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Trotzki wurde ermordet weil er ein Symbol für die Arbeiterklasse war
Am 20. August 1940, vor 60 Jahren, starb Trotzki. Er wurde zu Beginn des Zweiten Weltkrieges von den Meuchelmördern Stalins umgebracht. Mit diesem Artikel wollen wir nicht nur eine der wichtigsten Figuren des proletarischen Kampfes ehren, sondern auch auf seine Fehler und politischen Einschätzungen zu Beginn des Krieges eingehen. Trotzki starb nach einem leidenschaftlichen, kämpferischen Leben, das der proletarischen Klasse gewidmet war. Es gibt in der Geschichte zahlreiche Beispiele von Revolutionären, welche sich zurückzogen oder gar die Arbeiterklasse verraten haben. Trotzki war einer der wenigen, die ihr Leben lang der Arbeiterklasse treu blieben, und er kämpfte wie Rosa Luxemburg oder Karl Liebknecht bis zum Tod für die Revolution.
In seinen letzten Lebensjahren verteidigte Trotzki viele opportunistische Positionen, wie beispielsweise die Politik des Entrismus innerhalb der Sozialdemokratie, die Einheitsfront usw. Die Linkskommunisten kritisierten diese Positionen in den 30er Jahren mit guten Gründen. Trotzdem hat Trotzki nie die Seite gewechselt. Er ist nie in das Lager der Bourgeoisie übergelaufen, so wie es die Trotzkisten nach seinem Tod gemacht haben. Er verteidigte bis zum Schluss die traditionelle revolutionäre Haltung: die Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen revolutionären Bürgerkrieg.
Die Bourgeoisie der ganzen Welt vereint gegen Trotzki
Je näher der imperialistische Weltkrieg rückte, um so entscheidender wurde es für die internationale Bourgeoisie Trotzki zu beseitigen.
Um seine politische Macht zu stärken und die politische Entwicklung zu fördern, die ihn zum wichtigsten Diener der Konterrevolution gemacht hatte, tötete Stalin zahlreiche Revolutionäre oder schickte sie in die Verbannung. Dies betraf vor allem bolschewistische Führer der Russischen Revolution und nahestehende Genossen Lenins. Doch dies genügte nicht. Wegen der zunehmenden kriegerischen Spannungen Ende der 30er Jahre brauchte Stalin totale Handlungsfreiheit im Innern, um seine imperialistische Politik voran zu treiben. 1936, also zu Beginn des Krieges in Spanien, fanden die ersten grosse Prozesse und Exekutionen von Sinowjew, Kamenjew und Smirnow (siehe 16 Hinrichtungen in Moskau von Victor Serge, Edition Spartacus), später von Pjatakow und Radek und zuletzt die Prozesse gegen die Gruppe Rikow-Bucharin-Krestinski statt. Aber der gefährlichste Bolschewik, obwohl im Ausland lebend, blieb Trotzki. Als Stalin dessen Sohn Leo Sedow 1938 in Paris ermorden ließ, hatte er Trotzki schwer getroffen. Jetzt blieb Stalin nur noch Trotzki selbst, den es zu töten galt.
General Walter G. Krivitsky, der militärische Befehlshaber der sowjetischen Abwehrspionage in Westeuropa fragte sich in seinem Buch, „ob es notwendig war, dass die bolschewistische Revolution alle Bolschewiki töten liess?“ Auch wenn er selbst seine Frage nicht beantwortet, gibt es in seinem Buch Ich war ein Agent Stalins eine klare Antwort (Editions Champ libre, Paris, 1979, S. 35 und 36).
Die Prozesse von Moskau und die Liquidierung der letzten Bolschewiki waren der Preis, um den Krieg vorbereiten zu können: ”Das geheime Ziel von Stalin blieb immer das gleiche, nämlich sich mit Deutschland zu verstehen. Im März 1938 eröffnete Stalin den großen 10 Tage dauernden Prozess gegen die Gruppe Rikow-Bucharin-Krestinski, die Väter der russischen Revolution und engste Verbündete Lenins. Diese bolschewistischen Führer, von Hitler gehasst, wurden am 3. März auf Befehl Stalins exekutiert. Am 12. März annektierte Hitler Österreich. (...) Am 12. Januar 1939 traf sich der sowjetische Botschafter mit den gesamten diplomatischen Kreisen in Berlin zu einem freundschaftlichen und demokratischen Gespräch.“ Und somit wurde der deutsch-sowjetische Pakt zwischen Hitler und Stalin vom 23. August 1939 geschlossen.
Obwohl die Ermordung der letzten Bolschewiki zur Durchsetzung der Politik Stalins geschah, war dies auch eine Antwort der gesamten Weltbourgeoisie. Das Schicksal von Leo Trotzki war deshalb ebenfalls schon lange besiegelt. Für die herrschende Klasse der ganzen Welt musste Trotzki als Zeichen der Revolution verschwinden!
Robert Coulondre,1 ehemaliger Botschafter Frankreichs, gab in der Beschreibung über sein letztes Treffen mit Hitler vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, ein eindrucksvolles Zeugnis. Hitler prahlte mit dem Pakt, den er gerade mit Stalin abgeschlossen hatte und begann ein grossartiges Bild seiner triumphalen militärischen Zukunft zu zeichnen. Der französische Botschafter appellierte an seine „Vernunft“ und sprach vom sozialen Chaos und den Revolutionen, die auf einen langen und schrecklichen Krieg folgen und sämtliche kriegführenden Regierungen mit sich in den Abgrund reissen könnten: ”Sie sehen sich als Sieger“... sagte der Botschafter, „aber haben Sie eine andere Möglichkeit erwogen – dass der Sieger Trotzki sein kann?”2 Bei diesen Worten sprang Hitler auf, als ob er einen Hieb in den Magen erhalten hätte und brüllte, dass diese Möglichkeit, die Gefahr eines siegreichen Trotzki, ein Grund mehr wäre, warum Frankreich und England nicht gegen das Dritte Reich Krieg führen sollten. Isaac Deutscher hatte seine Gründe den Kommentar Trotzkis3 hervorzustreichen, als dieser von dem Dialog erfahren hatte: Die Vertreter der internationalen Bourgeoisie “sind über das Gespenst der Revolution erschrocken und haben ihm jetzt den Namen eines Menschen gegeben”.4
Trotzki musste verschwinden5 und er wusste genau, dass seine Tage gezählt waren. Seine Eliminierung hatte eine viel grössere Bedeutung als die der anderen Bolschewiki und Mitglieder der russischen Linkskommunisten. Die Ermordung der alten Bolschewiki hatten Stalin in seiner Macht gestärkt. Die Ermordung Trotzkis verdeutlichte, dass die internationale Bourgeoisie, die russische eingeschlossen, den Kurs in Richtung Weltkrieg ohne Störungen einschlagen wollte. Nach der Entfernung der letzten grossen Figur der Oktoberrevolution, des standhaften Internationalisten war dieser Weg frei. Stalin setzte alle Mittel des GPU-Apparates zur Ermordung Trotzkis ein. Mehrere Attentate wurden hintereinander gegen ihn verübt und man konnte nur auf das nächste warten. Nichts konnte die stalinistische Maschine stoppen. Kurze Zeit vor seiner Ermordung wurde Trotzki am 24. Mai 1939 nachts von einem Kommando angegriffen. Die Agenten Stalins feuerten aus dem gegenüberliegenden Haus etwa 200-300 Kugeln ab und warfen einige Bomben auf die Fenster von Trotzkis Haus. Glücklicherweise waren dessen Fenster sehr hoch angelegt und Trotzki, seine Frau Natalia und sein Enkel Sieva konnten sich unter den Betten verstecken und sich wie durch ein Wunder retten. Doch der darauf folgende Anschlag wurde von Ramon Mercader und seiner Gruppe mit ”Erfolg” durchgeführt.
>Die Position Trotzkis vor dem Krieg >
Ohne Zweifel genügte der Bourgeoisie die Ermordung Trotzkis nicht. Lenin schrieb zu Recht in seinem Buch Staat und Revolution: ”Die grossen Revolutionäre werden zu Lebzeiten von den unterdrückenden Klassen ständig verfolgt, die ihrer Lehre mit wildestem Ingrimm und wütendstem Hass begegneten, mit zügellosen Lügen und Verleumdungen gegen sie zu Felde zogen. Nach ihrem Tode versucht man, sie in harmlose Götzen zu verwandeln, sie sozusagen heiligzusprechen, man gesteht ihrem Namen einen gewissen Ruhm zu zur „Tröstung“ und Betörung der unterdrückten Klassen, wobei man ihre revolutionäre Lehre des Inhalts beraubt, ihr die revolutionäre Spitze abbricht, sie vulgarisiert. (...) Man vergisst, verdrängt und entstellt die revolutionäre Seite der Lehre, ihren revolutionären Geist. Man schiebt in den Vordergrund, man rühmt das, was für die Bourgeoisie annehmbar ist oder annehmbar erscheint.“ (Lenin, Staat und Revolution, Ges. Werke Bd. 25, S. 397)
In Bezug auf Trotzki sind jene gemeint, die sich als Trotzkisten bezeichnen, das Erbe Trotzkis für sich beanspruchen und sich in Kontinuität mit Trotzki sehen. Es sind die, welche nach dem Tod Trotzkis eine schmutzige Arbeit übernommen haben. Sie beziehen sich auf die „opportunistischen“ Positionen Trotzkis, mit denen sie alle nationalen Kriege seit dem Zweiten Weltkrieg gerechtfertigt haben und sich zu Verteidigern eines imperialistischen Lagers gemacht haben, dem der Sowjetunion.
Als die IV. Internationale 1938 gegründet wurde, basierten Trotzkis Ideen auf der Annahme, dass der Kapitalismus in der Phase des Todeskampfes sei. Ebenso verteidigte die italienische Fraktion der Kommunistischen Linken (Bilan) diese Idee. Wir sind mit dieser Einschätzung der Epoche einverstanden; auch wenn wir Trotzki in seiner Analyse über „die Produktivkräfte, die aufgehört haben zu wachsen“ nicht folgen.6 Es ist absolut richtig ihn darin zu bestätigen, dass der Kapitalismus in der Phase des „Todeskampfes“ aufgehört hat eine fortschrittliche Gesellschaftsform zu sein und der Übergang zum Sozialismus auf der historischen Tagesordnung steht. Jedoch hat sich Trotzki getäuscht, davon auszugehen, dass in den 30er Jahren die Bedingungen für eine Revolution vorhanden waren. Er kündigte sie an, indem er sich auf die Bildung der Volksfront in Frankreich und später in Spanien berief, also auf das Gegenteil dessen, was die italienische Fraktion der Kommunistischen Linken verteidigte.7 Dieser Fehler im Verständnis des historischen Kurses, der Trotzki glauben ließ, die Revolution stehe auf der Tagesordnung, während umgekehrt der Zweite Weltkrieg vorbereitet wurde, ist ein Schlüssel zum Verständnis seiner in dieser Zeit entwickelten opportunistischen Positionen.
Konkret drückte sich dies bei Trotzki im Konzept des ”Übergangsprogramms” aus, das im Hinblick auf die Gründung der IV. Internationale 1938 ausgearbeitet wurde. Es bestand in Wirklichkeit aus einer Menge von Forderungen, die nicht realisierbar waren. Sie sollten das Bewusstsein der Arbeiterklasse heben und den Klassenkampf anspornen. Dies war die Grundlage seiner politischen Strategie. Aus seiner Sicht war das Übergangsprogramm nicht eine Gesamtheit reformistischer Maßnahmen, da diese nicht verwirklicht werden konnten und es schließlich auch nicht sein Ziel war diese anzuwenden. Tatsächlich sollten sie aufzeigen, dass der Kapitalismus unfähig sei, langfristige Reformen zu bewilligen, und folglich den Bankrott des Systems entblössen, um den Kampf zu dessen Zerstörung voranzutreiben.
Auf dieser Basis entwickelte Trotzki auch seine berühmtes ”proletarisches militärisches Programm”.8 Es bestand hauptsächlich darin, das Übergangsprogramm in einer Periode von Krieg und weltweitem Militarismus anzuwenden. Diese Politik hoffte, all die Millionen unter Waffen stehenden Arbeiter für die revolutionären Ideen zu gewinnen. Sie konzentrierte sich auf die Forderung nach einer obligatorischen militärischen Ausbildung der Arbeiterklasse in speziellen vom Staat getragenen Schulen, unter der Obhut von offiziell gewählten Offizieren, jedoch unter der Kontrolle der Arbeiterinstitutionen, womit insbesondere die Gewerkschaften gemeint waren. Es liegt auf der Hand, dass kein kapitalistischer Staat solche Forderungen der Arbeiterklasse bewilligen konnte, wenn dies die Existenz des Staates in Frage gestellt hätte. Die Perspektive Trotzkis war, dass das bewaffnete Proletariat den Kapitalismus zerstören muss, weil der Krieg in seinen Augen günstige Bedingungen für einen proletarischen Aufstand schafft, so wie es im Ersten Weltkrieg der Fall war.
”Der aktuelle Krieg ist, wie wir es schon oft gesagt haben, nur die Fortsetzung des letzten Krieges. Aber Fortsetzung ist nicht gleichzusetzen mit Wiederholung. (...) Unsere Politik, die proletarische revolutionäre Politik ist, was den zweiten imperialistischen Krieg betrifft eine Fortsetzung der, während des ersten imperialistischen Krieges unter der Führung von Lenin ausgearbeiteten Politik.” (Trotzki, Faschismus, Demokratismus und Krieg)
Für Trotzki waren die Bedingungen zudem günstiger als 1917, da der Kapitalismus kurz vor dem neuen Krieg den Beweis dafür geliefert habe, dass er sich in einer historischen Sackgasse befinde, während gleichzeitig auf der subjektiven Seite, die Arbeiterklasse weltweit viel an Erfahrung gewonnen habe.
