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Die 90er Jahre
Der dritte Teil dieser Geschichte der kapitalistischen Krise ist der Dekade der 90er Jahre gewidmet. Dieses Jahrzehnt hat sich noch nicht dem Ende genähert, und allein die letzten 30 Monate gestalteten sich auf ökonomischer Ebene schon als besonders ernst[1].
Das letzte Jahrzehnt erlebte den Kollaps aller Modelle des ökonomischen Managements, die der Kapitalismus als Allheilmittel und Lösung seiner Krise präsentiert hat: 1989 fand die Auflösung des stalinistischen Modells statt, das die Bourgeoisie als ”Kommunismus” darstellte, um so die Lüge vom ”Triumph des Kapitalismus” besser verkaufen zu können. Seitdem kippten, auch wenn etwas diskreter, nacheinander das deutsche, japanische, schwedische und schweizerische Modell, und schließlich brachen die ”Tiger” und ”Drachen” einer nach dem anderen zusammen. Diese Kette von Fehlschlägen demonstriert, dass der Kapitalismus keine Lösung für seine historische Krise besitzt und dass all die Jahre des Schwindels und der Manipulationen der ökonomischen Gesetze die Lage nur noch schlimmer gemacht haben.
Der Zusammenbruch des Ostblocks und die Weltrezession von 1991-93
Der Untergang der Länder des alten russischen Blocks[2] war eine echte Katastrophe: Zwischen 1989 und 1993 fiel die Produktion regelmäßig um 10 bis 30 Prozent. Zwischen 1989 und 1993 verlor Russland 70% seiner produzierenden Industrie! Während sich das Tempo dieses Sturzes mittlerweile etwas verlangsamt hat, bleibt die Leistungsbilanz dennoch verheerend: In Ländern wie Bulgarien, Rumänien und Russland sind die Zahlen negativ, nur in Polen, Ungarn und Tschechien sind sie positiv.
Der Kollaps der Wirtschaft dieser Länder, die mehr als ein Sechstel der Erdoberfläche bedecken, ist – zumindest in ”Friedenszeiten” - der schlimmste im 20. Jahrhundert gewesen. Hinzugefügt werden sollte die Liste der Opfer der 80er Jahre: die Mehrheit der afrikanischen Länder und eine reichliche Anzahl von asiatischen, karibischen, mittel- und südamerikanischen Ländern. Die Fundamente der kapitalistischen Reproduktion erlitten eine neue und schwer wiegende Zerrüttung. Jedoch war der Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks kein isoliertes Ereignis; er war nur der Vorbote neuer Verwerfungen der Weltwirtschaft: Nach fünf Jahren der Stagnation und Finanzkrisen (s. unseren vorherigen Artikel) wurden Ende 1990 die Hauptindustrieländer von der Rezession erfasst:
- Den Vereinigten Staaten ereilte zwischen 1989 und 1990 eine Verlangsamung des Wachstums (von 2 auf 0,5%), dessen Rate 1991 negativ wurde (-0,8%).
- Großbritannien wurde von der seit 1945 schlimmsten Rezession heimgesucht, die bis 1993 anhielt.
- In Schweden erwies sich die Rezession als heftigste in der Nachkriegszeit und führte zu einer Situation der Semi-Stagnation (das famose ”Schwedische Modell” verschwand aus den Textbüchern).
- Zwar verzögerte sich die Rezession in Deutschland und in anderen Ländern Westeuropas, doch Mitte 1992 explodierte sie auch dort und dauerte bis 1993/94. 1993 sank die Industrieproduktion Deutschlands um 8,3%; in den Ländern der EU schrumpfte sie um insgesamt ein Prozent.
- Japan stürzte ab 1990 in den Zustand einer sich allmählich entfaltenden Rezession: Das durchschnittliche Wachstum betrug während der Periode von 1990-97 erbärmliche 1,2%, und dies trotz der Tatsache, dass die Regierung elf Förderungsprogramme aufgelegt hatte!
- Die Arbeitslosigkeit erreichte neue Rekorde. Dies wird anhand einiger Zahlen deutlich genug:
- 1991 wurden in den 24 Ländern der OECD sechs Millionen Arbeitsplätze vernichtet.
- Zwischen 1991 und 1993 wurden in den zwölf Ländern der Europäischen Union 8 Millionen Arbeitsplätze abgebaut.
- 1992 erreichte die Arbeitslosigkeit in Deutschland Ausmaße, wie sie seit den 30er Jahre nicht mehr erblickt worden waren, und stieg, weit entfernt davon zu fallen, seitdem weiter an, um 1994 die 4-Millionen- und 1995 die 5-Millionen-Grenze zu überschreiten.
Betrachtet man nur den Fall der Produktionszahlen, so scheint die Rezession von 1991-93 etwas milder ausgefallen zu sein wie jene von 1974-75 oder 1980-82, doch es gibt eine Reihe von Elementen, die das Gegenteil beweisen:
- Anders als die früheren Rezessionen wurde kein Bereich von der Krise ausgespart.
- Die Rezession traf die Rüstungs- und Computersektoren, die bis dahin nicht betroffen waren, besonders hart. 1991 entließ IBM 20.000 Arbeiter (1993 waren es bereits 80.000), NCR entließ 18.000, Digital Equipment 10.000, Wang 8.000 etc. 1993 plante die modernisierte und mächtige deutsche Autoindustrie 100.000 Entlassungen
- Dies verlieh Phänomenen Vorschub, die in früheren Rezessionen nicht beobachtet wurden. Letztere waren entstanden, weil die mit der Gefahr der Inflation konfrontierten Regierungen die Kreditquellen schlossen. Ganz im Gegensatz dazu versuchten sie in der Rezession von 1991-93, die Wirtschaft mit beträchtlichen Kreditspritzen zu stimulieren- und scheiterten. ”Anders als in den Rezessionen von 1967, 1970, 1974-75, 1980-82 bewirkt der Anstieg im Geldvolumen, das direkt vom Staat geschaffen wird (Banknoten und Geldmünzen, die von den Zentralbanken herausgegeben werden) keinen Anstieg mehr im Volumen der Bankkredite. Die amerikanische Regierung hat das Gaspedal durchgedrückt, doch die Banken haben nicht reagiert.” (International Review, Nr. 70, ”Eine Rezession anders als ihre Vorgänger”) So senkte die Federal Reserve der Vereinigten Staaten zwischen 1989 und 1992 die Zinsraten 22 Mal, von 10 auf 3% (ein Niveau, das niedriger ist als die Inflationsrate, was bedeutet, dass das Geld, das den Banken geliehen wurde, praktisch zinslos war), doch die Wirtschaft zu stimulieren bewirkte dies nicht. Es handelt sich hierbei um, wie die Experten es nennen, die ”Schuldenfalle”.
-Dies verursachte einen größeren Ausbruch der Inflation. Die Zahlen für 1989-90 betragen:
USA 06,0%
Großbritannien 10,4%
EG 06,1%
Brasilien 1800%
Bulgarien 70%
Polen 50%
Ungarn 40%
UdSSR 34%
In der Rezession von 1991-93 drohte die Rückkehr jener gefürchteten Kombination, die den bürgerlichen Regierungen in 70er Jahren so viel Sorgen bereitet hatten: Rezession und Inflation bzw. ”Stagflation”. Es zeigt ganz allgemein, dass das ”Krisenmanagement”, das wir im ersten Artikel dieser Reihe analysiert hatten, die kapitalistischen Gebrechen weder überwinden noch lindern kann, sondern nichts anderes tun kann, als sie aufzuschieben, mit der Folge, dass jede neue Rezession um so schlimmer wird. So offenbarte die Rezession von 1991-93 drei qualitativ äußerst wichtige Fakten:
- die steigende Unfähigkeit, die Produktion mit Krediten anzukurbeln;
- die immer größere Gefahr einer Kombination zwischen der Stagnation der Produktion auf der einen und der Explosion der Inflation auf der anderen Seite;
- die Tatsache, dass die shooting stars der Wirtschaft (Computer, Telekommunikation, Rüstung), die bis dahin von der Krise verschont geblieben waren, nun ebenfalls betroffen waren.
Eine Wirtschaftsaufschwung ohne Arbeitsplätze
Nach einigen schüchternen Ansätzen 1993 erlebte im darauffolgenden Jahr die Wirtschaft der Vereinigten Staaten, begleitet von Großbritannien und Kanada, ein steigendes Wachstum, das allerdings nie mehr als 5% betrug. Angesichts dessen vermeinte der Bourgeoisie, bereits Hurra zu schreien und mit Sprüchen über ”Jahre des ununterbrochenen Wachstums” die Wirtschaftsaufschwung in alle vier Himmelsrichtungen hinauszuposaunen.
- Diese ”Aufschwung” gründete sich auf ein massives Wachstum der Verschuldung der USA und der Weltwirtschaft als Ganzes:
...- Zwischen 1987 und 1997 wuchs die Gesamtverschuldung der USA um 628 Millionen Dollar pro Tag. Grundlage dieser Verschuldung war einerseits die Ableitung enormer Dollarmassen in die ganze Welt[3] und andererseits die unkontrollierte Stimulation des Konsums der Privathaushalte, die das private Sparvermögen derart schrumpfen ließ, dass 1996 der Wert der Sparguthaben das erste Mal seit 53 Jahren wieder negativ war.
...- China und die sogenannten asiatischen ”Tiger” und ”Drachen” bezogen beträchtliches Kapital aus der Parität zwischen ihren Währungen und dem Dollar (eine große Gelegenheit für ausländische Investoren), mit dem sie ihr schnelles, aber illusorisches Wachstum ölten.
...- Eine Reihe wichtiger lateinamerikanischer Länder (Brasilien, Chile, Argentinien, Venezuela und Mexiko) bildete das Zentrum enormer spekulativer Anleihen, für die mit hohen, kurzfristigen Zinsraten bezahlt wurden.
- Die spektakuläre Steigerung der Arbeitsproduktivität erlaubte eine Senkung der Arbeitskosten und machte amerikanische Waren konkurrenzfähiger.
- Die aggressive Handelspolitik von Seiten des amerikanischen Kapitals stand auf folgenden Säulen:
...- auf dem Zwang gegenüber seinen Rivalen, ihre Zölle und andere protektionistische Maßnahmen abzubauen;
...- auf der Dollarmanipulation, die es erlaubte, seinen Kurs zu senken, wenn die Stimulation des Exports vorrangig war, und ihn anzuheben, wenn es darum ging, Kapital anzulocken;
...- auf der Ausnutzung sämtlicher Instrumente, die die USA als imperialistische Hauptmacht besitzen (militärisch, diplomatisch, ökonomisch), um ihre Position auf dem Weltmarkt zu verbessern.
