Submitted by IKSonline on
Unter den "Gelbwesten" sind Gewerkschaften nicht beliebt. Trotz der unzähligen und oft vergeblichen Versuche von CGT oder Solidaire, die Bewegung zu "unterstützen", war die Feindseligkeit der „Gelbwesten“ gegenüber diesen Organisationen eine Tatsache. Aber anstatt dass sich jetzt eine Antwort der Arbeiterklasse gegenüber der systematischen Sabotage ihrer Kämpfe entwickelt, wurde die tiefe Unzufriedenheit der Bürger in "Gelben Westen" gegenüber den Gewerkschaften völlig verwechselt mit der reaktionären Ideologie derjenigen, die diese Bewegung ins Leben gerufen haben: kleine Unternehmer, Händler, Handwerker und andere Leute aus den Zwischenschichten, die infolge ihrer Verblendung und Verarmung einen rachsüchtigen Hass auf das „Fürsorgewesen“ und die Gewerkschaften entwickelt haben, welche aus ihrer Sicht die so genannten Privilegien von Privatangestellten und, noch schlimmer, von Beamten verteidigen würden, die von einer Art besonderen "Schutzstatus" profitieren und kein "Risiko" eingehen würden, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Rechte und die extreme Rechte diese "gewerkschaftsfeindliche" Bewegung von Anfang an unterstützen.
Im Gegensatz zu dem, was kleine Unternehmer in Gelbwesten denken, sind Gewerkschaften nicht die Feinde des Privateigentums und der Ausbeutung. Im Gegenteil, seit dem Ersten Weltkrieg und mit dem Eintritt des Kapitalismus in seine Dekadenz sind die Gewerkschaften zu echten Wachhunden des bürgerlichen Staates geworden; zu Organen, die darauf abzielen, die Kampfbereitschaft der Arbeiter zu kontrollieren, jeden Kampf zu spalten und zu untergraben, um zu verhindern, dass die ausgebeutete Klasse ihren Kampf in die eigenen Hände nimmt und sich so gegen ihre Ausbeuter zur Wehr setzt. [1]
Die Bewegung der "Gelbwesten" entfaltete sich am Ende eines Jahres (nach so vielen anderen!) der systematischen Sabotage der Kämpfe, die durch unzählige kleine Streiks gekennzeichnet waren, die die Gewerkschaften voneinander isolierten, indem sie viele wirkungslose und demoralisierende "Aktionstage" abhielten. Die Spaltung in Berufsgruppen und die damit verbundene Zersplitterung wird mittlerweile von vielen Arbeitern hinterfragt: Sollten wir angesichts der Angriffe der Regierung nicht alle gemeinsam kämpfen? Deshalb haben die Gewerkschaften während der Streiks gegen die Reform der „Beschäftigungsbedingungen“ der Eisenbahner im Mai vorgetäuscht, dass sie für eine "Konvergenz der Kämpfe" eintreten, wobei aber in Wirklichkeit jeder Bereich, jede Branche, jede Niederlassung, jedes Unternehmen sorgfältig aufgespalten und hinter "seiner" Fahne und "seinem" Slogan mobilisiert wurde. Die Lautsprecheranlagen der Gewerkschaften waren so ohrenbetäubend laut eingestellt, dass jegliche Diskussion auf den Kundgebungen verhindert wurde. Vor allem mit der „Nadelstichtaktik“ der bei der SNCF durchgeführten Streiks erschöpften die Gewerkschaften die Streikenden in einem langen und wirkungslosen Kampf, der von den anderen Teilen der Arbeiterklasse abgeschnitten war. Gleichzeitig stellten sie die Eisenbahner als den kampfbereitesten Teil der Klasse dar, der in der Lage gewesen sei, die Regierung allein zurückzudrängen. So sollte die gesamte Arbeiterklasse stärker demoralisiert werden. Die CGT verfolgte auch das Ziel der Isolierung und Demoralisierung, als sie ihren "Solidaritätsfonds" einrichtete, der nichts anderes war als ein Aufruf zum Kampf in der Form von Stellvertreteraktionen, und dass man selbst nicht zu kämpfen brauche und die anderen allein lassen könne.
Wegen der gewerkschaftlichen Sabotage der Arbeiterkämpfe war die Arbeiterklasse nicht dazu in der Lage, sich den Angriffen der Macron-Regierung wirksam entgegenzustellen. Weil die Arbeiterklasse gewissermaßen gelähmt ist und große Schwierigkeiten hat, den gewerkschaftlichen Rahmen zu durchbrechen, konnte die klassenübergreifende Bürgerbewegung der „Gelbwesten“ auftauchen und die ganze Bühne beherrschen. Diese vorübergehende Ersetzung des Klassenkampfes durch die „Revolte des Volkes“, die durch die „Gelbwesten“ zum Ausdruck gebracht wird, musste unausweichlich die Desorientierung der Arbeiterklasse verschärfen und ihr Bewusstsein weiter trüben. Aufgrund dieser politischen Schwächung des Proletariats können die Gewerkschaften, die CGT an ihrer Spitze, weiterhin Aufrufe starten zu wirkungslosen Aktionstagen.
Was die "radikale" Linke des bürgerlichen politischen Apparats betrifft, so hat sie das ganze Jahr über unaufhörlich ihr benebelndes Gift mit Hilfe eines von den Stalinisten übernommenen Slogans verstreut: "Geld gibt es genug in den Taschen der Arbeitgeber!" So ist es nicht verwunderlich, dass Spruchbänder wie "Macron, gib uns das Geld zurück" überall dort präsent waren, wo eine Gruppe von "Gelbwesten" mobilisiert wurde. Ja, es gibt Geld "in der Tasche" von Arbeitgebern, Aktionären und Staatskassen. Wäre es aber ausreichend, den Reichtum "umzuverteilen", um alles besser zu machen? Was für eine Irreführung! Das Problem ist nicht die "gerechte" Verteilung des Reichtums, sondern die Ausbeutung der Arbeitskraft, die Existenz selbst von Waren, Geld und Privateigentum. Das Problem ist die Existenz einer Klasse, die von einer ausbeutenden Klasse ausgebeutet wird. Wie Marx und Engels bereits im Manifest der Kommunistischen Partei über die "bürgerlichen Sozialisten" schrieben: „Eine [...] weniger systematische, nur mehr praktische Form des [bürgerlichen] Sozialismus suchte der Arbeierklasse jede revolutionäre Bewegung zu verleiden, durch den Nachweis, wie nicht diese oder jene politische Veränderung, sondern nur eine Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse, der ökonomischen Verhältnisse ihr von Nutzen sein könne. Unter Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse versteht dieser Sozialismus aber keineswegs Abschaffung der bürgerlichen Produktionsverhältnisse, die nur auf revolutionärem Wege möglich ist, sondern administrative Verbesserungen, die auf dem Boden dieser Produktionsverhältnisse vor sich gehen, also an dem Verhältnis von Kapital und Lohnarbeit nichts ändern, sondern im besten Fall der Bourgeoisie die Kosten ihrer Herrschaft vermindern und ihren Staatshaushalt vereinfachen.“[2]
Durch die Unterstützung der "Gelbwesten"-Bewegung und die Aufforderung an die Gymnasiasten, sich daran zu beteiligen, trieben die Parteien der "radikalen Linken" (Besancenot unterstützte die Bewegung bei ihrem Auftritt in der Fernsehsendung von Laurent Ruquier) sie bewusst in die Falle, wo sie von den Polizisten verprügelt wurden.
Seit 1914 entsprechen die Gewerkschaften nicht mehr den Bedürfnissen des Proletariats und sind ein Teil des Räderwerks des kapitalistischen Staates, ja zu Kontrollorganen für die Eindämmung und Abwürgung der Kämpfe und zur Polizei in den Betrieben geworden. Schon im Ersten Weltkrieg haben sich die Gewerkschaften in einem „Burgfrieden“ bei der Kriegsmobilisierung auf die Seite ihres jeweiligen Nationalstaates gestellt. Während der deutschen Revolution 1918-1919 arbeiteten sie Hand in Hand mit der Sozialdemokratischen Partei überall daran, Streiks zu brechen und das Proletariat daran zu hindern, seinen revolutionären Kampf zu entwickeln, indem sie alles taten, um die Spaltung zu säen und die Einheit der Arbeiterklasse zu zerstören.
