Internationale Situation

Printer-friendly version

„Frieden und Wohlstand“ oder Krieg und Elend?

Acht Jahre nach seinem Vater tritt George W. Bush sein Amt als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika an. George Bush senior hatte nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Auseinanderbrechen der UdSSR „eine Ära des Friedens und des Wohlstands“ versprochen. Sein Sohn tritt sein Amt in einer Zeit der Kriege und des allgemeinen Elends an, deren Ausmaß und Intensität während der 90er Jahre noch zugenommen haben. Die Weltlage ist wirklich katastrophal. Und diese Situation ist nicht vorübergehend, denn man darf nicht erwarten, dass die Prophezeiungen von Bush senior eintreten. Alles weist darauf hin, dass der Kapitalismus die Welt in eine tödliche Spirale von mörderischen Konflikten zerren wird, die weltweit, auf allen Kontinenten  aufbrechen. Die imperialistischen Gegensätze, insbesondere zwischen den Großmächten, werden sich weiter verschärfen. Eine neue, brutale Runde der Wirtschaftskrise und des Elends steht bevor, begleitet von einer Reihe von Katastrophen aller Art. Diese drei Elemente, die Kriege, die wirtschaftliche Sackgasse und die Zerstörung des Planeten, führen dazu, dass das Leben der heutigen Generationen immer unerträglicher wird und das Leben der zukünftigen Generationen in Gefahr ist. Es wird immer offensichtlicher, dass der Kapitalismus die Gattung Mensch auszulöschen im Begriff ist.

Während die Friedensillusionen mit dem Golfkrieg und den Bombardierungen Iraks 1991 und schließlich mit den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien schnell verflogen waren, erhielten die Illusionen über einen zu erwartenden Wohlstand mehrmals neuen Auftrieb; so, als es in den USA in den 90er Jahren durchweg positive Wachstumsraten gab, so durch die Börsenhaussen und durch die fabelhafte „Neue Ökonomie“ im Internet. Jedoch haben die Wachstumsraten in den USA und die Börsenhausse die dramatische Zunahme von Hunger und Verarmung auf der Welt nicht verhindern können. Im Gegenteil, der Traum von der „Neuen Ökonomie“ ist längst geplatzt, und die Illusionen über den Wohlstand für alle haben sich in Luft aufgelöst.

Eine Wirtschaft im virtuellen Bankrott

Wir haben in der Internationalen Revue die Lügen über die angebliche “Erholung” der Weltwirtschaft, die sich auf steigende Wachstumsraten stützte, bereits entlarvt. So hat die Weltbourgeoisie „Regeln“ aufgestellt, denen zufolge man von Rezession erst nach zwei Halbjahren rückläufigen Wachstums sprechen kann. An dieser Stelle sei hier nur nebenbei festgestellt, dass sich Japan seit Jahren auch „offiziell“, d.h. nach den Kriterien der bürgerlichen Propaganda, in einer Rezession befindet. Aber abgesehen von den Zahlentricks und den Täuschungsmanövern in der Art der Berechnung bedeutet ein „positives“ Wachstum keineswegs, dass die Wirtschaft sich einer guten Gesundheit erfreut. Die Zunahme der Verarmung gerade in den USA (1) unter Präsident Clinton trotz „außergewöhnlicher“ Wachstumsraten belegt dies.

Schlimmer als 1929

Die Medien, die bürgerlichen Politiker und die Ökonomen führen stets die Weltwirtschaftskrise von 1929 als Nonplusultra einer katastrophalen Wirtschaftskrise an und behaupten, dass heute die Wirtschaft dagegen floriere. Die Erfahrung von 1929 widerlegt diese Behauptung: „Im Leben der meisten Menschen waren die zentralen Erfahrungen mit der Wirtschaft sicherlich von großen Krisen geprägt, wie der von 1929-33, aber das Wirtschaftswachstum kam während all dieser Jahrzehnte nicht zum Erliegen. Es verlangsamte sich nur. Im größten und reichsten Land, den USA, überstieg das durchschnittliche Wachstum des BSP pro Kopf nicht einen bescheidenen Satz von 0,8%. Gleichzeitig stieg die weltweite Industrieproduktion um mehr als 80%, d.h. ungefähr die Hälfte des Wachstums des letzten [19.] Vierteljahrhunderts“. (W. W. Rostow, 1978, S. 662) [...] „Wenn ein Marsmensch die Wachstumskurven aus der Ferne beobachtet hätte, wären ihm die Auf- und Abschwünge auf der Erde nicht aufgefallen, unter deren Folgen die Menschen zu leiden hatten, und er hätte daraus zweifellos die Schlussfolgerung gezogen, dass es eine fortgesetzte Expansion der Weltwirtschaft gegeben hat.“ (E.J. Hobsbawn, Das Zeitalter der Extreme)

Unsere Ökonomen und Regierungen sind keine Marsmenschen, sondern Repräsentanten und Verteidiger der kapitalistischen Ordnung. Kraft ihrer Funktion mühen sie sich ab, die Wirklichkeit der Wirtschaftskrise zu vertuschen. Nur selten und zumeist in vertraulichen Insiderschriften räumt man die Tatsachen ein, die unsere Aussage bekräftigen: „Jedoch reichen die Wachstumsraten weiterhin nicht aus, um die Verarmung zurückzudrängen und der Bevölkerung Wohlstand zu bringen“, schätzt The Economist die Lage in Lateinamerika ein (Courrier International, „Le Monde en 2001“). Dies trifft auch auf die restliche Weltbevölkerung zu. Und welch dramatische Zuspitzung der Verarmung wird man erst erwarten können, wenn die Prognosen Fred Hickeys, die vom Wall Street Journal zitiert werden, zutreffen: „Es ist sicher, dass wir in eine Rezession schlittern.“ (Le Monde, 17.3.2001)!

Nach dem Absturz der Börsen seit Jahresbeginn kann man kaum noch behaupten können, dass in der Welt der Börsen und der mit dem Internet verbundenen „Neuen Ökonomie“ alles in Ordnung ist. „Seit dem historischen Höchststand von 5132 Punkten am 10. März 2000 sind die Technologiewerte um nahezu 65% gefallen. Ein trauriger Jahrestag, da sich in der gleichen Zeit nahezu 4.500 Mrd. Dollar an der amerikanischen Börse in Luft aufgelöst haben.“ (Le Monde, ebenda)

Neben den mit der Internet-Wirtschaft verbundenen Technologiebörsen sind auch alle anderen Börsen vom Kursverfall der Aktien erfasst worden. Dennoch scheint im Gegensatz zu den Börsenkrisen der 80er und 90er Jahre in Amerika, Asien und Russland der aktuelle Kursverfall noch unter Kontrolle zu sein, obwohl es sich hier faktisch um einen großen Krach handelt. Eine große Unbekannte steht weiterhin im Raum: die Lage in Japan, dessen Finanz- und Bankensystem vor allem durch faule Kredite am Rande der Zahlungsunfähigkeit steht: „Der Absturz des japanischen Bankensystems bedroht die ganze Welt.“ (Le Monde, 27.03.2001) Falls Japan seine Anlagen in den USA zurückziehen sollte, wäre die gesamte Kreditpolitik der USA durch den daraus entstehenden Dominoeffekt bedroht. „Wenn die ausländischen Investoren das  notwendige Kapital nicht zur Verfügung stellen wollen, könnte es zu schwerwiegenden Auswirkungen auf das Wachstum, die Aktien und den Dollarkurs kommen.“ (The Economist, Courrier International, „Die Welt im Jahr 2001“) Zudem ist die Sparquote in den US-Haushalten nahezu gleich Null, und die Verschuldung der Haushalte und Firmen zu Spekulationszwecken hat alle bisherigen Rekorde gebrochen. Wir haben bereits mehrfach aufgezeigt, dass die Weltwirtschaft auf einem Schuldenberg fußt, der nie getilgt werden wird. Zwar ist es kurzfristig gelungen, die Rückzahlung der Schulden eine Zeitlang aufzuschieben und durch Umschuldungen besonders in den „Schwellenländern“ Zeit herauszuschlagen, doch auf Dauer wird dies die Wirtschaftskrise noch verstärken. Die US-Wirtschaft, die größte in der Welt, ist gleichzeitig auch am stärksten verschuldet; ihr Wachstum basierte einzig und allein auf Pump, d.h. auf einem „gewaltigen Handelsdefizit und einer massiven Auslandsverschuldung (...) Zusammenfassend kann gesagt werden, braucht die US-Wirtschaft im Jahre 2001 eine intelligente Führung und vor allem eine gute Portion Glück.“ (ebenda) Zweifel sind angebracht: Wer würde gern in ein Flugzeug steigen, wenn vor dem Start ankündigt wird, dass man einen intelligenten Piloten braucht und vor allem „eine gute Portion Glück“?

Nach den vielen Finanzkrisen, die Russland, Asien und Lateinamerika mehrfach erschüttert hatten und in deren Gefolge jedes Mal die Zahlungsunfähigkeit bei der Schuldentilgung festgestellt worden war, musste nun die Türkei quasi ihre Zahlungsunfähigkeit eingestehen und zum Bittgang beim IWF antreten. Da die Türkei nicht in der Lage war, fristgemäß zum 23. März drei Milliarden Dollar zurückzuzahlen, wurde ihr vom IWF ein Kredit von sechs Milliarden Dollar gewährt, der an die Bedingung geknüpft war, drastische Sparmaßnahmen gegen die Bevölkerung zu ergreifen. Und auch der freie Fall der argentinischen Wirtschaft beschleunigt sich. Im vergangenen Winter musste „eine außergewöhnlichen Finanzhilfe von 39,7 Mrd. Dollar gewährt werden, um damit vor allem eine Zahlungsunfähigkeit gegenüber der großen Auslandsverschuldung (122 Mrd. Dollar, d.h. 42% ihres BSP) zu vermeiden.” (Le Monde, 20. 3.2001) Isoliert betrachtet, mögen diese lokalen Krisen nur die Fragilität dieser Länder zum Ausdruck bringen. Doch in Wirklichkeit spiegeln sie die Zerbrechlichkeit der Weltwirtschaft wider, denn jede dieser seit der Lateinamerika-Krise 1982 zunehmenden Turbulenzen, in denen die „Schwellenländer“ ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können, bedroht unmittelbar das gesamte internationale Finanzsystem. Daher die überstürzten Interventionen der Regierungen der Großmächte und des IWF durch neue, noch umfangreichere „Hilfspakete“.

Unter diesen Bedingungen geht es für die Bourgeoisie seit Jahren nur noch darum, den unvermeidbaren Absturz der US-Wirtschaft zu kontrollieren. „Der Nachfrageüberhang im Verhältnis zum Angebot symbolisiert in den USA die Kehrseite der Medaille dieses Wunders (des amerikanischen Wachstums). Dies ist auch eine Gefahr, denn es ist verbunden mit einem gewaltigen Handelsdefizit und einer enormen Auslandsverschuldung. Wenn das Handelsdefizit und die Verschuldung weiter zunehmen, wäre ein Zusammenbruch unvermeidbar. Aber das wird nicht der Fall sein. Wenn das US-Wachstum 2001 wieder bescheidenere Ausmaße annimmt, d.h. nicht mehr außergewöhnliche, sondern nur noch beeindruckende, wird das Außenhandels- und Zahlungsbilanzdefizit zurückgehen.“ (The Economist, Courrier International, „Die Welt im Jahre 2001“) Der oben zitierte Journalist setzte auf das Glück. Der hier zitierte setzt in seinem Artikel „Das goldene Zeitalter der Weltwirtschaft“ auf Wunder. An vorderster Stelle steht für die verschiedenen Teile der Weltbourgeoisie, ungeachtet ihrer entgegengesetzten imperialistischen, politischen und Handelsinteressen, die Sorge um eine „weiche Landung“ der US-Wirtschaft. D.h. eine Landung ohne allzu große Erschütterungen, die der ganzen Welt und insbesondere der internationalen Arbeiterklasse die dramatische Wirklichkeit, den irreversiblen Bankrott der kapitalistischen Produktionsweise, offenbaren würde. Die Bevölkerung auf der ganzen Welt, einschließlich der Industriestaaten Europas und Nordamerikas, kann von diesem System nur eine Zunahme der Verarmung und des Elends erwarten, die ohnehin schon ungeheure Ausmaße erreicht haben.

Die „Agrarkrise“  - Krise des Kapitalismus

Infolge der landwirtschaftlichen Überproduktionskrise werden in den Industrieländern Tausende von kleineren und mittleren Bauernhöfen in Konkurs gehen; der Konzentrationsprozess in diesem Wirtschaftszweig wird sich weiter zuspitzen. BSE und Maul- und Klauenseuche sind keine Naturkatastrophen, sondern gesellschaftliche Katastrophen, d.h. verbunden mit der kapitalistischen Produktionsweise und durch sie verursacht. Sie sind das Ergebnis einer Verschärfung der wirtschaftlichen Konkurrenz und eines Strebens nach Produktivitätserhöhung. Kurzum, sie sind ein Ausdruck der weltweiten landwirtschaftlichen Überproduktionskrise. Und auch die „Lösungen“ der bürgerlichen Krisenmanager zeigen, wie im Fall der Maul- und Klauenseuche, die ganze Perversität dieses System. Während ein Großteil der Weltbevölkerung hungert, werden die Tiere massenhaft geschlachtet und verscharrt, und das, obwohl eine Impfung völlig ausreichend wäre. „Die Agrarkrise unterstreicht erneut, in welchem Maße der Hunger im Süden verbunden ist mit der Überproduktion im Norden.“ (Sylvie Brunel, „Gegen den Hunger kämpfen“, Le Monde, 10.03.2001) Diese Krise wird auch die Bauern in der Peripherie des Kapitalismus, d.h. einen großen Teil der Weltbevölkerung, erfassen. „Für die Dritte Welt zeichnet sich eine andere verheerende Folge des Zusammenbruchs des Fleischmarktes  ab: die Weizenüberproduktion.“ (ebenda) Deutlicher ließe sich der Wahnsinn des kapitalistischen Systems und der absurden Folgen, die sich aus seinem Weiterbestehen ergeben, nicht zeigen. „Denn das Problem der weltweiten Ernährung liegt nicht bei der Nahrungsmittelproduktion, die weltweit völlig ausreicht, sondern in der Verteilung: diejenigen, die an Unterernährung leiden, sind zu arm, um die Lebensmittel zu kaufen, um sich zu ernähren.“ (ebenda) (2) Der Kapitalismus kann sich einfach nicht den „Luxus“ erlauben, diese Tiere, statt sie zu schlachten, den Hungernden der Welt kostenlos zu überlassen - die Preise würden ins Bodenlose abstürzen.

Solange der Kapitalismus nicht überwunden ist und seine ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, insbesondere das Wertgesetz, fortbestehen, ist es eine philanthropische Utopie zu fordern, gesunde Tiere zu verschenken, die aufgrund der Überproduktion abgeschlachtet werden sollen. Dies trifft auf die gesamte Überschussproduktion in der Landwirtschaft wie in allen anderen kapitalistischen Wirtschaftsbereichen zu. Daher liegen unzählige Felder in den Industriestaaten brach und stapeln sich Tonnen unverkäuflicher Butter und Milch. Nur eine Gesellschaft, in der das Wertgesetz, die Lohnarbeit und die Existenz gesellschaftlicher Klassen aus der Welt geschafft sind, kann dieses Dilemma lösen, weil sie dazu in der Lage sein wird, den Bedürfnissen der Menschen und nicht denen des Profits gerecht zu werden.

Doch nicht nur die in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung – ob sie über einen kleinen Landbesitz verfügt, Land pachtet oder ihre Arbeitskraft als Tagelöhner oder Landarbeiter verkauft -  ist von der Zuspitzung der Wirtschaftskrise betroffen.

Die Angriffe gegen die Arbeiterklasse

Eine Welle von Entlassungen findet derzeit in allen Wirtschaftsbranchen statt. In den USA haben Firmen aus der „Neuen Ökonomie“ wie Intel, Dell, Delphi, Nortel, Cisco, Lucent, Xerox und Compaq, aber auch Firmen aus der traditionellen Wirtschaft wie General Motors und Coca-Cola Zehntausende von Entlassungen angekündigt.  Desgleichen in Europa, wo die Zahl von Werksschließungen horrend zugenommen hat, wie beispielsweise bei Marks & Spencer, Danone und in der Rüstungsindustrie bei EADS sowie bei den französischen Giat Industries (die den Leclerq-Panzer herstellen), während gleichzeitig der Personalabbau in den großen Firmen und im Öffentlichen Dienst vorangetrieben wird.

In den Industriestaaten, wo die nationalen Bourgeoisien sich des Potenzials und der Gefahren bewusst sind,  die aus dem Widerstand einer zahlenmäßig stark konzentrierten und historisch erfahrenen Arbeiterklasse entstehen können, geht die herrschende Klasse bei diesen Angriffen politisch äußerst vorsichtig vor. Dort jedoch, wo die Arbeiterklasse jünger, unerfahrener und zerstreuter ist, sind die Angriffe weitaus brutaler. So liegt es auf der Hand, dass die Angriffe gegen die Arbeiter in Argentinien und besondere in der Türkei – um nur zwei Beispiele zu erwähnen – noch zunehmen werden.

Diese massiven Angriffe in allen Ländern und in allen Wirtschaftsbereichen entlarven die Behauptung, dass die „Wirtschaft floriert“, als eine Lüge. Vor allem die stets wiederholte Behauptung, dass Entlassung nur Ausnahmen, Einzelfälle seien, ginge es doch dem Rest der Wirtschaft gut, läuft zunehmend ins Leere. Die ganze Arbeiterklasse ist betroffen; in allen Branchen rollt die Entlassungswelle, werden die Löhne gekürzt, nimmt die Unsicherheit zu, werden die Arbeitszeiten und -rhythmen erhöht, kurz: verschlechtern sich die Arbeits- und Lebensbedingungen.

Der alte Bush und mit ihm die Funktionsträger der verschiedenen Staaten und Regierungen, Politiker, Ideologen, Journalisten, Intellektuellen – sie alle sprachen vom Wohlstand. Dabei herausgekommen ist einzig und allein noch allgemeinere Armut, und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.

Die Menschheit ist mit einer historischen Blockade konfrontiert. Einerseits hat der Kapitalismus nichts anderes mehr anzubieten als eine allgemeine Krise, lokale Kriege, Massenverelendung und eine wachsende Barbarei, ist jedoch nicht in der Lage, seine einzig reelle „Lösung“, einen dritten Weltkrieg, durchzusetzen. Andererseits gelingt es der einzigen gesellschaftlichen Kraft, die eine Perspektive für die Überwindung des Kapitalismus und Errichtung einer neuen Gesellschaft anbieten könnte, die internationale Arbeiterklasse, noch nicht, offen als Klasse in Erscheinung zu treten und ihre Kraft zu demonstrieren. In dieser Situation tritt die kapitalistische Gesellschaft in ein Stadium der Fäulnis. Zu den schlimmsten Gefahren für Zukunft und Überleben der Menschheit gehören neben den Kriegen, der Gewalt in den Städten auch die Zunahme der Umweltzerstörung und sonstiger Katastrophen.

Fäulnis und Wahnsinn der kapitalistischen Gesellschaft

In Folge des Rückgangs der Ozonschicht, der Verschmutzung der Meere, des Bodens, der Flüsse, der Städte und des Landes, der Manipulationen an Lebensmitteln, der Epidemien unter Menschen und Tieren (die Liste ließe sich beliebig fortsetzen) wird der Planet Erde immer unbewohnbarer; sein Gleichgewicht gerät zunehmend aus den Fugen.

Bislang erschienen die Katastrophen und die Umweltzerstörung nur als „natürliche“ Folgen der Zuspitzung der Wirtschaftskrise, der kapitalistischen Konkurrenz und der fieberhaften Jagd nach maximaler Produktivität. Heute jedoch sind die Fragen des Umweltschutzes zu einer imperialistischen Streitfrage, zu einem Schlachtfeld zwischen den Großmächten geworden. Die Aufkündigung des Kyoto-Abkommens über die Emissionen von Treibhausgasen durch die USA bot den anderen Großmächten, insbesondere den europäischen,  Gelegenheit, den USA ein unverantwortliches Verhalten vorzuwerfen. „Die Europäische Union sieht keine andere Lösung für das Klimaproblem außerhalb des Protokolls von Kyoto, und sie ist weiterhin entschlossen, dieses anzuwenden, ob mit oder ohne die USA.“ (Romano Prodi, Präsident der Europäischen Kommission, Le Monde, 6. April 2001) So wie die „humanitären Angelegenheiten“ und die „Verteidigung der Menschenrechte“ sind auch Umweltverschmutzung und andere Katastrophen zum Streitpunkt und Teil des Wettbewerbs zwischen den Staaten geworden. So wie bei der Intervention in Somalia konnte auch die „humanitäre“ Intervention in Bosnien nur schwerlich die Interessenskollisionen zwischen den Großmächten verbergen. „Humanitäre Hilfe“ erfüllt den gleichen Zweck: Bei jedem Erdbeben entflammt ein Wettbewerb zwischen den amerikanischen und europäischen Suchmannschaften auf der Suche nach Überlebenden unter den Trümmern.

Der Kapitalismus stürzt die Menschheit und den ganzen Planeten in eine tödliche Spirale von wirtschaftlichen Katastrophen, sich verschärfenden imperialistischen Interessensgegensätzen und all den daraus entstehenden Folgen für das gesamte gesellschaftliche Leben, welche ihrerseits die imperialistischen Rivalitäten und Konflikte zuspitzen und die Wirtschaftskrisen weiter beschleunigen.

Eine Zunahme der Kriege

Dass die Menschheit gelernt hat, in einer Welt zu leben, wo Massaker, Folter, Massenflucht zu einem alltäglichen Schicksal geworden sind, das wir kaum noch wahrnehmen, ist nicht der geringste tragische Aspekt dieser Katastrophe.“ (E.J. Hobsbawn, Das Zeitalter der Extreme)

Ein Blick auf die gegenwärtige Welt jagt einem Angst und Schrecken ein. Eine Reihe von endlosen blutigen, kriegerischen Konflikten prägt das Bild. Sie haben sich auf allen Kontinenten breitgemacht: in der ehemaligen UdSSR, insbesondere in ihren ehemaligen asiatischen Republiken und im Kaukasus; im Mittleren Osten vom Irak bis Pakistan und Afghanistan; in Südostasien, natürlich im Nahen Osten, in Afrika, zum Teil in Südamerika, insbesondere in Kolumbien; auf dem Balkan. Heute stellen jene Territorien auf dem Globus, die nicht direkt von offenen oder verdeckten Kriegen in der einen oder anderen Form betroffen sind, gleichsam Inseln des „Friedens“ in einem Meer von militärischen Zusammenstößen dar.

Ende der 70er Jahre und in den 80er Jahren war der Bürgerkrieg im Libanon der klarste Ausdruck des Eintritts der kapitalistischen Welt in die Phase ihres Zerfalls. Damals wurde der Begriff „Libanisierung“ zum Synonym für jene Länder, die in Folge endloser Kriege auseinanderbrachen. Heute sind ganze Kontinente diesem Prozess der „Libanisierung“ anheim gefallen. Eine ganze Reihe afrikanischer Staaten gehört dazu (3); müßig, sie alle aufzuzählen. Die meisten von ihnen sind Opfer Libanon-ähnlicher Verhältnisse geworden. Afghanistan mit seinen mehr als 20 Jahren Krieg und Massaker ist sicherlich einer der extremsten und dramatischsten Ausdrücke (4).

Wir dürfen uns nichts vormachen: Verantwortlich dafür sind historisch wie auch aktuell an erster Stelle der Imperialismus im Allgemeinen und die Großmächte im Besonderen. Die imperialistischen Rivalitäten unter diesen Staaten haben diese Konflikte erst ausgelöst und sie immer wieder angefacht: Dies trifft auf Afghanistan zu, das 1980, zur Zeit des Kalten Krieges, von russischen Truppen besetzt worden war, und dessen islamische Guerilla erst von den USA aus der Taufe gehoben und unterstützt wurde. Das trifft ebenso auf den Balkan zu, wo auf der einen Seite Deutschland 1991 die Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens unterstützte und auf der anderen Seite Großbritannien, Frankreich, Russland, Italien, Spanien und die USA zu (womit wir nur die Hauptmächte genannt haben) intervenierten, um sich dem deutschen Bestreben entgegenzustellen. Das Gleiche gilt für Afrika. Eine Analyse der Wurzeln und des Ablaufs dieser Konflikte heute belegt die Handschrift der Großmächte und zeigt, wie diese Öl aufs Feuer dieser Konflikte gießen, selbst wenn Letztere aus ihrer Sicht keinen großen Stellenwert mehr haben, wie dies in Afrika oder Afghanistan der Fall ist.

Die direkten imperialistischen Rivalitäten zwischen den Großmächten, die in der Regel mit größerer Diskretion ausgetragen werden, haben seit der Auflösung der Blöcke 1989 und besonders in der letzten Zeit an Schärfe zugenommen. Die USA haben eine besonders aggressive Haltung gegenüber China eingenommen, wie der Vorfall um den chinesischen Abfangjäger und das US-amerikanische Spionageflugzeug am 1.April 2001 verdeutlicht, aber auch gegenüber Russland, mit der Ausweisung von 50 russischen Diplomaten Ende März 2001, und gegenüber Europa, mit der Ablehnung des Kyotoer Protokolls zu den Begrenzungen der Treibhauseffekte und dem Projekt des National Missile Defence (NMD), eine rüdere Haltung eingenommen.

George Bush senior und mit ihm die gesamte Welt sprachen vom Frieden. Aber in Wirklichkeit gab, gibt und wird es ständig Kriege geben.

Die Kriege in der Zeit des Niedergangs des Kapitalismus

Der Kapitalismus erscheint aus historischer Sicht gesehen als irrational. Er führt zur Auslöschung der Gattung Mensch, denn er respektiert keine ökonomische oder historische Rationalität mehr.

Im kurzen 20. Jahrhundert hat man schon mehr Menschen getötet oder bewusst sterben lassen als je zuvor in der Geschichte (...). Dieses Jahrhundert hat sicherlich die mörderischsten Spuren  in der Geschichte hinterlassen – sowohl hinsichtlich des Ausmaßes, der Häufigkeit und der Länge der Kriege (und die nur während der 20er Jahre kurz unterbrochen wurden), aber auch hinsichtlich des unvergleichlichen Ausmaßes der menschlichen Katastrophen, die stattfanden, von den größten Hungersnöten der Geschichte bis zu den systematischen Völkermorden. Im Unterschied zum ‚langen 19. Jahrhundert‘, das als eine Zeit nahezu ununterbrochenen materiellen, intellektuellen und moralischen Fortschritts erschien und war, d.h. des Ausbaus der Zivilisationswerte, hat seit 1914 ein ungeheuerlicher Zerfall der Werte eingesetzt, die bislang in den entwickelten Staaten und im Bürgertum als normal angesehen wurden, und von denen man meinte, dass sie sich auf die rückständigeren Gebiete und auf die weniger gebildeten Teile der Bevölkerung ausdehnen würden.“ (E. J.Hobsbawn)

Gewiss ermöglicht uns die Geschichte des Kapitalismus, seine gegenwärtige Dynamik zu begreifen. Es gibt historische „Gründe“ für seine Irrationalität. Der Hauptgrund liegt in seinem Eintritt in die Epoche seines historischen Niedergangs, seiner Dekadenz, der mit Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgte und zum 1. Weltkrieg 1914-1918 führte, welcher das Ergebnis und ein aktiver Faktor dieser Dekadenz war. Im Niedergangsstadium haben die Kriege aufgehört, Kolonial- oder nationale Kriege zu sein, d.h. sie verfolgen nicht mehr „vernünftige“ Ziele und Zwecke wie die Eroberung neuer Märkte oder die Schaffung und Etablierung neuer Nationen, die an der historischen Entwicklung teilhaben konnten. Sie sind stattdessen zu imperialistischen Kriegen geworden. Ursache derselben ist der Mangel an Märkten und die Notwendigkeit einer imperialistischen Neuaufteilung, also eines Ziels, das zum historischen Fortschritt nicht beitragen kann. Daher sind die Merkmale der imperialistischen Kriege immer barbarischer, mörderischer und zerstörerischer geworden. Seit dem Beginn der Dekadenz stehen die Kriege nicht mehr im Dienst der Wirtschaft, sondern die Wirtschaft wird den Interessen des Krieges unterworfen. Dies trifft sowohl auf Friedens- als auch auf Kriegszeiten zu. Der Zeitraum seit 1945 bestätigt dieses Phänomen.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts sind die Kriege immer mehr gegen die Wirtschaft, die Infrastruktur der Staaten und ihre Zivilbevölkerungen gerichtet gewesen. Seit dem 1. Weltkrieg übersteigt die Zahl der Kriegsopfer unter den Zivilisten die der Opfer unter den Soldaten in allen kriegsbeteiligten Staaten – mit Ausnahme der USA. Warum sollten unter diesen Bedingungen die führenden Mächte beider Lager den Ersten Weltkrieg als ein Nullsummenspiel betreiben, d.h. als einen Krieg, der entweder nur vollkommen verloren oder total gewonnen werden konnte? (...) In Wirklichkeit zählte als einziges Kriegsziel der totale Sieg, und der Feind hieß – wie man ihn im Zweiten Weltkrieg nannte, eine ‚bedingungslose Kapitulation‘. Das war ein absurdes und selbstzerstörerisches Ziel, das sowohl Sieger als auch Verlierer ruinierte. Die Letztgenannten wurden dadurch in die Revolution getrieben, und die Sieger in den Bankrott und die physische Erschöpfung.“ (E.J. Hobsbawn)

Diese für den imperialistischen Krieg des 20. Jahrhunderts typischen Eigenschaften sind während des 2. Weltkriegs und in allen darauffolgenden Kriegen drastisch bestätigt worden. Seit dem Zerfall der imperialistischen Blöcke um die USA und die UdSSR im Jahre 1989 ist die Gefahr eines Weltkrieges geschwunden. Doch die Auflösung der Blöcke und der Blockdisziplin hat einer Reihe von kriegerischen Konflikten Tür und Tor geöffnet, welche durch die Großmächte provoziert und genährt werden, wobei Letztere Schwierigkeiten haben, diese Konflikte unter Kontrolle zu halten, sobald sie einmal ausgelöst sind. Nach der Auflösung der imperialistischen Blöcke sind die Kriege als ein Hauptmerkmal des dekadenten Kapitalismus keinesfalls von der Bildfläche verschwunden. Ganz im Gegenteil, an Stelle der Blockdisziplin ist nun die Dynamik des „Jeder für sich“ getreten, wo jede imperialistische Macht, jeder Staat, ob groß oder klein, sein eigenes Spiel auf Kosten der anderen spielt. Der Kapitalismus ist in eine besondere Phase seines historischen Niedergangs getreten. Wir haben sie als die Epoche seines Zerfalls bezeichnet (5). Doch gleichgültig, wie man sie bezeichnet: „Man darf nicht daran zweifeln, dass Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre ein Abschnitt der Geschichte zu Ende gegangen ist und ein neues Kapitel der Geschichte begonnen hat (...) Der letzte Teil des Jahrhunderts öffnete eine neue Periode des Zerfalls, der Unsicherheiten und der Krise – und zu einem großen Teil auf der Welt wie in Afrika, der ehemaligen UdSSR, und im ehemaligen sozialistischen Teil Europas, von Katastrophen.“ (Hobsbawn).

Die Kriege in der Zerfallsphase des Kapitalismus

Die gegenwärtigen imperialistischen Spannungen können nur auf dem Hintergrund dieser historisch einzigartigen Situation verstanden werden.

Im Zeitalter der Dekadenz des Kapitalismus sind alle Staaten imperialistisch und richten sich nach diesen Verhältnissen aus: Kriegswirtschaft, Rüstung usw. in allen Staaten. Deshalb wird die Zuspitzung der Erschütterungen der Weltwirtschaft nur die Konflikte zwischen den verschiedenen Staaten auch mehr und mehr auf militärischer Ebene verschärfen. Der Unterschied zu der jetzt zu Ende gegangenen Epoche besteht darin, dass diese Konflikte und Interessengegensätze, die zuvor von den beiden großen imperialistischen Blöcken im Griff gehalten und ausgenutzt wurden, jetzt in den Vordergrund rücken werden. Das Verschwinden des russischen imperialistischen Gendarmen und damit auch die Auflösung der Gendarmenrolle des amerikanischen Imperialismus gegenüber seinen ‚Hauptpartnern‘ von früher öffnet die Tür für das Aufbrechen einer ganzen Reihe von lokalen Rivalitäten. Diese Rivalitäten und Zusammenstöße können gegenwärtig nicht in einen Weltkrieg ausarten (selbst wenn das Proletariat nicht mehr dazu in der Lage wäre, sich dagegen zur Wehr zu setzen). Weil die vom Block aufgezwungene Disziplin nicht mehr gegeben ist, werden diese Konflikte dagegen viel häufiger und gewalttätiger werden, insbesondere in den Gebieten, wo die Arbeiterklasse am schwächsten ist.“ (Internationale Revue, Nr. 12, 10.2.1990).

Während der Balkan und der Nahe Osten seit jeher Kriegsschauplätze und ständige Konfliktherde waren und sind, hat es in den letzten Wochen eine Zunahme der interimperialistischen Spannungen zwischen den Großmächten gegeben. Die USA haben eine aggressive Haltung eingenommen. „Der Grund für das, was als eine willkürliche Brutalität in der Haltung der Bush-Administration nicht nur gegenüber Russland und China, sondern auch gegenüber Südkorea und den Europäern scheint, bleibt rätselhaft.“ (W.Pfaff, International Herald Tribune, 28.03.2001) Es wäre eine zu grobe Vereinfachung, diese neue Aggressivität nur der Person des neuen Präsidenten Bush zuzuschreiben. Sicher stellt ein Präsidentenwechsel und der Einzug einer neuen Regierungsmannschaft eine Gelegenheit für einen Politikwechsel dar. Doch die grundsätzlichen Orientierungen der US-Politik bleiben im Wesentlichen gleich. Die Politik des „starken Manns“ und des „Haltet-mich-zurück-oder-ich-richte-ein-Unheil-an“ ist nicht auf die intellektuelle Unbedarftheit der Bush-Familie zurückzuführen, wie uns die europäischen Medien und manchmal auch die amerikanischen glauben machen wollen. Es handelt sich um eine tiefer greifende Tendenz, die durch die geschichtliche Lage selbst aufgezwungen wird.

Mit dem Verschwinden der russischen Bedrohung ist der ‚Gehorsam‘ der anderen fortgeschrittenen Länder keineswegs sichergestellt (gerade aus diesem Grunde ist der westliche Block auseinandergefallen). Um solch einen Gehorsam sicherzustellen, müssen sich die USA nunmehr systematisch auf eine militärische Offensive stützen.“ (Internationale Revue, Nr. 67, engl., franz., span., Bericht zur internationalen Situation, 9. Kongress der IKS, 1991) Seitdem ist dieses grundlegende Merkmal der US-imperialistischen Politik nicht hinfällig geworden, denn „gegenüber dem unaufhaltsamen Aufstieg des ‚Jeder für sich‘ haben die USA keine andere Wahl, als ständig eine Politik der militärischen Offensive zu betreiben.“ (Internationale Revue, Nr. 98, engl., franz., span., Bericht über die imperialistischen Konflikte, 13. Kongress der IKS, 1999)

Wachsende imperialistische Gegensätze

Diese Notwendigkeit, Stärke zu zeigen, ist um so wichtiger, da die USA auf diplomatischer Ebene auf Widerstände stoßen. Die Ausdehnung des Balkankrieges auf Mazedonien ist ein Zeichen der wachsenden US-Schwierigkeiten, die Lage in diesem Teil der Welt im Griff zu behalten. Ohne wirklichen Stützpunkt in der Region sind die USA - im Gegensatz zu England, Frankreich und Russland, die traditionell auf serbischer Seite stehen,  und Deutschland, das sich auf die Kroaten und Albaner stützt -  gezwungen, ihre Politik den jeweiligen Verhältnissen anzupassen. Es ist deshalb kein Zufall, wenn „die NATO die teilweise Rückkehr der jugoslawischen Armee in der ‚Sicherheitszone‘ um den Kosovo zulässt (...). Das Bemühen, Belgrad bei der Verhinderung eines neuen Konfliktes einzubinden, ist offensichtlich.“ (Le Monde, 10.3.2001) Wie die Verbündeten Serbiens sind die USA an der Aufrechterhaltung der Stabilität Mazedoniens interessiert, das „seit jeher als ein schwaches Glied betrachtet wurde, welches unter allen Umständen aufrechterhalten werden muss, weil sonst eine Destabilisierung in ganz Südosteuropas eintreten würde.“ (ebenda) Die einzige Macht, die aus der Ausdehnung des Krieges auf Mazedonien Nutzen zieht und die an der Aufrechterhaltung dieses Zustands interessiert ist, ist Deutschland. Mit einem unabhängigen Kroatien mitsamt der kroatischen Provinz Bosnien-Herzegowinas und einem Großalbanien, das Mazedonien und Montenegro in Stücke zerreißen würde, wären die historischen, geo-strategischen  Ziele Deutschlands – ein direkter Zugang zum Mittelmeer – erfüllt. Natürlich würde solch eine Perspektive auch den imperialistischen Appetit Griechenlands und Bulgariens, die im Augenblick im Zaum gehalten werden, auf Mazedonien wieder vergrößern. Der mazedonische Präsident irrte sich nicht, als er die wirklich Verantwortlichen für die Offensive der albanischen Guerilla nannte. Vor der US-Kehrtwende sagte er. „Sie werden heute in Mazedonien niemanden davon überzeugen, dass die Regierungen der USA und Deutschlands die Terroristenführer nicht kennen und sie nicht an ihren Aktivitäten hindern könnten, wenn sie wollten.“ (Le Monde, 20.03.2001)

Wie in Afghanistan, Afrika und anderen Regionen der Welt, die von Kriegen erschüttert werden, wird der Frieden solange nicht auf dem Balkan einkehren, wie der Kapitalismus besteht.

Das Gleiche trifft auf den Nahen Osten zu. Wie wir schon in der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift schrieben: „Der Plan, den Clinton unter allen Umständen vor dem Ende seines Mandats durchsetzen wollte, wird, wie vorauszusehen war, nur ein Stück Papier sein.“ Die neue Bush-Administration scheint sich mit dieser Unfähigkeit der USA, eine „pax americana“ durchzusetzen, zu arrangieren. Sie scheint sich damit abzufinden, dass diese Region immer ein Kriegsherd bleiben wird, jedenfalls solange, wie der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nicht beendet worden ist. Colin Powell, der neue US-Außenminister und ehemalige Stabschef der US-Armee während des Golfkriegs, gesteht ein, dass es keine ‚magische Formel‘ gibt, zumal Israel nicht mehr zögert, eine eigenständige Politik zu betreiben - auch dies ein Zeichen für die Dominanz des „Jeder für sich“. Die Bourgeoisie Palästinas wiederum, eines Landes, dessen unterdrückte und wirtschaftlich ausgemergelte Bevölkerung im Elend lebt, kann ihre Verzweiflung nur in einem selbstmörderischen, gegen Israel gerichteten Nationalismus kundtun. Sie wird dabei von europäischen Mächten unterstützt. Insbesondere Frankreich zögert nicht, alles zu unterstützen, was gegen die US-Politik in der Region gerichtet ist.

Die Reaktion der USA auf ihre eigene Hilflosigkeit waren die mörderischen Bombenangriffe auf Bagdad kurz nach Bushs Amtseinführung. Die Botschaft war an alle gerichtet, sowohl an die arabischen Staaten als auch an die anderen imperialistischen Großmächte: Die USA werden keinen Frieden mehr erzwingen, sondern dann, wenn es notwendig ist, wenn sie meinen, dass das Fass voll ist, militärische Schläge führen.

Nicht nur wird es zwischen Israelis und Palästinensern keinen Frieden geben, sondern der mehr oder minder verdeckte Krieg droht sich auf die ganze Region auszudehnen.

Die Gesetze des Kapitalismus führen unvermeidlich zur Zuspitzung der imperialistischen Rivalitäten, zur Zunahme der kriegerischen Konflikte auf allen Kontinenten, auf dem ganzen Erdball, wie auch zur Verschärfung der Wirtschaftskrise. Der dahinsiechende Kapitalismus kann keinen „Frieden und Wohlstand“ bringen. Er wird nur noch mehr Kriege und Armut bringen. 

Welche Alternative gibt es zur kapitalistischen Barbarei?

Nur mit Hilfe der marxistischen Theorie konnte man bereits 1989, noch vor dem Ende des Ostblocks und vor dem Auseinanderbrechen der UdSSR, die Bedeutung der Ereignisse und ihre Folgen für den Kapitalismus und die internationale Arbeiterklasse begreifen und vorhersehen (7). Hierbei handelt es nicht um die Überlegenheit irgendwelcher Geistesgrößen, auch nicht um einen blinden und mechanischen Glauben an irgendeine Bibel. Der Marxismus ist hellsichtig, weil er die Theorie des internationalen Proletariats, den lebendigen Ausdruck seines revolutionären Wesens darstellt. Der Marxismus existiert, weil das Proletariat die revolutionäre Klasse ist, und deshalb kann er die historische Zukunft in groben Zügen erkennen, insbesondere die Unfähigkeit des Kapitalismus, die dramatischen Probleme zu lösen, die sein Fortbestehen der Menschheit beschert.

Die offenkundige Verschlechterung der weltwirtschaftlichen Lage, trotz der Bemühungen der Bourgeoisie, ihre Folgen abzumildern, und die heute gegen die Arbeiterklasse insbesondere in Westeuropa gerichteten brutalen Angriffe werden dazu beitragen, den Mythos von Wohlstand und verheißungsvoller Zukunft in der Arbeiterklasse zu zerstören. Schon jetzt entfaltet sich eine gewisse Kampfbereitschaft der Arbeiter, die die Gewerkschaften zu kanalisieren, einzudämmen und in Sackgassen zu lenken versuchen. Auch wenn sich diese Kampfbereitschaft noch sehr langsam entwickelt und die Reaktionen der Arbeiter auf diese Lage noch sehr schüchtern sind, tragen diese Kämpfe in sich den Keim für die Überwindung dieser alltäglichen Barbarei und des Kapitalismus. Die Überwindung des Kapitalismus ist nur möglich durch die ökonomischen Abwehrkämpfe, zu denen die Arbeiterklasse genötigt wird, und durch die Ablehnung jeglicher Beteiligung an den imperialistischen Kriegen, d.h. durch die Verteidigung des proletarischen Internationalismus. Dies erfordert ebenso die größtmögliche Entfaltung und Ausdehnung der Arbeiterkämpfe. Es ist der einzige Weg zu einer revolutionären Perspektive für die Menschheit, eine Gesellschaft ohne Kriege, ohne Armut, ohne Barbarei aufzubauen. Es gibt keine andere Lösung und keine andere Alternative.     

R.L.     7. 4. 2001

Theoretische Fragen: