Konferenz von Den Haag

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Nur die proletarische Revolution kann die Menschheit retten

Alle internationalen Organisationen der herrschenden Klasse wie die Welthandelsorganisation (WTO), die Weltbank, die OECD oder der Internationale Währungsfonds (IWF) beteuern, dass sie alles Erdenkliche für eine „nachhaltige Entwicklung“ zugunsten der kommenden Generationen tun würden. Kaum ein Staat, der nicht seine große Sorge um die Umwelt verkündet. Kaum eine ökologisch ausgerichtete Nichtregierungsorganisation, die nicht die ganze Palette von Demonstrationen, Petitionen und Memoranden eingesetzt hat. In keiner bürgerlichen Zeitung fehlen pseudo-wissenschaftliche Artikel über die globale Erwärmung. All diese feinen Herrschaften mit ihren lauteren Beweggründen schickten ihre Vertreter vom 13. bis 25. November 2000 zur Konferenz von Den Haag, welche sich zum Ziel setzte, die Abmachungen des Protokolls von Kyoto[1] umzusetzen. Nicht weniger als 2000 Delegierte aus 180 Ländern, umschwärmt von 4000 Beobachtern und Journalisten, hatten den Auftrag, ein Patentrezept auszubrüten, das der Klimaveränderung ein Ende setzen soll. Und das Resultat: nichts, nicht das Geringste! Vielmehr ist es ein erneuter Beweis, dass die herrschende Klasse all ihre Beteuerungen um das Überleben der Menschheit den Interessen des nationalen Kapitals unterordnet.

Vor zehn Jahren hat die IKS im Artikel „Ökologie: Der Kapitalismus vergiftet die Erde“ (Internationale Revue Nr. 13, deutsche Ausgabe) geschrieben, „dass das ökologische Desaster jetzt fühlbar das eigentliche Biosystem des Planeten bedroht“. Heute müssen wir feststellen, dass der Kapitalismus diese Drohung wahr gemacht hat. Während der 90er Jahre hat die Ausplünderung des Planeten an Tempo zugelegt: Waldrodungen, Bodenerosion, die Vergiftung der Luft, des Grundwassers und der Meere, die Ausplünderung der Bodenschätze und die Verbreitung chemischer und nuklearer Substanzen, die Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten, die Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten und schlussendlich die Erhöhung der Durchschnittstemperatur auf dem ganzen Planeten (sieben der heißesten Jahre des Jahrhunderts fielen in die 90er Jahre). Die ökologischen Katastrophen werden immer komplexer, globaler und nehmen meist einen irreversiblen Charakter mit langfristigen Konsequenzen an, die kaum absehbar sind.

Nicht nur hat die Bourgeoisie ihre Unfähigkeit bewiesen, auch nur das Geringste zu tun, um diesen Irrsinn etwas zu bremsen, sie hat auch alles daran gesetzt, ihre Verantwortung dafür hinter einer Reihe von ideologischen Kulissen zu verbergen. Die Bourgeoisie muss das ökologische Elend, wenn sie es nicht mehr schlicht und einfach ignorieren kann, als etwas darstellen, das sich außerhalb der Sphäre der kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse und des Klassenkampfes befindet. All die falschen Alternativen, von den staatlichen Maßnahmen bis  hin zu den Antiglobalisierungspredigten der Nichtregierungsorganisationen, verschleiern nur die einzig mögliche Perspektive der Menschheit, diesem Alptraum zu entkommen: die revolutionäre Überwindung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse durch die Arbeiterklasse.

Aus der Sicht der Revolutionäre ist klar, dass es sich dabei um die dem Kapitalismus innewohnende produktivistische Logik handelt, wie sie Marx schon im Kapital analysiert hatte: „Akkumulation um der Akkumulation, Produktion um der Produktion willen, in dieser Formel sprach die klassische Ökonomie den historischen Beruf der Bourgeoisperiode aus. Sie täuschte sich keinen Augenblick über die Geburtswehn des Reichtums, aber was nützt der Jammer über historische Notwendigkeit?“  (Marx, Das Kapital, Erster Band, Kapitel 22) Hier liegt die Logik und der grenzenlose Zynismus des Kapitalismus verborgen: Die Anhäufung von Kapital und nicht die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse ist das wirkliche Ziel der kapitalistischen Produktion. Das Schicksal des Planeten, der Menschheit und im Besonderen der Arbeiterklasse ist dabei von geringer Bedeutung. Mit der weltweiten Sättigung der Märkte, die 1914 endgültig erreicht war, trat der Kapitalismus in seine niedergehende Phase. Dies bedeutete, dass die Akkumulation von Kapital zunehmend zur Quelle von Konflikten und Erschütterungen wurde. Es geschah vor allem in dieser Periode des Kapitalismus, „dass die unbarmherzige Umweltzerstörung durch das Kapital eine andere Stufe und Qualität erreichen konnte (...) Dies ist die Epoche, die alle kapitalistischen Nationen dazu zwingt, miteinander um einen gesättigten Weltmarkt zu konkurrieren; eine Epoche der ständigen Kriegswirtschaft also, mit einem unverhältnismäßigen Wachstum der Schwerindustrie; eine Epoche, die charakterisiert ist durch eine irrationale, verschwenderische Vervielfältigung von Industriekomplexen in jeder nationalen Einheit, (...) Der Aufstieg der ‚Megastädte‘ ist sehr stark ein Phänomen der dem 2. Weltkrieg folgenden Zeit, sowie auch die Entwicklung von Landwirtschaftsformen, die ökologisch nicht weniger schädlich sind als die meisten Formen der Industrie.“ (Internationale Revue Nr. 13, deutsche Ausgabe) Diese Tendenz ist mit dem Einritt des Kapitalismus in seine letzte Phase, den Zerfall, der seit 20 Jahren dieses System auf der Stelle treten lässt, noch beschleunigt worden, da weder die Arbeiterklasse noch die Bourgeoisie ihre Antwort auf die Krise durchsetzen konnten: proletarische Revolution oder allgemeiner Krieg.

Der Kapitalismus hat Chaos und Zerstörung zur Tagesordnung gemacht. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind katastrophal. Dies wollen wir hier veranschaulichen (anhand weniger Beispiele unter unendlich vielen) und auch die Art und Weise aufzeigen, wie die Bourgeoisie ein ideologisches Sperrfeuer gegen diejenigen richtet, die sich berechtigterweise die Frage stellen, wie dieses barbarische und sich in einer Sackgasse befindliche System gestoppt werden kann.

Der Kapitalismus zerrüttet das ökologische System...

Wegen ihres globalen Charakters und ihrer weltweiten Auswirkungen ist die Klimaveränderung von besonderer Bedeutung. Es ist kein Zufall, dass die herrschende Klasse sie zu einem Hauptthema ihrer Medienkampagne gemacht hat. Die Besserwisser mögen wohl behaupten, „bezüglich der Meteorologie und Klimawissenschaft hat der Mensch ein entschieden zu kurzes Gedächtnis“ (Le Monde, 10.9.2000), oder auf die gängigen Milleniumsängste verweisen. Doch eine solche Haltung, welche die Bourgeoisie selbst nicht in Frage stellt, klammert an sich den Status quo - eine vorherrschende Haltung, hinter der man sich gut verstecken kann. Die Arbeiterklasse kann sich diesen Luxus nicht erlauben. Es sind immer die Arbeiter und die ärmsten Schichten der Weltbevölkerung, die am stärksten von den schrecklichen Auswirkungen dieser globalen Störungen in der Biosphäre der Erde betroffen sind, die durch den kapitalistischen Zauberlehrling hervorgerufen werden.