Die europäischen Länder folgten dem Weg der USA und kamen ab 1995 ebenfalls in den Genuss eines ”Wachstums”, wenn auch auf viel niedrigerem Niveau (die Zahlen schwankten zwischen 1% und 3%).
Das auffälligste Kennzeichen dieser neuen ”Aufschwung” besteht darin, dass es eine Aufschwung ohne Arbeitsplätze war, was eine neue Entwicklung, verglichen mit den früheren, einleitete. So:
- hörte die Arbeitslosigkeit in den OECD-Ländern zwischen 1993 und 1996 nicht auf zu wachsen;
- vernichteten Großunternehmen Arbeitsplätze, statt neue zu schaffen: Laut Berechnungen kürzten die ”Fortune 500”-Unternehmen zwischen 1993 und 1996 500.000 Stellen;
- sank zum ersten Mal seit 1945 die Zahl der öffentlichen Angestellten. Die amerikanische Bundesadministration strich zwischen 1994 und 1996 118.000 Arbeitsplätze;
- wurde das Wachstum der Unternehmensprofite, anders als in früheren Aufschwungphasen, nicht von einer Steigerung der Beschäftigungsquote begleitet – ganz im Gegenteil.
Die neuen Jobs, die geschaffen wurden, waren schlecht bezahlt und Teilzeitarbeit.
Diese Aufschwung, die die Arbeitslosigkeit noch steigerte, ist ein beredtes Zeugnis für das große Ausmaß, das die historische Krise des Kapitalismus erreicht hat, wie wir in der International Review, Nr. 80 betont hatten: ”Wenn die kapitalistische Wirtschaft gesund ist, ist die Steigerung oder Aufrechterhaltung der Profite das Ergebnis einer Steigerung der Zahl ausgebeuteter Arbeiter und der Fähigkeit, größere Mengen an Mehrwert aus ihnen herauszupressen. Leidet sie aber an einer chronischen Krankheit, verhindert trotz der Intensivierung der Ausbeutung und Produktivität der Mangel an Märkten eine Aufrechterhaltung ihrer Profite, ohne die Zahl der ausgebeuteten Arbeiter zu reduzieren, ohne den Kapitalismus zu zerstören.”
Wie bei der offenen Rezession von 1991-93 ist die Aufschwung von 1994-97, entsprechend ihrer Zerbrechlichkeit und gewaltigen Widersprüche, ein neuer Ausdruck der Vertiefung der kapitalistischen Krise; aber sie unterscheidet sich von den früheren darin, dass:
- viel weniger Länder einbezogen sind;
- die USA nicht mehr die Rolle der Weltwirtschaftslokomotive spielen, indem sie ihren ”Partnern" den nötigen Schub verleihen; vielmehr wurde diese Aufschwung auf Kosten anderer, besonders Deutschlands und Japans, erreicht;
- die Arbeitslosigkeit weiterhin wächst; im günstigsten Fall kann man sagen, dass sie etwas langsamer wächst;
- die Aufschwung begleitet wurde von Erschütterungen an den Finanzmärkten und Börsen, unter anderem:
...- der Zusammenbruch der mexikanischen Wirtschaft (1994);
...- die Verwerfungen des europäischen Währungssystems (1995);
...- der Bankrott der Barings-Bank (1996).
Wir können die Schlussfolgerung ziehen, dass im Werdegang der kapitalistischen Krise in den letzten 30 Jahren jede neue Aufschwungphase schwächer als die vorherige und trotzdem stärker als die folgende ist, während jede neue Rezession schlimmer als die letzte, aber nicht so schlimm wie die kommende ist.
Die sogenannte ”Globalisierung”
In den 90er Jahren waren wir Zeuge der überschäumenden Ideologie der ”Globalisierung”. Demzufolge würde eine Ausdehnung der Marktgesetze, der strikten staatlichen Ausgabendisziplin, der Flexibilität der Arbeit und der unbegrenzten Zirkulation von Kapital auf den gesamten Globus die ”endgültige” Überwindung der Krise möglich machen (natürlich in Kombination mit einer ganzen Ladung niederdrückender Opfer auf dem Rücken des Proletariats). Wie alle ihr vorausgehenden ”Modelle” ist auch diese neue Alchimie ein Versuch der wichtigsten kapitalistischen Staaten, mit der Krise Schritt zu halten, um ihr Tempo zu drosseln. Er wird getragen wird von drei Hauptelementen:
- von einer gewaltigen Steigerung der Produktivität,
- von einer Verminderung der Handelsbarrieren und anderer Restriktionen des Weltmarktes;
- von einer spektakulären Entwicklung der finanziellen Transaktionen.
Der Anstieg in der Produktivität
Während der 90er Jahre erlebten die meisten Hauptindustrieländer einen beträchtlichen Anstieg in der Produktivität. Bei diesem Wachstum müssen wir unterscheiden zwischen der Kostenreduzierung einerseits und dem Wachstum der organischen Zusammensetzung des Kapitals (Verhältnis zwischen konstantem und variablem Kapital) andererseits.
Viele Faktoren trugen zur Kostenreduzierung bei:
- ein immenser Druck auf die Lohnkosten: Verminderung des Nominallohns und wachsende Kürzungen jenes Lohnanteils, der in den Sozialausgaben materialisiert wird;
- ein Schwindel erregender Fall der Rohstoffpreise;
- die organisierte und systematische Eliminierung unproduktiver Bereiche des Produktionsapparates – im privaten wie im öffentlichen Sektor – durch mannigfaltige Mechanismen: auf die ganz simple Tour, durch Betriebsschließungen nämlich, durch Privatisierung von Staatseigentum, Fusionen, Kauf und Übereignung von Aktien.
- die sogenannte ”Ausgliederung”, mit anderen Worten: der Transfer wenig rentabler Wertproduktion in die Dritte Welt mit ihren niedrigen Arbeitskosten und lächerlich geringen Preisen (die häufig auf Dumping zurückzuführen sind), was den zentralen Länder erlaubt, ihre Kosten zu vermindern.
Das allgegenwärtige Resultat war eine universelle Reduzierung der Arbeitskosten (und ein krasses Wachstum sowohl des absoluten als auch des relativen Mehrwerts).
Stand der jährlichen Schwankungen in den Kosten pro Arbeitseinheit (Quelle: OECD)
1985-96 1996 1997 1998
Australien 3,8 2,8 1,7 2,8
Deutschland 0,0 -0,4 -1,5 -1,0
Frankreich 1,5 0,9 0,8 0,4
Großbritannien 4,6 2,5 3,4 2,8
Italien 4,1 3,8 2,5 0,8
Japan 0,5 -2,9 1,9 0,5
Kanada 3,1 3,8 2,5 0,8
Schweden 4,4 4,0 0,5 1,7
Schweiz 3,5 1,3 -0,4 -0,7
Spanien 4,2 2,6 2,7 2,0
Südkorea 7,0 4,3 3,8 -4,3
Vereinigte Staaten 3,1 2,0 2,3 2,0
Was den Anstieg in der Zusammensetzung des Kapitals angeht, so ist dies nichts Neues in der Periode der kapitalistischen Dekadenz, da dies unerlässlich ist, um den Fall der Profitrate auszugleichen. Die systematische Einführung von Robotern, der Informationstechnologie und der Telekommunikation verlieh diesem Prozess weiteren Auftrieb.
Dieser Anstieg in der organischen Zusammensetzung verleiht diesem oder jenem Einzelkapital, dieser oder jener Nation einen gewissen Vorteil gegenüber den Konkurrenten, doch was bedeutet dies vom Standpunkt des gesamten Weltkapitals aus? In der aufsteigenden Periode, als das System fähig war, immer größere Arbeitermassen in seine Ausbeutungsverhältnisse einzuverleiben, bildete das Wachstum der organischen Zusammensetzung einen beschleunigenden Faktor in der kapitalistischen Expansion. Unter den gegenwärtigen Umständen der Dekadenz und einer 30-jährigen, chronischen Krise ist die Wirkung dieses Anstiegs in der organischen Zusammensetzung eine völlig andere. Auch wenn er lebenswichtig ist für jedes Einzelkapital, um die Tendenz zum Fall der Profitrate auszugleichen, hat er für das Gesamtkapital insofern eine andere Wirkung, als er die Überproduktion verschärft und durch die Verminderung des variablen Kapitals, d.h. durch die Entlassung immer größerer Arbeitermassen auf die Straße, der eigentlichen Ausbeutungsgrundlage den Boden entzieht.
Die Reduzierung der Handelsbarrieren
Die bürgerliche Propaganda hat das Verschwinden von Handelsbarrieren im letzten Jahrzehnt als ”Triumph des Marktes” bezeichnet. Wir wollen dies hier nicht detaillierter analysieren[4], doch ist es notwendig, die Wahrheit zu enthüllen, die sich hinter diesen ideologischen Nebelkerzen verbirgt:
- Die Abschaffung von Handelszöllen und anderer protektionistischer Maßnahmen fand im Wesentlichen nur einseitig statt: Sie wurde von den schwächsten Ländern zum Nutzen der stärksten ausgeführt und betraf vor allem Brasilien, Russland, Indien etc. Weit davon entfernt, ihre eigenen Handelsbarrieren zu reduzieren, haben die Hauptindustrieländer neue geschaffen, indem sie das Alibi des Umweltschutzes, der ”Menschenrechte” u.ä. benutzen. Im Gegensatz zu ihrer Darstellung in der bürgerlichen Ideologie hat diese Politik die imperialistischen Spannungen noch verschärft.
- Angesichts der Verschlimmerung der Krise haben die Hauptindustrieländer die Politik der ”Kooperation” durchgesetzt, deren Inhalt sich darauf konzentriert:
...- die Auswirkungen der Krise und der verschärften Konkurrenz auf die schwächsten Länder abzuwälzen;
...- mit allen Mitteln einen Zusammenbruch des Welthandels zu verhindern, was nichts anderes bewirkt als eine weitere Verschärfung der Krise mit besonders schwerwiegenden Konsequenzen für die zentralen Länder.
Die Globalisierung der Finanztransaktionen
Während der 90er Jahre fand eine neue Schuldeneskalation statt. Quantität verwandelte sich in Qualität, die Verschuldung mutierte zur Überverschuldung:
- In den 70er Jahren konnten die Schulden reduziert werden, indem man das Risiko einging, eine Rezession zu provozieren; seit Mitte der 80er Jahre ist die Verschuldung zur dauernden und wachsenden Notwendigkeit für jeden Staat während des Aufschwungs wie auch in der Rezession geworden: ”Die Verschuldung ist keine Option, keine Wirtschaftspolitik, für die sich die Weltführer entscheiden oder nicht. Sie ist ein Zwang, eine Notwendigkeit, die ihnen durch die Funktionsweise und die Widersprüche des kapitalistischen Systems aufgezwungen wird.” (International Review, Nr. 87, ”The casino economy”)
- Einerseits benötigen Staaten, Banken und das Business einen Zustrom von frischem Kapital, was nur durch die Finanzmärkte ermöglicht werden kann. Dies führt zu einem rasenden Wettbewerb um Geldanleihen. Allein für diesen Zweck wurden in wachsendem Maße sorgfältig ausgeheckte Tricks genutzt: die Etablierung einer erzwungenen Parität zwischen den lokalen Währungen und dem Dollar (dieser Trick wurde von China und den berühmten ”Tigern” und ”Drachen” benutzt), die Neubewertung von Währungen, um Kapital an sich zu binden, wachsende Zinsraten etc.
- Andererseits ”findet der Profit aus der Produktion nicht mehr genügend Anlagemöglichkeiten in rentablen Investitionen, um die Produktionskapazitäten zu steigern. ‚Krisenmanagements bedeutet also, andere Anlagemöglichkeiten für dieses Übermaß an flüssigem Kapital zu finden, um seine abrupte Entwertung zu vermeiden” (ebenda). Es sind die Staaten und die angesehensten Finanzinstitutionen selbst, die die frenetische Spekulation stimulierten, nicht nur, um das Platzen dieser gigantischen Blase von fiktivem Kapital zu vermeiden, sondern auch, um die Kosten der stetig wachsenden Verschuldung zu vermindern.
Die Überverschuldung sowie die überbordende und irrationale Spekulation, die von Ersterer verursacht wurde, führten zur berühmten ”grenzenlosen Bewegungsfreiheit” des Kapitals, zum Gebrauch der Elektronik und des Internet bei Finanztransaktionen, zur Koppelung der Währungen an den Dollar, zur ungehinderten Rückführung der Profite in die Heimat. Das komplizierte Finanzmanagement der 80er Jahre (s. die vorhergehenden Artikel) nimmt sich gegen die raffinierten und verschlungenen Tricks der finanziellen ”Globalisierung” in den 90er Jahren wie ein Kinderspiel aus. Bis in die Mitte der 80er Jahre hinein war die Spekulation, die schon immer im Kapitalismus existiert hatte, ein mehr oder weniger temporäres Phänomen. Seither hat sie sich in ein tödliches, aber unerlässliches Gift verwandelt, das untrennbar mit dem Prozess der Überverschuldung verbunden und notgedrungen Bestandteil der Funktionsweise des Systems geworden ist. Das Gewicht der Spekulation ist beträchtlich: Gemäß den Zahlen der Weltbank ist das sogenannte ”Risikokapital” auf 30 Milliarden Dollar angewachsen, von denen 24 Milliarden aus den Industrieländern kommen.
Eine vorläufige Bilanz der 90er Jahre
Wir möchten hier einige vorläufige Schlussfolgerungen aus der Periode 1990-96 (vor der Explosion, die als ”asiatische Krise” bezeichnet wurde) anbieten, die uns wichtig erscheinen.
Die Entwicklung der Wirtschaftslage
1. Die durchschnittlichen Wachstumsraten sind weiter gefallen: Steigerungsraten in BSP (Durchschnitt der 24 OECD-Länder)
1960-70 5,6%
1970-80 4,1%
1980-90 3,4%
1990-95 2,4%
2. Die Amputation der produzierenden Industrie- und Landwirtschaftssektoren setzt sich fort und betrifft alle Bereiche, die ”veralteten” wie auch die ”Vorreiter”.
Entwicklung des BSP-Anteils des direkt produzierenden Gewerbes (in %) (Industrie und Landwirtschaft)
1975 1985 1996
Vereinigte Staaten 36,2 32,7 27,8
China 74,8 73,5 68,5
Indien 64,2 61,1 59,2
Japan 47,9 44,2 40,3
Deutschland 52,2 47,6 40,8
Brasilien 52,3 56,8 51,2
Kanada 40,7 38,1 34,3
Frankreich 40,2 34,4 28,1
Großbritannien 43,7 43,2 33,6
Italien 48,6 40,7 33,9
Belgien 39,9 33,6 32,0
Israel 40,1 33,1 31,3
Südkorea 57,5 53,5 49,8
3. Im Kampf gegen den unvermeidlichen Fall der Profitrate sucht das Business Zuflucht bei einer ganzen Reihe von Maßnahmen, welche den Fall kurzfristig verzögern sollen, aber mittelfristig das Problem nur noch weiter verschärfen werden:
- die Reduzierung der Arbeitskosten und die Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals;
- Dekapitalisierung: der massive Transfer von Vermögenswerten (Fabriken, Eigentum, finanzielle Investitionen), um die Profite aufzublähen;
- Konzentration: Betriebsfusionen haben ein spektakuläres Wachstum erlebt.
