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Stünden heute statt in zwei Monaten die Neuwahlen an, wäre der deutsche Parlamentarismus um eine Partei reicher: "Die Linkspartei - PDS" schickt sich laut Meinungsumfragen an, zur drittstärksten parlamentarischen Kraft hinter CDU/CSU und SPD in ganz Deutschland und gar zur stärksten Partei in Ostdeutschland aufzusteigen. Die Gründung dieses aus einem Zweckbündnis von PDS und WASG hervorgegangenen Parteiengebildes bereitet einigen Vertretern der etablierten Parteien zugegebenermaßen einiges Kopfzerbrechen. Nicht nur, dass es Rot-Grün um die letzte Hoffnung auf ein neues Wunder wie bei den vergangenen Bundestagswahlen bringen könnte - auch die schwarz-gelbe Regierungskoalition in spe sieht zusehends ihren gegenwärtigen Stimmenvorsprung schrumpfen. Die Linkspartei macht Merkel und Westerwelle einen Strich durch die Rechnung, die Stimmen enttäuschter SPD-Stammwähler an sich zu ziehen, um somit eine komfortable absolute Mehrheit zu erringen.
Das Schreckgespenst des Populismus
Dementsprechend groß ist auch das Gezeter der etablierten Parteien. Der Populismus eines Lafontaine oder Gysi beschwöre Weimarer Verhältnisse herauf, ja gefährde die Demokratie, heißt es. Er behindere die "notwendigen Reformen", sprich: die Angriffe auf die Arbeiterklasse, indem er dem Volk vorgaukle, es gebe eine andere Wahl. Schlimmer noch: der Populismus Lafontaines schrecke nicht einmal vor fremdenfeindlichen Klischees zurück, um im rechten Wählerspektrum zu wildern. Und außerdem zögen es Populisten vom Schlage eines Lafontaine oder Gysi vor, das Weite zu suchen, sobald sie Regierungsverantwortung übernehmen müssten.
Nun, lassen wir bei all der geheuchelten Aufregung der etablierten Parteien die Kirche im Dorf. Die neue Linkspartei - eine Gefahr für die parlamentarische Demokratie? Das Gegenteil ist der Fall! Mit ihrem Erscheinen auf der Bühne des Parlamentarismus macht sie ebendiesen wieder attraktiv für all jene, die sich bereits dem ganzen Wahlzirkus abgewandt haben.
Sie verleiht dem Bundestag neue Legitimation, indem sie mit ihren populistischen Sprüchen mithilft, den Eindruck zu verwischen, dass es keine Wahlalternative zur Phalanx der "Reformer" im Bundestag gebe.
Die neue Linkspartei - eine Bedrohung der Austeritätspolitik der deutschen Bourgeoisie? Mitnichten. Wenn es drauf ankommt, steht die PDS ihren Mann. Sowohl in Mecklenburg/Vorpommern als auch in Berlin, wo sie sich an Regierungskoalitionen mit der SPD beteiligt, trägt sie zuverlässig die Angriffe gegen die Arbeiterklasse mit. Und was Lafontaine anbetrifft, so sei daran erinnert, dass er seinerzeit als Ministerpräsident im Saarland nicht gerade als Vertreter von Arbeiterinteressen bekannt war. Darüber hinaus sorgte er bundesweit für Aufregung, als er bereits in den 80er Jahren die Ausdehnung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich forderte - eine Forderung, die heute für viele Angehörige der Arbeiterklasse mittlerweile zum Alltag geworden ist. Mit der Linkspartei verhält es sich also genauso wie mit allen anderen bürgerlichen Parteien in der Demokratie: Solange sie sich in der Opposition befindet, spuckt sie große Töne; winkt ihr jedoch die Gelegenheit, an die Macht zu kommen, trägt sie - getreu dem Motto: was interessiert mich mein Geschwätz von gestern - bedenkenlos jeden Angriff auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse mit.
Die Linkspartei - fremdenfeindliche "Rattenfänger"? Nicht mehr als der Rest der bürgerlichen Bagage. Es liegt in der Herrschaftslogik aller ausbeuterischen Klassen, und so auch der Bourgeoisie, begründet, die ausgebeuteten und unterdrückten Klassen und Gesellschaftsschichten zu spalten, voneinander zu isolieren und gegeneinander aufzuhetzen, um sie an einem wirksamen und vereinten Widerstand zu hindern. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind neben vielen anderen altbewährte Mittel in dieser Politik, auf die beileibe nicht nur ‚totalitäre' Regierungen zurückgreifen, sondern auch die nicht weniger totalitären "großen Demokratien" dieser Welt, wenn auch auf subtilere Art und Weise.
Pack schlägt sich, Pack verträgt sich
Die Tatsache, dass der Innenminister von Brandenburg, Schönbohm, Lafontaine wegen derlei Umtriebe auf die Liste der vom Verfassungsschutz beobachteten Personen setzen will, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass Letztgenannter eine wichtige Rolle in der politischen Strategie der deutschen Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse spielt.
Es war Lafontaine, der vor nicht einmal sieben Jahren, damals als Parteichef der SPD Schröder ins Kanzleramt verhalf. Nachdem er damals, nur wenige Monate nach Beginn der ersten rot-grünen Legislaturperiode, von Schröder entmachtet worden war und fluchtartig die Regierung verlassen hatte, kehrt Oskar Lafontaine nun, da Schröders Stern am Verglühen ist, zurück auf die politische Bühne, um - welch' Ironie des Schicksals! - mit der von ihm initiierten Gründung der Linkspartei und im Interesse der deutschen Bourgeoisie seinerseits den Sturz Schröders mit herbeizuführen und ein zweites "Wunder von der Elbe" unwahrscheinlich zu machen.
In der Tat erweist sich die Linkspartei schon jetzt als ein wirksames Mittel, um den linken Flügel in der SPD zu stärken. So setzten die Schreiners, Nahles' und der Rest der SPD-Linken bereits die "Reichensteuer" als Bestandteil des sog. Wahlmanifestes durch. Mit dem (wahrscheinlichen) Gang in die Opposition werden auch die letzten Treueschwüre zu Hartz IV und Neoliberalismus verstummen und die "globalisierungskritischen", "antikapitalistischen" Stimmen Auftrieb erhalten.
Machen wir uns nichts vor: Der "Bruderzwist" zwischen linken Sozialdemokraten und Stalinisten, welche vor der Gründung der Linkspartei an die Wand gemalt wurde, trat nicht ein. Denn was beide Traditionen eint, ist ihr Betreiben, im Zeichen einer langsam wieder erwachenden Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse die Abwehrkämpfe gegen die immer schlimmere Ausmaße annehmenden Angriffe zu sabotieren und die Entwicklung des Klassenbewusstseins zu ersticken. Die Koexistenz zwischen SPD und Linkspartei steht somit in der unseligen Tradition jener Arbeiterverräter, die - sei es in Gestalt der nach dem 2. Weltkrieg im Osten zur SED zusammengeschlossenen KPD und Ost-SPD, sei es in Form der Volksfronten in Frankreich und Spanien in den 30er Jahren - stets nach dem Motto verfuhren: Aller unserer Differenzen zum Trotz, gemeinsam gegen die Arbeiterklasse. 20.7. 2005