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Die Zuspitzung der Wirtschaftskrise seit diesem Sommer 2011 lässt den Bankrott des Kapitalismus immer deutlicher erkennen. Das Kapital kann seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, denn die endlose Verschuldung der letzten Jahrzehnte ist an ihre Grenzen gestoßen. Die ständige Neuaufnahme von Schulden hatte zum Ziel, eine Produktion abzusetzen, die immer mehr die Nachfrage überstieg. Da diese Überproduktion immer geringere Profitraten nach sich zog, haben die Kapitalisten unaufhörlich versucht, die Produktionskosten zu senken, d.h. die Lohnkosten zu kürzen – dies schloss sowohl die noch Beschäftigten als auch die Arbeitslosen und Rentner mit ein. Seit Ende der 1990er Jahre sind die Reallöhne der ArbeiterInnen und aller anderen Schichten mit niedrigen Einkommen in vielen entwickelten Ländern stagniert oder gesunken. Darüber hinaus konnten die Unternehmer jahrelang die Löhne durch die Verlagerung von Produktionsstandorten in « Schwellenländer » oder andere Niedriglohnländer senken (Dazu gehört, dass oft nur weniger Jahre später Werke wieder geschlossen werden - wie jetzt im Falle Nokia. 2004 war das Bochumer Nokia Werk nach Rumänien verlagert worden, bevor es 2011 wieder geschlossen wurde). Dies ermöglichte vorübergehend eine Erhöhung der Profite, denn die Löhne waren in diesen Ländern so niedrig, dass viele Beschäftigte nur in den Armenvierteln überleben konnten oder wie in China, in Mingong (Wohnkasernen auf Werksgelände) schlafen mussten.
Die Zuspitzung der Armut
Seit 2007 haben sich die Lebensbedingungen der entwickelten Länder in einem viel stärkeren Maß verschlechtert als früher. Überall steigt die Arbeitslosigkeit an, in einigen Ländern explodiert sie gar. In Griechenland ist die Arbeitslosigkeit nach dem ersten Sparprogramm vom April 2010 von 12% auf 16,5% der aktiven Bevölkerung gestiegen[1]. In Spanien, wo die Immobilienblase besonders heftig geplatzt ist, ist die Arbeitslosigkeit seit 2008 von 9% auf 21% angewachsen, damit sind mehr als 4.2 Mio. Menschen arbeitslos. Unter den Jugendlichen grassiert eine noch höhere Arbeitslosigkeit: 42% in Spanien, 33% in Griechenland; 25% durchschnittlich in den anderen Ländern, Schweden eingeschlossen, das uns heute als ein erfolgreiches Modell der Überwindung der Krise präsentiert wird.[2]
Meist haben die Jugendlichen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil sie noch nie in Lohnarbeit standen. Deshalb hat sich in den letzten Jahren ein Phänomen entwickelt, wo die Jugendlichen sich keine eigene Wohnung mehr leisten können und bei ihren Eltern wohnen bleiben müssen.
Aber selbst wenn die Eltern noch eine Arbeit haben, kommen sie meistens kaum noch über die Runden. Oft können sie sich und ihre Kinder kaum ernähren. In Spanien kann man mit dem Mindestlohn von 748 Euro[3]nicht mal die Miete einer Einzimmerwohnung in einer Großstadt bezahlen, denn diese liegt im Durchschnitt bei ca. 600 Euro.
Wenn man arbeitslos ist, kann man die üblichen Mieten nicht mehr bezahlen, da z.B. in Spanien die Arbeitslosenzahlungen zwischen 492 und 1384 Euros variieren und insgesamt nur 24 Monate lang gezahlt werden. Deshalb ist man zum Zusammenwohnen gezwungen, aber selbst dann muss man in den großen Städten mindestens 250 Euro monatlich für Miete hinlegen. In Portugal wurde im Rahmen der letzten Sparmaßnahmen der 13. und 14. Monatslohn bei den Staatsangestellten abgeschafft, damit sinkt ihre Kaufkraft um 20%, während 20% der Bevölkerung ohnehin schon mit weniger als 450 Euro im Monat auskommen müssen.
In Griechenland über die Runden zu kommen, ist noch schwieriger. Während der Mindestlohn in etwa dem Spaniens entspricht, sind seit einem Jahr die Löhne um ca. 10% gesunken. Infolge des letzten Sparprogramms wurden ca. 300.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in technische Arbeitslosigkeit geschickt, zudem wurden die Einkommen der Staatsangestellten im Durchschnitt um 25% gesenkt (einige von ihnen mussten Kürzungen von bis zu 50% hinnehmen). Einkommen, die über 5000 Euro liegen, müssen jetzt versteuert werden[4]. Mit welchen Schwierigkeiten des Überlebens die Menschen in Griechenland zu kämpfen haben, wird anhand einer Zahl deutlich: Seit Anfang 2010 ist der Privatkonsum ca. 20% durchschnittlich zurückgegangen.[5]
Aber nicht nur auf dem alten Kontinent wird es immer schwerer über die Runden zu kommen. In den USA wurde im August 2011 berichtet, dass 45.7 Millionen von 311 Millionen Einwohnern zum Überleben dazu gezwungen sind, von staatlichen Institutionen[6]Lebensmittelgutscheine im Wert von 30 Dollar wöchentlich zu erbetteln. Der Umfang der Massenentlassungen nimmt zu. So hat zum Beispiel die Bank of America 30.000, Cisco 6500 Stellenstreichungen angekündigt. Und die Liste der Firmen, die Stellenabbau angekündigt haben, wird sowohl in den USA als auch in Europa immer länger.
