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Mai 2018

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Gegen die Lügen über den Mai 1968!

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Von Emmanuel Macron bis Daniel Cohn-Bendit, von Le Figaro bis Marianne, von BFM TV bis Radio France, von der extremen Rechten bis zur extremen Linken, indem sie ihn ehren oder ihn anprangern, auf ihre Weise unternehmen sie alles, um die Erinnerung an Mai 68 vor 50 Jahren mit Lügen zu überhäufen.

Nein, der Mai 68 war keine "französische Besonderheit"!

Niemand kann bestreiten, dass der Mai 68 Teil einer internationalen Dynamik ist. Doch durch die Fokussierung auf die Nacht des 22. März in Nanterre, auf Cohn Bendits "erfrischende" Redekünste, auf De Gaulles erdrückenden Paternalismus, den Zusammenprall des "neuen und alten Frankreich".… ist diese internationale Dimension bewusst zur Seite gedrängt worden, um den Mai 1968 endlich zu einer "französischen Besonderheit" zu machen. In Wirklichkeit begann die Welle der Studentenproteste 1964 an der Universität von Berkeley in Kalifornien und forderte die Redefreiheit, ein Ende der Rassentrennung und ein Ende des Krieges in Vietnam. Diese Welle breitete sich ab 1965 in Japan, Ende 1967 in Großbritannien, Anfang 1968 in Italien, Spanien, Deutschland, Brasilien, der Türkei und Mexiko aus. Vor allem aber gehört der Mai 68 der internationalen Arbeiterbewegung. Die Streikwelle, die 1967 in Frankreich begann und im Mai 1968 ihren Höhepunkt erreichte, erschütterte die Welt bis 1974: der berühmte argentinische Cordobazo, der italienische "heiße Herbst" 1969, Spanien und Polen 1971, Belgien und Großbritannien 1972, Skandinavien, Deutschland....

Nein, der Mai 68 war kein "Studentenaufstand"!

Der proletarische Charakter des Mai 68 wird oft durch die Betonung der Studentenbewegung verschleiert. Die raffinierteste und hinterhältigste Version dieser Mystifikation ist offensichtlich die, die von Linken und Gewerkschaften ausgeht: "Die Stärke des 68. Mai ist die Konvergenz von Studenten und Arbeitern!" Das sind Lügen! Wenn der Mai 68 den Kampf überall auf der Welt angeregt hat, dann gerade deshalb, weil die Arbeiterklasse sich nicht an die Bewegung angehängt hat, sondern im Gegenteil zu ihrer treibenden Kraft geworden ist.

Die Studentenbewegung der 1960er Jahre trug einen kleinbürgerlichen Charakter. Einer der deutlichsten Aspekte war der Wunsch, "das Leben sofort zu verändern". Damals bestand keine große Gefahr der Unsicherheit, gar der Prekarisierung am Ende des Studiums. Die Studentenbewegung, die 1964 begann, entwickelte sich in einer Zeit des Wohlstands. Doch ab 1967 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage ernsthaft, was das Proletariat in den Kampf trieb. Seit Anfang 1967 kam es in Bordeaux (in der Flugzeugfabrik Dassault), Besançon und in der Region Lyon (Streik mit Besetzung in Rhodia, Streik in Berliet), in den Bergwerken von Lothringen, in den Werften von Saint-Nazaire, in Caen zu Zusammenstößen... Diese Streiks kündigten an, was ab Mitte Mai 1968 im ganzen Land geschehen würde. Man kann nicht sagen, dass Mai 68 wie ein Blitz am heiteren Himmel ausbrach. Zwischen dem 22. März und dem 13. Mai 1968 mobilisierte die heftige Unterdrückung von Studenten zunehmend die Arbeiterklasse, und die Bewegung wurde getragen durch die instinktiven Solidaritätsimpulse. Am 14. Mai starteten junge Arbeiter in Nantes eine Streikbewegung. Am 15. Mai erreichte die Bewegung das Renault-Werk in Cléon, in der Normandie, sowie zwei weitere Werke in der Region. Am 16. Mai traten die anderen Renault-Werke in die Bewegung ein: Rote Fahnen über Flins, Sandouville und Le Mans. Renault-Billancourts Eintritt in den Kampf war dann ein Signal: Es war die größte Fabrik in Frankreich (35.000 Arbeiter) und es gab lange Zeit ein Sprichwort: "Wenn Renault niest, steckt es ganz Frankreich an". Am 17. Mai begann der Streik in ganz Frankreich. Es war eine völlig spontane Bewegung. Überall standen junge Arbeiterinnen und Arbeiter an der Spitze. Es gab keine besonderen Forderungen: Es war eine allgemeine Unzufriedenheit, die aufbrach. Am 18. Mai streikten mittags eine Million Arbeiter. Am 22. Mai waren es acht Millionen. Es war der größte Streik in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Beschäftigte aus allen Branchen beteiligten sich: Industrie, Verkehr, Energie, Post und Telekommunikation, Bildung, Verwaltungen, Medien, Forschungslabors usw. Während dieser Zeit wurden besetzte Fakultäten, bestimmte öffentliche Gebäude wie das Théâtre de l'Odéon in Paris, Straßen, Arbeitsplätze zu Orten ständiger politischer Diskussion. "Wir reden miteinander und wir hören gegenseitig zu" wurde zu einem Slogan.

Nein, Mai 68 war keine „Revolution" gegen die alten Sitten!

Indem der Mai 68 auf irreführende Weise auf seine "studentische" Dimension reduziert wird, wird der Mai 68 als Symbol für sexuelle Befreiung und die Befreiung der Frauen dargestellt.

Die großen Kampfbewegungen des Proletariats haben immer die Frage der Frauen gestellt. Während der Pariser Kommune 1871, des Massenstreiks von 1905 und der Revolution von 1917 in Russland spielten Arbeiterinnen eine unschätzbare Rolle. Aber was die studentische Kleinbourgeoisie von 1968 rühmt, ist etwas ganz anderes: Befreiung "jetzt und sofort" im Kapitalismus, Befreiung der Menschheit durch sexuelle Befreiung und nicht als Produkt eines langen Kampfes gegen das kapitalistische Ausbeutungssystem. Kurz gesagt, es ist der Verzicht auf jede Form der Reflexion, die die Wurzeln der etablierten Ordnung wirklich in Frage stellen könnte, es ist die Negation der Dynamik von Streiks, der Selbstorganisation und der Diskussion der Arbeiterklasse in Frankreich während dieser wenigen Wochen im Mai. Die Absicht der herrschenden Klasse, den Mai 68 auf weggeworfene BH‘s (d.h. die „sexuelle Befreiung der Frauen“ ) zu reduzieren, ist daher offensichtlich.

Nein, Mai 68 war kein General- und Gewerkschaftsstreik!

Heute, mit dem Streik der Eisenbahner in Frankreich, behaupten Gewerkschaften und linke Organisationen, dass ein neuer Generalstreik möglich sei. Wie im Mai 68 würden die Gewerkschaften die "Konvergenz der Kämpfe" der Macron-Politik organisieren. Das sind Lügen![1] Die Arbeiterklasse trat im Mai 1968 in einen spontanen Kampf ein, ohne gewerkschaftliche Aufrufe oder Slogans. Sie rannten nur der Bewegung hinterher, um sie besser zu sabotieren. Sinés Zeichnung vom Mai 1968 zeigt sehr deutlich, was die Arbeiterklasse damals angesichts der schmutzigen Arbeit der Gewerkschaften empfand:

[1]

Die Grenelle-Vereinbarungen, die die Linke und die Gewerkschaften als DEN großen Sieg von 1968 feierten, waren im Gegenteil das Ergebnis des gemeinsamen Vorgehens  der Regierung und der Gewerkschaften, um die Bewegung in eine Niederlage zu treiben. Diese Vereinbarungen führten zu einem deutlich geringeren Anstieg der Kaufkraft als in den Vorjahren. Was heute verborgen wird, war damals schon schnell klar, denn viele Arbeiter spürten das sofort als einen Schlag ins Gesicht: Séguy, Generalsekretär der CGT, kam am Morgen des 27. Mai nach Renault-Billancourt, um die Vereinbarungen vorzustellen und zu verteidigen; aber daraufhin zerrissen viele Arbeiter ihre Mitgliedsausweise der Gewerkschaften.  Am 30. Mai verkündete De Gaulle die Auflösung der Nationalversammlung, die Abhaltung von Wahlen Ende Juni und forderte die Eröffnung von Verhandlungen von Industriezweig zu Industriezweig. Die Gewerkschaften nutzen diese Gelegenheit, um Bereiche wie Elektrizität & Gas ( EDF-GDF), in denen die Arbeitgeber über die Grenelle-Vereinbarungen hinausgehende größere Zugeständnisse versprachen, zur Wiederaufnahme der Arbeit zu bewegen. Sie verstärken diesen Druck  zur Wiederaufnahme der Arbeit durch allerlei Manöver, wie z.B. Fälschungen bei Stimmenauszählungen, Lügen über die Wiederaufnahme der Arbeit in bestimmten Branchen, Einschüchterungen im Namen des Kampfes gegen "linke Provokateure". Eines ihrer Hauptargumente war, dass wir wieder an die Arbeit gehen müssten, damit die Wahlen, die den "Sieg der Arbeiter vollenden" sollten, normal stattfinden könnten.

Nein, Mai 68 war keine "alte Mottenkisten aus der Vergangenheit"

Der Mai 68 wird als eine Bewegung der Wohlstandszeit dargestellt. Mit anderen Worten, als ob all dies der Vergangenheit angehörte. Auch hier könnte nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein! Ab 1967 begann sich die Weltwirtschaftslage zu verschlechtern, was die Zeit der permanenten Krise, die wir seither kennen, eröffnete und bestätigte, dass der Kapitalismus ein dekadentes System ist, das zu Fall gebracht werden muss. Der Mai 68 bestätigte, dass das Proletariat die revolutionäre Klasse ist, dass es die Kraft hat, sich zu organisieren, sein Bewusstsein durch Debatten in autonomen Vollversammlungen zu entwickeln, sich gegen die etablierte Ordnung zu erheben und sie zum Zittern zu bringen. Der Mai 68 brachte vor allem  das Ende von 40 Jahren stalinistischer Konterrevolution mit sich! Er war das deutlichste Zeichen für die Rückkehr des Proletariats auf die Bühne des weltweiten Klassenkampfes. Es ist notwendig, die Bedeutung dieses Ereignisses richtig zu ermessen:  Mai 68 und die Welle der Kämpfe, die sich dann in vielen Ländern entwickelte, führten  dazu, dass die Arbeiterklasse nicht mehr bereit war, alle Opfer im Interesse des Kapitals zu bringen und noch weniger dazu bereit war, ihr Leben für das Kapital zu lassen. Dieses Wiedererstarken des Klassenkampfes wirkte dann als Hindernis, dass die Konfrontation zwischen den beiden Militärblöcken – dem Ost- und Westblock in einen Dritten Weltkrieg ausartete! Seitdem ist die Entwicklung der proletarischen Bewegung auf viele Schwierigkeiten gestoßen. Die Idee, dass "Revolution möglich, aber nicht unbedingt notwendig" ist, ist der Idee gewichen, dass "Revolution absolut notwendig ist, aber unmöglich geworden ist". Das Proletariat hat sein Selbstvertrauen verloren. Aber gerade die Realität der proletarischen Kraft vom Mai 68 muss eine Quelle der Inspiration für die Zukunft sein. Die Bourgeoisie weiß es, deshalb decken sie sie mit so vielen Lügen ab!

Bmc, 28. April 2018

[1] Für unsere Analyse der aktuellen Bewegung, die eine Falle für die Arbeiterklasse ist, verweisen wir unsere Leser auf unseren Artikel auf dieser Seite.

 

Aktuelles und Laufendes: 

  • Mai 68 [2]
  • Klassenkampf [3]
  • Geschichte der Arbeiterbewegung [4]

Geschichte der Arbeiterbewegung: 

  • Mai 1968 in Frankreich [5]

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Serie Mai 68

Syrien: Der Kapitalismus – eine wachsende Bedrohung für die Menschheit

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Vor einigen Monaten schien die Welt einen Schritt in Richtung einer nuklearen Konfrontation wegen Nordkorea zu gehen, mit Trumps Drohungen von "Feuer und Wut" und Nordkoreas großem Führer, der sich seiner Fähigkeit zu massiven Vergeltungsmaßnahmen rühmt. Heute halten die nord- und südkoreanischen Führer in der Öffentlichkeit Händchen und versprechen uns echte Schritte in Richtung Frieden. Trump wird Kim Jong-un am 12. Juni in Singapur direkt treffen.

Erst vor wenigen Wochen wurde über den Ausbruch des Dritten Weltkrieges in Syrien gesprochen, diesmal mit der Warnung von Trump an Russland, dass seine intelligenten Raketen als Reaktion auf den Chemiewaffenangriff in Douma unterwegs wären. Die Raketen wurden abgeschossen, es wurden keine russischen Militäreinheiten getroffen, und es sieht so aus, als wären wir wieder bei dem "normalen", alltäglichen Abschlachten in Syrien.

Dann rührte Trump wieder die Trommel und verkündete, dass die USA sich aus dem "Bad Deal", den Obama mit dem Iran hinsichtlich dessen Atomwaffenprogramm abgeschlossen hatte, zurückziehen würden. Dies führte sofort zu Spaltungen zwischen den USA und anderen westlichen Mächten, die der Ansicht sind, dass das Abkommen mit dem Iran funktioniert, und die nun mit Sanktionen der USA rechnen müssen, wenn sie weiterhin mit dem Iran Handel treiben oder zusammenarbeiten. Und im Nahen Osten selbst waren die Auswirkungen nicht weniger unmittelbar: Zum ersten Mal wurde von iranischen Truppen in Syrien Israel mit Raketen beschossen, nicht wie früher von dem Handlanger Irans, der Hisbollah. Israel - dessen Premierminister Netanjahu nicht lange zuvor eine Medienshow über iranische Verletzungen des Atomabkommens aufgeführt hatte - reagierte mit seiner gewohnten Schnelligkeit und Rücksichtslosigkeit und beschoss iranische Stützpunkte im Süden Syriens.

Unterdessen hat Trumps jüngste Erklärung zur Unterstützung Jerusalems als Hauptstadt Israels die Atmosphäre im besetzten Westjordanland entzündet, insbesondere im Gazastreifen, wo die Hamas zu "Märtyrer"-Protesten aufgerufen hat, und allein an einem blutigen Tag massakrierte Israel mehr als 60 Demonstranten (acht von ihnen unter 16 Jahren) und verletzte über 2'500 weitere Personen, die durch Scharfschützen und automatisches Feuer, durch Schrapnell aus unbekannten Quellen und das Einatmen von Tränengas getroffen wurden – für das "Verbrechen", sich den Grenzzäunen genähert zu haben, und in einigen Fällen wegen des Besitzes von Steinen, Schleudern und Benzinflaschen, die an Drachen befestigt waren.

Es ist leicht, in einer Welt, die zunehmend außer Kontrolle gerät, in Panik zu verfallen - und dann in Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit, wenn unsere unmittelbaren Ängste nicht zur Wirklichkeit werden. Aber um die wirklichen Gefahren des gegenwärtigen Systems und seiner Kriege zu verstehen, ist es notwendig, mit Abstand die Lage zu beurteilen und zu überlegen, wo wir uns in der Entwicklung der Ereignisse auf historischer und weltweiter Ebene befinden. 

In der Junius-Broschüre, die 1915 aus dem Gefängnis geschrieben wurde, schrieb Rosa Luxemburg: „Dieser Weltkrieg – das ist ein Rückfall in die Barbarei. Der Triumph des Imperialismus führt zur Vernichtung der Kultur, sporadisch während der Dauer eines modernen Krieges und endgültig, wenn die nun begonnene Periode der Weltkriege ungehemmt bis zur letzten Konsequenz ihren Fortgang nehmen sollte“ (Die Krise der Sozialdemokratie (Junius-Broschüre), Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke Bd. 4, S. 62). 

Was Luxemburg vorhergesehen hatte,  wurde von der 1919 gegründeten Kommunistischen Internationale aufgegriffen: Wenn die Arbeiterklasse nicht das kapitalistische System stürzen würde, das jetzt in seine Epoche des Verfalls eingetreten war, würden dem "Großen Krieg" noch größere, d.h. noch mehr zerstörerische und barbarischere Kriege folgen, die das Überleben der Zivilisation gefährden würden. Und das erwies sich als richtig: Die Niederlage der Welle von revolutionären Kämpfen, die als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg ausbrachen, öffnete die Tür zu einem zweiten und noch alptraumhafteren Konflikt. Und am Ende von sechs Jahren Abschlachten, bei dem die Zivilbevölkerung das erste Ziel war, verlieh die Entfesselung der Atombombe durch die USA gegen Japan der Gefahr, dass künftige Kriege zur Ausrottung der Menschheit führen würden, materielle Gestalt.

In den darauf folgenden vier Jahrzehnten lebten wir unter dem bedrohlichen Schatten eines dritten Weltkrieges zwischen den atomar bewaffneten Blöcken, die den Planeten beherrschten. Aber obwohl diese Gefahr – wie zum Beispiel bei der Kuba-Krise 1962 – fast zur Wirklichkeit wurde, hat die bloße Existenz der USA und Russlands als Blockführer eine Art Disziplin aufgezwungen gegenüber der natürlichen Tendenz des Kapitalismus, durch den Krieg eines ‚jeden gegen alle‘ zu agieren. Dies war ein Element, das ein Ausufern lokaler Konflikte – die in der Regel Stellvertreterkriege zwischen den Blöcken waren – verhindert hat. Ein weiteres Element war die Tatsache, dass die Bourgeoisie nach der weltweiten Wiederbelebung des Klassenkampfes nach 1968 die Arbeiterklasse nicht im Griff hatte und sich nicht sicher war, ob sie in den Krieg ziehen konnte.

In den Jahren 1989-91 brach der russische Block zusammen angesichts der wachsenden Umzingelung durch die USA und der Unfähigkeit des im russischen Block vorherrschenden Modells des Staatskapitalismus, sich den Anforderungen der Weltwirtschaftskrise anzupassen. Die Politiker des siegreichen US-Lagers krähten, dass wir mit dem Untergang des "sowjetischen" Feindes in eine neue Ära des Wohlstands und des Friedens eintreten würden. Wir als Revolutionäre bestanden darauf, dass der Kapitalismus nicht weniger imperialistisch, nicht weniger militaristisch bleiben würde, sondern dass der in das System eingeschriebene Drang zum Krieg einfach eine chaotischere und noch weniger berechenbare Form annehmen würde. Und auch das erwies sich als richtig.[1] Und es ist wichtig zu verstehen, dass sich dieser Prozess, dieses Abrutschen in das militärische Chaos in den letzten drei Jahrzehnten verschärft hat.

Der Aufstieg neuer Herausforderer

In den ersten Jahren dieser neuen Phase konnte die verbliebene Supermacht, die sich bewusst war, dass der Untergang ihres russischen Feindes zentrifugale Tendenzen in ihrem eigenen Block mit sich bringen würde, noch eine gewisse Disziplin seitens ihrer ehemaligen Verbündeten erzwingen. Im ersten Golfkrieg beispielsweise schlossen sich die ehemaligen Untergebenen (Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Japan usw.) nicht nur der US-geführten Koalition gegen Saddam an oder unterstützten sie, sondern diese erfreute sich sogar der Unterstützung der UdSSR Gorbatschows und des Regimes in Syrien. Doch schon bald zeigten sich Risse: Im Krieg in Ex-Jugoslawien nahmen Großbritannien, Deutschland und Frankreich Positionen ein, die den Interessen der USA oft direkt entgegenstanden, und ein Jahrzehnt später lehnten Frankreich, Deutschland und Russland die US-Invasion im Irak offen ab.

Die "Unabhängigkeit" der ehemaligen westlichen Verbündeten der USA erreichte nie das Stadium der Bildung eines neuen imperialistischen Blocks, der sich gegen Washington gerichtet hätte. Aber in den letzten 20 oder 30 Jahren haben wir den Aufstieg einer neuen Macht erlebt, die eine direktere Herausforderung für die USA darstellt: China, dessen überraschendes Wirtschaftswachstum von einem wachsenden imperialistischen Einfluss begleitet wurde, nicht nur im Fernen Osten, sondern über die asiatische Landmasse in Richtung Naher Osten und nach Afrika. Aber China hat die Fähigkeit gezeigt, eine langfristige Strategie einzuschlagen, um seine imperialistischen Ambitionen zu verfolgen - wie der zielstrebige, aber mit langem Atem geplante Bau seiner "Neuen Seidenstraße" in den Westen und der allmähliche Aufbau von Militärbasen im Südchinesischen Meer zeigen.

Auch wenn die diplomatischen Initiativen zwischen Nord- und Südkorea  und der angekündigte US-Nordkoreanische Gipfel im Moment den Eindruck erwecken mögen, dass "Frieden" und "Abrüstung" durch Verhandlungen herbeigeführt und die Gefahr der nuklearen Zerstörung durch die "zur Vernunft kommenden Führer" gebannt werden könnte, werden die imperialistischen Spannungen zwischen den USA und China weiterhin die Rivalitäten in der Region dominieren, und alle zukünftigen Schritte um Korea werden von deren Rivalitäten überschattet werden.

Während die chinesische Bourgeoisie eine langfristige und weltweite Offensive betreibt, die nicht nur die Positionen der USA, sondern auch Russlands und anderer Länder in Zentralasien und im Fernen Osten untergräbt, haben russische Interventionen in Osteuropa und im Nahen Osten die USA mit dem Dilemma konfrontiert, sich gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Regionen zwei Rivalen stellen zu müssen.  Die Spannungen zwischen Russland und einigen westlichen Ländern, vor allem den USA und Großbritannien, haben in letzter Zeit deutlich zugenommen. So ist die russische Gegenoffensive neben der sich bereits entfaltenden Rivalität zwischen den USA und ihrem größten globalen Herausforderer China zu einer weiteren direkten Herausforderung für die Autorität der USA geworden.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Russland in der Tat eine Gegenoffensive unternimmt, eine Reaktion auf die drohende Strangulierung durch die USA und ihre Verbündeten. Das Putin-Regime, das sich auf nationalistische Rhetorik und die aus der "sowjetischen" Ära stammende militärische Stärke stützt, entstand nicht nur als eine  Reaktion gegen die in den ersten Jahren der Russischen Föderation deutlich gewordene Wirtschaftspolitik des Westens, die Filetstücke der russischen Wirtschaft an sich zu reißen. Das Regime Putins war vor allem eine Reaktion gegen die Fortsetzung und sogar Intensivierung der im Kalten Krieg begonnenen Umzingelung Russlands. Russland wurde durch die Erweiterung der EU und der NATO auf die meisten osteuropäischen Staaten seiner früheren Schutzzone im Westen beraubt. In den 90er Jahren zeigte es mit seiner brutalen Politik der verbrannten Erde in Tschetschenien, wie es auf jedes Bestreben nach Unabhängigkeit innerhalb der Föderation selbst reagieren würde. Seitdem hat es diese Politik auf Georgien (2008) und die Ukraine (ab 2014) ausgedehnt - Staaten, die nicht Teil der Föderation sind, die aber Gefahr gelaufen sind, an seinen südlichen Grenzen zu Brennpunkten des westlichen Einflusses zu werden. In beiden Fällen setzte Moskau sowohl örtliche separatistische Kräfte als auch seine eigenen spärlich getarnten Streitkräfte ein, um pro-westlichen Regimes zu begegnen. 

Diese Aktionen verschärften bereits die Spannungen zwischen Russland und den USA, die daraufhin Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängten, die von anderen westlichen Staaten mehr oder weniger unterstützt wurden, trotz ihrer Differenzen mit den USA über die russische Politik, die im Allgemeinen auf ihren besonderen wirtschaftlichen Interessen beruhten (dies galt insbesondere für Deutschland). Doch die anschließende Intervention Russlands in Syrien führte diese Konflikte auf eine neue Ebene.

Der Sog der Kriege im Nahen und Mittleren Osten

Tatsächlich hat Russland das Assad-Regime in Syrien immer mit Waffen und Beratern unterstützt. Syrien ist seit langem sein letzter Vorposten im Nahen Osten, nachdem der Einfluss der UdSSR in Libyen, Ägypten und anderswo nachgelassen hatte. Der syrische Hafen von Tartus ist für seine strategischen Interessen absolut lebenswichtig: Er ist sein wichtigster Außenposten im Mittelmeer, und Russland hat stets darauf bestanden, seine Flotte dort nicht abzuziehen. Doch angesichts der drohenden Niederlage des Assad-Regimes durch die Rebellen und des Vorstoßes der IS-Kräfte in Richtung Tartus unternahm Russland 2015 den großen Schritt, offen Truppen und Kampfflugzeuge im Dienste des Assad-Regimes einzusetzen, ohne zu zögern, sich an der täglichen Verwüstung der von den Rebellen besetzten Städte und Stadtviertel zu beteiligen, was die Zahl der zivilen Todesopfer erheblich erhöht hat.

Aber Amerika hat auch seine Kräfte vor Ort in Syrien, angeblich als Reaktion auf den Aufstieg des IS. Und die USA haben kein Geheimnis daraus gemacht, die Anti-Assad-Rebellen zu unterstützen – einschließlich des dschihadistischen Flügels, der der Expansion des IS diente.  Damit ist schon seit einiger Zeit der Nährboden für eine direkte Konfrontation zwischen russischen und amerikanischen Streitkräften vorhanden. Die beiden Luftangriffe als militärische Reaktion auf den Einsatz von chemischen Waffen haben wahrscheinlich mehr oder weniger symbolischen Charakter, nicht zuletzt, weil der Einsatz von "konventionellen" Waffen durch das Regime weit mehr Zivilisten getötet hat als der Einsatz von Chlor oder anderen chemischen Waffen. Es gibt starke Beweise dafür, dass das US-Militär Trump gezügelt und dafür gesorgt hat, dass nur die Einrichtungen des Regimes und nicht die russischen Truppen angegriffen werden.[2] Das heißt aber nicht, dass die amerikanische und  die russische Regierung in Zukunft direktere Auseinandersetzungen zwischen den beiden Mächten vermeiden können – die Kräfte, die destabilisierend wirken und Unordnung stiften, sind einfach zu tief verwurzelt und nehmen immer mehr an Heftigkeit zu.

Während der beiden Weltkriege war der Nahe und Mittlere Osten ein wichtiger, aber immer noch sekundärer Kriegsschauplatz, dessen strategische Bedeutung mit der Entwicklung seiner immensen Ölreserven in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gewachsen ist. Zwischen 1948 und 1973 war der Hauptschauplatz der militärischen Konfrontationen die Reihe von Kriegen zwischen Israel und den umliegenden arabischen Staaten, aber diese Kriege waren eher kurzlebig, und ihr Ausgang kam in der Regel dem US-Block zugute. Dies war ein Ausdruck der "Disziplin", die das Blocksystem den zweit- und drittklassigen Mächten auferlegte. Aber auch in dieser Zeit gab es Anzeichen einer eher zentrifugalen Tendenz - vor allem der lange "Bürgerkrieg" im Libanon und die "islamische Revolution", die die Herrschaft der USA über den Iran unterminierte und den Iran-Irak-Krieg auslöste (wo der Westen vor allem Saddam als Gegengewicht zum Iran unterstützte).

Das endgültige Ende des Blocksystems hat diese Zentrifugalkräfte zutiefst beschleunigt, und der Syrienkrieg hat sie auf die Spitze getrieben. So können wir innerhalb oder um Syrien herum eine Reihe von Kämpfen beobachten:

- Zwischen dem Iran und Saudi-Arabien: Oft getarnt unter der Ideologie der schiitisch-sunnitischen Spaltung, haben iranische Hisbollah-Milizen aus dem Libanon eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung des Assad-Regimes gespielt, insbesondere gegen Dschihad-Milizen, die von Saudi-Arabien und Katar (die ihrerseits gegenseitig ihren eigenen Konflikt haben) unterstützt werden. Der Iran war der Hauptnutznießer der US-Invasion im Irak, die zum tatsächlichen Zerfall des Landes und zur Ernennung einer pro-iranischen Regierung in Bagdad geführt hat. Irans imperialistische Ambitionen werden ebenso im Krieg im Jemen ausgetragen, dem Schauplatz eines brutalen Stellvertreterkrieges zwischen dem Iran und Saudi-Arabien (der durch britische Waffen noch weiter angeheizt wird)[3];

- Zwischen Israel und dem Iran. Die jüngsten israelischen Luftangriffe gegen iranische Ziele in Syrien sind eine direkte Fortsetzung einer Reihe von Überfällen, die darauf abzielen, die Truppen der Hisbollah in diesem Land zu schwächen. Es scheint, dass Israel Russland weiterhin im Voraus über diese Angriffe informiert, und im Allgemeinen verschließt Russland wohl die Augen vor ihnen, obwohl das Putin-Regime nun begonnen hat, sie offener zu kritisieren. Aber es gibt keine Garantie, dass der Konflikt zwischen Israel und dem Iran nicht über diese kontrollierten Reaktionen hinausgeht. Trumps "diplomatischer Vandalismus"[4] in Bezug auf das iranische Atomabkommen treibt sowohl die aggressiv anti-iranische Haltung der Regierung Netanjahu als auch die Feindseligkeit des Iran gegenüber dem "zionistischen Regime" an, welches – und das dürfen wir nicht vergessen – seit langem seine eigenen Atomwaffen unter Missachtung internationaler Abkommen beibehält;

- Zwischen der Türkei und den Kurden, die Enklaven in Nordsyrien errichtet haben. Die Türkei hat den IS im Kampf um Rojava heimlich unterstützt, aber direkt gegen die Enklave Afrin interveniert. Die kurdischen Streitkräfte, die im Interesse der USA als zuverlässigstes Hindernis für die Ausbreitung des IS wirkten, sind bis jetzt von den USA unterstützt worden, auch wenn diese wohl zögern, jene direkt gegen den imperialistischen Vorstoß der Türkei zu benützen. Darüber hinaus haben türkische Ambitionen, wieder eine führende Rolle in der Region und darüber hinaus zu spielen, die Türkei nicht nur in einen Konflikt mit der NATO und den EU-Ländern getrieben, sondern auch die russischen Bemühungen verstärkt, einen Keil zwischen die NATO und die Türkei zu treiben und die Türkei trotz der langjährigen Rivalität der Türkei mit dem Assad-Regime näher an Russland heranzuführen.  

- Dieses Bild des Chaos wird noch durch den Aufstieg zahlreicher bewaffneter Banden bereichert, die zwar Allianzen mit bestimmten Staaten bilden können, die ihnen aber nicht unbedingt untergeordnet sind. Der IS ist der offensichtlichste Ausdruck dieser neuen Tendenz zu mehr Warlords und Kriegsherrschaft, aber keineswegs der einzige.

