Die Anarchisten und der Krieg (1) - Die Anarchisten und der Erste Weltkrieg

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Im heutigen anarchistischen Milieu, insbesondere in Frankreich und Russland, läuft eine Debatte, in der sich zwei gegensätzliche Auffassungen gegenüber stehen; ein Teil der Leute versucht sich abzugrenzen gegenüber einer nationalistischen Sichtweise, die in der Verteidigung des Regionalismus, der „Ethno-Identität“ und der nationalen Befreiungskämpfe zum Ausdruck kommt – Fragen und Positionen, die als charakteristisch für einen Großteil dieses Milieus und als Schwäche dieses Teils angesehen werden müssen. Gerade der katastrophale Weg, den der Kapitalismus der Gesellschaft vorzeigt, drängt notwendigerweise diejenigen, die die gesellschaftliche Revolution herbeisehnen, dazu, ernsthaft die Frage nach den Perspektiven für das Proletariat zu stellen. Diese eröffnen sich unter dem Gesichtswinkel einer Entwicklung des Klassenkampfs des Proletariats, aber auch – aufgrund der Zerstörungswut im dekadenten Kapitalismus – unter demjenigen der Notwendigkeit, der Entwicklung des imperialistischen Krieges entgegen zu treten, der praktisch auf allen Kontinenten wütet.

Gegenüber den imperialistischen Kriegen gibt es nur eine Haltung, die mit den Interessen des Proletariats übereinstimmt: die Ablehnung, irgend eines der sich gegenüber stehenden Lager zu unterstützen; und dann die Entlarvung aller bürgerlichen Kräfte, die die Arbeiter und Arbeiterinnen unter irgend einem Vorwand dazu aufrufen, ihr Leben für eines der kapitalistischen Lager zu opfern. Angesichts des imperialistischen Krieges muss die Arbeiterklasse die einzig mögliche Perspektive voranstellen: die Entwicklung ihres so bewusst und so konsequent wie möglich geführten Kampfes für die Überwindung des Kapitalismus. In diesem Sinn stellt die Frage des Internationalismus das entscheidende Kriterium dafür dar, ob eine Organisation oder eine Strömung etc. zum proletarischen Lager gehört oder nicht.

Er gründet auf den allgemeinen Bedingungen, die der Kapitalismus dem Proletariat auf der ganzen Welt aufzwingt, d.h. auf der schlimmstmöglichen Ausbeutung seiner Arbeitskraft in allen Ländern auf allen Kontinenten. Und im Namen dieses Internationalismus brachte die Arbeiterbewegung die Erste Internationale hervor. Der Bezugspunkt für den Internationalismus ist, dass die Bedingungen der Befreiung des Proletariats internationale sind: Über die staatlichen Grenzen und die militärischen Fronten, die „Rassen“ und Kulturen hinweg findet das Proletariat seine Einheit im gemeinsamen Kampf gegen die Ausbeutungsbedingungen und in der Interessengemeinschaft für die Abschaffung der Lohnarbeit und für den Kommunismus. Das ist die Grundlage dafür, dass der Internationalismus eine Klassenposition ist.

Für den Anarchismus ist der Internationalismus eher Teil der abstrakten „Prinzipien“, aus denen er seine allgemeine und ewige Inspiration schöpft wie die antiautoritäre Ideologie, die Freiheit, die Ablehnung jeglicher Macht, die Ablehnung des Staats, etc., und nicht eine klare erarbeitete Position darüber, dass dieser Internationalismus eine unverrückbare Klassengrenze darstellt, die das kapitalistische Lager von demjenigen des Proletariats scheidet. Diese dem Anarchismus wesenseigene Schwierigkeit bei der Methode führte dazu, dass seine Geschichte von ständigen Schwankungen begleitet gewesen ist - insbesondere in der Kriegsfrage, wo nicht nur entschieden internationalistische Positionen vertreten worden sind, sondern auch stumpfe pazifistische oder gar offen kriegstreiberische.

In dieser Artikelserie gehen wir der Frage nach, wie der Anarchismus im Zeitalter, in dem die Menschheit vor die Alternative „Sozialismus oder Untergang der Menschheit“ gestellt worden ist, Stellung bezogen hat in der entscheidenden Prüfung des imperialistischen Kriegs im Laufe des barbarischen Niedergangs des Kapitalismus, insbesondere in den Weltkriegen.

