Diskussionsbeitrag aus Berlin Antifaschisten legitimieren bis heute die Führung imperialistischer Kriege ...

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Gegenwärtig findet im politisierten Milieu eine Debatte über die Haltung zum 2. Weltkrieg statt, so auch in Berlin. Von dort ist uns ein Diskussionsbeitrag zur Verfügung gestellt worden, den wir nachfolgend ungekürzt veröffentlichen. Wir teilen die Hauptaussagen, insbesondere die Verteidigung des proletarischen Internationalismus. Auf Teilaspekte des Textes, wie zum Beispiel die Frage, ob der Antifaschismus als "historische Tragödie" zu bezeichnen wäre, oder wie eine proletarische Selbstverteidigung gegenüber Neonazis aussehen könnte, wollen wir aus Platzgründen erst in der nächsten Ausgabe zurückkommen. Die Zwischentitel wurden von der IKS eingefügt

Ein paar Gedanken zum 8. Mai 2005 im Nachhinein:

"Die Führung von Kriegen wird mit der demokratischen Bewältigung von Auschwitz begründet"

Das Spektakel um das Ende des Weltkrieges Nr. 2, das die Feuilletonspalten in den letzten Wochen geprägt hat, ist vorbei und dennoch nicht umsonst gewesen. Trotz einiger trotziger Opferstilisierungen am Rande wie Jörg Friedrichs "Der Brand" oder Hubertus Knabes gerade erschienenes Buch über die Verbrechen der Roten Armee hat die herrschende Klasse in Deutschland die Annahme der "Verantwortung" gegenüber jedem, der es hören wollte oder auch nicht, beteuert. Stellvertretend für diese hat Bundespräsident Horst Köhler die offizielle Geschichtsdeutung formuliert und dabei von allen staatstragenden Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und sonstigen Verbänden Zustimmung geerntet. Im Zentrum des Gedenkens und Erinnerns steht das Eingeständnis von deutscher Schuld an Krieg und Vernichtung und der daraus abgeleiteten Verantwortung "für Frieden und Demokratie". Dies schließt notwendig die Akzeptanz des Topos der Befreiung Deutschlands und Europas vom Nationalsozialismus für den 8. Mai 1945 mit ein, wie er spätestens seit Richard von Weizsäckers Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes und dem linksliberalen Sieg im Historikerstreit auch in Deutschland kanonische Gültigkeit beansprucht. In Köhlers Worten gilt sein Dank so auch "an erster Stelle den Völkern …, die Deutschland besiegt und vom Nationalsozialismus befreit haben." Vorbei scheinen also die Zeiten, in denen sich in der alten BRD die Eliten um dieses Eingeständnis immer herum mogelten. Den Besatzungsmächten gerecht werden zu müssen, stand die zu deutliche Kontinuität der "Leistungsträger" in Wirtschaft, Politik, Gerichten, Militär und Universitäten entgegen - aber auch die Möglichkeit, durch die Zurückweisung der Schuld Wiedergutmachungen vor allem gegenüber dem Ostblock zu verweigern und die (territoriale) Revision der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz aggressiv zu betreiben. Der Kalte Krieg bot dafür insofern einen günstigen Nährboden, als man im Bündnis mit den jeweiligen Alliierten den Gegner als Wiedergänger des Faschismus (Totalitarismusdoktrin vs. die DDR-Kampagnen gegen die NS-Kontinuität der BRD) denunzieren konnte und so um die Schulddebatte herumkam. Fragt sich nur, woher nach der jahrzehntelangen erfolgreichen Verdrängung nun die neue deutsche Selbstkritikfähigkeit kommt. Idealistisch könnte man dies einseitig auf das Aussterben der Tätergeneration und die zur Macht gelangte Generation von '68 zurückführen. Begreift man diese aber eher als Ausdruck der neuen deutschen Politik denn als ihre Ursache, so deutet sich an, dass jegliche Kontinuität zum deutschen Faschismus völlig konträr zum imperialistischen Anspruch Deutschlands wäre.