Der Wert von Fusionen in Milliarden Dollar (Quelle: ”JP Morgan”)
Europäische Union Vereinigte Staaten
1990 260 240
1992 214 220
1994 234 325
1996 330 628
1997 558 910
1998 670 1500
Während der gigantische Prozess der Kapitalkonzentration zwischen 1850 und 1910 die Entwicklung der Produktion widerspiegelte und positiv für die Entfaltung der Wirtschaft war, drückt der gegenwärtige Prozess das Gegenteil aus. Es handelt sich hier um eine defensive Antwort, die darauf ausgerichtet ist, den starken Widerspruch zwischen Angebot und Nachfrage dadurch auszugleichen, indem sie die Verringerung der Produktionskapazitäten organisiert (1998 kürzten die Industrieländer ihre Produktionskapazitäten um 10%) und die Arbeitskräfte reduziert: Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass infolge der getätigten Fusionen 1998 die Zahl der Arbeitsplätze insgesamt um 11% reduziert wurde.
4. Die Fundamente des Weltmarktes wurden ein weiteres Mal reduziert: Große Teile Afrikas, eine gewisse Anzahl asiatischer und lateinamerikanischer Länder beteiligten sich nur noch schwach am Weltmarkt, da sie sich in einer Lage des Zerfalls befinden. Sie sind bekannt geworden als ”schwarze Löcher”: ein Zustand des Chaos‘, die Wiederauferstehung von Formen der Sklaverei, eine Wirtschaft, die auf Tauschhandel und Ausplünderung basiert.
5. Die bisher als ”Modelle” gepriesenen Länder sind in eine ausgedehnte Stagnation gestürzt. Dies ist der Fall in Deutschland, der Schweiz, in Japan und Schweden, wo:
- die durchschnittliche Wachstumsrate der Produktion in der Periode von 1990 bis 1997 zwei Prozent nicht überschritt;
- die Arbeitslosigkeit beträchtlich wuchs: zwischen 1990 und 1997 verdoppelte sie sich praktisch (zum Beispiel betrug in der Schweiz die Arbeitslosigkeitsrate zwischen 1970 und 1990 noch 1%; 1997 war sie auf 5,2% gestiegen);
- alle vier Länder von Gläubigern zu Schuldnern wurden (die Schweizer Haushalte sind die nach den USA und Japan am höchsten verschuldeten in der Welt);
- Besonders prekär ist die Situation der Schweizer Wirtschaft, die bis vor kurzem noch als die gesündeste in der Welt galt:
Wachstum des Schweizer BSP
1992 0,3%
1993 0,8%
1994 0,5%
1995 0,8%
1996 0,2%
1997 0,7%
6. Die Verschuldung setzt ihr unaufhaltsames Wachstum fort und verwandelt sich in eine Überverschuldung:
- Die globale Verschuldung stieg auf die astronomische Zahl von 30 Billarden Dollar (anderthalb Jahre der Weltproduktion).
- Japan, Deutschland und die anderen westeuropäischen Länder nahmen die oberen Ränge der Höchstverschuldeten ein (ein Jahrzehnt zuvor waren ihre Schulden noch weitaus moderater):
Der prozentuale Anteil der Schulden am Bruttosozialprodukt (Quelle: Weltbank)
1975 1985 1996
Vereinigte Staaten 48,9 64,2
Japan 45,6 67,0 87,4
Deutschland 24,8 42,5 60,7
Kanada 43,7 64,1 100,5
Frankreich 20,5 31,0 56,2
Großbritannien 62,7 53,8 54,5
Italien 57,5 82,3 123,7
Spanien 12,7 43,7 130,0
- Die Länder der Dritten Welt litten an einer neuen Überdosis Schulden:
Die Gesamtschulden der ”unterentwickelten Länder” (Quelle: Weltbank)
1990 1.480.000 Millionen $
1994 1.927.000 Millionen $
1996 2.177.000 Millionen $
7. Die Finanzplätze erlebten die schlimmsten Erschütterungen seit 1929 und hörten auf, ein sicherer Ort zu sein, wie das bis Mitte der 80er Jahre noch der Fall war. Ihre Aushöhlung wird von einer gigantischen Entwicklung der Spekulation begleitet, die alle Aktivitäten betrifft: Aktien in den Börsen, Eigentum, Kunst, Landwirtschaft, etc.
8. Zwei Phänomene, die stets im Kapitalismus existiert hatten, haben in diesem Jahrzehnt alarmierende Ausmaße angenommen:
- die Korruption von Politikern und Wirtschaftsmanagern, die ein Produkt zweier miteinander verbundener Faktoren ist:
...- des immer überwältigenderen Gewichts des Staates in der Wirtschaft (Geschäfte sind in wachsendem Maße abhängig von staatlichen Investitionsplänen, von Subventionen, öffentlichen Aufträgen);
...- der wachsenden Schwierigkeit, mit ”legalen” Mitteln ausreichenden Profit zu erzielen.
