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Als im Aug. 1914 der 1. Weltkrieg ausgelöst wurde, der mehr als 20 Mio. Opfer hinterließ, da war für alle Beteiligten klar, welche entscheidende Rolle damals die Gewerkschaften und vor allem die deutsche Sozialdemokratie gespielt hatten.
Im Reichstag hatte die SPD einstimmig den Kriegskrediten zugestimmt. Gleichzeitig hatten die Gewerkschaften einen Burgfrieden ausgerufen, der jegliche Streiks verbot und ausschlaggebend dafür war, alle Kräfte für den Krieg einzuspannen.
Die Zustimmung der SPD-Fraktion zu den Kriegskrediten rechtfertigte die Sozialdemokratie damit: “Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen (…). von diesen Grundsätzen geleitet, bewilligen wir die geforderten Kriegskredite”. “Vaterland in Gefahr”, “nationale Verteidigung”, “Volkskrieg um Existenz”, “Kultur und Freiheit” - das waren die Stichworte, die von der parlamentarischen Vertretung der SPD gegeben wurden
Das war der erste große Verrat einer Arbeiterpartei gewesen. Als ausgebeutete Klasse ist die Arbeiterklasse eine internationale Klasse. Deshalb ist der Internationalismus für die Arbeiterklasse der grundlegendste Bestandteil der Positionen aller ihrer Organisationen - und der Verrat desselben führt diese Organisationen unvermeidlich ins gegnerische Lager, in das des Kapitals.
Während das Kapital in Deutschland den Krieg nie ausgelöst hätte, wenn es nicht auf die Gewerkschaften und die SPD-Führung als sichere Stützen hätte rechnen können, und für das Kapital deren Verrat somit nicht als Überraschung kam, sorgte dieser Verrat jedoch in den Reihen der Arbeiterbewegung selbst für einen großen Schock. Selbst Lenin wollte am Anfang nicht glauben, dass die SPD in Deutschland den Kriegskrediten zugestimmt hatte. Er hielt die ersten Nachrichten für eine Manipulation zur Spaltung der Arbeiterbewegung.(1)
Denn da die imperialistischen Spannungen seit Jahren zugenommen hatten, war die 2. Internationale schon sehr früh gegen diese Kriegsvorbereitungen auf die Bühne getreten. 1907 auf dem Stuttgarter Kongress, 1912 auf dem Basler Kongress und gar bis in die letzten Juli-Tage des Jahres 1914 hinein hatte sie gegen die Kriegspropaganda mobilisiert - auch wenn dies gegen den erbitterten Widerstand des damals schon starken rechten Flügels geschah.
“Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht der Sozialdemokratie, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen.” (schon 1907 angenommen, 1912 bestätigt).
“Gefahr ist im Verzuge, der Weltkrieg droht! Die herrschenden Klassen, die Euch im Frieden knebeln, verachten, ausnutzen, wollen Euch als Kanonenfutter mißbrauchen. Überall muss den Gewalthabern in die Ohren klingen: Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Kriege! Hoch die internationale Völkerverbrüderung!” (Aufruf des Vorstands der SPD am 25. Juli 1914, d.h. 10 Tage vor dem Votum für den Krieg am 4.8.1914).
Als die Sozialdemokratischen Abgeordneten dem Krieg zustimmten, taten sie das als Repräsentanten der größten Arbeiterpartei in Europa, deren Einfluss weit über Deutschland hinausging und als Partei, die vor dem Krieg in jahrzehntelanger Aufbauarbeit errichtet worden war - selbst unter den ungünstigsten Bedingungen des Sozialistengesetzes, als sie verboten war. Die SPD hatte Dutzende von Wochen-, Tageszeitungen in ihren Händen. Schon 1899 hatte die SPD über 73 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 400.000 Exemplaren, 49 Zeitungen erschienen täglich. Schon um 1900 hatte sie über 100.000 Mitglieder, 1914 ca. eine Million.
So stand die revolutionäre Bewegung nach dem Verrat der Führung der SPD vor der Grundsatzfrage: sollte man es zulassen, dass diese Arbeiterorganisation mit Mann und Maus ins Feindeslager überwechselt?
Aber nicht nur die SPD-Führung in Deutschland hatte verraten. In Belgien wurde der Vorsitzende der Internationale, Vandervelde, Minister, Jules Guesde, Führer der sozialistischen Partei in Frankreich wurde auch Minister. Die sozialistische Partei in Frankreich stimmte auch einstimmig für den Krieg. In England, wo es keine Wehrpflicht gab, übernahm die Labour-Partei die Organisierung der Rekrutierung. Auch wenn die österreichische SP formell nicht für den Krieg stimmen musste, rührte sie die Werbetrommel für ihn. In Schweden, Norwegen, der Schweiz, den Niederlanden bewilligten die SP-Führer jeweils die Kredite. In Polen rief die SP im galizisch-schlesischen Teil zur Unterstützung für den Krieg, in Russisch-Polen aber dagegen auf. In Russland gab es ein geteiltes Bild: ehemalige Führer der dortigen Arbeiterbewegung wie Plechanow, der Führer der russischen Anarchisten Kropotkin, eine Handvoll Mitglieder der Bolschewistischen Partei in der französischen Emigration riefen zur Verteidigung vor dem preußisch-deutschen Militarismus auf. In Russland gab die sozialdemokratische Dumafraktion eine Erklärung gegen den Krieg. Sie war die erste offizielle Antikriegserklärung einer Parlamentsfraktion in einem großen kriegführenden Land. Die Sozialistische Partei Italiens nahm von Anfang an eine ablehnende Stellung gegen den Krieg ein. Im Dez. 1914 schloss die Partei eine Gruppe von Renegaten unter der Führung von Benito Mussolini aus, die auf die Seite der ententefreundlichen Bourgeoisie getreten war und die Teilnahme Italiens am Weltkrieg propagierten. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei in Bulgarien (Tesnyaks) verteidigte ebenfalls einen konsequenten internationalistischen Standpunkt. Die wenigen serbischen sozialdemokratischen Abgeordneten stimmten gegen den Krieg.
Die Internationale, der Stolz der Arbeiterklasse, war in den Flammen des Weltkrieges zerfallen. Die deutsche SPD war ein “stinkender Leichnam” geworden. Die Internationale löste sich, wie Rosa Luxemburg meinte, “in einen Haufen wildgewordener nationalistischer Bestien auf, die sich gegenseitig zur höheren Ehre der bürgerlichen Rechtsordnung und Moral zerfleischten.” Nur wenige Gruppen in Deutschland die “Internationale”, “Lichtstrahlen”, die Bremer Linke, Trotzkis Gruppe, Martow, Teile französischer Syndikalisten, die Gruppe Tribune (Gorter, Pannekoek) in Holland sowie die Bolschewiki verfochten einen resolut internationalistischen Standpunkt.
Gleichzeitig mit diesem entscheidenden Verrat der Mehrzahl der Parteien der II. Internationale wurde die Arbeiterklasse zur Zielscheibe eines ideologischen Angriffs, in dem ihr eine fatale Dosis nationalistisches Gift injiziert wurde. Im August 1914 hatten sich nicht nur große Teile des Kleinbürgertums für die Expansionspläne Deutschlands einspannen lassen, sondern auch Bereiche der Arbeiterklasse waren dem Nationalismus aufgesessen. Die bürgerliche Propaganda verbreitete die Hoffnung, “in einigen Wochen, spätestens Weihnachten” sei der Krieg vorbei, das ganze Gespenst beendet und man sei wieder zu Hause.
Nach der Auslösung des Krieges zog sich die Minderheit der Revolutionäre, die den Prinzipien des proletarischen Internationalismus treu geblieben war, nicht resigniert zurück und sie gab auch nicht in Anbetracht der besonders ungünstigen Bedingungen den Kampf auf.
