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Die CWO hingegen hat für die organisatorischen Schwierigkeiten der IKS eine andere Erklärung bereit: „(...) die gegenwärtige Krise der IKS ist (...) das Resultat (...) einer politischen Demoralisierung. Der wahre Grund dafür ist der, daß die Perspektiven, auf denen die IKS gegründet wurde, nun schlußendlich, angesichts der Realität, welche die IKS jahrelang immer zu ignorieren versucht hat, zusammengebrochen sind. Tatsächlich paßt das, was wir schon zur früheren Abspaltung von 1981 gesagt hatten auch zur heutigen Krise: „Die Gründe der gegenwärtigen Krise sind über einige Jahre hinweg entstanden und sind in den Grundsatzpositionen der Gruppe zu suchen. Die IKS behauptet, daß die ökonomische Krise mit all ihren Widersprüchen „hier ist“, und dies bereits seit mehr als 12 Jahren. Sie sehen revolutionäres Bewußtsein direkt und spontan aus den Kämpfen der Arbeiter gegen die Auswirkungen der Krise entspringen. Es überrascht uns deshalb nicht, daß wenn die Krise nicht das von der IKS prophezeite Niveau von Klassenkämpfen hervorruft, es zu Spaltungen in der Organisation kommt.“ (Workers Voice Nr. 5)
Seit damals hat sich die Lage der Arbeiterklasse verschlechtert, und sie wurde in die Defensive gedrängt. Statt dies zuzugeben, behauptete die IKS während der 80er Jahre, wir würden durch die „Jahre der Wahrheit“ schreiten, welche uns hin zu immer größeren Klassenkonfrontationen führen (...). Der offensichtliche Widerspruch zwischen der IKS-Perspektive und der kapitalistischen Realität hätte die momentane Krise schon früher ausgelöst, wäre nicht der Zusammenbruch des Stalinismus dazwischen gekommen. Dieses einmalige historische Ereignis ließ die Diskussion über den historischen Kurs in dem Masse vollständig untergehen, wie eine Erschütterung von solchem Umfang für eine bestimmte Zeit den Kurs der Bourgeoisie in Richtung Krieg zurückgestoßen hat und gleichzeitig der Arbeiterklasse erlaubte, mehr Zeit zu haben, um sich wieder zu formieren, bevor die neuen Angriffe des Kapitals wieder breite soziale Konflikte auf internationaler Ebene notwendig machten. Es gab der IKS ebenso eine Chance, sich vor den Konsequenzen der „Jahre-der-Wahrheit“-Perspektiven zu drücken. Wie auch immer, die Probleme sind in ihrem Ursprung nicht gelöst. Für die IKS endete 1968 die Konterrevolution und eröffnete die Phase, in der das Proletariat seine historische Rolle übernehmen könne. Wohin hat diese Konfrontation fast 30 Jahre später (d.h. mehr als eine Generation!) geführt? Dies war die Frage, die wir der IKS 1981 gestellt hatten und die ihr noch heute wie ein Gespenst im Nacken sitzt.
Die IKS weiß dies, und in der Absicht, weitere Demoralisierungen zu vermeiden, ist sie auf der Suche nach einem altbewährten Sündenbock. Die IKS ist nicht bereit, ihre aktuelle Krise als ein Ergebnis ihrer eigenen politischen Irrtümer zu betrachten. Deshalb hat sie, und dies nicht zum ersten Mal, versucht, die Realität auf den Kopf zu stellen und beharrt darauf, daß die Probleme mit denen sie konfrontiert ist, von „parsitären“ Elementen außerhalb der Organisation kommen, die sie organisatorisch unterwandern würden.“
Die Leser unserer Presse konnten jedoch immer feststellen, daß wir in Wirklichkeit unsere internen organisatorischen Schwierigkeiten niemals den Aktivitäten von parasitären Elementen zugeschoben haben. Entweder lügt die CWO absichtlich (und in diesem Fall würden wir sie fragen weshalb?) oder sie hat das, was wir geschrieben haben sehr oberflächlich gelesen (und in diesem Falle würden wir ihren Genossen raten, sich neue Brillen zu kaufen). Auf jeden Fall ist eine solche Behauptung erdrückender Beweis für das Fehlen einer Genauigkeit, die in der politischen Debatte absolut erforderlich ist. Dies wollen wir jedoch beiseite lassen und zum Kern der Differenzen zwischen der IKS und der CWO (und dem Internationalen Büro für die Revolutionäre Partei, IBRP) kommen. Vor allem aber wollen wir in diesem Artikel die Frage aufgreifen, ob die Perspektiven der IKS für den Klassenkampf gescheitert sind.[iii]
Sind die Perspektiven der IKS bankrott?
Um über die Gültigkeit der Perspektive, die wir für die 80er Jahre aufgezeichnet haben, zu entscheiden, ist es notwendig, zu betrachten was wir zu Beginn des Jahrzehnts geschrieben hatten:
„(...) solange die Lösung der Krise möglich schien, hat sie (die Bourgeoisie) die Ausgebeuteten mit illusorischen Versprechungen eingeschläfert: „akzeptiert heute die Austeritätsmassnahmen und morgen wird`s besser gehen“ (...)
Da heute die Versprechungen einer „goldenen Zukunft“ niemanden mehr täuschen, hat die herrschende Klasse andere Register gezogen. Jetzt fängt sie an, das Gegenteil zu versprechen, indem sie laut behauptet, das Schlimmste stände noch vor uns. Man könne aber daran nichts ausrichten, es sei „die Schuld der anderen“, daß es keinen anderen Ausweg gebe (...). So ist die Bourgeoisie - während sie ihre eigenen Illusionen verliert - gleichzeitig immer mehr dazu gezwungen, der Arbeiterklasse gegenüber klar von der Zukunft zu reden, die sie ihr anzubieten hat.
(...) Wenn die Bourgeoisie einerseits der Menschheit keine andere Zukunft als den totalen Krieg anbieten kann, so zeigen andererseits die sich heute entwickelnden Kämpfe, daß das Proletariat nicht willens ist, der Bourgeoisie freien Spielraum zu lassen und daß es eine andere Zukunft anzubieten hat. Eine Zukunft, in der es weder Krieg noch Ausbeutung geben wird: den Kommunismus.
In dem jetzt angebrochenen Jahrzehnt wird sich somit diese Alternative entscheiden: entweder setzt das Proletariat seine Offensive fort, lähmt weiterhin die Mörderhand des zugrundegehenden Kapitalismus und sammelt seine Kräfte für dessen Umsturz, oder es läßt sich in der Falle fangen, erschöpfen, und durch die Reden und die Unterdrückung seitens der Bourgeoise demoralisieren. Somit wäre der Weg frei zu einem neuen Holocaust, der die ganze menschliche Gesellschaft auszulöschen droht. Wenn die 70er Jahre sowohl für die Bourgeoise wie auch für das Proletariat die Jahre der Illusionen waren, so werden die 80er Jahre die Jahre der Wahrheit sein, weil sich die Wirklichkeit dieser Welt vollständig entblößen, und weil sich in diesen Jahren zum Großteil die Zukunft der Menschheit entscheiden wird.“ [iv]
Wie die CWO schreibt, haben wir diese Analyse durch die ganzen 80er Jahre hindurch aufrechterhalten. Dabei war jeder internationale Kongreß, den wir in dieser Periode abgehalten haben, eine Gelegenheit für die IKS, die Gültigkeit dieser Analyse zu bestätigen.
„Zu Anfang der 80er Jahre bezeichneten wir das neue Jahrzehnt als die „Jahre der Wahrheit“ (...) Nach den ersten drei Jahren dieses Jahrzehnts kann man feststellen, daß sich diese Aussage voll bestätigt hat: noch nie war die Sackgasse, in der sich die kapitalistische Wirtschaft befindet, seit den 30er Jahren so deutlich vor Augen getreten; noch nie hat die Bourgeoisie seit dem letzten Weltkrieg solche Waffenarsenale entwickelt, soviel für die Produktion von Zerstörungsmitteln mobilisiert, und seit den 20er Jahren hat das Proletariat noch nie solche Kämpfe mit der Schlagkraft entfaltet wie 1980-81(...).“[v]
Während dieses Kongresses unterstrichen wir aber auch gleichzeitig die Tatsache, daß das Weltproletariat durch den staatlichen Ausnahmezustand in Polen soeben eine große Niederlage erlitten hatte:
„Während die Jahre 1978 bis 80 durch ein weltweites Auftreten von Arbeiterstreiks gekennzeichnet waren (Streiks der Rotterdamer Hafenarbeiter, Stahlarbeiter in Großbritannien, Metallarbeiter in der BRD und Brasilien, die Zusammenstöße in Denain-Longwy in Frankreich, die Massenstreiks in Polen), gab es 1981 und 82 einen deutlichen Rückfluß im Klassenkampf. Dieses Phänomen hat sich besonders in den „klassischen“ kapitalistischen Ländern wie zum Beispiel in Großbritannien gezeigt, wo es 1981 die geringste Zahl von Streiktagen seit 1945 gab, wogegen sie 1979 mit 29 Millionen Streiktagen einen Höchststand seit dem Jahr des Generalstreiks von 1926 erreicht hatten. So kamen die Ausrufung des Kriegsrechts in Polen sowie die gewaltige Repression nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Der tiefste Punkt der Niederlage der Arbeiter nach dem Sommer 1980, die Kriegserklärung im Dezember 1981, war Teil einer Niederlage des gesamten Proletariats. (...)
Egal wie schwerwiegend die Niederlage der Arbeiterklasse während der letzten Jahre war, sie stellt den historischen Kurs nicht in Frage, da:
- die entscheidenden Bataillone des Weltproletariats nicht an vorderster Front standen:
- die Krise, die nun voll in den Metropolen des Kapitalismus zuschlägt, das Proletariat dieser Metropolen zwingen wird, ihre Kampfreserven, die nämlich bislang noch nicht entscheidend gefordert wurden, voll zur Geltung zu bringen.“
Schon drei Monate später sollte diese Prognose bestätigt werden. Im September 1983 in Belgien und kurz darauf in Holland traten die Arbeiter der öffentlichen Dienste massiv in den Kampf[vi]. Diese Kämpfe blieben nicht isoliert. Nur einige Monate später ergriffen soziale Bewegungen die Mehrheit der fortgeschrittenen Länder: Deutschland, Großbritannien, Frankreich, USA, Schweden, Spanien, Italien und Japan[vii]. Selten konnte man eine derartige internationale Gleichzeitigkeit in den Klassenauseinandersetzungen beobachten, und die Bourgeoisie organisierte in all diesen Ländern ein fast totales Blackout über diese Bewegungen. Ganz offensichtlich hielt sich die herrschende Klasse nicht mit verschränkten Armen zurück, sondern organisierte eine ganze Reihe von Kampagnen und Manövern. Dies vor allem mittels der Gewerkschaften, indem sie die Arbeiter entmutigten, ihre Kämpfe zerstückelten und sie in koorporatistische und sektorielle Sackgassen lenkten. Dies führte während des Jahres 1985 zu einem Rückgang der Arbeiterkämpfe in den wichtigsten europäischen Ländern, vor allem dort, wo die Kämpfe in den vorangegangenen Jahren am heftigsten gewesen waren. Gleichzeitig verstärkten aber all diese Manöver das steigende Mißtrauen gegenüber den Gewerkschaften im Proletariat der meisten fortgeschrittenen Ländern noch. Dies stellte schon immer ein bedeutender Faktor im Bewusstseinsprozess der Arbeiterklasse dar, seit die Gewerkschaften ihr schlimmster Feind sind, der die Aufgabe hat, die Kämpfe des Proletariats von innen zu sabotieren.
„Aus all diesen Gründen, ist das sich entwickelnde Mißtrauen gegenüber den Gewerkschaften ein wichtiges Element im Kräfteverhältnis zwischen den Klassen, und damit der gesamten historischen Situation. Dieses Mißtrauen selbst ist ein entscheidender Grund für den Rückgang der Kämpfe in verschiedenen Ländern. Vor allem dort, wo die Gewerkschaften am meisten diskreditiert sind (wie in Frankreich, infolge der ungewollten Regierungsübernahme durch die Linke 1981). Wenn die Arbeiter während Jahrzehnten die Illusion hatten, es seien nur Kämpfe im Rahmen der Gewerkschaften und mit deren Unterstützung möglich, so ist der Verlust von Vertrauen in diese Organe für den Moment mit einem Verlust auch in die eigene Stärke verbunden und bringt sie dazu, all den sogenannten „Aufrufen zum Kampf“ mit Passivität zu begegnen[viii]. Die wichtigen Kämpfe, die sich wenig später in zwei Ländern entwickelten, die noch 1985 durch eine geringe Kampfbereitschaft aufgefallen waren, Frankreich (vor allem die Eisenbahnerstreiks im Dezember 1986) und Italien 1987 (dort vor allem im Ausbildungsbereich, aber auch bei den Transportarbeitern) waren der Beweis dafür, daß die Kampfwelle, die im September 1983 in Belgien begonnen hatte, sich fortsetzte. Dies wurde sechs Monate später genau in Belgien durch eine sechs Wochen andauernde Bewegung von Kämpfen bestätigt (April - Mai 86). Die wohl bedeutendste Welle seit Ende des Zweiten Weltkrieges, da sie den öffentlichen Sektor, den privaten Sektor und auch die Arbeitslosen umfaßte, das ökonomische Leben fast vollständig blockierte und damit die Regierung zwang, eine Reihe von Angriffen, die sie vorbereitet hatte, zurückzustellen. Während derselben Periode (1986-87) entfalteten sich auch in den skandinavischen Ländern bedeutende Kämpfe (in Finnland und Norwegen zu Beginn des Jahres 1986, und in Schweden im Herbst 1986), in den USA (im Sommer 1986), in Brasilien (eineinhalb Millionen Streikende im Oktober 1986 und massive Kämpfe vom April bis Mai 1987), in Griechenland (2 Millionen Streikende im Januar 1987), in Jugoslawien (Frühling 1987), in Mexiko, in Südafrika, usw. Auch den spontanen Streik von 140`000 Beschäftigten bei British Telecom Ende Januar 1987, der außerhalb der Gewerkschaften stattfand, gilt es hervorzuheben.
Die Bourgeoisie reagierte auf diese Kampfbereitschaft erneut mit ausgedehnten Manövern. Das Ziel dabei war die Spaltung mittels aufgeblähter ideologischer Kampagnen über den „islamischen Terrorismus“, den „Frieden“ zwischen den Großmächten (Unterzeichnung der SALT Verträge zur Reduzierung der Atomwaffen), das Trachten des Volkes nach „Freiheit und Demokratie“ (die internationale „Glasnost“ Kampagne Gorbatschows), die Ökologie und über die „humanitären“ militärischen Interventionen in der Dritten Welt[ix]. Daneben wurden aber auch Kampagnen gestartet, um den Mißkredit gegenüber klassischen Gewerkschaften mittels neuer gewerkschaftlicher Formen („Kampf-“ und „Basisgewerkschaften“, ect.) wieder gut zu machen. Der bedeutendste Ausdruck dieses bürgerlichen Manövers (meist von linken Organisationen, oft aber auch von Gewerkschaftern und traditionellen linken Parteien, wie den Stalinisten oder der Sozialdemokratie, inszeniert) war die Bildung der „Koordinationen“ in den zwei Ländern, in denen die klassischen Gewerkschaften am stärksten angeschlagen waren: in Italien (dort vor allem in Transportsektor) und in Frankreich (an erster Stelle während des wichtigen Streiks in den Krankenhäusern, im Herbst 1988)[x]. Eine der Funktionen dieser Organisationen, die sich als „Ausdruck der Basis“ und als „Gegen-Gewerkschaften“ ausgaben, war das einschleichen des korporatistsichen Giftes in die Reihen der Arbeiterklasse, mit dem Argument, die Gewerkschaften würden die Interessen der Arbeiter deshalb nicht vertreten, weil sie nach Branchen und nicht nach Berufen organisiert seien.
Diese Manöver hatten eine Wirkung, die wir damals beschrieben: „Dank dieser Manövrierfähigkeit der Bourgeoisie hat sie es bislang geschafft, den Prozeß der Ausdehnung und Vereinigung, der im Mittelpunkt dieser Kampfwelle steht, einzudämmen.“[xi] Bezüglich der Schwierigkeiten, mit denen die Arbeiterklasse zu kämpfen hatte, erinnerten wir an „das Gewicht des ideologischen Zerfalls der Gesellschaft, auf das sich die Manöver der Bourgeoisie stützen und noch mehr stützen werden, um die Atomisierung, das „Jeder für sich“ noch mehr zu verstärken und das wachsende Selbstvertrauen der Arbeiter in ihre eigene Kraft und die Zukunft ihres Kampfes zu schwächen.“ (dito)
Wir hoben ebenfalls hervor, daß, auch wenn „das Phänomen des Zerfalls ein schwerwiegendes Gewicht in der heutigen Periode darstellt, dies auch in Zukunft bleiben wird,“ und „dies eine große Gefahr für die Arbeiterklasse ist, (...) diese Feststellung jedoch keinesfalls eine Quelle der Entmutigung und Skepsis sein darf.“ Denn „während der 80er Jahre war das Proletariat fähig, auch trotz dieses negativen Gewichts des Zerfalls, das systematisch von der herrschenden Klasse ausgenützt wurde, seine Kämpfe als eine Antwort auf die Folgen der Vertiefung der Krise zu entwickeln...“ [xii]
Diese Analyse vom Stand des Klassenkampfes machten wir nur einige Monate vor einem der wohl bedeutendsten Ereignisse der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg: dem Zusammenbruch der stalinistischen Regime in Europa und der UdSSR.
Die IKS hat dieses Ereignis nicht vorausgesehen (so wie auch die anderen Organisationen des revolutionären Milieus oder die „Experten“ der Bourgeoise nicht). Trotzdem waren wir im September 1989, zwei Monate vor den Fall der Berliner Mauer, eine der ersten, die diese Ereignisse einordnen konnten[xiii]. Wir beschrieben den Zusammenbruch des Ostblocks als den bisher klarsten Ausdruck des Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft. In diesem Sinne gingen wir sofort davon aus, daß dieses Ereignis „die Arbeiterklasse vor eine schwierige Lage“[xiv] stellen würde. In Übereinstimmung mit unseren bisherigen Analysen schrieben wir: „Die systematische Gleichstellung des Kommunismus mit Stalinismus, die tausendmal wiederholte und auch heute noch verbreitete Lüge, derzufolge die proletarische Revolution nur scheitern kann, wird mit dem Zusammenbruch des Stalinismus noch eine Zeitlang eine Wirkung in den Reihen der Arbeiterklasse haben. Deshalb kann man mit einem vorübergehendes Rückgang des Bewußtseins der Arbeiter rechnen (...) Insbesondere die reformistische Ideologie wird noch sehr stark auf den Kämpfen der nächsten Zeit lasten, wodurch die Aktionen der Gewerkschaften begünstigt werden. Aufgrund der geschichtlichen Bedeutung der genannten Faktoren wird der gegenwärtige Rückfluß des Klassenkampfes - ungeachtet der Tatsache, daß er den historischen Kurs, die allgemeine Perspektive breiter Zusammenstöße zwischen den Klassen, nicht in Frage stellt - weitreichender sein als der Rückfluß, der die Niederlage in Polen 1981 begleitet hatte.“[xv].
Es ist in der Tat ein wenig leichtfertig, wenn die CWO behauptet, daß der Zusammenbruch des Stalinismus „der IKS erlaubt hat, sich mit Verrenkungen aus den Konsequenzen der Perspektive der „Jahre der Wahrheit“ herauszuwinden.“ In keiner Weise, etwa um ein Scheitern unserer Analyse über die Kämpfe der 80er Jahren zu übertünchen, haben wir erklärt, daß die Ereignisse von 1989 einen Rückschlag für die Arbeiterklasse mit sich bringen werden. Wie schon aufgezeigt, haben wir uns diese These nicht einfach aufgesetzt wie einem Hasen einen Hut, sondern sie steht in absoluter Übereinstimmung mit dem generellen Rahmen unserer Analyse. Wenn die 80er Jahre mit einer Reihe von Niederlagen für die Arbeiterklasse zu Ende gingen, so beweist dies keineswegs etwa die Falschheit unserer Analyse über die historische Periode, wie die CWO behauptet.
Erstens kann man sich bei einer solchen Behauptung nicht auf das Auftauchen eines Ereignisses stützen, das niemand voraussehen konnte (auch wenn der Marxismus es erlaubt, im nachhinein eine Erklärung zu liefern). Haben die Revolutionäre des 19. Jahrhunderts eines der wohl bedeutendsten Ereignisse ihres Jahrhunderts vorhersehen können: die Pariser Kommune von 1870? Hat Lenin vorhersehen können, was einige Wochen später, die Februarrevolution 1917 in Rußland, Vorläufer des Roten Oktobers, geschah, als er zu jungen Arbeitern in der Schweiz sagte: „Wir, die Alten, werden vielleicht die entscheidenden Kämpfe dieser kommenden Revolution nicht erleben“ („Ein Vortrag über die Revolution von 1905“, 9. Januar 1917, MEW Bd. 23, S. 261) In jedem Falle jedoch ist es die Aufgabe der Marxisten, rasch auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren und unverzüglich Lehren und Konsequenzen daraus zu ziehen. Dies tat auch Marx, noch bevor die Kommune niedergeschlagen war („Der Bürgerkrieg in Frankreich“). Und auch Lenin, sobald er Neuigkeiten über die Februarrevolution erhalten hatte, schrieb seine „Briefe aus der Ferne“ und die „Aprilthesen“. Wir selbst haben seit Ende Sommer 1989 hervorgehoben, welche Auswirkungen die Ereignisse im Osten sowohl auf die imperialistischen Widersprüche als auch auf die Entwicklung des Klassenkampfes haben werden.
Dies bedeutet, daß die wenn auch unvorhergesehenen Erschütterungen von 1989 unsere Analyse von Ende 1979 nicht in Frage stellen: „so werden die 80er Jahre die Jahre der Wahrheit sein, (...) weil sich in diesen Jahren zum Großteil die Zukunft der Menschheit entscheiden wird“.
Tatsächlich stand in dieser Periode ein Teil der historischen Perspektive auf dem Spiel. Zu Beginn der 80er Jahre führte die Bourgeoise - vor allem im Westen - gleichzeitig von einer massiven Aufrüstung begleitet, enorme Kampagnen durch, um die Arbeiterklasse mit dem Ziel eines neuen Weltkrieges hinter sich zu scharen. Dabei versuchte die herrschende Klasse, von der Niederlage der polnischen Arbeiter 1981 zu profitieren, die erstens eine große Verwirrung unter den Arbeitern im Westen auslöste und es ihr möglich machte, das „Reich des Teufels“ anzuklagen (wie Reagan es ausdrückte). Die Kampfwelle von 1983 hat dies zunichte gemacht. Noch weniger als in den 70er Jahren, war die Arbeiterklasse der zentralen Länder bereit, sich für einen generalisierten Krieg mobilisieren zu lassen.
Die Unfähigkeit der Bourgeoisie, ihre eigene Antwort auf die Krise ihres Systems zu geben - der imperialistische Krieg - und die Tatsache, daß die Arbeiterklasse gleichzeitig auch nicht in der Lage war, ihre eigene revolutionäre Perspektive zu entfalten, hat die kapitalistische Gesellschaft in die Phase des Zerfalls geführt[xvi]. Einer der deutlichsten Ausdrücke davon war eben gerade der Kollaps des stalinistischen Regime, der auch die Möglichkeit eines neuen Weltkrieges deutlich verringert hat.
Die 80er Jahre endeten unerwarteterweise mit den Zusammenbruch des Ostblocks und all seinen Auswirkungen, mit einer unvorhergesehnen Bestätigung der Realität des dekadenten Kapitalismus: ein unbeschreibliches Chaos und eine Barbarei, die sich tagtäglich verschärft.
Die Blindheit der CWO und des IBRP
Wie man sehen kann, steht die These der CWO über den „Bankrott der Perspektiven der IKS“ nicht auf dem Boden der Tatsachen und auch nicht auf unserer eigenen Analyse. Wenn es eine Organisation gibt, die gegenüber den Ereignissen der 80er Jahre blind war, so ist dies nicht die IKS, sondern die CWO (und das IBRP) selbst. Eine Organisation, welche die Ereignisse der damaligen Periode mit folgenden Worten beschreibt:
„(...) 1976 gelang es der herrschenden Klasse mittels den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie, den sozialen Frieden wieder herzustellen. Dies war ein sozialer Frieden, der durch große Kämpfe der Arbeiterklasse unterbrochen wurde (Polen 1980-81, die belgischen Hafenarbeiter 1983 und der Streik der britischen Bergarbeiter 1984-85). Wie auch immer, es gab keine internationale Welle von Streiks wie 1968-74, und all diese Bewegungen endeten in einem noch größeren Rückzug der Arbeiterklasse gegenüber den kapitalistischen Angriffen.“ [xvii]
Eine solche Behauptung macht geradezu sprachlos. Nur um einige Beispiele zu geben: Die CWO erinnert lediglich an den Streik der Hafenarbeiter 1983 in Belgien und vergißt dabei, daß der gesamte öffentliche Sektor miteinbezogen war. Für sie existieren offenbar die Kämpfe im Frühling 1986 nicht, die im selben Land ausbrachen und eine viel größere Bedeutung hatten (1 Million Arbeiter beteiligten sich daran, in einem Land, das weniger als 10 Millionen Einwohner zählt). Desgleichen die Streiks im öffentlichen Sektor in Holland im Herbst 1983, die wichtigsten seit 1903, sie wurden von der CWO offensichtlich gar nicht bemerkt. Man könnte meinen, daß die Blindheit der CWO daher rührt, daß sie selbst, wie auch die andere Organisation des IBRP, Battaglia Comunista, in diesen Ländern nicht präsent ist, und dass sie, wie die große Mehrheit des Weltproletariates, Opfer der international durch die Medien der Bourgeoise organisierten Nachrichtensperre waren, indem diese die sich entfaltenden sozialen Bewegungen verschwiegen. Selbst wenn dies der Fall wäre, eine Entschuldigung ist es keineswegs: Eine revolutionäre Organisation darf sich, um die Situation des Klassenkampfes zu analysieren, nicht nur damit zufriedengeben, die Zeitungen in den Ländern zu lesen, in denen sie präsent ist. Sie soll sich auch auf die Informationen aus der Presse anderer revolutionärer Organisationen stützen, beispielsweise der unseren, welche über solche Ereignisse berichtet. Und genau dort liegt auch das Problem: es ist nicht die IKS, die mit „den objektiven Widersprüchen zwischen (ihren) Perspektiven und der kapitalistischen Realität“ konfrontiert ist. Es ist auch nicht die IKS, die „während Jahren versucht hat die Realität zu ignorieren“ um die Irrtümer ihrer Perspektive zu vertuschen, wie es die CWO behauptet - es ist die CWO selbst. Der beste Beweis dafür: Wenn die CWO über die „großen Kämpfe der Arbeiterklasse“ redet, welche in Großbritannien den „sozialen Frieden unterbrochen haben“, dann beziehen sie sich lediglich auf den Bergarbeiterstreik von 1984-85 und ignorieren vollständig die herausragenden Mobilisierungen von 1979, die größten seit einem halben Jahrhundert. Auch beziehen sie sich auch nicht auf die wichtige Bewegung in den Schulen Italiens 1987, selbst wenn die Schwesterorganisation der CWO, Battaglia Comunista, sich dabei an vorderster Front befand.
Wie läßt sich die Blindheit oder mehr noch der Unwille der CWO, die Realität zu sehen, erklären? Es ist die CWO, die uns eine Antwort darauf gibt (indem sie dies der IKS unterstellt), weil diese Realität ihre eigenen Perspektiven widerlegt hat. Vor allem aber hat die CWO, sowie auch das IBRP, die Frage des historischen Kurses nie wirklich begriffen.
Das IBRP und der historische Kurs
Der Polemik mit dem IBRP über den historischen Kurs hat die IKS, vor allem in der Internationalen Revue, schon zahlreiche Artikel gewidmet[xviii]. Wir wollen hier nicht auf alles bei diesen Gelegenheiten Geschriebene zurückkommen, bei dem es vor allem um das Fehlen einer Methode beim IBRP geht, die historische Periode einzuschätzen, in der die heutigen Arbeiterkämpfe stattfinden. Eines soll jedoch kurz gesagt sein: Das IBRP verwirft sogar den Begriff des historischen Kurses, so wie er während der 30er Jahre von der Linken Fraktion der Kommunistischen Partei Italiens entwickelt worden war. Nur so konnte die Fraktion damals verstehen, daß der Kurs Richtung Krieg und der Kurs in Richtung Klassenkonfrontationen nicht parallel laufen können, sondern sich gegenseitig ausschließen. Und somit konnte die Fraktion in einer Phase der tiefen Konterrevolution, sobald der Kapitalismus 1929 in eine neue offene ökonomische Krise fiel, auch die Unabwendbarkeit eines zweiten Weltkrieges voraussehen.
Für das IBRP „geht der Akkumulationszyklus, der nach den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, seinem Ende zu. Der Aufschwung nach dem Krieg hat seit langem der globalen Krise Platz gemacht. Erneut steht die Frage des imperialistischen Krieges oder der proletarischen Revolution auf der Tagesordnung der Geschichte.“ (Plattform des IBRP von 1994, übersetzt durch uns) Aber gleichzeitig anerkennt das IBRP heute (was damals nicht der Fall war), daß „auf internationaler Ebene eine massive Antwort der Arbeiter auf die Angriffe der kapitalistischen Krise Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre“ stattfand. („Perspectives of the CWO“, Revolutionary Perspectives Nr. 5 ) Dennoch hat sich das IBRP immer geweigert zu anerkennen, daß der Kapitalismus Ende der 60er Jahre deshalb nicht in einen neuen imperialistischen Weltkrieg gefallen ist, weil die Antwort der Arbeiterklasse auf die ersten Attacken der Krise ein Beweis dafür ist, daß diese nicht bereit ist, sich wie in den 30er Jahren in einen neuen Holocaust mobilisieren zu lassen. Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage „weshalb der Weltkrieg noch nicht ausgebrochen ist“, auch wenn „auf objektiver Ebene alle Gründe für das Auslösen eines generalisierten Krieges vorhanden sind“, beginnt die theoretische Zeitschrift von Battaglia Comunista Prometeo (Nr. 11, Dezember 1987) mit der Behauptung: „Es ist klar, daß nie ein Krieg geführt werden konnte ohne die Bereitschaft des Proletariats und der anderen arbeitenden Klassen, sowohl zum Kampf als auch zur Kriegsproduktion. Es ist offensichtlich: Ohne williges und kontrolliertes Proletariat wird kein Krieg möglich sein. Und es ist ebenfalls offensichtlich, daß ein Proletariat, das voll im Begriff ist, den Kampf wieder aufzunehmen, Zeichen des Aufstiegs einer Gegentendenz ist: Zeichen der Antithese des Krieges, des Marsches hin zur sozialistischen Revolution.“ Dies ist haargenau die Art und Weise, wie auch wir, die IKS, uns die Frage stellen. Doch ist es ebenfalls genau dieselbe Methode, welche in einem in Battaglia Comunista Nr. 83 (März 1987) veröffentlichten und in Englisch im Organ des IBRP Communist Review Nr. 5 unter dem Titel „Die IKS und der „historische Kurs“: eine falsche Methode“ wiederaufgenommenen Artikel kritisiert wird. In diesem Artikel kann man unter anderem folgendes lesen: „Die Form des Krieges, seine technischen Mittel, sein Tempo, seine Charakteristiken im Vergleich zur Bevölkerung als Ganzes, haben sich stark geändert seit 1939. Genauer, der Krieg braucht heute weniger den Konsens oder die Passivität der Arbeiterklasse als die Kriege von gestern (...) Kriegsaktionen sind möglich ohne die Zustimmung des Proletariates.“ Verstehe dies wer wolle! Vor allem ist nun offensichtlich, daß das IBRP nicht genau weiß, wovon es spricht. Zusammenhänge sind auf jeden Fall nicht gerade das Steckenpferd des IBRP.
Auch die Art und Weise, wie das IBRP auf die Krise die zum Golfkrieg 1991 führte, reagiert hat, ist ein weiterer Beweis dieses Mangels an Kohärenz. In der Englischen Ausführung eines Aufrufs des IBRP zu diesen Ereignissen (die Italienische Version ist nicht identisch!) kann man folgendes lesen: „Wir müssen die Kriegspläne und Vorbereitungen (unseres „eigenen“ Staates) bekämpfen (...) Allen Versuchen, neue Streitkräfte zu schicken, muss zum Beispiel mit Streiks in den Häfen und Flughäfen begegnet werden (...) wir rufen die britischen Ölarbeiter in der Nordsee dazu auf, ihren Kampf zu verstärken und die Bosse an einer Erweiterung der Produktion zu hindern. Dieser Streik muss auf alle Ölarbeiter ausgeweitet werden und auch auf alle anderen Arbeiter.“ (Workers Voice, Nr. 53) Wenn jedoch „Kriegsaktionen möglich sind, ohne die Zustimmung des Proletariates“, welchen Sinn macht dann ein solcher Aufruf? Kann uns die CWO dies erklären?
Kommen wir zurück auf den Artikel in Prometeo Nr. 11, in dem zu Beginn noch mit denselben Worten wie bei der IKS an diese Frage herangegangen wird. Dort steht folgendes: „Die Tendenz Richtung Krieg schreitet rasch voran, das Niveau der Klassenauseinandersetzung jedoch ist absolut unter dem Stand, den es zum Zurückschlagen der schweren Angriffe gegen das internationale Proletariat erfordert.“ Für das IBRP ist es demnach nicht der Klassenkampf, der eine Antwort auf die von ihm selbst gestellte Frage „weshalb ist der Weltkrieg noch nicht ausgebrochen?“ eine Antwort gibt. Die zwei Antworten, die das IBRP, gibt sind folgende:
- die militärischen Bündnisse sind noch nicht genug entwickelt und instabil;
- die Atomwaffen sind für die herrschende Klasse ein abschreckender Faktor, da sie für das Überleben der Menschheit eine Bedrohung darstellen[xix].
In der Internationalen Revue Nr. 54 (engl,. franz,. span.) haben wir auf diese „Argumente“ eine ausführliche Antwort gegeben. Wir beschränken uns hier darauf, zu erinnern, daß das zweite Argument eine für Marxisten absolut unzulängliche Konzession an die bürgerlichen Kampagnen ist, die Atomwaffen immer als einen Garanten für den Weltfrieden darstellen. Ihr erstes Argument wurde durch das IBRP selbst verworfen, indem sie bei Ausbruch des Golfkrieges schrieben: „Der Dritte Weltkrieg hat am 17. Januar begonnen“ (Battaglia Comunista, vom Januar 1991), obwohl die Bündnisse, welche die Erde mehr als ein halbes Jahrhundert dominiert hatten, zu diesem Zeitpunkt gerade am Auseinanderfallen waren. Das IBRP kam später erneut auf diese Analyse des bevorstehenden Krieges zurück. In den Perspektiven der CWO zum Beispiel steht heute: „Ein generalisierter Krieg zwischen den führenden imperialistischen Mächten ist hinausgeschoben worden.“ Das Problem liegt bei der unglücklichen Gewohnheit des IBRP, widersprüchliche Analysen zu machen. Offensichtlich schützt sie dies vor solchen Fehlern, wie die an der IKS kritisierte Aufrechterhaltung derselben Analyse während der gesamten 80er Jahre. Nun, ein Zeichen von Überlegenheit gegenüber der Methode der IKS ist das aber wohl kaum.
Die CWO wird uns vermutlich erneut der Lügen beschuldigen, so wie sie das schon des öfteren in ihren Polemiken getan hat. Sie wird vielleicht den großen Regenschirm der „Dialektik“ öffnen, um zu beweisen, daß alles was sie (oder das IBRP) sagt, mitnichten widersprüchlich sei. Beim IBRP hat die „Dialektik“ ein dickes Fell. Doch in der marxistischen Methode hat Dialektik nie bedeutet, eine Sache zu behaupten und gleichzeitig genau dessen Gegenteil.
„Verfälschung“ wird die CWO rufen. Doch laßt uns noch ein Beispiel nicht bezüglich einer zweitrangigen oder zufälligen Frage geben (wo Widersprüche leichter verzeihbar sind), sondern anhand einer ganz grundsätzlichen Frage: Ist die Konterrevolution zu Ende, welche nach der Niederlage der revolutionären Welle nach dem Ersten Weltkrieg auf die Arbeiter niederprasselte?
Gehen wir davon aus, daß eine Antwort auf die soeben von uns gestellte Frage vorhanden ist, dies auch wenn das IBRP nicht fähig ist, eine klare und kohärente Antwort auf die Frage des historischen Kurses zu geben[xx].
Eine solche Antwort findet man jedoch weder in der Plattform des IBRP von 1994, noch in den „Perspektiven“ der CWO vom Dezember 1996. Beides Orte, an denen dafür Platz hätte eingeräumt werden müssen. In anderen Texten aber sind wir der Antworten fündig geworden:
- Im Artikel von Revolutionary Perspectives Nr. 5, aus dem wir schon zitiert haben, scheint die CWO zu behaupten, daß die Konterrevolution noch nicht beendet ist, weil sie die Idee der IKS verwirft, nach der „der Mai 1968 der Konterrevolution ein Ende gesetzt hat“;
- diese Behauptung scheint mit den Thesen übereinzustimmen, welche vom 5. Kongreß von Battaglia Comunista, auch wenn nicht klar ausgedrückt, 1982 angenommen wurden (siehe Prometeo Nr. 7): „wenn das Proletariat heute, mit der Tiefe der Krise konfrontiert und den wiederholten Angriffen der Bourgeoisie ausgesetzt, sich noch nicht als fähig gezeigt hat zu antworten, dann heißt dies ganz einfach, daß die langandauernde Arbeit der weltweiten Konterrevolution noch im Bewußtsein der Arbeiter aktiv ist.“
Hält man sich an diese zwei Texte, so könnte man sagen, es herrsche eine gewisse Gradlinigkeit in der Vision des IBRP: das Proletariat hat die Konterrevolution noch nicht überwunden. Nun besteht aber das Problem darin, daß man 1987 in „Die IKS und der historische Kurs: eine verwirrte Methode“ (Communist Review, Nr. 5) folgendes lesen kann: „Die Periode der Konterevolution, welche auf die Niederlage der Oktoberrevolution folgte, ist zu Ende“, und „es gibt keine fehlenden Zeichen einer Wiederaufnahme des Kampfes, und wir müssen diese auch nicht hervorheben.“
So gibt es offenbar auch auf eine so einfache Frage nicht eine Position des IBRP, sondern mehrere Positionen. Versuchen wir die verschiedenen veröffentlichten Texte der Organisationen, die das IBRP bilden, zusammenzufassen, so läßt sich ihre Analyse folgendermaßen umschreiben:
- „Die Bewegungen, die sich 1968 in Frankreich, 1969 in Italien, sowie in anderen Ländern entfaltet haben, sind in ihrem Wesen Revolten des Kleinbürgertums“ (Position von Battaglia Comunista zu jener Zeit), aber sie sind dennoch „eine massive internationale Antwort der Arbeiter auf die Angriffe der kapitalistischen Krise“ (CWO, Dezember 1996);
- „die lange Arbeit der Konterrevolution ist im Bewußtsein der Arbeiter noch aktiv“ (Battaglia Comunista, 1982), doch ist „die Periode der Konterevolution, welche auf die Niederlage der Oktoberrevolution folgte zu Ende“ (Battaglia Comunista 1987), was mitnichten in Frage stellt, daß die gegenwärtige Periode „eine Fortsetzung der kapitalistischen Herrschaft ist, welche, nur sporadisch angegriffen, seit Ende der revolutionären Welle, die dem Ersten Weltkrieg folgte, regiert.“ (CWO 1988, in einem an die CBG geschickten und in deren Bulletin Nr. 13 veröffentlichten Brief);
- „seit 1976 (und bis heute) war die herrschende Klasse (...) fähig, erneut den sozialen Frieden einzuführen“ (CWO, Dezember 1996), wohingegen „diese Kämpfe (die Bewegung der COBAS 1987 in den Schulen in Italien und die Streiks im selben Jahr in Großbritannien) Bestätigungen für den Beginn einer Periode sind, die durch ein Hervortreten der Klassenkonflikte gezeichnet ist“. (Battaglia Comunista, Nr. 3, März 1988)
Auf den ersten Blick könnte man nun davon ausgehen, daß diese verschiedenen widersprüchlichen Positionen auf bestehende Divergenzen zwischen der CWO und Battaglia Comunista zurückzuführen sind. Seit solche Feststellungen jedoch offenbar „Verleumdungen“ der IKS sind, die dazu einladen „ihr den Mund zu stopfen“, wenn sie solche Ideen verbreitet („Sekten, Lügen und die verlorene Perspektive der IKS“, RP Nr. 5), dürfen wir solche Sachen natürlich nicht mehr sagen! Seit es offenbar keine Differenzen mehr gibt zwischen den zwei Organisationen, müssen wir nun eben davon ausgehen, daß im Kopf jedes Militanten des IBRP solche widersprüchlichen Positionen vorhanden sind. Wir selbst zweifeln daran, doch ist es die Aufgabe der CWO, uns dies zu beweisen.
Sollten all diese Widersprüche für die Militanten des IBRP nicht ein Anstoß zum Nachdenken sein? Diese Genossen sind fähig zu klaren und kohärenten Gedanken. Doch weshalb enden sie beim Versuch, die gegenwärtige Periode zu analysieren, in einem solchen Durcheinander? Ist es nicht gerade aufgrund ihres unzweckmäßigen Rahmens, und weil sie im Namen der „Dialektik“ die marxistische Genauigkeit hinter sich lassen, um dafür im Immediatismus und Empirismus zu versinken, wie wir das schon in anderen Polemiken aufgezeigt haben.
Es steckt aber auch noch etwas anderes hinter den Schwierigkeiten des IBRP, den gegenwärtigen Stand des Klassenkampfes kohärent und klar anzupacken: eine konfuse Analyse der Gewerkschaftsfrage, die sie unfähig macht, zum Beispiel gerade die Wichtigkeit des Phänomens des Imageverlustes der Gewerkschaften während der 80er Jahre zu begreifen. Wir werden auch auf diese Frage in einem späteren Artikel zurückkommen.
Im Moment können wir der CWO jedoch schon folgende Antwort geben: Die IKS machte nicht aufgrund ihrer Analyse der gegenwärtigen historischen Periode oder des Standes des Klassenkampfes die Krise durch, von der wir in unserer Presse berichtet haben. Für eine revolutionäre Organisation gibt es - im Gegensatz zu dem was die CWO, welche seit 1981 immerfort dieselbe Diagnose stellt, denkt - auch andere Faktoren der Krise. Dabei im speziellen organisatorische Fragen. Dies hat uns, nebst vielen anderen Beispielen, die Krise der SDAPR (Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rußlands) nach ihrem 2. Kongreß 1903 gezeigt. Wie auch immer, wir erlauben uns, die CWO (und auch das IBRP) brüderlich zu warnen: Wenn für sie eine fehlerhafte Analyse der historischen Situation der alleinige oder wichtigste Grund für die Krise einer Organisation darstellt (möglicherweise aufgrund ihrer eigenen Erfahrung), dann sollten sie sehr vorsichtig sein. Durch die Anhäufung von Ungenauigkeiten in ihrer eigenen Analyse befinden sie sich demnach in größter Gefahr.
Dies ist gewiß nicht unser Wunsch. Wir hoffen, daß die CWO und das IBRP ein für alle Mal mit ihrem Immediatismus und Empirismus brechen und die besten Traditionen der Kommunistischen Linken und des Marxismus wieder aufnehmen.
Fabienne
[i] Siehe unseren Artikel über den 11. Kongreß der IKS in der Internationalen Revue Nr. 16.
[ii] a. a. O.
[iii] Wir wollen die CWO darauf hinweisen, daß wenn sie die Probleme, mit denen die IKS konfrontiert war, aufgreifen will, es für sie ratsam wäre, die Analyse, welche wir davon gemacht haben, zuerst seriös zu studieren und nicht ihre eigenen Vermutungen als Ausgangspunkt zu verwenden. Die Analyse der organisatorischen Krise der IKS wurde in unserer Presse veröffentlicht. Falls die CWO glaubt, mehr darüber zu wissen als wir selbst, sollten sie zumindest (falls sie dazu fähig sind) aufzeigen, wo diese Analyse fehlerhaft ist.
[iv] Internationale Revue Nr. 5: „Die 80er Jahre: Jahre der Wahrheit“
[v] „Resolution zur internationalen Lage“, 5. Kongreß der IKS, Juli 1983, Weltrevolution Nr. 12
[vi] Siehe den Artikel: „Belgien - Holland, Krise und Klassenkampf“ , Internationale Revue Nr. 38 (engl., franz., span.)
[vii] Zu den Charakteristiken und der Ausdehnung dieser Kämpfe, siehe unseren Artikel „Gleichzeitigkeit der Arbeiterkämpfe: welche Perspektive?“ Internationale Revue Nr. 38 (engl., franz., span.)
[viii] „Resolution zur internationalen Lage“, angenommen am 6. Kongreß der IKS, Internationale Revue Nr. 44 (engl., franz., span.)
[ix] Siehe dazu unseren Artikel „Die Manöver der Bourgeoisie gegen die Vereinigung der Arbeiterkämpfe“, Internationale Revue Nr. 58 (engl., franz., span.)
[x] Siehe unseren Artikel „Frankreich, die „Koordinationen“ als Speerspitze der Sabotage der Kämpfe“, Internationale Revue Nr. 58 (engl., franz., span.)
[xi] „Resolution zur internationalen Situation“ vom 8. Kongreß der IKS, Internationale Revue Nr. 11
[xii] „Präsentation der Resolution zur internationalen Lage“, Internationale Revue Nr. 59 (engl., franz., span.)
[xiii] Siehe: „Thesen zur ökonomischen und politischen Krise in der SU und den osteuropäischen Ländern“, Internationale Revue Nr. 12
[xiv] Titel eines Artikels vom November 1989 in der Internationalen Revue Nr. 12
[xv] Aus den „Thesen“, Punkt 22. Auch wenn wir im Herbst 1989 den Rückfluß des Klassenbewußtsein vorausgesagt hatten, was sich seither bestätigte und auch in unserer Presse unterstrichen wurde, erlaubt sich die CWO in der Antwort an einen Leser folgendes zu schreiben: „Sie (die IKS), glaubt immer noch, entgegen allen Offensichtlichkeiten, daß wir uns in einer Phase des hohen Klassenbewußtseins befinden. Alles was die Revolutionäre zu tun hätten, sei die Arbeiter über den Mythos der Gewerkschaften aufzuklären, und der Weg zur Revolution sei offen.“ Offenbar ist es einfacher die Argumente des Gegenübers zu entstellen und verfälschen, um sie widerlegen zu können. Nur ist dies für die Debatte nicht sehr hilfreich!
[xvi] Siehe dazu unsere Analyse des Zerfalls des Kapitalismus: „Der Zerfall der kapitalistischen Gesellschaft“, Internationale Revue Nr. 13
[xvii] „Perspektiven der CWO“, angenommen durch die Generalversammlung der CWO im Dezember 1996, Revolutionary Perspectives Nr. 5
[xviii] Internationale Revue Nr. 36, 41, 50, 54, 55, 59, 72. (engl., franz., span.)
[xix] Um es auf den Punkt zu bringen geht Battaglia sogar soweit, zu schreiben: daß „ „ Am Tag nach der Unterzeichnung des Vertrags über den Verzicht auf Atomwaffen wird der Krieg erklärt werden“ - dies ist ein noch gerade klassischer Witz unter uns, der den Geschmack der Wahrheit in sich hat“. (BC,.4, April 1986) Als wäre die Bourgeoisie eine Klasse der „Fairness“, welche ihre Versprechen und Unterschriften auf dem Papier einhalten würde!
[xx] Das IBRP schreibt in ihrem Artikel „Die IKS und der „historische Kurs“: eine verwirrte Methode“, mit dem es zugleich jegliche Verteidigung eines historischen Kurses verwirft: „Im Gegensatz zu dem von der IKS gestellten Problem, genaue Propheten der Zukunft zu werden, besteht die Schwierigkeit darin, daß die Subjektivität nicht mechanisch den objektiven Bewegungen folgt (...) Niemand kann glauben, daß die Reifung des Bewußtseins (...) exakt auf ein absehbares Datum vorbestimmt ist.“ Wir erwarten keinesfalls von Revolutionären „genaue Propheten der Zukunft zu werden“ oder daß sie „das Bewußtsein auf ein exaktes Datum vorbestimmen“, sondern lediglich, daß sie auf folgende Frage ein Antwort geben können: „Sind die Kämpfe welche sich seit 1968 entwickelt haben nun ein Zeichen dafür, daß die Arbeiterklasse nicht bereit ist, sich in einen Dritten Weltkrieg mobilisieren zu lassen, oder sind sie es nicht? Diese Fragestellung auf den Kopf stellend, beweist das IBRP, entweder nichts verstanden zu haben oder keine Antwort darauf geben zu können.