”Es ist die Perspektive (die Revolution), die die Grundlage sein muss für unsere Agitation. Es reicht nicht, nur eine Position über den Militarismus des Kapitalismus zu haben und sich zu weigern, den bürgerlichen Staat zu verteidigen, sondern es geht um die Vorbereitungen zur Eroberung der Macht und Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes (...).” (ebenda)
Durch seinen Glauben, der historische Kurs führe hin zur proletarischen Revolution, hatte Trotzki offensichtlich jegliche Orientierung verloren. Er hatte keine korrekte Einschätzung über die Situation der Arbeiterklasse und auch nicht über das Kräfteverhältnis, welches zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie bestand. Einzig die Italienische Kommunistische Linke war fähig aufzuzeigen, dass sich in den 30er Jahren die Menschheit in einer tiefen konterrevolutionären Phase befand, das Proletariat geschlagen war und infolgedessen einzig die „Lösung“ der Bourgeoisie, der imperialistische Krieg, möglich war.
Trotz seines „militaristischen“ Kauderwelsch, das ihn ins Lager des Opportunismus abgleiten ließ, hielt Trotzki standhaft an einer internationalistischen Haltung fest. Mit dem Wunsch, „konkret“ zu sein (bezüglich des Klassenkampfes mit seinem Übergangsprogramm und in der Armee mit seiner militärischen Politik), um die Arbeitermassen für die Revolution zu gewinnen, begann er sich vom klassischen Marxismus zu entfernen und verteidigte eine den Interessen des Proletariats entgegengesetzte Politik. Dies Politik, die beanspruchte taktisch zu sein, war in Wirklichkeit sehr gefährlich. Sie fesselte das Proletariat an den bürgerlichen Staat und ließ es im Glauben, dass es gute bürgerliche Lösungen gäbe. Im Krieg wurde diese „subtile“ Taktik durch die Trotzkisten in die Praxis umgesetzt, um zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist, so insbesondere ihren Anschluss an die Bourgeoisie mittels der Verteidigung der Nation und der Beteiligung an der ”Résistance”.
Doch weshalb ließ Trotzki seiner „militärischen Politik“ ein dermaßen großes Gewicht zukommen? In seinen Augen zeichnete sich für die Menschheit die Perspektive einer total militarisierten Gesellschaft ab, die jeden Tag mehr gekennzeichnet sei vom bewaffneten Kampf zwischen den Klassen. Das Schicksal der Menschheit würde demnach vor allem auf militärischem Terrain entschieden. Für ihn bestand die dringendste Verantwortung des Proletariats darin, sich auf den Kampf um die Macht gegen die kapitalistische Klasse vorzubereiten. Das war vor allem seine Idee zu Beginn des Krieges:
”In den besiegten Ländern wird sich die Lage der Massen sofort verschlechtern. Zur sozialen Unterdrückung kommt die nationale Unterdrückung hinzu, deren Hauptgewicht die Arbeiterklasse erleiden muss. Von allen Formen der Diktatur ist die totalitäre Diktatur eines fremden Eroberers die unerträglichste.“ (Wir wechseln unser Lager nicht, 30. Juni 1940)
„Es ist nicht möglich hinter jeden Arbeiter oder Bauern, seien dies polnische, norwegische, dänische, holländische oder französische, einen bewaffneten Soldaten zu stellen.“ 9
„Wir können mit grosser Sicherheit davon ausgehen, dass alle besiegten Länder sich in Kürze in ein Pulverfass verwandeln. Die Gefahr ist, dass sich die Explosionen sehr schnell entladen, ohne genügend vorbereitet zu sein, und in isolierten Niederlagen enden. Es unmöglich von der europäischen Revolution und der Weltrevolution zu reden, ohne die einzelnen Niederlagen in Betracht zu ziehen.“ (ebenda)
All das mindert überhaupt nicht die Tatsache, dass Trotzki bis zum Schluss ein Revolutionär des Proletariats geblieben ist. Der Beweis dazu steht im Manifest, genannt Alarm, der IV. Internationale, das er verfasste, um eine Position ohne Zweideutigkeiten und einzig aus dem Blickwinkel des revolutionären Proletariats zu beziehen, dies im Angesicht des generalisierten imperialistischen Krieges:
”Gleichzeitig sollten wir nicht für einen Moment vergessen, dass dieser Krieg nicht unser Krieg ist (...) Die IV. Internationale setzt mit ihrer Politik nicht auf das militärische Glück der kapitalistischen Staaten, sondern auf die Transformation des imperialistischen Krieges in einen Krieg der Arbeiter gegen die Kapitalisten, für die Beseitigung der herrschenden Klassen aller Länder, für die sozialistische Weltrevolution (...) Wir erklären den Arbeitern, dass ihre Interessen und die des blutdürstigen Kapitalismus unvereinbar sind. Wir mobilisieren die Arbeiter gegen den Imperialismus. Wir propagieren die Einheit der Arbeiter in allen kriegsführenden und neutralen Länder." (Manifest der IV. Internationale, 29. Mai 1940)
Und genau dies haben die Trotzkisten "vergessen" und verraten!