Die IPPC (Intergovernemental Panel on Climate Change), welche für die Erstellung einer Synthese der wissenschaftlichen Arbeiten über die Klimaveränderung verantwortlich ist, fasste in ihrem „Bericht an die Entscheidungsträger“ vom 22. Oktober 2000 die grundlegendsten Tatsachen zusammen, welche eine neue Qualität in der Klimaveränderung aufzeigen: „Die Durchschnittstemperatur auf der Erdoberfläche ist seit 1860 um 0,6 Grad gestiegen (...). Neue Analysen gehen davon aus, dass das 20. Jahrhundert vermutlich die bedeutendste Erwärmung aller Jahrhunderte in den letzten tausend Jahren auf der nördlichen Hemisphäre erlebt hat (...) Die mit Schnee bedeckte Oberfläche hat seit 1960 um ca. 10% abgenommen und die Periode, in der Seen und Flüsse in der nördlichen Hemisphäre vereist sind, ist während des 20. Jahrhunderts um etwa zwei Wochen kürzer geworden. (...) die Dicke des arktischen Eises hat um 40% abgenommen (...) der Meeresspiegel ist während des 20. Jahrhunderts um 10 bis 20 cm angestiegen (...) das Tempo der Anhebung des Meeresspiegels während des 20. Jahrhunderts war ungefähr zehnmal höher als während der letzten 3000 Jahre. (...) Die Niederschläge haben im 20. Jahrhundert auf der Mehrheit der Kontinente in mittleren und hohen Breitengraden der nördlichen Hemisphäre pro Jahrzehnt um 0,5 bis 1% zugenommen. Der Regen ist in den meisten Regionen zwischen den Wendekreisen zurückgegangen.“

Dieser Qualitätssprung zeigt sich noch klarer bei der Betrachtung der sogenannten Treibhausgaskonzentrationen[2], denn „seit Beginn der industriellen Ära hat die chemische Zusammensetzung des Planeten eine noch nie da gewesene Veränderung durchgemacht“ [3], die der Bericht der IPCC nicht verschweigt: „Seit 1750 hat sich die atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid verdreifacht. Die gegenwärtige Konzentration ist so hoch wie nie zuvor in den letzten 420‘000 Jahren, wenn nicht sogar in den letzten 20 Millionen Jahren. (...) Die Methankonzentration in der Atmosphäre ist seit 1750 um das 2,5-fache gestiegen und steigt weiter an.“ Tatsächlich wurden diese Veränderungen vor allem in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert und nicht schon seit 1750 bewirkt.

Die einfache Tatsache, dass man die Periode der Dekadenz des Kapitalismus hierbei in einem Atemzug mit Perioden von Hunderttausenden, ja, sogar Millionen von Jahren nennen muss, ist an sich schon die eindeutige Verurteilung der irrsinnigen Verantwortungslosigkeit der kapitalistischen Produktionsweise. Es ist eine unleugbare Tatsache, dass diese Veränderungen ein direktes Resultat der ungezügelten und anarchischen Funktionsweise einer Industrie und eines Transportwesens sind, die auf der Verbrennung fossiler Energie beruhen. Es ist fast überflüssig zu sagen, dass, obwohl der Kapitalismus in dieser Periode seine Produktionskapazitäten erheblich gesteigert hat, nicht die Arbeiterklasse und die Mehrheit der Weltbevölkerung ihre Früchte geerntet haben. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, ist die menschliche und soziale Bilanz der Dekadenz des Kapitalismus mit den Kriegen und der Armut als ihre Begleiterscheinungen noch finsterer als die “Klima“bilanz selbst und kann deshalb keineswegs als mildernder Umstand anerkannt werden.[4]

