Wirtschaftskrise - Der Abstieg in die Hölle

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Der Abstieg in die Hölle

Die letzte Rezession von 2000/2001 entblösste die theoretischen Hirngespinste über die sogenannte „dritte industrielle Revolution“, basierend auf Mikroprozessoren und neuen Informationstechnologien. Weiter entlarvte der Börsenkrach die Fantastereien über die Entwicklung eines „Eigentümerkapitalismus“, der an die Stelle des Lohnempfängers den Teilaktionär setzen würde (!), eine weitere Version der Legende vom „Volkskapitalismus“, in dem jeder Arbeiter „Kleinbesitzer“ im Sinne eines Aktionärs „seines“ Unternehmens wäre.

Während Europa in den Abgründen der Wirtschaftsflaute versinkt, konnten die Vereinigten Staaten in ihrem Bemühen, die Rezession in Schranken zu halten, Erfolge verzeichnen. Dabei werden wir belehrt, die Triebkraft des amerikanischen Wiederaufschwungs gründe auf dem stärkeren Engagement innerhalb der famosen „neuen Ökonomie“ und der stärkeren Deregulierung sowie Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Die Erstarrung auf dem europäischen Kontinent hingegen fände ihre Erklärung in ihrem Rückstand in eben diesen Bereichen. Um diesem Manko abzuhelfen, orientiert sich die Europäische Union an der sogenannten „Strategie von Lissabon“. Letztere sieht vor, bis 2010 „die wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaft der Welt“ zu errichten. In den von der Europäischen Union verfassten „Leitlinien für Beschäftigung“, auf die sich die neue Verfassung bezieht, lesen wir, dass die Staaten zur Reform der „allzu restriktiven Bedingungen der Gesetzgebungen hinsichtlich Beschäftigung“ angehalten werden, „welche die Dynamik des Arbeitsmarktes betreffen“. Weiter sollen sie „die Vielfalt der Modalitäten in Form von Arbeitsverträgen, vor allem hinsichtlich der Arbeitszeit“ fördern. Die herrschende Klasse versucht, das Blatt zu wenden, indem sie uns die letzte Rezession und den Börsenkrach als Schicksalswende auf dem Wachstumspfad und der Wettbewerbsfähigkeit präsentiert. Von neuem versucht sie sich als Verkünder einer besseren Zukunft - wenn nur die Arbeiter zu einigen zusätzlichen Opfern bereit wären, so dass endlich das Paradies auf Erden Wirklichkeit werden könne.

Im Folgenden soll anhand einer marxistischen Analyse offizieller Statistiken der Bourgeoisie gezeigt werden, dass diese Diskurse und Verordnungen zur Erhöhung der Sparquote äusserst realitätsfremd sind. Ein letzter Abschnitt des Artikels widmet sich der Widerlegung der von Battaglia Comunista (einer anderen revolutionären Organisation) entwickelten Methode zur Analyse der Krise.

Eine Systemkrise

Die letzte Rezession 2000/01 ist die sechste seit den 60er Jahren, welche die kapitalistische Wirtschaft erschütterte, und somit alles andere als ein einfacher Zwischenfall (vgl. Grafik 1). okograph1a

Die Rezessionen von 1967, 1970/71, 1974/75, 1980-82, 1991-93 und 2001/02 wurden tendenziell jedes Mal länger und tiefgreifender. Sie stehen im Kontext einer andauernden Abnahme der durchschnittlichen Wachstumsrate der Weltwirtschaft, die sich jedes Jahrzehnt verschärft. Diese Rezessionen sind also keineswegs unbedeutende Fehltritte auf dem Weg der Errichtung der „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaft der Welt“. Vielmehr verkörpern sie Etappen des langsamen, aber unaufhörlichen Abstiegs in die Hölle, dem die kapitalistische Produktionsweise nicht entgehen kann. Die triumphierenden Diskurse über die „new economy“ sind zahlreich: Liberalisierung der Märkte, EU-Erweiterung, technologische Revolution, Globalisierung sowie wiederholte Medienbluffs über die Leistungen der so genannten Schwellenländer, über die Öffnung der Märkte der Oststaaten und die Entwicklung Südostasiens und Chinas. Nichtsdestotrotz: die Wachstumsrate des Welt-Bruttoinlandprodukts pro Kopf sinkt jedes Jahrzehnt auf ein tieferes Niveau[1].

Sicherlich, betrachtet man einzelne Indikatoren wie Arbeitslosigkeit, Wachstumsrate, Profitrate oder Welthandel, so hat die aktuelle Krise weitaus weniger Bedeutung und ein geringeres Tempo als der Zusammenbruch der Weltwirtschaft in den 30er Jahren. Seit der Krise in den 30er Jahren und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Ökonomien aller Länder allmählich unter die direkte oder indirekte und immer umfassendere Kontrolle ihrer Staaten gebracht. Hinzu kam die Errichtung von Wirtschaftskontrollen auf der Ebene der imperialistischen Blöcke (durch den IWF für den Westblock und den COMECON für den Ostblock)[2]. Mit dem Zusammenbruch der Blöcke verschwanden auch die oben genannten internationalen Institutionen oder wurden zumindest zu einem Rückzug auf der Ebene politischer Bestimmungen gezwungen, wenn auch einige unter ihnen eine beschränkte ökonomische Einflussnahme beibehalten konnten. Diese „Organisation“ der kapitalistischen Produktion erlaubte es während Jahrzehnten, die Systemwidersprüche viel wirksamer als damals in den 30er Jahren im Zaun zu halten. Dadurch erklärt sich auch das zuweilen geringe Tempo der gegenwärtigen Krise. Durch eine Milderung der Folgen aus den Systemwidersprüchen ist aber noch keine Lösung gefunden.

Zunehmend fragilere Erholungsphasen

Die gegenwärtige Wirtschaftsentwicklung lässt sich nicht mit einem Jo-Jo vergleichen, bei dem die Hoch- und Tiefpunkte gleichermassen zum Bewegungsablauf gehören. Die heutige Entwicklung findet im Rahmen einer globalen und unumkehrbaren Tendenz des Niedergangs statt – auch wenn regulierende Interventionen der Staaten und internationalen Institutionen das Tempo dieser Entwicklung mindern mögen.

So steht es etwa mit dem als Musterbeispiel gepriesenen amerikanischen Wiederaufschwung: Die Vereinigten Staaten konnten das Ausmass ihrer Rezession in Grenzen halten, aber nur indem sie neue Ungleichgewichte auf sich nahmen, welche bei der nächsten Rezession für umso grösseren Schaden sorgen werden. Die Folgen für die Arbeiterklasse und alle Ausgebeuteten dieser Welt werden umso dramatischer sein. Es nützt nichts, sich mit der empirischen Feststellung der Abfolge von Rezession und Wiederaufschwung zu begnügen. Denn im Bestreben, die fortschreitende Abnahme der Wachstumsrate der Weltwirtschaft seit den 60er Jahren zu ergründen, sind wir damit noch keinen Schritt weitergekommen. Die wirtschaftliche Entwicklung seit den 60er Jahren verweist auf die grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus. Sie besteht aus der Aufeinanderfolge von Rezessionen und Wiederaufschwüngen, wobei die Erholungsphasen auf zunehmend unsicherem Boden gründen. Der in den USA auf die Rezession 2000/2001 folgende Wiederaufschwung basierte im Wesentlichen auf drei äusserst zufallsbedingten Faktoren:

1. einem schnellen und gravierenden Anstieg des Handelsdefizits,

2. einer Wiederbelebung des Konsums, basierend auf zunehmender Verschuldung, auf der Aufhebung der Staatsersparnisse und auf Aussenfinanzierung,

3. einer spektakulären Senkung des Zinssatzes, wodurch eine verschärfte Instabilität internationaler Finanzmärkte angekündigt wird.

1. Ein rekordartiger Anstieg des Handelsdefizits

Seit Ende der 60er Jahre sind die Rezessionen (1967, 1970, 1974/75 und 1980-82) jedes Mal tiefgreifender (Grafik 2, unterbrochene Linie : Wachstumsraten des amerikanischen BIP, ausgezogene Linie: die öffentliche Verschuldung). okograph2 Im Vergleich dazu erscheinen die Rezessionen von 1991 und 2001 weniger bedeutsam und unterbrochen von längeren Erholungsphasen (1983-1990 und 1992-1999). Sind darin etwa die ersten Folgen einer aufstrebenden „new economy“ erkennbar, die von mancherlei Seite so gerne hervorgehoben werden? Sind wir Zeugen eines sich anbahnenden Umschwungs der Tendenz der fortgeschrittensten Volkswirtschaft der Welt? Und wartet dieser Umschwung nur darauf, in andere Erdteile exportiert und verallgemeinert zu werden? Diese Fragen sollen im Folgenden untersucht werden.

Die Feststellung von wirtschaftlichen Wiederaufschwüngen (auch geringer Bedeutung) kann uns nur dann nützlich sein, wenn wir die tiefer liegenden Triebkräfte verstehen. Zu diesem Zweck haben wir die Entwicklung des amerikanischen Staatsdefizits (s. ausgezogene Linie in Grafik 2) der Entwicklung der amerikanischen Wachstumsrate (s. unterbrochene Linie ebd.) gegenübergestellt. Dabei wird deutlich, dass erstens jeder Phase des Wiederaufschwungs ein erhebliches Staatsdefizit vorausgeht und zweitens dieses Staatsdefizit jedes Mal das vorangegangene an Ausmass und/oder Länge übertrifft.

Wachstumsrate pro Jahrzehnt

            USA                Europa

1950–59            4,11                4,72   

1960–69            4,41                5,01

1970–79            3,24                3,29

1980–89            2,98                2,24

1990–99            3,00                1,74

(Quelle: BEA und A. Maddison, L’économie mondiale, OECD)

Auch die bisher längsten Phasen des Wiederaufschwungs in den 80er und 90er Jahren ebenso wie die relative Abschwächung der Rezessionen sind vor allem auf ein langfristig erhöhtes Staatsdefizit zurückzuführen. Dasselbe gilt für den Wiederaufschwung, der auf die Rezession 2000/01 folgte. Das „Wachstum“ der USA könnte einer Deflation nur knapp entgehen, würde es sich nicht auf ein Staatsdefizit abstützen, dessen Ausmass und Anstiegstempo historische Rekorde erreicht. Die Kombination von Steuersenkungen (welche v.a. die hohen Einkommen betreffen) und Militärausgaben hatte ein Budgetdefizit von bis zu 3,5 % zur Folge, während es im Jahr 2000 noch bei 2,4 % lag. Ausserdem sollten die für das Jahr 2005 gesetzten Prioritäten entgegen den Versprechungen während dem Präsidentschaftswahlkampf durch eine zusätzliche Erhöhung dieses Defizits umgesetzt werden, unter Berücksichtigung der zunehmenden Rüstungs- und Sicherheitsausgaben sowie bedeutender Steuersenkungen für die Reichsten[3]. Die wenigen Massnahmen, die dem steigenden Staatsdefizit entgegenwirken sollen, werden auf dem Rücken der Ausgebeuteten umgesetzt, denn vorgesehen ist die Streichung von Staatsausgaben, welche den Ärmsten zugesprochen waren[4].

Schliesslich müssen wir auch dem Mythos einer neuen, aufstrebenden Tendenz der Vereinigten Staaten ein Ende setzen. Seit dem starken Einbruch Ende der 60er Jahre verharren die Wachstumsraten pro Jahrzehnt auf einem Niveau von etwa 3%. Sie liegen also unter dem Niveau früherer Jahrzehnte. Und darüber kann auch die um zwei Hundertstel Prozente höhere Wachstumsrate von 1990-99 gegenüber 1980-89 nicht hinwegtäuschen! Dem Versuch, aus diesen zwei Hundertsteln einen Trendwechsel ableiten zu wollen, entgeht jede Glaubwürdigkeit.

Dieser Mythos von einer durch die USA eröffneten neuen Wachstumsphase ist eine Schöpfung der amerikanischen Bourgeoisie in ihrem Bestreben, eine auch noch so geringe europäische Leistungsfähigkeit zu entkräften. Tatsächlich aber konnte Europa bis in die 90er Jahre ihren Rückstand gegenüber der führenden Volkswirtschaft der Welt aufholen[5].

Die grössere Stabilität der amerikanischen Wirtschaft beruht nicht so sehr auf Investitionen im Bereich der so genannten „new economy“ und einer daraus resultierenden höheren Effizienz. Vielmehr beruht sie auf einer durchaus klassischen, enormen Verschuldung aller Wirtschaftsakteure, die im Übrigen ihre finanzielle Grundlage in ausländischen Vermögen haben. Dasselbe gilt für den Anstieg des Staatsdefizits sowie für die weiteren Parameter, welche dem amerikanischen Wiederaufschwung zugrunde liegen. Dies soll im Folgenden gezeigt werden.

2. Eine Wiederbelebung des Konsums durch Verschuldung

Einer der Gründe für das grössere Wachstum in den Vereinigten Staaten liegt in der Konsumförderung der Haushalte. Dafür werden mehrere Mittel eingesetzt:

- spektakuläre Steuersenkung zur Konsumförderung der Reichen, zum Preis einer zusätzlichen Verschlechterung des Staatsbudgets;

- Senkung des Zinssatzes von ehemals 6,5 % Anfang 2001 auf 1 % Mitte 2004, Senkung der Sparquote (Grafik 4), was die Verschuldung der Haushalte auf Rekordhöhe anstiegen liess (Grafik 5) und eine Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt ankündigt.

Eine solche Dynamik des Konsums der Haushalte führt zu folgenden drei Problemen: einer wachsende Verschuldung der Haushalte mit drohendem Immobilienkrach; einem wachsenden Handelsdefizit gegenüber der übrigen Welt (5,7 % des amerikanischen BIP im Jahr 2004 – d.h. über ein Prozent des Welt-BIP – im Vergleich zu 4,8 % im Jahr 2003) und einer immer ungleicheren Einkommensverteilung[6].

Grafik 4 zeigt, dass bis zu Beginn der 80er Jahre die Haushalte 8 bis 9 % ihres Einkommens, nach Abzug der Steuern, sparten. Sodann wurde ein kontinuierlicher Fall der Sparquote bis auf etwa 2 % eingeleitet. Der darauf beruhende Konsum gehört zur Basis des zunehmenden Aussendefizits der USA. Die USA importieren jeweils mehr Güter und Dienstleistungen, verglichen mit ihrem Auslandsabsatz, als die übrige Welt. Letztere wird bei diesem Kurs zu einem immer wichtigeren Kreditgeber der Vereinigten Staaten. Ermöglicht wurde eine solche Entwicklung dadurch, dass Ausländer, welche durch das amerikanische Aussendefizit zu Dollar gelangen, diese direkt auf den amerikanischen Finanzmärkten anlegen können, anstatt sie in andere Devisen umtauschen zu müssen. Dieser Mechanismus lässt die Bruttoverschuldung der USA gegenüber der übrigen Welt aufblähen. Sie stieg von 20 % des BIP um 1980 auf 90 % um 2003 und erreicht damit eine hundertzehnjährige Rekordhöhe[7]. Eine so hohe Schuldenlast gegenüber anderen Ländern schwächt auch die Einkommen aus dem amerikanischen Kapital, aus denen die Zinsen finanziert werden müssen. Fragt sich also, wie lange die amerikanische Wirtschaft diesem Druck noch standhalten kann.

