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Die Verwerfung der Auffassung der Dekadenz führt zur Schwächung der Arbeiterklasse gegenüber dem Krieg
In den Nummern 90, 91 und 92 der Zeitschrift 'Programme Communiste', die von der 'Internationalen Kommunistischen Partei' (IKP) veröffentlicht wird, welche auch die Zeitungen 'Il Comunista' auf italienisch und 'Le Prolétaire' auf französisch herausgibt (1), gibt es eine lange Untersuchung über 'der imperialistische Krieg im bürgerlichen Zyklus in der marxistischen Analyse'. In dieser Untersuchung werden die Auffassungen der IKP über diese für die Arbeiterbewegung so wichtige Frage entfaltet. Die grundlegenden politischen Positionen der IKP zu dieser Frage sind eine klare Verteidigung der proletarischen Prinzipien gegenüber all den Lügen, die von den verschiedenen Vertretern der herrschenden Klasse verbreitet werden. Jedoch bleiben bestimmte theoretische Entwicklungen, auf die sich diese Prinzipien stützen und die Voraussagen, die aus ihnen abgeleitet sind, hinter den Erfordernissen der Grundsatzpositionen zurück, womit sie diese eher schwächen als stärken. In diesem Artikel wollen wir die fehlerhaften theoretischen Auffassungen kritisieren, damit die klarsten und fundiertesten Grundlagen für die Verteidigung des proletarischen Internationalismus geschaffen werden.
Im Gegensatz zu anderen Organisationen, die sich auch auf die kommunistische Linke berufen (insbesondere die verschiedenen IKP's, die zur bordigistischen Strömung gehören) hat die IKS immer eine klare Unterscheidung zwischen den Gruppierungen gemacht, die sich innerhalb des proletarischen Lagers befinden und denjenigen, die dem bürgerlichen Lager angehören, wie z.B. die verschiedenen trotzkistischen Organisationen. Es ist nicht möglich irgendeine politische Debatte mit den Trotzkisten zu führen. Die Verantwortung der Revolutionäre besteht darin, diese Strömungen als ein Instrument der herrschenden Klasse zu entblößen, welches dazu dient, mittels 'radikaler' Worte das Proletariat von seinem Klassenterrain abzubringen, um es an die Interessen des Kapitals zu binden. Dagegen ist die politische Debatte zwischen den Organisationen des proletarischen Lagers nicht nur eine Möglichkeit, sondern auch eine Verpflichtung. Dabei geht es nicht um einen einfachen Ideenaustausch, wie er in Universitätsseminaren stattfindet, sondern um die Verteidigung klarer politischer Positionen. In dieser Hinsicht kann er auch die Gestalt einer lebhaften Polemik annehmen, weil die Fragen von herausragender Bedeutung für die Bewegung der Klasse sind, weil jeder Kommunist weiß, daß ein kleiner theoretischer Fehler dramatische Konsequenzen für das Proletariat haben kann. Aber selbst in den Polemiken ist notwendig, das Richtige an den Positionen einer Organisation anzuerkennen.
EINE FESTE VERTEIDIGUNG DER KLASSENPOSITIONEN?
Die IKP beruft sich auf die Tradition der italienischen kommunistischen Linken, d.h. eine der internationalen Strömungen, die während der Entartung der 3.Internationale in den 20er Jahren Klassenpositionen weiter aufrechterhalten haben. In dem Artikel von 'Programme Communiste' kann man feststellen, daß bei einer ganzen Reihe von wesentlichen Fragen diese Organisation die Positionen der italienischen Linken nicht aus den Augen verloren hat. Insbesondere gibt es in dem Artikel klare Darstellungen der Kommunisten gegenüber dem imperialistischen Krieg. Die Haltung der IKP kann nicht verglichen werden mit der Haltung der Pazifisten oder Anarchisten gegenüber dem Krieg: "Der Marxismus verwirft die Lehren und abstrakten Aussagen, die die ablehnende Haltung gegenüber dem Krieg zu einem geschichtslosen Prinzip machen, und die die Kriege auf metaphysische Weise als das Absolut-Böse darstellen. Unsere Einstellung stützt sich auf eine historische und dialektische Analyse der kriegerischen Krisen in Verbindung mit der Entwicklung und dem Absterben von Gesellschaftsformen. Wir unterscheiden somit
a) die Kriege des bürgerlichen Fortschritts oder der Entwicklung in der Zeit von 1792-1871,
b) imperialistische Kriege, die durch das gegenseitige Zusammenprallen der Nationen im hochentwickelten Kapitalismus entstanden sind,
c) revolutionäre proletarische Kriege "Die allgemeine Orientierung besteht darin, die Kriege zu unterstützen, welche die allgemeine Entwicklung voranbringen und die Kriege abzulehnen, die die allgemeine Entwicklung verzögern. Deshalb sind wir für die Sabotage der imperialistischen Kriege, nicht weil sie schrecklicher oder abscheulicher wären als die vorhergehenden Kriege, sondern weil sie ein Hindernis für die Zukunft der Menschheit darstellen, weil die imperialistische Bourgeoisie und der Weltkapitalismus keine fortschrittliche Rolle mehr spielen, sondern im Gegenteil zu einem Hindernis für die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung geworden sind. (PC Nr.90 S.22)" Die IKS stimmt mit diesen Aussagen überein, das deckt sich mit dem, was wir in unseren Publikationen dazu gesagt haben.
