Arbeitersolidarität gegen den bankrotten Kapitalismus

Printer-friendly version

In den letzten Wochen und Monaten stehen überall auf der Welt immer mehr Beschäftigte vor der Frage, was tun, wenn die Firma vor dem Bankrott steht, Werksschließungen oder Massenentlassungen anstehen? An wen sich wenden, um Unterstützung zu bekommen? In den USA und in Europa sind gegenwärtig die Beschäftigten der Automobilindustrie bei Chrysler, Ford und dem ehemals größten Autohersteller General Motors am akutesten davon betroffen. In Deutschland ist das Schicksal der Opelaner am stärksten in den Mittelpunkt gerückt.

Tatsache ist, immer mehr Beschäftigte werden vor der gleichen Situation stehen, mit denen die Opelaner sich auseinander setzen müssen, denn die Entlassungswelle droht immer mehr Betriebe zu erfassen. Deshalb, die Fragen, vor denen die Opelaner stehen, gehen alle Arbeiter an

Während in den Opel-Werken und in den Zulieferwerken Zehntausende, vielleicht gar Hunderttausende um ihren Arbeitsplatz fürchten und der damit verbundenen Verarmung, rufen viele Politiker, Medien, Betriebsrat, Gewerkschaften nach Rettungsplänen durch den Staat. Solidarität und Hilfe sollen die Opelaner und die anderen vom Staat erhalten. Wir sollen denken, der Staat sei der einzige, der helfen könnte. Sie stellen uns vor die falsche Alternative: Wie kann man Opel retten und nicht wie können die Betroffenen sich zur Wehr setzen.

Die Marktmechanismen bieten keinen Ausweg aus der erdrückenden Überproduktion und den Folgen des Konkurrenzkampfes. Sie sind Ursachen des Problems. Deshalb sind die angeblichen „Rettungspakete“ für Opel oder die anderen Betriebe keine wirkliche Solidarität, sondern sie sollen die Betroffenen davon abhalten, sich eigenständig zur Wehr zu setzen.

Die Angst der Herrschenden vor der Solidarität der Betroffenen

Wenn sich der Staat aber als der große Rettungsanker darstellt, dann geschieht dies vor allem aus einer großen politischen Sorge der Herrschenden. Denn in Deutschland stellen die Automobilindustrie und die davon abhängigen Zulieferer in der Metall-, Stahl- und chemischen Industrie noch immer ein Konglomerat von mehr als einer Million Beschäftigter dar, die oft geographisch gebündelt sind und auch über wichtige Kampferfahrungen verfügen.

Deshalb wird das Vorgehen der Herrschenden gegenüber Opel und den anderen anstehenden Entlassungen und Werksschließungen von Angst regiert - der Angst der Herrschenden vor einer entsprechenden Reaktion der Arbeiter. Aus diesem Grund unternehmen sie alles, um die Opelaner in Sackgassen zu drängen, sie zu isolieren, sie gegeneinander auszuspielen und bei den Beschäftigten anderer Betriebe erst gar nicht die Frage eines gemeinsamen Vorgehens aufkommen zu lassen.

Zu einem Zeitpunkt, wo in nahezu allen Betrieben massiver Stellenabbau oder Schließungen anstehen, soll durch den Ruf nach „Rettet Opel“ der Blick eingeschränkt werden auf die Betroffenen dieses Konzerns, anstatt die Frage zu stellen, wie sich alle Beschäftigten gemeinsam wehren können. Schließlich sind zwar die Kapitalisten von VW, BMW, Audi, Mercedes, Ford Konkurrenten nicht nur von Opel, sondern sie konkurrieren alle miteinander – und sie versuchen dementsprechend ihre Beschäftigten in ein Konkurrenzdenken gegeneinander zu drängen. Aber die Beschäftigten der anderen Betriebe sind nicht die Konkurrenten der Opel-Beschäftigten, sondern deren einzige Verbündeten.

Das Gleiche trifft nicht weniger auf internationaler Ebene zu: Nicht die Opelaner in den anderen europäischen Werken, nicht die GM-Beschäftigten in den USA, nicht die Toyotaner oder KIA-Beschäftigen in Japan oder Korea sind die Rivalen der Arbeiter, sondern die Kapitalisten untereinander.

Deshalb ist es umso bedeutsamer, wenn auf den Protestversammlungen wie Ende Februar in Rüsselsheim Beschäftigte aus anderen Betrieben, vor allem aus den Konkurrenzbetrieben - in diesem Fall Beschäftigte aus dem hessischen VW-Werk Baunathal - auftauchen, und ihre gemeinsamen Interessen mit den von Entlassungen Bedrohten Opelanern bekunden.

Opel Rüsselsheim liegt nur wenige Kilometer von dem Bankenzentrum Frankfurt entfernt. Auch wenn die Banken bei Zahlungsschwierigkeiten von Kreditnehmern von Konsumentenkrediten oder Hypotheken gnadenlos vorgehen und diese wie Zitronen auspressen, Pfändungen veranlassen usw. und deshalb in den Augen der meisten Arbeiter verhasst sind, sind nicht die Bankbeschäftigten, von denen jetzt Zigtausende vor Entlassungen und Lohnkürzungen stehen, deren Gegner, sondern deren Verbündete. Welche Wirkung hätte es, wenn auf Protestversammlungen Beschäftigte zum Beispiel aus dem Bankenbereich, von Opel und den vielen anderen betroffenen Betrieben sich zusammenfinden!

Vor diesem Zusammenkommen der Beschäftigten aus allen Betrieben fürchten sich die Kapitalisten am meisten.

Anstatt sich gegeneinander ausspielen und von den jeweiligen Kapitalisten in deren Konkurrenzkampf untereinander einspannen zu lassen, müssen sich die Arbeiter zusammenschließen. Anstatt sich um Hilfe an den Staat zu wenden, der uns nicht aus dieser Wahnsinnspirale herausführen kann, müssen sich die Betroffenen an andere Beschäftigte wenden, untereinander Kontakt aufnehmen, zusammenkommen. (Siehe dazu unseren Artikel zu der Initiative von Arbeitern in Spanien) Dass die Arbeiter fähig sind, sich über nationalistische Spaltungsversuche hinwegzusetzen und sich vor Ort in Vollversammlungen zusammenzuschließen, haben neulich die Arbeiter in Großbritannien erwiesen – siehe dazu unseren Artikel in dieser Zeitung.

Die Angst der Ausgebeuteten – eine Stachel zum Zusammenkommen?

Während die Herrschenden eine Heidenangst vor der gemeinsamen Reaktion ihrer Ausgebeuteten haben, dominiert paradoxerweise in den Reihen der Ausgebeuteten im Augenblick noch eher ein Gefühl der Einschüchterung, der Angst und Ratlosigkeit. Denn es liegt auf der Hand, dass mit dem gegenwärtigen Abrutschen der Weltwirtschaft Existenzangst, eine große Furcht vor der Zukunft aufkommt. Dies äußert sich gegenwärtig in einem Gefühl einer gewissen Lähmung.

Es stimmt, dass im Unterschied zu den Schülern und Studenten, welche leichter protestieren und streiken können, weil sie nicht entlassen werden kann, die Beschäftigten oft vor Arbeitsniederlegungen zurückschrecken, auch weil bei genereller Überproduktion Arbeitsniederlegungen nur den Unternehmern zupass kommen.

Aber diese Lähmung kann nur dadurch überwunden werden, indem die Betroffenen aus ihrer Isolierung heraustreten, ihre Ängste zur Sprache bringen, um ihre gemeinsamen Interessen zu entdecken und zu formulieren. Angst, Atomisierung, das Gefühl, jeder ist nur auf sich allein gestellt, all das kann nur überwunden werden, indem man zusammenkommt und die Kraft in der gemeinsamen Stärke entdeckt. Dazu ist es erforderlich, dass man das Wort ergreift und nicht den Kräften das Feld überlässt, die uns ständig die Initiative entreißen wollen. So gab es bei den jüngsten Opel-Protestkundgebungen keine oder kaum Diskussionen. Man hörte den Reden der Politiker und Gewerkschaftsfunktionären nur stumm zu. Wenn die Betroffenen aber anfangen, mit einander zu reden, sieht es anders aus. Dann können die Sorge um die Zukunft und die Lähmung umschlagen in Handlungsbereitschaft, in Entschlossenheit, in ein gemeinsames Vorgehen. Erst dann kann auch die Arbeiterklasse wieder ein Gefühl der Würde erlangen, welche ihr in diesem System immer mehr genommen wird.

Und wenn immer mehr Beschäftigte zusammenkommen, entstehen auch Möglichkeiten für die Unzähligen Arbeitslosen dazu zu stoßen. Denn in den 1930er und in den 1980er Jahren haben Arbeitslose ihre eigenen Komitees gebildet, um sich gegen Zwangsräumungen zu wehren, mehr Gelder zu fordern usw. Vor allem können sich dann Arbeitslose und Beschäftigte zusammenschließen. Bei den jüngsten Protesten von Erdölraffineriebeschäftigten in Großbritannien schlossen sich arbeitslose Bauarbeiter den Streikposten und den Vollversammlungen an.

Große Ratlosigkeit herrscht heute auch deshalb vor, weil diese Gesellschaft erdrückt wird durch einen in dem Rahmen dieses Systems nicht aufzulösenden Widerspruch. Zum ersten Mal in der Geschichte steht die Menschheit vor einem Gesellschaftssystem, das Krisen erzeugt, die keine Mangelkrisen mehr sind, sondern man verarmt an der Überproduktion. Hunderttausende Bauarbeiter verlieren ihren Job wegen der Liquiditätskrise der Banken, Millionen müssen in den USA ihre Wohnungen räumen, weil eine Spekulationsblase platzt, Unzählige können Lebensmittel nicht mehr kaufen, weil zu viele Nahrungsmittel angeboten werden.

In Wirklichkeit sind die technischen Voraussetzungen gegeben, dass die Grundbedürfnisse der Menschen erfüllt werden, aber die verhexten Gesetze des Kapitalismus treiben immer mehr Menschen in Elend, Verzweiflung und Zerstörung. Es wird für Profit und nicht für die menschlichen Bedürfnisse produziert. Aber all diese Widersprüche können nur überwunden werden durch die Überwindung dieses Systems selbst.

Obwohl diese Erkenntnis immer greifbarer wird, schrecken heute noch viele Arbeiter davor zurück. Sehr tief sitzt noch die Angst vor dem Alptraum des Stalinismus, der sich als Kommunismus dargestellt hat und die –suche nach einem anderen System lähmte. Die gnadenlose Zuspitzung der Krise jetzt bringt die Arbeiter aber nicht nur immer mehr in Zugzwang sich zu wehren, sie verlangt auch immer stärker eine Klärung der Frage der Alternative. Die Arbeiterklasse kann einer Suche nach einer Alternative zu diesem System nicht ausweichen. Dabei werden die Bewusstesten und Entschlossensten eine entscheidende Rolle spielen, die furchtlos zum Ausdruck bringen müssen, dass eine neue Gesellschaft möglich ist, die nicht auf Ausbeutung und Profitwirtschaft fußt, sondern ihre Produktion auf die Bedürfnisbefriedigung der Menschen ausrichtet. Diese Gesellschaft kann aber nur durch die Betroffenen selbst errichtet werden.

Die Krise bietet somit den Nährboden, dass durch den Abwehrkampf und den Zusammenschluss der Arbeiterklasse diese Erkenntnis heranreift. 22.03.09

Aktuelles und Laufendes: