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Die dramatische Lage im Mittleren Osten, der dem Chaos ausgeliefert ist, zeigt den Zynismus und die große Doppelzüngigkeit der Bourgeoisie aller Länder auf. Jeder Teil der Bourgeoisie behauptet von sich, der Bevölkerung, die täglich unter diesen Schrecken und seit Jahren unter Massakern leidet, Frieden und Gerechtigkeit oder Demokratie zu bringen. Aber all dieses Gerede dient nur dem Vertuschen der schmutzigen, rivalisierenden imperialistischen Interessen und der Rechtfertigung der Interventionen, die bei der Zuspitzung der Konflikte und der kriegerischen Barbarei im Kapitalismus Ausschlag gebend sind. Dieser Zynismus und diese Heuchelei wird auch verdeutlicht durch ein weiteres Ereignis in der letzten Zeit - die überstürzte Hinrichtung von Saddam Hussein. Durch dessen Hinrichtung wird auf einer anderen Ebene deutlich, mit welch blutigen Mitteln rivalisierende Fraktionen der Bourgeoisie untereinander abrechnen
Warum die überstürzte Hinrichtung von Saddam Hussein?
Die Verurteilung und die Hinrichtung Saddam Husseins wurden von Präsident Bush als ein ‘Sieg der Demokratie’ gepriesen. Dahinter steckt ein Körnchen Wahrheit. Oft hat die Bourgeoisie im Namen der Demokratie und ihrer Verteidigung, die als Ideal der Bourgeoisie dargestellt wird, Rechnungen unter sich beglichen oder Verbrechen gerächt. Wir haben bereits einen Artikel dieser Frage gewidmet (siehe Internationale Revue Nr. 13, 3. Quartal 1991, «Die Massaker und die Verbrechen der großen Demokratien»). Mit grenzenlosem Zynismus erklärte Bush am 5. November 2006 nach der Urteilsverkündung der Todesstrafe für Saddam Hussein - zu einem Zeitpunkt, als er selbst mitten in der Wahlkampagne in Nebraska stand -, dass dieses Urteil als eine „Rechtfertigung der durch die US-Streitkräfte (seit März 2003 im Irak) erbrachten Opfer" betrachtet werden könne. So ist für ihn der Kopf eines Mörders wichtiger als das Leben von 3000 im Irak getöteten jungen Amerikanern (d.h. es gab mehr Opfer als die Zerstörung der Twin Towers hinterlassen hat), von denen die meisten erst in der Jugend ihres Lebens standen! Und er lässt all das Leben der Hunderttausenden Iraker außer Acht, die seit Beginn der US-Invasion ihr Leben gelassen haben. Seit der US-Besatzung im Irak gab es mehr als 600.000 Tote auf irakischer Seite. Die irakische Regierung hat übrigens beschlossen, die Zahl der Toten nicht mehr zu zählen, um die "Moral der Truppen" nicht zu zersetzen.
Die USA waren sehr daran interessiert, dass die Exekution Saddam Husseins vor den nächsten Prozessen ausgeführt wurde. Sie wollten vermeiden, dass Tatsachen bekannt werden, die sie zu sehr kompromittiert hätten. Alle Anstrengungen sollten unternommen werden, um vergessen zu machen, dass sie und die anderen westlichen Großmächte die Politik Saddam Husseins zwischen 1979 und 1990 voll unterstützt hatten, einschließlich des Irak-Iran-Krieges (1980-1988).
Eine der Hauptanschuldigungen gegen Saddam Hussein in einem dieser Prozesse war die Vernichtung von 5000 Kurden in Halabjah im Jahre 1988 mit Chemiewaffen. Dieses Massaker fand im Rahmen und am Ende des Krieges zwischen Irak und Iran statt, in dem mehr als 1,2 Mio. Menschen starben und doppelt so viele verletzt oder zu Invaliden wurden. Damals lieferten die USA und an ihrer Seite die meisten westlichen Staaten Waffen an Saddam Hussein und unterstützten ihn. Nachdem diese Stadt zuvor von den Iranern eingenommen worden war, war sie danach wieder von den Irakern zurückerobert worden. Dabei hatte der Irak eine Strafaktion gegen die kurdische Bevölkerung beschlossen. Dieses Massaker war übrigens nur das spektakulärste in einer Reihe von Vernichtungskampagnen, die unter dem Namen ‚Al Anfal’ (Kriegsbeute) geführt wurden. 180.000 irakische Kurden wurden dabei zwischen 1987 und 1988 getötet.