Die Revolutionäre und ihr Kampf gegen den Krieg
Während große Teile der Arbeiterklasse noch nationalistisch benebelt waren, versammelten sich noch am Abend des 4. August führende Vertreter der Linken der Sozialdemokratie in Rosa Luxemburgs Wohnung (K. und H. Duncker, Hugo Eberlein, Julian Marchlewski, F. Mehring, E. Meyer, W. Pieck). Auch wenn ihre Zahl an diesem Abend verschwindend gering war, sollte ihr Wirken während der nächsten 4 Jahre von ungeheurer Ausstrahlung sein.
Auf der Tagesordnung des Treffens stand: Wie sieht das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit, wie innerhalb der SPD aus, welche Ziele muss der Widerstand gegen den Verrat der Parteiführung verfolgen, welche Perspektiven stehen an, wie müssen wir kämpfen?
Auch wenn die Situation momentan bedrückenden und niederschlagenden war, war das für die Revolutionäre kein Anlaß zu resignieren. Ihre Haltung war: wir dürfen die Organisation jetzt nicht über Bord schmeißen, sondern müssen entschlossen in der Organisation um ihre proletarischen Prinzipien kämpfen.
In der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion hatte es vor der offiziellen Abstimmung eine interne gegeben, in der 78 Abgeordnete für, 14 gegen die Kriegskredite gestimmt hatten. Aus Fraktionszwang hatten sich die 14 Abgeordneten, auch Liebknecht, dem Mehrheitsvotum gebeugt - und den Krediten zugestimmt. Diese Tatsache wurde von der SPD-Führung geheim gehalten.
Vor Ort sah es in der Partei noch uneinheitlicher aus. Aus vielen Ortsvereinen wurden sofort Proteste gegen den Vorstand laut. Am 6. August sprach die überwältigende Mehrheit der Ortsversammlung in Stuttgart der Reichstagsfraktion das Misstrauen aus. Dort gelang es den Linken gar, die Rechten aus der Partei zu schließen und die örtliche Zeitung an sich zu reißen. In Hamburg sammelten Laufenberg und Wolfheim die Opposition um sich, in Bremen trat die Bremer-Bürger-Zeitung um Knief entschlossen gegen den Krieg auf, der Braunschweiger Volksfreund, das Gothaer Volksblatt, “der Kampf” in Duisburg, Zeitungen in Nürnberg, Halle, Leipzig und Berlin protestierten ebenfalls und spiegelten die Ablehnung großer Teile der Parteibasis wider. Auf einer Versammlung in Stuttgart am 21. Sept. 1914 wurde Kritik am Verhalten Liebknechts geübt. Dieser sprach dann selbst von einem verheerenden Fehler, aus Fraktionsdisziplin so gehandelt zu haben. Da aber von Kriegsbeginn alle Zeitungen unter Zensur gestellt wurden, wurden die Proteststimmen sofort abgewürgt. Die SPD-Opposition stützte sich daher auf die Möglichkeit, im Ausland ihre Stimme zum Ausdruck zu bringen. Der “Berner Tagwacht” sollte zum Sprachrohr der SPD-Linken werden, auch in der Zeitschrift ‘Lichtstrahlen’, die von Borchardt herausgegeben wurde und von Sept. 1913 bis April 1916 erschien, konnten die Internationalisten ihre Position zum Ausdruck bringen.
Ein Überblick über die Lage innerhalb der SPD zeigte: auch wenn die Führung verraten hatte, nicht die ganze Organisation hatte sich für den Krieg einspannen lassen. Deshalb war die Perspektive klar: Um die Organisation zu verteidigen, um sie nicht den Verrätern zu überlassen, musste für deren Rausschmiss gesorgt, für klare Trennung von ihnen eintreten werden.
Bei dem Treffen in Rosa Luxemburgs Wohnung kam auch die Frage auf, ob man nicht aus Protest, aus Abscheu vor dem Verrat aus der Partei austreten sollte? Einstimmig wurde diese Idee verworfen, denn man durfte den Verrätern nicht das Feld überlassen, die Organisation sozusagen als Geschenk in den Dienst der herrschenden Klasse stellen. Man konnte nicht einfach die Partei verlassen, die unter größten Anstrengungen aufgebaut worden, so wie Ratten das sinkende Schiff verlassen. Deshalb bedeutete damals die Verteidigung der Organisation nicht Austritt sondern für deren Rückeroberung eintreten.
Niemand dachte daran die Organisation zu verlassen. Das Kräfteverhältnis zwang die Minderheit nicht dazu, auch ging es jetzt noch nicht darum, eine neue, eigenständige Organisation außerhalb der SPD zu aufzubauen, erst einmal musste um die Organisation gekämpft werden, Rosa Luxemburg und ihre Genossen gehörten damit zu den konsequentesten Verteidigern der Notwendigkeit der Organisation.
Tatsache ist, lange bevor die Arbeiterklasse anfing, aus der nationalistischen Betäubung zu erwachen, hatten die Internationalisten längst den Kampf aufgenommen. Als Avantgarde warteten sie nicht auf die Reaktionen der Klasse insgesamt, sondern sie waren ihrer Klasse voraus. Während das nationalistische Gift in der Arbeiterklasse noch wirkte, die Klasse damals sowohl ideologisch wie auch physisch dem Maschinengewehrfeuer des imperialistischen Krieges ausgeliefert war, hatten die Revolutionäre selbst schon - unter den schwierigsten Bedingungen der Illegalität - das imperialistische Wesen des Krieges selber enttarnt. Auch hier - bei ihrer Arbeit gegen den Krieg - sind die Revolutionäre nicht in Wartestellung auf die ganze Klasse gegangen, um auf die Bewusstwerdung größerer Teile der Klasse zu harren. Und - wir werden ausführlich darauf zurückkommen - die Internationalisten erkannten ihre Verantwortung als Revolutionäre, als Mitglieder einer politischen Organisation - die sie sofort verteidigten. Es war noch keine Nacht vergangen, da hatten die Revolutionäre sich schon um die späteren Spartakisten versammelt, um die Verteidigung der Organisation in die Hand zu nehmen - und faktisch die Grundlagen für den Bruch mit den Verrätern zu legen. Soweit zum angeblichen Spontaneismus der Spartakisten und Rosa Luxemburg.
Sofort traten die Revolutionäre in Kontakt mit den Internationalisten in den anderen Ländern. Liebknecht wurde deshalb als prominentester Vertreter ins Ausland geschickt. In Belgien und Holland nahm er Kontakt auf mit der dortigen sozialistischen Partei.
Und auf zwei Ebenen wurde der Widerstand gegen den Krieg vorangetrieben. Einmal auf der Ebene des Parlamentes, wo die Spartakisten die Parlamentstribüne noch ausnutzen sollten. Andererseits - viel wichtiger - durch die Entfaltung des Widerstandes vor Ort in der Partei selbst und im direkten Kontakt mit der Arbeiterklasse. So sollte in Deutschland selbst Liebknecht bald zum Fanal des Widerstandes werden.
Innerhalb des Parlamentes gelang es Liebknecht, immer mehr Abgeordnete auf seine Seite zu ziehen. Zwar überwog am Anfang noch Angst und Zögern, am 22. Okt. 1914 verließen 5 SPD-Abgeordnete aus Protest den Saal, am 2. Dez. 1914 stimmte Liebknecht als einziger öffentlich gegen die Kriegskredite, im März 1915 verließen ca. 30 Abgeordnete bei der Abstimmung den Saal, und ein Jahr später - am 19. August 1915 stimmten schon 36 Abgeordnete gegen die Kredite. Der wirkliche Schwerpunkt lag jedoch bei den Aktivitäten der Arbeiterklasse selber - zum einen an der Basis der Arbeiterparteien - zum anderen in den Massenaktionen der Arbeiter in den Fabriken und auf der Straße.
Unmittelbar nach der Auslösung des Krieges hatten die Revolutionäre energisch und klar gegen das imperialistische Wesen des Krieges Stellung bezogen (2). Im April wurde die erste und einzige Nummer der “Internationale” mit 9.000 Exemplaren gedruckt, von denen allein am ersten Abend 5.000 Exemplare abgesetzt wurden.(daher der Name der Gruppe “Die Internationale”). Ab den Wintermonaten 1914/15 wurden die ersten illegalen Flugblätter gegen den Krieg verteilt, am berühmtesten wurde “Der Feind steht im eigenen Land”.
In vielen Versammlungen vor Ort zirkulierte das Material gegen den Krieg. Allein die Tatsache, dass Liebknecht seine Zustimmung verweigert hatte, dies öffentlich bekannt wurde, ließ ihn schnell zum bekanntesten Kriegsgegner in Deutschland und später auch in den Nachbarländern werden. Die Texte wurden als “höchst gefährlich” von den bürgerlichen Sicherheitskräften eingestuft. In einigen Ortsversammlungen denunzierten die örtlichen Parteiführer diejenigen Mitglieder, die Material gegen den Krieg verteilten. Oft genug wurden sie kurz danach verhaftet! Die SPD war bis ins Innerste gespalten!
Hugo Eberlein berichtete später auf dem Gründungsparteitag der KPD am 31.Dez. 1918, dass eine Verbindung mit ca. 300 Städten bestand. Um die ständig anwachsende Gefahr des Widerstands in den Reihen der SPD zu bannen, beschloss der Parteivorstand im Jan. 1915 gemeinsam mit der militärischen Führung, Liebknecht sollte mundtot gemacht werden, indem er zum Militär eingezogen wurde. Damit erhielt er Redeverbot, durfte nicht auf Versammlungen auftreten. Am 18. Feb. 1915 wurde Rosa Luxemburg inhaftiert bis Feb. 1916. Mit Ausnahme einiger Monate zwischen Feb. und Juli 1916 hielt sie das Regime bis zum 8. Nov. 1918 im Gefängnis. Im Sept. 1915 wurden Ernst Meyer, Hugo Eberlein, später der 70jährige Mehring, und viele andere verhaftet. Aber selbst unter diesen schwierigsten Bedingungen betrieben sie ihre Arbeit gegen den Krieg weiter und unternahmen alles, um das Organisationsnetz weiter aufzubauen.
Mittlerweile hatte die Wirklichkeit des Krieges auch immer mehr Arbeiter aus ihrem nationalistischen Getaumel zurückgeholt. Denn die deutsche Offensive in Frankreich war schnell ins Stocken geraten und ein langer Stellungskrieg hatte angefangen. Allein bis Ende 1914 waren schon 800.000 Soldaten gefallen. Die Stellungskriege in Belgien und Frankreich kosteten im Frühjahr 1915 Hunderttausende Tote. Allein an einem Tag starben 60.000 Soldaten an der Somme. An der Front kehrte schnell Ernüchterung ein, vor allem aber an der “Front zu Hause” wurde die Arbeiterklasse ins Elend gestürzt. Frauen wurden in die Kriegsproduktion gezerrt, Nahrungsmittel wurden horrend teuer und später rationiert. Am 18. März 1915 kam es zur ersten Frauendemo gegen den Krieg. Vom 15.-18. Okt. wurden blutige Zusammenstöße von Anti-Kriegsdemonstranten mit Polizei in Chemnitz gemeldet, am 30. Nov. 1915 demonstrierten ca. 10-15.000 gegen den Krieg in Berlin. Auch in anderen Ländern kam Bewegung in die Arbeiterklasse. In Österreich brachen zahlreiche ‘wilde’ Streiks gegen den Willen der Gewerkschaften aus. In England streikten 250.000 Bergarbeiter in Südwales, in Schottland streikten Maschinenbauer im Clydetal, in Frankreich gab es Streiks im Textilbereich.
Die Arbeiterklasse hatte angefangen, langsam aus der nationalistischen Benebelung zu erwachen und wieder ihre Interessen als Ausgebeutete zu manifestieren. Der Burgfrieden geriet allmählich ins Wanken.
Die Revolutionäre international
Mit der Auslösung des 1. Weltkriegs und dem Verrat verschiedener Parteien der 2. Internationale war eine Epoche zu Ende gegangen. Die Internationale war damit gestorben, denn einige ihrer Mitgliedsparteien vertraten nicht mehr eine internationalistische Richtung, sondern waren auf die Seite der jeweiligen nationalen Bourgeoisie übergewechselt. Eine Internationale, aus verschiedenen nationalen Mitgliederparteien zusammengesetzt, verrät als solche nicht; sie stirbt dann, verliert ihre Rolle für die Arbeiterklasse, kann als solche nicht mehr aufgerichtet werden.
Aber der Krieg hatte zu einer Polarisierung innerhalb der internationalen Arbeiterbewegung geführt: Auf der einen Seite die Parteien, die Verrat betrieben hatten, auf der anderen Seite die revolutionäre Linke, die konsequent und unnachgiebig revolutionäre Positionen vertrat, aber anfänglich nur eine kleine Minderheit bildete.
Dazwischen trieb eine zentristische Strömung, die zwischen den Verrätern und den Internationalisten schwankte und ständig zögerte, klar und unzweideutig Stellung zu beziehen und keinen klaren Bruch mit den Sozialpatrioten herbeiführen wollte.Innerhalb Deutschlands selbst war die Opposition gegen den Krieg ebenfalls sehr früh in mehrere Gruppierungen gespalten:
- auf der einen Seite die Zögernden, von denen die meisten der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion angehörten; Haase, Ledebour, waren einige bekannte Namen.
- die Gruppe um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, DIE INTERNATIONALE, die ab 1916 den Namen “Spartakusgruppe” annahm,
- die Gruppen um die “Bremer Linke” (Bremer Bürgerzeitung, die ab Juli 1916 erschien), mit Knief, K. Radek an ihrer Spitze, die Gruppe um Borchardt (Lichtstrahlen), dann in verschiedenen Städten (Hamburg: Wolfheim, Lauffenberg), Dresden: Rühle. Ab Ende 1915 firmierten die Bremer Linken und Borchardt unter dem Namen Internationale Sozialisten Deutschland (ISD).
Nach einer ersten Phase der Desorientierung und unterbrochener Kontakte konnten ab Frühjahr die Internationale Sozialistische Frauenkonferenz vom 26. bis 28. März, die Internationale Sozialistische Jugendkonferenz vom 5. bis 7. April 1915 jeweils in Bern abgehalten werden. Und nach mehrmaligem Verschieben konnten sich vom 5. bis 8. Sept. 1915 in Zimmerwald (in der Nähe von Bern) 37 Delegierte aus 12 europäischen Ländern treffen. Die zahlenmäßig stärkste Delegation war die deutsche, ihr gehörten 10 Vertreter an, die 3 oppositionelle Gruppen repräsentierten: die Zentristen, die Gruppe “Internationale” (E. Meyer, B. Thalheimer), von den ISD (Internationale Sozialisten Deutschlands) Julian Borchardt. Während die zentristischen Kräfte nur für die Beendigung des Krieges - ohne Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse - eintraten, stellten die Linken den Zusammenhang zwischen Krieg und Revolution in den Mittelpunkt. Die Zimmerwalder Konferenz endete nach heftigen Diskussionen mit der Annahme eines Manifestes, in dem die Arbeiter aller Länder aufgefordert wurden, durch unversöhnlichen proletarischen Klassenkampf für die Befreiung der Arbeiterklasse, für die Ziele des Sozialismus einzutreten. Dagegen hatten die Zentristen sich gegen die Betonung des organisatorischen Bruch mit dem Sozialchauvinismus gestellt und die Forderung nach dem Sturz der eigenen imperialistischen Regierung verhindert. Das Zimmerwalder Manifest sollte dennoch eine große internationale Ausstrahlung auf die Arbeiter und Soldaten haben. Auch wenn es ein Kompromiss war, der von den linken Kräften selbst kritisiert wurde, da die Zentristen noch zu stark vor klaren Stellungnahmen zurückweichen konnten, war es ein Schritt hin zum Zusammenschluss der revolutionären Kräfte.
In einem früheren Artikel der International Review (Nr. 44) haben wir die Schwächen gerade der Gruppe “Internationale” kritisiert, die anfänglich noch zögerlich war, die Notwendigkeit des Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg anzuerkennen.
Das Kräfteverhältnis gerät ins Wanken
Während die Klasse insgesamt langsam anfing, aus dem Taumel des Nationalismus zu erwachen, hatten die Revolutionäre ihren Zusammenschluss vorangetrieben. Ihre Intervention stieß auf ein immer größeres Echo.
Am 1. Mai 1916 demonstrierten ca. 10.000 Teilnehmer gegen den Krieg. Liebknecht ergriff das Wort und rief: “Nieder mit dem Krieg, nieder mit der Regierung”. Daraufhin wurde er verhaftet, was eine Protestwelle auslösen sollte. Das mutige Auftreten K. Liebknechts diente als Ansporn und Orientierung. Die Entschlossenheit der Revolutionäre- gegen den sozialpatriotischen Strom zu schwimmen und die proletarischen Prinzipien weiter zu verteidigen, trieb sie nicht in eine größere Isolierung, sondern wirkte als Aufforderung für den Rest der Klasse, selbst in den Kampf zu treten.
Im Mai 1916 traten Bergleute im Kreis Beuthen für Lohnerhöhungen in den Streik. In Leipzig, Braunschweig, Koblenz kam es zu Demonstrationen hungernder Arbeiter und Kundgebungen gegen Lebensmittelwucher. Über Leipzig wurde der Belagerungszustand verhängt. Aber die Aktionen der Revolutionäre, die Tatsache, dass trotz Zensur und Versammlungsverboten sich die Nachricht vom zunehmenden Widerstand gegen den Krieg immer mehr ausbreitete, sollte der Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse insgesamt weiter Auftrieb geben.
Am 27. Juni 1916 demonstrierten 25.000 Arbeiter in Berlin gegen die Verhaftung Liebknechts. Einen Tag später kam es zum ersten politischen Massenstreik gegen die Verhaftung Liebknechts, ca 55.000 Arbeiter streikten. In Braunschweig, Bremen, Leipzig und vielen anderen Städten kam es auch zu Solidaritätskundgebungen und Hungerdemonstrationen. In nahezu einem Dutzend Städten versammelten sich Arbeiter. Wir haben hier eine Verdeutlichung des Verhältnisses zwischen den Revolutionären und der Arbeiterklasse. Die Revolutionäre stehen nicht außerhalb der Arbeiterklasse oder irgendwie über ihr, sondern sind nur der entschlossenste, klarste und in politischen Organisationen zusammengefasste Teil. Ihre Ausstrahlung hängt aber selbst von der ‘Empfangsbereitschaft’ der Arbeiterklasse insgesamt ab. Wenn die organisierte Anhängerschaft der Spartakusbewegung noch klein war, so folgten doch schon Hunderttausende ihren Losungen. Sie war Träger der Massenstimmung geworden. Der Burgfrieden hatte seine bändige Kraft verloren. Das Erwachen begann.
Das Kapital selbst versuchte die Revolutionäre von der Arbeiterklasse zu isolieren, denn gerade in dieser Phase löste es eine Repressionswelle aus. Viele Mitglieder des Spartakusbundes wurden in ‘Schutzhaft’, genommen. So Rosa Luxemburg, nahezu die ganze Zentrale des Spartakusbundes wurde in der zweiten Hälfte 1916 verhaftet. Viele Spartakisten wurden, nachdem sie in Sitzungen der SPD Flugblätter verteilt hatten, von den SPD-Funktionären denunziert; die Polizeizellen waren gefüllt mit Spartakisten.
Die Schlachten an der Westfront (Verdun) hinterließen immer mehr Opfer, gleichzeitig verlangte das Kapital in den Fabriken den an der ‘Heimatfront’ kämpfenden Arbeitern immer mehr ab. Ein Krieg kann nur geführt werden, wenn die Arbeiterklasse bereit ist, ihr ganzes Leben für das Kapital zu opfern. Und hier stieß das Kapital auf einen immer stärkeren Widerstand.
Die Proteste gegen den Hunger rissen nicht mehr ab (die Bevölkerung erhielt nur ein Drittel ihres Kalorienbedarfs!) . Im Herbst 1916 gab es nahezu jeden Tag in einer größeren Stadt Proteste und Demos - im Sept. in Kiel, im Nov. in Dresden, im Jan. 1917 die Bergarbeiter im Ruhrgebiet. Das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit begann sich hier langsam zu wenden.
Auch innerhalb der SPD selbst geriet die sozialpatriotische Führung immer mehr in Bedrängnis. Auch wenn sie noch durch enge Zusammenarbeit mit der Polizei jeweils oppositionelle Arbeiter durch das Militär verschleppen ließ, auch wenn sie durch Manipulationen bei Abstimmungen innerhalb der Partei die Mehrheitsverhältnisse zu ihren Gunsten aufrechterhalten konnte, der wachsende Widerstand gegen ihre Haltung war nicht mehr kleinzukriegen. Die SPD-Führung geriet immer mehr in die Minderheit. Ab Herbst 1916 beschlossen immer mehr Ortsvereine eine Beitragssperre für den Vorstand. Die Opposition strebte zu diesem Zeitpunkt nach dem Zusammenschluss ihrer Kräfte, um den Vorstand auszuhebeln und die Partei wieder in ihre Hände zu bekommen.
Der SPD-Vorstand sah klar, wie sich dieses Kräfteverhältnis zu seinen Ungunsten entwickelte. Nachdem sich die Opposition am 7. Januar 1917 auf einer Reichskonferenz getroffen hatte, beschloss der Vorstand den Ausschluss aller Oppositionellen. Die Spaltung war vollzogen. Der organisatorische Bruch war da! Die internationalistischen Aktivitäten und das politische Leben der Arbeiterklasse konnte sich nicht mehr innerhalb der SPD entwickeln, sondern nunmehr nur noch außerhalb. Das proletarische Leben innerhalb der SPD war ausgelöscht, nachdem die revolutionären Minderheiten ausgeschlossen worden waren. Eine Arbeit innerhalb der SPD war nicht mehr möglich, die Revolutionäre mussten sich außerhalb organisieren. (3)
Die Opposition stand nunmehr vor der Frage, welche Organisation neu errichten? An dieser Stelle sei nur gesagt, dass zu diesem Zeitpunkt, im Frühjahr 1917, die verschiedenen Strömungen innerhalb des linken Lagers in Deutschland verschiedene Richtungen einschlugen.
Wie die Organisationsarbeit zum damaligen Zeitpunkt einzuschätzen war, werden wir in einem nächsten Artikel näher aufgreifen.
Die russische Revolution - Auftakt der revolutionären Welle
Gleichzeitig hatte international der Druck der Arbeiterklasse gegen den Krieg einen entscheidenden Durchbruch erzielt. Im Februar (März westeuropäischer Zeitrechnung) hatten in Russland die Arbeiter und Soldaten bei ihrem Kampf gegen den Krieg wie schon 1905 Arbeiter- und Soldatenräte errichtet. Der Zar wurde gestürzt. Eine revolutionäre Entwicklung hatte in Russland eingesetzt, die sehr schnell ein Echo in den Nachbarländern, ja auf der ganzen Welt finden sollte. Dies ließ in den Reihen der Arbeiter Hoffnung aufkommen.
Die weitere Entwicklung der Kämpfe kann nur verstanden werden im Lichte der Revolution in Russland. Denn die Tatsache, dass die Arbeiterklasse in einem Land den Herrscher gestürzt hatte, anfing, an den kapitalistischen Grundmauern zu rütteln, wirkte wie ein Leuchtstern, auf den die Arbeiterklasse in der ganzen Welt zu blicken begann. Nicht nur in den Nachbarländern, sondern weltweit. Die Kämpfe der Arbeiterklasse in Russland sollten vor allem eine große Ausstrahlung in Deutschland haben.
Im Ruhrgebiet kam es vom 16. bis 22. Februar 1917 zu einer Streikwelle. Weitere Massenaktionen gab es in zahlreichen anderen deutschen Städten. Es sollte keine Woche mehr ohne größere Widerstandsaktionen mit Forderungen nach Lohnerhöhungen und besserer Lebensmittelversorgung vergehen. In nahezu allen Großstädten wurde von Lebensmittelunruhen berichtet. Als im April eine erneute Kürzung der Lebensmittelrationen angekündigt wurde, schwappte die Wut der Arbeiterklasse über. Ab dem 16. April kam es zu einer großen Welle von Massenstreiks in Berlin, Leipzig, Magdeburg, Hannover, Braunschweig, Dresden. Das Militär, führende bürgerliche Politiker, Gewerkschaftsführer und die SPD-Führer Ebert und Scheidemann berieten gemeinsam, wie sie der Streikbewegung Herr werden können.
In mehr als 300 Betrieben streikten ca. 300.000 Arbeiter. In den Straßen bildeten sich Demonstrationszüge. Es war nach den Streiks gegen die Verhaftung Liebknechts im Juli 1916 der zweite große Massenstreik. “Unzählige Versammlungen fanden in Lokalen und unter freiem Himmel statt, es wurden Reden gehalten und Beschlüsse gefasst. So ist im Nu der Belagerungszustand durchbrochen worden und zerflossen in nichts, sobald die Masse sich rührte und entschlossen von der Straße Besitz ergriff.” (Aus Spartakusbriefe, April 1917).
Die Arbeiterklasse in Deutschland trat damit in die Fußstapfen ihrer Klassenbrüder in Russland, die in einem gewaltigen Massenkampf dem Kapital entgegentraten.
Sie kämpften genau mit den Mitteln, die Rosa Luxemburg in ihrer Schrift “Massenstreik” nach den Kämpfen 1905 geschrieben hatte: Massenversammlungen, Demonstrationen, Kundgebungen, Diskussionen und gemeinsame Beschlüsse in den Betrieben, Vollversammlungen bis hin zur Bildung von Arbeiterräten.
Nachdem die Gewerkschaften ab 1914 in den Staat integriert worden warten, dienten sie nunmehr als Bollwerk gegen die Abwehrkämpfe der Arbeiter. Sie sabotierten den Kampf der Arbeiter mit allen Mitteln. Die Arbeiter mussten sich selber organisieren, sich selbst aktivieren, sich selbst zusammenschließen. Keine vorher aufgebaute Organisation nahm ihnen diese Arbeit ab. Und die Arbeiterklasse in Deutschland, dem höchst entwickelten Industrieland der damaligen Zeit, zeigte ihre Fähigkeit, sich selbst zu organisieren. Entgegen dem Gerede, das uns heute noch unaufhörlich präsentiert wird, ist die Arbeiterklasse sehr wohl dazu fähig, massenhaft in den Kampf zu treten. Dazu konnte sie ihren Kampf nicht mehr in gewerkschaftlichen Bahnen führen, wo in den verschiedenen, voneinander getrennten Berufszweigen jeweils um Reformen gerungen wurde. Die Arbeiterklasse schloss sich über alle Berufsgruppen, Fabrikzweige hinweg zusammen und trat ein für Forderungen, die alle Arbeiter vereinigten: Brot und Frieden, die Freilassung ihrer revolutionären Kräfte. Überall erscholl der Ruf nach der Freilassung K. Liebknechts.
Die Kämpfe konnten vorher nicht mehr sorgfältig, generalstabsmäßig vorbereitet werden, wie im vorigen Jahrhundert. Aufgabe einer politischen Organisation war es, eine politische Führungsrolle in diesen Kämpfen zu spielen, und nicht die Klasse zu organisieren.
Bei dieser Streikwelle waren die Arbeiter zum ersten Mal voll mit den Gewerkschaften zusammengeprallt. Während die Gewerkschaften im vorigen Jahrhundert von den Arbeitern selbst geschaffen worden waren, während sie zu Kriegsbeginn schon als Stützpfeiler für das Kapital in den Fabriken dienten, sollten sie nunmehr eine Hürde für den Kampf der Arbeiter selber werden. Die Arbeiter in Deutschland machten als erste die Erfahrung, dass sie nunmehr in den Kampf nur gegen den Widerstand der Gewerkschaften treten konnten.
Die Auswirkungen der begonnenen Revolution in Russland griffen vor allem auch auf die Reihen der Soldaten über. Nach dem Beginn der russischen Revolution debattierten die Soldatenmassen mit größter Erregtheit das Geschehen, an der Ostfront häuften sich Verbrüderungen zwischen russischen und deutschen Soldaten. Im Sommer 1917 kam es dann im Juli zu den ersten Meutereien in der deutschen Flotte. Zwar konnte auch hier noch eine blutige Repression die ersten Flammen wieder ersticken, aber die Ausdehnung und Intensivierung des revolutionären Elans ließ sich langfristig nicht mehr aufhalten. Die Spartakusanhänger und Angehörige der Bremer Linksradikalen hatten einen großen Einfluss auf Matrosen
Auch in den Industriestädten rumorte der Widerstand weiter: Vom Ruhrgebiet über Mitteldeutschland, Berlin und Küste, überall war die Klasse dabei, dem Kapital die Stirn zu zeigen. Am 16. Juli erließen die Arbeiter in Leipzig einen Aufruf, dass sich die Arbeiter in anderer Städte ihnen anschließen sollten.
Die Intervention der Revolutionäre
Die Spartakisten standen bei diesen Bewegungen an vorderster Stelle. Vom Frühjahr 1917 an hatten sie die Bedeutung der Entwicklung in Russland erkannt. Sie waren die Kräfte, die die Brücke zur Arbeiterklasse in Russland schlagen, die die Perspektive des internationalen Ausdehnung der revolutionären Kämpfe in Russland aufzeigten wollten. In ihren Schriften, in Flugblättern, in Redebeiträgen, in den Betrieben - immer wieder traten sie gegen die schwankenden, zögernden, vor klaren Stellungnahmen sich drückenden Zentristen an und trugen zum Begreifen der neuen Lage bei. Immer wieder entblößten sie den Verrat der Sozialpatrioten und zeigten den Weg auf, wie die Arbeiterklasse zu ihrem Klassenterrain zurückfinden konnte.
Die Spartakisten pochten unaufhaltsam darauf:
- wenn die Arbeiterklasse ein ausreichend großes Kräfteverhältnis entwickeln könnte, würde sie den Krieg zu Ende bringen und den Sturz der Kapitalistenklasse herbeiführen können,
- dazu war es aber notwendig, die revolutionäre Flamme, die die Arbeiterklasse in Russland angezündet hatte, weiterzutragen. An entscheidender Stelle stand die Arbeiterklasse in Deutschland!
“In Russland haben Arbeiter und Bauern... die alte zarische Regierung gestürzt und die Leitung ihrer Geschicke selbst in die Hand genommen. Streiks und Arbeitseinstellungen von gleicher Zähigkeit und Geschlossenheit bringen uns in der gegenwärtigen Zeit nicht nur kleine Erfolge, sondern das Ende des Völkermordens, bringen den Sturz der deutschen Regierung und der ..... Die Arbeiterklasse war nie mächtiger als jetzt im Krieg, wenn sie geschlossen, solidarisch handelnd und kämpfend sich betätigt, die herrschende Klasse nie sterbliche .r.... Nur die deutsche Revolution kann allen Völkern den heißersehnten Frieden und die Freiheit bringen. Die siegreiche russische Revolution im Bunde mit der siegreichen deutschen Revolution sind unbesiegbar. Von dem Tage an, wo unter den revolutionären Schlägen des Proletariats die deutsche Regierung samt dem deutschen Militarismus zusammenbricht, beginnt ein neues Zeitalter: ein Zeitalter, in dem Kriege, kapitalistische Ausbeutung und Bedrückung für immer verschwinden müssen.” (Flugblatt der Spartakisten, April 1917,
“Die Herrschaft der Reaktion und der imperialistischen Klassen in Deutschland gilt es zu brechen, wenn wir dem Völkermord ein Ende machen wollen... Nur durch Massenkampf, durch Massenauflehnung, durch Massenstreiks, die das ganze wirtschaftliche Getriebe und die gesamte Kriegsindustrie zum Stillstand bringen, nur durch Revolution und die Erringung der Volksrepublik in Deutschland durch die Arbeiterklasse kann dem Völkermord ein Ziel gesetzt und der allgemeine Frieden herbeigeführt werden. Und nur so kann auch die russische Revolution gerettet werden.”
“Die internationale Katastrophe vermag nur das internationale Proletariat zu bändigen. Den imperialistischen Weltkrieg kann nur eine proletarische Weltrevolution liquidieren.” (Spartakus Nr. 6, Aug. 1917)
Die Linksradikalen waren sich ihrer Verantwortung bewusst und sahen was auf dem Spiel stand, wenn die Revolution in Russland isoliert bleiben sollte: “ ..... das Schicksal der russischen Revolution: sie kann lediglich als Prolog der europäischen Revolution des Proletariats ihr Ziel erreichen. Werden hingegen die europäischen, die deutschen Arbeiter dem spannenden Schauspiel weiter wohlwollend zuschauen und nur die Zaungäste spielen, dann darf die russische Sowjetherrschaft nichts anderes gewärtigen (erwarten) als das Geschick der Pariser Kommune [sprich die blutige Niederschlagung].” (Spartacus, Jan. 1918)Deshalb musste gerade das Proletariat in Deutschland, das an der Schlüsselstelle zur Ausdehnung der Revolution stand, seine historische Rolle wahrnehmen. “Das deutsche Proletariat ist der treueste, zuverlässigste Verbündete der russischen und internationalen proletarischen Revolution.” (Lenin)
Überprüfen wir die Intervention der Spartakisten inhaltlich, können wir erkennen, dass sie klar, internationalistisch war und die richtige Orientierung für den Kampf der Arbeiter gab: Sturz der Regierung, die Perspektive: ein weltweiter Umsturz der kapitalistischen Gesellschaft, Bloßlegung der Sabotagetaktiken der Kräfte der Bourgeoisie.
Die Ausdehnung der Revolution auf die Zentren des Kapitalismus lebenswichtig
Während die Bewegung der Arbeiterklasse in Russland vom Februar 1917 gegen den Krieg gerichtet war, war die Arbeiterklasse in Russland selber zu schwach gewesen, den Krieg zu Ende zu bringen. Dazu ist es nötig, dass die Arbeiterklasse in den Industriehochburgen selber auf den Plan tritt. Die Arbeiter in Russland waren sich dieser Notwendigkeit bewusst, und unmittelbar nachdem sie im Okt. 1917 die Macht übernommen hatten, sandten sie sofort einen Appell an die Arbeiterklasse in den kriegführenden Ländern mit dem Aufruf:
“Die Arbeiter- und Bauernregierung, die durch die Revolution vom 24/25. Oktober geschaffen wurde und sich auf die Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten stützt, schlägt allen kriegführenden Völkern und ihren Regierungen vor, sofort Verhandlungen über einen gerechten demokratischen Frieden aufzunehmen.” (26. Nov. 1917).
Die Weltbourgeoisie war sich jedoch der Gefahr, die für ihre Klassenherrschaft von dieser Lage ausging, voll bewusst. Sie wollte deshalb alles unternehmen, um die in Russland angezündete Flamme zu erlöschen. Deshalb setzte die deutsche Bourgeoisie ihre Kriegsoffensive gegen Russland fort, nachdem sie im Jan. 1918 den Friedensabschluss von Brest-Litowsk unterzeichnet hatte.
Die Spartakisten hatten gegenüber diesen Friedensverhandlungen in einem Flugblatt “Die Stunde der Entscheidung” im Dez. 1917 gewarnt: “Auch für das deutsche Proletariat schlägt nunmehr die Stunde der Entscheidung! Seid auf der Hut! Denn gerade durch diese Verhandlungen beabsichtigt die deutsche Regierung, dem Volke Sand in die Augen zu streuen, das Elend und den Jammer des Völkermordens noch zu verlängern und zu verschärfen.. Die Regierung und die deutschen Imperialisten verfolgen nur durch neue Mittel ihre alten Ziele. Unter dem Deckmantel des Selbstbestimmungsrechts der Nationen sollen aus den besetzten russischen Provinzen Zwergstaaten geschaffen werden, damit sie - zu einer Scheinexistenz verdammt und von den deutschen ‘Befreiern’ wirtschaftlich wie politisch abhängig - später bei der ersten günstigen Gelegenheit , von ihnen regelrecht verspeist werden können.”
Es dauerte jedoch noch ein weiteres Jahr, bis die Arbeiterklasse in Industriezentren selbst stark genug war, um den imperialistischen, mörderischen Arm der jeweiligen Bourgeoisie zurückzuhalten. Aber die Ausstrahlung der siegreichen Revolution in Russland auf der einen Seite sowie die Intensivierung des Krieges durch die Imperialisten auf der anderen Seite führten jedoch nur zur einer noch größeren Entschlossenheit der Arbeiterklasse, den Krieg zu Ende zu bringen.
Die revolutionäre Flamme griff langsam auf andere Länder über.
* In Finnland wurde im Jan. 1918 ein Arbeiterkomitee gegründet, das die Machtergreifung vorbereitete. Die Kämpfe in Finnland wurden dann im März militärisch niedergeschlagen. Das deutsche Militär mobilisierte alleine über 15.000 Soldaten. Bilanz der massakrierten Arbeiter: mehr als 25.000.
* Am 15. Jan. 1918 begann in Wiener Neustadt ein politischer Massenstreik, der sich über fast alle Teile der Habsburger Monarchie ausbreitete. In Brünn, Budapest, Graz, Prag, Wien und in anderen Städten kam es zu gewaltigen Demos für Frieden. Ein Arbeiterrat wurde gebildet, der die Aktionen der Arbeiterklasse bündelte. Am 1. Februar 1918 erhoben sich die Matrosen der österreichisch-ungarischen Flotte im Kriegshafen Cattaro gegen die Weiterführung des Krieges und verbrüderten sich mit den streikenden Arsenalarbeitern.
Zur gleichen Zeit fanden Streiks in England, Frankreich und Holland statt (siehe dazu Artikel in International Revue Nr. 80).
Die Januarkämpfe: Die SPD Speerspitze der Bourgeoisie gegen die Arbeiter
Nachdem die deutsche Regierung die Offensive gegen die junge revolutionäre Arbeitermacht in Russland fortsetzen wollte, kochte die Wut in den Reihen der Arbeiter in Deutschland über. Am 28. Januar traten in Berlin 400.000 Arbeiter in den Streik. Vor allem Rüstungsbetriebe wurden bestreikt. Am 29. Jan. erhöhte sich die Zahl der Streikenden gar auf 500.000. Die Bewegung pflanzte sich in andere Städte in Deutschland fort: In München erließ eine Streikversammlung folgenden Aufruf: “Die streikenden Arbeiter Münchens entbieten ihre brüderliche Grüße den belgischen, französischen, englischen, italienischen, russischen, amerikanischen Arbeitern. Wir fühlen uns eins mit Euch in dem Entschluss, dem Weltkrieg sofort ein Ende zu bereiten... Wir wollen gemeinsam den Weltfrieden erzwingen (..) Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!” (zitiert von R. Müller, S. 148)
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In dieser größten Massenbewegung im Krieg bildeten die Arbeiter in Berlin einen Arbeiterrat. Ein Flugblatt der Spartakisten rief dazu folgendermaßen auf:
“Wir müssen eine freigewählte Vertretung nach russischem und österreichischem Muster schaffen mit der Aufgabe, diesen und die weiteren Kämpfe zu leiten. Jeder Betrieb wählt pro 1000 Beschäftigten je einen Vertrauensmann.” Insgesamt kamen über 1.800 Delegierte zusammen.
Die Belegschaften wurden von den Spartakisten dazu aufgerufen, dass die “Gewerkschaftsführer, Regierungssozialisten und andere ‘Durchhalter’ unter keinen Umständen in die Vertretungen gewählt werden ..... Diese Handlanger und freiwilligen Agenten der Regierung, diese Todfeinde des Massenstreiks haben unter den kämpfenden Arbeitern nichts zu suchen (…) während des Massenstreiks im April 1917 haben sie in heimtückischer Weise der Streikbewegung das Genick gebrochen, indem sie die Unklarheit der Masse ausnutzten und den Kampf auf falsche Bahnen lenkten ..... von diesen Wölfen im Schafspelz droht der Bewegung eine viel schlimmere Gefahr als von der königlich-preußischen und anderweitigen Polizei.”. Im Mittelpunkt der Forderungen standen: Frieden, Zuziehung von Arbeitervertretern aller Länder zu den Friedensverhandlungen ..... Die Versammlung der Arbeiterräte rief dazu auf: “Wir richten an die Proletarier Deutschlands wie der anderen kriegführenden Länder insgesamt die dringende Aufforderung, wie schon die Arbeitskollegen in Österreich-Ungarn erfolgreich uns vorangegangen sind, so nunmehr gleichfalls in Massenstreiks einzutreten, denn erst der gemeinsame internationale Klassenkampf schafft uns endgültig Frieden, Freiheit und Brot.” Ein weiteres Flugblatt der Spartakisten betonte: “Wir müssen mit der Reaktion ‘russisch’ reden.” Es rief dazu auf, gemeinsam Demonstrationen auf der Straße durchzuführen.
Nachdem sich ca. 1 Mio. Arbeiter der Bewegung angeschlossen hatten, schlug die herrschende Klasse eine Taktik ein, die sie sie später immer wieder gegen die Arbeiterklasse einsetzte. Sie schaffte es, drei Vertreter der SPD in den Aktionsausschuß / Streikleitung zu schicken, die ihre ganze Kraft für den Abbruch der Streiks einsetzten. Sie waren die Saboteure von Innen. Ebert gab unumwunden zu: “Ich bin mit der bestimmten Absicht in die Streikleitung eingetreten, den Streik zum schnellen Abschluss zu bringen und eine Schädigung des Landes zu verhüten’. ‘Es war ja schließlich die Pflicht der Arbeiter daheim, ihre Brüder und Väter an der Front zu stützen und ihnen das Beste an Waffen zu liefern, was es gibt. Die Arbeiter Frankreichs und Englands verlieren auch nicht eine Arbeitsstunde, um ihren Brüdern an der Front zu helfen. Der Sieg ist selbstverständlich der Wunsch jedes Deutschen.” (Ebert, 31.Jan.1918) Die Arbeiter sollten ihre Illusionen über die SPD und ihre Führer noch teuer zu zahlen haben.
Nachdem die SPD die Arbeiter seit 1914 für den Krieg mobilisiert hatte, trat sie jetzt mit aller Kraft den Streiks entgegen. Das zeigt die Klarheit und den Überlebensinstinkt der herrschenden Klasse, wie bewusst sie sich war über die Gefährlichkeit der Arbeiterklasse. Die Spartakisten hatten die tödliche Gefahr, die von der Sozialdemokratie ausging erkannt, und warnten die Arbeiter vor ihnen. Aber selbst die heimtückischen Methoden der Sozialdemokratie reichten nicht.
Denn gleichzeitig musste die herrschende Klasse direkt mit dem Militär brutal gegen die Streikenden vorgehen. Ein Dutzend Arbeiter wurden erschossen, mehrere Zehntausend Streikende zwangsrekrutiert... obgleich diese Zwangsrekrutierten in den darauffolgenden Monaten in der Armee agitierten und zu deren Destabilisierung beitrugen. Die Streiks wurden dann am 3. Februar abgebrochen.
Wir sehen hier, dass die Arbeiterklasse in Deutschland genau die gleichen Kampfmittel einsetzte, Massenstreik, gewählte und abwählbare Delegierte, massives Zusammenkommen auf der Straße... Dies sind seitdem die ‘klassischen’ Waffen der Arbeiterklasse.
Die Spartakisten gaben auch dieser Bewegung die richtige Ausrichtung, hatten aber selbst noch keinen ausschlaggebenden Einfluss. “Unter den Delegierten waren eine Menge unserer Leute gewesen, nur waren sie zersplittert, hatten keinen Aktionsplan und verschwanden in der Menge.” (Barthel, S. 591) Mit entscheidend war aber die Sabotagearbeit der Sozialdemokratie:
Diese Schwäche der Revolutionäre und die Sabotagearbeit der Sozialdemokratie waren die entscheidenden Faktoren für die Beendigung der Bewegung zum damaligen Zeitpunkt.
“Wenn wir nicht in das Streikkomitee hineingegangen wären (…) dann wäre der Krieg und alles andere meiner festen Überzeugung nach schon im Januar erledigt gewesen (…) Es bestand die Gefahr des totalen Zusammenbruchs und des Eintritts russischer Zustände. Durch unser Wirken wurde der Streik bald beendet und alles in geregelte Bahnen gelenkt.” (Scheidemann)
Wir können sehen, dass die Bewegung in Deutschland auf einen viel stärkeren Widerstand stoßen sollte als in Russland. Die Kapitalistenklasse hatte schon die Lehren gezogen, um gegenüber der Arbeiterklasse in Deutschland wie anderswo mit allen Mitteln vorzugehen.
Hier schon bewies die SPD, wie sie Fußangeln aufstellen konnte, und der Bewegung die Spitze brach. In den später folgenden Kämpfen sollte sich dies als noch verheerender erweisen. Die Januar-Niederlage der Arbeiterklasse gab dem Kapital wiederum die Möglichkeit, seinen Krieg noch einige Monate fortzusetzen. Im Laufe des Jahres 1918 sollte das Militär weitere Offensiven einleiten. Sie kosteten allein in Deutschland 1918 550.000 Tote und nahezu 1 Mio. Verwundete.
Nach der Niederlage der Arbeiter im Jan. 1918 war die Kampfbereitschaft trotzdem aber ungebrochen geblieben -und gerade unter dem Druck der sich weiter verschlechternden militärischen Lage desertierten immer mehr Soldaten, die Front fing an zu bröckeln. Ab dem Sommer 1918 nahm die Streikbereitschaft in den Betrieben wieder zu. Das Militär musste offen eingestehen, dass die Fronten sich nicht mehr halten lassen könnten. Es drängte auf einen Waffenstillstand.
Und die herrschende Klasse hatte eine entscheidende Lehre aus Russland gezogen. Während im April 1917 die deutsche Bourgeoisie noch Lenin im verplombten Zug durch Deutschland rollen ließ, in der Hoffnung, die russischen Revolutionäre würden dort für Chaos sorgen und damit die deutschen imperialistischen Ziele erleichtern (dass dann später im Okt. 1917 eine proletarische Revolution entstand, hatten die deutschen Militärs nicht erwartet), musste jetzt eine revolutionäre Entwicklung wie in Russland vermieden werden.
Die SPD wurde in eine neugebildete Regierung mit einbezogen, sie sollte als Puffer dienen. “Wenn wir jetzt unter allen Umstände unsere Mitarbeit verweigern, dann wäre mit der sehr ernsten Gefahr zu rechnen, ..... dass dann die Bewegung über uns hinweggeht und ein bolschewistisches Regime vorübergehend auch bei uns Platz greifen würde.” (G. Noske, 23.09.1918.
In den Fabriken brodelte es, immer wieder brachen an verschiedenen Orten Streiks aus. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Massenstreikbewegung das ganze Land erfassen würde. Die aufsteigende Kampfbereitschaft lieferte dann den Nährboden für die Reaktion der Soldaten selber. Denn als das Militärs im Okt. eine neuen Flottenoffensive befahl, kam es zu Meutereien. Die Matrosen von Kiel und anderen Ostseehäfen weigerten sich auszulaufen. Am 3. Nov. erhob sich eine Welle von Protesten und Streiks gegen den Krieg. Überall wurden Arbeiter- und Soldatenräte gegründet. Innerhalb einer Woche war ganz Deutschland von einer Welle von Arbeiter- und Soldatenräte ‘überrollt’.
Während in Russland die Fortsetzung des Krieges unter der Kerenski-Regierung nach Februar 1917 den entscheidenden Anstoß für den Arbeiterkampf geliefert, dass die Arbeiter im Okt. 1917 selber die Macht ergriffen und den Krieg beenden wollte, setzte die herrschende Klasse in Deutschland, die besser gerüstet war als die russische, alles daran, ihre Macht zu verteidigen.
Am 11. Nov., d.h. eine Woche nach der rapiden Ausdehnung der Arbeiterkämpfe, dem Entstehen von Arbeiter- und Soldatenräten, wurde der Waffenstillstand vereinbart. In Deutschland beging die Bourgeoisie also nicht den Fehler, den Krieg ‘koste was es wolle’ gegen die Welle von Arbeiterkämpfen fortzusetzen. Mit der Beendigung des Krieges versuchte sie der Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen, damit es nicht zu einer Ausdehnung der Revolution kam. Darüber hinaus schickte sie ihr stärkstes Geschütz ins Feld: die SPD - mit den Gewerkschaften an ihrer Seite.
“Der Regierungssozialismus stellt sich mit seinem jetzigen Eintritt in die Regierung als Retter des Kapitalismus der kommenden proletarischen Revolution in den Weg. Die proletarische Revolution wird über seine Leiche hinwegschreiten.” (Spartakus-Brief Okt. 1918)
Ende Dezember schrieb Rosa Luxemburg: “In allen früheren Revolutionen traten die Kämpfer mit offenem Visier in die Schranken: Klasse gegen Klasse, Programm gegen Programm, Schild gegen Schild... In der heutigen Revolution treten die Schutztruppen der alten Ordnung nicht unter eigenen Schildern und Wappen der herrschenden Klassen, sondern unter der Fahne einer ‘sozialdemokratischen Partei’ in die Schranken. Es ist eine sozialistische Partei, es ist das ureigenste Geschöpf der Arbeiterbewegung und des Klassenkampfes, das sich in das wuchtigste Instrument der bürgerlichen Gegenrevolution verwandelt hat.” (Rosa Luxemburg, Ein Pyrrhussieg, 21.Dez.1918.
Wir werden in einem nächsten Artikel auf die konterrevolutionäre Rolle der SPD und die weitere Entwicklung der Kämpfe eingehen.
Die Beendigung des Krieges nur möglich durch das Wirken der Revolutionäre
Die Arbeiterklasse in Deutschland hätte nie diese Kraft entfalten können ohne die systematische Hilfe und Intervention der Revolutionäre in ihren Reihen. Der Übergang vom Rausch des Hurrapatriotismus in großen Teilen der Arbeiterklasse 1914 bis hin zur Erhebung im Nov. 1918 , und zur erfolgreichen Beendigung des Krieges war nur dank der Arbeit der Revolutionäre möglich. Nicht der Pazifismus, sondern die revolutionäre Erhebung der Arbeiterklasse hatte den Krieg zu Ende gebracht.
Wenn die Revolutionäre nicht von Anfang an den Verrat der Sozialpatrioten mutig zur Sprache gebracht hätten, wenn sie nicht laut und deutlich in den Versammlungen, Fabriken, auf den Straßen ihre Stimme erhoben hätten, wenn sie nicht entschlossen die Saboteure des Klassenkampfes bloßgestellt hätten, wäre der Widerstand der Arbeiterklasse ohne Bezugspunkt geblieben.
Wenn wir zurückblicken und Bilanz ziehen hinsichtlich der Arbeit der Revolutionäre, können wir viele Lehren für heute ziehen.Zunächst ließen sich Handvoll Revolutionäre im August 1914 nicht einschüchtern oder durch ihre geringe Zahl deprimieren. Sie behielten das Vertrauen in ihre Klasse und traten resolut weiter für die Prinzipien der Arbeiterklasse ein und intervenierten entschlossen ungeachtet der großen Schwierigkeiten, um das Kräfteverhältnis zum Kippen zu bringen. In den Ortsvereinen, an der Basis selber wie auch in anderen Ländern gruppierten die Revolutionäre schnell ihre Kräfte - ohne aufgrund der momentanen Niederlage der Arbeiterklasse ihre eigene Rolle zu verwerfen. Indem sie der Arbeiterklasse eine politische Orientierung anboten, indem sie eine richtige politische Analyse des Imperialismus, der Klassenverhältnisse lieferten, indem sie die richtige Perspektive aufzeigten, dienten sie als politischer Kompaß.
Die konsequente Verteidigung der Organisation, um die SPD nicht kampflos den Verrätern zu überlassen, wie auch der Aufbau einer neuen Organisation, auf den wir in der nächsten Nummer eingehen wollen, waren ebenso zentraler Bestandteil dieses Kampfes. Die Revolutionäre sind von Anfang für den Internationalismus und den internationalen Zusammenschluss der Revolutionäre zunächst (Zimmerwald & Kienthal) und der Klasse insgesamt (Zusammenschluss der Kämpfe) eingetreten.
Indem sie erkannten, dass der imperialistische Krieg nicht durch pazifistische Mittel, sondern nur durch Klassenkrieg, Bürgerkrieg beendet werden könnten, dass also der Sturz der Kapitalsherrschaft notwendig war, um die Welt von der Barbarei zu befreien, traten sie konkret für die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft ein.
Diese politische Arbeit wäre nicht möglich gewesen, ohne die theoretische und programmatische Klärung vor dem Krieg. Ihr Kampf war eine Fortsetzung der Positionen der Linken innerhalb der II. Internationale gewesen, an deren Spitze Rosa Luxemburg und Lenin standen.
Wir können sehen, auch wenn die Zahl der Revolutionäre und ihr Einfluss am Anfang des Krieges noch gering waren (für die führenden Köpfe reichte anfangs noch der Platz Rosa Luxemburgs Wohnung, oder die Delegierten von Zimmerwald paßten in 3 Taxen), sollte ihre Arbeit ausschlaggebend werden. Auch wenn ihre Presse am Anfang noch in geringer Auflage zirkulierte, waren ihre inhaltlichen Aussagen und Orientierungen für die Arbeiterklasse unerläßlich und lieferten die Keime für die später aufgehende Saat.
All das muss uns die Augen für die Wichtigkeit der Arbeit der Revolutionäre öffnen. 1914 brauchte die Arbeiterklasse 4 Jahre, um sich aus ihrer Niederlage zu erholen und gegen den Krieg zu erheben. Heute zerfleischt sich die Arbeiterklasse in den Industriezentren nicht in einem Krieg, sondern muss sich gegen die Folterkammer der Krise zur Wehr setzen. Es dauert länger, bis die Arbeiterklasse ihre Kraft sammelt, um das System zu überwinden - aber genauso wie sie damals den Krieg nie hätte zu Ende bringen können, wenn nicht die Revolutionäre in ihrer Mitte entschlossen und klar gekämpft hätten, hängt sie heute noch mehr von der Intervention der Revolutionäre ab.
Wir werden dies in weiteren Artikeln verdeutlichen. Dv.
Fußnoten:
(1) “Aber nein, das ist eine Lüge! Das haben sie gefälscht, die Herren Imperialisten! Der ‘echte’ Vorwärts ist wahrscheinlich beschlagnahmt!” so Sinowjew über Lenin)
(2) Pannekoek schrieb “Der große europäische Krieg und Sozialismus”, F. Mehring: “Vom Wesen des Krieges”, Lenin “Der Zusammenbruch der II. Internationale”, “ Sozialismus und Krieg”, “Die Aufgaben der revolutionären Sozialdemokratie im europäischen Krieg”, C. Zetkin und K. Duncker “Thesen zum Krieg”, Rosa Luxemburg “Junius-Broschüre/Die Krise der Sozialdemokratie”, Liebknecht “Der Hauptfeind steht im eigenen Land”
(3) bis 1917 war der Mitgliederstand der SPD von einer Million 1914: auf ca. 200.000 geschrumpft.