Wenn der IPCC-Bericht unterstreicht, dass „die Beweise für den menschlichen Einfluss auf das globale Klima heute deutlicher sind als zur Zeit des zweiten Berichtes“ von 1995, so widerlegt dies die Behauptungen der Bourgeoisie, welche während der 90er Jahre stets versucht hat, die wissenschaftliche Diskussion zu manipulieren, indem sie falsche Fragen auf den Tisch gebracht hat. Als die Erderwärmung zum Thema wurde  (im Vergleich zu den wissenschaftlichen Studien ohnehin sehr spät), stellte die herrschende Klasse folgende Frage: Wo ist der formale Beweis dafür, dass diese Erwärmung mit der Industrie zusammenhängt und nicht mit einem natürlichen Zyklus? Es ist tatsächlich schwer, auf diese direkte Frage eine wissenschaftlich fundierte Antwort zu geben. Doch andererseits ist der o.g. qualitative Sprung in der Klimaentwicklung insofern besonders offenkundig, als er in einer Zeit stattfindet, in welcher der  Klimazyklus seit etwa 1000 Jahren und in den nächsten 5000 Jahren in Richtung relativer Vergletscherung weist (was gut erforscht ist und sehr genau belegt werden kann, da er durch astronomische Parameter wie die Veränderungen im Weltraum und die Neigung der Erdachse bestimmt wird). Doch nicht nur das, zwei andere Parameter sollten eigentlich auch in Richtung Abkühlung wirken: der Zyklus der Sonnenaktivität und die Zunahme von Partikeln in der Atmosphäre – eine Zunahme, verursacht durch die industrielle Verschmutzung (wie auch durch Vulkanausbrüche). Dies sagt wohl genug über die Scheinheiligkeit der herrschenden Klasse, die noch auf „Beweise“ wartet! Da es heute schwer ist, die kapitalistische Ursache der Erderwärmung zu verleugnen, lautet die große Frage, die sich die Medien stellen, folgendermaßen: Kann formal belegt werden, dass es einen Zusammenhang zwischen der globalen Erderwärmung und den extremen klimatischen Phänomenen der letzten Zeit gibt, wie die Wirbelstürme „Mitch“ und „Eline“, die Stürme in Frankreich, die Überschwemmungen in Venezuela, England usw.? Auch hier fällt es der Wissenschaft schwer, auf diese nicht sehr wissenschaftliche Frage zu antworten, deren einziges Ziel darin besteht, die Idee zu verbreiten, die globale Erderwärmung habe eventuell doch nicht derart schwerwiegende Konsequenzen. Offizielle Stellen wie das französische meteorologische Institut versteigen sich dabei zu köstlichen, jesuitischen Formulierungen wie: „Es ist nicht bewiesen, dass die kürzlich stattgefundenen extremen Ereignisse Zeichen einer klimatischen Veränderung sind, doch wenn dieser Klimawechsel voll wahrnehmbar wird, dann wird er zweifellos von einer Zunahme extremer Ereignisse begleitet!“

Und die bis ins Jahr 2100 zu erwartenden klimatischen Veränderungen sind, um nochmals die IPCC zu zitieren, enorm: „Der mittlere Temperaturanstieg auf der Erdoberfläche wird schätzungsweise zwischen 1,5 und 6 Grad betragen (...) einen solchen Anstieg hat es in den vergangenen zehntausend Jahren nie gegeben“; während der Anstieg der Meeresspiegel im Durchschnitt 0,47 Meter betragen wird, „was zwei bis vier Mal mehr ist als während des 20. Jahrhunderts“. Aber all diese Voraussagen berücksichtigen dabei das tatsächliche Tempo bei der Abholzung nicht (bleibt es bei dem derzeitigen Tempo, sind in 600 Jahren alle Wälder verschwunden). Die Konsequenzen dieser klimatischen Veränderungen werden schrecklich und zerstörerisch sein: Überschwemmungen und Stürme in den einen, Dürre in den anderen Regionen; Mangel an Trinkwasser, das Verschwinden von Tierarten und so weiter. Doch für Dominique Frommel, den Forschungsdirektor des INSERM, liegt „die größte Gefahr nicht dort. Sie liegt in der Abhängigkeit des Menschen von seiner Umwelt. Die Flüchtlingsströme, die menschliche Überkonzentration in den Städten, die Verringerung von Wasserreserven, die Umweltverschmutzung und die Armut haben immer (wobei jedoch der Kapitalismus mehr als jede ihm vorausgehende Gesellschaft Megastädte, Armut und Umweltverschmutzung verursacht hat!) die günstigsten Bedingungen geschaffen für die Verbreitung infektiöser Mikroorganismen. Die Reproduktions- und Infektionskapazität vieler Insekten und Nagetiere, Träger von Parasiten und Viren, ist verbunden mit der Temperatur und Feuchtigkeit des Milieus. Anders gesagt, ein Anstieg der Temperatur, wenn auch nur geringfügig, gibt der Ausbreitung von zahlreichen, Mensch und Tier krank machenden Erregern grünes Licht. Deshalb haben sich verschiedene Parasitenkrankheiten wie Malaria, Schistosomiasis und die Schlafkrankheit, sowie Vireninfektionen wie das Dengue-Fieber, verschiedene Formen von Gehirnhautentzündungen und das hämorrhagische Fieber in den letzten Jahren ausgebreitet. Entweder sind sie in Regionen wieder aufgetaucht, in denen sie zuvor verschwunden waren, oder sie betreffen nun Regionen, die bisher davon verschont geblieben sind. (...) Die Prognosen für das Jahr 2050 gehen von drei Milliarden Malariakranken aus. (...) Gleichzeitig werden sich durch das Wasser übertragene Krankheiten ausbreiten. Die Erwärmung des Süßwassers fördert die Entstehung von Bakterien. Die Erwärmung des Salzwassers – vor allem, wenn es mit menschlichen Abwässern durchsetzt ist – erlaubt dem Plankton, das den Boden für den Cholerabazillus bildet, sich in gesteigertem Masse zu vermehren. Seit 1960 in Lateinamerika praktisch verschwunden, forderte die Cholera dort zwischen 1991 und 1996 1‘368‘053 Todesopfer. Parallel dazu tauchen neue Infektionen auf oder sie beginnen ihre ökologischen Nischen zu verlassen, auf die sie bis anhin beschränkt waren. (...) Die Medizin steht der Explosion so vieler unerwarteter Krankheiten trotz ihrer Fortschritte hilflos gegenüber. Die Ansteckungsgefahr durch infektiöse Krankheiten (...) kann im 21. Jahrhundert ein neues Gesicht annehmen, vor allem durch die Ausbreitung durch von Tieren auf Menschen und umgekehrt übertragene Infektionen.“ (Manière de Voir, Nr. 50, S. 77)

…und unternimmt alles, um seine Schuld daran zu verschleiern

Angesichts dieser historischen Verantwortung besteht die Antwort der Bourgeoisie darin, einen gigantischen Medienzirkus um die Weltkonferenzen von Rio 1992, Den Haag, Kyoto und Berlin zu veranstalten, um uns weiszumachen, dass die herrschende Klasse sich endlich der Gefahren bewusst ist, die dem Planeten drohen. Dieses Täuschungsmanöver findet auf verschiedenen Ebenen statt.

Erstens beabsichtigt es, den Eindruck zu erwecken, dass die Erfüllung der Abmachungen von Kyoto einen ersten wichtigen Schritt darstellen. Doch diese Abmachungen sind nicht nur nicht erfüllt worden; selbst wenn sie es wären, hätten ihre selbst gesteckten Ziele nur lächerlich geringfügige Auswirkungen auf die globale Erwärmung. All die Nichtregierungsorganisationen und ökologischen Parteien, die an der Diskussion über die Verwirklichung des Kyoto-Protokolls teilnahmen, sind also Teil dieses Täuschungsmanövers. Nicht einmal ein Ausweichschritt ist erreicht worden, geschweige denn ein Schritt vorwärts.

Zweitens wird uns erzählt, dass die Unfähigkeit der Staaten, sich untereinander zu verständigen, an ihren verschiedenen Vorstellungen über den Weg zum gemeinsamen Ziel lägen, die den Treibhauseffekt bewirkenden Emissionen zu reduzieren. Tatsächlich jedoch weiß jeder Staat sehr wohl, was er tut, wenn er seine nationalen Interessen verteidigt und daher die Verhandlungen dazu benutzt, um Produktionsnormen durchzusetzen, die am besten zu seinem Produktionsniveau, seinen technologischen Kapazitäten, Energiequellen etc. passen. So respektieren zum Beispiel Frankreich und die USA die Abmachungen von Kyoto nicht (seit 1990 ist der Ausstoß von Kohlendioxid in den USA um 11% und in Frankreich um 6,5% gestiegen), doch wenn Präsident Chirac behauptet, dass „es vor allem an Amerika liegt, unseren Hoffnungen auf eine Reduktion der Treibhausgase Auftrieb zu geben“ (Le Monde, 20.11.2000), so heißt dies im Klartext, dem anderen im Handelskrieg einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen. So verhält es sich auch, wenn die Europäische Union die Einrichtung eines „Überwachungssystems“ fordert, das Steuern für diejenigen einführt, die die Verschmutzungsquoten überschreiten. Ebenso gut könnte man die USA dazu auffordern, den Airbus zu finanzieren und die Produktion von Boeing einzuschränken! Für die Staaten der Dritten Welt ist es noch durchsichtiger: Die Bürde der Krise, der Schulden und des Elends führt zu einer systematischen Ausplünderung der natürlichen Bodenschätze und zu einem Laissez-faire-Verhalten gegenüber den großen westlichen Unternehmen, welche die lokale Korruption fördern. All dies ist die unvermeidliche Realität des Kapitalismus. Unter diesen Umständen läuft die Unterstützung irgendeiner Maßnahme auf Kosten anderer darauf hinaus, das Spiel eines oder mehrerer Staaten zu spielen.

Und schließlich noch ein Wort zu einer Mystifikation, die sich größter Beliebtheit unter Reformisten aller Couleur erfreut: die Idee, für einen sauberen Kapitalismus zu kämpfen, der die Umwelt respektiert, ein Kapitalismus ohne Konkurrenz - ein unvorstellbarer Kapitalismus. Dieser heilige Kreuzzug findet im Namen der Antiglobalisierung statt und ruft flehentlich die Staaten dazu auf, Gesetze gegen die bösen Multis zu erlassen, Steuern zu erheben oder anderweitig gegen sie vorzugehen. Aber genauso wie Arbeitsgesetze die kapitalistische Ausbeutung, Arbeitslosigkeit und Armut nicht aufhalten und, falls notwendig, außer Kraft gesetzt werden können, werden auch die Gesetzgebung, die Steuerschraube oder andere Maßnahmen, die das Prädikat „ökologisch“ für sich beanspruchen, nur das tun, was völlig in Einklang mit dem Kapitalismus steht und was tatsächlich die Modernisierung des Produktionsapparates fördert. Oder aber es handelt sich schlicht und einfach um eine versteckte Form von Protektionismus oder um eine Rechtfertigung arbeiterfeindlicher Maßnahmen (Begründungen zur Schließung von Betrieben, welche die Umwelt belasten, Lohnkürzungen zur Deckung der Kosten einer den Umweltnormen gerechten Produktion usw.) So gesehen, veranschaulichen die Ökosteuern („ich verschmutze, aber bezahle dafür ... ein wenig“) und der Handel mit Zertifikaten für Treibhausgas-Emissionen, der prinzipiell akzeptiert worden ist, lediglich die kapitalistische Wirklichkeit im Kampf gegen die Umweltverschmutzung und die globale Erwärmung!

Aus diesem Grund versuchen die wichtigsten Repräsentanten einer ökologischen Politik und der Nichtregierungsorganisationen, die von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen vom Standpunkt der Rentabilität des Kapitals aus zu legitimieren, und es kommt nicht selten vor, dass sie von den Machtzentralen der Bourgeoisie als Berater herangezogen werden. Dies ist unleugbar bei den grünen Parteien, die sich an verschiedenen Regierungen beteiligen (Frankreich, Deutschland), aber auch bei Nichtregierungsorganisationen der Fall, wie dem „World Conservation Monitoring Center“, welches zum verlängerten Arm der Vereinten Nationen geworden ist und behauptet, dass „die Politik und die Maßnahmen bezüglich der Klimaveränderung im Verhältnis zur Effizienz und den Kosten stehen müssen, damit sie globale Profite zu geringst möglichen Kosten sichern können“. Ins selbe Horn bläst Le Monde Diplomatique, der Hausierer der Antiglobalisierungs-Ideologie in Frankreich (vor allem anti-amerikanisch ausgerichtet), wenn er sich daran stößt, dass „die gesellschaftlichen Gesamtkosten des Automobiltransports – Lärm, Luftverschmutzung, Verkehrschaos, Platzverbrauch und Sicherheitsrisiko – bis zu 5% des Bruttosozialproduktes ausmachen“ (Manière de Voir, Nr. 50, Seite 70). Dieser Wandel zum ökologischen Realismus kann auch die Form einer direkten Hilfe für den Staat annehmen, wie dies Greenpeace nach der Strandung des Chemietankers Ievoli-Sun an der Küste Frankreichs im November 2000 tat.