Als damals Saddam Hussein den Krieg mit einem Angriff gegen den Iran begann, hatte er die volle Rückendeckung aller Westmächte. In Anbetracht der Ausrufung einer islamischen schiitischen Republik 1979 im Iran, als sich Ayatollah Khomeini erlaubte, die US-Militärmacht vorzuführen und die USA als den ‚großen Satan’ zu bezeichnen, ohne dass es den USA unter dem damaligen Präsidenten Carter, einem Demokraten, gelang, dieses Regime zu stürzen, spielte Saddam Hussein im Auftrag der USA und des westlichen Blocks den Gendarmen in der Region, indem er dem Iran den Krieg erklärte und diesen acht Jahre mit dem Ziel der Schwächung und Ausblutung des Irans fortsetzte. Der iranische Gegenangriff hätte übrigens zum Sieg gegen den Irak geführt, wenn der Irak nicht auf US-Militärhilfe hätte bauen können. 1987 hatte der westliche Block unter US-Führung eine gewaltige Flotte im Persischen Golf mobilisiert. Es beteiligten sich mehr als 250 Kriegsschiffe aus nahezu allen westlichen Ländern mit 350.000 Soldaten an Bord und mit den modernsten Kampfflugzeugen der Zeit ausgerüstet. Diese Armada, die seinerzeit als ‚humanitäre Eingreiftruppe’ bezeichnet wurde, hatte insbesondere eine Ölplattform und einige der leistungsfähigsten Kriegsschiffe der iranischen Marine zerstört. Dank dieser Unterstützung konnte Saddam Hussein ein Friedensabkommen unterzeichnen, bei dem die Grenzen an der gleichen Stelle belassen wurden wie bei Auslösung des Krieges.
Saddam Hussein war mit CIA-Unterstützung an die Macht gekommen. Er ließ seine schiitischen und kurdischen Rivalen sowie andere Sunnitenführer innerhalb der Baath-Partei hinrichten, die zu Recht oder zu Unrecht beschuldigt wurden, gegen ihn Komplotte ausgeheckt zu haben. Jahrelang wurde ihm von den Staatsführern der Hof gemacht, die ihn gar als großen Staatsmann geehrt hatten (zum Beispiel wurde er in Frankreich als "großer Freund Frankreichs" betitelt – insbesondere von Chirac und Chevènement).
Die Tatsache, dass er sich sein ganzes Leben lang durch blutige Erschießungen und Bestrafungen aller Art hervorhob (er ließ Leute hängen, köpfen, folterte seine Gegner, setzte Chemiewaffen ein und sperrte schiitische und kurdische Bevölkerungsgruppen ein) hat nie irgendeinen Politiker gestört, bis man schließlich vor dem Golfkrieg 1991 ‚entdeckte’, dass er ein ‚schrecklicher Tyrann’ war, woraufhin er damals zum ‚Schlächter von Bagdad’ erklärt wurde - ein Ruf, der zu der Zeit, als er Bluttaten im Interesse des westlichen Blocks beging, nie erklang. Man muss ebenso in Erinnerung rufen, dass Saddam Hussein in eine Falle gelaufen war, als er meinte, bei der Invasion Kuwaits im Sommer 1990 auf die Unterstützung Washingtons bauen zu können. Diese lieferte damals den USA den Vorwand für die schrecklichste kriegerische Operation seit dem 2. Weltkrieg. Damals, im Januar 1991, lösten die USA den ersten Golfkrieg aus. Saddam Hussein wurde als der Volksfeind Nr. 1 bezeichnet. Die von den USA angeführte und von ihnen als "Wüstensturm" getaufte Militäroperation, welche in der Propaganda als ein sauberer Krieg dargestellt wurde, kostete nach 106.000 Luftangriffen und dem Abwurf von mehr als 100.000 Tonnen Bomben sowie dem Einsatz der mörderischsten Waffen (Napalm-, Streu- und Druckbomben) binnen 42 Tagen nahezu 500.000 Irakern das Leben. Es ging den USA hauptsächlich darum, ihre überwältigende militärische Überlegenheit der Welt zur Schau zu stellen und ihre ehemaligen Verbündeten aus dem früheren westlichen Block, die mittlerweile zu ihren potenziell gefährlichsten Rivalen geworden waren, zu zwingen, ihren Krieg zu unterstützen. Für die USA ging es darum, die Tendenzen ihrer ehemaligen Verbündeten einzudämmen, sich nach der Auflösung des westlichen Blocks und der damit verbundenen Allianzen von der US-amerikanischen Vorherrschaft zu lösen.