Auch ist die Entblößung des Pazifismus durch die IKP besonders klar und zutreffend. "Der Kapitalismus ist kein Opfer des Krieges, der von diesem oder jenem Teufel hervorgerufen wird, die Kriege sind keine Überreste von barbarischen Zeiten, die noch nicht ganz ausgemerzt sind...Der bürgerliche Pazifismus muß notwendigerweise in die Kriegstreiberei münden. Der idyllische Traum eines friedlichen Kapitalismus ist keineswegs unschuldig. Es handelt sich um einen blutbefleckten Traum. Wenn man zugibt, daß Kapitalismus und Krieg ständig zusammengehören, muß man, wenn das Kriegsgeschrei ertönt, eingestehen, daß etwas der Zivilisation gegenüber Fremdes die friedliche humanitäre Entwicklung des Kapitalismus bedroht, daß der Kapitalismus sich also verteidigen müßte, d.h. auch mit Waffen, falls andre Mittel nicht ausreichen, indem er die Menschen, die guten Willens sind, und die Friedliebenden zusammenbringt. Der Pazifismus vollzieht seine letzte Wendung und wird zum Kriegstreiber, zu einem aktiven Faktor und zu einem Hauptelement bei der direkten Mobilisierung für den Krieg. Hier handelt es sich um einen Zwangsprozeß, der aus der internen Dynamik des Pazifismus selbst hervorgeht. Dieser neigt nämlich seinem Wesen gemäß dazu, Kriegstreiber zu werden" (PC Nr.90 S.22). Aus dieser Analyse leitet die IKP eine richtige Orientierung gegenüber den angeblichen Antikriegsbewegungen ab, die gegenwärtig immer wieder aufblühen. Wir sind natürlich mit der IKP einverstanden, was den Antimilitarismus der Arbeiterklasse betrifft (wie z.B. der während des 1.Weltkrieges, der ja zur Revolution in Rußland und Deutschland geführt hat). Aber dieser Antimilitarismus der Arbeiterklasse kann sich nicht entfalten, wenn er von den Mobilisierungen ausgeht, die von den bürgerlichen Kräften organisiert werden: "Gegenüber den gegenwärtigen Friedensbewegungen besteht unser positiver Vorschlag nicht in einer Intervention in Form von Propaganda oder einem Bekehrungseifer gegenüber den Mitgliedern der Arbeiterklasse, die vom Pazifismus gefangen genommen, von kleinbürgerlichen Mobilisierungen vereinnahmt wurden, um sie aus dessen Klauen herauszureißen. Wir sagen insbesondere gegenüber diesen vereinnahmten Leuten, daß der Antimilitarismus sich nicht mittels der heutigen Friedensmärsche verbreitet, sondern nur durch den unnachgiebigen Kampf zur Verteidigung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Proletarier mittels eines Bruches mit den Interessen des Unternehmens und der Volkswirtschaft. Da die Verteidigung der Arbeitsdisziplin und der Volkswirtschaft die Disziplin in den Schützengräben und die Verteidigung des Vaterlandes vorbereiten, bedeutet das, daß die Verwerfung der Interessen der Unternehmen und der Volkswirtschaft heute eine Grundlage für die Vorbereitung des Antimilitarismus und des Defätismus darstellen." (PC Nr.92 S. 61) Wie wir später aufzeigen werden, ist der Defätismus heute kein Slogan mehr, der in der gegenwärtigen Situation oder der Zukunft angebracht wäre. Jedoch unterstreichen wir die Richtigkeit der Herangehensweise der IKP.
Schließlich ist der Artikel von PC auch sehr klar bezüglich der Rolle der bürgerlichen Demokratie bei der Vorbereitung und Durchführung des imperialistischen Krieges: "In unseren zivilisierten Staaten herrscht der Kapitalismus dank der Demokratie. Wenn der Kapitalismus Kanonen und seine Generäle einsetzt, dann indem er sich auf die Mechanismen der Demokratie, auf deren hypnotische Riten stützt." (PC Nr.91 S.38) "Die Existenz eines demokratischen Regimes ermöglicht es dem Staat eine größere militärische Effizienz zu erreichen, da dadurch sowohl die Vorbereitung des Krieges gefördert als auch die Widerstandskraft während des Krieges maximal ausgenutzt wird. Der Faschismus kann nur an das Nationalgefühl appellieren, das bis zu einer rassistischen Hysterie getrieben wird, um die nationale Einheit zu befestigen. Die Demokratie dagegen kann sich auf eine Kraft stützen, die noch stärker ist, um die gesamte Gesellschaft für den imperialistischen Krieg zusammenzuschweißen. Die Tatsache, daß der Krieg direkt aus dem Willen des Volkes hervorgeht, welcher durch die Wahlen zum Ausdruck kommt und auf diese Weise dank der Mystifikation der Wahlbefragungen der Krieg als Verteidigung der Interessen der Volksmassen, der arbeitenden Klassen insbesondere, erscheint." (PC Nr.91 S.419) Wir haben diese langen Zitate aus Programme Communiste (wir hätten übrigens auch andere bringen können, insbesondere zur historischen Verdeutlichung der vorgetragenen Thesen) gebracht, weil sie genau unsere Positionen zu diesen Fragen widerspiegeln. Anstatt also mit unseren eigenen Worten unsere Prinzipien zum imperialistischen Krieg zu wiederholen, ist es nützlich die tiefgreifende Einheit und die gemeinsame Auffassung in dieser Frage innerhalb der kommunistischen Linken zu verdeutlichen. Es handelt sich um unsere gemeinsamen Auffassungen.
Aber genauso wie wir die Prinzipieneinheit unterstreichen müssen, ist es auch die Aufgabe der Revolutionäre, die Inkonsequenzen und die theoretischen Inkohärenzen der bordigistischen Strömung aufzuzeigen, die die Fähigkeit, als wirksamer Kompaß gegenüber der Arbeiterklasse aufzutreten, stark untergraben. Und die erste dieser Inkonsequenzen besteht in der Weigerung, die Dekadenz, den Niedergang der kapitalistischen Produktionsweise zur Kenntnis zu nehmen und anzuerkennen.
DIE NICHT-VORHANDENE DEKADENZ AUS BORDIGISTISCHER SICHT
Die Anerkennung, daß seit diesem Jahrhundert und insbesondere seit dem 1.Weltkrieg die kapitalistische Gesellschaft in ihre Niedergangsphase eingetreten ist, ist ein Eckpfeiler der Perspektive der kommunistischen Bewegung. Im 1. imperialistischen Weltkrieg stützten sich Revolutionäre wie Lenin bei der Verteidigung der Notwendigkeit, daß die Arbeiterklasse diesen Krieg verwerfen mußte, den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg umwandeln sollte, auf die Analyse der Dekadenz. (Siehe insbesondere "Der Imperialismus, das höchste Stadium des Kapitalismus") Auch stand der Eintritt des Kapitalismus in seine Niedergangsphase im Mittelpunkt der politischen Positionen der Komintern bei ihrer Gründung im März 1919. Gerade weil der Kapitalismus zu einem dekadenten System geworden war, war es nicht mehr möglich innerhalb des Systems zu kämpfen, um Reformen zu erreichen, wie es die Parteien der 2.Internationale befürworteten, sondern die einzige historische Aufgabe der Arbeiterklasse bestand darin, für die Weltrevolution zu kämpfen. Besonders auf diesem theoretischen Fundament hat schließlich die internationale kommunistische Linke und insbesondere die Italienische Linke ihre politischen Positionen erarbeiten können. Jedoch war es die Originalität Bordigas und der Strömung, die er ins Leben gerufen hat, die Tatsache zu leugnen, daß der Kapitalismus in seine Niedergangsstufe eingetreten war. Und dennoch ist die bordigistische Strömung und insbesondere die PCI dazu gezwungen, anzuerkennen, daß sich etwas am Anfang dieses Jahrhunderts geändert hatte hinsichtlich des Wesens der Wirtschaftskrisen als auch hinsichtlich des Wesens des Krieges.