- die Kriminalisierung der Wirtschaft, die immer stärkere wechselseitige Durchdringung von Staaten, Banken, Business und Drogen-, Waffen-, Kinder- und Menschenhändlern. Die dubiosesten Geschäfte sind zumeist die profitabelsten, und die ”seriösesten” Institutionen öffentlicher und privater Natur können nicht anders, um ihren Appetit zu stillen. Nichts veranschaulicht deutlicher die Tendenz zum wirtschaftlichen Zerfall.
9. Im Gefolge der o. g. Erscheinungen hat sich auch ein Phänomen in den Industrieländern breit gemacht, das bis dahin für die Bananenrepubliken und stalinistischen Regimes reserviert war – das Phänomen immer unverfrorener Verfälschungen von Wirtschaftsindikatoren und der ”kreativen Buchführung” in allen Variationen. Dies ist ein weiterer Ausdruck der Verschlimmerung der Krise, da es für die Bourgeoisie stets notwendig war, über zuverlässige Statistiken zu verfügen (besonders in den Ländern des ”westlichen” Staatskapitalismus, wo der Markt benötigt wird, um zu einem unbestechlichen Urteil über die Funktionsweise der Wirtschaft zu gelangen).
Die Weltbank, Quelle vieler Statistiken, führt als einen Teil des BSP den Begriff der ”nicht handelsfähigen Dienstleistungen” auf, der die Zahlungen für das Militär, die Staatsbediensteten und Lehrer umfasst. Eine andere Methode, die Zahlen aufzublähen, besteht darin, nicht nur die landwirtschaftlichen Tätigkeiten, sondern auch eine ganze Reihe von Dienstleistungen als ”Eigenkonsum” zu berücksichtigen. Der viel gerühmte ”Haushaltsüberschuss” des amerikanischen Staates ist eine Fiktion, die aufrechterhalten wird, indem man mit den Überschüssen der Sozialversicherungen spielt[5]. Doch werden, gemessen an ihrer großen sozialen und politischen Bedeutung, die skandalösesten Tricks mit den Arbeitslosenstatistiken angestellt, die beträchtlich nach unten ”korrigiert” werden:
- In den USA hat unsere Publikation Internationalism die von der Clinton-Administration benutzten Tricks deutlich gemacht, um ihre ”hervorragenden” Arbeitslosenzahlen zu erzielen: indem sie diejenigen, die einer Teilzeitarbeit nachgehen, in ihren Beschäftigtenzahlen voll mit einschließt, indem sie jene Arbeitslose aus ihren Statistiken eliminiert, die sich weigern, irgendeinen McBurger-Job anzunehmen, indem sie die verschiedenen Teilzeitjobs, die von einem Arbeiter ausgeübt werden, so zählt, als würden sie von mehreren Individuen ausgeführt u.s.w.
- In Deutschland werden nur diejenigen als arbeitslos anerkannt, die einen Job von mindestens 18 Arbeitsstunden in der Woche suchen, in den Niederlanden beträgt die Zahl der zu leistenden Wochenarbeitsstunden 12 Stunden und in Luxemburg 20 Wochenstunden[6].
- Österreich und Griechenland haben sich der monatlichen Statistiken entledigt, um auf vierteljährliche überzugehen, mit denen sie die wirklichen Zahlen verschleiern wollen.
- In Italien werden diejenigen, die zwischen 20 und 40 Stunden in der Woche oder nur zwischen vier und sechs Monaten im Jahr arbeiten, nicht als arbeitslos anerkannt. In Großbritannien werden jene Arbeitslosen, die keine staatliche Unterstützung erhalten, aus den Statistiken ausradiert.
Die Lage der Arbeiterklasse
1. Die Arbeitslosigkeit hat sich während dieses Jahrzehnts brutal ausgeweitet:
Arbeitslosigkeit in den 24 Ländern der OECD
1989 30 Millionen
1993 35 Millionen
1996 38 Millionen
Arbeitslosigkeit in den Industrieländern in % (Quelle: IAO)
1976 1980 1990 1996
USA 7,4 7,1 6,4 5,4
Japan 1,8 2,0 2,1 3,4
Deutschland 3,8 2,9 5,0 12,4
Frankreich 4,4 6,3 9,1 12,4
Italien 6,6 7,5 10,6 12,1
Großbritannien 5,6 6,4 7,9 8,2
Die IAO hat erklärt, dass 1996 die weltweite Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung die Schwelle von einer Milliarde erreicht hat.
2. Die chronische Unterbeschäftigung in der Dritten Welt hat sich auf die Industrieländer ausgebreitet:
- 1995 machten die Zeitarbeitsverträge 20% der Arbeitskräfte in den 24 OECD-Ländern aus.
- Der IAO-Bericht von 1996 bemerkte, dass ”zwischen 25% und 30% der Arbeiter der Welt auf einen Arbeitsplatz, dessen Arbeitstag kürzer ist, als sie es wünschten, oder auf einen Lohn angewiesen sind, der niedriger ist als das notwendige Minimum, um anständig zu leben”.
3. In der Dritten Welt hat eine massive Wiederkehr vergangen geglaubter Ausbeutungsformen stattgefunden, wie Kinderarbeit (nahezu 200 Millionen gemäß den Statistiken der Weltbank von 1996), Sklaverei oder Arbeitszwang – selbst in entwickelten Ländern wie Frankreich wurden Diplomaten verurteilt, weil sie ihr von Madagaskar oder Indonesien mitgebrachtes Hauspersonal wie Sklaven behandelt hatten.