Die Zusammenstöße während des letzten Sommers zwischen den Republikanern und Demokraten hinsichtlich der Anhebung der Schuldengrenzen in den USA sind bekannt. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass beide Parteien gewaltige Ausgabenkürzungen befürworten, wobei Zehntausende Stellen gestrichen werden sollen. Darüber hinaus sind in vielen Bundesstaaten die Kommunen so stark verschuldet, dass viele von ihnen zahlungsunfähig geworden sind und ihr Personal auf die Straße setzen müssen. So wurden in Minnesota 22.000 Beschäftige aufgefordert, zu Hause zu bleiben; seit dem 4. Juli wurde ihnen kein Lohn mehr bezahlt.[7] Die gleiche Geschichte passiert in Harrisburg, Hauptstadt des Bundesstaates Pennsylvania, und auch in Central Falls, in der Nähe von Boston.
Vor solchen Verhältnissen stehen immer mehr Menschen in den entwickelten Ländern. In Großbritannien sind aufgrund der Sparprogramme die Einkommen schon um 3% gefallen. In allen europäischen Staaten (mit Ausnahme von Deutschland im Augenblick) stehen gewaltige Einschnitte an. Aber je mehr solche Programme umgesetzt werden und je mehr die Kaufkraft sinkt und je mehr infolgedessen die Überproduktion steigt und die Profite fallen, desto dringender werden neue Sparprogramme. Der Teufelskreis bewirkt, dass immer größere Teile der Bevölkerung in immer größere Armut abrutschen.
Die Auflösung des gesellschaftlichen Lebens
Die Zahlungsunfähigkeit der Kommunen in den USA hat dazu geführt, dass eine Reihe von Dienstleistungen, vor allem viele im Gesundheitswesen eingestellt wurden. Das Geld fehlt, um die Verträge von vielen Krankenpflegern und Ärzten zu verlängern. Das bedeutet, dass der Bankrott des Kapitalismus neben dadurch ausgelösten Zunahme der Verarmung, dabei ist, die ‚normale Funktionsweise# der Gesellschaft zu blockieren. Ebenso wie in den USA haben die Krankenhäuser in Spanien in Barcelona wegen der Kürzungen im Gesundheitswesen beschlossen, die Einrichtungen der Notaufnahme und der Operationssäle stundenweise während der Woche zu schließen. Mit anderen Worten – wenn die Menschen der Stadt plötzlich erkranken oder ernsthaft verletzt werden, müssen sie wohl die Uhrzeit auswählen, wenn sie zur Notaufnahme gebracht werden!
Die Gesellschaft ist mittlerweile in Griechenland am meisten blockiert. Es wird berichtet, dass nunmehr viele Firmen geschlossen haben, weil sie ihren Beschäftigten keine Löhne mehr auszahlen können; Staatsangestellten oder Beschäftigte aus Betrieben im Umkreis des Staates erhalten seit Monaten nicht mehr ihre Löhne, in Schulen werden keine Schulbücher mehr ausgeliefert,[8] usw.
In dem Maße wie sich die Armut ausdehnt, spitzt sich ebenso die Desorganisierung der Institutionen und Betriebe, die für das normale Funktionieren der Gesellschaft notwendig sind, zu. Der Kapitalismus erweist sich jeden Tag als unfähiger, das Überleben der Menschheit sicherzustellen. Vitaz, 26.10.2011
[1] http ://lexpansion.lexpress.fr/economie/le-taux-de-chomage-officiel-atteint-16-5-engrece_266257.html
[5] http ://cib.natixis.com/flushdoc.aspx ?id=60259
[6] Le Monde 7-8 août 2011. Rund 20,5 Millionen Menschen liegen mit ihrem Einkommen 50 Prozent unter der offiziellen Armutsgrenze. Sie leben von weniger als 5.570 Dollar im Jahr, beziehungsweise als vierköpfige Familie von weniger als 11.157 Dollar. 6,7 Prozent ist der höchste Wert, den die Zensusbehörde seit Beginn der Erhebungen vor 35 Jahren ermittelt hat.
[8] http ://www.info-grece.com/agora.php ?read,28,40283