Im Gegensatz dazu enthielten das "Übergangsprogramm" und die „militärische proletarische Politik“ eine politische Orientierung von Trotzki, die aus der Sicht der Arbeiterklasse in einem Fiasko endete. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges brach nicht nur keine proletarische Revolution aus, sondern die „militärische proletarische Politik“ diente der IV. Internationale als Rechtfertigung für ihre Teilnahme an der generalisierten imperialistischen Schlächterei und dazu, ihre Militanten in gute Soldaten der "Demokratie" und des Stalinismus zu verwandeln. Das war der Moment, als der Trotzkismus unwiederbringlich ins feindliche Lager überging.
Die Frage der Natur der UdSSR: Die Achillesferse Trotzkis
Die grösste Schwäche Trotzkis bestand darin, dass er nicht verstanden hatte, dass der historische Kurs in Richtung Konterrevolution und deshalb zum Weltkrieg führte, so wie es die Italienische Kommunistische Linke klar erkannt hatte. Immer die Vision eines Kurses in Richtung einer Revolution vor den Augen, rief er 1936 aus: "Die französische Revolution hat begonnen" (La lutte ouvrière, 9. Juni 1936); und was Spanien betrifft: "Die Arbeiter der ganzen Welt erwarten brennend den neuen Sieg des spanischen Proletariats." (La lutte ouvrière, 9. August 1936). Er beging hier einen enormen politischen Fehler, indem er die Arbeiterklasse glauben machte, dass das, was eben geschah, insbesondere in Frankreich und Spanien, in Richtung einer proletarischen Revolution gehe, obwohl in Wirklichkeit die weltweite Situation sich in die Gegenrichtung bewegte: "Seit seiner Ausweisung aus der UdSSR 1929 bis zu seiner Ermordung, hörte Trotzki nicht auf, die Welt verkehrt zu interpretieren. Während die momentane Aufgabe darin bestand, die von der Niederlage übriggebliebenen revolutionären Kräfte zu sammeln, um allem voran eine komplete politische Bilanz der revolutionären Welle in Angriff zu nehmen, fand ein verblendeter Trotzki immer wieder Wege, das Proletariat stets in Bewegung zu sehen, auch wenn es in der Realität geschlagen war. Deshalb war die IV. Internationale, die vor mehr als 50 Jahren gegründet wurde, nichts als eine leere Hülle, in der sich niemals eine wirkliche Bewegung der Arbeiterklasse hätte realisieren können. Und dies aus dem schlichten und tragischen Grund, dass sie sich im vollen Rückfluss der Konterrevolution befand. Alle Taten Trotzkis, basierend auf diesem Irrtum, trugen dazu bei, die damals schon auf der Welt schwachen revolutionären Kräfte der 30er Jahre noch mehr zu zerstreuen, und schlimmer noch, den grössten Teil davon in den kapitalistischen Morast der "kritischen" Unterstützung der Regierungen des Typs "Volksfront" und in die Teilnahme am imperialistischen Krieg zu zerren." (siehe unsere Broschüre Der Trotzkismus gegen die Arbeiterklasse)
Einer der schlimmsten Irrtümer Trotzkis bestand insbesondere in seiner Position über die Natur der UdSSR. Er kritisierte und griff den Stalinismus an, hielt die UdSSR jedoch weiterhin für ein "Vaterland des Sozialismus" oder mindestens noch einen "degenerierten Arbeiterstaat". Jedoch alle diese politischen Fehler, so viele dramatische Konsequenzen sie auch immer hatten, konnten ihn nicht zum Feind der Arbeiterklasse machen, während aber gerade seine "Erben" nach seinem Tod dazu wurden. Trotzki war sogar fähig, angesichts der Ereignisse zu Beginn des Krieges zu gestehen, dass er seine politischen Analysen überprüfen und modifizieren müsse, insbesondere in Bezug auf die UdSSR.