Die Auswirkungen der politischen Instabilität

Wir haben bereits gesehen, wie die impulsiven Erklärungen von Trump dazu beigetragen haben, dass die Situation im Nahen und Mittleren Osten noch unberechenbarer wird. Sie sind symptomatisch für tiefe Spaltungen innerhalb der amerikanischen Bourgeoisie. Der Präsident wird derzeit vom Sicherheitsapparat auf Beweise für eine Beteiligung Russlands (über seine gut entwickelten Cyberkriegstechniken, finanzielle Unregelmäßigkeiten, Erpressung usw.) am Trump-Wahlkampf untersucht; und bis vor kurzem machte Trump kaum ein Geheimnis aus seiner Bewunderung für Putin, was möglicherweise eine Option für ein Bündnis mit Russland als Gegengewicht zum Aufstieg Chinas widerspiegelt. Aber die Antipathie gegenüber Russland innerhalb der amerikanischen Bourgeoisie sitzt sehr tief, und unabhängig von seinen persönlichen Motiven (wie Rache oder dem Wunsch zu beweisen, dass er kein russischer Handlanger ist) war Trump auch gezwungen, „hart zu drohen“ und dann den Worten Taten folgen zu lassen. Diese Instabilität im Herzen der führenden Macht der Welt ist nicht einfach das Ergebnis des Verhaltens der instabilen Person Trump; vielmehr ist Trumps Regentschaft  ein Beweis für den Aufstieg des Populismus und den zunehmenden Kontrollverlust der Bourgeoisie über ihren eigenen politischen Apparat – der direkte politische Ausdruck des gesellschaftlichen Zerfalls. Und solche Tendenzen im politischen Apparat können die Entwicklung der Instabilität auf der imperialistischen Ebene, wo sie am gefährlichsten ist, nur verstärken.

In einem derart unbeständigen Umfeld ist die Gefahr eines plötzlichen, noch aggressiveren und völlig irrationalen Verhaltens nicht auszuschließen. Die Tendenz zu einer Art selbstmörderischem Wahnsinn, die sicherlich real ist, hat die führenden Fraktionen der herrschenden Klasse noch nicht vollständig erfasst, die immer noch verstehen, dass die Entfesselung ihrer Atomwaffenarsenale das Risiko birgt, das kapitalistische System selbst zu zerstören. Und doch wäre es töricht, sich auf den gesunden Menschenverstand der imperialistischen Gangster zu verlassen, die derzeit den Planeten regieren – schon jetzt erforschen sie, wie man mit Atomwaffen einen Krieg gewinnen kann.

Wie Luxemburg 1915 betonte, ist die einzige Alternative zur Zerstörung der Kultur durch den Imperialismus "Sieg des Sozialismus, d.h. der bewussten Kampfaktion des internationalen Proletariats gegen den Imperialismus und seine Methode: den Krieg. Dies ist ein Dilemma der Weltgeschichte, ein Entweder – Oder, dessen Waagschalen zitternd schwanken vor dem Entschluss des klassenbewussten Proletariats“ (ebenda, S. 62).

Die gegenwärtige Phase des kapitalistischen Zerfalls, der Spirale des imperialistischen Chaos, ist der Preis, den die Menschheit für die Unfähigkeit der Arbeiterklasse zahlt, das Versprechen von 1968 und der darauf folgenden Welle des internationalen Klassenkampfes zu verwirklichen: einen bewussten Kampf für die sozialistische Umwälzung  der Welt. Heute sieht sich die Arbeiterklasse mit der Zuspitzung der Barbarei konfrontiert, die sich in Form einer Vielzahl imperialistischer Konflikte, sozialer Desintegration und ökologischer Verwüstung vollzieht; und – im Gegensatz zu 1917-18, als der Arbeiteraufstand dem Krieg ein Ende setzte – sind diese Formen der Barbarei viel schwerer zu bekämpfen.  Sie sind sicherlich am stärksten in Gebieten, in denen die Arbeiterklasse wenig gesellschaftliches Gewicht hat - Syrien ist das offensichtlichste Beispiel, aber selbst in Ländern wie der Türkei, wo die Arbeiterklasse mit einer langen Kampftradition der Frage des Krieges gegenübersteht, gibt es kaum Anzeichen von direktem Widerstand gegen die Kriegsdynamik. Was die Arbeiterklasse in den zentralen Ländern des Kapitals betrifft, so befinden sich ihre Kämpfe gegen die heute mehr oder weniger permanente Wirtschaftskrise derzeit auf einem sehr niedrigen Niveau und haben keine direkten Auswirkungen auf die Kriege, die zwar geografisch in der Nähe Europas stattfinden, aber durch die Zunahme des Terrorismus und die zynische Manipulation der Flüchtlingsfrage eine wachsende – und vor allem negative – Auswirkung auf das gesellschaftliche Leben auch in Europa und in anderen Industriezentren  haben.[5]

Aber der Klassenkampf ist noch lange nicht vorbei. Hie und da gibt es Lebenszeichen: bei den Demonstrationen und Streiks im Iran, die eine deutliche Reaktion gegen die militaristischen Abenteuer des Staates zeigten; bei den Kämpfen im Bildungswesen in Großbritannien und den USA; bei der wachsenden Unzufriedenheit mit den Sparmaßnahmen der Regierung in Frankreich und Spanien. Dies bleibt weit unter dem Niveau, das notwendig ist, um auf den Zerfall einer ganzen Gesellschaftsordnung zu reagieren, aber der defensive Kampf der Arbeiterklasse gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise bleibt die unverzichtbare Grundlage für eine tiefere Infragestellung des kapitalistischen Systems.

Amos, 16.05.2018

[1] Siehe insbesondere unseren Orientierungstext ‘Militarismus und Zerfall’ in Internationale Revue 13, 1991 (/content/758/orientierungstext-militarismus-und-zerfall [6])  

[2] "US-Verteidigungsminister James Mattis hat es geschafft, den Präsidenten bei der Entscheidung über den Umfang der Luftangriffe auf Syrien im Zaum zu halten. (....) Es war Jim Mattis, der den Tag gerettet hat. Der US-Verteidigungsminister, Pentagon-Chef und pensionierter Marine General hat den Ruf, ein Hardliner zu sein. Sein früherer Spitzname war 'Mad Dog'. Als es letzte Woche darum ging, eine Entscheidung zu Syrien zu fällen, war es Mattis – nicht das Außenministerium oder der Kongress –, der sich gegen einen Donald Trump auflehnte, der nach Blut lechzte. Mattis sagte Trump, dass der dritte Weltkrieg nicht unter seiner Kommandogewalt beginnen würde. Als die Luftangriffe früh am Samstag begannen, äußerte sich Mattis, und er klang präsidialer als Präsident Trump. Das Assad-Regime, sagte er, habe sich “erneut den Normen zivilisierter Menschen widersetzt, indem es chemische Waffen einsetzte, um Frauen, Kinder und andere Unschuldige zu ermorden. Wir und unsere Verbündeten finden diese Gräueltaten unentschuldbar”. Im Gegensatz zu Trump, der Russland und dessen Präsidenten, Wladimir Putin, in einer Fernsehansprache sehr persönlich und gefühlsbetont anklagte, äußerte sich Mattis betont sachlich. Die USA griffen Anlagen in Syrien an, in denen Chemiewaffen produziert werden könnten. Dann sagte er dies sei der Grund für die Luftangriffe, nichts anderes. Mattis hatte auch eine beruhigendere Botschaft für Moskau. “Ich möchte betonen, dass diese Luftschläge gegen das syrische Regime gerichtet sind.... Wir haben große Anstrengungen unternommen, um zivile und ausländische Opfer zu vermeiden". Mit anderen Worten, russische Truppen und deren Einrichtungen vor Ort waren kein Ziel. Zudem seien die Luftschläge "einmalig" gewesen. Weitere würden nicht folgen". (Simon Tisdall, The Guardian, 15. April 2018)

[3] https://en.internationalism.org/icconline/201712/14640/yemen-pivotal-war-fight-influence-middle-east [7]

[4]                             https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/may/09/europe-trump-wreck-iran-nuclear-deal-cancel-visit-sanctions [8]

[5] Für eine Einschätzung der allgemeinen Entwicklung des Klassenkampfes siehe unsere „Resolution zum internationalen Klassenkampf“ von unserem 22. Internationalen Kongress, in International Review 159. Der Text ist auch auf Deutsch auf unserer Webseite: https://de.internationalism.org/iksonline/kongress-der-iks-resolution-zum-internationalen-klassenkampf [9]  

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Naher Osten

Kampf um die KPD – die Gründung des Leninbundes vor 90 Jahren

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Vor 90 Jahren am 8. und 9. April 1928 fand unter Beteiligung von 150 Delegierten und 100 Gästen der Gründungskongress des Leninbundes im preußischen Landtag in Berlin statt. Mit der Wahl des Ortes sollte an die Gründung der KPD (S) erinnert werden. Erklärtes Ziel dieses Kongresses war die „Wiederherstellung der Leninschen Komintern“, der Kampf um die Partei und eben „keine neue Partei“. [1]

Es ist bemerkenswert, dass von diesem Kampf in und um die Partei so wenig bekannt ist. Immerhin hatte das im Januar 1927 gegründete „Mitteilungsblatt – Linke Opposition der KPD“ (im Juni 1927 in „Fahne des Kommunismus“ umbenannt und nun wöchentlich erscheinend) eine Auflage von 15.000 Stück und die Massenversammlungen der Opposition insbesondere in Berlin zogen Tausende von KPD-Mitgliedern an und waren der Ort, wo Parteifragen wirklich diskutiert werden konnten[2].

Noch bemerkenswerter ist, dass die Gründung des Leninbundes kein isoliertes Phänomen war, sondern dass ebenfalls im April 1928 in Pantin (Vorort von Paris) die „Linke Fraktion der Kommunistischen Internationale“ durch die Italienische Linke im Exil gegründet wurde.[3] Auch wenn dies zeitgleich stattfand, wussten beide Strömungen (wenn überhaupt) nur sehr wenig voneinander und hatten keine gemeinsame Diskussion gehabt. Während die Italienische Linke in den folgenden Jahren auf Grundlage einer programmatischen Strenge und organisatorisch klarer Prinzipien in der Lage war, eine gründliche Bilanz der historischen Periode zu starten und die Arbeit einer Fraktion aufzunehmen, und damit eine Grundlage schuf, auf die sich die IKS am Ende der Konterrevolution sammeln und gründen konnte, ist die Linke Opposition der KPD schon ein Jahr später wieder auseinandergebrochen. Es war ein weiterer Ausdruck einer dramatischen Schwäche der linken kommunistischen Kräfte in Deutschland, die zu einem historischen Scheitern gegenüber den Herausforderungen des Rückflusses der revolutionären Welle führte.

Dieser kurze Artikel möchte zuerst hervorheben, dass in der KPD ein langer und zäher Kampf in und um die Partei gefochten wurde. Der Ausschluss der Mehrheit auf dem Heidelberger Parteitag 1919 (welches Ereignis 1920 zur Gründung der KAPD führte) bedeutete noch lange nicht das Ende des proletarischen Lebens in der KPD. Wir werden demnächst auf diesen Kampf zwischen 1920 und 1928 in weiteren Artikeln zurückkommen.[4] Die folgenden Ausführungen um die Gründung des Leninbundes sollen also nur gewissermaßen einen kleinen Vorgeschmack geben.

Des weiteren müssen wir besser verstehen, auf welchem Boden sich die linken kommunistischen Kräfte in der Partei bewegten und warum sie nicht in der Lage waren, eine mit der Italienischen Linken vergleichbare programmatische Strenge und organisatorische Prinzipientreue zu entwickeln.

Doch nun zurück zu dem tapferen Aufbäumen vieler Tausender Militanter gegen die Degenerierung ihrer Partei.[5] Um den XI. Parteikongress der KPD (März 1927 in Essen) war es zu massenhaften Ausschlüssen aus der Partei gekommen. Hiergegen stemmte sich der „Aufruf an die Arbeiter Deutschlands“ der Reichskonferenz der Opposition (März 1928) und warnte vor einer „Spaltung der Kommunistischen Parteien“ und erklärte: „Kommunisten können nicht aus der Kommunistischen Partei zum Nutzen des Opportunismus ausgeschlossen werden … wir denken nicht daran Tausende ehrlicher Kommunisten, Linke Kommunisten, die durch die gegenwärtige opportunistische Führung der Komintern und der KPD außerhalb der Partei gedrängt werden sollen, für die Bewegung verlorengehen zu lassen.“ Dies ist eine sehr verantwortungsvolle Haltung und grenzt sich damit deutlich von den Positionen ab, die die Russische Revolution und die Komintern bereits als bürgerlich verworfen[6] hatten. „Eben weil wir überzeugt sind, dass das revolutionäre Proletariat sich seine revolutionäre Kommunistische Partei schmieden wird, eben deshalb antworten wir auf die verbrecherische Spaltung der Partei mit dem Appell an alle revolutionäre Kommunisten, sich zusammenzuschließen im Leninbund!“

Der Kampf um die Partei muss auch außerhalb der Partei fortgeführt werden

Die Gründung der Leninbundes mit vielen früheren Führungskadern der KPD wie Ruth Fischer, Arkadi Maslow, Hugo Urbahns, Werner Scholem und Anton Grylewicz ist vorläufiger Abschluss eines länger währenden Kampfes in der Partei. Bereits im September 1926 war zur Unterstützung der russischen Linken Opposition um Trotzki und dem in der KPD zu der Zeit hoch angesehenen Sinowjew der sogenannte Brief der 700 (den wir in Kürze publizieren werden) veröffentlicht worden. Auch hier müssen wir auf eine Parallele zur Italienischen Linken verweisen, die 1926 die berühmten Lyoner Thesen (die Position der Italienischen Linken auf dem Parteitag der PCI in Lyon) veröffentlichte. Auch hier wird eine zukünftige Arbeit die Parallelen, aber eben auch die Unterschiede heraus arbeiten müssen. Ebenso ist wichtig zu betonen, dass Trotzki für die deutsche Linke Opposition kein Referenzpunkt war[7], wohingegen die Italienische Linke in ihrer Resolution der Konferenz von Pantin zur „Einberufung des 6. Weltkongresses unter der Präsidentschaft von Leo Trotzki“[8] aufrief. Die Fraktion um Stalin war sich zu dieser Zeit sehr wohl der Gefahr einer Formierung einer Internationalen Linken Opposition (ILO) bewusst. Und weder Trotzki noch Sinowjew begriffen, welche Auswirkung ihr taktischer Waffenstillstand mit Stalin im Oktober 1926 hatte. Dieser taktische Waffenstillstand verlangte, dass Trotzki und Sinowjew sich öffentlich von der sich formierenden ILO und insbesondere von Fischer/Maslow, Souvarine, Weber, Urbahns und Bordiga lossagen mussten. Um einen Eindruck von der Größe und Einflussmöglichkeit zu geben, seien hier zwei Zahlen genannt: die GPU schätzte die Anhänger der LO in Deutschland auf 20.000 und stellte fest, dass in Berlin ca 35 % der KPD-Mitglieder Anhänger der LO waren. In ihren Analysen verwies sie auf die zentrale Rolle des Proletariats in Berlin, und die Agentenzahl in Berlin wurde auf 30 erhöht. Auch in der Partei wurde der Druck erhöht und nach einer Attacke von Thälmann wurden Scholem, Schwan und Urbahns im Dezember 1926 ausgeschlossen (Fischer/Maslow wurden bereits im August 1926 ausgeschlossen). Dennoch entwickelte sich in Deutschland erstmal eine 'jetzt-erst-recht-Stimmung'. Die Zeitschrift der Korsch-Gruppe Kommunistische Politik machte  sich darüber lustig: „Urbahns versucht Sinowjew-Gruppe ohne Sinowjew“.[9] Während die KPD versuchte, jede Diskussion zu den Fraktionskämpfen in der RKP (B) und zu der sogenannten „chinesischen Frage“ zu unterdrücken, entwickelten sich die Veranstaltungen des Leninbundes zu den Orten des eigentlichen Parteilebens. Der sich formierende Leninbund schickte Ruth Fischer und Anton Grylewicz auf Auslandsreisen, um die internationale Beteiligung der LO aus Russland, Bulgarien, Polen, Frankreich, Großbritannien und der Tschechoslowakei zu ermöglichen[10].

Am Osterwochenende 1928 trafen sich dann Delegierte u. a. aus den Ortsgruppen in Berlin, Halle, Magdeburg, Hamburg, Dortmund, Mannheim, Speyer, Würzburg, Gelsenkirchen, Frankfurt/Main. Sechs ehemalige ZK-Mitglieder und mehrere Reichstags- und Landtagsabgeordnete der KPD nahmen als Mitglieder des Leninbundes teil. Es wurden Grußschreiben aus Frankreich, Österreich, der Tschechoslowakei und Russland verlesen, darüber hinaus gab es Solidaritätserklärungen oppositioneller KPD-Ortsgruppen.

In den „Aufgaben der Linken Kommunisten“ heißt es: „Wir erfinden damit kein neues Programm, wir gründen damit keine neue Partei. Was wir wollen, das ist: alle Kommunisten sammeln, die auf dem Boden Lenins stehen, die die grundlegenden Beschlüsse der bisherigen fünf Weltkongresse der Kommunistischen Internationale anerkennen, zur Wiedervereinigung aller ehrlichen Kommunisten zum Kampfe gegen den Opportunismus und Revisionismus jeglicher Form, Art und Organisation. Wir haben Tausende Genossen in der KPD. Diesen rufen wir zu: Tretet dem Leninbund bei, aber bleibt zugleich Mitglieder der KPD und sorgt mit uns für die Wiedervereinigung aller Kommunisten.“

Dieses Aufbäumen der selbsternannten Linken Kommunisten in Deutschland war ein wichtiges Zeugnis für das noch vorhandene proletarische Leben in der Partei und ebenfalls Ausdruck einer verantwortungsvollen Haltung gegenüber der fortschreitenden Degenerierung der Partei des Proletariats und dem Zurückweichen der revolutionären Welle. Doch gleichzeitig zeigt selbst dieses flüchtige Zitat den fragilen und unzureichenden Boden, auf dem die Sammlungsbewegung stattfinden sollte. Sicherlich war der Rückbezug zu Lenin zu begrüßen, doch in dieser Periode bezog auch Stalin sich auf Lenin, und auch der Kampf gegen Opportunismus und Revisionismus konnte als Schlagwort verwässert werden. Ein Problem stellt der bedingungs- und kritiklose Bezug auf alle Beschlüsse der fünf Weltkongresse der Kommunistischen Internationale dar. Denn diese Kongresse selbst waren Kampfplatz der verschiedenen Fraktionen und trugen zumindest nach dem 3. Kongress bereits Merkmale der Degenerierung. Der Kampf der Kommunistischen Linken stützte sich genau auf die Kontinuität des kommunistischen Programms und der kommunistischen Prinzipien und hatte deshalb auch keine Hemmungen, gegen die spätere Mehrheitsposition in der Kommunistischen Internationale anzukämpfen. Es ist daher kein kleiner Unterschied, wenn die Resolution der Konferenz der Linken Fraktion der Kommunistischen Internationale in Punkt 4 ausführte: „Gründung von Gruppen der Linken, deren Aufgabe der bedingungslose Kampf gegen den Opportunismus und die Opportunisten ist. In diesem Kampf berufen wir uns auf das Kommunistische Manifest, die Thesen des zweiten Kongresses der Dritten Internationale, die Thesen von Rom, die Thesen der nationalen Konferenz der Kommunistischen Partei Italiens, die von Bordiga auf dem Vierten Weltkongress dargelegten Thesen, die Thesen, die von der Linken auf dem Kongress der SFIC von Lille vorgestellt wurden, und auf alle Schriften des Genossen Bordiga.“[11]

Was bleibt vom Leninbund?

Wenn wir gezwungen sind, diese Frage kurz zu beantworten, müssen wir leider sagen, dass der Leninbund zwar ein wichtige Aufbäumen der proletarischen Teile der Partei darstellte, jedoch unfähig war, organisatorisch den Rahmen zu schaffen, um das Programm der revolutionären Klasse auf Dauer zu verteidigen, eine Analyse der historischen Lage anzufertigen, die Lehren aus der Niederlage zu ziehen und die Organisation der Revolutionäre entsprechend zu bewahren. Es schließen sich wichtige Fragen an. Warum ist der Leninbund, der doch viele wichtige Militanten der KPD organisieren konnte und der auf Tausende Arbeiter und Mitglieder der KPD Einfluss hatte, schon nach so kurzer Zeit wieder zusammengebrochen? Warum ist annähernd der gesamte linke Flügel der deutschen Arbeiterbewegung in den folgenden Jahren mit der Ideologie des Antifaschismus in die Arme der bereits degenerierten Teile gefallen? Warum ist der Leninbund heute annähernd vergessen und wenn überhaupt nur Gegenstand akademischer Untersuchungen? Wir denken, dass diese Fragen für uns nur fruchtbringend beantwortet werden können, wenn wir die Erfahrung des Leninbundes kontrastieren mit den Erfahrungen der Italienischen Linken. Die dramatische Niederlage der Deutschen Revolution beendete den revolutionären Anlauf, von dem die Russische Revolution nur die erste Etappe war. Die Klarheit und Stärke der revolutionären Organisation des Proletariats ist ein entscheidender Faktor in der Fähigkeit des Proletariats, im richtigen Moment handeln zu können. Die revolutionäre Organisation in Deutschland hat im Vergleich mit der in Russland (den Bolschewiki) und der in Italien (der Italienischen Linken) eine organisatorische Schwäche, die sie nach Gründung der KPD in den heftigen Kämpfen der folgenden Jahre (insbesondere 1919–1928) nicht überwinden konnte. Diese Schwächen müssen wir offenlegen und die richtigen Lehren daraus ziehen, ansonsten können wir die große historische Bürde, die noch heute auf dem Proletariat lastet, nicht beseitigen. Bereits in unserer Artikelfolge zur Deutschen Revolution haben wir dieses Dilemma aufgezeigt, hier gilt es wieder anzuknüpfen.

„Die Partei kann nur aufgebaut werden, indem sie sich auf langwierige vorherige programmatische Klärung und vor allem die Ausarbeitung fester organisatorischer Prinzipien stützt. Die Erfahrung in Deutschland zeigt: Ohne die Klarheit über eine marxistische organisatorische Funktionsweise wird jede Organisation auseinanderbrechen.

Das Versagen der Revolutionäre in Deutschland in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg beim wirklichen Parteiaufbau hat katastrophale Auswirkungen gehabt. Nicht nur zerstümmelte und verkrüppelte die Partei sich damit selbst. Im Laufe der Konterrevolution wurden schon bis Ende der 20er Jahre die Stimmen der organisierten Revolutionäre weitestgehend zum Schweigen gebracht. In Deutschland sollte dann ein mehr als 50jährige Friedhofsruhe herrschen. Als das Proletariat dann nach 1968 auch in Deutschland wieder seine Stirn zeigte, fehlte natürlich diese revolutionäre Stimme des Proletariats. Es gehört somit zu den wichtigsten Aufgaben der Vorbereitung der zukünftigen proletarischen Revolution, den Organisationsaufbau erfolgreich in Angriff zu nehmen. Sonst wird es nicht nur zu keiner Revolution kommen, sondern ihr Scheitern wäre jetzt schon vorprogrammiert.

Deshalb steht der Kampf für den Aufbau der Organisation im Mittelpunkt der Vorbereitung der

Revolution von morgen.“ (aus dem Kapitel „Geschichte der Schwäche der Partei“ der Artikelfolge „Die Deutsche Revolution“ (1914-1923)

G, April 2018

[1]Wir möchten auf die Arbeit von Marcel Bois „Kommunisten gegen Hitler und Stalin – Die Linke Opposition der KPD in der Weimarer Republik“ verweisen, die trotz vieler Schwächen insbesondere ihres Unverständnis des internationalen Linkskommunismus und der Frage des Fraktionskampfes immerhin an diese wenig bekannten Auseinandersetzungen in und um der KPD verweist und aus der wir alle nicht anders gekennzeichneten Zitate entnommen haben.

[2]Wichtiges Thema war 1927 die verheerende Komintern-Politik in China, die fast zu Liquidierung der jungen chinesischen KP führte (siehe unseren Artikel zur China-Frage). Während die KPD versuchte, jede Diskussion zu diesem Thema zu unterdrücken, gab es auf den Veranstaltungen der Linken Opposition Informationen und Analysen zu dieser Frage.

[3]Siehe hierzu unser Buch Die Italienische Kommunistische Linke und unsere umfangreichen Artikel in der Internationalen Revue.

[4]Die Artikelfolge zur „Deutschen Revolution“ (Internationale Revue Nr. 17 – 29, auch als Pdf von unserer Website downloadbar) behandelt bereits die Ereignisse um den Kapp-Putsch und den Märzaufstand. https://de.internationalism.org/deutschrev/1 [10]

[5]Selbstverständlich ist diese Degenerierung und ihr Kampf dagegen nur im internationalen und historischen Kontext zu verstehen, auf dem Hintergrund der Fähigkeit der Bourgeoisie, den Auftakt zur Weltrevolution in Russland zu isolieren, insbesondere die deutschen Arbeiterklasse niederzuschlagen und eine internationale Ausweitung der Revolution zu stoppen. Die Frage der Degenerierung umfasst sowohl die Tendenz der Partei, mit dem Staate zu verschmelzen (hier hat Bilan eine wichtige kritische Aufarbeitung geleistet) als auch die Unfähigkeit, eine Kampforganisation des Proletariats aufzubauen (eine Schwäche, die insbesondere in Deutschland sich verheerend ausgewirkt hat). Wir möchten hier auf unsere vielfältigen Artikel dazu verweisen.

[6]Die Gruppe um Korsch argumentierte sicherlich noch am genauesten, siehe Kommunistische Politik Nr. 18 vom Oktober 1926, die zwar bereits von der „Liquidierung“ der RKP spricht, aber immerhin noch darauf besteht, dass sie vormals eine „revolutionäre proletarische Klassenpartei“ war:  „zum Abschluß gebracht worden … die Liquidierung der Russischen Kommunistischen Partei als einer wirklichen kommunistischen Partei, ihre Umwandlung aus einer revolutionären proletarischen Klassenpartei in eine scheinbar 'über den Klassen' stehende bürgerliche Staatspartei“. Andere hatten unmittelbar nach der Revolution angefangen, ganz falsche Schlussfolgerungen zu ziehen und verwarfen gleich den proletarischen Charakter der Revolution selbst.

[7]Ein Argument war, dass der „Trotzkist“ Radek 1923 Brandler unterstützt hätte, ebenfalls hatte die Fischer/Maslow Gruppe 1923/24 die Kampagne gegen den „rechten“ Trotzki für eigene Machtkämpfe benutzt

[8]Siehe Seite 78 in unserem Buch Die Italienische Kommunistische Linke

[9]Dies spielte darauf an, dass die deutsche LO sich bisher an Sinowjew orientiert hatte, aber seiner Kapitulation nicht folgte, es ist aber ebenfalls ein Zeichen dafür, dass Trotzki zu diesem Zeitpunkt in Deutschland ebenfalls in der Linken isoliert war.

[10]Hierüber wissen wir leider viel zu wenig, ran an die Arbeit!

[11]Siehe Seite 78 in unserem Buch Die Italienische Kommunistische Linke

Rubric: 

Organisationsfrage

Einleitung zu 50 Jahre seit Mai 68

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Die Ereignisse des Frühjahrs 1968 hatten eine internationale Dimension, sowohl in ihren Wurzeln als auch in ihren Folgen. Sie beruhten auf den Folgen der ersten Anzeichen der Weltwirtschaftskrise, die für die Arbeiterklasse nach mehr als einem Jahrzehnt kapitalistischen Wohlstands wieder zu spüren waren.

Nach Jahrzehnten der Niederlage, Unterwerfung und Orientierungslosigkeit kehrte die Arbeiterklasse im Mai 1968 durch die große Tür auf die Bühne der Geschichte zurück. Nachdem die Student_innenunruhen seit Beginn des Frühlings und vor ihnen die radikalen Arbeiterkämpfe, die seit 1967 stattgefunden hatten, bereits die gesellschaftliche Atmosphäre des Landes verändert hatten, erschütterte der massive Eintritt der Arbeiterklasse in den Kampf (mit 10 Millionen Streikenden) die gesamte soziale Landschaft.

Ziemlich schnell nahmen auch andere nationale Sektoren der Weltarbeiterklasse den Kampf auf. Nach dem großen Streik im Mai 1968 in Frankreich, den Kämpfen in Argentinien (dem Cordobazo), dem italienischen "Heißen Herbst" und vielen anderen Kämpfen in verschiedenen Ländern der Welt war der Beweis geliefert, dass das Weltproletariat die Zeit der Konterrevolution verlassen hatte. Anders als die Krise von 1929 sollte die sich nun entwickelnde nicht zum Weltkrieg führen, sondern zu einer Entwicklung von Klassenkämpfen, die die herrschende Klasse daran hinderte, ihre barbarische Antwort auf die Erschütterungen ihrer Wirtschaft zu geben.

Um das Jubiläum dieses wichtigen Ereignisses zu feiern, veröffentlichen wir auf unserer Website ein Dossier mit den wichtigsten Artikeln, welche die IKS über dieses Ereignis geschrieben hat:

- ‘Den Mai verstehen [11]’, eine Wiederveröffentlichung aus Révolution Internationale 2, 1969 (hier einstweilen der Link auf die englische Übersetzung, bis die deutsche fertig ist), welcher Artikel insbesondere auf die Situationisten antwortet, die damals die Rückkehr der Wirtschaftskrise als Faktor bei der Entstehung der Bewegung bestritten;

- Mai 1968: Die Studentenbewegung in Frankreich und auf der Welt /Teil 1 [12] aus Weltrevolution 147, 2008, und 40 Jahre seit Mai 1968: Das Ende der Konterrevolution - Das historische Wiedererstarken der Arbeiterklasse - 2. Teil [13], der Folgeartikel auf IKSOnline im Juli 2008, die auf die Ereignisse selbst eingehen und ihre historische Bedeutung untersuchen.

Wir beginnen auch, eine Reihe von drei Artikeln mit einem Rückblick auf die Zeit seit 1968 zu veröffentlichen, mit dem Ziel, zu untersuchen, inwieweit die Schlussfolgerungen, die wir über die Bedeutung des Mai 1968 gezogen haben, durch die Geschichte bestätigt wurden. Der erste (Das Versinken in der Wirtschaftskrise [14]) beschäftigt sich mit dem Verlauf der Verschärfung der Wirtschaftskrise und die beiden folgenden mit der Dynamik des Klassenkampfes bzw. der Entwicklung des revolutionären Milieus.

Rubric: 

Serie Mai 68

Quell-URL:https://de.internationalism.org/content/mai-9

Links
[1] https://de.internationalism.org/node/2753 [2] https://de.internationalism.org/tag/aktuelles-und-laufendes/mai-68 [3] https://de.internationalism.org/tag/aktuelles-und-laufendes/klassenkampf [4] https://de.internationalism.org/tag/6/1318/geschichte-der-arbeiterbewegung [5] https://de.internationalism.org/tag/geschichte-der-arbeiterbewegung/mai-1968-frankreich [6] https://de.internationalism.org/content/758/orientierungstext-militarismus-und-zerfall [7] https://en.internationalism.org/icconline/201712/14640/yemen-pivotal-war-fight-influence-middle-east [8] https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/may/09/europe-trump-wreck-iran-nuclear-deal-cancel-visit-sanctions [9] https://de.internationalism.org/iksonline/kongress-der-iks-resolution-zum-internationalen-klassenkampf [10] https://de.internationalism.org/deutschrev/1 [11] https://en.internationalism.org/node/3417 [12] https://de.internationalism.org/node/1610 [13] https://de.internationalism.org/content/1668/40-jahre-seit-mai-1968-das-ende-der-konterrevolution-das-historische-wiedererstarken [14] https://en.internationalism.org/international-review/201804/15129/sinking-economic-crisis