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In der Abenddämmerung des antiken Roms war der Wahnsinn der Herrscher eher die Regel denn die Ausnahme. Einige Historiker bezweifeln, dass dies ein Anzeichen für die Hinfälligkeit Roms war. Heute ist ein beängstigender Clown zum König des weltweit mächtigsten Nationalstaates gemacht worden, und dennoch wird dies nicht allgemein als ein Hinweis dafür betrachtet, dass die kapitalistische Zivilisation sich im fortgeschrittenen Stadium ihrer eigenen Dekadenz befindet. Die Woge des Populismus in den Epizentren des Systems, die in schneller Folge erst den Brexit und den Triumph von Donald Trump mit sich gebracht hat, ist ein Ausdruck für die Tatsache, dass die herrschende Klasse ihren Zugriff auf den politische Apparat verliert, der seit vielen Jahrzehnten benutzt worden war, um die dem Kapitalismus innewohnende Tendenz zum Kollaps zurückzuhalten. Wir sind Zeuge einer enormen politischen Krise, die von einem sich beschleunigenden Zerfall der Gesellschaftsordnung, von der völligen Unfähigkeit der herrschenden Klasse hervorgerufen wurde, der Menschheit eine Perspektive für die Zukunft anzubieten. Doch der Populismus ist auch die Frucht des Unvermögens der ausgebeuteten Klasse, des Proletariats, eine revolutionäre Alternative vorzustellen, mit dem Resultat, dass es sich in in der großen Gefahr befindet, in ein Reaktionsmuster gedrängt zu werden, das auf ohnmächtiger Wut, der Suche nach einem Sündenbock unter den Minderheiten und der wahnhaften Sehnsucht nach einer Vergangenheit beruht, die so nie existiert hatte. Die Analyse des Populismus als ein globales Phänomen ist ausführlich in dem Beitrag "Über die Frage des Populismus" entwickelt worden, und wir möchten unseren LeserInnen empfehlen, den allgemeinen Rahmen, den sie anbietet, zusammen mit unserer ersten spezifischeren Antwort auf das Brexit-Resultat und den Aufschwung von Trumps Präsidentschaftskandidatur, "Brexit, Trump: Rückschläge für die herrschende Klasse, nichts Gutes für das Proletariat", zu begutachten. Beide Texte sind online veröffentlicht worden.
Wir haben ebenfalls einen Artikel eines Sympathisanten aus den USA, Henk, in unserer englischsprachigen Presse veröffentlicht, "Trump vs. Clinton: nichts anderes als zwei schlechte Alternativen für die Bourgeoisie und das Proletariat". Dieser Artikel, der im Oktober verfasst worden war, befasste sich mit den geradezu fieberhaften Bemühungen der etwas "verantwortungsvolleren" Fraktionen der US-Bourgeoisie, sowohl Demokraten als auch Republikaner, Trump davon abzuhalten, in das Weiße Haus einzuziehen.[1] Diese Bemühungen schlugen augenscheinlich fehl, und einer der direkteren Faktoren, die dieses Versagen verursachten, war die haarsträubende Intervention des Chefs des FBI, James Comey, just in dem Augenblick, als Clinton in den Wählerumfragen an die Spitze preschte. Das FBI, das eigentliche Herzstück des US-Sicherheitsapparates, schränkte Clintons Chancen ernsthaft ein, indem es verkündete, dass sie möglicherweise in einer Strafsache vernommen werden müsse, nachdem es ihren Gebrauch eines privaten E-Mail-Servers, was gegen grundlegende Regeln der staatlichen Sicherheit verstieß, weiter untersucht hatte. Knapp eine Woche später versuchte Comey zurückzurudern, indem er verkündete, dass es im Grunde nichts Anstößiges in all dem vom FBI untersuchten Material gab. Doch der Schaden war angerichtet, und das FBI hat einen wichtigen Beitrag für Trumps Kampagne geleistet, auf dessen Wahlkampfveranstaltungen pausenlos "Sperrt sie ein!" skandiert wurde. Die Intervention des FBI war so ein weiterer Ausdruck des wachsenden Kontrollverlustes im Herzen des Staatsapparates.
Kommunisten kämpfen nicht für ein geringeres Übel
Der Artikel "Trump vs. Clinton" beginnt mit einer klaren Darlegung der kommunistischen Position zur bürgerlichen Demokratie und zu Wahlen in dieser Geschichtsepoche: dass sie ein gigantischer Schwindel sind und der Arbeiterklasse keine Wahl lassen. Diese fehlende Auswahl war in dieser Wahl vielleicht so ausgeprägt wie nie zuvor, in einem Kampf zwischen dem arroganten Showman Trump, mit seiner unverhohlen rassistischen und frauenfeindlichen Agenda, und Clinton, die die "neoliberale" Herrschaft verkörpert, welche in den letzten drei Jahrzehnten die vorherrschende Form des Staatskapitalismus gewesen ist. Angesichts einer Wahl zwischen zwei Übeln gab ein beträchtlicher Teil des Wahlvolkes, wie immer in US-Wahlen, erst gar nicht seine Stimme ab - eine erste Schätzung gibt die Wahlbeteiligung mit knapp unter 57 Prozent an, niedriger als 2012, und dies trotz allen Drucks, wählen zu gehen. Gleichzeitig entschieden sich viele, kritisch gegenüber beiden Lagern, aber besonders gegenüber Trump, für Hillary als das geringere zweier Übel zu stimmen. Unsererseits wissen wir, dass die Enthaltung bei bürgerlichen Wahlen aus Desillusionierung gegenüber dem, was angeboten wird, nur der Anfang aller Weisheit ist: Es ist wichtig - auch wenn äußerst schwierig, sofern die Arbeiterklasse nicht als Klasse handelt - zu zeigen, dass es einen anderen Weg gibt, die Gesellschaft zu organisieren, die über eine Demontage des kapitalistischen Staates gehen wird. Und in der Zeit nach den Wahlen wird diese Ablehnung der herrschenden politischen und sozialen Ordnung, dieses Beharren auf die Notwendigkeit für die Arbeiterklasse, für ihre eigenen Interessen und gegen das Gefängnis des bürgerlichen Staates zu kämpfen, nicht weniger relevant sein, werden doch viele in den Bann eines simplen Anti-Trumpismus gezogen werden, einer Art von umgearbeiteten Antifaschismus,[2] der sich mit "demokratischeren" Fraktionen der Bourgeoisie verbünden wird - am wahrscheinlichsten mit jenen, die die Sprache der Arbeiterklasse und des Sozialismus sprechen, wie Bernie Sanders während der Vorwahlen der Demokraten.[3]
Trumps soziale Basis
Dies ist nicht der Platz, um im Detail die Motive und soziale Zusammensetzung der Trump-Wähler zu analysieren. Zweifellos spielte die Frauenfeindlichkeit, diese gegen Frauen gerichtete Rhetorik, die in der Trump-Kampagne so zentral war, eine gewichtige Rolle; und sie muss untersucht werden, besonders da sie Teil eines viel globaleren "männlichen Gegenschlags" gegen die gesellschaftlichen und ideologischen Veränderungen im Geschlechterverhältnis in den letzten Jahrzehnten ist. Ebenso hat es in allen zentralen kapitalistischen Ländern einen unheilvollen Anstieg des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit gegeben, die auch in Trumps Kampagne eine Schlüsselrolle spielten. Es gibt in Amerika auch spezifische Elemente des Rassismus, die berücksichtigt werden müssen: kurzfristig die Reaktion auf Obamas Präsidentschaft und auf die amerikanische Version der "Flüchtlingskrise"; langfristig das ganze Erbe der Sklaverei und Ausgrenzung. Schon die ersten Zahlen machen deutlich, dass die lange Geschichte der Rassentrennung in Amerika auch in diesen Wahlen durchscheint: Die Trump-Wähler waren mit großer Mehrheit weiß (obwohl er auch eine recht große Anzahl von "Hispanics" mobilisieren konnte), während rund 88 Prozent der schwarzen Wähler das Clinton-Lager wählten. Wir werden auf diese Fragen in einem späteren Artikel eingehen.
Doch wie wir im Beitrag über den Populismus argumentiert haben, denken wir, dass das vielleicht wichtigste Element im Trump-Triumph die Wut gegen die neoliberalen "Eliten" war, die sich selbst mit der Globalisierung und Finanzialisierung der Wirtschaft identifizieren - mit makro-ökonomischen Prozessen, die eine kleine Minderheit auf Kosten der Mehrheit und vor allem zu Lasten der Arbeiterklasse im alten produzierenden Gewerbe und in der alten Rohstoffindustrie reich gemacht haben. "Globalisierung" bedeutete die umfassende Demontage des produzierenden Gewerbes und seinen Transfer in Länder wie China, wo die Arbeitskraft weitaus billiger ist und die Profite viel höher sind. Sie bedeutete auch die "freie Bewegung der Arbeit", was für den Kapitalismus ein weiteres Mittel ist, um die Arbeitskraft durch Migration von den "armen" in die "reichen" Länder zu verbilligen. Finanzialisierung bedeutete für die Mehrheit die Vorherrschaft des Wirtschaftslebens durch die immer mysteriöseren Marktgesetze. Konkret bedeutete sie den Crash von 2008, der so viele kleine Anleger und aufstrebende Hausbesitzer ruinierte.
Auch hier sind detailliertere statistische Untersuchung erforderlich, aber es hat den Anschein, dass eine Kerngröße der Trump-Kampagne die Unterstützung war, die sie von nicht akademisch gebildeten Weißen und insbesondere von ArbeiterInnen aus dem "Rust Belt" erhalten hat - den heutigen Industriewüsten, deren Bewohner aus Protest gegen die herrschende Ordnung, welche von der so genannten "urbanen liberalen Elite" verkörpert wird, für Trump stimmten. Viele dieser ArbeiterInnen aus diesen Regionen haben bei den letzten Wahlen für Obama gestimmt, und einige unterstützten Bernie Sanders in den Vorwahlen der Demokraten. Ihre Stimme war vor allem eine Stimme dagegen - gegen die wachsende Ungleichheit im Wohlstand, gegen ein System, das sie und ihre Kinder um ihre Zukunft gebracht hat. Doch diese Opposition artikulierte sich bei völliger Abwesenheit einer realen Arbeiterbewegung und war somit Futter für die populistische Weltsicht, in der die Eliten angeklagt werden, das Land an fremde Investoren zu verkaufen, Migranten, Flüchtlingen und ethnischen Minderheiten besondere Privilegien auf Kosten der "eingeborenen" Arbeiterklasse - und Arbeiterinnen zu Lasten der männlichen Arbeiter - zu gewähren. Die rassistischen und frauenfeindlichen Elemente des Trumpismus gehen so Hand in Hand mit den rhetorischen Attacken gegen die "Eliten".
Trump an der Macht: kein ruhiges Fahrwasser
Wir möchten hier nicht darüber spekulieren, wie Trumps Präsidentschaft aussehen wird oder welche Politik er zu implementieren versuchen wird. Was Trump vor allem auszeichnet, ist seine Unberechenbarkeit; es wird also nicht leicht sein, die Konsequenzen seiner Regierungszeit vorauszusehen. Da ist auch die Tatsache, dass das, was in der Wahlkampagne funktionierte - nämlich dass Trump schon vor dem Frühstück ein Dutzend sich einander widersprechender Dinge äußern konnte, ohne dass dies die Unterstützung für seine Wahlkampagne beeinträchtigte -, möglicherweise nicht so gut im Amt funktioniert. So präsentiert sich Trump als archetypischen Selfmade-Unternehmer und spricht davon, den amerikanischen Geschäftsmann von der Bürokratie zu befreien. Doch er spricht auch über ein massives Wiederaufbauprogramm für die Infrastruktur in den Innenstädten, für den Straßenbau, für Schulen und Krankenhäuser, für die Wiederbelebung der fossilen Brennstoffindustrie durch die Abschaffung von Umweltschutzgrenzen, was alles zusammen eine erhebliche staatskapitalistische Intervention in die Wirtschaft beinhaltet. Er hat versprochen, Millionen von illegalen Immigranten auszuweisen, und dennoch hängt ein Großteil der US-Wirtschaft von ihrer billigen Arbeitskraft ab. In der Außenpolitik kombiniert er die Sprache des Isolationismus und des Rückzugs (wie bei seiner Androhung, das US-Engagement in der NATO zurückzufahren) mit der Sprache des Interventionismus, wie bei seinem Wutgeheul, "die Scheiße aus dem IS herauszubomben", und verspricht, den Rüstungsetat zu steigern.
Was sicher scheint, ist, dass Trumps Präsidentschaft von Konflikten sowohl innerhalb der herrschenden Klasse als auch zwischen Staat und Gesellschaft geprägt sein wird. Es trifft zu, dass Trumps Siegesrede ein Vorbild an Versöhnung war - er werde ein "Präsident für alle Amerikaner" sein. Und bevor er Trump im Weißen Haus empfing, äußerte Obama, dass er sicherstellen wolle, dass der Übergang so reibungslos wie möglich vonstatten geht. Darüber hinaus könnte die Tatsache, dass es nun eine große republikanischen Mehrheit im Senat und im Kongress gibt, bedeuten, dass er - sofern das republikanische Establishment seine Antipathie gegen Trump überwindet - mit ihrem Rückhalt durchregieren kann, wobei die demagogischeren Teile auf Eis gelegt werden könnten. Doch die Zeichen für künftige Spannungen und Zusammenstöße sind unschwer zu erkennen. Beispielsweise stehen Teile der militärischen Hierarchie einigen seiner außenpolitischen Optionen sehr feindselig gegenüber, so wenn er weiterhin skeptisch gegenüber der NATO bleibt oder wenn seine Bewunderung Putins als starken Führer zur Untergrabung der US-Versuche führt, dem gefährlichen Wiederaufleben des russischen Imperialismus in Osteuropa und im Mittleren Osten Einhalt zu gebieten. Auch in seiner Innenpolitik könnte sich innerhalb des Sicherheitsapparates, der Bundesbehörden und der großen Geschäftsinteressen Widerstand regen; möglicherweise werden diese es als ihre Aufgabe ansehen, sicherzustellen, dass es Trump nicht ermöglicht wird, Amok zu laufen. Unterdessen wird der politische Niedergang der "Clinton-Dynastie" möglicherweise auch in der Demokratischen Partei neue Gegensätze und vielleicht sogar Spaltungen hervorrufen, mit dem wahrscheinlichen Aufstieg eines linken Flügels unter Leuten wie Bernie Sanders, in der Hoffnung, dass sich die feindselige Stimmung gegen das ökonomische und politische Establishment für sie auszahlen wird.
Auf gesellschaftlichen Ebene werden wir wahrscheinlich, wie man nach dem Brexit in Großbritannien sehen kann, ein furchteinflößendes Aufblühen der Fremdenfeindlichkeit des "Volkes" erleben, sodass offen rassistische Gruppen sich nun ermächtigt sehen, ihre Fantasien von Gewalt und Dominanz zu verwirklichen; gleichzeitig wird die Polizeirepression gegen ethnische Minderheiten wahrscheinlich neue Höhen erklimmen. Und wenn Trump ernsthaft mit seinem Programm der Inhaftierung und Ausweisung der "Illegalen" beginnt, werden all diese Entwicklungen Widerstand auf den Straßen provozieren, in Kontinuität mit einigen Bewegungen, die wir in den vergangenen Jahren nach den Ermordungen von Schwarzen durch die Polizei erlebt haben. In der Tat hat es, kaum war das Wahlergebnis verkündet, eine Reihe sehr wütender Demonstrationen in vielen Städten der USA gegeben, an denen sich im Allgemeinen junge Leute beteiligten, die sich von der Aussicht auf eine Trump-Regierung angewidert fühlen.
Die internationalen Auswirkungen
Auf internationaler Ebene ist Trumps Triumph so etwas wie ein "Brexit plus plus plus", um es in seinen Worten zu sagen. Er hat den rechspopulistischen Parteien in Westeuropa bereits mächtigen Auftrieb gegeben, nicht zuletzt dem Front National in Frankreich, wo die Präsidentschaftswahlen für 2017 angesetzt sind. Es sind Parteien, die aus den multinationalen Handelsorganisationen austreten wollen und den wirtschaftlichen Protektionismus bevorzugen. Angesichts Trumps aggressiven Stellungnahmen gegen die wirtschaftliche Konkurrenz Chinas könnte dies bedeuten, dass wir auf einen Handelskrieg zusteuern, der, wie in den 1930er Jahren, einen bereits blockierten Weltmarkt noch weiter einschnüren könnte. Das neoliberale Modell hatte dem Weltkapitalismus in den beiden vergangenen Jahrzehnten große Dienste erwiesen, doch nun erreicht es seine Grenzen, und vor uns liegt die Gefahr, dass die Tendenz des "Jeder-für-sich-selbst", die wir auf der imperialistischen Ebene schon seit längerem erleben, nun auch auf die ökonomische Sphäre überspringt, wo sie bis jetzt mehr oder weniger in Schach gehalten wurde. Trump hat ebenfalls erklärt, dass die globale Erderwärmung ein Schwindel sei, der von den Chinesen erfunden worden sei, um ihren Exporthunger zu stillen; ferner sagte er, er werde sich aus allen internationalen Vereinbarungen über den Klimawandel zurückziehen. Wir wissen, wie begrenzt ohnehin diese Vereinbarungen sind, doch sie fallenzulassen würde uns voraussichtlich noch tiefer in die ökologische Weltkatastrophe stürzen.
Wir wiederholen: Trump symbolisiert eine Bourgeoisie, die wirklich jegliche Perspektive verloren hat, um die Gesellschaft am Laufen zu halten. Trotz all seiner Selbstgefälligkeit und seines Narzismus ist er selbst nicht verrückt; er verkörpert vielmehr die Verrücktheit eines Systems, dem die Optionen ausgehen, selbst jene des Weltkrieges. Trotz ihrer Dekadenz war die herrschende Klasse über ein Jahrhundert lang in der Lage, ihren eigenen politischen und militärischen Apparat - mit anderen Worten: ihre bewusste Intervention als eine Klasse - zu nutzen, um einen völligen Kontrollverlust, einen letzten Anstoß des dem Kapitalismus innewohnenden Strebens ins Chaos zu verhindern. Wir beginnen allmählich die Grenzen dieser Kontrolle zu erkennen, auch wenn wir nicht die Fähigkeit unseres Feindes unterschätzen dürfen, mit neuen, vorübergehenden Scheinlösungen aufzuwarten. Das Problem für unsere Klasse ist, dass mit Ausnahme einer kleinen Minderheit der offenkundige Bankrott der Bourgeoisie auf allen Ebenen - wirtschaftlich, politisch, moralisch - nicht eine revolutionäre Kritik des Systems generiert hat, sondern eine fehlgeleitete Wut und giftige Spaltungen in unseren Reihen. Dies stellt eine ernste Bedrohung der künftigen Möglichkeit dar, den Kapitalismus durch eine menschliche Geselllschaft zu ersetzen.
Und dennoch besteht einer der Gründe, warum der Weltkrieg heute trotz des Ausmaßes der Krise des Kapitalismus nicht auf der Agenda steht, darin, dass die Arbeiterklasse nicht in einer offenen Schlacht besiegt worden ist und immer noch ungenutzte Kapazitäten für den Widerstand beherbergt, wie wir in den etlichen Massenbewegungen während des vergangenen Jahrzehnts gesehen haben, wie der Kampf der StudentInnen in Frankreich 2006 oder die Revolte der Indignados in Spanien 2011 und die Occupy-Bewegung in den USA im gleichen Jahr. In Amerika können diese Vorboten des Widerstandes in den Protesten gegen die Polizeimorde und in den Demonstrationen nach der Wahl gegen Trump wahrgenommen werden, obgleich diese Bewegungen keinen klaren proletarischen Klassencharakter angenommen haben und verwundbar bleiben gegenüber der Vereinnahmung durch Berufspolitiker der Linken, durch die verschiedenen Variationen der nationalistischen oder demokratischen Ideologie. Damit die Arbeiterklasse sowohl die populistische Gefahr als auch die falschen Alternativen überwindet, die von der Linken des Kapitals verkauft werden, ist etwas viel Tieferes erforderlich, eine Bewegung für die proletarische Unabhängigkeit, die imstande ist, sich selbst als politisch zu begreifen und wieder an die kommunistischen Traditionen unserer Klasse anzuknüpfen. Dies gilt nicht unmittelbar, doch Revolutionäre haben heute die Aufgabe, solch eine Bewegung vorzubereiten, vor allem indem sie für die politische und theoretische Klarheit kämpfen, die den Weg durch den herrschenden Smog der kapitalistischen Ideologie in all ihren Erscheinungen ausleuchtet.
Amos, 13.11.2016
[1] Ein Anzeichen, wie weit verbreitet die republikanische Opposition gegen Trump ist: der frühere Präsident Bush, mitnichten Teil des linken Flügels der Partei, kündigte an, dass er eher einen leeren Stimmzettel abgibt, als für Trump zu stimmen.
[2] Unsere Ablehnung einer Politik der "antifaschistischen" Bündnisse mit einem Sektor der herrschenden Klasse gegen einen anderen ist vor allem ein Vermächtnis der italienischen Kommunistischen Linken, die richtigerweise den Antifaschismus als ein Mittel betrachtete, um die Arbeiterklasse für den Krieg zu mobilisieren. Siehe "Der Antifaschismus – eine Anleitung zur Konfusion", einem Text von Bilan, der in der Internationalen Revue, Nr. 26 veröffentlicht wurde.
[3] Mehr zu Sanders siehe den Artikel "Trump v. Clinton".