Denn hinzu kommt, dass die oben besprochene Verschuldung der amerikanischen Haushalte Teil einer tendenziellen Zunahme der Gesamtverschuldung der amerikanischen Wirtschaft ist. Diese Verschuldung nimmt gigantische Ausmasse an: Sie übersteigt 300 % des amerikanischen BIP im Jahr 2002 (Grafik 7) okograph7 – genau genommen 360 %, wenn die staatliche Bruttoverschuldung mitberücksichtigt wird. Wollte man die gesamte Verschuldung zurückzahlen, würde dies mehr als drei Jahre Gratisarbeit bedeuten. Hierdurch wird das oben Gesagte bestätigt: kürzere Rezessionsphasen verbunden mit längeren Wiederaufschwungsphasen seit Beginn der 80er Jahre sind kein Argument für eine neue Wachstumsphase, welche auf einer „dritten industriellen Revolution“ gründen würde. Die erwähnten Wiederaufschwungsphasen  haben keine „gesunde“ Ausgangslage, sondern beruhen auf einer zunehmend künstlichen Wachstumsbasis.

3. Die Senkung der Zinsrate erlaubt eine Abwertung des Dollars mit Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit

Kommen wir zum dritten Faktor des amerikanischen Wiederaufschwungs: dem fortschreitenden Fall der Zinsrate. Diese sank von 6,5 % Anfang 2001 auf 1 % Mitte 2004. Somit wurde der Binnenmarkt gestärkt und eine konkurrenzfähige, deflationäre Dollarpolitik auf dem internationalen Markt ermöglicht.

Die tiefen Zinssätze trieben die Verschuldung weiter an (v.a. durch den dadurch billig gewordenen Hypothekarkredit). Deshalb konnten Konsum und Wohnungsmarkt die Wirtschaftsaktivität ankurbeln und die Ausgaben fördern, trotz rückläufiger Beschäftigungsquoten während der Rezession. Dies zeigt sich im Konsumanteil der amerikanischen Haushalte am BIP, welcher von 1950 bis 1980 um 62 % schwankte und seither kontinuierlich bis auf über 70 % zu Beginn des 21. Jahrhunderts angestiegen ist.

Zu beachten ist aber auch die Antwort auf das amerikanische Handelsdefizit: eine starke Dollarabwertung (ca. 40 %) gegenüber den nicht der führenden Währung angepassten Devisen, also hauptsächlich gegenüber dem Euro (und teilweise auch dem Yen). Das amerikanische Wirtschaftswachstum beruht also auf Pump und vollzieht sich auf dem Rücken der übrigen Welt. Finanziert wird die US-Wirtschaft nämlich von Kapitalströmen ausländischen Ursprungs, ermöglicht durch die hegemoniale Stellung der USA. Tatsächlich wäre jedes andere Land, das sich in derselben Lage befände, zu einem hohen Zinssatz gezwungen, um Kapitalströme anzuziehen.

Die wirtschaftliche Dynamik seit Ende der 60er Jahre

Wir haben gesehen, dass die Erholung nach der Rezession von 2001 noch zerbrechlicher war als alle vorangegangenen. Sie fand während einer Zunahme von Rezessionen statt, welche eine Veranschaulichung des konstanten Niedergangs der Wachstumsrate seit Ende der 60er Jahre sind. Um diese sinkende Tendenz der Wachstumsrate und vor allem ihren unumkehrbaren Charakter zu verstehen, müssen wir die Gründe dafür genauer betrachten.

Mit der Erschöpfung der zu Ende des Zweiten Weltkrieges lancierten Dynamik, als die wieder aufgebaute europäische und japanische Wirtschaft den Markt mit überschüssigen Produkten (im Verhältnis zur den zahlungskräftigen Absatzmärkten) zu überfluten begannen, begann sich das Produktivitätswachstum der Arbeit zu verlangsamen, und zwar seit Mitte der 60er Jahre in den USA und zu Beginn der 70er Jahre auch in Europa (siehe Grafik 8). okograph8

Seit das Wachstum der Produktivität zum Hauptfaktor geworden ist, um dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegen zu treten, ist das verlangsamte Wachstum zu einem verstärkenden Faktor für den tendenziellen Fall der Profitrate geworden, sowie auch für den Druck auf andere grundlegende Anteile der kapitalistischen Wirtschaft: vor allem auf die Akkumulationsrate8 und das wirtschaftliche Wachstum9. Die Grafik 9 okograph9 zeigt klar diesen Fall der Profitrate, der Mitte der 60er Jahre in den USA und zu Beginn der 70er Jahre in Europa begann und bis 1981-82 anhielt.

Wie diese Grafik deutlich zeigt, hörte der Fall der Profitrate zu Beginn der 80er Jahre auf, und die Kurve zeigt seither nach oben. Die grundlegende Frage ist nun die nach den Gründen für diese Umkehr, da die Profitrate eine zusammengesetzte Variable ist, welche durch verschiedene Parameter bestimmt wird, die wir unter den folgenden Übertiteln zusammenfassen können: die Mehrwertrate, die organische Zusammensetzung des Kapitals und die Arbeitsproduktivität10. Um es bildlich darzustellen und auf den Kern der Sache zu sprechen zu kommen, kann man sagen, dass der Kapitalismus dem tendenziellen Fall der Profitrate entweder „nach oben“ entfliehen kann durch die Intensivierung der Arbeitsproduktivität oder „nach unten“ durch verstärkte Angriffe gegen die Lohnarbeiter. Die in diesem Artikel aufgeführten Daten zeigen deutlich, dass der Anstieg der Profitrate nicht Resultat neuer Fortschritte in der Arbeitsproduktivität ist, die in der Folge einer „dritten industriellen Revolution aufgrund der Mikroprozessoren“ (der so genannten „new economy“) eine Verringerung oder Bremsung des Wachstums der organischen Zusammensetzung des Kapitals nach sich ziehen würde. Nein, er entstand aufgrund direkter und indirekter Lohnbeschneidungen und der anwachsenden Arbeitslosigkeit (siehe Grafiken.

Der heutigen Situation liegt die Tatsache zu Grunde, dass weder die Akkumulation (Grafik 12), noch die Produktivität noch das Wachstum in den letzten 25 Jahren Schritt gehalten haben mit der in de gleichen Zeit wieder gefundenen Rentabilität der Unternehmen. Im Gegenteil blieben all diese grundlegenden Faktoren rückläufig. Normalerweise jedoch wächst in den historischen Perioden, in denen die Profitrate ansteigt, die Akkumulationsrate ebenfalls, und vergrössern sich damit auch die Produktivität und das Wachstum. Wir müssen uns deshalb folgende grundlegende Frage stellen: Weshalb haben trotz einer neuen Gesundung und Aufwärtsbewegung der Profitrate die Kapitalakkumulation und das wirtschaftliche Wachstum nicht mitgezogen?

Die Antwort darauf gibt Marx in seiner Kritik der politischen Ökonomie, und besonders im Kapital, in dem er seine zentrale These der Unabhängigkeit zwischen der Produktion und den Märkten aufstellt: „(…) es ist dann möglich, da Markt und Produktion zwei gegeneinander gleichgültige Momente sind, dass die Erweiterung des einen de Erweiterung der andren nicht entspricht“ (Theorien über den Mehrwert, MEW Bd. 26.2 S. 525). “Die Bedingungen der unmittelbaren Exploitation und die ihrer Realisation sind nicht identisch. Sie fallen nicht nur nach Zeit und Ort, sondern auch begrifflich auseinander. Die einen sind nur beschränkt durch die Produktivkraft der Gesellschaft, die andren durch die Proportionalität der verschiednen Produktionszweige und durch die Konsumtionskraft der Gesellschaft.“ (MEW Bd. 25 S. 254). Dies heisst, dass die Produktion nicht ihren eigenen Markt schaffen kann (umgekehrt hat aber die Sättigung des Marktes eine Wirkung auf die Produktion, weil die Kapitalisten sie zurückschrauben müssen, um ihren totalen Ruin zu vermeiden). Mit anderen Worten: Der Hauptgrund, weshalb der Kapitalismus in eine Situation gerät, in der zwar die Rentabilität seiner Betriebe wiederhergestellt ist, aber ohne dass die Produktivität, die Investitionen, die Akkumulationsrate und somit ein Wachstum dieser Tendenz folgen, liegt in den unzureichenden zahlungskräftigen Absatzmöglichkeiten.

Es sind auch diese unzureichenden zahlungskräftigen Absatzmöglichkeiten, welche den Grund für die sogenannte Tendenz zur „Verfinanzung der Wirtschaft“10a bilden. Wenn die heutigen überschüssigen Profite nicht wieder investiert werden, dann nicht wegen einer tiefen Rentabilität von investiertem Kapital (wie in der Logik derer, die sich die Krise allein durch den tendenziellen Fall der Profitrate erklären), sondern eben gerade wegen unzureichenden zahlungskräftigen Absatzmärkten. Dies ist in der Grafik 12 deutlich ersichtlich, welche zeigt, dass trotz eines Anstiegs der Profite (die Grenzrate gibt das Verhältnis zwischen Profit und zugefügtem Wert an) als Resultat verschärfter Sparpolitik die Investitionsrate weiter gesunken ist (und ebenso das wirtschaftliche Wachstum), was die Zunahme der Arbeitslosigkeit und der nicht investierten Profite, die in Form von finanziellen Erträgen ausgezahlt werden, erklärt11. In den USA bildeten finanzielle Erträge (Zinsen und Dividenden, ohne Kapitalgewinne) im Durchschnitt 10% der totalen Erträge zwischen 1952 und 1979. Danach stiegen sie zwischen 1980 und 2003 stetig an bis auf 17%.

Der Kapitalismus ist nur fähig, die Auswirkungen seiner Widersprüche zu kontrollieren indem er den Tag der grossen Abrechnung hinausschiebt. Dies hat die Widersprüche nicht gelöst, sondern nur explosiver gemacht. Die gegenwärtige Krise, klar verdeutlicht durch die Unfähigkeit der seit den 30er Jahren und dem Zweiten Weltkrieg installierten wirtschaftlichen Massnahmen und der eingeschlagenen Politik, ist tiefer und bedeutender bezüglich der Widersprüche des Systems als alle vorangegangenen Krisen.

Battaglia Comunista versucht sich die Krise anders zu erklären

Wir haben gesehen, dass die Erklärungen der herrschenden Klasse keinen Heller wert sind und nichts anders als eine Mystifizierung darstellen, um den historischen Bankrott ihres Systems zu verschleiern. Leider haben auch einzelne revolutionäre politische Gruppen diese Konzepte aufgegriffen (ob freiwillig oder nicht), entweder in den offiziellen Versionen oder in linken und Globalisierungsgegner-Varianten. Wir wollen hier die Analyse genauer betrachten, die von Battaglia Comunista entwickelt wurde12.

Dabei gilt es zu Beginn festzuhalten, dass alles bisher Aufgezeigte eine klare Widerlegung der „Analysen“ über eine „dritte industrielle Revolution“, über die „parasitäre Finanzierung“ des Kapitalismus und die „Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse“ darstellt. Erstere hat Battaglia offenbar direkt von der offiziellen Propaganda der herrschenden Klasse übernommen, die zwei andern den Linken und Globalisierungsgegnern von den Lippen abgelesen13.

Battaglia scheint felsenfest davon überzeugt zu sein, dass sich der Kapitalismus inmitten einer „dritten industriellen Revolution durch die Mikroprozessoren“ befindet und „eine Umstrukturierung seines Produktionsapparates“ sowie eine „konsequente Veränderung der früheren Klassenzusammensetzung“ vornimmt. All dies mache ihm einen „lang anhaltenden Widerstand gegen die Krise des Akkumulationszyklus“ möglich14. Nun, das zwingt uns wahrlich zu einigen Bemerkungen:

1. Wenn der Kapitalismus sich wirklich inmitten einer „industriellen Revolution“ befinden würde, wie Battaglia sagt, dann sollte doch wenigstens – per Definition – ein Anstieg der Arbeitsproduktivität sichtbar sein. Genau davon scheint Battaglia auch überzeugt, wenn es ohne Zögern und ohne Überprüfung behauptet „die tief greifende Restrukturierung des Produktionsapparates hat eine Schwindel erregende Steigerung der Produktivität mit sich gebracht“, und wenn es wiederholt in der letzten Ausgabe seiner theoretischen Zeitschrift meint: „…eine industrielle Revolution, mit anderen Worten des Produktionsprozesses, hatte immer den Effekt der Erhöhung der Arbeitsproduktivität“15. Doch haben wir vorher nicht deutlich gesehen, wie sich in der Realität bezüglich der Arbeitsproduktivität genau das Gegenteil abspielt, als es der Bluff der bürgerlichen Propaganda behauptet, welcher von Battaglia aufgegriffen wird? Diese Organisation scheint nicht zu wissen, dass das Anwachsen der Arbeitsproduktivität vor mehr als 35 Jahren einzubrechen begann und seit den 80er Jahren mehr oder weniger stagniert (siehe Grafik 8)16.

2. Wir haben gesehen, wie für Battaglia die „dritte industrielle Revolution durch die Mikroprozessoren“ angeblich dermassen potent ist, dass sie eine „Schwindel erregende Steigerung der Produktivität bewirkt“ habe, welche es möglich mache „das ansteigende Wachstum der organischen Zusammensetzung zu vermindern“. Doch nur schon eine Untersuchung der wirklichen Dynamik der Profitrate zeigt, wie der Rezession von 2000-2001 in den USA schon 199717 eine zeitweilige Rückentwicklung vorangegangen war (siehe Grafik 9), vor allem weil die wunderbare „new economy“ zu einer Vergrösserung des Kapitals geführt hatte, mit anderen Worten: zu einem Anstieg der organischen Zusammensetzung und nicht zu einem Rückgang, wie Battaglia behauptet18. Die neuen Technologien erlaubten zwar schon einen gewissen Produktivitätszuwachs19, doch war dieser unzureichend, um die Investitionskosten wett zu machen, und zwar trotz des Sinken ihres relativen Preises, was schliesslich bei der organischen Zusammensetzung des Kapitals ins Gewicht fiel und so zu einer Wende in der Profitrate in den USA führte, die seit 1997 wieder sinkt. Diese Feststellung ist wichtig, weil sie alle Illusionen in die Fähigkeit des Kapitalismus, sich von seinen eigenen Gesetzten zu befreien, zerstört. Die neuen Technologien sind keine Zauberformel, die es erlauben würde, Kapital gratis zu akkumulieren.

3. Hinzu kommt: Wenn die Arbeitsproduktivität tatsächlich eine „Schwindel erregende Steigerung“ erleben würde, dann müsste (für jeden der Marx nur einigermassen kennt) auch die Profitrate ansteigen. Und das versucht uns Battaglia auch weis zu machen, ohne es jedoch ausdrücklich zu sagen, wenn sie behauptet: „Im Vergleich zu vorangegangenen industriellen Revolutionen (…) hat diejenige, die auf den Mikroprozessoren beruht (…) auch die Investitionskosten reduziert, in der Wirklichkeit also die Kosten des konstanten Kapitals, was somit den Anstieg der organischen Zusammensetzung vermindert“20. Wie wir sehen, geht Battaglia nicht davon aus, dass es eine Vergrösserung der Profitrate gegeben hat. Haben die Genossen vergessen, was ihre Schwesterorganisation, die CWO, vor einiger Zeit schrieb: „Wenn die Produktivität schneller wächst als die organische Zusammensetzung des Kapitals, so sinkt die Profitrate nicht, im Gegenteil sie wird ansteigen“ (Revolutionary Perspectives Nr. 16, alte Serie, „Kriege und Akkumulation“, Seite 15-17)? Battaglia zieht es vor, diskret von „der Verminderung des Anstiegs der organischen Zusammensetzung“ zu sprechen, als Resultat „der Schwindel erregenden Steigerung der Produktivität aufgrund der industriellen Revolution, die auf den Mikroprozessoren beruht“, statt vom Anstieg der Profitrate. Weshalb solche sprachliche Windungen? Weshalb wird die Wirklichkeit der Wirtschaft dem Leser vorenthalten? Ganz einfach: weil das Resultat der eigenen Untersuchungen (ob sie nun richtig sind oder nicht) über die Entwicklung der Arbeitsproduktivität das alte Dogma, sich die Krise ausschliesslich durch den tendenziellen Fall der Profitrate zu erklären, ins Wanken bringen würde. Battaglia Comunista hat nie eine Gelegenheit verpasst, ihr altes Credo vom stetigen Fall der Profitrate zu unterstreichen. Diese Organisation ist  dermassen besorgt „die Welt zu verstehen“, und zwar ausserhalb der angeblich abstrakten Schemen der IKS, dass sie darob gar nicht bemerkt, wie die Profitrate im letzten Vierteljahrhundert entschieden angestiegen ist (Grafik 9) und nicht gesunken, wie sie immer noch behauptet! Für diese 28-jährige Blindheit gibt es nur eine Erklärung: Wie könnte sie weiterhin gegenüber der Arbeiterklasse über die Krise des Kapitalismus sprechen, ohne gleichzeitig das Dogma des tendenziellen Falls der Profitrate als alleinigen Grund für die Krise in Frage zu stellen, wenn jene seit Beginn der 80er Jahre wieder gestiegen ist?