 

Der Verrat von 1914 am Internationalismus durch die Sozialdemokratie und den Anarchismus

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges ging einher mit dem peinlichen Zusammenbruch der Sozialistischen Internationale, deren Parteien mehrheitlich sich dem jeweiligen nationalen Kapital unterwarfen, den Burgfrieden erklärten und die Mobilisierung des Proletariats für den Weltkrieg betrieben. Ebenso verwandelten sich die wichtigsten Bestandteile der anarchistischen Bewegung in Kriegstreiber zu Gunsten des bürgerlichen Staats. Kropotkin, Tscherkesoff und Jean Grave wurden zu den bedingungslosesten Verteidigern Frankreichs: „Lasst es nicht zu, dass diese schrecklichen Eroberer die lateinische Zivilisation und das französische Volk erneut überrollen … Lasst es nicht zu, dass sie Europa ein Jahrhundert des Militarismus aufzwingen“

Im Namen der Verteidigung der Demokratie gegen den preußischen Militarismus unterstützen sie den Burgfrieden: „Tief in unserem Gewissen fühlen wir, dass der deutsche Angriff nicht nur eine Bedrohung für unsere Emanzipationshoffnungen darstellt, sondern auch eine Bedrohung für die ganze menschliche Evolution. Darum stellten wir, Anarchisten, wir, Antimilitaristen, wir, Gegner des Krieges, wir, leidenschaftlichen Kämpfer für den Frieden und die Brüderlichkeit unter den Menschen, uns auf die Seite des Widerstands und glauben, dass wir uns nicht absondern dürfen vom Schicksal der Bevölkerung.“ In Frankreich schmiss die anarchosyndikalistische CGT ihre eigenen Resolutionen auf den Misthaufen, die ihr für den Kriegsfall die Pflicht auferlegt hatten, den Generalstreik triumphieren zu lassen, und verwandelte sich in einen hysterischen Lieferanten von Kanonenfutter für das imperialistische Gemetzel: „Gegen das Faustrecht, gegen den germanischen Militarismus müssen wir die demokratische und revolutionäre Tradition Frankreichs retten“; „Brecht auf ohne Bedauern, Arbeiterkameraden, die man ruft zur Verteidigung des französischen Bodens“ In Italien gründeten anarchistische und anarchosyndikalistische Gruppen Kampfbünde („fasci“) „gegen die Barbarei, den deutschen Militarismus und das perfide römisch-katholische Österreich“.

Doch diese Übereinstimmung der Mehrheit der Sozialdemokratie und des Anarchismus in der Unterstützung des imperialistischen Krieges und des bürgerlichen Staates beruht auf grundsätzlich verschiedenen Dynamiken.

Die Position der Sozialdemokratie zum Krieg stellte 1914 einen Verrat am Marxismus, der Theorie des internationalen und revolutionären Proletariats und dem Grundprinzip dar, dass die Proletarier kein Vaterland haben. Demgegenüber war die Einordnung der Mehrheit der internationalen anarchistischen Führer in den imperialistischen Krieg an der Seite der Bourgeoisie während dem Ersten Weltkrieg nicht ein Fehltritt, sondern die logische Schlussfolgerung aus ihrem Anarchismus, in Übereinstimmung mit ihren wesentlichen politischen Positionen.

So rechtfertigte Kropotkin 1914 seine chauvinistische Position zu Gunsten Frankreichs mit dem Antiautoritarismus, denn es sei nicht hinnehmbar, „dass ein Land von einem anderen gewaltsam angegriffen“ werde. Indem die Anarchisten ihren Internationalismus mit der „Selbstbestimmung“ begründen und „dem absoluten Recht jedes Individuums, jedes Vereins, jeder Gemeinde, jeder Provinz, jeder Region, jeder Nation, selbst über sich zu bestimmen, sich zu vereinen oder sich nicht zu vereinen, sich zu verbünden, mit wem sie wollen, oder ihre Bündnisse zu brechen“, übernehmen sie die Spaltungen, die der Kapitalismus dem Proletariat auferlegt. Im Grunde genommen wurzelt diese chauvinistische Position im Föderalismus, die die Grundlage jeder anarchistischen Auffassung ist. Indem der Anarchismus die Nation als eine „natürliche Erscheinung“ betrachtet, sich für „das Recht jeder Nation, zu bestehen und sich zu entwickeln“ ausspricht und meint, dass die einzige Gefahr der Nationen darin bestehe, dass „sie einen Hang zum Nationalismus haben, der ihnen durch die herrschende Klasse eingeimpft wird in der Absicht, die Völker voneinander zu trennen“, muss er automatisch in jedem imperialistischen Krieg eine Unterscheidung treffen zwischen „Angreifern/Angegriffenen“ oder „Unterdrückern/Unterdrückten“ etc. und so für die Verteidigung des Schwächern, des mit den Füssen getretenen Rechts etc. eintreten. Dieser Versuch, die Ablehnung des Kriegs mit etwas anderem zu begründen als mit der Klassenposition des Proletariats, öffnet Tür und Tor für die Rechtfertigung der Unterstützung der einen oder der anderen Kriegspartei, d.h. konkret für die Wahl eines imperialistischen Lagers gegen das andere.