Aus dem "Eingeständnis der Schande" (v. Weizsäcker) folgt offenbar nicht notwendig der Vaterlandsverrat, den Alfred Dregger und andere (Alt-)Nazis in CDU/CSU noch vor 10 Jahren befürchteten und ihre Gesinnungsgenossen von der NPD heute wieder aufwärmen. Vielmehr dient sie dem Vorankommen einer Nation, die sich schon immer um den Platz an der Sonne bemühte, den aber stets andere innehatten. Das Jahr 1989 stellt dabei in doppelter Hinsicht eine Zäsur dar: Erstens hat Deutschland mit der Vereinigung seine nationale Souveränität zurück gewonnen, und zum zweiten hat die Beendigung der Blockkonfrontation das Rennen aller gegen alle um Märkte, Rohstoffe und Investitionen neu eröffnet. Was vor diesem Hintergrund Übernahme von Verantwortung heißen soll, hat Joschka Fischer schon vor Jahren vorexerziert, als er die Führung von Kriegen (hier: gegen Serbien) mit der demokratischen Bewältigung von Auschwitz begründete. Und dass deutsche Politiker und Diplomaten für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat derzeit mit dem gleichen Argument von der gefestigten Demokratie und der Friedensliebe Deutschlands auf Agitationstour gehen, deutet an, dass dies kein Zufall war. Und so verweist natürlich auch Köhler auf die demokratische Tradition Deutschlands, die aus der zwölfjährigen Unterbrechung nur noch gestärkt worden sei, weil die Kritik am Nationalsozialismus nun auch "elementarer Teil der nationalen Identität sei".

Entgegen einigen "antideutschen" Kritikern, die der  herrschenden Geschichtspolitik insofern erliegen, als sie Geschichte als ständige Wiederholung begreifen, ist diese "Zivilisierung" Deutschlands keineswegs Tarnung. Der sozialdemokratische Hofhistoriker Heinrich August Winkler feiert den erfolgreichen "langen Weg nach Westen" nicht umsonst. Der deutsche Sonderweg, dessen isolierende Wirkung für das nationale Fortkommen vor allem aufgrund seines katastrophalen Ergebnisses im II. Weltkrieg keineswegs als beispielhaft angenommen wird, war in zwei Weltkriegen unfähig, die Herausforderung des führenden anglo-amerikanischen Blocks zu organisieren. Vor dem Hintergrund einer US-Hegemonie, die ein bisher unerreichtes Maß angenommen hat, wäre ein dritter gleichartiger Versuch von Anfang an absurd. So ist Deutschlands Läuterung auch als Projekt zu begreifen, mit der Tradition zu brechen um die imperiale Zielstellung beizubehalten. Diese wird aber nur im Bündnis mit anderen Konkurrenten der USA erreichbar sein. Die diplomatischen Ränkespiele im letzten Golfkrieg haben dabei Konstellationen angedeutet, die mit denen des II. Weltkrieges nicht konform sind. So fanden sich die ehemaligen Alliierten Frankreich und Russland genauso mit Deutschland in einem Boot, wie die damals überrannten Belgien und Niederlande, während Italien und Japan in der Gefolgschaft der einzigen Weltmacht verblieben. Es soll hier nicht spekuliert werden, inwiefern und wann der deutsch-französisch dominierte europäische Block eine offene Konfrontation mit den USA und ihrem treuesten Verbündeten Großbritannien suchen wird, und welche Sogwirkung Washingtons Macht über Weltmarkt und Bomberflotten noch entfalten wird können. Eines scheint jedoch sicher: Nur als "verlässlicher Bündnispartner" wird Deutschlands Elite den imperialistischen langen Marsch antreten können. Jegliche politische oder ideologische Kontinuität zum deutschen Sonderweg wäre dabei kontraproduktiv.

Der Antifaschismus hat zum Ausbau des "starken Staates" gute Dienste geleistet

Wer also die marschierenden Nazis zum Popanz aufbläht, wie dies große Teile der staatstragenden und -bejahenden linken Oppositionellen von PDS und Wahlalternative bis zu SAV und Linksruck getan haben, spielt das Spiel der Herrschaft nicht nur an "Tagen der Demokratie" mit. Zwar stellen in zumeist ländlichen Gegenden und hauptsächlich im Osten Deutschlands die Kneipen- und Straßenschläger eine immense physische Gefahr für Migranten, Obdachlose, Homosexuelle, Linke und andere nicht ins volksgemeinschaftliche Bild passende dar, der unbedingt mit aller Konsequenz begegnet werden muss, aber im öffentlichen Diskurs sind sie völlig isoliert und weit davon entfernt, wie in den späten 20er und 30er Jahren Unterstützung bei den Eliten zu finden. Dies wurde auch am 8. Mai in Berlin deutlich, als es letztlich die Polizei war, die, durch die Öffnung der Demoroute und ihre Weigerung zu räumen, den Naziaufmarsch verhinderte. Bei aller Freude über die Stehparty sollte hier schon deshalb keine Feierstimmung aufkommen, weil zu deutlich wird, dass die Einschränkungen des Versammlungsrechts, ins Auge gefasste Parteien- bzw. Vereinsverbote und allerlei sonstige Repressionen gegen die braunen Marschierer auch gegen jegliche emanzipatorische Bewegung Anwendung finden könnten. Hier deutet sich an, dass der Antifaschismus gerade in den letzten Jahren zum Ausbau des "starken Staates" gute Dienste geleistet hat und sicherlich in Zukunft weiter leisten wird. Erinnert sei dabei nur an die im Zusammenhang mit der Fußball-EM verhängten Einschränkungen der Reisefreiheit für Hooligans, die dann auch anlässlich der Proteste in Genua Anwendung fanden. Dass zudem, analog zum Konfrontationskurs der Bundesregierung im letzten Golfkrieg, auch innenpolitisch eine Integrationswirkung für die härtesten sozialen Angriffe der Nachkriegszeit durch den offiziellen Antifaschismus erzielt worden ist, macht die Feierlichkeiten nur umso fürchterlicher.

Immerhin verweigerten andere linke und Antifa-Gruppen den formalen Schulterschluss mit der Herrschaft und organisierten die "Spasibo"-Demo. Sowohl im Bündnisaufruf und dem der wichtigsten Trägergruppe, der ALB, als auch in dem Aufruf der den "Deutschland, du Opfer"-Block organisierenden KP wird betont, dass deutsches Verantwortungsgefühl sich vor allem auf das nationale Vorankommen Deutschlands im imperialistischen Wettbewerb bezieht. Dennoch wird mit den ideologischen Grundlagen von Demokratie- und Staatsaffirmation nicht gebrochen. Wenn etwa die ALB schreibt, die "offizielle Geschichtsrhetorik werde "vollkommen widersprüchlich…, wenn man sie mit den realen politischen Verhältnissen abgleicht" (Aus dem Aufruf der ALB "Geschichte wird gemacht") und dafür als Belege neben dem von allen Gruppen völlig überschätzten Opfermythos und einer wild konstruierten "Schlussstrichmentalität", deren Gegenteil ja gerade zu beobachten ist, die Abschiebungspraxis, die Militarisierung der Außenpolitik, den Ausbau von Überwachungs- und Repressionsapparaten und das Erstarken neofaschistischer Parteien aufführt, so ist es schon erstaunlich, wie wenig Linke sich hier an Kritikfähigkeit gegenüber der Demokratie als "der normalen politischen Herrschaftsform des Kapitalismus" (Friedrich Engels) bewahrt haben. Und dass die KP sich ihre nationalistische Fahnenschwenkerei von keinem, auch vom Bündnis nicht, verwehren lassen wollte, zeigt neben allerlei anderen Verwirrungen, dass ihr Hader mit Deutschland nicht etwa revolutionärer Natur ist. Vor allem aber in der "antikapitalistischen" Begründung des Antifaschismus, die in der Umkehrung von Horkheimers bekannten Diktum, den Kapitalismus kritisiert, weil er den Faschismus gebärt, und die mit allerlei metaphysischen Vokabular von Schuld und Trennungsstrichen zwischen Opfern und Tätern hantiert, wird eine antagonistische Position vorgegaukelt, die von einer materialistischen Analyse meilenweit entfernt ist. Schwerer noch wiegt, dass sie die historische Tragödie, die die Ideologie des Antifaschismus der Bewegung der Emanzipation und ihrer Theoriebildung zugefügt hat, heute als Farce reproduziert. Keine historische Analogie wird dementsprechend von Linken und anderen Demokraten so häufig bemüht wie die Geschichte des Nationalsozialismus. Warum der Blick in die Geschichte gerichtet wird, das weiß jeder - auch die ALB: "Sichtbar wird, dass die Deutung dessen, was wir Geschichte nennen, schon immer eng verknüpft war mit politischem Herrschaftsanspruch." Nur: Was Revolutionäre dem immer entgegen gestellt haben, war eine materialistische Analyse, die die Erfahrungen der Kämpfe und die Ursachen ihrer Integration oder Zerschlagung in den Vordergrund gerückt hat. Dabei wäre schon zu fragen, ob die antifaschistische Konterrevolution in Spanien 1936ff., der Burgfrieden in den Ländern der westlichen Alliierten, die Akzeptanz und Verteidigung der stalinistischen GULAGs und schließlich die Integration der letzten Reste einer ehemals revolutionären Arbeiterbewegung in die aufgeteilte Welt nach 1945 nicht dazu hätten führen müssen, jeglichen Bezug auf die antifaschistischen Einheits- und Volksfronten zurückzuweisen. Davon ist aber heute keine Spur. Es bleibt das Bekenntnis aller "Anständigen": Antifaschisten sind wir alle!

Der Antifaschismus hat nur einen Sinn, wenn er die Demokratie zu verteidigen sucht

Gründe genug also um eine prinzipielle Auseinandersetzung um den Antifaschismus im Verhältnis zu emanzipatorischer Kritik und Praxis zu eröffnen. Dabei ist zunächst auf einige begriffliche Ungereimtheiten einzugehen. Es kann nicht darum gehen, Widerstand gegen die faschistischen Schlägerbanden zu denunzieren. Im Gegenteil: Da im Unterschied zu den demokratischen Formierungen die Faschisten gerade ihre außerinstitutionelle Mobilisierung in den Vordergrund stellen, ist es geraten, dort, wo sie reale Macht auf den Straßen entfalten, den Selbstschutz zu organisieren. Und dennoch nehmen wir Antifaschisten beim Wort. Dass sie (zumeist) einerseits mit dem Staatsantifaschismus nichts zu tun haben wollen, und andererseits ihre primäre politische Ausrichtung mit dem Kampf gegen die Nazis begründen, ist ein Widerspruch, der sich letztlich in Mobilisierungen zusammen mit der Herrschaft gegen den braunen Mob ausdrückt, und der nicht zufällig z.B. die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" unbehelligt lässt, wenn an der nächsten Ecke ein blödsinnig dreinblickender junger Mann mit Kurzhaarfrisur steht. Wer sich Antifaschist nennt, hat also nicht nur begrifflich einen Widerspruch zum Antikapitalismus, der nicht extra betonen muss, antisozialdemokratisch, antikonservativ etc. und also auch antifaschistisch sein. Antifaschismus hat nur einen Sinn, wenn die Kritik sich auf die faschistische Gefahr bezieht und sich damit einerseits analytisch auf das Terrain des Politischen reduziert und andererseits die Demokratie zu verteidigen sucht. Die Volks- und Einheitsfronten waren und sind somit vor diesem Hintergrund notwendiges Resultat antifaschistischen Agierens. Und noch eines: Es kann nicht drum gehen, sich an den moralisch aufgeladenen Geschichtsdebatten zu beteiligen, die immer nach der Art verlaufen, was man denn in dieser oder jener Situation getan hätte. Unser Gegenstand kann nur eine Aufarbeitung der historischen Tragödie des Antifaschismus sein, um die derzeitige Farce, die auch in der Versöhnung mit den stalinistischen und nationalistischen Ideologemen, deren Produkt die Antifa-Ideologie selbst war, besteht und die zur Desorientierung der um Emanzipation Kämpfenden beiträgt. Das Anliegen besteht daher nicht darin, ausgerechnet z.B. der KPD ihren Kurs vorzuwerfen, sondern diesen als Ausdruck der längst erfolgten Integration in die imperialistische Außenpolitik der Sowjetunion zu begreifen.

Zunächst wäre in Frage zu stellen, ob denn der Unterschied zwischen faschistischen und demokratischen Regierungsformen, der angesichts des Nationalsozialismus so evident zu sein scheint, so qualitativer Natur ist, wie uns glauben gemacht werden soll. Repressionen aller Art, Einschränkungen der Bürgerrechte, Notstandsüberlegungen und auch die physische Vernichtung Oppositioneller gehört zur Demokratie genauso wie staatlich geförderter Rassismus. Wenn die Arbeiterklasse historisch in die Offensive gegangen ist, war ihr die gesamte Härte der Staatsapparate gewiss. Und auch der Faschismus als Drohpotential und Regierungsform war schließlich immer das Produkt der Demokratie. Nicht nur die Zehntausenden ermordeter Revolutionäre in den demokratischen Industrieländern und die von deren Söldnerarmeen Abgeschlachteten Millionen in aller Welt sind davon beredtes Zeugnis. Die Kolonialprogramme der französischen und englischen Imperialisten stellten in vielem eine Vorwegnahme organisierter kapitalistischer Vernichtungspolitik unter demokratischer Flagge dar. Vor allem aber stellt sich die Frage, wie der bürgerliche Staat einzurichten sei, seinen Gegnern überhaupt nicht. Sind sie stark genug, ihn in Frage zu stellen, werden sie dies (hoffentlich) tun. Wenn nicht, wie im Falle des historischen Faschismus und Nationalsozialismus, ist die Frage längst von anderen entschieden und die Linke höchstens der legitimierende Idiot, wie im Falle des sozialdemokratischen Konzepts den "Demokraten" Hindenburg gegen Hitler zum Reichspräsidenten zu erheben.

"Der Nationalsozialismus war keine präventive Konterrevolution gegen eine zu erwartende soziale Revolution"

Insofern scheitern die Ideen antifaschistischer Fronten schon strategisch. Die Vorgänger der Stoibers, Merkels, Köhlers, Westerwelles und Fischers aus den konservativen, katholischen und liberalen Parteien versagten dem historischen Nationalsozialismus ihre Dienste nicht. Und dass Sozialdemokratie und Gewerkschaften ein wenig Distanz hielten, natürlich nicht ohne dem neuen Regime ihre Dienste anzubieten, hing auch nur damit zusammen, dass der Übergang zur Diktatur sich primär gegen sie und die etwas renitenteren Kommunisten, längst zum außenpolitischen Spielball der Sowjetunion verkommen, richtete. Der Nationalsozialismus war nämlich weder eine der Demokratie entgegengesetzte Herrschaftsform noch etwa logischer Ausdruck einer spezifisch deutschen Ideologie, obwohl sich beides in ihm findet. Vor allem aber war er keine präventive Konterrevolution gegen eine zu erwartende soziale Revolution. Vielmehr war der deutsche Faschismus das Programm, unter dem sich vor dem Hintergrund einer längst geschlagenen revolutionären Arbeiterbewegung der deutsche Imperialismus gegen seine mächtigeren außenpolitischen Feinde formieren konnte. Notwendig dazu war zunächst die Zusammenfassung der Nation zur Kriegsbefähigung ohne Rücksicht auf eine eventuelle reformistische oder liberale Opposition nehmen zu müssen. Dazu gehörten neben der vollständigen Revision des Versailler Vertrages die Schleifung der in der konterrevolutionären Phase durchgesetzten Reformen gegenüber der Arbeiterbewegung und die Umstellung auf eine Kriegswirtschaft. Es war kein Zufall, dass die Faschisierung des gesamten bürgerlichen Lagers sich im Zerbrechen der Großen Koalition des Sozialdemokraten Müller an der Frage der Sozialversicherung und am Rande der Diskussionen um den Reichsarbeitsdienst manifestierte. Im Gegensatz zum ersten Versuch der Etablierung eines autoritären Regimes, im sog. Kapp-Putsch 1920, traf dies eine weitgehend wehrlose Arbeiterklasse. Thesen, die von einer Verhinderung einer Machtübertragung an die Nationalsozialisten durch die Einheit aller Demokraten oder die der Arbeiterbewegung, ausgehen, verlieren angesichts des politischen Willens und der Kräfteverhältnisse im damaligen Deutschland jegliche Realitätsnähe. Schlimmer noch: 1920 hatte sich gezeigt, dass die Verhinderung des Faschismus nur auf dem Terrain des Klassenkampfes, und damit in der Dynamik vom Angriff auf das Regime hin zum Angriff auf den Staat, und eben nicht auf der Basis bürgerlicher Realpolitik erreicht werden konnte. Nur auf den Straßen und in den Betrieben konnten sich Machtbastionen bilden, die den Putschisten trotzen und anschließend erst von der Einheitsfront aus Sozialdemokraten und reaktionärer Reichswehr niedergemetzelt werden konnten. Die Propagandisten der Volks- und Einheitsfronten haben nicht nur vergessen (oder bewusst verschwiegen), dass diese Fronten immer nur gegen die Emanzipationsbestrebungen der arbeitenden Klasse zustande kommen, sie haben vor allem dazu beigetragen, die Objektrolle der Masse der Menschen zu verabsolutieren.
Aber damit noch nicht genug: Der Antifaschismus hat den Nationalismus weiter befördert und die Vereinigung der Proletarier aller Länder mit verhindert. Als im I. Weltkrieg die II. Internationale in ihre nationalistischen Bestandteile aufgelöst wurde, einigten sich die wenigen verbliebenen Revolutionäre in der Zimmerwalder Bewegung auf programmatische Eckpunkte, die eine Interventionsfähigkeit in den Schlächtereien des Krieges überhaupt erst wieder ermöglichten. Im Zentrum stand der revolutionäre Defätismus: Im Kriegsfalle sollte keinerlei Partei für eine der kriegführenden Mächte ergriffen werden, sondern die internationale Einheit des Proletariats gegen alle Kriegsparteien verteidigt und, wenn möglich, der Krieg in Bürgerkrieg verwandelt werden. Damit wurde sowohl der Pazifismus, der die Schuld ins Zentrum seiner Parteilichkeit rückte, als auch die Position der deutschen Sozialdemokratie, die ihre Vaterlandsverteidigung mit dem roll-back gegen den Zarismus als autokratischstem Regime Europas begründete, zurückgewiesen. Dies war und ist nicht nur politisch-strategisch bedeutsam. Imperialistische Kriege sind nicht Produkte machtgeiler Herrscher oder einzelner Verrückter. Sie sind Produkte der entfesselten Konkurrenz um Rohstoffe, Märkte, Kapitalströme und Besetzung geostrategisch wichtiger Räume vor dem Hintergrund unterschiedlicher Voraussetzungen, die jeweiligen Interessen durchsetzen zu können. Hinter dem revolutionären Defätismus steckte aber auch methodisch jegliche Zurückweisung idealistischer Auffassungen, die die konkrete Ausgestaltung und Politik von Nationalstaaten unabhängig von der jeweiligen Position in der Totalität der kapitalistischen weltweiten Vergesellschaftung zu analysieren trachteten. Demgegenüber haben Marxisten Traditionen, spezifische Herrschaftsideologien und natürlich auch konkrete Organisationsformen bürgerlicher Herrschaft vor allem in Abhängigkeit von ökonomischen Potentialen und der Stellung auf Weltmarkt und militärischem Gebiet analysiert. Die Barbarei des deutschen Faschismus war dabei ebenso Teil der kapitalistischen Totalität und ihr Produkt wie die alten Demokratien und der russische Staatskapitalismus. Eine Sichtweise, die sich auf die Seiten kriegführender Mächte wegen ihrer vermeintlich höheren Zivilisationspotentiale schlägt, berücksichtigt nicht, dass dies wiederum selbst Ursache entstehender Kriege ist: Wer sich im Frieden durchsetzen kann, benötigt den Krieg nicht, legt ihn aber für andere nah. Antifaschisten legitimieren bis heute die Führung imperialistischer Kriege, und dies nicht nur in der besonders widerlichen Form der "antideutschen" Fahnenschwenkerei, und leisten so ihren Beitrag zu Nationalismus und Massenmord. Kommunisten hätten dagegen auch in Zeiten eines bestialischen Nationalismus internationalistische Positionen aufrecht zu halten und Vereinigung der sich gerade abschlachtenden Proletarier gegen alle Bourgeoisien und ihre jeweiligen Staaten zu symbolisieren. Außer von wenigen Revolutionären, häufig genug für ihre Prinzipientreue massakriert, ist die internationalistische Position im II. Weltkrieg zertrampelt worden. Die stalinisierte kommunistische Bewegung hat als 5. Kolonne Moskaus dem russischen Imperialismus die verbliebenen Bestände zugetrieben und nebenbei die spanische Revolution hinter der Front niederkartätscht. In den angelsächsischen Ländern hat der Burgfrieden zum Abbruch jeglicher emanzipatorischer Bewegung, häufig genug durch blutige Repression, geführt und in Frankreich hat die antifaschistische Linke das Bündnis mit der Bourgeoisie gesucht, die sich dann doch für die Deutschen entschieden hat.

"Der akut wahrnehmbare Zynismus vieler Antifaschisten gegenüber allen möglichen Greueln ist immer durch Auschwitz gedeckt"

Was für die Verteidigung der Demokratie innenpolitisch gilt, kann auch außenpolitisch Gültigkeit beanspruchen: Aus der Position der Schwäche heraus, bestimmte imperialistische Staaten zu legitimieren, macht deren militärische Position nicht stärker. Die Alliierten haben den Krieg weder begonnen noch gewonnen wegen der Solidarität einiger Linker. Aber die Nichtwahrnehmbarkeit internationalistischer Positionen hat eine Beendigung des Krieges oder soziale Revolutionen durch ein revolutionäres Proletariat, wie es sie nach dem I. Weltkrieg gab, verunmöglicht. Im Gegenteil: In Griechenland haben die Briten mit sowjetischem Segen und ohne nennenswerte Proteste aller Antifaschisten die Aufstände niedergeschlagen und in Spanien die Führungen von Sozialisten, KP und teilweise auch der Anarchisten mit Deckung aller Alliierten die Front von hinten erdolcht.
Bleibt das letzte und auch modernste Argument: Die geforderte Anerkennung der Singularität der in Auschwitz symbolisierten industriellen Vernichtung der europäischen Juden bzw. Sinti und Roma. Wer die Anerkennung von Singularität einfordert, meint damit nicht nur, dass etwas als einzigartig Anerkennung finden soll. Das wäre banal. Es geht um die von allem anderen Grauen zu unterscheidende Qualität des Ausmaßes vor allem aber der nicht einmal mehr auffindbaren instrumentellen Vernunft. Auch angesichts der Genozide an den Armeniern und in Ruanda, der Vertreibung und Ermordung eines Großteils der amerikanischen Ureinwohner, der Kolonialpraxis und vieler anderer "Verbrechen gegen die Menschheit" besitzt die Vernichtung in Nazi-Deutschland auch heute noch eine einmalige Dimension, genauso wie die (Vernichtungs-) Kriegsführung. Was aber für die quantitative Seite konstatiert werden kann, ist für die qualitative Seite nicht möglich. Die Vernichtungspraxis entsprach der inneren Formierung im Krieg und wurde gleichzeitig auch nur durch ihn möglich. Ob der eine oder andere kühl kalkulierende Nachwuchspolitiker das nicht noch einmal so machen würde, sagt über die innere Logik der Vernichtung nichts aus. Das schlimmste: Das Geschwätz von der Singularität dient seit 1945 immer als Alibi für jede Barbarei und als Legitimation der menschenfreundlichen Verfasstheit der verschiedenen Staaten. Auch der akut wahrnehmbare Zynismus vieler Antifaschisten gegenüber allen möglichen Greueln ist immer durch Auschwitz gedeckt. Unnötig zu sagen, dass auch historisch die so hoch gelobten Alliierten die Rettung der europäischen Juden nicht nur nicht durchführten, sondern wie im Falle der Abschlagung des Angebots der Auslieferung der ungarischen Juden an die Briten boykottierten. Und auch der in vielen antifaschistischen Kreisen zu späten Ehren gekommene Benes vertrieb zunächst die deutschen Juden mit den Deutschen zusammen, um später gegen die wenigen verbliebenen osteuropäischen Juden seinen ethnisch homogenisierten Staat aus Tschechen und Slowaken zu begründen. Auch die antisemitischen Kampagnen des Stalinismus lassen hier vom Mythos nichts übrig.
Für die Menschen in den Konzentrationslagern, Gefängnissen, für die illegal Lebenden und Zwangsarbeiter und angesichts des Vernichtungskrieges der Wehrmacht stellte die Zurückdrängung der deutschen Armee und das Ende des Krieges überhaupt erst die Möglichkeit eines Überlebens dar. Und dennoch: Im Gegensatz zu dem Krieg, der nur drei Jahrzehnte zuvor Europa in Schutt und Asche gelegt hatte, brachte dieser Krieg nicht einmal ein Potential der Befreiung zum Vorschein. Die Niederlage Deutschlands im imperialistischen Krieg zementierte die internationale Barbarei des Kapitalismus - mit antifaschistischen Weihen. Nicht nur dass bis heute das millionenfache Leid der v.a. vom russischen, tschechoslowakischen und polnischen Nationalismus Vertriebenen, der Hunderttausenden Ausgebombten, der in den Kolonien gefesselten Massen, der Millionen Opfer der pax americana und der vom Stalinismus geknechteten Proletarier Russlands und Osteuropas durch die weitgehend widerstandslos hingenommene Reorganisation des Kapitalismus in Ost und West zynisch weggewischt wird. Der antifaschistische Nebel umhüllt weiterhin als Ideologie sowohl die analytische Klarheit als auch die Perspektive der Emanzipation und dient ganz nebenbei den Herrschenden schon zur nächsten Kriegsvorbereitung.
Gegen Faschismus und Demokratie! Für den Kommunismus!
Mai, 2005.  G.

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