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Der Nachruf der Gruppe GPR anlässlich des tragischen Todes des Genossen Robert hat einige unserer Lesen dazu bewogen, ihre Meinung und ihre Gefühle darüber kund zu tun. Dabei sind auch Spekulationen über die Motive von Roberts Freitod geäußert worden. So wurde angedeutet, dass eine politische Verzweiflung aufgrund des geringen Erfolgs der revolutionären, insbesondere der linkskommunistischen Kräfte eine Rolle gespielt haben könnte. Auch eine unterstellte Unfähigkeit der politischen Umgebung von Robert, Emotionen auszudrücken und Menschlichkeit zu zeigen, wurde angeführt.
Der Nachruf der Gruppe GPR anlässlich des tragischen Todes des Genossen Robert hat einige unserer Lesen dazu bewogen, ihre Meinung und ihre Gefühle darüber kund zu tun. Dabei sind auch Spekulationen über die Motive von Roberts Freitod geäußert worden. So wurde angedeutet, dass eine politische Verzweiflung aufgrund des geringen Erfolgs der revolutionären, insbesondere der linkskommunistischen Kräfte eine Rolle gespielt haben könnte. Auch eine unterstellte Unfähigkeit der politischen Umgebung von Robert, Emotionen auszudrücken und Menschlichkeit zu zeigen, wurde angeführt.
Es ist in der Tat nicht immer leicht, der Verzweiflung nicht nachzugeben, wenn man sieht, in welche Hölle der Kapitalismus die Welt verwandelt, und wie sattelfest das System trotzdem noch sitzt. Was aber den Freitod von Robert betrifft, so wollen wir auf eine Tatsache hinweisen, welche unserer Meinung nach zu wenig beachtet wird: Der Genosse litt unter einer schweren Depression. Anstatt sich in Spekulationen über Roberts Motive zu verlieren, scheint es uns viel wichtiger, einer Tatsache ins Auge zu sehen, welche in politisierten Kreisen immer noch verdrängt wird, nämlich dass auch eine revolutionäre Perspektive und Engagement niemanden vor der Heimsuchung durch eine solche Krankheit immun machen. Auch durch „Erfolg“ - und sei es politischer Erfolg in der Entwicklung eines „linkskommunistischen“ Programms und einer entsprechenden Organisationsstruktur – ist man nicht davor gefeit.
Wir sagen Krankheit. Denn es wird oft verkannt, dass eine Depression nicht dasselbe ist wie ein auch noch so arges Gefühl, deprimiert zu sein. Da hilft keine gut gemeinte Aufmunterung und erst recht keine Aufforderung, sich zusammen zu nehmen. Die Depression zeichnet sich auch weniger durch Trauer aus, sondern unter anderem durch die große Schwierigkeit, ja oft das Unvermögen, Trauer zu empfinden. Was man empfindet ist v.a. Eine innere Leere, eine radikale Erschöpfung und ein Verlust an Selbstvertrauen, welche so weit gehen können, dass selbst die einfachsten Aufgaben des täglichen Lebens wie das Einkaufen oder das Zähne putzen kaum zu bewältigen sind.
In einem Kommentar vom 14.01.2010 („Lieber kein Nachruf als solch einer“) betont Ananda völlig zu recht die Bedeutung von Emotionen und von Menschlichkeit. Dieser Kommentar fordert zu recht dazu auf, menschliche Trauer zum Ausdruck zu bringen. Allein: In der Praxis ist das nicht immer so leicht umzusetzen. Da wir Menschen gesellschaftliche Wesen sind, kann der gesunde Gefühlsausdruck nur dort gelingen, wo eine Atmosphäre der gegenseitigen Empathie herrscht, sprich die Fähigkeit aller Beteiligten, sich in die Lage der jeweils anderen hinein zu versetzen. Dass diese Empathie schwer ist, dass sie erlernt werden muss, dass dies nicht immer auf Anhieb gelingt, davon zeugt nicht zuletzt Ananda`s eigener Kommentar. Jedenfalls ist uns nicht ersichtlich, dass man an die Gefühle der GenossInnen der GPR gedacht hat, als man die Behauptung aufgestellt hat, dass bei Roberts Freitod-Entscheidung ein zu wenig an Menschlichkeit seiner politischen und emotionalen Umgebung „sicherlich“ eine Rolle spielte.
Auch wird den GenossInnen der GPR die Unfähigkeit zu einer persönlichen Geste und zur menschlichen Trauer zur Last gelegt. Wir haben mit Roberts politischen WeggenossInnen gesprochen und wissen daher, dass sie eine Trauer und einen Schmerz empfinden, welche sich mit Worten gar nicht ausdrücken lassen. Ihr Nachruf, die Würdigung der politischen Leistungen von Robert, die Erinnerung an ihren gemeinsamen Kampf, das war nicht nur die Bringschuld der GPR gegenüber den politisierten Teilen der Arbeiterklasse. Es war sicherlich auch ihre Art, mit dem ersten Schock, mit dem so schmerzlichen persönlichen Verlust umzugehen. Im übrigen ist es eine alte Tradition in der Arbeiterbewegung, im Nachruf für den Verstorbenen GenossInnen in erster Linie (keineswegs ausschließlich) an ihren politischen Beitrag zu erinnern. Nicht aber aus einem Mangel an Menschlichkeit. Denn der Nachruf ist ja nur ein kleiner Teil der Würdigung des Verstorbenen. Als die Arbeiterbewegung noch eine Massenveranstaltung war, fand ein bedeutender Teil dieser Trauerarbeit im breiten gesellschaftlichen Rahmen statt. Die MitkämpferInnen, die Familienmitglieder, die Nachbarn und ArbeiterkollegInnen, die sich im übrigen einander zumeist kannten, kamen zusammen, um das Andenken der dahin Geschiedenen hochzuhalten, und um ihr Leid mit einander zu teilen.
Heute ist das alles viel schwieriger und sozusagen unsichtbarer geworden. Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Revolutionäre heutzutage noch immer eine winzig kleine Minderheit darstellen, welche gegen den Strom dieser Gesellschaft schwimmen muss. Es hat mit dem Zustand der Gesellschaft insgesamt zu tun. Es ist der Kapitalismus, welcher den Tod und die menschlichen Emotionen zu einem Skandal gemacht haben. B.