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100-10=X
100-4= Y
Diese einfachen Rechenaufgaben lernen SchülerInnen ab dem zweiten Grundschuljahr. Leider gibt es Kinder, die schon mit diesen simplen Aufgaben Schwierigkeiten haben, wie z.B. PISA-Untersuchungen immer wieder zeigen. Zugegeben, wenn ein paar Nullen hinzukommen und es sich bei den Zahlen um Millionen oder Milliarden handelt, kann man sich viel schneller verrechnen, auch wenn sich an der Grundrechenart nichts ändert. Nun wurde in einem jüngsten PISA-Test eine besonders diffizile Aufgabe gestellt. Es ging um den Zusammenhang zwischen der Beherrschung der Grundrechenarten, wirtschaftliches Verständnis, Logik und einem durch die SchülerInnen zu ermittelnden Faktor. Die Frage lautete. „Wenn die Anfangskaufkraft 100% beträgt, diese um 10% reduziert wird, hat die Kaufkraft infolgedessen zu- oder abgenommen?“ Nahezu alle SchülerInnen konnten diese Frage ohne Probleme beantworten. Auf die Zusatzfrage aus dem Bereich Wirtschaft, ob das massive Absaugen von Kaufkraft zu einer Ankurbelung der Wirtschaft führen könne, konnten auch hier die meisten SchülerInnen die Frage schnell und richtig beantworten. Anschließend sollten die SchülerInnen die Aussagen von Politikern, Unternehmern usw., dass „nur ein striktes Sparen, eine Kürzung der Löhne usw. die Wirtschaft wieder ans laufen bringe“, mit ihren eigenen Antworten vergleichen. In dem PISA-Test konstatierten nahezu alle SchülerInnen ein eklatantes Auseinanderklaffen zwischen ihren Ergebnissen und den Aussagen der Politiker. Die Frage, wie man dieses Auseinanderklaffen zwischen den elementarsten Ergebnissen der Mathematik, Logik und den „Versprechen“ der Politiker und Unternehmer erklären kann, wird zur Zeit unter den SchülerInnern heiß diskutiert…
Scherz beiseite, was ist dran an den „Lösungsvorschlägen“ der Herrschenden?
Griechenland: Sparen und Verarmung – ein Weg aus der Krise?
„Allein im Jahr 2010 schrumpfte das griechische BIP um 4,5 Prozent, bis zum zweiten Jahresdrittel 2011 um weitere 7,5 Prozent, während die Verschuldung des Landes bis März 2011 bereits auf über 340 Milliarden Euro wuchs.[1] Die Arbeitslosigkeit, die Ende 2009 etwa 9,6 Prozent betrug, ist auf 16,3 Prozent gestiegen; unter den 15- bis 29-Jährigen ist sogar fast jeder Dritte erwerbslos. Den im europäischen Vergleich schlecht bezahlten staatlichen Angestellten wurden ihre Bezüge im Schnitt um 30 bis 40 Prozent gekürzt, sämtliche Rentner des Landes mussten Einschnitte in Höhe von etwa 20 Prozent hinnehmen. Branchentarifverträge dürfen mittlerweile unterlaufen werden, die absolute Untergrenze von etwa 740 Euro Bruttolohn für eine Vollzeitstelle gilt für neu eingestellte junge Erwachsene unter 25 Jahren nicht mehr. Sie müssen mit knapp 600 Euro im Monat auskommen - brutto.“
Griechenland mit seinen ca. 20% Arbeitslosen ist nur ein Beispiel einer Entwicklung, die sich immer mehr Bahn bricht in einer Reihe von europäischen Staaten. In Irland ist die Arbeitslosigkeit auf 14%, in Portugal auf 12%, in Spanien auf über 25% angestiegen – mit jeweils umfangreichen Sparprogrammen. Italien, Großbritannien, Belgien usw. folgen auf den Plätzen. In einem großen Teil Europas also überall Sparen, Kaufkraft schrumpfen… Wachstumsrückgang, Zusammenbruch der Märkte.
Das erinnert an die Zeit der 1930er Jahre, als der damalige Kanzler Brüning nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise die öffentlichen Ausgaben um 30% kürzte, die Steuern erhöhte, die Löhne und Sozialleistungen radikal gesenkt wurden, die Arbeitslosen und noch Beschäftigten mit viel weniger Geld in der Tasche ums Überleben kämpften. Das Bruttosozialprodukt schrumpfte 1931 um 8%, 1932 um 13%, die Arbeitslosigkeit schnellte auf über 30%. Die weitere Entwicklung ist bekannt. Dem Kapital gelang es nicht, die Wirtschaft aus dem Schlamassel zu ziehen. Der Krieg war die Folge.
Deutschland: Niedriglöhne, Verarmung und Spaltung
Mitte März wurde eine neue Studie zum Lohnniveau in Deutschland veröffentlicht. „Knapp acht Millionen Menschen in Deutschland müssen einer Studie zufolge mit einem Niedriglohn von weniger als 9,15 Euro brutto pro Stunde auskommen. Ihre Zahl sei zwischen 1995 und 2010 um mehr als 2,3 Millionen gestiegen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf eine Untersuchung des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Demnach sind etwa 23 Prozent - fast ein Viertel der Beschäftigten - im Niedriglohnsektor tätig. Laut der Studie bekamen die Niedrigverdiener im Durchschnitt im Jahr 2010 6,68 Euro im Westen und 6,52 Euro im Osten. Von ihnen erhielten mehr als 4,1 Millionen weniger als sieben Euro, gut 2,5 Millionen weniger als sechs Euro und knapp 1,4 Millionen nicht einmal fünf Euro die Stunde. Knapp jeder Zweite der niedrig bezahlten Menschen arbeitet dabei voll und nicht Teilzeit. So gibt es nach den Berechnungen allein fast 800.000 Vollzeitbeschäftigte, die weniger als sechs Euro kassieren können. Sie kommen auf einen Monatslohn unter 1000 Euro brutto.
Stark gestiegen ist die Zahl der Niedrigbezahlten vor allem in Westdeutschland. Der Studie zufolge wuchs sie in 15 Jahren in den alten Bundesländern um 68 Prozent, im Osten dagegen nur um drei Prozent. Die große Mehrheit der knapp acht Millionen Betroffenen habe aber einen Beruf erlernt.“(https://www.stern.de/wirtschaft/job/einkommen-in-deutschland-jeder-viert...e)
Wenn in Deutschland vom Jobwunder und hohen Beschäftigungszahlen die Rede ist, liegt einer der Gründe in der brutalen Senkung der Löhne, welche Lohnabhängige oft dazu zwingt, neben einer ersten schlecht bezahlten Stelle noch eine weitere schlecht bezahlte zu suchen. Selbst das „Manager-Magazin“ musste zugeben: „Das ist die hässliche Seite des Jobbooms: Viele neue Stellen entstanden hierzulande in den Vorjahren auch deshalb, weil die Löhne für die Tätigkeiten gering waren. Jetzt wird das Ausmaß der Billigjobs offenbar - aber auch, wie stark Nebenjobber diesen Boom befeuern.“ www.manager-magazin.de/politik/artikel/a-821203.html. „So erhalten z.B. auch viele Leiharbeiter in Automobilfabriken, die immer wieder neue Absatzrekorde vermelden, gerademal 7.5 Euro, während Beschäftigte der Stammbelegschaft bis 18 Euro erhalten.“
All die Beteuerungen seitens des Staates und des Unternehmerlagers, „Sparen bringt die Wirtschaft wieder ans Laufen“, ändern nichts an der Tatsache: Reduziert man die Kaufkraft durch Lohnsenkungen, streicht man von Sozialleistungen usw., senkt man die Nachfrage. Die Folge: noch mehr produzierte Waren bleiben unverkauft, der Konkurrenzdruck für die Unternehmen wächst, Rationalisierungszwang und Preiskrieg verschärfen sich. Die Betriebe sind gezwungen, noch mehr Personal abzubauen oder zu entlassen. Der Staat nimmt noch weniger Steuern ein und muss noch mehr Geld für die Unterhaltung der Arbeitslosen ausgeben. Das Wachstum wird nicht angeschoben, sondern schrumpft; die Konsequenz: noch weniger Schuldenabbau… Diese Methode löst nur eine Kettenreaktion aus. In Wirklichkeit verschlimmert also die ganze Sparpolitik nur noch die Krise und führt das System nicht aus der Sackgasse.
Der Teufelskreis der Verschuldung und des Sparens
Der andere „Lösungsansatz“ – zusätzliche Kaufkraft schaffen durch künstliche Nachfragestimulierung in Form von Billigkrediten, Verschuldung usw. hat aber ebenso Schiffbruch erlitten. Diese Politik wurde während der letzten Jahrzehnte systematisch betrieben.
Die Folge. In dem führenden Industriestaat, der einzig verbliebenen Supermacht USA, melden immer mehr Kommunen Bankrott an, immer mehr Bundesstaaten bewegen sich in diese Richtung. Die Kapitalisten fallen ebenso wie Räuber über die Lohnabhängigen her. Einige Beispiele: „New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg, ein Milliardär, hat für den Haushalt 2012 bereits drastische Sparmaßnahmen verordnet, darunter Entlassungen in vielen städtischen Behörden, die nächtliche Schließung von 20 Feuerwehrkommandos, gekürzte Öffnungszeiten für Bibliotheken und Kulturzentren sowie die Entlassung von 6000 Lehrern im Juni. Trotzdem droht, laut dem Büro des Bürgermeisters, eine Etatlücke von 4,4 Milliarden Dollar.“ (URL: www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/a-806026.html)
Nachdem im Sommer 2011 eine Insolvenz des Staates drohte, konnte die Regierung mit einer weiteren Erhöhung der Schuldengrenze und angekündigten drastischen Streichungen die Insolvenz erst einmal aufschieben. "Die Bundesregierung in Washington kann Geld drucken, die Bundesstaaten können ihre Budgetprobleme auf die Städte abwälzen. Doch die müssen Insolvenz anmelden, weil sie die Defizite nicht weiterreichen können." (ebenda) So beschreibt Stephanie Gomes, eine Stadträtin in Vallejo, die drohende fiskalische Kettenreaktion in den USA. „Die malerische Stadt Vallejo mit 115.000 Einwohnern in den Hügeln gegenüber von San Francisco kehrte in diesem Sommer 2011 nach drei Jahren aus der Insolvenz zurück. Etwas verkürzt lautet die fiskalische Wiederauferstehung so: Die Hälfte der Feuerwehrleute wurde heimgeschickt, ein Drittel der Polizisten entlassen, Bibliotheken und Parks geschlossen, zahlreiche öffentliche Dienstleistungen - darunter für Senioren - eingestampft. (…) Staatliche Pensionen gelten plötzlich doch nicht mehr als unantastbare Leistung, die selbst einer kommunalen Insolvenz standhält.“ Die bankrotte Stadt Central Falls in Rhode Island hat jahrelang in die Pensionsfonds von Feuerwehrleuten, Polizisten und anderen Beamten keine Beiträge eingestellt. Nun wird ein Teil der 47 Millionen Dollar Zusagen für Pensionen gestrichen, um den Banken Zinsen zahlen zu können. Bereits 82 Pensionäre der Stadt haben sich mit Kürzungen ihrer Renten um bis zu 55 Prozent einverstanden, berichten die Zeitungen in der ärmsten Stadt von Rhode Island.“ (ebenda).
Selbst die gigantischsten Konjunkturankurbelungsprogramme und Verschuldungspraktiken können den Bankrott nur aufschieben, bis der Zeitpunkt kommt, wo sowohl Zahlungsunfähigkeit als brutale Sparprogramme anstehen.
So offenbaren all die Maßnahmen, die die Herrschenden ergreifen, um die Wirtschaftskrise zu überwinden, eigentlich nur die Ausweglosigkeit des Systems. Aus diesem Teufelskreis kann keine Maßnahme des Kapitals führen, sondern nur die Überwindung des Systems selbst. Die Herrschenden wiederum müssen immer mehr und unverfrorener lügen.
D, 18.03.2012