Im Jahr 1979 betrieben die Gewerkschaften in Frankreich angesichts des Ausbruchs von Streiks in vielen Branchen, insbesondere in der Stahlindustrie, eine geschickte Spaltungs- und Isolierungstaktik. Sie hatten zunächst dafür gesorgt, dass die Arbeit in anderen Bereichen (Post, Krankenhäuser, Banken, usw.) wieder aufgenommen wurde, bevor sie unter dem Druck der Arbeiter den Sternmarsch der Stahlarbeiter nach Paris am 23. März organisierten, der zusammen von Polizei und Gewerkschaften sabotiert wurde.
1983 gelang es den Gewerkschaften in Belgien, jede Vereinigung zwischen den Beschäftigten des öffentlichen und des privaten Sektors auf die gleiche Weise zu verhindern, indem sie dank der alten Taktik der Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Gewerkschaften diese spalteten und gleichzeitig Demonstrationen nach Branchen, Regionen, Unternehmen und Werken organisierten – jeweils fein säuberlich voneinander getrennt.
Ein weiteres Beispiel: 1986 stellten die trotzkistischen Organisationen Lutte Ouvrière und die Vorgängerorganisation der NPA (LCR) in Frankreich angesichts des Verlustes der Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften während des Kampfes der Eisenbahner der SNCF sofort die Falle der "Basisgewerkschaften" auf, die dann die gleiche schmutzige Arbeit verrichteten wie die traditionellen Gewerkschaften, indem sie die Eisenbahner in dem Unternehmen oder einer Branche von den anderen trennten, um eine Ausweitung des Kampfes zu verhindern. Dabei wurden immer wieder „Ordnungskräfte“ eingesetzt, die den Zugang zu den Vollversammlungen für die Leute blockierten, die nicht bei der SNCF beschäftigt waren.
Seit mehr als einem Jahrhundert wird das Proletariat von den Methoden und der Ideologie der sogenannten "Freunde" der Arbeiterklasse gefesselt, nämlich den Gewerkschaften und den linken und linksextremen Parteien des politischen Apparats der Bourgeoisie. So hat die Bewegung der "Gelbwesten" trotz einer fast einhelligen Ablehnung der Gewerkschaften nur all die Sackgassen wieder eingesetzt, in welche die Gewerkschaften, insbesondere die CGT, seit Jahrzehnten die Kämpfe der Arbeiter immer wieder stürzen: Straßensperren oder angeblich strategische Standorte mit den altbekannten brennenden Reifen und anderen angeblichen Sperren. Diese Blockaden dienen keinem anderen Zweck als der Aufspaltung der Proletarier zwischen denen, die kämpfen, und denen, die gezwungen sind, zur Arbeit zu gehen. Sie sind nur ein Mückenstich auf die Elefantenhaut des Kapitalismus, und diese Methoden haben nie eine echte Bedrohung für die Regierung und noch weniger für den Staat dargestellt.
Die permanente Sabotage der Gewerkschaften hat nur den Weg bereitet für die Ablenkung der Kampfbereitschaft eines Teils der ausgebeuteten Klasse in die Sackgasse des "Bürgerpatriotismus" der "Gelbwesten". Dank ihrer guten und loyalen Dienste konnten die Bourgeoisie, ihr Staat und ihre Regierung bisher die Arbeiterklasse lähmen und den "sozialen Frieden" wahren, um die Ordnung des Kapitals zu verteidigen. Diese Ordnung kann nur dann immer mehr Elend, Ausbeutung, Unterdrückung, soziales Chaos und Barbarei hervorrufen, wenn das Proletariat zulässt, dass sein Kampf von den Gewerkschaften und dem Kleinbürgertum vereinnahmt wird.
EG, 18. Dezember 2018.
[1] Siehe die IKS- Broschüre: Gewerkschaften gegen die Arbeiterklasse.
[2] Während ein "bürgerlicher Sozialist" wie Proudhon trotz seiner politischen Fehler und reformistischen Vorstellungen sich dadurch auszeichnete, ein aufrichtiger Kämpfer der Arbeiterklasse gewesen zu sein, sind die linken Parteien NPA und LO nur Organisationen der extremen Linken des Kapitals, deren Aufgabe es ist, die Arbeiterklasse zu mystifizieren, ihre Kämpfe zu kontrollieren und sie an das bürgerliche und reformistische Terrain der Wahlen zu fesseln.