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Wie wir in unserem zweiten Artikel über die Prager Aktionswoche[1] geschrieben, haben sich verschiedene Gruppen darum bemüht, eine Bilanz der Veranstaltung zu ziehen, eines Versuchs, Gegner des imperialistischen Krieges aus vielen verschiedenen Ländern zusammenzubringen. In diesem Artikel werden wir den Beitrag der Communist Workers Organisation CWO[2] untersuchen (in einem späteren Artikel werden wir uns mit den Perspektiven nach der Prager Aktionswoche beschäftigen).
Im Artikel der CWO wird ihre Ansicht dargelegt, dass die Krise den Kapitalismus in einen neuen Weltkrieg zwinge, der auf die Entwertung des Kapitals abziele. Wir werden an dieser Stelle nicht darauf eingehen, dass wir mit dieser Sichtweise auf die aktuelle Weltlage und die aktuelle Dynamik der imperialistischen Kriege nicht einverstanden sind. Aber wir wollen auf die Art und Weise eingehen, wie die CWO mit einer Schlüsselerfahrung der historischen Arbeiterbewegung umgeht – der Zimmerwalder Konferenz von 1915, die der erste große Versuch von Internationalisten aus allen kriegführenden Lagern war, zusammenzukommen und einen Aufruf gegen den imperialistischen Krieg zu verfassen. Die CWO scheint die Bedeutung dieses Ereignisses herunterzuspielen, indem sie darauf besteht, dass es Teil eines allgemeinen Versagens der Revolutionären Linken in der Zweiten Internationale war, sich rechtzeitig von der Sozialdemokratie zu lösen: „Sogar das Beispiel der Zimmerwalder Linken, die lange nach Kriegsbeginn zusammenkam“, so sagen sie, sei kein nachahmenswertes Beispiel.
Ja, es stimmt, dass die Internationale Linke zu lange gewartet hat, um eine organisierte Fraktionsarbeit gegen den wachsenden Opportunismus der Zweiten Internationale in der Zeit vor dem Krieg zu beginnen, und diese Verzögerung hat es erschwert, eine internationale Antwort auf den Ausbruch des Krieges und den Verrat des gesamten opportunistischen Flügels der Sozialdemokratie nach 1914 zu geben. Das heißt aber nicht, dass wir nicht aus den Erfahrungen der Zimmerwalder Linken lernen können. Im Gegenteil, die Haltung der Bolschewiki und anderer in Zimmerwald – sowohl die Wichtigkeit der Teilnahme an der Konferenz anzuerkennen als auch den zentristischen und pazifistischen Irrtümern der Mehrheit ihrer Teilnehmenden unnachgiebig entgegenzutreten – liefert uns ein klares Beispiel dafür, wie wir auf Ereignisse wie die Prager Aktionswoche reagieren sollten.
Mit anderen Worten, die Notwendigkeit, einerseits bei einer solchen Veranstaltung anwesend zu sein und andererseits mit einer klaren Kritik gegenüber all ihren Verwirrungen und Unzulänglichkeiten zu intervenieren. Dies gilt vor allem, wenn man bedenkt, dass einige der Hauptakteure der Aktionswoche, insbesondere die Gruppe Tridni Valka, die gesamte Zimmerwalder Erfahrung schlichtweg als einen pazifistischen Karneval ablehnen[3]. Und gleichzeitig führt die Lehre, die die CWO aus Zimmerwald zieht – die Notwendigkeit, sich so schnell und so breit wie möglich neu zu formieren, bevor der Krieg kommt – zu einer völlig unkritischen Haltung gegenüber den Elementen, mit denen sie sich neu zu formieren versucht. Wir werden darauf zurückkommen.
Ein Stück einer Erklärung für das Chaos in Prag
Wie die meisten anderen Berichte beginnt auch der Artikel der CWO mit folgendem Hinweis: „Aus organisatorischer Sicht war es eine Katastrophe. Die Teilnehmenden mögen darüber streiten, wer die Schuld trägt, aber Tatsache ist, dass einige Veranstaltungen überhaupt nicht stattfanden, andere schlecht besucht waren, dass den Teilnehmenden Unterkünfte versprochen wurden, die sie nicht bekamen, und dass schließlich am Freitag der Veranstaltungsort des Kongresses absagte. In Ermangelung jeglicher Kommunikation seitens der Organisatoren trafen sich etwa 50 Teilnehmende und organisierten selbst ihren eigenen Kongress. Die Diskussionen zogen sich über viele Stunden hin, und obwohl die ursprünglichen Organisatoren schließlich einen anderen Veranstaltungsort fanden, hatte der selbstorganisierte Kongress bereits Pläne für den nächsten Tag gemacht. So fanden am Samstag zwei getrennte Veranstaltungen statt: der offizielle Kongress und der selbst organisierte Kongress (obwohl einige Teilnehmende im Laufe des Tages beide besuchten)."[4]
Wir können nur zustimmen, dass es sich um eine Katastrophe auf organisatorischer Ebene handelte, aber der Bericht der CWO geht nicht näher auf die Gründe für die Katastrophe ein. Hier geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern um die Untersuchung der politischen Gründe für das Scheitern. Wie wir in unserem ersten Artikel über Prag[5] aufzeigten, kann eine solche Untersuchung nicht umhin, die aktivistische, antiorganisatorische Haltung der Mehrheit der Teilnehmenden zu kritisieren – ein Problem, das in anarchistischen Vorstellungen wurzelt und durch die verschiedenen Bemühungen, die Kommunistische Linke auszuschließen, noch verschärft wurde.
Die Organisationsfrage ist an sich eine politische Frage, aber die Darstellung der CWO scheint den „politischen Standpunkt“ auf die allgemeineren Vorstellungen der verschiedenen Teilnehmenden zu beschränken. Dennoch haben sie recht, wenn sie darauf hinweisen, dass auf dieser Ebene „die wirkliche Kluft zwischen den Aktivisten, die nach sofortigen Lösungen zur Beendigung des Krieges suchten, und denjenigen mit einer klassenkämpferischen Orientierung, die eine längerfristige Perspektive hatten und verstanden, dass Kriege als Produkt des kapitalistischen Systems nur durch den Massenkampf des Proletariats beendet werden können“, entstand.
Das ist genau das, was wir in unseren eigenen Artikeln über Prag gesagt haben. Aber auch hier fehlt etwas in der Darstellung der CWO. Wie wir in unserem ersten Artikel betonten, “war eine Annäherung zwischen den Beiträgen der IKS und der IKT (Internationale Kommunistische Tendenz von der die CWO Teil ist) festzustellen, die sich mehr als einmal trafen, um sich über die Entwicklung der Diskussion auszutauschen“.
Der Artikel der CWO stellt fest, dass ein positiver Aspekt der Prager Veranstaltung die vielen informellen Kontakte und Diskussionen war, die am Rande der Hauptsitzungen stattfanden, und wir stimmen dem zu. Was sie jedoch verschweigen, ist, dass ihre Delegation innerhalb der „selbstorganisierten“ Versammlung selbst zum ersten Mal seit vielen Jahren in der Lage war, konstruktiv mit uns zusammenzuarbeiten, und dass dies in nicht geringem Maße auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass wir trotz vieler Meinungsverschiedenheiten die Tradition des Marxismus und der Kommunistischen Linken teilen, was es beiden Organisationen ermöglichte, eine echte Alternative zum sterilen Aktivismus zu bieten, der die Mehrheit dieses Milieus beherrscht. So betonten beide Organisationen in ihren Beiträgen in Prag den Vorrang einer ernsthaften Debatte über die Weltlage vor einer unmittelbaren Fixierung auf das „Was können wir heute tun“. Sie betonten die zentrale Rolle des Kampfs des Proletariats bei der Entwicklung einer echten Opposition gegen den imperialistischen Krieg und sie bekräftigten, dass nur der Sturz des Kapitalismus durch die Arbeiterklasse der tödlichen Spirale von Krieg und Zerstörung, die dem dekadenten Kapitalismus inhärent ist, ein Ende bereiten kann.
Eine lange Geschichte von Opportunismus und Sektierertum
Wir glauben nicht, dass die CWO hier an einer einfachen Gedächtnislücke leidet. Vielmehr entspricht dies einer Praxis, die von der CWO/IKT und ihren Vorläufern seit langem praktiziert wird: eine Politik des „Alles, nur nicht die IKS“. Diese Haltung zeigte sich bereits in der Vorgehensweise des Partito Comunista Internazionalista PCInt in den Jahren 1943-45 – der Organisation, auf die die IKT ihre Wurzeln zurückführt. Wie wir in einer Reihe von Artikeln gezeigt haben, war der PCInt von Anfang an opportunistisch in seiner Intervention gegenüber den Partisanengruppen in Italien und gegenüber einer Reihe von Elementen, die er in die Partei aufnahm, ohne Rechenschaft über ihre früheren Abweichungen und sogar ihren Verrat zu verlangen: wie im Fall von Vercesi, einem ehemaligen Kämpfer der Italienischen Fraktion der Kommunistischen Linken, der sich während des Krieges im antifaschistischen Frontismus engagiert hatte, oder den Elementen, die sich von der Fraktion abgespalten hatten, um in den POUM-Milizen in Spanien zu kämpfen.
Dieser Opportunismus ging einher mit einer sektiererischen Haltung gegenüber denjenigen, die den PCInt von links kritisierten, nämlich der Gauche Communiste de France GCF, mit der er jede Diskussion ablehnte. Die gleiche Vorgehensweise haben wir bei der Sabotage der Konferenzen der Kommunistischen Linken Ende der 1970er Jahre durch Battaglia Comunista (die italienische Organisation der IKT) und die CWO gesehen – mit dem traurigen Ergebnis, dass Battaglia Comunista und die CWO, nachdem sie uns effektiv losgeworden waren, eine „neue“ Konferenz zusammen mit einer Gruppe iranischer Stalinisten abhielten[6]. Ein klares Beispiel für Opportunismus gegenüber der Rechten, sogar gegenüber dem linken Flügel der Bourgeoisie, und Sektierertum gegenüber der Linken des proletarischen Lagers, der IKS.
Heute setzt sich diese Politik in der systematischen Verweigerung der gemeinsamen Arbeit zwischen den wichtigsten Gruppen der Kommunistischen Linken fort, zugunsten der Suche nach Bündnissen mit allen möglichen Elementen – von Anarchisten mit zweideutigen Positionen zum Internationalismus bis hin zu – unserer Ansicht nach – vermeintlichen Linkskommunisten, die nur eine destruktive Rolle gegenüber dem authentischen Proletarischen Milieu spielen können. Das offensichtlichste Beispiel für Letzteres ist der Groupe International de la Gauche Communiste GIGC, eine Gruppe, die nicht nur eine politisch parasitäre Formation ist, deren einziger Existenzgrund darin besteht, die IKS zu verleumden, sondern die auch aktiv das interne Leben der IKS ausspioniert hat[7]. Und dennoch ist dies die Gruppe, mit der die IKT ihre Gruppe „Kein Krieg außer dem Klassenkrieg“ (No War But The Class War) in Frankreich gegründet hat. Die Entscheidung der IKT, unsere Vorschläge für einen gemeinsamen Appell der Kommunistischen Linken gegen die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten abzulehnen und stattdessen eine Art „breite Front“ über die Gruppen No War But The Class War zu bilden, ist nur das jüngste Beispiel dieser Methode.[8]
Vor dem Prager Treffen schrieb die CWO an die Organisatoren und schlug vor, dass die acht von den Organisatoren vorgeschlagenen Kriterien für die Teilnahme an der Konferenz und für die gemeinsame internationalistische Arbeit in der Zukunft leicht mit den fünf grundlegenden Punkten, die die No War But The Class War-Komitees[9] definieren, zusammengeführt werden könnten. Es wäre nützlich, wenn die CWO in ihrer Bilanz der Konferenz eine Einschätzung darüber abgeben könnte, was aus diesem Vorschlag geworden ist.
Wir sind der Meinung, dass das, was in Prag geschehen ist, eine praktische Widerlegung der gesamten Methode der NWBCW-Initiative darstellt. Erstens hat es die Organisatoren nicht dazu gebracht, ihre Weigerung aufzugeben, die Kommunistische Linke zur „offiziellen“ Konferenz einzuladen, wie ursprünglich in einem Radiointerview mit dem Organisationskomitee verkündet[10] und in dem von der Gruppe Tridni Valka verfassten Bericht über die Veranstaltung voll bestätigt wurde (die sicherlich einen entscheidenden Einfluss auf das offizielle Organisationskomitee hatte, auch wenn sie behauptet, dass sie selbst nicht Teil davon gewesen sei)[11]. Wie der Artikel von Tridni Valka zeigt, sitzt die Feindseligkeit gegenüber der Kommunistischen Linken in bestimmten Teilen der anarchistischen Bewegung sehr tief. Diese lässt sich nicht überwinden, indem man amorphe Fronten mit gewissen Anarchisten bildet. Im Gegenteil, all das ist ein garantiertes Mittel, um eine wirkliche, gründliche Debatte zu vermeiden, die notwendigerweise die Form eines geduldigen und unnachgiebigen politischen Kampfes annehmen wird, der darauf abzielt, zu den Wurzeln der Divergenz zwischen Marxismus und Anarchismus zu gelangen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich die IKT auf eine solche Konfrontation mit den Gruppen einlässt, mit denen sie sich in den NWBCW-Ausschüssen zusammengetan hat.
Zweitens war die Entwicklung der Ereignisse in Prag ein echter Beweis dafür, dass es nicht die Aufgabe der Kommunistischen Linken sein kann, die zersplitterte, politisch heterogene und oft chaotische anarchistische Bewegung zu „organisieren“. Ja, wir müssen bei ihren Zusammenkünften anwesend sein, um sowohl für politische als auch organisatorische Kohärenz zu kämpfen, aber der Versuch, ein solches Milieu in ständigen Gruppen oder Komitees zu erfassen, kann nur dazu führen, die Arbeit der Kommunistischen Linken zu sabotieren. Zudem bestätigen die bescheidenen Anfänge der gemeinsamen Arbeit zwischen der IKT und der IKS in Prag unsere Sichtweise, dass der beste Ausgangspunkt für die Kommunistische Linke, um Einfluss auf eine breitere, aber immer noch sehr verwirrte Suche nach internationalistischen Positionen zu nehmen, eine gemeinsame Anstrengung ist, die auf sehr klar vereinbarten Prinzipien beruht.
Oktober 2024, Amos
[1] Prager Aktionswoche: Einige Lektionen und Antworten auf einiwge Verleumdungen (IKSonline, September 2024)
[2] Internationalist Initiatives Against War and Capitalism auf der Webseite der IKT. Die CWO ist die Organisation der IKT (Internationalist Communist Tendency ICT) in Großbritannien.
[3] ebenda, Fußnote 2
[4] ebenda, Fußnote 2
[5] Aktivismus ist ein Hindernis für politische Klärung, Weltrevolution Nr. 187 (Sommer 2024)
[6] The International Conferences of the Communist Left (1976-80) in International Review 122
[7] Siehe über die letzten Machenschaften des GIGC: Appeal for revolutionary solidarity and defence of proletarian principles, ICConline August 2024
[8] Die IKT und die Initiative NWBTCW: Ein opportunistischer Bluff der die Kommunistische Linke schwächt, Weltrevolution Nr. 186 (Winter 2023/24)
[9] https://www.leftcom.org/en/articles/2024-05-01/to-the-internationalists-attending-the-prague-week-of-action
[11] https://libcom.org/article/aw2024-report-prague. Darauf haben wir in unserem zweiten Artikel geantwortet.