Mit dem gleichen Machiavellismus haben die USA und ihre ‚Verbündeten’ andere Umtriebe angezettelt. Nachdem sie zuvor die Kurden im Norden und die Schiiten im Süden zum Aufstand gegen das Regime Saddam Husseins ermuntert hatten, haben sie eine Zeitlang die Eliteeinheiten des Diktators intakt gelassen, um ihm so zynischerweise zu ermöglichen, diese Aufstände blutig niederzuschlagen, da die USA überhaupt nicht daran interessiert waren, die Einheit des Iraks in Frage zu stellen. Dabei wurde die kurdische Bevölkerung erneut schrecklichen Massakern ausgeliefert.
Die gehorsamen europäischen Medien und der sehr pro-amerikanisch eingestellte französische Präsidentschaftskandidat Sarkozy mögen heute sehr heuchlerisch die ‚schlechte Wahl’, den ‚Fehltritt’ kritisieren, den die überstürzte Exekution Saddam Husseins darstelle. Genauso wenig wie die US-amerikanische Bourgeoisie sind die westeuropäischen Bourgeoisien daran interessiert, dass ihre Beteiligung an all den Verbrechen aufgedeckt wird - auch wenn dies nur durch die verzerrenden Prismen der "Prozesse" und "Urteile" geschähe. Es stimmt, dass die Umstände dieser Exekution zu einer Zuspitzung des Hasses unter den verschiedenen Gruppen führen. Das Todesurteil wurde vollstreckt, als die größte religiöse Feier des Islam, der Aid, stattfand. Jenem Teil der fanatisierten schiitischen Anhänger, die hasserfüllt den Sunniten gegenüberstanden (Saddam Hussein war Sunnit), mag dies gefallen haben. Aber die Sunniten konnten sich dadurch nur empören und die meisten Menschen islamischer Religion nur geschockt werden. Zudem wurde Saddam Hussein in der Generation, die nicht seine brutalen Methoden erlebt hat, als Märtyrer dargestellt.
Aber all diese Bourgeoisien hatten keine andere Wahl, da sie bezüglich der schnellen Exekution die gleichen Interessen verteidigen wie die Bush-Administration – es ging ihnen um das Vertuschen oder die Tilgung ihrer eigenen Verantwortung und ihrer Mittäterschaft bei den Massakern aus dem Gedächtnis. Der Gipfel der Barbarei und der Doppelzüngigkeit, der heute im Mittleren Osten erreicht wird, zeigt nur in gebündelter Form den wirklichen Zustand der Welt. Sie verdeutlicht die totale Sackgasse des kapitalistischen Systems auf der ganzen Welt (1).
Die Flucht in den Krieg im Mittleren und Nahen Osten
Die jüngste Entwicklung des Konfliktes zwischen Israel und den verschiedenen palästinensischen Fraktionen sowie die Zuspitzung der Zusammenstöße zwischen verschiedenen Fraktionen innerhalb des palästinensischen Lagers haben den Gipfel der Absurdität erreicht. Es fällt auf, dass die verschiedenen beteiligten Fraktionen der Bourgeoisie aufgrund der Dynamik der Lage und der Stärke der Widersprüche dazu gebracht werden, Entscheidungen zu treffen, die absolut widersprüchlich und irrational sind und selbst ihren kurzfristigen strategischen Interessen widersprechen.
Als Ehmoud Olmer dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas die Hand reichte und dabei den Palästinensern einige Zugeständnisse machte, insbesondere die Aufhebung einiger Straßensperren und die Zusage, die Blockade von 100 Millionen Dollar im Namen der ‘humanitären Hilfe’ abzubrechen, sprachen die Medien bereits von einem neuen Anschub des Friedensprozesses im Nahen Osten. Mahmoud Abbas versucht diesen Schritt gegenüber seinen Rivalen der Hamas, auszunutzen, indem er diese Scheinzugeständnisse als Beweis der Richtigkeit seiner Politik der Zusammenarbeit mit Israel darstellt, weil sie schließlich zum Erhalt von Zugeständnissen geführt hätten.
Aber Ehoud Olmert selbst desavouierte teilweise diese wenigen Bereiche, die er mit dem Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde teilte, als er am tags darauf gezwungen war, unter dem Druck der erzkonservativen Teile seiner Regierung die Entscheidung zu treffen, erneut die Politik der Errichtung von israelischen Siedlerkolonien in den besetzten Gebieten zu praktizieren und die Zerstörung palästinensischer Wohnungen in Jerusalem zu beschleunigen.
Die Abkommen zwischen Fatah und Israel bewirkte, dass Israel Ägypten die Erlaubnis zu Waffenlieferungen an die Fatah erteilte, um diese im Kampf gegen die Hamas zu begünstigen. Aber der letzte Gipfel zwischen Israel und Ägypten in Sharm-el-Sheik wurde durch die jüngste Militäroperation der
Ein anderes Paradox : zum Zeitpunkt, als sich Olmert und Abbas trafen, beziehungsweise kurz vor dem israelisch-ägyptischen Gipfeltreffen gab Israel zu, eine Nuklearmacht zu sein, und drohte direkt mit dem Einsatz der Atombombe. Auch wenn diese Drohung im Wesentlichen gegen den Iran gerichtet war, weil dieser das gleiche Ziel verfolgt, richtete sich diese Warnung auch an alle anderen Nachbarn Israels. Wie kann man Verhandlungen mit solch einem gefährlichen und kriegstreiberischen Gesprächspartner führen?
Zudem kann diese Erklärung den Iran nur dazu drängen, seinen eingeschlagenen Weg fortzusetzen und seine Ambitionen, zum Bollwerk und zum Gendarmen in der Region zu werden, zu legitimieren – genauso wie alle Großmächte eine ‘Abschreckungsarmee’ unterhalten. Aber es geht um viel mehr als um den hebräischen Staat. Man erhält den Eindruck, dass all die Beteiligten unfähig sind, die Maßnahmen durchzusetzen, die zur Verteidigung ihrer Interessen notwendig sind.
Abbas seinerseits ist wiederum das Risiko eingegangen, ein Kräftemessen mit den Hamas-Milizen zu veranstalten. Dabei hat er die Lunte angezündet, als er seine Absicht verkündete, im Gazastreifen vorgezogene Neuwahlen durchzuführen, was wiederum aus der Sicht der Hamas, die „demokratisch" gewählt wurde, eine wahre Provokation war. Aber dieses Kräftemessen, das zu blutigen Zusammenstößen und Straßenkämpfen führte, war das einzige Mittel, um der palästinensischen Autonomiebehörde dazu zu verhelfen, die von Israel auferlegte Blockade zu überwinden und die seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die Hamas zurückgehaltenen internationalen Hilfsgüter in Empfang zu nehmen. Diese Blockade erwies sich als eine Katastrophe für die palästinensische Bevölkerung, die die von der Polizei und der israelischen Armee abgesperrten Gebiete nicht mehr verlassen konnte. Diese Blockade hat auch den Streik von 170.000 Beschäftigten des palästinensischen „öffentlichen Dienstes" ausgelöst, da ihre Löhne im Gazastreifen und in Jordanland seit Monaten nicht mehr bezahlt wurden (insbesondere in so wichtigen Bereichen wie im Gesundheits- und Erziehungswesen). Die Wut der palästinensischen Beamten, die auch die Polizei und die Armee erfasst hat, wird sowohl von Hamas und Fatah ausgenutzt, um so neue Kräfte für ihre jeweiligen Milizen zu rekrutieren, indem man sich die Verantwortung für diese Lage gegenseitig in die Schuhe schiebt, wobei 10- bis 15jährige Jugendliche bei diesen Schießereien massenhaft als Kanonenfutter eingesetzt werden.
Tsahal in Ramallah in Jordanland und durch die Wiederaufnahme der Luftangriffe im Gazastreifen als Vergeltung auf sporadische Raketenbeschüsse torpediert. So werden die Aufrufe zur Besänftigung oder die Absichtserklärungen zur Wiederaufnahme des Dialogs konterkariert; die israelischen Absichten erscheinen immer widersprüchlicher.Hamas ihrerseits strebt danach, die Lage zu ihrem Gunsten auszunutzen, indem sie versucht, direkt mit Israel einen Austausch von Gefangenen (zwischen dem im Juni 2006 entführten israelischen Soldaten und ihren eigenen Mitgliedern) auszuhandeln.
Eine Verschärfung des blutigen Chaos, das aus dem brisanten Nebeneinander zwischen der gewählten Hamas-Regierung und dem Präsidenten der Autonomiebehörde seit einem Jahr entstanden ist, ist die einzig wirklich realistische Perspektive. In Anbetracht dieser Konstellation, die nur zur Schwächung der beteiligten Parteien führen kann, ist der Ende 2006 beschlossene Waffenstillstand zwischen den Milizen von Fatah und Hamas schlicht illusorisch. Er wird seitdem von mörderischen Zusammenstößen untergraben: Attentate mit Autobomben, Straßenkämpfe, ständige Entführungen führen zu Terrorisierung und Todesangst unter der Bevölkerung des Gazastreifens, die ohnehin schon in größter Armut lebt. Und um dem Ganzen eine Krone aufzusetzen, werden die israelischen Luftangriffe im Jordanland und die gezielten militärischen Interventionen der israelischen Polizei bei Kontrollen als weitere „Ausrutscher" (dérapages?) dargestellt: Kinder und Schüler verlieren bei diesen Abrechnungen zuhauf ihr Leben. Das vom Krieg schon ausgeblutete israelische Proletariat ist seinerseits zur Zielscheibe der Repressalien durch die Hamas und Hisbollah geworden.
Gleichzeitig hat sich die Sicherheitslage im Südlibanon, wo UNO-Einheiten stationiert sind, nicht verbessert. Seit der Ermordung des Christenführers Pierre Gemayel im November 2006 herrscht überall Instabilität. Während die Hisbollah und die schiitischen Milizen (bzw. die christlichen Milizen des Generals Aoun, der sich vorübergehend mit Syrien zusammengeschlossen hat) sich einen Machtkampf lieferten, als sie mehrere Tage lang den Präsidentenpalast in Beirut belagerten, bedrohten gleichzeitig bewaffnete sunnitische Gruppen das libanesische Parlament und seinen schiitischen Präsidenten Nabil Berri. Die Spannungen unter den rivalisierenden Fraktionen haben einen Höhepunkt erreicht. Und niemand nimmt den Auftrag der UNO, die Entwaffnung der Hisbollah, ernst.
In Afghanistan zeigt der Einsatz von 32.000 Soldaten der internationalen Truppen der Nato und von 8.500 US-amerikanischen Soldaten keine Wirkung. Die Kämpfe gegen Al-Qaida und die Taliban, die ca. 100 Angriffe im Süden des Landes durchgeführt haben, versanden immer mehr. Die Bilanz dieses Guerillakrieges: 4.000 Tote allein im Jahr 2006. Und Pakistan, das eigentlich ein Verbündeter der USA ist, dient weiterhin als Stützpunkt der Taliban und von Al-Qaida.
Jeder Staat, jede Fraktion des Kapitals wird trotz aller Rückschläge in kriegerische Abenteuer getrieben.
Diese Sackgasse wird am offensichtlichsten im Falle der größten Macht der Erde. Die Politik der US-Bourgeoisie ist diesen Widersprüchen am meisten ausgesetzt. Während der Bericht der Baker-Kommission, (Baker war u.a. ehemals Berater von Bush Sen.), welcher von der Bush-Administration in Auftrag gegeben worden war, ein Scheitern der Irak-Politik konstatierte und eine Neuorientierung der Politik vorschlug, wobei einerseits eine diplomatische Öffnung gegenüber Syrien und Iran sowie andererseits ein schrittweiser Rückzug der 144.000 US-Soldaten befürwortet wurde, die in einem Verschleißkrieg im Irak gebunden sind, geschieht das Gegenteil. Bush jun., der zu einer Teilerneuerung seiner Regierung gezwungen ist, insbesondere zur Ersetzung Rumsfelds durch Robert Gates als Verteidigungsminister, beließ es dabei, einige Köpfe rollen zu lassen, denen die Verantwortung für das Fiasko im Irak angelastet wurde (das jüngste Beispiel ist die Absetzung der beiden Stabschefs der Besatzungstruppen im Irak, die übrigens gegen den Einsatz von zusätzlichen Soldaten in Bagdad gestimmt haben, da sie von der Wirksamkeit solch eines Schrittes nicht überzeugt sind). Aber vor allem entschloss sich Bush zu einer Verstärkung der US-Truppenpräsenz im Irak. 21.500 zusätzliche Soldaten sollten in der nächsten Zeit in den Irak geschickt werden, um Bagdad „sicherer" zu machen, wobei man bereits jetzt auf Reservisten zurückgreifen muss. Der Wechsel der Mehrheitsverhältnisse im Kongress und im amerikanischen Senat, der nunmehr von den Demokraten beherrscht wird, ändert nichts daran: Jeder Rückzug oder jede Weigerung, neue Gelder für das Militär und den Krieg im Irak bereitzustellen, wird als Eingeständnis der Schwäche der USA, der amerikanischen Nation angesehen, für die das „demokratische Lager" keine Verantwortung übernehmen will. Die ganze US-Bourgeoisie steckt wie jede andere bürgerliche Clique oder jeder andere Staat in der Sackgasse des Krieges, wo jede Entscheidung und jede Bewegung sie noch mehr in die Flucht nach vorne treibt, um ihre imperialistischen Interessen gegenüber ihren Rivalen zu verteidigen.
Der afrikanische Kontinent: eine weitere schreckliche Verdeutlichung der kapitalistischen Barbarei
Seit Jahren werden jeden Tag furchtbare Kriegsverbrechen auf dem afrikanischen Kontinent begangen. Nach Jahrzehnten der Massaker in Zaire und Ruanda, nach den Zusammenstößen zwischen Clans an der Elfenbeinküste, die von den Rivalitäten zwischen den Großmächten angefacht wurden, sind jetzt in andern Regionen weitere Brandherde entstanden.
Im Sudan ist die „Rebellion" gegen die pro-islamische Khartoum-Regierung in eine Reihe von sich gegenseitig bekämpfenden Fraktionen zersplittert; diese werden wiederum von anderen Mächten in sehr zerbrechlichen Allianzen instrumentalisiert. Innerhalb von drei Jahren sind in Darfour im Westen Sudans mehr als 400.000 Menschen umgekommen, mehr als 1.5 Millionen Menschen in die Flucht getrieben, Hunderte von Dörfer gänzlich zerstört worden. Es sind gewaltige Flüchtlingslager entstanden, in denen die Menschen aufgrund von Hunger und Epidemien inmitten der Wüste sterben. Zudem leiden die Menschen unter den schlimmsten Gewalttaten durch verschiedene bewaffnete Banden, wie zum Beispiel die sudanesischen Regierungskräfte. Die Bewegungen der Rebellen haben zur Ausdehnung des Konfliktes in andere Gebiete als den Darfour geführt; insbesondere hat sich der Konflikt auf die Zentralafrikanische Republik und den Tschad ausgedehnt. Dadurch ist Frankreich immer stärker in der Region militärisch involviert, um die letzten Überreste seiner afrikanischen „Jagdgründe" zu verteidigen. Insbesondere beteiligt sich Frankreich von Tschad aus aktiv an den Kämpfen gegen die sudanesische Regierung.
Seit dem Sturz des ehemaligen Diktators, Präsident Siyad Barré, 1990, der gestürzt wurde, als auch die Sowjetunion auseinander fiel, ist Somalia im Chaos versunken. Ein ständiger Krieg zwischen den unzähligen Clans, die gleich Mafiabanden, plündernden, bewaffneten Banden und Auftragsmördern für denjenigen handeln, der am meisten bietet, hat das Land zerrüttet. Es herrscht Terror, die Armut breitet sich immer mehr aus. Die westlichen Staaten, die zwischen 1992 und 1995 im Land aktiv waren, mussten in Anbetracht des Chaos und des Zerfalls des Landes den Rückzug antreten. Die spektakuläre Landung der US-Marinesoldaten endete 1994 in einem jämmerlichen Fiasko; seitdem herrscht völlige Anarchie. Seit 1991 haben mehr als 500.000 Menschen in den Auseinandersetzungen in Somalia ihr Leben gelassen.
Die Union der islamischen Gerichte, die eine Bande ohnegleichen war und unter dem Deckmantel der Sharia und eines „radikalen" Islam agierte, hatte schließlich im Mai 2006 die Hauptstadt Mogadischu mit Hilfe einiger Tausend bewaffneter Kämpfer unter ihre Kontrolle bringen können. Die nach Baidoa geflüchtete Übergangsregierung rief schließlich den mächtigen Nachbarn Äthiopien zu Hilfe (3). Die äthiopische Armee hat mit US-Unterstützung die Hauptstadt bombardiert und innerhalb weniger Stunden die islamistischen Truppen verjagt, von denen die meisten in den Süden geflüchtet sind. Mogadischu
Die USA, Frankreich und alle anderen großen Mächte können nirgendwo eine stabilisierende Rolle spielen. Gleichgültig, welche Regierung an der Macht ist, sie können die kriegerische Barbarei in Afrika und anderswo nicht bremsen. Im Gegenteil, ihre imperialistischen Interessen tragen immer stärker dazu bei, diese Gewalttaten noch mehr auszubreiten.
Der Kapitalismus kann die Menschheit nur noch tiefer in diese Barbarei und das Chaos stürzen, die jetzt schon in der Geschichte nie dagewesene Ausmaße erreicht haben. Das ist unsere Zukunft im Kapitalismus. Für den imperialistischen Krieg wird heute der gesamte Reichtum der Gesellschaft, der Wissenschaft, der Technologie und der menschlichen Arbeit mobilisiert. All das geschieht nicht zum Wohl der Menschen, sondern um ihren Reichtum zu zerstören. Es bleiben nur Ruinen und Leichen übrig. Der imperialistische Krieg zerstört und bedroht das Erbe der Menschheit, das in der Geschichte geschaffen wurde. Langfristig besteht die Gefahr, dass die ganze Menschheit ausgelöscht wird. Dies ist ein Ausdruck des totalen Wahnsinns dieses Systems.
Mehr als je zuvor besteht die einzige Hoffnung in der Überwindung des Kapitalismus, in dem Aufbau von menschlichen Beziehungen, die frei sind von den Widersprüchen, welche diese Gesellschaft erdrosseln. Dieses Werk muss jene Klasse vollbringen, die als einzige der Menschheit eine Zukunft bieten kann – die Arbeiterklasse.
Wim (10. Januar 2007).
(1) Übrigens behält ein anderer Tyrann der Region, der Syrer Hafez-el-Assad, der ewige Rivale Saddams, seinen Ruf als ein „großer Staatsmann", der für seine Unterstützung des Westens zur Zeit der beiden Blöcke belohnt wurde, obwohl auch an seinen Händen viel Blut klebt und er die gleichen Mittel benutzte wie Saddam Hussein.
(2) Einige Schreiberlinge der Bourgeoisie sind sogar dazu fähig, den Ekel, der durch diese unglaubliche Barbarei auf der Welt hervorgerufen wird, aufzugreifen. Aber sie führen diese Barbarei immer auf „individuelle Impulse" und letztendlich auf das „menschliche Wesen" zurück. Aber sie können nicht anerkennen und begreifen, dass diese Barbarei im Gegenteil ein historisches Produkt ist; ein Produkt des kapitalistischen Systems und dass es eine gesellschaftliche Klasse gibt, die diese Barbarei beenden kann – das Proletariat.
(3) Äthiopien, das vormals auch eine Bastion der UdSSR war, ist seit der Flucht Mengistus 1991, zu einem Stützpfeiler der USA am Horn von Afrika geworden.