Aufstände in Tunesien und Ägypten, die beste Solidarität ist Klassenkampf

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Wir veröffentlichen nachfolgend einen Artikel, den wir 6 Tage vor dem Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Mubarak verfasst haben. Wir werden in kürze auf die Ereignisse seit dem Rücktritt des Präsidenten und die weitere Entwicklung eingehen. Der Donner in Tunesien und Ägypten hallt in Algerien, Libyen, Marokko, Gaza, Jordanien, Syrien, Irak, Bahrain und Jemen wider. Welche Fahnen die Demonstranten auch tragen mögen, all diese Proteste haben ihre Wurzeln in der weltweiten Wirtschaftskrise des Kapitalismus und ihrer direkten Auswirkungen: Arbeitslosigkeit, steigende Preise, Sparpolitik, Repression und Korruption der Regierungen, die diese brutalen Angriffe gegen die Lebensbedingungen zentralisieren. Kurzum, sie haben die gleichen Wurzeln wie die Revolte der griechischen Jugend gegen die Polizeirepression 2008, der Kampf gegen die „Rentenreform“ in Frankreich, die jüngsten Studentenproteste in Italien und Großbritannien und die Arbeiterstreiks von Bangladesh bis China und von Spanien bis die USA.

Wir veröffentlichen nachfolgend einen Artikel, den wir 6 Tage vor dem Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Mubarak verfasst haben. Wir werden in kürze auf die Ereignisse seit dem Rücktritt des Präsidenten und die weitere Entwicklung eingehen.

Der Donner in Tunesien und Ägypten hallt in Algerien, Libyen, Marokko, Gaza, Jordanien, Syrien, Irak, Bahrain und Jemen wider. Welche Fahnen die Demonstranten auch tragen mögen, all diese Proteste haben ihre Wurzeln in der weltweiten Wirtschaftskrise des Kapitalismus und ihrer direkten Auswirkungen: Arbeitslosigkeit, steigende Preise, Sparpolitik, Repression und Korruption der Regierungen, die diese brutalen Angriffe gegen die Lebensbedingungen zentralisieren. Kurzum, sie haben die gleichen Wurzeln wie die Revolte  der griechischen Jugend gegen die Polizeirepression 2008, der Kampf gegen die „Rentenreform“ in Frankreich, die jüngsten Studentenproteste in Italien und Großbritannien und die Arbeiterstreiks von Bangladesh bis China und von Spanien bis die USA.

Die Entschlossenheit, der Mut und das Solidaritätsgefühl, das in den Straßen von Tunesien, Kairo, Alexandria und vielen anderen Städten zutage tritt, sind sehr inspirierend. Die Massen, die den Tahir-Platz in Kairo besetzt halten oder andere öffentliche Plätze haben sich selbst mit Nahrungsmitteln versorgt, die Angriffe von regimetreuen Schlägertrupps und der Polizei abgewehrt, die Soldaten zur Verbrüderung aufgerufen, ihre Verwundeten gepflegt, Spaltungen zwischen Muslimen und Christen, zwischen religiös und weltlich orientierten Gruppen beiseite geschoben.  In den Stadtvierteln haben sie Komitees gegründet, um ihre Häuser vor den Plünderern zu schützen, die von der Polizei manipuliert werden. Zehntausende haben tagelang oder gar wochenlang gestreikt, um die Reihen der Demonstranten zu stärken.

In Anbetracht des Gespenstes massiver Revolten und der Angst vor der Ausdehnung der Bewegung in der gesamten ‘arabischen Welt’ und sogar darüber hinaus, hat die herrschende Klasse auf der ganzen Welt mit zwei ihrer verlässlichsten Waffen reagiert: Repression und Mystifikation. In Tunesien wurden Dutzende auf den Straßen erschossen, aber jetzt verkündet die herrschende Klasse den Anfang eines Übergangs zur Demokratie; in Ägypten pendelt das Mubarak-Regime zwischen Verprügeln, Erschießen, Tränengaseinsatz, Verhöhnen und Verbreiten von vagen Versprechungen. Im Gaza-Streifen verhaftet die Hamas Demonstranten, die ihre Solidarität mit den Revolten in Tunesien und Ägypten zeigen,  in der Westbank hat die PLO „nicht zugelassene Versammlungen“ zur Unterstützung der Aufstände verboten; im Irak schießt das Regime, das von den US-und britischen „Befreiern“ in den Sattel gehievt wurde, auf Teilnehmer an Protesten gegen Arbeitslosigkeit und Güterknappheit. In Algerien werden Konzessionen nach dem Niederknüppeln der ersten Revolten gemacht, indem schüchterne Protestformen zugelassen werden; in Jordanien hat der König seine Regierung entlassen.

Auf internationaler Ebene hört man von Seiten der  herrschenden Klasse zwei Töne: die Rechten und natürlich Israel unterstützen offen das Regime Mubaraks als das einzige Bollwerk gegen eine Übernahme der Macht durch Islamisten. Und ein Grundgedanke wird von Obama verbreitet: nach anfänglichem Zögern lautete seine Botschaft, dass Mubarak gehen müsse und zwar schnell. Der „Übergang zur Demokratie“ wird als der einzige Weg vorwärts für die unterdrückten Massen Nordafrikas und des Mittleren Ostens dargestellt.

Die Gefahren für die Bewegung

Die Massenbewegung mit Schwerpunkt  Ägypten steht somit vor zwei Gefahren: eine Gefahr ist, dass der Geist der Revolte im Blut erstickt wird. Es scheint, dass der Anfangsversuch des Mubarak-Regimes, sich mittels eiserner Faust zu retten, fehl geschlagen ist. Zunächst musste die Polizei sich aufgrund der Massendemonstrationen aus den Straßen zurückziehen, und den Prügelknaben des Mubarak-Regimes ist es letzte Woche auch nicht gelungen, den Willen der Demonstranten zu brechen. Bei beiden Konfrontationsrunden stellte sich die Armee als „neutrale Kraft“ dar, sogar als eine Kraft auf Seiten der Mubarak-feindlichen Versammlungen, welche sie vor den Angriffen der Verteidiger des Regimes schützte. Ohne Zweifel sympathisieren viele Soldaten mit den Protesten und wären nicht bereit, auf die Menge in der Straße zu schießen. Einige Soldaten sind auch schon desertiert. In den höheren Rängen der Militärhierarchie gibt es sicherlich Kreise, die Mubarak jetzt loswerden wollen. Aber die Armee des kapitalistischen Staates ist keine neutrale Kraft. Ihr „Schutz“ des Tahir-Platzes ist auch eine Art Eindämmung, ein großer Kessel, und wenn es hart auf hart kommt, wird die Armee tatsächlich gegen die Ausgebeuteten eingesetzt werden, es sei denn diesen gelingt es, die unteren Ränge der Armee, die Rekruten, für sich zu gewinnen und die Armee als ein organisierter Teil der Staatsmacht zum Zerbröseln zu bringen.

Aber damit sind wir bei der zweiten großen Gefahr angelangt, vor der die Bewegung steht – die Gefahr der weitverbreiteten Illusionen in die Demokratie. Der Glaube, dass der Staat vielleicht nach einigen Reformen dazu bewegt werden kann, dem Volk zu dienen, der Glaube, dass „alle Ägypter“, vielleicht mit Ausnahme einiger weniger korrupter Individuen, grundsätzlich die gleichen Interessen hätten, der Glaube an die Neutralität der Armee, der Glaube, dass die furchtbare Armut, unter der die Mehrheit der Bevölkerung leidet, überwunden werden kann, wenn es ein funktionierendes Parlament und ein Ende der Willkürherrschaft eines Ben Ali oder Mubarak gibt…

Diese Illusionen der Demonstranten, die jeden Tag durch deren Reden und deren Spruchbänder sichtbar werden, entwaffnen die wirkliche Bewegung der Befreiung, welche eigentlich nur vorankommen kann als seine Bewegung der Arbeiterklasse, die für ihre eigenen Interessen kämpft, die sich von denen der anderen Gesellschaftsschichten unterscheiden, und die vor allem den Interessen der Herrschenden und all ihrer Parteien und Fraktionen entgegengesetzt sind. Die unzähligen Ausdrücke der Solidarität und Selbstorganisation, die man bislang beobachten konnte, spiegeln das typisch proletarische Wesen der gegenwärtigen Erhebungen wider, und wie viele der Protestierenden meinten, sie kündigen eine neue und humanere Gesellschaft an. Aber diese neue und bessere Gesellschaft kann nicht durch Parlamentswahlen eingeführt werden, indem El Barbadei oder die Moslimbruderschaften oder irgendeine andere bürgerliche Fraktion an die Spitze des Staates gestellt werden.  Diese Fraktionen, die durch die Illusionen der Massen an die Macht gespült werden können, werden nicht davor zurückschrecken, später Repression gegen dieselben Massen einzusetzen.

In den mainstream Medien und in den Gruppierungen der Extremen Linken redet man viel von einer “Revolution” in Tunesien und Ägypten. Aber die einzige Revolution, die heute Sinn macht, ist die proletarische Revolution, weil wir in einer Ära leben, in welcher der Kapitalismus, demokratisch oder diktatorisch, der Menschheit ganz einfach nichts mehr anbieten kann. Solch eine Revolution kann nur international erfolgreich sein, indem sie alle nationalen Grenzen und Nationalstaaten überwindet. Die heutigen Klassenkämpfe und Massenrevolten sind sicherlich eine Stufe auf dem Weg zu solch einer Revolution, aber sie stoßen auf alle möglichen Hürden. Um das Ziel der Revolution zu verwirklichen, müssen tiefgreifende Umwälzungen der politischen Organisation und des Bewusstseins von Millionen von Menschen stattfinden.

In gewisser Hinsicht verkörpert die Lage in Ägypten sehr gut die historische Lage, vor der die Menschheit insgesamt steht. Der Kapitalismus befindet sich in seinem endgültigen Niedergang. Die herrschende Klasse kann für die Zukunft des Planeten keine Perspektiven anbieten, aber die ausgebeutete Klasse ist sich ihrer eigenen Macht,  ihrer eigenen Perspektiven und ihres eigenen Programms der Überwindung dieser Gesellschaft noch nicht bewusst. Letztendlich besteht die Gefahr, dass diese vorübergehende Pattsituation in der gegenseitigen Zerstörung der beteiligten Klassen endet, wie das Kommunistische Manifest schrieb, in einem Versinken in Chaos und Zerstörung. Aber die Arbeiterklasse wird ihre eigene Macht nur dadurch entdecken, indem sie wirkliche Kämpfe führt; deshalb sind die Auseinandersetzungen in Nordafrika und im Mittleren Osten trotz all ihrer Illusionen und Schwächen ein wahres Leuchtfeuer für die anderen ArbeiterInnen auf der Welt.  

Vor allem stellen sie einen Aufruf an die ArbeiterInnen der höher entwickelten Länder dar, die ebenso angefangen haben, wieder zurück zum Kampf zu finden, den nächsten Schritt zu vollziehen, ihre praktische Solidarität mit den Massen der “Dritten Welt” zum Ausdruck zu bringen, indem sie ihren eigenen Kampf gegen die Sparpolitik und die Verarmung intensivieren. Dadurch legen sie all die Lügen von der kapitalistischen Freiheit und Demokratie bloß, mit der sie eine lange und bittere Erfahrung gemacht haben.      

World Revolution, 5.2.2011

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