Hinsichtlich des Wesens des Krieges sprechen die Zitate, die wir oben gebracht haben, für sich selber. Es gibt in der Tat einen grundlegenden Unterschied zwischen den Kriegen der kapitalistischen Staaten im letzten Jahrhundert und den Kriegen in diesem Jahrhundert. Z.B. trennten 6 Jahrzehnte die Napoleonischen Kriege gegen Preußen vom Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, während nur 4 Jahrzehnte zwischen 1870 und dem 1.Weltkrieg mit seinem Beginn 1914 lagen. Jedoch unterscheidet sich der 1.Weltkrieg, der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland sehr von all den Kriegen vorher. So konnte Marx die deutschen Arbeiter dazu aufrufen, sich am Krieg von 1870 zu beteiligen (siehe das 1.Manifest des Generalrates der AIT), wobei er sich gleichzeitig auf dem Klassenboden der Arbeiterklasse befand, während die deutschen Sozialdemokraten, die die deutschen Arbeiter 1914 zur nationalen Verteidigung aufriefen, sich voll auf dem Boden der Bürgerlichen befanden. Genau das haben die Revolutionäre wie Lenin oder Luxemburg fest in der Zeit gegen die Nationalchauvinisten verteidigt, die vorgaben, sich auf die Positionen von Marx im Jahre 1870 zu stützen. Die Position Marxens von 1870 war 1913 nicht mehr gültig, denn der Krieg hatte sein Wesen geändert und diese Änderung selbst leitete sich aus einer grundlegenden Änderung des Lebens der gesamten kapitalistischen Produktionsweise ab.
Programme Communiste sagt übrigens nichts anderes als das, wenn es behauptet, daß die imperialistischen Kriege "als Hürde für die historische Zukunft der Menschheit wirken, weil die imperialistische Bourgeoisie und der Weltkapitalismus keine fortschrittliche Rolle mehr spielen, sondern im Gegenteil zu einem Hindernis für die allgemeine Entwicklung der Gesellschaft geworden sind". Ein Zitat von Bordiga aufgreifend meint die IKP: "Die imperialistischen Weltkriege beweisen, daß die Zerfallskrise des Kapitalismus auf Grund der Öffnung der Periode unvermeidbar ist, wo seine Ausdehnung nicht zu einer Erhöhung, zu einer Stärkung der Produktivkräfte führt, sondern die Akkumulation von einer noch größeren Zerstörung abhängig macht. (PC Nr.90 S.25) Aber weil die IKP in den alten bordigistischen Dogmen verfangen ist, ist sie unfähig, die logische Konsequenz vom Standpunkt des historischen Materialismus aus zu ziehen. Die Tatsache, daß der Weltkapitalismus zu einem Hindernis für die allgemeine Entwicklung der Gesellschaft geworden ist, bedeutet ganz einfach, daß diese Produktionsform in ihre Niedergangsphase eingetreten ist. Als Lenin oder Luxemburg 1914 diese Feststellung trafen, hatten sie diese Idee nicht einfach erfunden, sondern sie wandten nur gewissenhaft die marxistische Theorie auf das Verständnis der historischen Tatsachen der damaligen Epoche an. Die IKP, wie alle anderen IKP's, welche der bordigistischen Strömung angehören, beruft sich auf den Marxismus. Das ist eine gute Sache. Heute können nur die Organisationen, die ihre programmatischen Positionen auf die Lehre des Marxismus stützen, behaupten, die revolutionäre Perspektive des Proletariats zu vertreten. Aber leider beweist die IKP, daß sie diese Methode falsch verstanden hat. Insbesondere verwendet die IKP gerne den Begriff dialektisch, aber sie zeigt uns genau wie der Unwissende, der durch die Verwendung von vielen gebildeten Worten Eindruck schinden will, in Wirklichkeit nur, daß er nicht weiß, wovon er spricht.
Z.B. kann man von der IKP hinsichtlich des Wesens der Krisen folgendes lesen: "Die Zehnjahreskrisen des jungen Kapitalismus hatten nur geringe Auswirkungen. Sie waren mehr geprägt durch die Krisen des internationalen Handels als durch die Krisen im Industriebereich. Sie erfaßten nicht die industriellen Produktionsstrukturen. Es handelte sich um die Krisen der Arbeitslosigkeit, d.h. Firmenschließungen, Zusammenbruch von Industrien. Die modernen Krisen dagegen sind Krisen, in denen das ganze System auseinanderbricht, und wo später das System nachher unter großen Schwierigkeiten seine unterschiedlichen Strukturen wieder aufbauen muß" (PC Nr.90 S.28). Dann folgt eine Reihe von Statistiken, die das große Ausmaß der Krisen im 20.Jahrhundert. belegen, und deren Ausmaß weit über das der Krisen im letzten Jahrhundert hinausreicht. Weil die IKP nicht sieht, daß der Unterschied des Ausmaßes zwischen diesen beiden Arten von Krisen nicht nur einen grundlegenden Unterschied zwischen den Krisen selbst ans Tageslicht bringt, sondern die unterschiedliche Lebensform des Systems selbst widerspiegelt, verwirft die IKP ein Grundlagenelement des dialektischen Marxismus. Die Umwandlung der Quantität in Qualität. Für die IKP ist der Unterschied zwischen den beiden Krisenformen ausschließlich ein quantitativer, und er betrifft nicht die grundlegenden Mechanismen der Krisen selber. Dies zeigt die IKP, wenn sie schreibt: "Im letzten Jahrhundert gab es sechs Weltwirtschaftskrisen 1836, 1848, 1856, 1883, 1886 und 1894. Die Zyklusdauer dieser Krisen betrug Marx zufolge zehn Jahre. Diesem jugendlichen Rhythmus folgte in der Zeit von Anfang dieses Jahrhunderts bis zum Ausbruch des 2.Weltkriegs eine schnellere Reihenfolge von Krisen. 1901, 1908, 1914, 1920, 1929. Dem stark gewachsenen Kapitalismus ging eine Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals einher...,was zu einer wachsenden Akkumulationsrate führte. Aus dem Grunde fiel die Durchschnittsdauer dieses Zyklus auf sieben Jahre" (PC Nr.90 S.27). Dieses Rechenbeispiel der Dauer des Zyklus beweist, daß die IKP die wirtschaftlichen Erschütterungen des letzten Jahrhunderts auf die gleiche Ebene stellt wie die dieses Jahrhunderts, ohne jedoch zu begreifen, daß das Wesen der Zyklen selbst sich grundlegend geändert hat. Blind geworden durch die Gefolgschaft gegenüber den heiligen Worten Bordigas, sieht die IKP nicht den Aussagen Trotzkis zufolge, daß die Krisen des vorigen Jahrhunderts ein normales Herzschlagen des Kapitalismus waren, während die Krisen des 20.Jahrhundert. das Röcheln des mit dem Tode ringenden Kapitalismus sind.
Die gleiche Blindheit legt die IKP an den Tag, wenn sie die Verbindung zwischen Krise und Krieg aufzuzeigen versucht. Sehr systematisch und sehr breit ausschweifend, weil in Ermangelung einer wirklichen theoretischen Strenge (wir kommen später darauf zurück), versucht die IKP aufzuzeigen, daß in der gegenwärtigen Phase die kapitalistische Krise notwendigerweise zum Weltkrieg führt. Dies ist eine sehr lobenswerte Sorge, denn damit bemüht sich die IKP all die illusorischen Reden der Pazifisten zu entblößen. Der IKP kommt es jedoch nicht in den Sinn zu fragen, ob die Tatsache, daß die Krisen des 19.Jahrhundertrh. nicht zu einem Weltkrieg führten und auch nicht zu jeweils lokalen Kriegen, nicht auf einen grundlegenden Unterschied gegenüber den Krisen im 20.Jahrhundert. zurückzuführen sind. Hier liefert uns die IKP einen sehr armseligen Marxismus. Hier geht es nicht nur um ein mangelndes Verständnis des Begriffes Dialektik, sondern es handelt sich um eine Weigerung oder zumindest um eine Unfähigkeit tief zu untersuchen und über eine Fixierung über eine offensichtliche Ähnlichkeit hinauszugehen, die zwischen den Wirtschaftszyklen früher und heute besteht, um die bestimmenden Hauptphänomene der kapitalistischen Produktionsweise zu bestimmen.
So erweist sich die IKP als unfähig, bei einer so wesentlichen Frage wie dem imperialistischen Krieg zufriedenstellend die marxistische Theorie anzuwenden, um den grundlegenden Unterschied zwischen der aufsteigenden und der niedergehenden Phase des Kapitalismus aufzuzeigen. Und die traurige Verdeutlichung dieser Unfähigkeit zeigt sich dadurch, daß die IKP den Kriegen der jetzigen Periode eine ähnliche wirtschaftliche Rationalität zuzuordnen versucht, wie sie die Kriege im letzten Jahrhundert haben konnten.
RATIONALITÄT UND IRRATIONALITÄT DES KRIEGES
In unserer Internationalen Revue haben wir zahlreiche Artikel zur Irrationalität des Kriegs in der Niedergangsphase des Kapitalismus veröffentlicht.(5) Unsere Position ist keinesfalls eine Entdeckung unserer Organisation. Sie stützt sich auf die grundlegenden Errungenschaften des Marxismus seit Anfang dieses Jahrhunderts, besonders auf die Errungenschaften, die Lenin und Rosa Luxemburg entwickelt haben. Diese Errungenschaften wurden sehr klar 1945 von der Gauche Communiste de France in Auseinandersetzung mit der revisionistischen Theorie entfaltet, welche Vercesi am Vorabend des 2.Weltkriegs entwickelt hatte, und die seine Organisation, die Italienische Fraktion der kommunistischen Linken, zu einer vollständigen Lähmung zum Zeitpunkt des Ausbruchs des imperialistischen Konfliktes geführt hatte.
"Zur Zeit des aufsteigenden Kapitalismus drückten ... die Kriege den aufsteigenden Weg der Gärung, Erweiterung und Ausdehnung des kapitalistischen Wirtschaftssystems aus... Die Aufwendungen für jeden Krieg wurden durch die Eröffnung neuer Ausdehnungsfelder gerechtfertigt, womit eine größere kapitalistische Produktion gewährleistet war. .. Der Krieg war unerläßlich für den Kapitalismus, um seine weitere Entwicklung zu einem Zeitpunkt zu gestatten, wo dies nur durch Gewalt möglich war. Ebenso führt der Zusammenbruch der kapitalistischen Welt, der die Unmöglichkeit weiterer Entwicklung verdeutlicht, zum imperialistischen Krieg. Dieser wird dann der Ausdruck dieses Zusammenbruchs. Der Krieg ermöglicht dann keine weitere Ausdehnung der Produktion, sondern führt nur zur Zerstörung der Produktivkräfte und zum Aufhäufen einer Ruine nach der anderen" (aus: "Bericht zur Internationalen Lage", Juli 1945, GCG, in International Review; Nr. 59).
Die Unterscheidung zwischen den Kriegen dieses Jahrhunderts und denen des vorigen Jahrhunderts wird auch von der IKP, wie wir oben gesehen haben, vorgenommen. Jedoch zieht die IKP daraus nicht die Konsequenzen, sondern, nachdem sie einen Schritt in die richtige Richtung gemacht hat, geht sie zwei Schritte zurück, indem sie eine wirtschaftliche Rationalität der Kriege dieses Jahrhunderts sucht. Die IKP versucht diese Rationalität, "die grundsätzliche Verdeutlichung der ökonomischen Faktoren, die die Staaten in den Krieg treiben," (PC Nr.92, S.54) in den Zitaten von Marx zu finden, der schrieb, daß eine periodische Zerstörung von Kapital zu einer notwendigen Bedingung geworden ist... Aus dieser Sicht betrachtet sind all diese furchtbaren Greuel, die wir mit soviel Angst und Sorge erwarten, wahrscheinlich das einzige natürliche und notwendige Korrektiv eines exzessiven und übertriebenen Überflusses, die Kraft, mittels der das gegenwärtige Gesellschaftssystem sich von Zeit zu Zeit von einer ständig wachsenden überschüssigen Warenmasse befreit, die seine Existenz bedroht und somit die Rückkehr zu einer festen und gesunden Zustand ermöglicht.
Die Zerstörung des Kapitals, die Marx hier erwähnt, wird durch die zyklischen Krisen der damaligen Zeit hervorgerufen (nicht durch den Krieg). Gerade weil damals die Krisen der Herzschlag des kapitalistischen Systems waren (obgleich sie damals schon die historischen Grenzen aufzeigten). An vielen Stellen seiner Arbeiten zeigte Marx, daß die Art und Weise, wie der Kapitalismus seine Krisen überwindet, nicht nur in einer Entwertung des zeitweise überschüssigen Kapitals besteht, sondern auch und vor allem in der Eroberung neuer Märkte und insbesondere in Gebieten außerhalb der kapitalistischen Produktionsverhältnisse.(6) Und da der Weltmarkt nicht als grenzenlos angesehen werden kann, weil die außerkapitalistischen Märkte nur abnehmen können, bis sie vollständig verschwinden, weil das Kapital den ganzen Erdball seinen Gesetzen unterwirft, wird der Kapitalismus in immer stärkere und katastrophalere Erschütterungen getrieben. Diese Idee wurde viel systematischer von Rosa Luxemburg in ihrem Werk "Die Akkumulation des Kapitals" entwickelt, aber sie hat sie keineswegs, wie einige Unwissende behaupten, erfunden. Diese Idee erscheint übrigens auch zwischen den Zeilen in bestimmten Abschnitten des Textes der IKP. Aber wenn sie Rosa Luxemburg erwähnt, tut sie das nicht, um sich auf ihre außergewöhnlichen theoretischen Ausführungen zu stützen, die mit der größten Klarheit die Krisenmechanismen des Kapitalismus erklären, insbesondere warum die Gesetze des Systems es historisch scheitern lassen, sondern die IKP erwähnt Rosa Luxemburg nur, um sich auf die umstrittene Idee zu stützen, die in der 'Akkumulation des Kapitals' vorhanden ist. Es dreht sich hier um die These, derzufolge der Militarismus ein Akkumulationsfeld sein könnte, der teilweise die ökonomischen Widersprüche des Kapitalismus erleichtert. (PC Nr.91, S.31-33) Gerade in diese Idee hatte sich Vercesi Ende der 30er Jahre verlaufen, woraus er die Schlußfolgerung zog, daß die gewaltige Entwicklung der Rüstungsproduktion von 1933 an eine Wiederankurbelung der kapitalistischen Produktion ermöglichen würde, und damit die Perspektive eines Weltkriegs immer weiter aufheben könnte. Wenn jedoch die IKP eine systematische Erklärung des Krisenmechanismus liefern will, um die vorhandene Beziehung zwischen der Krise und dem imperialistischen Krieg aufzuzeigen, entfaltet sie eine einseitige Auffassung, die sich hauptsächlich auf das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate stützt: "Seitdem die bürgerliche Produktionsweise zur vorherrschenden geworden ist, ist der Krieg auf deterministische Art und Weise eng verbunden mit dem Gesetz, das Marx über die durchschnittliche Profitrate erarbeitet hatte, welches die Tendenz des Kapitalismus hin zur Endkatastrophe ist." (PC Nr.90 S.23) Dem folgt eine Zusammenfassung, die PC aus Bordiga, Dialog mit Stalin, übernommen hat. Den Thesen Marxens zufolge bringt die ständige Anhebung des Wertes der Waren (aufgrund des ständigen Fortschritts der Produktionstechniken) nämlich des Anteils, der den Maschinen und den Rohstoffen gegenüber dem Anteil der Lohnarbeit zugeordnet werden kann, eine historischen Tendenz des Falls der Profitrate mit sich, solange nur die Arbeit des Arbeiters dazu in der Lage ist, Profit zu produzieren (mehr Wert zu produzieren als sie den Unternehmer kostet).
Wir müssen darauf hinweisen, daß die IKP (und Bordiga, den PC ausführlich in ihrer Analyse zitiert) die Frage der Märkte nicht außer acht läßt. Und die Tatsache, daß der imperialistische Krieg die Folge der Konkurrenz zwischen kapitalistischen Staaten ist.
"Die geometrische Progression der Produktion verlangt vom nationalen Kapital zu exportieren, auf den äußeren Märkten entsprechende Absatzmöglichkeiten für seine Produktion zu erobern. Und da jeder nationale Akkumulationspol den gleichen Regeln unterworfen ist, ist der Krieg zwischen kapitalistischen Staaten unvermeidlich. Von den Wirtschafts- und Handelskriegen, den Finanzkonflikten, den Kämpfen um Rohstoffe und den politischen und diplomatischen Zusammenstößen, die daraus hervorgehen, kommen wir schließlich zum offenen Krieg. Der latente Konflikt zwischen Staaten bricht zunächst in Gestalt militärischer Konflikte auf, die auf bestimmte geographische Zonen beschränkt sind, von örtlichen Kriegen, in denen die Großmächte nicht direkt aufeinanderprallen, sondern durch Stellvertreter; aber er mündet schließlich in einen generalisierten Krieg, d.h. den direkten Zusammenprall der großen staatlichen Einheiten des Imperialismus, wobei sie alle gegeneinander getrieben werden aufgrund ihrer inneren Widersprüche. Und alle kleineren Staaten werden in diesen Konflikt mit hineingezogen, dessen Schlachtplatz sich notwendigerweise auf den ganzen Planeten ausdehnt. Akkumulation, Krisen, örtliche Kriege, Weltkrieg." (PC Nr.90 S.26)
Mit dieser Analyse kann man einverstanden sein, denn sie untermauert nur das, was die Marxisten seit dem 1.Weltkrieg behauptet haben. Die Sache bekommt jedoch da einen Haken, wo die Suche nach äußeren Märkten von der IKP nur als eine Folge des tendenziellen Falls der Profitrate angesehen wird, während der Kapitalismus als Ganzes ständig Märkte außerhalb seiner eigenen Produktionssphäre benötigt, wie es von Rosa Luxemburg unter Beweis gestellt wurde. Er benötigt diese nämlich, um den Teil des Mehrwertes zu realisieren, der dazu dient, in einem späteren Zyklus vom Kapital mit dem Ziel der Akkumulation wieder investiert zu werden. Von dieser einseitigen Betrachtungsweise ausgehend, ordnet PC dem imperialistischen Weltkrieg eine genaue ökonomische Funktion zu. Es meint, es gäbe eine wirkliche Rationalität in der Funktionsweise des Kapitalismus:
unklar.....
"Die Krise hat ihren Ursprung in der Unmöglichkeit der Fortsetzung der Akkumulation. Dies äußert sich, wenn das Wachstum der Produktionsmasse es nicht mehr schafft, den Fall der Profitrate auszugleichen. Die Masse der gesamten Mehrarbeit reicht nicht mehr, dem vorgeschossenen Kapital Profit zu garantieren, und um die Bedingungen für die Rentabilität der Investitionen zu schaffen. Durch die Zerstörung des konstanten Kapitals (tote Arbeit) in großem Maßstab spielt der Krieg eine wirtschaftlich wesentliche Rolle: Dank der schrecklichen Zerstörungen des Produktionsapparates ermöglicht der Krieg eine gewaltige zukünftige Ausdehnung zur Ersetzung der zerstörten Analgen, also eine parallele Ausdehnung des Profits, des gesamten Mehrwertes, d.h. der Mehrarbeit....Die Bedingungen für den Wiederaufschwung des Akkumulationsprozesses sind somit hergestellt. Der Wirtschaftskreislauf fängt von neuem an...Das weltweite kapitalistische System tritt veraltet in den Krieg ein, aber verjüngt sich in dem Blutbad, durch das es eine neue Jugend erhält, insgesamt geht es daraus mit der Vitalität eines kräftigen Neugeborenen hervor." (PC Nr.90 S.24)
Die These von PC ist nicht neu. Sie wurde von Grossmann aufgebracht und systematisch in den 20er Jahren entwickelt, nach ihm wurde sie von Mattick, einem Theoretiker der rätekommunistischen Bewegung, wieder aufgegriffen. Sie kann ganz einfach in den folgenden Begriffen zusammengefaßt werden: Durch die Zerstörung des konstanten Kapitals läßt der Krieg die organische Zusammensetzung des Kapitals sinken und ermöglicht somit eine Erhöhung der Profitrate. Jedoch wurde nie bewiesen, daß während des Wiederaufschwungs nach den Weltkriegen die organische Zusammensetzung des Kapitals niedriger war als vor dem jeweiligen Weltkrieg. Das Gegenteil ist meistens der Fall. Wenn wir z.B. den 2.Weltkrieg nehmen, ist es klar, daß in den vom Krieg zerstörten Ländern die durchschnittliche Produktivität der Arbeit und damit das Verhältnis zwischen konstantem und variablen Kapital sehr schnell, Anfang der 50er Jahre, das Niveau von 1939 erreicht hatte. Tatsächlich waren die nach dem Krieg erbauten Produktionsanlagen sehr viel moderner als die durch den Krieg zerstörten Anlagen. PC stellt dies übrigens selbst fest, denn es erklärt dies gerade als eine der Ursachen für den Nachkriegsboom:
"Die Kriegswirtschaft übermittelt dem Kapitalismus u.a. sowohl den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, der von der Rüstungsindustrie erzielt wurde, als auch die Industrieanlagen, welche für die Rüstungsproduktion aufgebaut wurden. Diese wurden in der Tat nicht alle durch die Bombardierungen zerstört -, und auch nicht wie im Falle Deutschlands durch die Demontage der Alliierten...Die großflächige Zerstörung von Ausrüstungen, Anlagen, Gebäuden, Transportmitteln usw., der Zufluß von Produktionsmitteln auf einer hohen Stufe der technologischen Zusammensetzung, die aus der Rüstungsindustrie stammt,... all das legte die Grundlagen für das Wirtschaftswunder." (PC Nr.92 S.38)
Was die USA angeht, war die organische Zusammensetzung ihres Kapitals, da es keine Zerstörungen auf dem Boden der USA gegeben hat, 1945 höher als die von 1939. Jedoch war die Wohlstandsphase, die mit der Wiederaufbauphase einherging, länger. Tatsächlich dauerte sie bis Mitte der 60er Jahre, als der Zeitpunkt des Wiederaufbaus der Produktionsanlagen aus der Vorkriegszeit wieder erreicht war, wodurch das frühere Niveau der organischen Zusammensetzung wiederhergestellt war.(7)
Da wir schon sehr viele Texte als Kritik an den Auffassungen von Grossmann, Mattick verfaßt haben, auf die sich die IKP in der Tradition Bordigas stützt, wollen wir hier nicht weiter darauf eingehen. Jedoch ist es wichtig, die theoretischen Fehler überhaupt aufzuzeigen, zu denen die Auffassungen Bordigas, die die IKP jetzt wieder aufgreift, führen.
DIE FEHLER DER AUFFASSUNG DER IKP
Die Hauptsorge der IKP ist vollkommen richtig: Die Unvermeidbarkeit des Krieges aufzuzeigen, insbesondere will sie die Auffassung vom Superimperialismus, die insbesondere von Kautsky während des 1.Weltkrieges entwickelt wurde, verwerfen. Dieser Auffassung zufolge könnten sich nämlich die Großmächte einigen, um eine gemeinsame und friedliche Weltherrschaft zu errichten. Diese Auffassung war natürlich eine der Lügen der Pazifisten, die darauf abzielte, den Arbeitern einzutrichtern, daß es möglich wäre, den Krieg zu Ende zu bringen, ohne den Kapitalismus zu zerstören. Um dieser Auffassung entgegenzutreten, liefert die IKP das folgende Argument:
"Ein Superimperialismus ist unmöglich. Wenn aus außergewöhnlichen Gründen der Imperialismus es schaffen sollte, Konflikte zwischen den Staaten abzuschaffen, würden seine inneren Widersprüche ihn dazu zwingen, erneut in nationale, miteinander konkurrierende Akkumulationspole auseinanderzubrechen und damit in staatliche Blöcke, die miteinander in Konflikt stehen. Die Notwendigkeit, gewaltige Massen toter Arbeit zu zerstören, kann nicht allein durch Naturkatastrophen erfüllt werden. (PC Nr.90 S.26).
Kurzum die grundlegende Funktion der imperialistischen Blöcke oder der Tendenz hin zu ihrer Bildung besteht darin, Bedingungen zu schaffen für massive Zerstörungen. Wenn man diese Auffassung vertritt, versteht man jedoch nicht, warum die kapitalistischen Staaten sich gerade nicht untereinander verständigen könnten, um -wenn notwendig- solche Zerstörungen herbeizuführen, die eine Erhöhung der Profitrate und der Produktion wieder ermöglichen würden. Sie verfügen über ausreichende Mittel, um solche Zerstörungen herbeizuführen, wobei sie durchaus die Kontrolle über die Zerstörungen aufrechterhalten können und ihre jeweiligen Interessen dabei am besten verteidigen. Was PC hier nicht berücksichtigen will, ist, daß die Spaltung in imperialistische Blöcke das logische Ergebnis der Konkurrenz zwischen den verschiedenen nationalen Teilen des Kapitalismus ist. Es handelt sich um eine Konkurrenz, die der Wesenskern dieses Systems selber ist und die sich zuspitzt, wenn die Krise in ihrer ganzen Gewalt zuschlägt. Deshalb rührt die Bildung von imperialistischen Blöcken keineswegs aus einer Tendenz, auch wenn sie noch unabgeschlossen ist, hin zur Vereinigung kapitalistischer Staaten, sondern sie ist das Ergebnis der Notwendigkeit der Bildung von Militärbündnissen, weil kein Staat allein in einen Krieg gegen alle anderen eintreten kann. Das Wichtigste bei der Bildung von Blöcken ist nicht die Konvergenz von Interessen, die zwischen verschiedenen verbündeten Staaten bestehen können, d.h. eine Konvergenz, die infragegestellt werden kann, wie sie die Bündniswechsel während des 20.Jahrhunderts mehrfach bewiesen haben. Wichtig ist vielmehr der grundlegende Widerspruch zwischen den Blöcken, der der höchste Ausdruck der unüberwindbaren Rivalitäten zwischen allen Nationalstaaten ist. Deshalb ist die Auffassung, es könnte einen Superimperialismus geben, logisch widersinnig.
Weil die IKP schwache bzw. leicht widerlegbare Argumente benutzt, fußt die Verwerfung der Auffassung vom Superimperialismus bei der IKP auf schwachen Beinen. Dadurch wird der Kampf gegen die Lügen der herrschenden Klasse abgeschwächt. Dies wird offensichtlich anhand des nächsten Teils des Zitates. "Die Menschenmassen und der Wille der Menschen müssen die Sachen ändern, die gegeneinander gerichtet sind, die eingesetzt werden, um ihre und andere Intelligenzen zu vernichten." Hier können wir sehen, wie schwach die Argumentation der IKP ist. Offen gesagt: in Anbetracht all der Mittel, über die heute die kapitalistischen Staaten verfügen, insbesondere die Atomwaffen, warum wäre da der Menschenwille und vor allem die Menschenmassen unabdingbar, um einen ausreichenden Grad der Zerstörung herbeizuführen, unter der Voraussetzung, daß dies, wie die IKP meint, die wirtschaftliche Funktion des imperialistischen Krieges wäre.
Schließlich bezahlt die bordigistische Strömung mit schwerwiegenden theoretischen und politischen Fehlern die Schwäche der Analyse, auf die sich ihre Position zum imperialistischen Krieg und zu den Blöcken stützt. Indem sie auf der einen Seite den Begriff des Superimperialismus zur Tür hinausjagen will, läßt sie mit dem Begriff eines russisch-amerikanischen Kondominiums den Begriff des Superimperialismus wieder zum Fenster herein. "Der 2.Weltkrieg hat ein Gleichgewicht hervorgebracht, das durch die Formel "russisch-amerikanisches Kondominium" richtig beschrieben wird...Wenn bislang der Frieden in den imperialistischen Metropolen regiert hat, dann vor allem auf Grund der Vorherrschaft der USA und der UdSSR." (PC Nr.91 S.47) "Tatsächlich spiegelte der kalte Krieg deutlich die Sicherheit der beiden Siegermächte des Konfliktes des Weltkrieges und die Stabilität der in Jalta festgelegten Gleichgewichte wider; dies entsprach den Bedürfnissen der ideologischen Mobilisierung und der Kontrolle der sozialen Spannungen, die innerhalb der Blöcke existierten. Der neue kalte Krieg, der an die Stelle der Entspannung in der zweiten Hälfte der 70er Jahre trat, spiegelte das Erfordernis der Kontrolle der Widersprüche nicht (noch nicht) zwischen den Klassen wider, sondern der Widersprüche zwischen den Staaten, die immer mehr Schwierigkeiten hatten, die alten Bündnissysteme zu ertragen. Die russische und amerikanische Reaktion auf den wachsenden Druck bestand darin, die politische Aggressivität ihrer Verbündeten in die Richtung des feindlichen Lagers zu lenken" (PC, Nr.92, S. 47)..
Kurzum der erste kalte Krieg hatte ihnen zufolge eigentlich nur einen ideologischen Hintergrund: die Widersprüche zwischen den Klassen im Griff zu halten. Hier wird wirklich die Welt auf den Kopf gestellt: Wenn es nach dem 1.Weltkrieg in der Tat eine Abschwächung der imperialistischen Spannungen gab und gleichzeitig eine Abschwächung der Kriegswirtschaft, dann geschah dies deshalb, weil die Bourgeoisie sich hauptsächlich damit befassen mußte, der revolutionären Welle von Kämpfen, die 1917 angefangen hatte, entgegenzutreten. Sie mußte eine gemeinsame Front gegen die Gefahr aufbauen, die vom tödlichen Feind aller Teile der Bourgeoisie, nämlich dem Proletariat, ausging. Während dagegen der 2.Weltkrieg sofort in die Entfaltung und Eskalation imperialistischer Widersprüche zwischen den beiden Hauptsiegermächten mündete, wobei die Kriegswirtschaft auf einem sehr hohen Niveau aufrechterhalten wurde. Hier liegt die Erklärung darin, daß die Gefahr, die von der Arbeiterklasse ausging, welche von der Konterrevolution geschwächt worden war, vollständig während des Krieges und unmittelbar nach dem Krieg aus der Welt geschafft worden war. Die Bourgeoisie hatte aus ihrer eigenen historischen Erfahrung gelernt. Folgt man der Auffassung von PC, war der Koreakrieg, der Indochinakrieg und später auch der Vietnamkrieg, und lassen wir all die Kriege im Nahen/Mittleren Osten außer acht, wo sich Israel, das fest von den USA unterstützt wurde, und die arabischen Staaten, die massiv Waffenlieferungen von der UdSSR bekamen, aufeinanderprallten, und sprechen wir nicht von den Dutzenden von Kriegen bis hin zum Krieg in Afghanistan 1980, die bis Ende der 80er Jahre dauerten, dann hatten all diese Kriege nichts mit einem grundlegenden Widerspruch zwischen den beiden großen imperialistischen Monstern zu tun, sondern waren nur irgendein Bluff, oder sie entsprachen nur einfachen ideologischen Kampagnen gegen die Arbeiterklasse oder vielleicht sogar der Notwendigkeit, daß jede der Supermächte in ihrem Herrschaftsbereich ihre Vorherrschaft aufrechterhalten wollte.
Darüber hinaus wird dieser Idee von PC selbst widersprochen, denn der Entspannung zwischen den beiden Blöcken am Ende der 50er bis Mitte der 70er Jahre schreibt PC die gleiche Funktion zu wie dem kalten Krieg. "Tatsächlich war die Entspannung nur die Antwort der beiden Supermächte auf die Bruchlinien, die immer offensichtlicher in ihren Einflußbereichen auftraten. Die Entspannung bedeutete, daß Moskau und Washington starken Druck auf ihre Verbündeten ausübten, um ihre zentrifugalen Bestrebungen einzudämmen." (PC Nr.92 S.43)
Es stimmt, daß die Kommunisten nie das für bare Münze nehmen dürfen, was die Bourgeoisie und ihre Historiker sagen. Aber zu behaupten, daß bei den meisten Kriegen (mehr als 100), die von 1945 bis Ende der 80er Jahre die Welt erschüttert haben, nicht die Großmächte ihre Finger im Spiel hatten, bedeutet die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. Gleichzeitig heißt das, das in Frage zu stellen, was die IKP selbst richtigerweise sagt: "Der latente Konflikt zwischen Staaten bricht zunächst auf in Gestalt von begrenzten militärischen Konflikten, die zunächst auf bestimmte geographische Gebiete lokal begrenzt bleiben, in denen die Großmächte nicht direkt zusammenprallen, sondern deren Stellvertreter". Die IKP kann immer den Widerspruch zwischen dem, was sie erzählt, und der Wirklichkeit oder die Unterschiede zwischen ihren verschiedenen Argumenten durch die "Dialektik" erklären. Damit beweist sie aber vor allem, daß theoretische Strenge nicht gerade ihre Stärke ist, und daß sie manchmal einfach irgendetwas erzählt, was nicht gerade bedeutet, daß sie den Lügen der herrschenden Klasse wirksam entgegentreten kann und das Bewußtsein des Proletariats verstärkt.
Genau hierum geht es, und all das erreicht die Stufe einer Karikatur, wenn die IKP sich auf einen Artikel von Bordiga aus dem Jahre 1950 stützt, um die Lügen des Pazifismus zu bekämpfen. In diesem Artikel stellt die IKP die Entwicklung der Stahlproduktion als das Hauptindiz und gar als einen Faktor dar, der die Entwicklung des Kapitalismus selber widerspiegelt. "Der Krieg im Zeitraum des Kapitalismus, d.h. die schrecklichste Art von Kriegen, ist eine Krise, die unausweichlich durch die Notwendigkeit hervorgerufen wird, den hergestellten Stahl zu verbrauchen und für das Monopolrecht auf die zusätzliche Stahlproduktion zu kämpfen" ("Seine Majestät der Stahl", Battaglia Comunista Nr. 18, 1950).
Immer noch von dem Willen getrieben, dem Krieg eine 'rationale' Begründung zu geben, gibt die IKP zu verstehen, daß der imperialistische Krieg nicht nur etwas Gutes für den Kapitalismus sei, sondern auch für die gesamte Menschheit und damit auch für die Arbeiterklasse. "Die Verlängerung des bürgerlichen Friedens über die durch den ökonomischen Zyklus bestimmten Grenzen hinaus, könnte, selbst wenn dies möglich wäre, nur zu noch schlimmeren Situationen führen als der Krieg uns schon bietet". Dem folgt ein Zitat aus einem Artikel Bordigas, der einen Preis wert ist!
"Hören wir auf anzunehmen, daß es anstatt der beiden Weltkriege den bürgerlichen industriellen Frieden gegeben hätte. In ungefähr 35 Jahren ist die Stahlproduktion ca. 20 mal gestiegen. Diese Stahlproduktion wäre 20mal höher gewesen als die 70 Mio.t von 1915, sie würden also heute (d.h. 1950) 1.400 Mio. t betragen. Aber all dieser Stahl kann nicht gegessen, verbraucht, nicht zerstört werden, sondern dient nur den Massakern der Völker. Die 2 Mrd. Menschen wiegen ca. 140 Mio. Tonnen. Sie würden innerhalb eines einzigen Jahres 10 mal mehr Stahl produzieren als ihr eigenes Gewicht. Die Götter bestraften Midas, indem sie ihn in eine Masse Gold verwandelten - das Kapital würde die Menschen zu einer Masse Stahl, Erde, Wasser und Luft verwandeln, in der sie in einem Metallgefängnis lebten. Der bürgerliche Frieden bietet also noch bestialischere Perspektiven als der Krieg"
Hier befindet sich Bordiga schlechthin im Delirium, was diesem Revolutionär leider oft genug passierte. Aber anstatt sich gegenüber diesen Ausführungen zu distanzieren, geht die IKP im Gegenteil noch weiter: "Vor allem wenn man davon ausgeht, daß der Boden, der in Stahlsärge umgewandelt worden wäre, ein Ort des Verfaulens wäre, wo überflüssige Waren und Menschen friedlich verfaulten. Seht ihr Pazifisten, was das Ergebnis eurer "Rückkehr zur Vernunft" der Regierungen, ihre Hinwendung zur "Friedenskultur" bringen würde. Aber genau deshalb handelt es sich nicht um Wahnsinn, sondern um Vernunft - natürlich um die Vernunft der bürgerlichen Gesellschaft, die alle Regierungen in den Krieg treibt - hin zum heilsamen und hygienischen Krieg" (PC, Nr. 92, S. 54).
Als Bordiga diese Zeilen schrieb, auf die sich die IKP beruft, verwarf er eine der grundlegenden Analysen des Marxismus. Der Kapitalismus produziert Waren. Und wer Waren sagt, spricht von der Möglichkeit ein Bedürfnis zu befriedigen, so pervertiert dies auch sein mag, wie das Bedürfnis nach Mordinstrumenten und Zerstörungsmitteln seitens der kapitalistischen Staaten. Wenn er Stahl in großen Mengen produziert, dann um zum großen Teil die Nachfrage des Staates nach Rüstungsgütern zu befriedigen. Aber diese Produktion kann nicht über die Nachfrage des Staates hinausgehen: wenn die Stahlindustrie ihren Stahl nicht mehr an das Militär verkaufen kann, weil dies schon ausreichend Massen Stahl aufgekauft hat, werden die Stahlproduzenten ihre Produktion nicht lange fortsetzen können, bevor sie in Konkurs gehen, denn die Produktion findet keine Käufer mehr. Sie sind nicht wahnsinnig. Bordiga jedoch ist schon ein wenig wahnsinnig, wenn er sich vorstellt, daß die Stahlproduktion endlos lange fortgesetzt werden könnte, ohne auf eine andere Grenze als die der Zerstörung durch den imperialistischen Krieg zu stoßen.
Es ist ein Glück für die IKP, daß das Lächerliche nicht tötet (und Bordiga ist ja auch nicht daran gestorben). Wahrscheinlich würden die Ausführungen der IKP und der dahinterstehenden sie inspirierenden Kraft auf ein großes Lachen in den Reihen der Arbeiter stoßen. Aber es ist deshalb umso bedauernswerter, daß die IKP solche Auffassungen vertritt. Indem sie sich auf stupide und lächerliche Argumente gegen den Pazifismus einläßt, stärkt sie nicht die Seite des Proletariats, sondern seines Gegners.
Die Sache hat jedoch auch eine gute Seite. Bei der Rechtfertigung der "Rationalität des Krieges" zerstört die IKP gleichzeitig die ganze Idee. Die IKP tritt nämlich für eine Perspektive ein, bei der das Proletariat Gefahr läuft, gegenüber dem Krieg desorientiert, hilflos dazustehen, weil dadurch die Gefahr, welcher der Kapitalismus für die Menschheit bedeutet, unterschätzt wird. Dies wird deutlich in der folgenden Behauptung der IKP: "Daraus geht auch hervor (aus dem Krieg als einem Ausdruck einer "ökonomischen Vernunft"), daß der inter-imperialistische Kampf und der Zusammenstoß zwischen rivalisierenden Mächten nie zur Zerstörung des Planeten führen kann, weil es sich nicht um exzessive imperialistische Gier handelt, sondern um die Notwendigkeit die Überproduktion zu überwinden. Wenn der Überschuß zerstört ist, steht die Kriegsmaschinerie still, unabhängig von dem Zerstörungspotential der eingesetzten Waffen, denn gleichzeitig verschwinden auch die Kriegsursachen" (PC, Nr. 92, S. 55).
Wir werden in einem weiteren Artikel auf die dramatische Unterschätzung der imperialistischen Kriegsgefahr eingehen, zu der die IKP kommt, und insbesondere auf die politische Entwaffnung, die die politischen Aussagen dieser Organisation für die Arbeiterklasse bedeuten.
FM, aus International Review, Nr. 77, 2. Quartal 1994, Erstveröffentlichung auf deutsch in Internationale Revue Nr. 15, 1994