4. Der Kapitalismus überlebt nicht, indem er durch eine „industrielle Revolution“ aufwärts strebt und „eine Schwindel erregende Steigerung der Produktivität“ erlebt, wie Battaglia vorgibt, sondern indem er abwärts driftet, durch eine drastische Verringerung der Lohnmasse, welche die Welt in eine Misere führt und dabei gleichzeitig seine Absatzmärkte reduziert. Wer aufmerksam die Triebkräfte hinter dem Steigen der Profitrate im letzten Vierteljahrhundert verfolgt, sieht, dass dies nicht wegen einer „Schwindel erregenden Steigerung der Produktivität“ geschieht oder der „Verminderung des Anstiegs der organischen Zusammensetzung“, sondern wegen einer brutalen Sparpolitik auf den Schultern der Arbeiterklasse.

Da die Profitrate seit 25 Jahren ansteigt, ist die gegenwärtige Entwicklung des Kapitalismus eine klare, mit Fakten untermauerte Widerlegung der Argumente derjenigen, die den Mechanismus des „tendenziellen Falls der Profitrate“ zur einzigen Begründung für die ökonomische Krise machen. Wenn die Krise heute trotz der wieder gefundenen Rentabilität der Unternehmen andauert, dann deshalb, weil die Unternehmen nicht wie früher die Produktion erhöhen, sondern weil sie durch ungenügende Absatzmärkte an Grenzen stossen. Dies zeichnet sich durch kärgliche Investitionen und somit ein schwaches Wachstum aus. Battaglia Comunista ist unfähig, dies zu verstehen, da diese Organisation die grundlegende These von Marx über die Unabhängigkeit zwischen der Produktion und Markt (wie schon aufgezeigt) nicht verstanden hat und ihr die absurde Idee entgegenstellt, dass die Entwicklung oder Begrenzung des Marktes von der auf- oder niedergehenden Dynamik der Profitrate abhängig sei21.

Angesichts all dieses Unverständnisses selbst grundlegender Gesetzmässigkeiten können wir Battaglia Comunista gegenüber nur unseren Ratschlag wiederholen: Studiert das ABC der marxistischen ökonomischen Lehre, bevor ihr versucht, Lehrer und Richter der IKS zu spielen! Battaglias Weigerung, uns eine Antwort zu geben, dient lediglich dazu, ihre offensichtliche und wachsende Unfähigkeit, auf unsere Argumente politisch einzugehen, zu verbergen22.

Battaglia behauptet, im Vergleich zu den „abstrakten Schemen der IKS“, die „ausserhalb des historischen Materialismus stehen“, selber „…die Fakten der Krise im Westen mit all ihren finanziellen Aspekten und auf der Ebene der Wiederbelebung, ausgelöst durch die revolutionäre Welle der  Mikroprozessoren, gut analysiert zu haben“23. Wir haben jedoch gesehen, wie Battaglias „Studie“ nichts anderes ist als ein Abklatsch von linken und Globalisierungsgegner-Theorien über den „Parasitismus der Zinsen“24. Ihre Kopie ist nicht nur ungenügend, sondern überhaupt nicht schlüssig und in sich widersprüchlich, da Battaglia die marxistischen ökonomischen Konzepte schlecht beherrscht, auf die sie sich berufen will. Sie versteht diese Konzepte nicht und schreckt auch nicht davor zurück, sie nach ihren Gutdünken umzuwandeln wie die These von Marx über die Unabhängigkeit von Produktion und Markt. In der geheimnisvollen Welt der Dialektik à la Battaglia wird sie umgewandelt in ein Gesetz der absoluten Abhängigkeit von „ökonomischem Zyklus und dem Prozess der Verwertung, die den Markt „kaufkräftig“ oder „nicht kaufkräftig“ machen“. Wir erwarten von kritischen Beiträgen, die vorgeben, die marxistische Methode der angeblich idealistischen der IKS entgegenzusetzen, mehr als eine Ansammlung von Dummheiten.

Schlussfolgerungen

Bei grundlegenden Fragen der ökonomischen Analyse tappt Battaglia Comunista laufend in die Falle, bei den Erscheinungen stehen zu bleiben, statt deren Wesen mit einem marxistischen Rahmen zu verstehen. Wir haben auch gesehen, wie Battaglia Comunista das Geschwätz der Bourgeoisie über eine „dritte industrielle Revolution“ für bare Münze nimmt, und dies lediglich wegen dem empirischen Erscheinen gewisser neuer Technologien im Mikrotechnologie-Sektor und in der Informatik, wie spektakulär diese auch sein mögen25. Als Resultat davon gelangt Battaglia zur absolut spekulativen Behauptungen über „Schwindel erregende Steigerungen in der Produktivität“ und eine „Reduktion der Kosten des konstanten Kapitals, die das Anwachsen der organischen Zusammensetzung vermindert“. Doch im Gegenteil, eine handfeste marxistische Analyse über die grundlegenden Kräfte in der Dynamik der kapitalistischen Ökonomie (den Markt, die Profitrate, die Mehrwertrate, die organische Zusammensetzung des Kapitals, die Produktivität der Arbeit, usw.) hat uns nicht nur ermöglicht zu begreifen, dass es sich dabei im Wesentlichen um einen Medien-Bluff handelt, sondern dass die Realität gerade umgekehrt ist als das ganze Geschwätz der Bourgeoisie, welches leider auch von Battaglia Comunista wiedergekäut wird.

Die Krise zu verstehen, ist nicht eine akademische Übung, sondern allem voran eine militante Anstrengung. Wie schon Engels schrieb: “Ihre Aufgabe (der ökonomischen Wissenschaft) ist vielmehr, die neu hervortretenden gesellschaftlichen Missstände als notwendige Folgen der bestehenden Produktionsweise, aber auch gleichzeitig als Anzeichen ihrer hereinbrechenden Auflösung nachzuweisen, und innerhalb der sich auflösenden ökonomischen Bewegungsform die Elemente der zukünftigen, jene Missstände beseitigenden, neuen Organisation der Produktion und des Austausches aufzudecken.“ Und dies wird nur möglich, „(...) wenn die fragliche Produktionsweise ein gutes Stück ihres absteigenden Astes hinter sich, wenn sie sich halb überlebt hat, wenn die Bedingungen ihres Daseins grossenteils verschwunden sind und ihr Nachfolger bereits an die Tür klopft (...)“ (Engels, Anti-Dühring, MEW, Bd. 20, S. 138/139). Dies ist die Bedeutung und das Ziel der Arbeit der Revolutionäre auf der Ebene der ökonomischen Analyse. Sie erlaubt uns, den Rahmen zu verstehen, in dem sich das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen entwickelt und welches ihre bestimmenden Faktoren sind, seit der Kapitalismus in seine dekadente Phase eingetreten ist. Hier liegt auch die materielle und (potentielle) subjektive Basis für die proletarische Revolution. Genau dies versucht die IKS in ihren Analysen immer aufzuzeigen. Doch Battaglia Comunista hat dies durch die Zurückweisung des Konzepts der Dekadenz des Kapitalismus26 und durch die Übernahme einer akademistischen und monokausalen Vision vollständig vergessen. Ihre „wissenschaftliche Ökonomie“ dient nicht mehr dazu „die soziale Härte“, die „Anzeichen der beginnenden Zersetzung“ des Kapitalismus aufzuzeigen, wie es schon die Gründer des Marxismus taten, sondern versucht uns zum Narren zu halten mit linker und Globalisierungsgegner-Prosa über die „Überlebenskapazitäten des Kapitalismus“ durch die „Verfinanzung des Systems“, durch die „Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse“ und vor allem durch die „grundlegenden Wandlungen des Kapitalismus“ aufgrund der „dritten industriellen Revolution, die auf den Mikroprozessoren basiert“, sowie auf den neuen Technologien, usw.

Heute ist Battaglia Comunista völlig desorientiert und weiss nicht mehr, was sie gegenüber der Arbeiterklasse vertreten soll: Ist die kapitalistischen Produktionsweise in der Dekadenz, ja oder nein27? Ist es die kapitalistische Produktionsweise oder die soziale Struktur des Kapitalismus, die sich in der Dekadenz befindet28? Ist der Kapitalismus „schon seit über 30 Jahren in der Krise“29, oder erlebt er eine „dritte industrielle Revolution durch die Mikroprozessoren“, die eine „Schwindel erregende Steigerung der Produktivität“ auslöst30? Ist die Profitrate im Steigen begriffen, wie es die Statistiken belegen, oder ist sie stetig am Sinken wie Battaglia andauernd wiederholt, bis zum Punkt an dem der Kapitalismus gezwungen sei, weltweite Kriege zu entfesseln, um seinen Bankrott zu verhindern31? Befindet sich der Kapitalismus heute in einer Sackgasse, oder verfügt er über eine „lange Fähigkeit zu überleben“ durch die „dritte industrielle Revolution“32, oder verfügt er sogar über eine „Lösung“ seiner Krise mittels Kriegen: „(…) die kriegerische Lösung scheint das wesentliche Mittel zu sein für die Verwertung des Kapitals“ (Plattform des IBRP)? Dies alles sind entscheidende Fragen, wenn es darum geht, sich in der heutigen Situation zurecht zu finden. Battagila Comunista dreht sich im Kreise und ist unfähig, der Arbeiterklasse auf diese Fragen eine klare Antwort zu geben.

CC

 

Der Bluff einer neuen industriellen Revolution

Damit sich der Leser / die Leserin besser ein Urteil darüber bilden kann, ob es wirklich eine „dritte industrielle Revolution, die auf dem Mikroprozessor beruht“, gibt, wie dies Battaglia Comunista behauptet, drucken wir nachstehend einige aussagekräftige Abschnitte aus dem Buch von P. Artus über die neue Ökonomie ab (La nouvelle économie, erschienen bei La Découverte), der sich für seine Analyse über weite Strecken marxistischer Werkzeuge bedient: „Die neue Ökonomie beschleunigte das Wachstum von 1992 bis 2000 aufgrund des Zuschusses an verwendetem Kapital, den sie anzog, aber ohne dass dadurch die allgemeine Produktivität der Faktoren (der allgemeine technische Fortschritt) gesteigert worden wäre. In diesem Sinn weicht die neue Ökonomie klar von früheren technologischen Errungenschaften wie der Elektrizität ab. (…) Paradoxerweise kann man sich sogar fragen, ob es die neue Ökonomie wirklich gibt. Wir beobachten in der Tat ein „Aufschäumen“ … (…) Es geht nicht darum, dies zu bestreiten, aber sich zu fragen, ob es sich dabei wirklich um einen technologischen Zyklus handelt. D.h. um eine anhaltende Beschleunigung des technischen Fortschritts und des Wachstums auch über den Zeitpunkt hinaus, in welchem die Investitionsanstrengungen wieder aufhören. (…) Der Sektor der neuen Ökonomie (Telekommunikation, Internet, Produktion von Computern und Software …) stellt 8% der ganzen amerikanischen Wirtschaft dar; und selbst wenn dessen Wachstum schnell ist, vergrössert es das gesamte Wachstum der USA nur um 0.3% pro Jahr. In der übrigen Wirtschaft (den restlichen 92%) hat sich das Wachstum der gesamten Produktivität der Faktoren (d.h. das Wachstum der Produktivität, die für ein gegebenes Kapital und die entsprechende Arbeit möglich ist, der reine technische Fortschritt) in den 1990er Jahren nicht stark beschleunigt. Man beobachtet eine gewaltige Investitionsanstrengung der Unternehmen, die die neuen Technologien in ihr produktives Kapital integrieren, und es ist im wesentlichen diese Investitionsanstrengung, die den Wachstumszuwachs hervorruft, und zwar sowohl bei der Nachfrage (die Investitionen wachsen stark) als auch beim Angebot (das Volumen des vorhandenen produktiven Kapitals wächst um mehr als 6% pro Jahr). Auch diese Situation lässt sich aber nicht lange aufrechterhalten. (…) Wenn es wirklich einen technologischen Zyklus geben soll, so müsste die Kapitalakkumulation in einem bestimmten Augenblick eine Wachstumsbeschleunigung bei der allgemeinen Produktivität hervorrufen, es müsste also spontan ein schnelleres Wirtschaftswachstum geben, ohne dass das produktive Kapital sich weiterhin schneller als das BIP vergrössert (*). Gewisse Leute vertreten angesichts dieser fehlenden neuen Ökonomie die Meinung, dass das Internet keine technologische Errungenschaft sei, die mit den bedeutenden Erfindungen der Vergangenheit verglichen werden könne (Elektrizität, Automobil, Telefon, Dampfmaschine, (…) ein Grund dafür sei, dass die neuen Informationstechnologien nur ältere Techniken ersetzten, sie träten an ihre Stelle, seien aber kein völlig neues Produkt, das einen Zuwachs bei der Nachfrage und dem Angebot nach sich ziehen würde; ein anderer Grund sei, dass die Kosten für die Installation, den Betrieb und die Verwaltung dieser neuen Technologien hoch seien und den Gewinn gleich wieder aufheben würden. (…) Diese Unsicherheiten bei der neuen Ökonomie sind natürlich durch die Rezession der Jahre 2001-2002 verstärkt worden. Es ist klar zum Ausdruck gekommen, dass Ende der 1990er Jahre zuviel investiert worden ist, dass sich die Rentabilität der Unternehmen durch die Investitionen in neue Technologien nicht grundlegend verbessert hat (…)“. (S. 4-8)

 *) die Red.: Genau dies ist der Unterschied zwischen einer wirklichen industriellen Revolution und dem vorliegenden Schein einer neuen Ökonomie. Wenn Battaglia Comunista Marx lesen könnte, hätte sie das schon lange begriffen.


[1] Auf den Fall China und Indien können wir aus Platzgründen erst in einer späteren Nummer zurückkommen.

[2] Die Institutionen auf der Ebene der imperialistischen Blöcke sind vor allem Ausdruck eines Kräfteverhältnisses, basierend auf der Wirtschafts- und noch mehr auf der militärischen Macht der führenden Länder dieser Blöcke, also der USA und der UdSSR.

[3] 70% der Steuersenkungen begünstigen Haushalte aus den obersten 20% der Einkommensskala.

[4] Vorgesehen ist die Reduktion von Essensgutscheinen für die unteren Einkommensschichten. Von dieser Massnahme werden etwa 300'000 Personen betroffen sein. Das Budget der Sozialhilfe für arme Kinder ist für den Zeitraum von 5 Jahren eingefroren worden; das Budget zur Krankenversorgung der Ärmsten wurde vermindert.

[5] Die Ökonomien Deutschlands, Frankreichs und Japans zusammen genommen verkörperten um 1950 45 % der US-Wirtschaft, bis in die 1970er Jahre stieg das Verhältnis auf 80 %, im Jahr 2000 lag es bei 70 %.

[6] Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs erzielten 1 % der vermögendsten Haushalte der USA etwa 16 % des amerikanischen Gesamteinkommens. Innerhalb weniger Jahre fiel dieser Anteil und betrug gegen Ende des Zweiten Weltkrieges nur noch 8 %. Dieses Verhältnis blieb bis zu Beginn der 80er Jahre bestehen und stieg infolge wieder auf die früheren 16 % an (Piketty T., Saez E., Income Inequality in the United States, 1913-1998, in: The Quarterly Journal of Economics, Bd. CXVIII, Nr. 1, S.1-39).

[7] Die Nettoverschuldung trägt u.a. den Einkommen Rechnung, die aus amerikanischen Vermögen im Ausland stammen. Auch diese Nettoverschuldung ist illustrativ: negativ bis im Jahr 1985 (d.h. die Einkommen amerikanischer Vermögen im Ausland übertreffen die Einkommen der in den Vereinigten Staaten angelegten Vermögen aus dem Rest der Welt). Danach nahm diese Nettoverschuldung aber positive Werte an und stieg auf 40 % des BIP im Jahr 2003 (also der umgekehrte Fall: die Einkommen ausländischer Vermögen in den USA übertreffen die Einkommen amerikanischer, im Ausland angelegter Vermögen).

8 Die Akkumulationsrate des Kapitals ist das Verhältnis zwischen Investitionen von neuem fixem Kapital und dem schon bestehenden fixen Kapital. 

9 vgl. unseren Artikel „Die Krise wiederspiegelt den Niedergang der kapitalistischen Produktion“ in International Review Nr. 115, engl./franz./span. Ausgabe

10 Diese drei Parameter sind wiederum ableitbar aus und bestimmt durch die Entwicklung der Arbeitszeitdauer, des Reallohns, des Grades der Technisierung der Produktion, des Wertes der Produktions- und Konsumptionsmittel und der Produktivität des Kapitals. 

10a Eigene Übersetzung des französischen Begriffs „financiarisation de l’économie“, der unseres Wissens auf deutsch noch nicht existiert.

11Die Realität hat hier tausendmal alle Theorien widerlegt, die bis zum Erbrechen wiedergekäut werden, wie z.B. vom sozialdemokratischen deutschen Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Die heutigen Profite sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen.“ Die Profite sind tatsächlich da, aber die Investitionen und die Arbeitsplätze nicht!     

12 Wir werden auf andere Analysen, die im unbedeutenden akademistischen oder parasitären Milieu existieren, in anderen Artikeln über die Krise zurückkommen, sowie in der Serie „Die Theorie der Dekadenz im Zentrum des Historischen Materialismus“ (Internationale Revue Nrn. 34 ff.)    

13 „Die Gewinne aus der Spekulation sind dermassen hoch, dass sie nicht nur für die „klassischen“ Unternehmen attraktiv sind, sondern auch für viele andere wie unter anderem die Versicherungsgesellschaften oder die Pensionskassen, wobei Enron ein wunderbares Beispiel darstellt (…) Die Spekulation ist das ergänzende, wenn nicht sogar hauptsächliche Mittel der herrschenden Klasse, sich den Mehrwert anzueignen (…) Eine Regel hat sich etabliert: 15% als minimaler Profit aus Kapital, welches in Unternehmen investiert wurde (…). Die Akkumulation von Finanz- und Spekulationsprofiten bringt einen Prozess der Deindustrialisierung mit sich und damit Arbeitslosigkeit und eine Misere über den gesamten Planeten.“ (IBRP in Bilan et Perspectives Nr. 4 S. 6-7).                   

14 „Der lang anhaltende Widerstand des westlichen Kapitals gegen die Krise des Akkumulationszyklus (oder heute gegen die Entwicklung  des tendenziellen Falls der Profitrate) hat bis jetzt den vertikalen Zusammenbruch verhindert, der den sowjetischen Staatskapitalismus erschüttert hatte. Ein solcher Widerstand war aufgrund von vier grundlegenden Faktoren möglich: 1. die ausgeklügelten Massnahmen der Finanzkontrolle auf internationaler Ebene;  2. eine tief greifende Umstrukturierung des Produktionsapparates, die zu einer Schwindel erregenden Steigerung der Produktivität geführt hat(…); 3. die konsequente Zerstörung der früheren Klassenzusammensetzung, mit dem Verschwinden überholter Aufgaben und Rollen und dem Auftauchen neuer Aufgaben, neuer Rollen, und einem neuen Typus von Arbeitern (…) Die Umstrukturierung des Produktionsapparates ist zur selben Zeit geschehen wie das, was wir als die dritte industrielle Revolution des Kapitalismus definieren. (…) Die dritte industrielle Revolution ist durch die Mikroprozessoren gekennzeichnet (…)“ (Prometeo, Nr. 8, Dezember 2003, „Thesenvorschlag des IBRP über die Arbeiterklasse in der aktuellen Periode und ihre Perspektiven“).                    

15 Prometeo, Nr. 10, Dezember 2004, „Dekadenz und Zerfall, Produkte der Konfusion“. 

16 Die etwas schnellere Beschleunigung der Produktivität in den USA in der zweiten Hälfte der 90er Jahre (welche eine Steigerung der Akkumulationsrate erlaubte und das amerikanische Wachstum unterstützte) steht in keinem Gegensatz zum massiven Abfall seit Ende der 60er Jahre (siehe Grafik 8). Wir werden in künftigen Artikeln auf diesen Punkt gesondert eingehen. Wir sollten jedoch hervorheben, dass dieses Phänomen die Basis für ein sehr tiefes Niveau zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, verglichen mit früheren Zeiten des Aufschwungs, ist; dass dieser Aufschwung nur halbherzig stattfindet; dass Zweifel an der Dauerhaftigkeit der Fortschritte in der Produktivität bestehen und dass die Hoffnung auf eine Ausbreitung auf andere wichtige Wirtschaftszweige praktisch ausgeschlossen ist. Überdies wird in den USA ein Computer als Kapital verbucht, während er in Europa als laufende Ausgabe gilt. Die Statistiken der USA haben deshalb den Hang, das BIP (und damit die Produktivität) zu überschätzen im Vergleich zu den europäischen Statistiken, weil jene die Entwertung des Kapitals mitrechnen. Wenn wir diese Abweichungen sowie den Faktor der Arbeitszeit korrigieren, stellen wir fest, dass sich der Unterschied in der Produktivitätssteigerung 1996-2001 zwischen Europa (1,4%) und den USA (1,8%) stark reduziert und dass diese Steigerungen verglichen mit den 5- bis 6%-igen in den 50er und 60er Jahren sehr gering sind.                    

17 Diese Rückentwicklung ist konjunkturabhängig, da die Profitrate Mitte 2001 einen Höhepunkt erreichte und Ende 2003 wieder auf das Niveau von 1997 gesunken war. Die Ankurbelung wurde erreicht durch eine strikte Kontrolle der Beschäftigung (man sprach von einem „Aufschwung ohne Jobs“), aber auch durch die klassischen Mittel der Steigerung der Mehrwertrate wie die Verlängerung der Arbeitszeit oder die Einfrierung der Löhne, was aufgrund der schwachen Dynamik des Arbeitsmarktes erleichtert wurde. Das Bremsen der Akkumulationsrate erlaubte zudem, das Gewicht der organischen Zusammensetzung des Kapitals zu verringern, welches auf der Rentabilität lastet.

18 Für eine einigermassen seriöse Analyse dieser Frage siehe den Artikel von P. Artus „Karl Marx ist zurück“, publiziert in Flash Nr.2002-04 (https://hussonet.free.fr/marx2e.pdf), sowie sein Buch: „Die new economy“ in der Kollektion Repères-La Découverte, Nr. 303, aus dem wir am Ende dieses Artikels einen Ausschnitt abdrucken.   

19 Wobei zu präzisieren ist: „… von verschiedenen Studien wurde belegt, dass ohne die Einführung von flexiblen Arbeitszeiten die „new economy“ den Unternehmen keine Effizienzsteigerung  gebracht hätte“ (P. Artus, a.a.O.)    

20 Prometeo, Nr. 10, Dezember 2004, „Dekadenz und Zerfall, Produkte der Konfusion“.

21 (für die IKS) erscheint dieser Widerspruch zwischen Produktion von Mehrwert und dessen Realisierung als eine Überproduktion von Gütern und deshalb als eine Sättigung der Märkte, die sich dem Akkumulationsprozess entgegenstellt. Dies mache das System als Ganzes unfähig, dem Fall der Profitrate entgegenzuwirken. In Wahrheit ist der ganze Prozess umgekehrt (…). Es sind der ökonomische Zyklus und der Prozess der Verwertung, welche den Markt „zahlungsfähig“ oder „nicht zahlungsfähig“ machen. Man kann sich die „Krise“ der Märkte nur erklären, wenn man von den Widersprüchen ausgeht, die den Akkumulationsprozess regeln.“ (Einführungstext von Battaglia Comunista für die erste Konferenz der Gruppen der Kommunistischen Linken).         

22 „…wir haben erklärt, dass wir nicht mehr an einer Debatte oder Konfrontation mit der IKS interessiert sind (…) Wenn dies die theoretischen Grundlagen der IKS bilden – und sie tun es -, so soll klar gesagt  sein, dass wir keine Zeit, kein Papier und keine Tinte mehr vergeuden, um mit ihnen zu diskutieren oder eine Polemik zu führen“ (Prometeo, Nr. 10, Dezember 2004, „Dekadenz und Zerfall, Produkte der Konfusion“); und: „Wir sind es müde, über Nichtiges zu diskutieren, wenn es darum geht, zu verstehen, was auf der Welt vor sich geht“ („Antwort auf die stupiden Anschuldigungen einer Organisation auf dem Weg zum Auseinanderbrechen“, publiziert auf der Website des IBRP (https://www.ibrp.org)     

23 Prometeo, Nr. 10, Dezember 2004, „Dekadenz und Zerfall, Produkte der Konfusion“ 

24 Siehe auch den Artikel „Die Krise ist ein Ausdruck der historischen Sackgasse der kapitalistischen Produktionsweise“, Internationale Revue Nr. 33, deutsche Ausgabe.

25 Mehr über den Bluff der sogenannten dritten industriellen Revolution im erwähnten Artikel über die Krise in Internationale Revue Nr. 33, aus dem wir hier einen Ausschnitt zitieren: „Die „technologische Revolution“ existiert nur in den bürgerlichen Kampagnen und in der Vorstellung derjenigen, die leichtfertig daran glauben. Die empirische Feststellung einer seit den 60er-Jahren ununterbrochenen Verlangsamung der Produktivität (des technischen Fortschritts und der Arbeitsorganisation) widerspricht dem in den Medien vermittelten und gut in den Köpfen verankerten Bild eines technologischen Wandels, einer neuen industriellen Revolution, die heute von der Informatik und der Telekommunikation, dem Internet und von Multimedia getragen werde. Wie kann man die Kraft dieser Mystifikation, die die Realität in unseren Köpfen verdreht, erklären?

Zuallererst muss man daran erinnern, dass der Fortschritt in der Produktivität nach dem Zweiten Weltkrieg weit spektakulärer war als das, was uns heute als new economy präsentiert wird. (...) Deshalb befindet sich das Produktivitätswachstum im Niedergang (...). Weiter wird eine permanente Verwirrung zwischen dem Auftauchen neuer Konsumgüter und dem Produktivitätsfortschritt aufrecht erhalten. Der Innovationsfluss, die Vervielfachung von noch so aussergewöhnlichen Neuheiten (DVD, GSM-Telefone, Internet, usw.) auf der Ebene der Konsumgüter deckt sich nicht mit dem Phänomen der Produktivitätssteigerung. Diese bedeutet nämlich die Fähigkeit, Ressourcen bei der Produktion einer Ware oder Dienstleistung einzusparen. Der Ausdruck „technischer Fortschritt“ muss immer im Sinn eines Fortschritts der Produktions- und/oder Organisationstechnik verstanden werden, also vom strikten Standpunkt der Einsparung von Ressourcen in der Herstellung einer Ware oder der Ausrichtung einer Dienstleistung. So vorzüglich das numerische Wachstum auch sein mag, es übersetzt sich nicht in ein bedeutendes Wachstum der Produktivität im Produktionsprozess. das ist der ganze Bluff der new economy“.                           

26 Siehe dazu unsere Artikelserie „ Die Theorie der Dekadenz im Zentrum des historischen Materialismus“, 1. Teil Internationale Revue Nr. 34 auf deutsch, oder ab Nr. 118, engl., franz., span. 

27 Dies ist der Grund, weshalb Battaglia Comunista in der Nr. 8 seiner theoretischen Revue eine grosse Studie zur Frage der Dekadenz angekündigt hat: „...das Ziel unserer Recherchen ist es, zu prüfen ob der Kapitalismus seine Kraft zur Entwicklung der Produktivkräfte verbraucht hat, und wenn dies wahr ist, in welchem Masse und vor allem weshalb.“ (Prometeo Nr. 8, Serie VI, Dezember 2003: „Eine Definition des Konzepts der Dekadenz“).      

28 „Gewiss sind wir konfrontiert mit einer Form der Ausweitung der Barbarei in der Gesellschaftsformation, den sozialen, politischen und zivilen Verhältnissen, und gewiss – seit den 90er-Jahren -  mit einem Rückschritt im Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit (mit der Wiederkehr der Suche nach dem absoluten Mehrwert, noch mehr als diejenige nach dem relativen, im immer reineren Stil des Manchester-Kapitalismus), doch diese „Dekadenz“ betrifft nicht die kapitalistische Produktionsweise, sondern mehr seine Gesellschaftsformation im aktuellen Zyklus der kapitalistischen Akkumulation der fast seit 30 Jahren in der Krise steckt!“ (Prometeo Nr. 10, „Dekadenz und Zerfall, Produkte der Konfusion“) Wir werden in einer der nächsten Ausgabe unserer Presse auf diese theoretische Fantasie von Battaglia Comunista zurückkommen, die vorgibt, dass sich lediglich die „Gesellschaftsformation des Kapitalismus“ in der Dekadenz befindet, jedoch nicht die kapitalistische Produktionsweise! Erwähnen wir nur kurz, dass im aufgeführten Zitat von Engels sowie in allen Schriften von Marx und Engels (siehe unseren Artikel in der Internationalen Revue Nr. 34) immer von der Dekadenz der kapitalistischen Produktionsweise gesprochen wird, und nicht nur von der Dekadenz der Gesellschaftsformation.               

29 „...im aktuellen Zyklus der kapitalistischen Akkumulation, der fast seit 30 Jahren in der Krise steckt! (Prometeo Nr. 10, Dezember 2004, „Dekadenz und Zerfall, Produkte der Konfusion“).  

30 Prometeo Nr. 8, Dezember 2003, „Thesenprojekt des IBRP über die Arbeiterklasse in der gegenwärtigen Periode und ihre Perspektiven“

31In der marxistsichen Kritik der politischen Ökonomie existiert ein sehr enger Zusammenhang zwischen der Krise des Akkumulationszyklus des Kapitals und dem Krieg, aufgrund der Tatsache, dass an einem Punkt jedes Akkumulationszyklus, aufgrund des tendenziellen Falls der Profitrate, sich eine absolute Überakkumulation von Kapital ergibt, so dass ein Krieg notwendig wird zur Zerstörung und, um einen neuen Akkumulationszyklus zu beginnen.“ (Prometeo Nr. 8, Dezember 2003, „La guerra mancata“).       

32 „Der lange Widerstand des westlichen Kapitals gegenüber der Krise des Akkumulationszykluses (oder gegenüber dem sich verstärkenden tendenziellen Fall der Profitrate) hat bisher einen totalen Kollaps verhindert...“ (Prometeo Nr. 8, Dezember 2003, „Thesenprojekt des IBRP über die Arbeiterklasse in der gegenwärtigen Periode und die Perspektiven“).