 

Die Treue zu den internationalistischen Grundsätzen durch die Bewegung von Zimmerwald gefestigt

und die Entwicklung des Klassenkampfs

Doch gelang es gewissen Anarchisten, eine wirklich internationalistische Haltung zu bewahren. Eine Minderheit von 35 libertären Militanten (unter ihnen A. Berkman, E. Goldmann, E. Malatesta, D. Nieuwenhuis) veröffentlichte ein Manifest gegen den Krieg (Februar 1915). „Es ist auch naiv und kindisch, nach der Aufzählung der Gründe der Konflikte und der Begebenheiten zu versuchen, die Verantwortung einer bestimmten Regierung zuzuschieben. Man kann nicht zwischen Angriffs- und Verteidigungskriegen unterscheiden. (…) Keiner der Kriegführenden hat ein Recht, sich auf die Zivilisation zu berufen, und ebenso wenig auf eine Selbstverteidigung. (…) Welches auch immer seine Form sei, der Staat ist nichts anderes als die organisierte Unterdrückung im Interesse einer privilegierten Minderheit. Der gegenwärtige Konflikt zeigt dies auf schlagende Weise: Alle Staatsformen beteiligen sich an diesem Krieg: der Absolutismus in der Gestalt Russlands, der mit dem Parlamentarismus versetzte Absolutismus Deutschlands, der Staat, der über Völker ganz unterschiedlicher Rassen herrscht, in der Gestalt Österreichs, die verfassungsmäßig demokratische Herrschaftsordnung Englands und das demokratisch republikanische Regime Frankreichs. (…) Die Rolle der Anarchisten, welches auch immer der Ort und die Lage sind, in der sie sich gerade befinden, besteht darin, weiterhin zu verkünden, dass es in allen Ländern nur einen Befreiungskrieg gibt: denjenigen der Unterdrückten gegen die Unterdrücker, der Ausgebeuteten gegen die Ausbeuter“ Die Fähigkeit, Klassenpositionen nicht aufzugeben, war bei den proletarischen Massenorganisationen ausgeprägter, die sich als Reaktion auf die zunehmende Abkehr der Sozialdemokratie vor dem Krieg von jeder revolutionären Perspektive dem revolutionären Syndikalismus zuwandten. In Spanien brandmarkte A. Lorenzo, ein altes Mitglied der Ersten Internationale und Gründer der CNT, sofort den Verrat der deutschen Sozialdemokratie, der französischen CGT und der englischen Gewerkschaften, da sie „ihre Ideale auf dem Altar ihres jeweiligen Vaterlandes geopfert haben, indem sie den grundsätzlich internationalen Charakter des gesellschaftlichen Problems verleugnet haben“. Im November 1914 verbreitete ein anderes Manifest, das von anarchistischen Gruppen, Gewerkschaften und Arbeitervereinen ganz Spaniens unterschrieben war, die gleichen Ideen: Verurteilung des Krieges, Verurteilung beider rivalisierenden Lager, Notwendigkeit eines Friedens, der „nur durch die soziale Revolution gewährleistet“ werden kann. Die Reaktion war bei den Anarchosyndikalisten schwächer, die in größerem Ausmaß unter dem Gewicht der anarchistischen Ideologie standen. Seit dem Verrat der CGT versammelte sich eine gegen den Krieg eingestellte Minderheit in der kleinen Gruppe Vie ouvrière (Arbeiterleben) von Monatte und Rosmer

Das zersplitterte anarchistische Milieu teilte sich auf in Anarchopatrioten einerseits und Internationalisten andererseits. Nach 1915 erlaubten die Wiederaufnahme der Kämpfe durch das Proletariat und die Auswirkungen der Parole von der Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg, welche die Konferenzen der gegen den Krieg eingestellten Sozialisten in Zimmerwald und Kienthal herausgegeben hatten, den Anarchisten, ihren Widerstand gegen den Krieg im Klassenkampf zu verankern.

In Ungarn waren es nach 1914 anarchistische Militante, die an der Spitze der Bewegung gegen den imperialistischen Krieg standen. Ilona Duczynska und Tivadar Lukacs, zwei von ihnen, brachten das Manifest von Zimmerwald nach Ungarn und machten es bekannt. Unter dem Einfluss der internationalistischen Konferenz radikalisierte sich der Galileo-Zirkel, der 1908 gegründet worden war und aus Anarchisten sowie aus der Sozialdemokratie ausgeschlossenen Sozialisten und Pazifisten bestand. Er bewegte sich vom Antimilitarismus und Antiklerikalismus zum Sozialismus, von einer Tätigkeit als Diskussionszirkel zu einer solchen der bestimmteren Propaganda gegen den Krieg und der aktiven Intervention in die voll keimenden Arbeiterkämpfe. Seine Flugblätter waren unterschrieben mit „Gruppe ungarischer Sozialisten - Anhänger von Zimmerwald“.

In Spanien bestand die Hauptaktivität der CNT im Kampf gegen den Krieg, verbunden mit der begeisterten Unterstützung der Forderungskämpfe, die ab Ende 1915 entflammten. Die CNT zeigte einen klaren Willen zur Diskussion und eine große Offenheit gegenüber den Positionen der Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal, die begeistert begrüßt wurden. Sie diskutierte und arbeitete zusammen mit den sozialistischen Minderheiten, die sich in Spanien gegen den Krieg stellten. Es gab große theoretische Anstrengungen mit der Absicht, die Ursachen des Krieges und die Mittel für den Kampf dagegen zu begreifen. Sie unterstütze die Positionen der Zimmerwalder Linken und gab bekannt, dass sie zusammen mit „allen Arbeitern“ herbeisehne, „dass dem Kriege das Ende durch den Aufstand der Arbeiter der kriegführenden Länder gesetzt“ werde.

Oktober 1917 - Fanal der Revolution

Der Ausbruch der Revolution in Russland stieß auf eine gewaltige Begeisterung. Die revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse und der erfolgreiche Aufstand im Oktober 1917 zogen die proletarischen Strömungen des Anarchismus in ihren Einflussbereich. Der fruchtbarste Beitrag der Anarchisten zum revolutionären Prozess konkretisierte sich in der Zusammenarbeit mit den Bolschewiki. Weltweit kamen sich das internationalistische anarchistische Milieu, der Kommunismus und die Bolschewiki politisch näher und die Sichtweisen trafen zu einem großen Teil zusammen.

In der CNT wurde der Oktober als wahrer Triumph des Proletariats betrachtet. Tierra y Libertad meinte, dass „die anarchistischen Ideen gesiegt haben“<!--[if ! und dass die bolschewistische Regierung „durch den anarchistischen Geist des Maximalismus geleitet“sei. Solidaridad obrera behauptet, dass „die Russen uns den Weg zeigen, dem wir folgen müssen“. Das Manifest de CNT verkündet: „Schaut nach Russland, schaut nach Deutschland. Machen wir es diesen Meistern der proletarischen Revolution nach.“

Bei den ungarischen Anarchisten löste der Oktober 1917 eine noch klarer auf die Revolution ausgerichtete Antikriegsaktivität aus. Um die aufkochende proletarische Bewegung zu unterstützen, wurde auf der Grundlage des Galileo-Zirkels die Revolutionäre Sozialistische Union gegründet, die im Wesentlichen aus Libertären bestand und Strömungen zusammenfasste, die sich sowohl auf den Marxismus als auch den Anarchismus beziehen konnten.

In dieser Zeit sticht beispielsweise der Werdegang Tibor Szamuelys hervor, wenn es darum geht, den Beitrag eines guten Teils des sich der proletarischen Sache verschreibenden anarchistischen Milieus zu sehen. Szamuely hatte sich zeit seines Lebens als Anarchist bezeichnet. Er wurde an die russische Front geschickt, geriet in Kriegsgefangenschaft im Jahre 1915, trat nach Februar 1917 mit den Bolschewiki in Verbindung. Er beteiligte sich an der Organisierung einer kommunistischen Gruppe von proletarischen Kriegsgefangenen und im Sommer 1918 an den Kämpfen der Roten Armee gegen die Weißen im Ural.

Angesichts der Heranreifung einer revolutionären Situation kehrte er im November 1918 nach Ungarn zurück und propagiert entschlossen die Gründung einer kommunistischen Partei, die alle Revolutionäre vereinen und fähig sein sollte, der Massenaktion eine Richtung zu geben. Die Anarchisten erkannten die nach Befriedigung drängenden Bedürfnisse des Klassenkampfes und der Revolution, was sie dazu führte, ihre Abneigung gegen jede politische Organisation und ihr Vorurteil gegenüber der Ausübung der politischen Macht durch das Proletariat zu überwinden. Der Gründungskongress der Kommunistischen Partei fand Ende November 1918 statt und die Anarchisten nahmen daran teil, beispielsweise O. Korvin oder K. Krausz, der Herausgeber der anarchistischen Tageszeitung Tarsadalmi Forrdalom. Der Kongress beschloss ein Programm, das die Diktatur des Proletariats verfocht.

Die KPU „trat von Anfang an für die Errichtung einer Rätemacht ein“. In der revolutionären Bewegung übernahm Szamuely ab März 1919 an zahlreichen Stellen Verantwortung; so war er beispielsweise Kommissar für militärische Angelegenheiten, zu denen der Kampf gegen konterrevolutionäre Umtriebe gehörte. Ebenfalls Anarchisten, nämlich die ehemaligen Meuterer von Cattaro im Februar 1918, bildeten unter der Leitung von Cserny einen Stoßtrupp in der Roten Armee. Dieser trat insbesondere bei der Verteidigung Budapests in Erscheinung, als der französisch-serbische Handstreich gegen die Hauptstadt zurück geschlagen wurde, und bei der Unterstützung der kurzlebigen Räterepublik in der Slowakei im Mai 1919. Aufgrund ihres entschlossenen Engagements für die proletarische Revolution wurden sie „Lenins Kerle“ genannt.

In Russland stellten die Anarchisten trotz aller Divergenzen mit den Bolschewiki ihre Loyalität zur Revolution unter Beweis, als im Oktober 1919 die weiße Offensive gegen Petrograd geführt wurde. „Die anarchistische Föderation von Petrograd - arm an militanten Kräften, da sie die besten an die verschiedenen Fronten und für die bolschewistische Kommunistische Partei entsandt hat, steht in diesen ernsten Stunden (…) voll und ganz an der Seite der Partei.“

Die Infragestellung der anarchistischen Dogmen

Die Erfahrung des Weltkriegs und danach die der Revolution drängten allen Revolutionären eine Revision der Ideen und Kampfmethoden auf. Diese Anpassung sah aber nicht für alle Revolutionäre gleich aus. Gegenüber dem Weltkrieg hielt die Linke in der Sozialdemokratie, hielten die Kommunisten (Bolschewiken und Spartakisten an ihrer Spitze) einen unverbrüchlichen Internationalismus aufrecht. Sie waren entscheidender Art und Weise fähig, den Willen der Arbeitermassen auszudrücken und ihn so auch vorwärts zu bringen. Die Militanten hatten die Fähigkeit, in Einklang mit ihrem Programm die unmittelbaren Tagesaufgaben aufzunehmen und zu verstehen, dass dieser Krieg die Dekadenz des Kapitalismus ausdrückte. Dies hatte zur Folge, dass das Ziel des Proletariats, der Kommunismus, das Maximalprogramm der Sozialdemokratie, sich als unmittelbares Ziel darstellte.

Man konnte nicht das Gleiche für die Anarchisten feststellen. Sie, die nur „Völker“ sahen, mussten zuerst ihre Kriegsfeindlichkeit und ihren Internationalismus auf etwas anderes abstützen, sie übernahmen die Klassenpositionen des Proletariats, um der sozialen Revolution treu zu bleiben. Indem sie sich gegenüber den Positionen öffneten, die die Kommunisten entwickelt hatten (in den internationalen Konferenzen), gelang es ihnen auch, ihren Kampf gegen den Kapitalismus zu verstärken. Auch überwanden sie dadurch, die apolitische Haltung, d.h. die Verwerfung jeglichen politischen Kampfes, die eigentlich eine typische Auffassung des Anarchismus ist. So ist in der CNT das Buch von Lenin, Staat und Revolution, sehr aufmerksam gelesen worden, und die CNT zog daraus die Schlussfolgerung, dass dieses Buch eine zusammenführende Brücke für den Marxismus und den Anarchismus darstelle.

Wenn man den Fokus vom Misstrauen gegenüber der Politik oder vom Antiautoritarismus wegnimmt, führte ihre Fähigkeit, von der Praxis der Arbeiterklasse, gegen den Krieg zu kämpfen, und vom revolutionären Prozess in Russland und Deutschland zu lernen, dazu, dass sie eine konsequente internationalistische Haltung einnahmen.

An ihrem Kongress von 1919 bringt die CNT ihre Unterstützung für die russische Revolution und die Notwendigkeit der Diktatur des Proletariats zum Ausdruck. Die CNT unterstreicht weiter, dass die Prinzipien und die Ideale, die diese Revolution verkörpert, mit den ihren identisch seien. Sie diskutieren auch über den Beitritt in die Kommunistische Internationale.

In gleichem Sinne führt der Anarchist E. Mühsam nach seiner Beteiligung an der Münchner Räterepublik aus: „Die theoretischen und praktischen Thesen Lenins, wie man die Revolution weiterführt, und über die kommunistischen Aufgaben für das Proletariat haben unserer Aktion eine neue Grundlage gegeben … Keine unüberwindbare Hindernisse bestehen mehr, um das gesamte revolutionäre Proletariat zu vereinigen. Die Anarchisten mussten, es ist wahr, beim wichtigsten Punkt der Auseinandersetzung zwischen den beiden großen sozialistischen Strömungen nachgeben. Sie mussten die negative Auffassung von Bakunin über die Diktatur des Proletariats aufgeben und den Standpunkt von Marx übernehmen. Die Einheit des revolutionären Proletariats ist notwendig und diese darf nicht verzögert werden. Die einzige Organisation, die dies vollziehen kann, ist die Kommunistische Partei Deutschlands.“

Im anarchistischen Milieu gab es tatsächlich viele ehrlich von der gesellschaftlichen Revolution überzeugte Genossinnen und Genossen, die sich entschlossen haben, sich dem Kampf der Arbeiterklasse anzuschließen. Die Erfahrung der Geschichte zeigt, dass sie immer dann, wenn sie revolutionäre Positionen übernahmen, sich auf proletarische Positionen abstützten, die aus der Erfahrung und der wirklichen Bewegung der Arbeiterklasse stammten, und sich gleichzeitig den Kommunisten annäherten, mit denen sie zur gegenseitigen Bereicherung zusammen arbeiteten.

Scott

 

 

<!--[if !supportEndnotes]-->

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<!--[if !supportFootnotes]-->[1]<!--[endif]--> Brief von Kropotkin an J. Grave, 2. September 1914

<!--[if !supportFootnotes]-->[2]<!--[endif]--> Manifest der Sechzehn (so benannt nach der Anzahl der Unterzeichner), 28. Februar 1916

<!--[if !supportFootnotes]-->[3]<!--[endif]--> La Bataille syndicaliste, Presseorgan der CGT, im August 1914

<!--[if !supportFootnotes]-->[5]<!--[endif]--> D. Guérin, l’Anarchisme, Verlag Idées Gallimard, S. 80

<!--[if !supportFootnotes]-->[6]<!--[endif]--> L’internationale anarchiste et la guerre, Februar 1915

<!--[if !supportFootnotes]-->[7]<!--[endif]--> Vgl. La CNT face à la guerre et à la révolution (1914-19), Revue internationale Nr. 129 (frz./engl./span. Ausgabe) und unsere Serie über die Geschichte der CNT in den Nrn. 128 bis 133 der gleichen Revue

<!--[if !supportFootnotes]-->[8]<!--[endif]--> Vgl. L’anarcho-syndicalisme face à un changement d’époque : la CGT jusqu’en 1914, Revue Internationale Nr. 120 (frz./engl./span. Ausgabe)

<!--[if !supportFootnotes]-->[9]<!--[endif]--> „Sobre la paz dos criterios“ (Zwei Kriterien für den Frieden), Solidaridad obrera, Juni 1917

<!--[if !supportFootnotes]-->[12]<!--[endif]--> R. Bardy: 1919, la Commune de Budapest, Verlag La Tête de Feuilles, 1972, S. 60

<!--[if !supportFootnotes]-->[13]<!--[endif]--> V. Serge, l’An I de la Révolution russe (Das Jahr Eins der Russischen Revolution), Verlag la Découverte, S. 509

<!--[if !supportFootnotes]-->[14]<!--[endif]--> Brief von Erich Mühsam an die Kommunistische Internationale (September 1919), Bulletin communiste,22. Juli 1920

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