Er bestätigte zum Beispiel, in einer seiner letzten Schriften vom 25. September 1939, mit dem Titel Die UdSSR im Krieg: "Wir ändern unseren Kurs nicht (...) Nehmen wir aber an, Hitler wendet seine Waffen nach Osten und greift die von der Roten Armee besetzten Gebiete an. (...) Während die Bolschewiki-Leninisten mit der Waffe in der Hand Hitler bekämpfen, werden sie gleichzeitig revolutionäre Propaganda gegen Stalin führen, um seinen Sturz im nächsten – und vielleicht sehr nahen – Stadium vorzubereiten.“ (Die UdSSR im Krieg, in Verteidigung des Marxismus, Verlag Neuer Kurs Berlin, S. 28-29)
Er hielt zwar an seiner Analyse über die Natur der UdSSR fest. Seine Schlussfolgerungen hingen aber davon ab, welches Urteil die Prüfung des Zweiten Weltkriegs über die Sowjetunion fällen würde. Im gleichen Artikel schrieb Trotzki, dass er, wenn der Stalinismus als Sieger und gestärkt aus dem Krieg hervorgehen sollte (eine Perspektive, die er sich nicht vorstellen konnte), nochmals sein Urteil über die UdSSR überprüfen müsse, eingeschlossen jenes über die allgemeine politische Situation: „Wenn man jedoch annimmt, dass der gegenwärtige Krieg keine Revolution hervorrufen wird, sondern den Niedergang des Proletariates, bleibt eine andere Möglichkeit: der weitere Verfall des Monopolkapitalismus, seine weitere Verschmelzung mit dem Staat und das Ersetzen der Demokratie überall da, wo sie noch verblieben war, durch ein totalitäres Regime. Die Unfähigkeit des Proletariats, die Führung der Gesellschaft in seine Hände zu nehmen, könnte tatsächlich unter diesen Bedingungen dazu führen, dass sich eine neue Ausbeuterklasse aus der bonapartistischen faschistischen Bürokratie entwickelt. Dies wäre, allen Anzeichen zufolge, ein Regime des Verfalls, das den Untergang der Zivilisation bedeuten würde.
Ein entsprechendes Ergebnis könnte sich ergeben, wenn sich das Proletariat der hochentwickelten kapitalistischen Länder, nach der Eroberung der Macht, als unfähig erweisen sollte, sie zu halten, und sie, wie in der UdSSR, an eine privilegierte Bürokratie abtreten sollte. Dann wären wir gezwungen zuzugeben, dass der Grund für den bürokratischen Rückfall nicht in der Rückständigkeit des Landes und nicht in der imperialistischen Umklammerung liegt, sondern in der angeborenen Unfähigkeit des Proletariates, eine herrschende Klasse zu werden. Dann müsste man im Rückblick feststellen, dass die grundlegenden Züge der jetzigen UdSSR der Vorläufer eines neuen Ausbeutungsregimes im internationalen Maßstab waren.
Wir sind weit vom terminologischen Streit über die Bezeichnung des Sowjetstaates abgekommen. Aber unsere Kritiker sollen nicht protestieren. Nur indem man die notwendige historische Perspektive betrachtet, kann man sich ein richtiges Urteil über die Frage wie die Ersetzung einer sozialen Regierungsform durch eine andere bilden. Die historische Alternative, zu Ende geführt, ist folgende: Entweder ist das Stalin-Regime ein widerlicher Rückfall im Prozess der Umwandlung der bürgerlichen Gesellschaft in eine sozialistische, oder das Stalin-Regime ist die erste Stufe einer neuen Ausbeutungsgesellschaft. Wenn sich die zweite Prognose als richtig erweist, dann wird die Bürokratie selbstverständlich eine neue Ausbeuterklasse werden. (durch uns unterstrichen) Wie beschwerlich der zweite Ausblick auch immer sein mag, wenn das Weltproletariat sich tatsächlich als unfähig erweisen sollte, den Auftrag zu erfüllen, der ihm vom Verlauf der Entwicklung gestellt wurde, müsste man notgedrungen anerkennen, dass das sozialistische Programm, das auf die inneren Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft gegründet ist, in einer Utopie endet. Es ist selbstverständlich, dass ein neues „Minimal“programm erforderlich wäre – zur Verteidigung der Interessen der Sklaven der totalitären bürokratischen Gesellschaft.“ (ebenda, S. 12-13)
Abstrahiert man von der Zukunftsvision, die Trotzki in diesem Moment entwickelte, eine Vision, die eine grosse Entmutigung offenbart, wenn nicht gar eine tiefe Demoralisierung, und die offenbar sein ganzes Vertrauen in die Arbeiterklasse und ihre Fähigkeit, die historische revolutionäre Perspektive zu übernehmen, erschütterte, ist es klar, dass Trotzki hier Zweifel an seiner eigenen Position zu der "sozialistischen" Natur der UdSSR und dem "Arbeiter-Charakter“ der Bürokratie überkommen.
Trotzki wurde lange vor dem Ende des Krieges ermordet; Russland stand wieder auf der Seite der Gewinner, zusammen mit den "demokratischen" Ländern. Wie Trotzki vorgesehen hatte, verlangten diese historischen Bedingungen denjenigen etwas ab, die meinten, Trotzkis treue Nachkommen zu sein. Und zwar eine Neubeurteilung seiner Positionen oder wie er es ausdrückte: "(...) im Rückblick feststellen, dass die grundlegenden Züge der jetzigen UdSSR der Vorläufer eines neuen Ausbeutungsregimes im internationalen Maßstab waren". Die IV. Internationale hatte diese Einsicht nicht nur ignoriert, sondern sich darüber hinaus mit Sack und Pack den Reihen der Bourgeoisie angeschlossen. Nur wenige Elemente, die aus dem Trotzkismus kamen, konnten auf revolutionärem Terrain bleiben, so wie jene, die in China eine Gruppe ins Leben riefen und 1941 Der Internationalist publizierten (siehe unsere Internationale Revue Nr. 94); die Mitglieder der spanischen Sektion der IV. Internationale um G. Munis10; die Revolutionären Kommunisten Deutschlands (RKD); die Gruppe Socialisme ou Barbarie in Frankreich; Agis Stinas in Griechenland oder Natalia Trotzki.
Treu dem Geiste ihres Gefährten im Leben und im Kampf für die Revolution kam Natalia Trotzki in einem Brief vom 9. Mai 1951, gerichtet ans Exekutivkomitee der IV. Internationale, darauf zurück und beharrte insbesondere auf dem konterrevolutionären Charakter der UdSSR: "Besessen von alten und überholten Formeln, haltet Ihr den stalinistischen Staat noch immer für einen Arbeiterstaat. Ich kann und will Euch in diesem Punkt nicht folgen. (...) Es dürfte für jeden einzelnen klar sein, dass die Revolution vom Stalinismus völlig zerstört wurde. Und trotzdem, sagt Ihr weiterhin, dass unter diesem monströsen Regime Russland noch immer ein Arbeiterstaat sei."
Sie zog sämtliche Konsequenzen aus dieser mehr als deutlichen Position und folgerte richtigerweise: "Das weitaus Untragbarste an allem ist die Position über den Krieg, die Ihr eingenommen habt. Der dritte Weltkrieg, der die Menschheit bedroht, stellt die revolutionäre Bewegung vor die schwierigsten Probleme, die komplexesten Situationen, die schwerwiegendsten Entscheidungen. (...) Aber angesichts der Ereignisse der letzten Jahre propagiert Ihr noch immer die Verteidigung des stalinistischen Staates und ein Engagement der ganzen Arbeiterbewegung dafür. Ihr unterstützt jetzt sogar die Armee des Stalinismus im Krieg, der das koreanische Volk peinigt".
Und sie kam zu einem mutigen Schluss: "Ich kann und will Euch in diesem Punkt nicht folgen. Es gibt kein anderes Mittel mehr, als Euch bekannt zu geben, dass mir keine andere Lösung bleibt, als offen zu sagen, dass unsere Meinungsverschiedenheiten mir nicht mehr erlauben, noch länger in Euren Reihen zu verbleiben." (Die Kinder des Propheten, Cahiers Spartacus, Paris 1972)
Die Trotzkisten heute
Wie Natalia Trotzki bestätigt, folgten die Trotzkisten weder Trotzki, noch revidierten sie ihre politischen Positionen nach dem Sieg der UdSSR im Zweiten Weltkrieg. Die einzigen Diskussionen oder Fragezeichen zur Klärung und Vertiefung – wenn es sie überhaupt gibt - beziehen sich auf das Thema der "proletarischen militärischen Politik" (siehe Chaiers Léon Trotzky, Nr. 23, 39 und 43 oder Revolutionary History, Nr. 3, 1988). Diese Diskussionen jedoch halten das große Schweigen über die grundsätzlichen Fragen wie die Natur der UdSSR, den proletarischen Internationalismus und den revolutionären Defätismus gegenüber dem Krieg aufrecht. Geschmückt mit einem pseudo-wissenschaftlichen Gerede stellt Pierre Broué fest: "Es ist tatsächlich indiskutabel, dass das Ausbleiben einer Diskussion und Bilanz über diese Frage (die PMP) ein Alptraum in der Geschichte der IV. Internationale war. Eine gründliche Analyse würde die Ursache dieser Krise aufzeigen, die sich in den 50er Jahren in der Internationale abzuzeichnen begann" (Cahiers Léon Trotzky, Nr. 39).
Welch schöne Worte!
Die trotzkistischen Organisationen begingen Verrat und wechselten das Lager, so stehen die Dinge. Auch wenn die trotzkistischen Geschichtsschreiber wie Pierre Broué oder Sam Levy die Dinge bis zur Abwürgung drehen und wenden mögen, indem sie von einer blossen Krise ihrer Bewegung reden: "Die fundamentale Krise des Trotzkismus entstand aus der Verwirrung und der Unfähigkeit, den Krieg und die Welt der darauffolgenden Nachkriegszeit zu verstehen" (Sam Levy, ein Veteran der britischen trotzkistischen Bewegung in Cahiers Léon Trotzky, Nr. 23).
Es ist wahr, dass der Trotzkismus weder den Krieg noch die Welt der darauffolgenden Nachkriegszeit verstand. Aber genau deshalb haben sie die Arbeiterklasse und den proletarischen Internationalismus verraten, indem sie ein imperialistisches Lager gegen ein anderes im Zweiten Weltkrieg unterstützt haben. Seit damals gaben sie es nie auf, die kleinen Imperialisten gegen die Grossen zu unterstützen, in den zahllosen Kämpfen der sogenannten nationalen Befreiung und anderen Kämpfen der "unterdrückten Völker". Pierre Broué, Sam Levy und Konsorten sind sich dessen vielleicht nicht bewusst, aber der Trotzkismus ist tot für die Arbeiterklasse; und es gibt für ihn kein Wiederaufleben mehr als mögliches Instrument der Emanzipation der Arbeiterklasse. Es bringt den Trotzkisten nichts zu versuchen, die wirklichen Internationalisten und insbesondere die Arbeit der Italienischen Kommunistischen Linken während des Krieges für sich zu beanspruchen, so wie es Cahiers Léon Trotzky in ihrer Nummer 39 (Seiten 36 und folgende) versucht. Ein bisschen Anstand ihr Herrschaften! Vermischt die Internationalisten der Italienischen Kommunistischen Linken nicht mit der patriotischen und gegenüber der Arbeiterklasse verräterischen IV. Internationale. Wir, die Kommunistische Linke, haben mit der IV. Internationale und allen ihren heutigen Wiedergeburten überhaupt nichts gemeinsam. Im Gegenteil, wir sagen: Lasst eure Hände von Trotzki! Er gehört weiterhin der Arbeiterklasse.
Rol
1 Robert Coulondre (1885–1959), Botschafter in Moskau, später in Berlin.
2 Zitiert nach Isaac Deutscher, Trotzki, der verstossene Prophet 1929-1940, Kohlhammer-Urban Verlag, 1972, S. 474-475
3 Manifest der IV. Internationale über den imperialistischen Krieg und die proletarische Weltrevolution, von Trotzki selbst verfasst am 23. Mai 1939
4 Pierre Broué zitiert in Cahiers Léon Trotzky die Arbeit des amerikanischen Historikers Gabriel Kolko Politik des Krieges, welche Beispiele aufführt, die in dieselbe Richtung gehen.
5 Ähnlich wie Jean Jaurès kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges von 1914-18. Mit dem Unterschied jedoch dass dieser ein Pazifist war, während Trotzki immer ein Revolutionär und Internationalist blieb.
6 Auch wenn das System in seine niedergehende Phase eingetreten ist, heisst das für uns nicht, dass es sich nicht mehr entwickeln kann. Für uns, wie auch für Trotzki, zeichnet sich die Dekadenz durch den Verlust der Dynamik eines System aus und dadurch, dass die Produktionsverhältnisse zu einer Fessel für die Entwicklung der Gesellschaft geworden sind. Zusammengefasst hat ein System somit seine fortschrittliche Rolle in der Geschichte verloren und ist reif, um einer anderen Gesellschaft Platz zu machen.
7 Siehe dazu unser Buch Die Italienische Kommunistische Linke (zweiter Teil auf deutsch als Broschüre erhältlich) und die Broschüre Der Trotzkismus gegen die Arbeiterklasse (nur auf französisch erhältlich)
8 Diese Position Trotzkis war nicht neu, er hatte damit schon während des Krieges in Spanien begonnen. „...wir müssen uns klar vom Verrat und den Verrätern abgrenzen und die besten Kämpfer an der Front behalten“. Er ging davon aus, dass der beste Arbeiter in der Fabrik auch der beste Soldat an der Front sein müsse. Diese Losung wurde auch im Krieg Chinas gegen Japan aufgestellt, als China als „angegriffenes“ und „kolonisiertes“ Land bezeichnet wurde.
9 ebenda; diese Länder sind erwähnt, weil sie zum Zeitpunkt, als Trotzki den Artikel schrieb, besiegt wurden.
10 Vgl. in unserer Broschüre Der Trotzkismus gegen die Arbeiterklasse den Artikel „Trotzki gehört der Arbeiterklasse, die Trotzkisten haben ihn entführt“, sowie in der Internationalen Revue Nr. 58 (engl./frz./span. Ausgabe) den Artikel „In Erinnerung an Munis“ zu seinem Tod im Jahre 1989.