Es ist charakteristisch für all die ökologischen Bewegungen, Parteien oder Nichtregierungsorganisationen, den kapitalistischen Staat zum Garanten der Allgemeininteressen zu machen. Ihre Handlungsweise ist grundsätzlich Klassen übergreifend (da „wir ja alle betroffen sind“) und demokratisch (sie sind meisterhaft in lokaler Demokratie und beharren darauf, dass der Staat, den sie für fähig halten, sich durch solche Demonstrationen zu bewegen, durch den Druck der Bevölkerung, durch die Tat des Bürgers gezwungen werden könne, umweltfreundliche Maßnahmen zu ergreifen). Es erübrigt sich zu sagen, dass diese Art von Protest, die weder die Fundamente der kapitalistischen Produktionsweise noch die Macht der herrschenden Klasse in Frage stellt, von der Bourgeoisie vollkommen assimiliert werden kann. Und auch die Demoralisierung derer, die diesen Märchen keinen Glauben schenken, ist ein Sieg für die herrschende Klasse.

Wir haben aufgezeigt, dass es illusorisch ist zu glauben, es gäbe Mechanismen innerhalb des Kapitalismus, welche die ökologischen Katastrophen verhindern könnten[5], da Letztere ein Produkt der grundlegenden Funktionsweise des Kapitalismus sind. Es sind vielmehr die gesellschaftlichen Verhältnisse des Kapitalismus, die ausgemerzt werden müssen, wenn wir eine Gesellschaft errichten wollen, in der die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse, die zum Antrieb der Produktion werden muss, nicht auf Kosten der Natur geht, da beide aufs engste miteinander verknüpft sind. Eine solche Gesellschaft, der Kommunismus, kann nur vom Proletariat errichtet werden, der einzigen gesellschaftlichen Kraft, die ein Bewusstsein und eine Praxis entwickeln kann, welche „die bestehende Welt revolutionieren, die vorgefundenen Dinge praktisch angreifen und verändern“ kann (Marx, Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 42).

Seit seinem Erscheinen als revolutionäre Theorie der Arbeiterklasse hat sich der Marxismus gegen die bürgerliche Ideologie gewandt, einschließlich ihrer fortgeschrittensten materialistischen Auffassungen, welche die Natur nur als ein Objekt außerhalb des Menschen betrachten und nicht als historische Natur. Die Beherrschung der Natur hat für das Proletariat nie die Ausplünderung der Natur bedeutet: „Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern dass wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und dass unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Grenzen erkennen und richtig anwenden zu können.“ (Engels, Die Dialektik der Natur, MEW Bd. 20 S. 453)

Es gilt jedoch weiterhin, dass das Bewusstsein über den Ernst der ökologischen Lage für sich selbst nicht ein Mobilisierungsfaktor der Kämpfe ist, welche das Proletariat bis zur kommunistischen Revolution führen muss. Wie schon in der Internationalen Revue Nr. 13 erwähnt und in den letzten 10 Jahren bestätigt wurde, „erlaubt die Frage als solche dem Proletariat nicht, sich als gesonderte soziale Kraft zu bestätigen. In der Tat schafft sie einen idealen Vorwand für die Kampagnen der Bourgeoisie, bei denen die Klassenunterschiede verwischt werden (...) Die Arbeiterklasse wird nur dann fähig sein, sich mit der ökologischen Frage als Ganzes zu beschäftigen, wenn sie die politische Macht auf Weltebene erobert hat.“ Doch der Irrsinn des kapitalistischen Systems in seiner Zerfallsphase berührt die Arbeiter ganz direkt (Gesundheit, Ernährung, Wohnen usw.) und kann auf dieser Ebene künftige ökonomische Kämpfe radikalisieren.

