee unterstellt war. Im Hintersinn stand sicherlich das Kalkül,
gegen die lokalistischen Tendenzen der Föderation in Kalabrien anzugehen.
Schließlich wurde auf der Konferenz im Prinzip ein internationales
Verbindungsbüro zwischen den verschiedenen Fraktionen akzeptiert. Außerdem
verwarf die Konferenz die Thesen Stefaninis und rief zur Eroberung der
führenden gewerkschaftlichen Organe auf.
Die Konferenz von Turin hatte somit die politischen
Divergenzen nur oberflächlich behandelt. Vor dem Hintergrund einer zu Recht als
konterrevolutionär eingeschätzten Lage war die Existenz der Partei kaum noch
gerechtfertigt. Hatte die italienische Fraktion nicht kurz zuvor noch betont,
dass die Partei nur in einer revolutionären Epoche gegründet werden könne? Es
lag auf der Hand, dass es der PCInt an theoretischer und organisatorischer
Klarheit mangelte. Während die alte Fraktion ihre Mitglieder einzeln, auf
individueller Basis, rekrutiert hatte, schlossen sich die „bordigistischen“
Strömungen im Mezzogiorno der PCInt als Gruppen an (8). Dies wurde ihr von der
„Gauche Communiste de France“ zum Vorwurf gemacht. Die PCInt hatte jede
Diskussion mit Letzterer verweigert. Die „Gauche Communiste de France“ betonte,
dass die revolutionäre Partei nur in einer „Periode
des offenen Kurses zur Revolution“ gegründet werden könne. Was die Zukunft
der italienischen „Partei“ anging, so schwante ihr Böses. „Die neue Partei verfügt über keine politische Einheit, sondern ist
eine Zusammenwürfelung von Strömungen und Tendenzen, die über kurz oder lang
als solche in Erscheinung treten und zusammenprallen werden. Der gegenwärtige
‚Waffenstillstand‘ kann nur vorübergehend sein. Die Ausschaltung der einen oder
anderen Strömung ist unvermeidlich. Früher oder später wird die politische und
organisatorische Abgrenzung unumgänglich.“ (Internationalisme, Nr. 7, Februar 1946, „Zum I. Kongress der „Parti Communiste Internationaliste“ Italiens)
Die PCInt machte damals rein zahlenmäßig einen starken
Eindruck. Man konnte fast meinen, dass sie mit ihren 13 Föderationen, ihren 72
Sektionen, ihren zahlreichen politischen Versammlungen, ihrer Verwurzelung in
den großen Industriezentren, ihrer Presse usw. zu einer Massenpartei geworden
war. Doch ab 1947 verließen viele zum Trotzkismus neigende Mitglieder die
Partei. Andere wurden aufgrund von politischen Divergenzen ausgeschlossen, was
in der Presse verschwiegen wurde. Bald darauf verkündete die gesamte Turiner
Föderation ihre „Selbständigkeit“ und richtete auf der Suche nach politischer
Auseinandersetzung und politischen Debatten ihren Blick auch auf das Ausland.
So beteiligte sie sich Pfingsten 1947 an einer Konferenz in Brüssel, die von
der holländischen Linken, der „Gauche Communiste de France“ und der Gruppe „Le
Prolétaire“ veranstaltet wurde.
DIE ENTWICKLUNG DER PARTEI NACH 1946: SPALTUNGEN
Vor allem die Frage des Parlamentarismus beschleunigte die
Entwicklung von verschiedenen Tendenzen innerhalb der PCInt. 1946 beteiligte
sich die PCInt an den Gemeindewahlen und 1948 schließlich an den Wahlen zum
Landesparlament. Neben dem Parlamentarismus gab es noch weitere Streitpunkte.
Auf der einen Seite plädierte Damen für eine „voluntaristische“ Entwicklung der Partei und für die
Wahlbeteiligung; nationale Befreiungsbewegungen lehnte er hingegen ab. Auf der
anderen Seite sprachen sich Vercesi und Maffi gegen den „revolutionären Parlamentarismus“ aus, wie übrigens auch
Bordiga. Sie gingen davon aus, dass die
Wirkung der PCInt sich hauptsächlich auf ideologischer Ebene, d.h. im
Bewusstsein, entfalten sollte, indem man die künftigen Kader ausbildete. Der
Eintritt Bordigas in die Partei 1949 – damals begann er mit seiner Chronik „Sul filo del tempo“ (Über den Faden der
Zeit) – beschleunigte die Bildung von „oppositionellen Blöcken“. Auch wenn
Bordiga misstrauisch gegenüber der neuen Partei blieb, akzeptierte er dennoch
ihre Existenz. Doch verlangte er von ihr eine Rückkehr zu den Positionen Lenins
und den Thesen der Italienischen Linken von vor 1926, was auf eine Ablehnung
all der theoretischen Erkenntnisse und Errungenschaften von Bilan hinsichtlich der nationalen und
der Gewerkschaftsfrage sowie des Übergangsstaats hinauslief. Im Gegensatz zur
Damen-Tendenz ging er davon aus, dass der russische Imperialismus weniger
gefährlich sei als der amerikanische, der der „Hauptfeind“ sei. (9)
Wegen all dieser Fragen (und nicht nur wegen der
Wahlbeteiligung, die von Damen abgelehnt wurde) kam es zu einer Spaltung
zwischen Maffi, Bordiga und Vercesi auf der einen und Damen, Stefanini und
Lecci auf der anderen Seite. 1952 schloss sich offensichtlich eine Mehrheit,
die jede Hoffnung auf eine Wiedereroberung der Gewerkschaften aufgegeben hatte
und jede Unterstützung der „farbigen Völker“
(Zitat Bordiga) ablehnte, der Damen-Tendenz an. Die KPs wurden nicht mehr als
„opportunistisch“ oder „zentristisch“ eingeschätzt, sondern als bürgerliche
Parteien angesehen. Auch lehnten sie den Substitutionismus durch die Partei ab;
die Partei dürfe nicht die Macht ergreifen, um sie im Namen des Proletariats
auszuüben, denn die Arbeiterklasse „kann
ihren geschichtlichen Auftrag nicht delegieren; auch kann sie keine
Generalvollmachten ausstellen, auch nicht an ihre politische Partei“ („Thesen der PCInt“, Tendenz des
Kongresses). (10)
Somit existierten 1952 in Italien zwei PCInts, die sich
beide auf Lenin und die Italienische Linke beriefen. Die Gruppe um Bordiga
publizierte bald darauf die Zeitschrift Il
Programma Comunista, die noch heute auf Italienisch erscheint. Die Gruppe
um Damen gab weiterhin Prometeo und Battaglia Comunista heraus, die
ebenfalls noch heute erscheinen.
In der französischen und belgischen Fraktion der PCInt
verursachten diese Divergenzen große Erschütterungen. 1949 stellte die belgische
Zeitung L’Internationaliste ihr
Erscheinen ein, und die belgische Fraktion selbst löste sich kurz danach auf.
Im gleichen Jahr trat die Mehrheit der Mitglieder aus der französischen
Fraktion aus, um sich der kurz zuvor gegründeten Gruppe „Socialisme ou
Barbarie" anzuschließen. Nach zwei Jahren der Abwesenheit tauchte die
FFGCbis unter dem Namen „Groupe français de la Gauche communiste international“
wieder auf. Anfangs veröffentlichte sie ein „Bulletin“, 1957 Programme
Communiste und 1964 schließlich die Zeitung Le Proletaire, die bis heute erscheint und das Organ der
eigentlichen „bordigistischen" Tendenz ist.
Während sich die Gruppe um Damen weiterhin auf der Suche
nach politischen Kontakten begab und sich dabei an die verschiedensten
„Adressen“ richtete („Socialisme ou Barbarie“, „News and Letters“ um Raya
Dunajevskaja in den USA, italienische libertäre Kommunisten, die Gruppe um
Munis und Perret sowie die Trotzkisten), zog sich Programma Comunista auf sich selbst zurück. In den darauffolgenden
Jahren fanden eine Reihe von Spaltungen innerhalb des „bordigistischen“ Milieus
statt. In Italien benannte sich die „Rivoluzione Comunista“ 1964 in „Parti
Communiste Internazionalista“ um, wodurch die bordigistische Partei ihrerseits
gezwungen wurde, sich in „Parti Communiste Internationale“ umzutaufen. Zudem
gründete sich aus einer weiteren Abspaltung 1974 in Florenz „Il Partito
Comunista“, die sich zu allem Überfluss ebenfalls „Parti Communiste
Internationale“ nannte. 1967 tauchten als Ergebnisse von Abspaltungen von der
PCInt Le fil du temps (Faden der
Zeit) um Dangeville und Invariance um
Jacques Camatte auf. 1972 spaltete sich die gesamte skandinavische Sektion von Programme Communiste ab; sie hatte
mittlerweile KAPD-nahe Positionen eingenommen, die auch eine Spaltung in der
französischen PCInt bewirkten. Es ereigneten sich noch weitere, allerdings
weniger bedeutende Spaltungen, aus denen kleine Gruppen hervorkamen, von denen
die einen den „reinen Bordigismus“ für sich reklamierten und die anderen sich
in Richtung Trotzkismus bewegten. Letzteres galt vornehmlich für Italien. Nach
einer Phase der Ausdehnung wurde die IKP 1982 durch weitere Spaltungen
insbesondere in Frankreich und Italien, als sie in ihrer Zuneigung zu
nationalen Befreiungskämpfen solch offen chauvinistische Gruppierungen wie „El
Oumani“ favorisierte, stark geschwächt.
DIE FRANZÖSISCHEN LINKSKOMMUNISTEN (Internationalisme)
In Frankreich veröffentlichte die „Gauche Communiste de
France“ bis 1952, d.h. bis zu ihrer eigenen Auflösung, die Zeitschrift Internationalisme. Während sie die
Tradition der Italienischen Linken in ihren Grundsatzpositionen
berücksichtigte, eignete sie sich jedoch andererseits in Folge ihres Kontaktes
mit der Holländischen Linken auch bestimmte Analysen der Deutsch-Holländischen
Linken an. Sie stützte sich vor allem auf die Theorie der Dekadenz des
Kapitalismus seit 1914, die von Rosa Luxemburg entworfen und von der KAPD
weiterentwickelt worden war. Der sich in allen Ländern ausbreitende
Staatskapitalismus, der in Gestalt von Verstaatlichungen oder gar in Form einer
vollständigen Übernahme der Wirtschaft durch den Staat auftrat, hat nichts mit
dem Sozialismus zu tun, sondern spiegelt eine allgemeine Tendenz des dekadenten
Kapitalismus in allen Ländern wider. Das Proletariat in den rückständigen
Ländern hat weder bürgerliche Aufgaben zu übernehmen noch „nationale
Befreiungskämpfe“ zu unterstützen. Es muss ohne Umwege seine eigene
Klassendiktatur errichten, so wie es die Russische Revolution demonstriert hat,
die keine bürgerliche, sondern eine proletarische Revolution war. Der I.
Weltkrieg hat auch die Integration der Gewerkschaften und des Großteils der
sozialistischen Parteien in den Staatsapparat offenbart. Ab 1927 fungierten
schließlich auch die KPs als Agenten des Kapitals in den Reihen der Arbeiter.
Die KPs waren nicht „Agenten Moskaus“, sondern Vertreter ihres eigenen
nationalen Kapitals mit einer prorussisch ausgerichteten Außenpolitik. (11)
Hinsichtlich der Form der Arbeiterkämpfe und der Rolle der
Partei im dekadenten Kapitalismus, der vom Zyklus Krise-Krieg-Wiederaufbau
geprägt ist, plädierte die CGF für nicht ständige Wirtschaftsorganisationen,
die, sobald die Kämpfe abflauen, wieder verschwinden. Erst in einer
revolutionären Periode müssten sich die Arbeiter permanent in ihren
Einheitsorganen organisieren, die sowohl ihre politischen als auch ihre
wirtschaftlichen Interessen zum Ausdruck bringen: die Arbeiterräte. Die Rolle
der Partei in diesen Kämpfen dürfe nicht darin bestehen, den Arbeitern die
Initiative aus der Hand zu nehmen (Substitutionismus), sondern sie politisch
nach vorne zu treiben, zur Generalisierung der Kämpfe und zum direkten
Zusammenstoß mit dem Staat, wodurch die Perspektive eines revolutionären
Umsturzes ermöglicht wird. Unter diesen Prämissen beteiligte sich die CGF 1947
am Streikkomitee bei Renault und verbreitete ihren Standpunkt, dass dieser
Streik nicht auf die Fabriken der Renault-Werke in Billancourt beschränkt
bleiben dürfe, sondern mittels politischen Einheitsforderungen und Parolen auf
alle Teile der Arbeiterklasse ausgedehnt werden müsse. (12)
Insbesondere befasste sich die CGF mit der Frage der
Übergangsperiode. Sie war der Auffassung, dass allein die Arbeiterräte die
Einheitsorgane der proletarischen Diktatur seien, die weder durch die Partei
noch durch den Staat, der von seinem Wesen her dem Sozialismus feindlich
gesinnt sei, ersetzt werden könnten. An der Spitze dürfe weder die
proletarische Partei noch irgendein „proletarischer“ Staat stehen; der Übergang
vom Kapitalismus zum Kommunismus könne nur weltweit und bei ständiger
Wachsamkeit des Proletariats gegenüber dem Übergangsstaat, der seinerseits ein
konservativer Wächter der kapitalistischen Produktionsverhältnisse sei,
bewerkstelligt werden. (13)
Obwohl die CGF 1948 eine gemeinsame Konferenz mit der
Holländischen Linken veranstaltete und damit ihr Bestreben nach internationaler
Auseinandersetzung und Klärung (14) zum Ausdruck brachte, hielt sie dennoch
daran fest, neben der Notwendigkeit der Arbeiterräte auch die Wichtigkeit der
kommunistischen Partei zu betonen, die ein entscheidender Faktor bei der
Bewusstwerdung der Arbeiterklasse über ihre eigenen historischen Ziele sei.
Ihre hermetische Isolierung, die sie mit all jenen Gruppen
teilte, die aus der früheren Deutschen und Italienischen Linken hervorgegangen
waren, sowie ihre geographische Zersplitterung Anfang der 50er Jahre über
mehrere Kontinente bewirkten das Ende der CGF. Internationalisme stellte ihr Erscheinen ein. Erst Anfang der 60er
Jahre tauchte diese Strömung wieder auf – in Venezuela. Zunächst bezog sie
gegen die aufkommende „Guerilla“ Stellung. Ab 1964 veröffentlichte sie die
Zeitschrift Internacionalismo, die
sich auf das Erbe von Internationalisme
berief. Das Ende dieser „langen, 50 Jahre
dauernden Periode der Konterrevolution“ 1968 ermöglichte eine quantitative
Verstärkung dieser Strömung. So entstanden zunächst in Frankreich mit „Révolution Internationale“ und später
auch in anderen Ländern (Italien, Schweden, den USA, Spanien, Großbritannien,
Belgien, den Niederlanden, Deutschland) Gruppen, die sich 1975 zu Sektionen der
„Internationalen Kommunistischen Strömung“ (IKS) zusammenschlossen.
Seit Mai 1968 ist das Interesse an den
linkskommunistischen Ideen wiedererwacht. Alle hier erwähnten Strömungen, die
entweder organisatorisch oder politisch insbesondere aus der Italienischen
Linken hervorgegangen waren, sind in einem allgemeinen Sinn Erben der gesamten
linkskommunistischen Tradition der 20er Jahre, d.h. jener Strömung, die Lenin
als die „Kinderkrankheit des Kommunismus“
bezeichnet hatte. Ihre Entwicklung war nicht „ideologisch“, sondern von den
reellen Erfahrungen aus der Zeit zwischen 1927 und dem II. Weltkrieg geprägt.
Fußnoten:
(Aus Platzgründen haben wir nicht alle Fußnoten aufgeführt. Sie können in der englischen, französischen und spanischen Ausgabe nachgelesen werden.)
(2) In der „Fabrica“, dem Organ der PCI in Mailand, stand im Januar 1944: „Und während die besten Söhne unserer Erde, unsere besten Kommunisten heldenhaft den Krieg gegen die Deutschen und die Faschisten an der Partisanenfront in Gorizia, Udien, Lecco, San Martino, im Aostatal und an so vielen anderen Orten Italiens führen, während die italienischen Arbeiter, Bauern, Intellektuelle ihr Blut im Kampf gegen die Besatzer vergießen, verbreiten die dubiosen Redakteure des ‚Prometeo’ ihre Gegenposition der ‚Partisanenfalle‘. Ihnen zufolge ist der gegen die Deutschen gerichtete Partisanenkampf eine Waffe, die die Bourgeoisie zur Verblendung der Arbeiter einsetzt. Ihnen zufolge sollen die Arbeiter sich nicht den Partisanenverbänden anschließen, sie sollen ‚vom Krieg desertieren‘.“
Der Aufruf endete mit einem veritablen Mordaufruf, vor dem Hintergrund des Mordes an Acquaviva und Atti im März bzw. Juli 1945. „Die kriminellen und infamen Handlungen dieser Verbrecher müssen entlarvt und offen gelegt werden. Sie sind eine Beleidigung der heldenhafter Kämpfer und ein Verrat an ihnen. Sie müssen wie Spione und Verräter isoliert und eingekerkert werden, wie Agenten der Gestapo behandelt werden. Und ihre Presse muss verbrannt werden.“
(5) In der 1945 von Bordiga verfassten und 1946 veröffentlichten Plattform war die Haltung zur Partisanenbewegung sehr unklar. „Hinsichtlich der Partisanen, dem patriotischen Kampf gegen die Deutschen und Faschisten lehnt die Partei die Manöver der internationalen und nationalen Bourgeoisie ab, die mit ihrer Propaganda für die Wiedergeburt des offiziellen Staatsmilitarismus (eine inhaltslose Propaganda) auf die Auflösung und Vernichtung der Freiwilligenorganisationen in diesem Kampf abzielt. In einer Reihe von Ländern waren diese Organisationen bereits Zielscheibe einer bewaffneten Repression.“