4. Zusammen mit allgemeinen Massenentlassungen (besonders in den Großbetrieben) haben sich die Regierungen der Politik der ”Reduzierung überflüssiger Kosten” verschrieben:
- Einschränkungen der Abfindungen im Falle von Entlassungen;
- Kürzungen der Arbeitslosengelder und einer Reihe anderer Wohlfahrtsgelder.
5. Die Löhne haben zum ersten Mal seit den 30er Jahren eine nominale Senkung erlebt:
- Das Lohnniveau in Spanien war 1997 niedriger als in den 80er Jahren.
- In den USA fiel der Durchschnittslohn zwischen 1974 und 1997 um 20%.
- In Japan fielen die Löhne zum ersten Mal seit 1955 (1998 um 0,9%).
6. Es werden permanent wesentliche Bereiche der Sozialausgaben gekürzt. Dagegen steigen die Steuern, Preise und Sozialversicherungsabgaben ohne Unterlass.
7. Seit Mitte des Jahrzehnts hat das Kapital eine neue Angriffsfront eröffnet: die Eliminierung eines legalen Minimums in den Arbeitsbedingungen. Dies hatte eine Reihe von Konsequenzen zur Folge:
- die Verlängerung des Arbeitstages (insbesondere durch die Demagogie der ”35-Stunden-Woche”, welche eine flexible Berechnung der Arbeitsstunden auf jährlicher Grundlage und daher auch einen Abbau der Überstundenzuschläge voraussetzte);
- die Eliminierung der Grenzen für das Rentenalter;
- die Aufhebung der Grenzen für das Alter des Berufseintritts (zwei Millionen Kinder arbeiten bereits in den Ländern der EU);
- der Abbau des Arbeitsschutzes und des Schutzes vor Berufskrankheiten etc.
8. Ein anderer, unübersehbarer Aspekt besteht darin, dass Banken, Versicherungsgesellschaften u.a. die Arbeiter dazu drängen, ihre kleinen Einkommen (oder ihre Erbschaften von Eltern oder Großeltern) auf das russische Roulett der Börsen zu setzen, um sie so zu den ersten Opfern der ständigen Purzelbäume an den Börsen zu machen. Doch ein noch größeres Problem ist, dass mit den Kürzungen der lächerlichen Sozialversicherungsrenten die Arbeiter in die Abhängigkeit von Rentenfonds gezwungen werden, die die Masse ihrer Beiträge in Börsengeschäfte investieren, welche große Unsicherheiten in sich bergen: Beispielsweise verlor 1997 der wichtigste Rentenfonds der Angestellten im Erziehungswesen der USA 11% seines Wertes (s. ”Internationalism”, Nr. 105)
Die bürgerliche Propaganda hat bis zum Überdruss die Verringerung der Ungleichheiten, die ”Demokratisierung” des Wohlstands und des Konsums propagiert. Dreißig Jahre der sich ausweitenden historischen Krise des Kapitalismus haben diese Proklamationen systematisch der Lüge überführt und die marxistische Analyse bestätigt, wonach die Verschlimmerung der Krise eine eindeutige Tendenz zur wachsenden Verarmung der Arbeiterklasse und der gesamten ausgebeuteten Bevölkerung mit sich bringt. Im Kapitalismus ist die Menschheit in einer immer kleineren Minderheit mit unverschämt großem Reichtum auf der einen Seite und einer wachsenden Mehrheit von Menschen auf der anderen Seite geteilt, die unter fürchterlicher und niederschmetternder Armut leiden. Einige im Jahresbericht der UNO von 1998 zusammengefassten Zahlen sind sehr aufschlussreich: Während es noch 1996 weltweit 358 Superreiche waren, die in ihren Händen dasselbe Geldvermögen wie das der 2,5 Milliarden Ärmsten konzentrierten hatten, besaßen 1997 allein die 225 reichsten Menschen das Äquivalent des Milliardenheeres der Verarmten.
Adalen
[1] Es ist nicht der Zweck dieser Artikelreihe, die neue Stufe der historischen Krise des Kapitalismus zu analysieren, die im August 1997 mit der sog. ”asiatischen Krise” erklommen wurde. Siehe dazu International Review Nr. 92 und andere spezifischere Studien darüber.
[2] Es ist nicht das Ziel dieses Artikels, die Konsequenzen daraus für den Klassenkampf, die imperialistischen Spannungen und für das Überleben der dem stalinistischen Regime unterworfenen Länder zu analysieren. Wir wollen hier auf die Artikel verweisen, die wir in der International Review, besonders in den Nr. 60, 61, 62, 63 und 64, veröffentlicht haben.
[3] Während die amerikanische Produktion 26,7% der Weltproduktion ausmacht, betragen die Dollarmengen 47,5% der Bankdepositen, 64,1% der Weltwährungsreserven und 47,6% der Finanztransaktionen (Zahlen von der Weltbank).
[4] s. International Review, Nr. 86, ”Behind the ‚gobalisation‘ of the economy: the aggravation of the capitalist crisis”;
[5] gemäß einer Analyse, die am 9. November 1998 in der New York Times veröffentlicht wurde;
[6] Diese und die folgenden Zahlen wurden dem Offiziellen Jahrbuch der Europäischen Union (1997) entnommen.