Für alle Elemente außerhalb des Proletariats, die aufrichtig gegen das schreckliche Massaker an diesem Planeten rebellieren, besteht der einzige konstruktive Weg vorwärts für ihren Unwillen darin, Kritik an der ökologischen Ideologie zu üben, zu einem allgemeinen Verständnis der Geschichte des Klassenkampfes zu gelangen und sich dem Kampf des Proletariats in Gestalt seiner revolutionären Organisationen anzuschließen.

Die Zerstörung der Umwelt ist kein technisches Problem, sondern ein politisches: Mehr als je zuvor stellt der Kapitalismus eine tödliche Gefahr für das Überleben der Menschheit dar; mehr als je zuvor liegt die Zukunft der Menschheit in den Händen der Arbeiterklasse. Dies ist keinesfalls eine mechanistische oder abstrakte Vision. Es ist eine Notwendigkeit, deren Wurzeln in der Realität der kapitalistischen Produktionsweise liegen. Um den Knoten zwischen der kommunistischen Revolution und dem Sturz in die Barbarei zu lösen, muss sich die Arbeiterklasse beeilen. Je mehr Zeit verstreicht, desto mehr hinterlässt der beschleunigte Zerfall der kapitalistischen Gesellschaft einer künftigen kommunistischen Gesellschaft ein apokalyptisches Erbe.

BT



[1] Das Protokoll von Kyoto vom Dezember 1997 ist eine Liste von Prinzipien, die von den Staaten angenommen wurde, welche die Konvention der Klimakonferenz von Rio 1992 unterschrieben hatten, und die sie dazu verpflichtete, Emissionen, die zum Treibhauseffekt führen, bis zum Jahr 2010 um 5,2% zu reduzieren. 

[2] Der Treibhauseffekt „ist ein Prozess, welcher Gasen, die in der Atmosphäre nicht vorherrschend sind (Wasserdampf, Kohlendioxid, Methan, Ozon), eine erhebliche Wirkung zukommen lässt: Indem sie die infrarote Strahlung daran hindern, den Planeten frei zu verlassen, halten sie genügend Sonnenwärme zurück, damit der Planet bewohnbar wird (sonst würde eine mittlere Temperatur von minus 18 Grad herrschen)“ (Hervé Le Treut, Forschungsdirektor des meteorologischen Institutes Paris, Le Monde, 7. 8. 2000)        

[3] Hervé Le Treut, ebenda.

[4] Vgl. den Artikel „Das barbarischste Jahrhundert der Geschichte“ in International Review Nr. 101, franz./engl./span. Ausgabe 

[5] Aus Platzgründen können wir hier all die anderen Aspekte des ökologischen Desasters nicht weiter ausführen: die unkontrollierte Verödung und Abholzung der Wälder, das Verschwinden von Lebensraum für Tiere und ihr damit einhergehendes Aussterben (von heute bis zum Jahr 2010 werden 20% der bekannten Tierarten verschwunden sein, davon ein Drittel Haustiere), die permanente Vergiftung mit Dioxin, der massive Gebrauch toxischer Pestizide, der Mangel an Trinkwasser (alle acht Sekunden stirbt ein Kind wegen mangelndem oder schlechtem Wasser), die nukleare Vergiftung durch Militär- und Zivilwirtschaft, die Ausplünderung ganzer Regionen durch die Ölwirtschaft, die Auszehrung der Meeresschätze, die Folgen lokaler Kriege usw. Wie bei der globalen Erwärmung besteht auch hier die „Lösung“ der Bourgeoisie darin, die Realität zu verschleiern, während sich die Verhältnisse immer mehr zuspitzen.

Theoretische Fragen: