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Im November 1918 zwang die Arbeiterklasse durch ihre Erhebung die deutsche Bourgeoisie dazu, den Krieg zu beenden. Um eine weitere Radikalisierung der Arbeiterklasse und eine Wiederholung der Ereignisse von Russland zu verhindern, schickte das Kapital die SPD als Speerspitze gegen die Arbeiterklasse in die Schlacht. Mit Hilfe der Gewerkschaften und mittels einer ausgetüftelten politischen Sabotage versuchte die SPD, die Schlagkraft der Arbeiterräte zu untergraben.
Aber die Herrschenden gingen von Beginn an auch von der Notwendigkeit einer militärischen Niederschlagung der Bewegung aus. Anfangs war es für die Bourgeoisie angesichts der explosiven Entwicklung, in der es überall zu Meuterungen von Soldaten und zu ihrem massenhaften Desertieren auf die Seite der aufständischen Arbeiter kam, nicht möglich, an Repression auch nur zu denken. Zunächst musste sie politisch gegen die Arbeiterklasse vorgehen, ehe sie sie auch militärisch besiegen konnte.
Doch die Vorkehrungen für ein militärisches Vorgehen liefen vom ersten Tag an. Und nicht die "rechten" Parteien leiteten diese militärische Repression ein, sondern - in engster Absprache mit den Militärs - die SPD, die sich noch immer als "große Arbeiterpartei" pries. Es waren die viel gerühmten Demokraten, die das letzte Bollwerk zur Verteidigung des Kapitalismus boten, die sich als der wirksamste Schutzwall gegen die proletarische Revolution herausstellten.
Die SPD begann sofort, systematisch sog. Freikorps aufzubauen, da die regulären Truppenteile unter dem "Bazillus des Bolschewismus" litten und der bürgerlichen Regierung die Gefolgschaft verweigerten. Freiwillige, die mit Sonderprämien angeheuert wurden, sollten als militärische Handlanger dienen.
Die militärischen Konfrontationen vom 6. und 24. Dezember
Nur einen Monat nach Ausbruch der Kämpfe, am 6. Dezember, ließ die SPD in Absprache mit den Militärs Soldaten in die Räume der Redaktion der Roten Fahne eindringen. Zweck dieser Aktion war es, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht sowie andere Spartakisten, aber auch Mitglieder des Vollzugsrates zu verhaften. Gleichzeitig attackierten regierungstreue Truppen eine Demonstration entlassener und desertierter Soldaten, wobei 14 Demonstranten getötet wurden. Als Reaktion darauf traten am 7. Dezember die Belegschaften mehrerer Betriebe in den Streik, überall in den Betrieben wurden Vollversammlungen abgehalten. Am 8. Dezember fand erstmals eine bewaffnete Demonstration von mehr als 150.000 Arbeitern und Soldaten statt. In den Städten des Ruhrgebiets (Mülheim) verhafteten Arbeiter und Soldaten etliche Industrielle.
Doch trotz dieser militärischen Provokation riefen die Revolutionäre nicht zum Aufstand auf, sondern drängten lediglich auf eine massive Mobilisierung der Arbeiter. Die Spartakisten waren der Auffassung, dass die Bedingungen für den Sturz des bürgerlichen Regimes noch nicht reif seien, dass die Kräfte der Arbeiterklasse noch nicht ausreichten.
Der Reichsrätekongress zwischen dem 16. und 21. Dezember 1918 verdeutlichte dies. Die Bourgeoisie begriff sofort, dass sie einen Punktsieg errungen hatte. Denn unter dem Einfluss der SPD beschlossen die Delegierten des Reichsrätekongresses, ihre eigenen Entscheidungen einer noch zu wählenden Nationalversammlung unterzuordnen. Gleichzeitig wurde ein sog. "Zentralrat" gewählt, der ausschließlich aus Sozialdemokraten bestand und vorgab, im Namen der Arbeiter- und Soldatenräte zu sprechen. Nach diesem Kongress witterte die Bourgeoisie die Gelegenheit, die politische Schwächung der Arbeiterklasse auch direkt militärisch auszunutzen. Am 24. Dezember zettelte sie die nächste militärische Provokation an. Freikorps und regierungstreue Truppen griffen revolutionäre Matrosen an; elf Matrosen und mehrere Soldaten starben. Wieder herrschte große Empörung unter den Arbeitern. Arbeiter der Daimler-Motoren-Gesellschaft und vieler anderer Berliner Betriebe forderten die Bildung einer "Roten Garde". Am 25. Dezember fanden erneut mächtige Demonstrationen gegen diese Provokation statt. Die Regierung musste einen Rückzieher machen. Nach so viel Diskreditierung musste auch die USPD , die bis dahin gemeinsam mit der SPD den Rat der Volksbeauftragten gebildet hatte, am 29. Dezember aus der Regierung austreten.
Die Bourgeoisie gab jedoch in ihrem Bestreben, das bewaffnete Proletariat in Berlin zu entwaffnen und entscheidend zu schlagen, nicht nach.
Die SPD stachelt zur Kommunistenhatz auf
In ihrem Bemühen, die restliche Bevölkerung gegen die revolutionären Arbeiter aufzuhetzen, machte sich die SPD zum Sprachrohr einer ungeheuerlichen Meuchelmordkampagne gegen die revolutionären Arbeiter und vor allem gegen die Spartakisten.
Ende Dezember 1918 traten die Spartakisten aus der USPD aus und schlossen sich mit den Genossen der IKD zur KPD zusammen. Damit erhielt die Arbeiterklasse Unterstützung durch eine kommunistische Partei, die, kaum aus den Kämpfen hervorgegangen, schon zur Zielscheibe der Angriffe der SPD wurde.
Die KPD erkannte, dass die Aktivität der breitesten Arbeitermassen erforderlich war, um der Taktik des Kapitals die Stirn zu bieten. "Nach der ersten Phase der Revolution, der des vorwiegend politischen Kampfes, kommt eine Phase des verstärkten, gesteigerten, in der Hauptsache ökonomischen Kampfes." (Rosa Luxemburg auf dem Gründungsparteitag der KPD). Die SPD werde mit den "emporlodernden Flammen des ökonomischen Klassenkampfes nicht fertig werden" (ebenda). Daher versuchte das Kapital mit der SPD an seiner Spitze, eine weitere Verschärfung der ökonomischen Kämpfe durch eine Anzettelung von militärischen Aufständen der Arbeiter zu vereiteln. Durch die Provokation und anschließende Zerschlagung eines verfrühten Aufstandes sollte ein wichtiges Zentrum der deutschen Arbeiterklasse, die Berliner Arbeiter, geschwächt werden, um dann schrittweise gegen den Rest der Klasse vorzugehen.
Die Falle des verfrühten Aufstandes in Berlin
Ende Dezember hatte die Bourgeoisie die in Berlin stationierten Truppen neu formiert. Mehr als 10.000 Mann starke Stoßtruppen standen ihr jetzt rund um Berlin zur Verfügung. Insgesamt hatte sie über 80.000 Soldaten um Berlin zusammengezogen. Anfang Januar 1919 holte die Bourgeoisie zu einem neuen militärischen Schlag gegen die Berliner Arbeiter aus. Am 4. Januar wurde der Polizeipräsident von Berlin, Eichhorn, der im November von den Arbeitern ernannt worden war, von der bürgerlichen Regierung entlassen. Dies wurde sofort als Herausforderung der revolutionären Arbeiterschaft verstanden. Am Abend des 4. Januar versammelten sich die revolutionären Obleute zu einer Sitzung, an der auch Liebknecht und Pieck im Namen der frisch gegründeten KPD teilnahmen.
Für Sonntag, den 5. Januar, rief man zu einer Protestkundgebung auf. Ca. 150.000 Menschen versammelten sich nach der Demonstration vor dem Polizeipräsidium. Am gleichen Abend besetzten einige Demonstranten - vermutlich von Provokateuren aufgewiegelt, jedenfalls ohne Wissen und Zustimmung des Aktionsausschusses - die Gebäude der SPD-Zeitung Vorwärts und anderer Verlage.
Doch die Bedingungen für den Sturz der Regierung waren noch nicht reif. So schrieb die KPD Anfang Januar in einem Flugblatt: "Würden die Berliner Arbeiter heute die Nationalversammlung auseinanderjagen, würden sie die Scheidemann-Ebert ins Gefängnis werfen, während die Arbeiter des Ruhrgebietes, Oberschlesiens, die Landarbeiter Ostelbiens ruhig bleiben, so würden die Kapitalisten morgen Berlin durch Aushungerung unterwerfen können. Der Angriff der Arbeiterklasse auf das Bürgertum, der Kampf um die Macht der Arbeiter- und Soldatenräte müssen das Werk des gesamten arbeitenden Volkes im ganzen Reiche werden. Nur wenn der Kampf der Arbeiter in Stadt und Land überall jeden Tag sich verschärft, zunimmt, wenn er zum reißenden Strome wird, der ganz Deutschland durchbraust, die Welle der Ausbeutung und Unterdrückung hinwegschwemmt, nur dann wird die Regierung des Kapitalismus, wird die Nationalversammlung gesprengt und auf ihren Ruinen die Regierung der Arbeiterklasse errichtet werden, die im weiteren Kampf gegen die Bourgeoisie das Proletariat zum vollen Siege führen wird. Deswegen darf unser Kampf gegen die Nationalversammlung weder in passiver Abstinenz, in einfacher Stimmenthaltung, noch in bloßer Störung der Wahlen, noch in dem bloßen Versuch der Auseinanderjagung der Nationalversammlung bestehen, es gilt, in diesem Kampfe Machtpositionen zu erobern.
(...) Arbeiter und Arbeiterinnen, Soldaten und Matrosen! Ruft überall Versammlungen ein und klärt die Volksmassen über den Schwindel der Nationalversammlung auf (...) In jeder Werkstatt, in jedem Truppenteil, seht Euch in jeder Stadt Euren Arbeiter- und Soldatenrat an, prüft, ob er wirklich gewählt worden ist, ob in ihm Vertreter des kapitalistischen Systems, Verräter der Arbeiterklasse, wie die Scheidemänner, oder haltlos hin und her schwankende Gestalten, wie die Unabhängigen, sitzen". (aus einem Flugblatt der KPD, Anfang Januar 1919 verteilt) Aus dieser Einschätzung geht deutlich hervor, dass sich die KPD darüber im Klaren war, dass der Sturz der Kapitalisten noch nicht unmittelbar bevorstand. Der Aufstand stand noch nicht auf der Tagesordnung.
Nach der riesigen Massendemonstration vom 5. Januar fand noch am gleichen Abend erneut eine Sitzung der Obleute unter Beteiligung von Delegierten der KPD, USPD und Vertretern der Garnisonstruppen statt. Unter dem Eindruck der mächtigen Demonstration versuchte man zunächst, die Stimmung auszuloten. Es wurde von einer kampfbereiten Stimmung in den Truppen berichtet. Die Anwesenden wählten einen Aktionsausschuss aus 53 Mitgliedern, an dessen Spitze Ledebour (USPD), Scholz für die revolutionären Obleute und Liebknecht für die KPD traten. Man beschloss für den folgenden 6. Januar den Generalstreik und eine neue Demonstration.
Der Aktionsausschuss verteilte ein Flugblatt mit der Parole: "Auf zum Kampf um die Macht des revolutionären Proletariats! Nieder mit der Regierung Ebert-Scheidemann!"
Soldaten kamen und erklärten dem Aktionsausschuss ihre Solidarität. Eine Soldatendelegation versicherte, sie werde sich auf die Seite der revolutionären Arbeiter stellen, wenn man die Ebert-Scheidemann-Regierung für abgesetzt erkläre. Daraufhin unterschrieben Liebknecht für die KPD und Scholz für die revolutionären Obleute ein Dekret, wonach die Regierung abgesetzt sei und der Revolutionsausschuss die Regierungsgeschäfte übernehme. Am 6. Januar demonstrierten ca. 500.000 Arbeiter auf den Straßen und in allen Stadtteilen; die Arbeiter der Großbetriebe verlangten nach Waffen. Die KPD forderte die Bewaffnung der Arbeiter und die Entwaffnung der Konterrevolutionäre.
Doch nachdem er erst: "Nieder mit der Regierung!" gerufen hatte, machte der Revolutionssausschuss anschließend keine ernsthaften Anstalten, diese Parole auch in die Tat umzusetzen. Weder wurden in den Betrieben Kampfgruppen aufgestellt noch der Versuch unternommen, die Regierungsgeschäfte in die Hand zu bekommen und die alte Regierung lahmzulegen. Nicht nur, dass der Aktionsausschuss keinen Aktionsplan besaß, er wurde gar am 6. Januar von Marinesoldaten aufgefordert, das Tagungsgebäude zu verlassen - was er dann auch tat.
Die demonstrierenden Arbeitermassen warteten auf den Straßen auf Anweisungen, während ihre Führer ratlos waren und - tagten. Während die Führung des Proletariats zögerte und zauderte, abwartete und ohne eigenen Plan war, erholte sich die SPD-geführte Regierung schnell vom ersten Schock über den Widerstand der Arbeitermassen. Sobald sich die Schwäche der Revolutionäre, ihr Mangel an Führungskraft, offenbarte, raffte man sich auf der Gegenseite zum entschlossenen Handeln auf. Von allen möglichen Seiten wurde Hilfe angeboten. Die SPD rief zu Streiks und Demonstrationen für die Regierung auf und startete eine massive Hetzkampagne gegen die Kommunisten.
Nun traten die SPD und ihre Komplizen also unter dem Deckmantel der Revolution und der Arbeiterinteressen auf, um die Revolutionäre zu massakrieren. Mit spitzfindiger Doppelzüngigkeit forderte sie die Arbeiterräte auf, sich hinter die Regierung gegen die "bewaffneten Banden" zu stellen. Gustav Noske, führendes SPD-Mitglied, wurde zum Oberbefehlshaber der Repressionstruppen ernannt. "Einer muss der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht." (Zitat von Noske)
Schon am 6. Januar kam es zu vereinzelten Gefechten, derweil die Regierung rund um Berlin immer mehr Truppen zusammenzog. Am Abend des 6. Januar tagte der von SPD und USPD dominierte Berliner Vollzugsrat. Anschließend schlug er dem revolutionären Aktionsausschuss Verhandlungen zwischen den revolutionären Obleuten und der SPD-Regierung vor, zu deren Sturz der Aktionsausschuss gerade erst aufgerufen hatte. Statt sich an die Spitze der Bewegung gegen die Regierung zu stellen, setzte sich der Vollzugsrat also zwischen alle Stühle. Der Vollzugsrat wollte als "vermittelnde" Kraft handeln, indem er Unversöhnliches miteinander zu versöhnen versuchte. Dieses Verhalten des Vollzugsrates vergrößerte das Zaudern der ohnehin schon abwartenden und zögernden Soldaten. Die Matrosen erklärten, dass sie sich nunmehr "neutral" verhalten werden. Hier wird deutlich, dass jedes unentschlossene Verhalten schnell zu einem Verlust an Selbstbewusstsein innerhalb der Klasse, aber auch zu einem Vertrauensverlust der Arbeiter gegenüber den politischen Organisationen des Proletariats führt.
Der SPD gelang es so, die Arbeiterklasse zutiefst zu schwächen. Wie sich später herausstellen sollte, setzte sie dabei auch Provokateure ein, die die Arbeiter zu Zusammenstößen aufwiegeln sollten. So geschah die Besetzung von Zeitungsredaktionen und Verlagsgebäuden (wie den Vorwärts) am 7. Januar offensichtlich auf Betreiben von Agents provocateurs der Regierung.
Die KPD-Führung hatte zu den Ereignissen in Berlin und dem von den revolutionären Obleuten gefassten Aufstandsbeschluss eine klare Position. Ausgehend von der Einschätzung der Lage, die auf ihrem Gründungsparteitag artikuliert wurde, hielt die KPD den Zeitpunkt für einen Aufstand für verfrüht.
Die Spartakisten drängten die Arbeiterklasse zu einer Intensivierung des Drucks in den Arbeiterräten, womit die Kämpfe wieder auf das Terrain der Arbeiterklasse, also in die Betriebe zurückgeführt und Ebert, Scheidemann & Co. davongejagt werden sollten. Die Bewegung musste erst durch den Druck der Räte neuen Anschub erhalten, bevor sie die Schlacht um die Machtergreifung antreten konnte.
Am 8. Januar übten Rosa Luxemburg und Leo Jogiches scharfe Kritik am Aufruf des Revolutionsausschusses zum unmittelbaren Sturz der Regierung, aber auch an der zögernden und kapitulantenhaften Haltung des Ausschusses, die es ihm unmöglich machte, die von ihm ausgelöste Bewegung anzuführen. Vor allem warfen sie Liebknecht vor, auf eigene Faust zu handeln, sich von seinem Enthusiasmus und seiner Ungeduld blenden zu lassen, statt sich an die Beschlüsse der Partei zu halten und auf das Programm sowie die Einschätzung seiner Partei zu stützen.
Dieses Ereignis zeigt, dass es weder an einem Programm noch an politischen Lageanalysen mangelte, sondern an der Fähigkeit der KPD, ihre Pflicht als politische Führung der Arbeiterklasse zu erfüllen. Die erst wenige Tage alte KPD besaß nicht den Einfluss und noch weniger die Solidität sowie den organisatorischen Zusammenhalt, die die bolschewistische Partei 1917 in Russland ausgezeichnet hatten. Diese Unreife der KPD war der Grund für die Verwirrung in ihren eigenen Reihen, die sich später zu einer folgenschweren Bürde auswachsen sollte.
In der Nacht vom 8. auf den 9. Januar kam es erstmals zu Übergriffen von Regierungstruppen gegenüber Arbeitern. Der Aktionsausschuss, der das Kräfteverhältnis noch immer falsch einschätzte, drängte darauf, gegen die Regierung loszuschlagen, obwohl sich diese gerade im Aufwind befand: "Auf zum Generalstreik, auf zu den Waffen (...) Es gibt keine Wahl! Es muss gekämpft werden bis aufs Letzte." Diesem Aufruf folgten viele Arbeiter, doch erneut warteten sie vergeblich auf präzise Anweisungen des Ausschusses. Nichts geschah, um die Massen zu organisieren, um die Verbrüderung der revolutionären Arbeiter mit den Truppen herbeizuführen.
Unterdessen marschierten die Regierungstruppen in Berlin ein und lieferten sich tagelange Straßenkämpfe mit bewaffneten Arbeitern. Bei immer wieder aufflammenden Zusammenstößen in verschiedenen Stadtteilen Berlins wurden zahllose Arbeiter erschossen oder verletzt. Die Kämpfe dauerten nahezu eine Woche an. Am 13. Januar wurde der Generalstreik von der USPD-Führung für beendet erklärt. Am 15. Januar wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von den Schergen des sozialdemokratisch geführten Regimes ermordet. Die Kampagne "Tötet Liebknecht!" war erfolgreich abgeschlossen worden. Die KPD war ihrer besten Führer beraubt!
Die KPD besaß damals nicht die Kraft, die Bewegung zurückzuhalten - so wie es im Juli 1917 den Bolschewiki gelungen war. "Ein Erfolg der Spartakusleute war von vornherein ausgeschlossen, da wir sie durch unsere Vorbereitungen zum früheren Zuschlagen genötigt haben. Ihre Karten wurden früher aufgedeckt, als sie es wünschten, und wir waren daher in der Lage, ihnen entgegenzutreten." (Zitat von Polizeipräsident Ernst, SPD-Nachfolger von Eichhorn)
Die Bourgeoisie erkannte jedoch sofort, dass sie ihren militärischen Erfolg weiter ausbauen musste. In einer Welle blutiger Repression wurden Tausende von Berliner Arbeitern und Kommunisten ermordet, misshandelt und gefangengenommen. Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht war keine Ausnahme, sondern nur der erste Ausdruck einer wilden Entschlossenheit der Bourgeoisie, ihre Todfeinde, die Revolutionäre, samt und sonders auszulöschen. Am 19. Januar war dann der Triumph der Demokratie perfekt - die Wahlen zur Nationalversammlung in Weimar, wohin die Regierung sie unter dem Druck der Arbeiterkämpfe verlegt hatte, fanden statt. Die Weimarer Republik wurde also erst durch die Massaker an der Arbeiterklasse ermöglicht.
Es ist die Partei, die den Siedepunkt erkennen muss, die "den Moment für das Angriffsziel richtig erfassen" (Trotzki) muss, um die Klasse zum richtigen Zeitpunkt zum Aufstand zu drängen. Die Arbeiterklasse muss "über sich eine weitblickende, feste und sichere Leitung (in der Form der Partei) fühlen" (Trotzki).
Der revolutionäre Aufschwung der Klasse
Der Analyse zufolge, die die KPD auf ihrem Gründungsparteitag erstellt hatte, war die Klasse noch nicht reif für den Aufstand. Nach der anfangs von Soldaten dominierten Bewegung erhoffte man sich jetzt einen neuen Schub durch die Belegschaften der Betriebe, durch einen verstärkten Druck der Arbeitervollversammlungen und Demonstrationen. Nur dies hätte der Bewegung Auftrieb und Selbstvertrauen geben können. Wenn der Aufstand im Januar kein Putschversuch durch einige verzweifelte und ungeduldige Elemente bleiben, sondern auf den "revolutionären Aufschwung" der Arbeiterklasse fußen sollte, musste auch der Kampf der restlichen Arbeiterklasse intensiviert werden.
Zudem hatten die Arbeiterräte im Januar noch lange nicht die Zügel in die eigene Hand genommen, war die neben der Regierungsgewalt existierende Macht der Räte aufs heftigste von der SPD sabotiert worden. Wie schon erwähnt, hatte die Bourgeoisie auf dem Reichsrätekongress Mitte Dezember 1918 einen Sieg errungen. Seither war es noch zu keiner Neubelebung der Arbeiterräte gekommen. Die Einschätzung des Kräfteverhältnisses und der Dynamik der Entwicklung durch die KPD entsprach der Realität.
Es wird der Einwand vorgebracht, dass die Partei die Macht hätte übernehmen müssen. Doch wie soll dies eine Partei, und sei sie noch so "stark", bewerkstelligen, wenn das Bewusstsein großer Teile der Arbeiterklasse noch nicht ausreichend entwickelt ist, wenn die Arbeiterklasse noch zögert und schwankt, wenn sie nicht einmal Arbeiterräte gebildet hat, die stark genug waren, um dem bürgerlichen Regime entgegenzutreten. Aus unserer Sicht steckt hinter diesem Einwand ein grundsätzliches Verkennen der fundamentalsten Charakteristiken einer proletarischen Revolution bzw. eines Aufstandes, der, wie Lenin zuvorderst betont, "keine Verschwörung der Partei sein kann, sondern sich auf die fortgeschrittenste Klasse stützen muss". Kurz, hinter dieser Kritik verbirgt sich eine blanquistische, putschistische Sichtweise. Selbst im Oktober 1917 haben die Bolschewiki nachdrücklich darauf bestanden, dass nicht sie, sondern der Petrograder Sowjet die Macht übernehmen muss.
Der Aufstand kann nicht willkürlich "von oben" deklariert werden, sondern kann erst dann organisiert werden, wenn die Eigeninitiative und die Bereitschaft der Klasse, die Organisierung ihrer Kämpfe selbst in die Hand zu nehmen, ihr Bewusstsein für die Orientierungen und Anweisungen der Räte und der Partei geöffnet haben.
Damit das Proletariat das Joch des Kapitalismus abschüttelt, reichen nicht allein der Wille und die Entschlossenheit seiner Revolutionäre, d.h. des bewusstesten und entschlossensten Teils der Klasse, aus. Denn ein proletarischer Aufstand ist kein handstreichartiger Putsch, wie nur die bürgerlichen Ideologen es sich vorstellen können, sondern das Werk der Arbeiterklasse selbst. Doch im Januar 1919 hatte die deutsche Arbeiterklasse diesen Reifegrad noch nicht erreicht.
Die zentrale Rolle der Kommunisten
Im Gegensatz zu den Bolschewiki im Juli 1917 hatte die KPD im Januar 1919 noch längst nicht so viel Gewicht, um den Lauf der Ereignisse entscheidend mit zu beeinflussen. Denn es reicht nicht, dass die Partei richtige Positionen bezieht, notwendig ist auch ein entsprechendes Gewicht in der Klasse. Sowohl der verfrühte Januaraufstand in Berlin als auch die darauffolgende blutige Niederlage machten es der KPD jedoch unmöglich, solch ein Gewicht zu erlangen. Der Bourgeoisie gelang es, die revolutionäre Avantgarde der Arbeiterklasse zu schwächen, indem sie ihre besten Militanten umgebracht und ihr wichtigstes Interventionsorgan, die Rote Fahne, vorläufig zum Schweigen gebracht hat. In einer Zeit, als die breiteste Intervention der KPD erforderlich war, stand die KPD wochenlang ohne Presse da.
(Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe)