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“Mehr noch als in der Wirtschaft hat das dem Zerfall eigene Chaos Auswirkungen auf die politischen Beziehungen zwischen den Staaten. Zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs des Ostblocks, der zur Auflösung der Allianzen führte, die aus dem 2. Weltkrieg hervorgegangen waren, schrieb die IKS:
- daß diese Lage die Bildung neuer Blöcke auf die Tagesordnung setzte, auch wenn dies noch nicht sofort möglich würde, wobei einer der Blöcke von den USA, der andere von Deutschland angeführt würde;
- daß die neue Lage sofort zu einer Reihe von Zusammenstößen führen würde, die zuvor durch das Abkommen von Jalta in einem für die beiden Gendarmen der Welt in einem “annehmbaren” Rahmen gehalten werden konnten. (...)
“Seitdem ist diese Tendenz des “Jeder gegen Jeden”, des Chaos in den Beziehungen zwischen den Staaten mit seiner Reihe von zeitlich begrenzten und kurzweiligen Bündnissen nicht in Frage gestellt worden, sondern genau das Gegenteil ist eingetreten” (...)
“...dann hat die Tendenz des “Jeder für sich” ziemlich schnell Überhand gewonnen im Verhältnis der Tendenz zur Bildung von festen Blöcken, die als Grundlage zukünftiger imperialistischer Blöcke dienen könnten, wodurch wiederum die militärischen Zusammenstöße zugenommen haben.” (“Resolution über die internationale Lage”, Internationale Revue Nr. 19)
Dies sind die Worte, mit welchen die IKS an ihrem 12. Kongreß die internationale imperialistische Situation beschrieben hat, eine Auffassung, die in den letzten Monaten durch zahlreiche Ereignisse veranschaulicht und bestätigt worden ist. Die wachsende Instabilität der kapitalistischen Welt drückt sich vor allem in einer Vervielfachung von mörderischen Konflikten an allen Ecken der Welt aus. Diese Verschärfung der kapitalistischen Barbarei ist vor allem das Werk der Großmächte, welche nicht aufhören, uns einerseits “eine Welt des Friedens und Wachstums” zu versprechen, deren immer heftigere und offenere Rivalitäten der Menschheit jedoch immer mehr Tote und eine Verallgemeinerung des Terrors und der Misere bescheren.
“Seitdem die Teilung der Welt in zwei Blöcke aufgehoben ist, wird die Autorität der ersten Großmacht der Welt ständig durch ihre ehemaligen Verbündeten herausgefordert.” Deshalb war diese gezwungen, gegenüber ihren Rivalen und deren imperialistische Interessen in der vergangenen Periode eine “massive Gegenoffensive” zu starten, vor allem im ehemaligen Jugoslawien und in Afrika. Nichtsdestotrotz fahren die ehemaligen Verbündeten der USA fort, diese gerade in deren Jagdgründen wie Lateinamerika und dem Nahen Osten herauszufordern.
Wir können hier nicht alle Zonen der Welt anschneiden, welche unter den Auswirkungen der Tendenz des “Jeder gegen Jeden” und der Zuspitzung der imperialistischen Rivalitäten unter den Großmächten zu leiden haben. Doch wollen wir hier einige Beispiele aufzeigen, welche diese Analyse klar verdeutlichen und die in der letzter Zeit erneut drastisch aufgelodert sind.
Schwarzafrika: um die Interessen Frankreichs steht es schlecht
In der oben zitierten Resolution stellten wir fest, daß die führende Weltmacht “dem Land, das sie am offensten herausgefordert hat, Frankreich, einen Schlag in dem Gebiet versetzen können, das Frankreich bislang als seinen “Hinterhof” bezeichnen konnte - Afrika.” Diese Tatsachen erlaubten uns zu sagen: “Nach dem Zurückdrängen des französischen Einflusses in Ruanda entgleitet jetzt vor allem der Hauptstützpfeiler Frankreichs auf dem Kontinent, Zaire, seiner Kontrolle. Das Regime Mobutus zerfällt immer mehr unter den Auswirkungen der “Rebellion” Kabilas, der massiv von Ruanda und Uganda, d.h. von den USA, unterstützt wird.”
Seither haben Kabilas Horden Mobutu verjagt und in Kinshasa die Macht ergriffen. Durch diesen Sieg und die enormen Massaker an der Zivilbevölkerung, die er mit sich gebracht hatte, ist die direkte und offensive Rolle der USA, vor allem durch die zahlreichen “Berater”, die sie Kabila zur Verfügung gestellt hatten, mittlerweile ein offenes Geheimnis geworden. Gestern war es noch der französische Imperialismus, der die Banden der Hutus bewaffnet und beraten hatte, verantwortlich für die Massaker in Ruanda und zur Destabilisierung des pro-amerikanischen Regimes von Kigali; heute tut Washington dasselbe mit den Tutsi-”Rebellen” Kabilas gegen die Interessen Frankreichs. Zaire ist somit ebenfalls in die Hand der USA gefallen. Frankreich hat dadurch eine entscheidende Bastion verloren, was seine gänzliche Verdrängung aus der “Region der Großen Seen” bedeutet.
Noch mehr, diese Situation hat sofort eine Kettenreaktion von Destabilisierungen in den Nachbarländern hervorgerufen, welche ebenfalls unter der Kontrolle Frankreichs sind. Die Autorität und Glaubwürdigkeit des “französischen Paten” hat in der Region einen schweren Schlag erlitten, was die USA möglichst auszunützen versuchen. Seit einigen Wochen ist auch Kongo-Brazzaville durch einen Krieg zerrissen, den sich die zwei ehemaligen Präsidenten, alle beide “Geschöpfe” Frankreichs, liefern. Der Druck und die zahlreichen Verhandlungsbemühungen aus Paris brachten bisher keinerlei Erfolg. In Zentralafrika, einem Lande das zurzeit einem blutigen Chaos unterworfen ist, zeigt sich dieselbe Machtlosigkeit. Trotz zweier entschlossener militärischer Interventionen und der Bildung einer “Afrikanischen Eingreiftruppe” zu seiner Stärkung, gelingt es dem französischen Imperialismus nicht, seine Stellungen zu halten. Hinzu kommt noch, daß der zentralafrikanische Präsident Ange Patassé, ein weiteres “Geschöpf” Frankreichs, jetzt mit einer Inanspruchnahme der amerikanischen Hilfe droht, was das Mißtrauen gegenüber dem bisherigen Beschützer zum Ausdruck bringt. Dieser Vertrauensverlust dehnt sich heute über ganz Schwarzafrika aus und droht schließlich auch die treusten Bastionen Frankreichs einzuholen. Der Einfluß Frankreichs schwindet auf dem gesamten Kontinent, wie es zum Beispiel der letzte Jahresbericht der UNO, wo die wichtigen “französischen Vorschläge” zurückgewiesen wurden, deutlich gezeigt hat:
- Einer der Vorschläge betraf die Anerkennung der neuen Macht in Kinshasa, die Paris zurückstellen und an Bedingungen knüpfen wollte: Durch den Druck der USA und deren afrikanische Verbündete erhielt Kabila nicht nur eine sofortige Anerkennung, sondern ebenfalls wirtschaftliche Unterstützung “für den Wiederaufbau seines Landes.”
- Der andere betraf die Ernennung einer neuen Leitung des afrikanischen UNO-Apparates: Der “Kandidat” Frankreichs mußte sich, von seinen “Freunden” im Stich gelassen, noch vor der Wahl zurückziehen.
Der französische Imperialismus verzeichnet gegenwärtig unter den Schlägen und zum Vorteil des amerikanischen Imperialismus auf dem ganzen Kontinent eine Serie von schweren Rückschlägen, und es scheint für Frankreich eine historische Niederlage zu bedeuten, in einem Gebiet, das bis vor kurzem sein Hinterhof war.
“Damit erhält Frankreich von den USA eine besonders harte Bestrafung. Die USA wollen somit exemplarisch gegenüber allen anderen Ländern handeln, die genauso wie Frankreich ständig die USA herausfordern möchten.” (ebenda)
Doch trotz seines Niedergangs hat der französische Imperialismus seine Kräfte zur Verteidigung seiner Interessen nicht gänzlich verloren und verfügt noch über Trümpfe, die er gegen die im Moment erfolgreiche amerikanische Offensive einsetzen kann. Dies vor allem durch das strategische Neuformieren seiner militärischen Kräfte in Afrika. Auch wenn Paris (wie andere) auf diesem Terrain weit davon entfernt ist, mit Washington die Kräfte messen zu können, bedeutet es, daß Frankreich keinesfalls die Hände in den Schoß gelegt hat. Zumindest wird es wie bisher all seine Kraft in Störaktionen zur Behinderung der amerikanischen Politik und deren Interessen einzusetzen wissen. Die Bevölkerung Afrikas hat ihr Leiden unter dem Ringen der großen imperialistischen Gangster noch nicht beendet.
Hinter den Massakern in Algerien: dieselben schäbigen Interessen der “Großen”
Algerien ist ein weiteres Schlachtfeld, das unter der Peitsche des Zerfalls des Kapitalismus zu leiden hat und auf dem die unerbittlichen Interessengegensätze zwischen den Großmächten ausgetragen werden. So versinkt dieses Land seit nahezu fünf Jahren in ein immer blutigeres und barbarischeres Chaos. Die serienmäßigen Abrechnungen, die unaufhörlichen Massaker an der Zivilbevölkerung, die zahlreichen mörderischen Attentate selbst in der Hauptstadt stürzen dieses Land in den Horror und einen alltäglich stattfindenden Terror. Seit 1992, dem Beginn dessen, was die bürgerlichen Medien scheinheilig die “Algerienkrise” nennen, hat die Zahl der Toten zweifellos 100’000 überschritten. Wenn es eine Bevölkerung (und somit ein Proletariat) gibt, die im Krieg zwischen den Fraktionen der herrschenden Klasse regelrecht als Geisel genommen wird, so ist es wahrlich in Algerien. Diejenigen, welche heute täglich morden, welche direkt verantwortlich sind für den Tod von Tausenden von Männern, Frauen, Kindern und alten Leuten, sind ohne Zweifel die bewaffneten Banden im Dienste der verschiedenen heute bestehenden bürgerlichen Lager:
- Die Islamisten, deren unnachgiebigste und fanatischste Fraktion, der GIA, saugt vor allem eine zersetzte, ermüdete und perspektivlose Jugend auf, welche in die Kriminalität zu versinken droht. Perspektivlos aufgrund der heutigen dramatischen Wirtschaftslage Algeriens, die eine Mehrheit der Bevölkerung zu Arbeitslosigkeit, Misere und Hunger verurteilt. Al Wasat, die in London herausgegebene Presse der saudiarabischen Bourgeoisie räumt ein: “Diese Jugend hat zuerst einen Motor dargestellt, dessen sich der FIS bediente um alle einzuschüchtern, welche sich ihm auf seinem Weg zur Übernahme der Macht entgegenstellten”, aber mehr und mehr sei sie ihm entwichen.
- Der algerische Staat, der, wie jedermann klar erkennen kann, selbst direkt in zahlreiche Massaker verwickelt ist, welche er den “islamischen Terroristen” in die Schuhe schiebt. Die gesammelten Zeugenaussagen über die Schlächterei von Rais, einem Vorort von Algier, mit 200-300 Toten Ende August, beweisen, daß das Regime von Zéroual alles andere als unschuldig ist: “Es dauerte von 22.30 Uhr bis 2.30 Uhr. Sie (die Mörder) konnten sich Zeit lassen. (...) Keine Hilfe ist aufgetaucht. Dies obwohl die Sicherheitskräfte sehr nahe sind. Die ersten, die dann an diesem Morgen erschienen, waren die Feuerwehrleute.” (Zeugenaussagen zitiert aus der Zeitung Le Monde) Es ist heute offensichtlich, daß ein Großteil der sich wiederholenden Schlächterein in Algerien entweder das Werk der staatlichen Sicherheitsdienste oder der “Selbstverteidigungsmilizen” sind, welche von demselben Staat bewaffnet und kontrolliert werden. Diese Milizen sind nicht dazu beauftragt, “über die Sicherheit der Dörfer zu wachen”, wie das Regime glauben machen will, sondern sie stellen für den Staat ein Mittel zur Abriegelung der Bevölkerung dar, eine fürchterliche Waffe zur Eliminierung der Opposition und Durchsetzung seiner Macht mittels Terror.
Gegenüber dieser entsetzlichen Situation hat die “Weltöffentlichkeit”, das heißt vor allem die westlichen Großmächte, begonnen, ihre “Gefühle” zu zeigen. Als der Generalsekretär der UNO, Kofi Annan, versucht, “an die Toleranz und den Dialog” zu appellieren und zu einer “dringenden Lösung” aufruft, bekundet Washington, das sich “entsetzt” zeigt, sofort seine Unterstützung. Der französische Staat auf der anderen Seite, gibt sich mitleidig, verbietet sich jedoch eine “Einmischung in die Angelegenheiten Algeriens”. Die Scheinheiligkeit dieser “großen Demokratien” ist absolut widerlich, da sie immer schlechter ihre Verantwortung am Massaker, welches dieses Land heimsucht, verdecken können. Mit den verschiedenen Fraktionen der herrschenden Klasse Algeriens als Mittelsmänner liefern sich vor allem die USA und Frankreich seit dem Verschwinden der großen imperialistischen Blöcke einen gnadenlosen Krieg. Ziel dieser schmutzigen Rivalität ist für Frankreich der Verbleib Algeriens in seinem Schosse und für Washington dessen Eroberung zu seinen eigenen Gunsten, oder zumindest das Zurückdrängen des Einflusses seines Rivalen.
Der erste Schachzug in diesem Kampf wurde vom amerikanischen Imperialismus geführt durch seine versteckte Unterstützung der fundamentalistischen Fraktion des FIS (welche ihr mittels der Unterstützung Saudi-Arabiens hörig wurde) bis zu dem Punkt, als diese 1992 die Macht zu ergreifen drohte. Und es war ein regelrechter Staatsstreich des bestehenden Regimes in Algier mit der Unterstützung Frankreichs, der es ermöglichte, die Gefahr, welche für die die Regierung ausübenden Fraktionen und die Interessen Frankreichs bestand, zu beseitigen. Seither hat die Politik des algerischen Staates, vor allem durch das Verbot des FIS und die Jagd und Einkerkerung einer Vielzahl seiner Führer und Militanten, dessen Einfluß in Algerien verringert. Aber auch wenn diese Politik insgesamt erfolgreich war, so ist sie doch eben gerade für das momentane Chaos verantwortlich. Genau dies hat die verschiedenen Fraktionen des FIS in die Illegalität, den Untergrundkampf und ihre terroristischen Aktionen geführt. Heute sind die Islamisten wegen ihrer zahlreichen und abscheulichen Greueltaten in Verruf geraten. Somit kann man feststellen, daß das Regime von Zéroual durch die Unterstützung aus Paris im Moment seine Ziele erreicht hat. Auch der französische Imperialismus machte einen ersten erfolgreichen Schritt der Offensive, der führenden Weltmacht zu widerstehen und seine Interessen in Algerien zu verteidigen. Der Preis dieses “Erfolges” ist die Bevölkerung, welche heute und auch noch morgen dafür den Kopf hinhalten muss. Wenn die USA kürzlich davon gesprochen haben, ihre ganze Unterstützung dem “persönlichen Einsatz” Kofi Annans entgegenzubringen, so bedeutet dies nur, Algerien nicht ohne weiteres aufgeben zu wollen, worauf Chirac auch sofort damit antwortete, jegliche Politik “der Einmischung in die algerischen Angelegenheiten” schon im voraus zu verurteilen, um so die Bereitschaft zur Verteidigung seines Einflußgebietes klarzustellen.
Naher Osten: anwachsende Probleme für die amerikanische Politik
Auch wenn die zweitrangigen imperialistischen Mächte wie Frankreich Probleme haben, ihre Autorität in ihren traditionellen Einflußgebieten aufrecht zu erhalten und dort unter den Schlägen der USA Rückschritte erleiden, so bleibt auch Amerika nicht vor Schwierigkeiten, gerade in seinen Jagdgründen wie dem Nahen Osten, verschont. Diese Region, über die es seit dem Golfkrieg eine fast ausnahmslose Alleinherrschaft ausübt, ist einer wachsenden Instabilität unterworfen, welche die “pax americana” und die Autorität der USA in Frage stellt. In unserer in diesem Text zitierten Resolution, haben wir eine Reihe von Beispielen angeführt, welche die Anfechtung der amerikanischen Führungsrolle in einigen ihrer Vasallenstaaten dieser Region verdeutlichen. So kam es vor allem im Herbst 1996 zu einer “nahezu einhelligen Verwerfung der Bombardierung des Iraks durch 44 Marschflugkörper”, einer Ablehnung sogar durch sonstige “Getreue” wie Ägypten und Saudi-Arabien. Ein anderes bemerkenswertes Beispiel: “die Regierungsübernahme der Rechten in Israel, die gegen den Willen der USA geschah; seitdem hat die rechte Regierung alles unternommen um den Friedensprozess mit den Palästinensern zu sabotieren, der einer der größten Erfolge der US-Diplomatie war.” Die seither entstandene Lage hat diese Analyse genauestens bestätigt.
Seit letztem März erlitt der “Friedensprozess” mit dem Abbruch der israelisch-palästinensischen Verhandlungen und der durch die Regierung Netanyahou eingeführten zynischen Politik der Kolonisierung der besetzten Gebiete einen entscheidenden Rückschlag. Seither sind die Spannungen in dieser Region angewachsen. Sie zeichneten sich in diesem Sommer vor allem durch eine Reihe von Selbstmordattentaten der Hamas in ganz Jerusalem aus, was dem israelischen Staat Gelegenheit gab, seine Repression gegen die palästinensische Bevölkerung zu verstärken und eine “Blockade der befreiten Gebiete” aufzubauen. Zusätzlich wurde auch eine Serie von zerstörerischen und mörderischen Angriffen der Armee gegen die Hisbollah im Südlibanon durchgeführt. Aufgrund der zunehmenden Entgleisung der Situation bemühte sich das Weiße Haus mit dem Einsatz seiner zwei Hauptdiplomaten Denis Ross und Madeleine Albright, jedoch ohne großen Erfolg. Letztere hat sogar zugegeben, “keine Methode gefunden zu haben, um den Friedensprozess wieder auf die Beine zu bringen”. Tatsächlich bleibt Netanyahou trotz starkem Druck Washingtons taub und führt seine aggressive Politik gegenüber den Palästinensern fort, mit der er die Autorität Arafats ins Wanken bringt und damit dessen Möglichkeiten, Kontrolle über die Palästinenser auszuüben. Von den arabischen Staaten bringen immer mehr ihren Unwillen gegenüber der amerikanischen Politik zum Ausdruck, welche sie beschuldigen, die arabischen Interessen zugunsten Israels zu opfern. Unter den sich der Autorität der USA entgegenstellenden Ländern befindet sich Syrien, welches zur Zeit daran ist, seine wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zu Teheran auszubauen, und gleichzeitig seine Grenzen zum Irak öffnen will. Und selbst was bis vor kurzen noch unvorstellbar schien, ist mittlerweile im Gange: Saudi-Arabien, “der treuste Verbündete” Amerikas, aber auch bisher der größte Widersacher des “Regimes der Mullahs”, erneuert seine Beziehungen mit dem Iran. Diese neue Haltung gegenüber dem Iran und dem Irak, zwei Hauptzielscheiben der US-Politik in den letzten Jahren, bedeutet für die USA nicht anderes als eine Herausforderung und schwere Kränkung.
Im Rahmen dieser anwachsenden Schwierigkeiten, mit denen ihr Rivale auf der anderen Seite des Atlantiks konfrontiert ist, zögern die europäischen Bourgeoisien nicht, Öl ins Feuer zu gießen. Schon unsere Resolution hat diesen Aspekt hervorgehoben, und unterstrichen, daß die Anfechtung der amerikanischen Führungsrolle bestätigt wird, “auf der allgemeinen Ebene durch den Verlust der alleinigen Kontrolle in dieser entscheidenden Region, dem Nahen Osten. Die Aufwertung Frankreichs verdeutlicht dies, denn Frankreich hat sich als zweite Kraft bei der Lösung des Konfliktes zwischen Israel und dem Libanon Ende 1995 aufgedrängt”. So konnte man auch während des Sommers beobachten, wie die EU Denis Ross übers Ohr haute und durch seinen “Sondergesandten”, der die Bildung eines “permanenten Sicherheitskomitees” vorschlug, um Israel und der PLO “eine permanente und nicht nur unregelmäßige Zusammenarbeit zu ermöglichen”, einen Keil in die Risse der amerikanischen Diplomatie schlug. Kürzlich heizte auch der französische Außenminister Védrine wieder ein, indem er die Politik Netanyahous als “katastrophal” bezeichnete und damit gleichzeitig die amerikanische Politik angriff. Zusätzlich stellte er deutlich fest, daß der “Friedensprozess gescheitert” sei und “keine Perspektive mehr existiert”. Dies scheint zumindest eine Aufforderung an die Adresse der Palästinenser und alle arabischen Staaten zu sein, sich von den USA und ihrer “pax americana” abzuwenden.
“Deshalb kann man die Erfolge der gegenwärtigen Konteroffensive der USA keinesfalls als endgültig ansehen oder als Überwindung ihrer Führungskrise. Und auch wenn “die rohe Gewalt, die Manöver zur Destabilisierung ihrer Konkurrenten (wie heute in Zaire) mit all den tragischen Folgen deshalb weiter von den USA zum Einsatz kommen”, haben diese Konkurrenten selbst mitnichten aufgehört, all ihre Möglichkeiten zur Sabotage der Politik der Weltmacht in Richtung Alleinherrschaft auszuspielen.
Heutzutage ist kein Imperialismus, selbst der stärkste, vor Sabotageakten seiner Konkurrenten gefeit. Die sicheren Einflusszonen und Jagdgründe drohen zu verschwinden. Es gibt auf diesem Planeten keine “sicheren” Zonen mehr. Mehr als bisher ist die Welt dem zügellosen Gesetz des “Jeder gegen Jeden” ausgeliefert. All dies trägt zu Ausbreitung und Verstärkung des blutigen Chaos bei, in dem der Kapitalismus zu versinken droht.
Elfe, 20. September 1997