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Obwohl der Krieg in wachsendem Maße als etwas "Normales" dargestellt wird, löst er ein reelles Unbehagen besonders in der Arbeiterklasse aus. Wohin führt der Weg der Menschheit? Gibt es irgendeine historische Alternative zur unbarmherzigen Verschlimmerung der imperialistischen Konflikte?
Seiner eigenen Dynamik überlassen, kann der Kapitalismus dem imperialistischen Krieg nicht entweichen. All das Geschwätz der herrschenden Klasse über den "Frieden" ist unerheblich und "Friedens"zeiten sind lediglich Momente, in denen die Bourgeoisie sich auf noch zerstörerische und barbarischere Konfrontationen vorbereitet.
Seitdem der Kapitalismus in seine historische Dekadenzperiode eingetreten ist, nämlich mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, haben die Revolutionäre den Krieg stets als Dauerzustand dieses Systems gebrandmarkt, der nur eine wachsende und massive Verwüstung bewirken kann. In Übereinstimmung mit der Kommunistischen Internationalen hat die IKS stets bekräftigt, dass mit dem Eintritt des Kapitalismus in seine Dekadenz eine "Periode von imperialistischen Kriegen und proletarischen Revolutionen" eröffnet wurde. Der imperialistische Krieg ist in diesem Sinne der markanteste Ausdruck des historischen Bankrotts der kapitalistischen Produktionsweise. Er macht die Notwendigkeit, die Dringlichkeit des Sturzes des Kapitalismus deutlich, ehe Letzterer die Menschheit in ihre endgültige Vernichtung treibt.
Die Arbeiterklasse ist das einzige Hindernis zum Krieg
Im 19. Jahrhundert war der Krieg besonders in Fragen der kolonialen Eroberungen ein unersetzliches Mittel zur äußeren Ausdehnung des Kapitalismus. Dagegen drücken Kriege in der dekadenten Periode des Kapitalismus die Tatsache aus, dass diese Produktionsweise all ihre Ausdehnungsmöglichkeiten erschöpft hat. Im Gegensatz zu den Kriegen in der Aufstiegsperiode des Kapitalismus, die lediglich ein begrenztes Gebiet auf dem Globus betrafen und nicht das gesamte gesellschaftliche Leben dominierten, verbreiten sich die imperialistischen Kriege in der Dekadenz des Kapitalismus über die ganze Welt und erfordern die Unterwerfung der gesamten Gesellschaft unter den unersättlichen Kapitalismus. Vor allem verlangen sie die Einbeziehung jener Klasse, die den wesentlichen Teil des gesellschaftlichen Reichtums produziert: das Proletariat. Dies wurde auf tragische Weise in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts veranschaulicht, die nur aufgrund der massiven Mobilisierung der Arbeiterklasse als Kanonenfutter hinter den verschiedenen Nationalflaggen stattfinden konnten.
Gerade, weil die Arbeiterklasse den Löwenanteil der Opfer trägt, die der imperialistische Krieg erfordert, liegt der Schlüssel zur Überwindung aller Kriege und zur einzig möglichen Zukunft der Menschheit, dem Kommunismus, in ihren Händen. Des Eigentums an Produktionsmitteln beraubt, heimatlos und ohne nationale Wirtschaftsinteressen, die es zu verteidigen gilt, ist das Proletariat die einzige wirklich internationale Klasse in der Gesellschaft. Nur diese Klasse kann der Menschheit eine Perspektive geben, indem sie sich der Tendenz des Kapitalismus zum Krieg entgegenstellt, einer Tendenz, die unvermeidbar ist, da der Krieg die einzige Reaktion ist, die die Bourgeoisie gegenüber der ständigen und unaufhaltsamen Zuspitzung der Krise ihres Systems kennt.
Ausschlaggebend für die Entwicklung des historischen Kurses ist die Wirtschaftskrise und die Fähigkeit des Proletariats, gegenüber der Krise eine eigene Antwort zu liefern. Von seiner Fähigkeit, auf eigenem Klassenterrain gegen die von der Krise aufgezwungenen Angriffe zu handeln, hängt die historische Alternative ab, die von den Revolutionären seit fast einem Jahrhundert hervorgehoben wird: Sozialismus oder Barbarei, weltweite proletarische Revolution oder Zerstörung der Menschheit.
Die ständigen Kriegsvorbereitungen erfordern die Errichtung einer Kriegswirtschaft durch den Kapitalismus, deren Hauptlast fraglos dem Proletariat aufgebürdet wird. Und so ist es der Kampf des Proletariats gegen die von der Bourgeoisie aufgezwungenen Austeritätsmaßnahmen, der die Kriegsvorbereitungen bremsen kann. Zudem macht die Arbeiterklasse mit der Verweigerung dieser Opfer auch deutlich, dass sie erst recht nicht bereit ist, die noch größeren Opfer hinzunehmen, die der imperialistische Krieg ihr abverlangt. Der Klassenkampf stellt, selbst wenn er für noch so beschränkte Ziele geführt wird, einen Bruch der Solidarität der Arbeiterklasse mit "ihrer" nationalen Bourgeoisie dar; einer Solidarität, die die herrschende Klasse in Kriegszeiten unbedingt verlangt. Die Bewegung zu einer Vereinigung der Arbeiterkämpfe auf internationaler Ebene steht in deutlichem Widerspruch zur Fähigkeit des Kapitalismus, die Arbeiter hinter den Nationalfahnen zu mobilisieren.
Das Proletariat blockiert den Weg zum 3. Weltkrieg
Am Ende der Wiederaufbauperiode, die dem Zweiten Weltkrieg gefolgt war, nahm die Arbeiterklasse beim ersten Anzeichen der Wiederkehr einer offenen Wirtschaftskrise den Kampf gegen den Kapitalismus wieder auf. So bewies der große Generalstreik Mai 1968 in Frankreich und die gesamte Welle von internationalen Kämpfen, die ihm folgten, dass der proletarische Riese nach vier Jahrzehnten der Konterrevolution erneut sein Haupt erhob und sich entschlossen zeigte, sich der Verschlechterung seiner Lebensbedingungen zu widersetzen. Von dem Zeitpunkt an hatte es die Bourgeoisie nicht mehr in der Hand, einen neuen Weltkrieg auszulösen. Tatsächlich war die Neuaufteilung des imperialistischen Kuchens unter den beiden militärischen Hauptmächten, den USA und der UdSSR, nach dem Zweiten Weltkrieg nichts anderes als erste Schritte in der Vorbereitung eines Dritten Weltkrieges. Dies ist deutlich belegt durch die enorme Entwicklung des Wettrüstens und der Spannungen zwischen den beiden rivalisierenden, imperialistischen Blöcken, die zur Häufung von militärischen Konflikten in Asien, Afrika und Lateinamerika führten.
Die "glorreichen" Jahre der Wiederaufbauperiode waren nur eine kurze Verschnaufpause beim dem unaufhaltsamen Abstieg des Kapitalismus. Mit dem Ende dieser Periode eines verhältnismäßigen "Wohlstands" konnte die Dynamik des Kapitalismus die Bourgeoisie nur zu einem neuen Weltkrieg, zum Umsturz der in Jalta geborenen Ordnung durch eine bewaffnete Konfrontation zwischen dem amerikanischen und dem russischen Block führen.
Dass der Dritte Weltkrieg nicht stattfand, lag am Wiedererwachen des Klassenkampfes Ende der 60er Jahre insbesondere in den Zentren Westeuropas. Trotz einer sich ausweitenden Wirtschaftskrise war die Bourgeoisie nicht imstande, der Arbeiterklasse ihre Lösung aufzuzwingen.
Schon in der Vergangenheit war Europa (insbesondere die industriellen Hauptzentren in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien) jenes Gebiet, wo über den historischen Kurs entschieden wurde. In Europa wurden die beiden Weltkriege ausgelöst. Europa war der Hauptschauplatz der Konfrontation zwischen den beiden rivalisierenden, imperialistischen Blöcken nach 1945. Der Ausgang der Oktoberrevolution 1917 in Russland hing von der Ausbreitung der proletarischen Revolution auf Europa (und besonders auf Deutschland) ab. Auch heute ist Europa der Ort, wo über die historischen Alternativen, Weltkrieg oder Sieg der proletarischen Revolution, entschieden wird.
Das Wiedererwachen des Klassenkampfes in Westeuropa eröffnete einen neuen historischen Kurs in Richtung massiver Klassenkonfrontationen; einen Kurs, der sich fundamental von der Logik des Kapitalismus, von der Auslö-sung eines neuen Weltkrieges, unterschied. Mit der Wiederauferstehung des Klassenkampfes zeigte das Proletariat, dass es sich der Logik der kapitalistischen Krise (insbesondere den Lohnsenkungen und der Perspektive einer Rückkehr zur Massenarbeitslosigkeit Ende der 60er Jahre) verweigerte und deutlich machte, dass es nicht daran dachte, das äußerste Opfer zu bringen: Blut zu vergießen auf den Schlachtfeldern des Kapitals. Die Bourgeoisie konnte die Arbeiter nicht in einen Dritten Weltkrieg pressen, da sie nicht in der Lage war, der neu herangewachsenen Generation von Proletariern, die die dunkle Zeit der Konterrevolution nicht erlebt hatten, eine tiefgreifende ideologische und physische Niederlage beizufügen, so wie das im 2. Weltkrieg der Fall war. Im Verlauf von drei internationalen Wellen von Arbeiterkämpfen in den 20 Jahren nach dem Mai `68 artikulierte die Arbeiterklasse in den Zentren des Kapitalismus keinerlei begeisterte Loyalität gegenüber den bürgerlichen Idealen (wie dem der Verteidigung des "demokratischen Staates", des "Antifaschismus" oder des Mythos des "sozialistischen Vaterlandes" im Osten). Im Gegenteil, sie neigte dazu, sich von den Mystifikationen abzuwenden, die zur Mobilisierung für die beiden Weltkriege benutzt worden waren:
- Der Mythos des "Antifaschismus" und der Verteidigung des "sozialistischen Vaterlandes" wurde durch die Abwesenheit des faschistischen Schreckgespensts und durch die Enthüllung der Ausbeutung und des Terrors in den Ostblockländern abgeschwächt.
- Die Idee von einem immerwährenden, friedlichen Fortschritt des Kapitalismus wurde durch eine mehr als ein halbes Jahrhundert dauernde Barbarei in allen Ecken der Welt ernsthaft erschüttert, und die Illusionen über den "wirtschaftlichen Wohlstand", die sich mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt hatten, zerstoben mit der Verschlimmerung der Krise und der dauernden Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse.
- Der Nationalismus hat, auch wenn er immer noch einige Arbeiter im Griff hat, nicht dieselbe Auswirkung wie in der Vergangenheit. Sein Fundament wurde durch die Entwicklung des Kapitalismus untergraben, der Tag für Tag nationale Unterschiede abschafft. Die gellenden Forderungen der Bourgeoisie gegenüber den Arbeitern, Opfer zu leisten, lässt sie in wachsendem Maße als direkter Feind der Interessen der ausgebeuteten Klasse erscheinen.
- Die Verteidigung der ‚Demokratie' und der ‚Zivilisation', die heute in Form von Kampagnen zum Schutz der ‚Menschenrechte' geführt wird, stößt nur unter den üblichen Unterzeichnern von Petitionen im Intellektuellenmilieu auf bedeutenden Widerhall, wenig dagegen bei den neuen Proletariergenerationen, die keine Verbindung erkennen können zwischen ihren Interessen und diesen ‚Menschenrechten', die deren Verteidiger zynisch mit Füßen treten.
- Die alten Arbeiterparteien (die sozialistischen und kommunistischen Parteien) haben die Arbeiterklasse zu lange verraten, um noch irgendeine vergleichbare Glaubwürdigkeit als Repräsentanten der Arbeiterklasse zu besitzen. Während der 70er Jahre und auch heute waren und sind viele von ihnen in der Regierung und führen offene Angriffe gegen die Arbeiterklasse aus.
Mit dem Ende des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg verfügte die Bourgeoisie somit nicht mehr über diese wesentliche Trumpfkarte, um das Proletariat für die Verteidigung des nationalen Kapitals zu mobilisieren.
Aufgrund des Verschleisses der bürgerlichen Mystifikationen, welche seinerzeit die Mobilisierung von Millionen von Arbeitern im Ersten und Zweiten Weltkrieg ermöglicht hatten, hat das Proletariat durch die Entfaltung seiner Abwehrkämpfe gegen die offene Krise des Kapitalismus Ende der 60er Jahre das einzige Hindernis für die Auslösung eines 3. Weltkriegs dargestellt.
Der Kurs der Geschichte ist nicht umgekehrt
Im Verlauf der 70er und 80er Jahre war die Arbeiterklasse dank der Entwicklung ihrer Kämpfe in der Lage, die Bourgeoisie daran zu hindern, einen neuen Weltkrieg auszulösen, der mit Blick auf das Zerstörungspotenzial der modernen Waffentechnik wahrscheinlich das Ende der Menschheit bedeutet hätte. Doch die Arbeiterklasse war nicht in der Lage gewesen, ihre eigene historische Alternative - den Sturz des Kapitalismus und die Etablierung einer neuen Gesellschaft, die nicht auf der Profitgier, sondern auf der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse fußt - zu bekräftigen. Es gibt mehrere Gründe für dieses Misslingen:
- die Gegenoffensive der Bourgeoisie gegen die erste Welle von Kämpfen Ende der 60er Jahre; insbesondere die Falle der Wahlen, die es der herrschenden Klasse erlaubte, die Alternative der Linken in der Regierung vorzubringen. Dies säte die Illusion, dass diese Parteien für die Arbeiter eintreten und dass die Linken an der Macht durch ihr besseres Wirtschafts-management alles besser für die Arbeiterklasse machen. Die 70er Jahre waren die "Jahre der Illusion", die es der herrschenden Klasse ermöglichten, die Dynamik der ersten Welle von Kämpfen zu brechen;
- die Fähigkeit des Kapitalismus, die Krise teilweise zu verlangsamen, die schlimmsten und zerstörerischsten Auswirkungen der Krise auf die Länder der kapitalistischen Peripherie abzuwälzen;
- die Fähigkeit der herrschenden Klasse, die Entwicklung des Klassenkampfes zu sabotieren, insbesondere durch den intelligenten Gebrauch der Gewerkschaften. Im Verlauf der 70er und vor allem der 80er Jahre führten die wiederholten Konfrontationen mit gewerkschaftlichen Manövern die Arbeiterklasse tendenziell dazu, mit den Beschränkungen der Gewerkschaften zu brechen und die Kämpfe in die eigenen Hände zu nehmen, um sie auszuweiten und zu vereinen. Angesichts dessen entwickelte die Bourgeoisie die höchst effektive Waffe des "Basis"gewerkschaftertums, um die Arbeiter in das Gefängnis des Korporatismus einzusperren und die Ausweitung und Vereinigung ihrer Kämpfe zu blockieren;
- das Gewicht von nahezu einem halben Jahrhundert der Konterrevolution und das Auslöschen der Erinnerung an die Erfahrungen der vergangenen Arbeiterbewegung. Dies zeigte sich in den Schwierigkeiten, die die Arbeiter hatten, sich ihre eigenen Kampfmethoden, ihre eigenen Traditionen, insbesondere die Lehren aus der Revolution von 1917 bis 1923 wiederanzueignen;
- das Misstrauen gegenüber politischen Organisationen (und besonders gegenüber revolutionären Organisationen, welche die Oktoberrevolution 1917 verteidigten), das eine Folge des Gewichts der stalinistischen Konterrevolution war, die der Bourgeoisie zu ihrer größten Kampagne verhalf zur Behauptung, dass Kommunismus gleich Stalinismus sei.
Trotz dieser gigantischen Gegenoffensive war die Bourgeoisie international nicht in der Lage, den Kurs zu Klassenkonfrontationen umzukehren. Die 80er Jahre waren die "Jahre der Wahrheit", da die historischen Alternativen - generalisierter imperialistischer Krieg und Weltrevolution - immer offensichtlicher wurden. Einerseits warf die russische Invasion in Afghanistan ein grelles Licht auf die Antwort der Bourgeoisie gegenüber der Krise und auf die Eröffnung einer Periode akuter militärischer Spannungen zwischen den beiden rivalisierenden Blöcken. Andererseits machte der Massenstreik der Arbeiter in Polen 1980 die proletarische Antwort deutlich. Die polnischen Arbeiter zeigten, wie sich das Proletariat selbst als vereinte gesellschaftliche Kraft aufstellen kann, die imstande ist, nicht nur den Attacken des Kapitalismus zu widerstehen, sondern auch die Perspektive der Arbeitermacht vorzubringen, eine Gefahr, die von der Bourgeoisie deutlich gesehen wurde, die ihre imperialistischen Rivalitäten hintanstellten, um die Luft aus der Bewegung zu lassen, insbesondere durch den Aufbau der Gewerkschaft Solidarnosc. Der Massenstreik bewies ebenfalls definitiv, dass der Klassenkampf die einzige Kraft ist, die den Krieg bremsen kann. Insbesondere verdeutlichte er, dass der russische Block unfähig war, seine Antwort auf die wachsende Wirtschaftskrise, die Politik der militärischen Expansion, durchzusetzen, dass die Arbeiter des Ostblocks sich nicht als Kanonenfutter für irgendeinen zukünftigen Krieg zum Ruhme des "Sozialismus" anmustern ließen. Der Massenstreik in Polen bestätigte die historische Perspektive, die vom französischen Generalstreik im Mai `68 eröffnet worden war: die direkte Konfrontation zwischen den beiden fundamentalen Klassen der Gesellschaft, der Bourgeoisie und dem Proletariat.
Trotz der Schwierigkeiten des Klassenkampfes ....
Angesichts der Vertiefung der Wirtschaftskrise setzte sich der Klassenkampf während der 80er Jahre in den zentralen Ländern des Kapitalismus trotz der Niederlage und Unterdrückung der Arbeiter in Polen fort. Dennoch erreichte er nicht die Ebene, die für die Bestätigung des Proletariats als revolutionäre Kraft erforderlich gewesen wäre. Zwar geboten die Arbeiterkämpfe der Tendenz zum Krieg Einhalt, doch gingen sie nie über die Ebene einfacher, defensiver Kämpfe gegen die Angriffe des Kapitalismus hinaus. In dieser Situation, in der weder die Bourgeoisie noch die Arbeiterklasse ihre eigene Antwort auf die Konvulsionen des Kapitalismus durchsetzen konnten, herrschte eine Blockierung beider historischer Alternativen, Weltkrieg und Weltrevolution, vor. Ende der 80er Jahre, nach 20 Jahren offener Krise, bewirkte diese Blockierung das Phänomen des Zerfalls: Der Kapitalismus begann an lebendigem Leibe zu verfaulen. Dieser Zerfall kulminierte in den bedeutenden Ereignissen von 1989, die die Eröffnung einer neuen Phase im langen Dahinsiechen des Kapitalismus markierte, einer Phase, in der das gesamte gesellschaftliche Gefüge ächzte, auseinanderfiel und kollabierte.
Der Zusammenbruch der stalinistischen Regimes des Ostblocks versetzte der allgemeinen Dynamik des im Mai `68 eröffneten Klassenkampfes einen herben Schlag. Er ermöglichte der Bourgeoisie, eine ganze Reihe von Kampagnen rund um das Thema des "Todes des Kommunismus" und des "Endes des Klassenkampfes" zu entfalten. Dies traf die Fähigkeit des Proletariats, seine Kämpfe mit der Perspektive des Aufbaus einer neuen Gesellschaft zu führen, sich selbst als unabhängige gesellschaftliche Kraft gegen das Kapital und für die eigenen Interessen zu positionieren, bis ins Mark. Die Tatsache, dass der Klassenkampf beim Kollaps des Stalinismus keine Rolle gespielt hatte, traf das Selbstvertrauen des Proletariats heftig. Sowohl seine Kampffä-higkeit als auch sein Bewusstsein erlebten einen beträchtlichen Rückgang. Die herrschende Klasse verbreitete ihre Kampagnen über die "Wohltaten" des westlichen, demokratischen Kapitalismus, der als die einzig mögliche Alternative zum stalinistischen Terror dargestellt wurde. Sie nutzte den Verlust an Selbstvertrauen unter den Arbeitern auch, um die Gewerkschaften zu stärken. Diese erlebten eine triumphale Rückkehr als "die einzigen Vertreter der Arbeiterinteressen".
Indes kehrte der beträchtliche Rückgang, den das Proletariat aufgrund der Kampagne über den "Tod des Kommunismus" erlitten hatte, den Kurs zu Konfrontationen, der Ende der 60er Jahre eröffnet worden war, nicht um.
...die Zukunft gehört noch immer dem Proletariat
Heute engagiert sich die Bourgeoisie der "demokratischen" Großmächte hinter dem amerikanischen Weltpolizisten in einer steigenden Zahl blutiger Kriege, wie wir am Golf, im Kosovo und nun in Afghanistan gesehen haben. Dies geschieht nicht mit der begeisterten Zustimmung durch die Arbeiter Westeuropas. Die Tatsache, dass die Arbeiter nicht in Uniformen stecken, in Reih und Glied hinter der Nationalfahne stehen, dass stattdessen Berufsarmeen eingesetzt werden, bedeutet, dass das Proletariat vor der barbarischen Logik des Kapitalismus nicht kapituliert hat. Es ist nicht willens, sein Blut für die Dienste "humanitärer" Kreuzzüge oder im "Kampf gegen den Terrorismus" zu vergießen. Es ist stimmt, dass es nicht in der Lage ist, die Anzettelung dieser Massaker zu stoppen, und bloßer Zuschauer bei der Orgie der kapitalistischen Hyänen ist, doch es besitzt noch immer den Schlüssel der weiteren geschichtlichen Entwicklung in seiner Hand. Die Zukunft der Menschheit liegt noch immer in seinen Händen.
Trotz all der Schwierigkeiten, die in den letzten zehn Jahren der Entwicklung ihrer Kämpfe entgegenstanden, ist die Arbeiterklasse nicht besiegt. Es hat zudem eine Unterminierung solcher Mystifikationen wie die der "neuen Weltordnung", einer Periode des Friedens und Wohlstandes, gegeben, die der Kapitalismus der Menschheit nach dem Zusammenbruch des "Reichs des Bösen" in Aussicht gestellt hatte. Dies trifft auch auf den Mythos vom "chirurgischen" und "humanitären" Krieg zu, den die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Gehilfen seit dem Golfkrieg in unsere Ohren zu hämmern versucht haben. Heute beginnt der Kreuzzug zur "Befreiung der Welt vom Terrorismus" das wahre Gesicht der bürgerlichen "Zivilisation" zu enthüllen. Noch deutlicher wird dies anhand des unbeschreiblichen Zynismus der demokratischen Großmächte, die im Namen von Frieden und Freiheit Bevölkerungen massakrieren, terrorisieren und zu Flucht, Hunger und Epidemien verurteilen. Es hat ein Ausmaß erreicht, dass selbst die Medien davon sprechen, dass die US-Vergeltungsmaßnahmen gegen Afghanistan zu einer wahren "humanitären Katastrophe" führen.
Je mehr die herrschende Klasse dazu getrieben wird, sich in blutigere militärische Abenteuer zu stürzen, desto mehr muss sie gegenüber der Arbeiterklasse die grenzenlose Barbarei des Kapitalismus offenlegen.
So können die Zuspitzung der Wirtschaftskrise und die Zunahme militärischer Kreuzzüge seitens der großen Demokratien Europas und der USA nicht anders als weiterhin den unvermeidbaren Bankrott des Kapitalismus offenbaren und somit für die Arbeiterklasse als ein Faktor wirken, der das Bewusstsein über die Notwendigkeit der Überwindung dieses Systems vorantreiben wird.
Mit dem Rückfluss ihres Bewusstseins infolge der antikommunistischen Kampagnen nach dem Zusammenbruch des Ostblocks hinkt das Proletariat gegenüber der Entwicklung stark hinterher. Während der Kapitalismus immer tiefer im Chaos und der Barbarei versinkt, hat die Arbeiterklasse bislang noch nicht zu einer revolutionären Perspektive zurückgefunden. Aber dieser tiefgreifende Rückschlag bedeutet keineswegs, dass der Kurs hin zu verstärkten Klassenzusammenstößen infrage gestellt sei. In Wirklichkeit hat der Ernst der historischen Lage, der nach dem Zusammenbruch es Stalinismus entstanden ist, unter einer Minderheit der Arbeiterklasse ein in die Tiefe gehendes Nachdenken hervorgerufen, wodurch sich einige nach Klärung Suchende revolutionären Positionen angenähert haben und sie gar unterstützen. Dies bestätigt, dass die gegenwärtige Lage ebenso ein Potenzial enthält für eine Bewusstwerdung des Bankrotts des Kapitalisus und der Notwendigkeit der kommunistischen Revolution, auch wenn dieser Bewusstwerdungsprozess heute noch sehr stark auf eine kleine Minderheit beschränkt ist.
Mit der Zuspitzung der Angriffe gegen ihre Lebensbedingungen, mit der Welle von Massenentlassungen, die mit der Rezession einhergehen, wird das Proletariat insgesamt keine Alternative haben als seinen Kampf zu verstärken. Nur im und durch den Kampf kann es seine Klassenidentität wiederentdecken, wieder Selbstvertrauen fassen, seine eigene Kraft und die historische Perspektive seiner Kämpfe erkennen. Die Krise bleibt heute mehr als je zuvor der beste Verbündete des Proletariats. CF