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Alljährlich finden Mitte Januar in Berlin - anlässlich des Jahrestages der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg 1919 durch die sozialdemokratische Konterrevolution - politische Veranstaltungen statt, welche politisierte, „linksgerichtete“ Menschen aus ganz Deutschland anziehen. Obwohl die meisten der dort stattfindenden Veranstaltungen mit der revolutionären Tradition der Spartakisten um Liebknecht und Luxemburg nicht das geringste zu tun haben, so liefert dieses Wochenende doch eine der wenigen Gelegenheiten für an revolutionärer Klärung Interessierte, einander kennenzulernen.
Die Schändung des Andenkens an die ermordeten Revolutionäre
Am Sonntagmorgen den 14. Januar wurde der traditionelle Gang zu den Grabstätten der ermordeten Marxisten von den Heerscharen der DDR-Veteranen absolviert. Was hier in einer Atmosphäre der Niedergeschlagenheit und Wehmut zelebriert wird, ist nicht der revolutionäre Marxismus, sondern eine nostalgische Erinnerung an den gescheiterten Stalinismus. So wurden die Presseverkäufer unserer Organisation manches mal beschimpft oder verhöhnt wegen des Namens unserer Zeitung: „Weltrevolution“. Diese Anhänger der PDS - der ehemaligen Regierungspartei des ostdeutschen Staatskapitalismus und der heutigen Regierungspartei des gesamtdeutschen Imperialismus im Wartestand - pilgern zu Karl und Rosa und wissen nicht mal, dass diese beiden großen Revolutionäre ihr Leben für die Weltrevolution hergegeben haben.
Später stieß der lärmende „revolutionäre Block“ dazu, welcher sich aufgrund der den Block begleitenden Polizeieskorte rühmen zu können glaubte, die umstürzlerische Tradition von Liebknecht und Luxemburg fortzusetzen. Doch dieser Block war zusammengesetzt aus Anhängern von „Linksruck“ und anderen trotzkistischen Organisationen, welche vor zwei Jahren die Arbeiter dazu aufgerufen haben, die SPD, den Henker von Karl und Rosa, zu wählen, aus Militanten der stalinistischen MLPD, welche die Ermordung von Lev Trotzki und anderen Weggefährten von Karl und Rosa gutheißen; sowie von Antifa-Aktivisten, welche die bürgerliche Demokratie weniger unmenschlich und weniger gefährlich empfinden als den Faschismus. Dabei gehört es doch unbestreitbar zum politischen Vermächtnis von Liebknecht und Luxemburg aus der Zeit der Deutschen Revolution, dass gerade die bürgerliche Demokratie der gefährlichste Feind des revolutionären Proletariats ist!
Dazu gesellte sich ein selbsternannter „unabhängiger Block“, dessen Kern aus fanatischen kurdischen und anderen Nationalisten zu bestehen schien, sowie aus „Anti-Imps“ und „Trikont“-Kämpfern, welche die Befürwortung von „nationalen Befreiungsbewegungen“ auf ihre politische Fahne geschrieben haben. Auch sie beriefen sich auf Rosa Luxemburg, obwohl bekannt ist, dass Rosa die erste Marxistin war, die bereits während des 1. Weltkrieges erkannte, dass im Zeitalter des Imperialismus jede Form des Nationalismus und jede nationale Befreiungsbewegung unweigerlich reaktionär und zu einem Teil der imperialistischen Barbarei geworden sind.
Kurzum: diese ganze ritualisierte „3 L“ (Liebknecht-Luxemburg-Lenin) Demonstration und der Friedhofsgang haben mit der Tradition des revolutionären Marxismus nicht das Geringste gemein. Sie stellen vielmehr eine von den bürgerlich-linken Feinden der Arbeiterklasse zu verantwortende Schändung des Andenkens dieser Revolutionäre dar.
Dies galt ebenfalls für die meisten der politischen Veranstaltungen, welche am Vortag abgehalten wurden. So z.B. die angebliche „öffentliche Debatte“ über „den Trotzkismus im 21. Jahrhundert“, welche am Nachmittag im Mehringhof abgehalten wurde. Dort warfen sich die trotzkistischen Sekten wie immer gegenseitig vor, den Trotzkismus verraten zu haben. Sie verschleiern damit nur, dass der Trotzkismus insgesamt durch seine Teilnahme am 2. imperialistischen Weltkrieg den proletarischen Internationalismus und damit auch das Lebenswerk von Trotzki und seiner Weggefährten verraten hat und seitdem eine linksbürgerliche Strömung geworden ist.
Die zur selben Zeit im großen Hörsaal der Humboldt Universität von der „gewendeten“ stalinistischen „Jungen Welt“ gesponserte Podiumsdiskussion über „Die Linke und den Krieg“ zog wesentlich mehr Interessierte an. Doch abgesehen davon, dass sogar ein Sprecher der Rote-Grünen Regierung des deutschen Imperialismus, welcher jüngst Jugoslawien mit in Schutt und Asche gelegt hat, als Redner dort auftreten durfte, zeigte allein schon durch die Form einer ‚Podiumsdiskussion‘ den antiproletarischen Charakter dieser Veranstaltung. Da werden die Veranstaltungsbesucher von ‚Podiumsdiskussionen‘ in die Rolle des andächtig den Ausführungen der „Experten“ Lauschenden gedrängt, welche am Ende vielleicht sogar knappe Fragen stellen dürfen.
Das Wiederaufleben der Tradition der öffentlichen und freimütigen politischen Debatte
Doch es fand an diesem Wochenende wenigstens eine Veranstaltung statt, welche tatsächlich an der revolutionären Tradition der Spartakisten anknüpfte und mittels einer radikalen, freimütigen marxistischen Debatte das Andenken an Liebknecht und Luxemburg wirklich ehrte. Dies war die Debatte zum Thema „Die Kinderkrankheit stellt sich vor. Links ist uns nicht links genug: Die revolutionäre Perspektive muss auch gegen linke Realpolitik gerichtet sein!“, welche die Zeitschrift „Aufbrechen“ am Abend im Mehringhof abhielt. Das interessante und kämpferische Einleitungsreferat zu dieser Veranstaltung ist als Sondernummer von „Aufbrechen“ erschienen und kann von der Gruppe angefordert werden. Darin haben die Genossen einiges zur Geschichte der Kommunistischen Linken erläutert und viele der Grundprinzipien dieser revolutionären Strömung aufgezeigt.
Die anschließende Debatte gewann einen Teil ihrer Lebendigkeit dadurch, dass eine Gruppe der kapitalistischen Linken - die Maoisten von „Trotz Alledem“ - gekommen war, um den Einfluss des Linkskommunismus zu bekämpfen. Diese Gruppe ist anscheinend darüber aufgeschreckt, dass ehemalige, „stadtbekannte“ Weggefährten des Stalinismus nunmehr mit dieser konterrevolutionären Staatsdoktrin brechen und nicht davor zurückschrecken, sich öffentlich zum Linkskommunismus zu bekennen. So wurde von dieser Seite groß bedauert, dass „Genossen“, welche einst „eine so gute Politik betrieben haben“, nun ins Lager der „Kinderkrankheit des Kommunismus“ (sprich auf die Seite der proletarischen Internationalisten) übergelaufen sind. Um zu verhindern, dass weitere Kämpfer diesem Beispiel der „Aufbrechen“-Genossen folgen, haben sie die üblichen Vorwürfe gegen den Linkskommunismus vorgetragen, welche Herman Gorter Anfang der 20er Jahre in seiner „Antwort an den Genossen Lenin“ bereits auseinandergenommen hatte. Anstatt über politische Prinzipien zu debattieren und die Lehren aus der Geschichte zu ziehen, wollten die Maoisten von den Genossen von „Aufbrechen“ wissen, welche konkrete Aktionen diese Gruppe plane, um „die Massen zu erobern“ und welchen strategischen „Stufenplan“ sie erstellen wollen, um diese „Massen“ zur Revolution zu führen.
Im Laufe einer recht lebendigen Debatte wurde sehr überzeugend darauf geantwortet, dass die erste Verantwortung der Revolutionäre nicht darin bestehen kann, irgend welche „Aktionen“ oder „Bündnisse“ zu stiften, welche nur den Anschein von Radikalität und von „Masseneinfluss“ erwecken und aus Ermangelung an proletarischen Prinzipien in einer Unterstützung der Bourgeoisie enden. Statt dessen ist es die erste Pflicht der Revolutionäre, politische Klarheit zu erlangen und diese Klarheit gegenüber dem Rest der Arbeiterklasse zu verteidigen. Es ist diese Klarheit und proletarische Prinzipientreue, welche die Marxisten am Ende einen „Masseneinfluss“ gewinnen lassen können, und zwar dann, wenn die Klasse aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen und ihrer eigenen, selbstorganisierten Kämpfe selbst sich in eine revolutionäre Richtung bewegt und somit die Positionen der Revolutionäre als ihre eigenen, als die Lehren ihrer eigenen Geschichte erkennt.
Bedeutsam an dieser Debatte war vor allem, dass die Vertreter von vier verschiedenen politischen Gruppen, welche sich mit den Positionen des Linkskommunismus identifizieren, gemeinsam an einem Strang zogen, so dass die Maoisten sich geschlagen geben mussten und nach der Pause nicht mehr wieder kamen. Diese Vier waren neben der IKS und „Aufbrechen“ „Revolution Times“ und „Soziale Befreiung“. Diese vier Gruppen verteidigten nicht nur gemeinsam das Erbe des Linkskommunismus bei dieser Veranstaltung, sondern unterstützten sich gegenseitig beim Verkauf der jeweiligen Presse an diesem Wochenende.
Die Ablehnung des staatlichen Antifaschismus
Den Presseorganen dieser Gruppen gemeinsam ist derzeit vor allem die öffentliche Bekämpfung des Antifaschismus, welcher in Deutschland nun unter Rot-Grün zur Staatsideologie Nr. 1 avanciert. Es ist äußerst wichtig, dass gerade jetzt proletarische Stimmen gegen die bürgerliche Demokratie erhoben werden, da der Antifaschismus, nachdem er bereits als ideologische Rechtfertigung des Kosovokrieges diente, nun unter dem Schlagwort „Aufstand der Anständigen“ auch noch zur Verstärkung des Staates gegen die Arbeiterklasse massiv eingesetzt wird.
Die Gruppen „Revolution Times“ und „Soziale Befreiung“ werden von Genossen getragen, die mit dem Trotzkismus gebrochen haben und sich nunmehr „rätekommunistischen“ Positionen annähern. Da es gerade für Genossen, die aus einem linkskapitalistischen Milieu stammen, besonders schwer, aber entscheidend wichtig ist, mit ihrer politischen Vergangenheit vollständig zu brechen, finden wir es besonders verdienstvoll, dass die zweite Ausgabe der Zeitschrift „Soziale Befreiung“ sich eingehend mit einer Kritik des Trotzkismus befasst. Diese Broschüre fand übrigens in Berlin einen reißenden Absatz und kann somit vielleicht weiterhelfen, um auch andere Genossen aus den Klauen des Trotzkismus zu befreien.
Beide Zeitschriften jedenfalls haben öffentlich auf die antifaschistische Kampagne der Bourgeoisie geantwortet. „Revolution Times“ mit der dritten Broschüre aus der Reihe „Bibliothek des Widerstandes“ mit dem Titel „Auschwitz als Alibi. Kritik des bürgerlichen Antifaschismus“. Darin wird auch der Text „Auschwitz als Alibi“ von Amadeo Bordiga wieder veröffentlicht - ein „Klassiker“ des Linkskommunismus. Die Nummer 3 der „Sozialen Befreiung“ behandelt ebenfalls die Frage des Antifaschismus wie auch des Nationalismus.
Die Verwerfung der Ideologie des Antifaschismus durch diese Zeitschriften knüpft an der Verteidigung des proletarischen Internationalismus während des 2. Weltkriegs durch die Linkskommunisten an.
„Hitlers Wahnideen entsprachen [...] der Irrationalität der kapitalistischen Produktionsweise und den materiellen Interessen der deutschen Bourgeoisie. Der deutsche Kapitalismus kam zu spät. Die Welt war schon aufgeteilt. Hitlers Phrasen vom Überlebenskampf des Ariers entsprach dem imperialistischen Hunger der deutschen Bourgeoisie. Der Zweite Weltkrieg war von allen beteiligten Nationalstaaten ein imperialistischer Krieg. Die deutsche Bourgeoisie kämpfte für eine Neuaufteilung der Welt, während Großbritannien die alte Welt (einschließlich seiner Kolonien) verteidigte. Die USA und die UdSSR wurden durch den zweiten Weltkrieg zu Supermächten.“ (Soziale Befreiung Nr. 3, S. 8).
Welche Klasse von dieser Ideologie profitiert, ist klar: „Der bürgerliche ‚Antifaschismus‘ war und ist nationalistisch, er ist die ideologische Verschleierung des demokratischen Kapitalismus. Die deutsche Bourgeoisie, die Bourgeoisie von Auschwitz, ist jetzt demokratisch und ihre Vergangenheit dient der demagogischen Verschleierung ihrer Gegenwart. ‚Nie wieder Auschwitz!‘ wurde zur staatstragenden Parole der deutschen Klassengesellschaft. Mit ihr wird die ‚demokratische‘ Ausbeutung von Lohnarbeit gefestigt und legitimiert. ‚Nie wieder Auschwitz!‘ war das verlogene Geschrei von Scharping und Fischer im imperialistischen Feldzug gegen Jugoslawien“. (ibid S. 8).
Mit gewaltigen Worten prangert auch „Revolution Times“ die bürgerliche Demokratie an, die sich mittels des Antifaschismus reinzuwaschen versucht.
„Da die kapitalistische Gesellschaft - sowohl unter der politischen Form der Demokratie als auch unter der Form des Faschismus - eine Organisation von Herrschaft und Gewalt ist, stellt der Faschismus nichts Eigenständiges dar. Weder der Rassismus, noch der Massenmord, noch der Mord durch Arbeit stellten etwas Neues dar.
Es ist der Wahn der Vernunft, der die großen Verbrechen von Auschwitz, Hiroshima und Dresden bestimmt. Alle diese Grauen, die dem Moralisierenden als „Machwerk von Irren“ erschienen, waren vernünftig geplant und vernünftig-wissenschaftlich begründet. Die Irrationalität prägt den Kapitalismus als ganzes (erinnert sei nur an die kapitalistische Konkurrenz, Produktion um des Profits wegen, Vergeudung von Ressourcen, Vernichtung von Lebensmitteln und Waren, Rassismus, Auschwitz, Krieg etc.), in kleinen Teilbereichen hingegen ist der Kapitalismus äußerst rational...“
Die Notwendigkeit, den Bruch mit der kapitalistischen Linken zu vollenden
Wir begrüßen diese mutigen Annäherungen an diese und andere Positionen des Linkskommunismus. Dennoch meinen wir, dass diese energischen Verwerfungen der bürgerlichen Demokratie noch an einer bedeutenden Schwäche leiden, an einer Unklarheit über die Klassennatur der staatskapitalistischen Linken (der radikalsten Verteidiger der bürgerlichen Demokratie). Diese Unklarheit verleitet die Genossen dazu, zwischen einem Staatsantifaschismus und einem vermeintlichen echten, proletarischen Antifaschismus zu unterscheiden.
„Wir RätekommunistInnen sind zu jedem militanten antifaschistischen Bündnis, das auch dazu bereit ist, den Faschisten ein paar auf das Maul zu geben, bereit.“ Und weiter:
„Aber trotz dieser Differenzen sehen wir in der militanten Antifa, die sich nicht hinter dem Staat versteckt, eine Bündnispartnerin gegen den Neofaschismus“. (Soziale Befreiung Nr. 3, S. 11)
„Der Großteil der Antifa und der Restlinken befanden sich im Schlepptau der Regierung und der Parteien. Sie haben es jahrelang versäumt, eigene Akzente im Kampf gegen die Nazis zu setzen.“ („Auschwitz als Alibi – Kritik des bürgerlichen Antifaschismus“ S. 29, herausgegeben von Revolution Times)
Hier merkt man, meinen wir, dass die Genossen noch nicht den Kerngedanken des Linkskommunismus hierzu erfasst haben, welchen Bordiga in dem bekannten Ausspruch zusammenfasste, das schlimmste Produkt des Faschismus sei der Antifaschismus. Der Stalinismus etwa oder der Trotzkismus auch in Form der heutigen „Restlinken“ ist nämlich genau so wie der Faschismus ein Produkt der Konterrevolution. Mehr noch: diese linkskapitalistischen Strömungen, weit entfernt, potenzielle Bündnispartner darzustellen, stellen für den Befreiungskampf des Proletariats eine weitaus gefährlichere Hürde dar als der Faschismus, der heute ohnehin nicht auf der Tagesordnung steht.
Doch diese Meinungsunterschiede liefern aus unserer Sicht nur noch einen weiteren Grund, um die öffentliche Debatte zwischen diesen Gruppen um die Frage des Antifaschismus voranzutreiben. Denn es gibt nichts anderes, was den politischen Klärungsprozess unserer Klasse so sehr vorantreibt. So nähert sich beispielsweise „Aufbrechen“, welche unserer Ansicht nach die Unklarheiten der anderen Gruppen über die kapitalistische Linke teilt, scheinbar jetzt der linkskommunistischen Haltung in dieser Frage. Am Ende der bereits erwähnten Januar 2001 Sonderausgabe lesen wir jedenfalls: „Egal, ob den demokratischen Sozialisten an den Gräbern der ermordeten kommunistischen Revolutionäre ein beredtes Schweigen verordnet oder der Demonstrationszug lautstark vom antifaschistischen Block angeführt wird. Das Ziel, „Politik“ zu machen verbindet beide. (...) Sie sind nichts anderes als der linke Flügel des kapitalistischen Systems.“ Weltrevolution
Adressen o.g. Gruppen
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„Soziale Befreiung“ Postlagernd, 36433 Bad Salzungen,
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„Revolution Times“, Postlagernd, 23501 Lübeck,
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„Aufbrechen“, c/o Lunte, Weisestr. 53, 12049 Berlin-Neukölln.