Metallarbeiterstreik in Vigo Das französische Beispiel macht Schule

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Entgegen der Praxis der bürgerlichen Medien, die jüngsten Ereignisse an der Klassenfront zu verschweigen, sehen wir es als unsere Aufgabe als revolutionäre Organisation an, unsere Klasse über die sich gegenwärtig häufenden Klassenkämpfe zu informieren und dazu beizutragen, die Lehren aus diesen weiterzureichen.

So haben sich nicht nur Schüler und Studenten in Chile, an verschiedenen Orten in Indien oder auch in Deutschland ein Beispiel an den Studenten in Frankreich genommen, sondern auch Beschäftigte auf mehreren Kontinenten. Wir liefern nachfolgend einige Informationen und Einschätzungen zu einem wichtigen Streik im spanischen Vigo, die wir von unseren Genossen in Spanien erhalten haben.

Massenvollversammlungen auf der Straße

Am 3. Mai traten ca. 23.000 Beschäftigte kleinerer und mittlerer Metallbetriebe in der Region Vigo (1) in den Streik. Ein Großteil der Streikenden waren jüngere Beschäftigte.

Hintergrund des Streiks waren Tarifverhandlungen in der Metallindustrie für kleinere und mittlere Betriebe. An vorderster Stelle der Forderungen der Beschäftigten standen Maßnahmen gegen die Prekarisierung, denn ca. 70% der Beschäftigten sind prekär beschäftigt.

Drei Merkmale ragten von Anfang an bei dieser Bewegung heraus:

- Es kam zu großen Vollversammlungen, die auf der Straße tagten; sie wurden öffentliche Versammlungen (asambleas públicas) genannt, auf denen Menschen, die nicht in dieser Industriebranche arbeiteten, das Wort ergreifen und sich zum Streik äußern konnten. Die Gewerkschaften versuchten, das Zustandekommen dieser Vollversammlungen und die Möglichkeit des Wortergreifens zu verhindern.

- Große Demonstrationen fanden im Stadtzentrum statt, bei denen die Demonstrationsteilnehmer die Passanten aufzuklären versuchten und sie zur Beteiligung an ihrem Kampf aufriefen.

- Massive Delegationen wurden zu den Großbetrieben entsandt (Schiffswerften, Citroen usw.), um sie zur Beteiligung an der Bewegung aufzurufen.

Mehr als 10.000 Arbeiter versammelten sich jeden Tag, um den Kampf zu organisieren, Entscheidungen zu treffen; zu überlegen, an welche Beschäftigte aus welchen Unternehmen man sich wendet, um Solidarität einzufordern; zu hören, was über den Streik im Radio und von anderen gesagt wurde.

Es ist lehrreich zu sehen, dass die Arbeiter in Vigo die gleichen Kampfmethoden verwendet haben wie die Studenten in Frankreich in der jüngsten Bewegung. 

Von Anfang an waren die Beschäftigten in Vigo darauf bestrebt, die Solidarität anderer Beschäftigter zu gewinnen, vor allem der großen Metallbetriebe, die besondere Tarifverträge haben. Es wurden große Delegationen zu den Schiffswerften, zur Automobilfabrik von Citroen und anderen Großbetrieben geschickt. Ab dem 4. Mai traten auf den Schiffswerften die Beschäftigten aus Solidarität einstimmig in den Streik. Der bürgerlichen Ideologie zufolge, die kalt und egoistisch ist, sollte sich jeder nur um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Deshalb ist aus ihrer Sicht ein Solidaritätsstreik ein Irrsinn; aber vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus ist die Solidarität die beste Antwort auf die heutigen und zukünftigen Bedürfnisse des Kampfes. Denn nur wenn wir uns auf den gemeinsamen Kampf der ganzen Klasse stützen können, können einzelne Teile Druck ausüben und Stärke zeigen. Die Gesellschaft, die das Proletariat in der Zukunft aufbauen soll und diesem ermöglicht, die Menschheit aus der Sackgasse des Kapitalismus zu befreien, wird sich auf die Solidarität in der menschlichen Gemeinschaft stützen.

Am 5. Mai versammelten sich ca. 15.000 Metaller vor dem Citroen-Werk, um zu versuchen, die Beschäftigten des Werkes für die Beteiligung am Streik zu gewinnen. Aber die Belegschaft war gespalten - einige sprachen sich für die Beteiligung am Streik, andere für die Fortführung der Arbeit aus. Schlussendlich nahmen alle die Arbeit auf. Dennoch schien die Saat, die die massiven Delegationen unter den Beschäftigten der Citroen-Werke gepflanzt hatte, langsam aufzugehen, denn am 9. Mai legten bei Citroen und in anderen Werken doch Beschäftigte die Arbeit nieder.

Repression - politische Waffe der Herrschenden

Am 8. Mai zogen ca. 10.000 Arbeiter in einem Demonstrationszug nach der Vollversammlung auf der Straße zum Bahnhof, mit dem Ziel, Reisende über ihren Streik aufzuklären. Die Polizei griff daraufhin die Demonstranten von allen Seiten mit ungeheuerlicher Brutalität an. Die Demonstranten wurden auseinander getrieben; in kleinen Gruppen zersplittert, wurden sie weiter von den Polizeikräften gnadenlos angegriffen.

Es gab zahlreiche Verletzte und 13 Verhaftungen. Diese Repression spricht Bände und zeigt, was die so genannte "Demokratie" und ihre schönen Reden von "Verhandlungen", "Versammlungsfreiheit", "demokratischer Repräsentanz" in Wirklichkeit bedeuten. Wenn die Arbeiter sich zur Wehr setzen, zögert das Kapital keinen Augenblick, seinen Repressionsapparat einzusetzen. Der zynische Meister des "Dialogs", der spanische Premierminister Zapatero, zeigte sein wahres Gesicht.

Aber die Polizeirepression am Bahnhof von Vigo verfolgte in Wirklichkeit ein politisches Ziel: Die Arbeiter sollten in eine sie erschöpfende, gewalttätige Auseinandersetzung mit den Repressionskräften gedrängt werden. Der herrschenden Klasse ist sehr daran gelegen, dass die massiven Aktionen (Massendemonstrationen, Vollversammlungen usw.) durch eine Verzettelung der Kräfte mittels Schlägereien mit den Ordnungskräften untergraben werden. Sie stellt regelrecht Fallen auf, in die die Arbeiter laufen sollen, damit andere Arbeiter die Sympathie für ihre Aktionen verlieren.

"Die Tiefe der Studentenbewegung zeigt sich auch in ihrer Fähigkeit, den Fallen der Bourgeoisie, u.a. durch Manipulation der "Vandalen", zu entgehen. Zu diesen Fallen, welche die Studenten in gewalttätigen Situationen aufreiben sollten, gehören die polizeiliche Besetzung der Sorbonne, die "Einkesselung" am Endpunkt der Demonstration vom 16. März, die polizeilichen Übergriffe vom 18. März, die Gewalt der "Vandalen" gegen die Demonstranten vom 23. März. Wenn auch eine kleine Minderheit der Studentenschaft - vor allem jene, die von anarchistischen Ideologien beeinflusst sind -, sich auf die Konfrontationen mit der Polizei eingelassen haben, so widersetzte sich dennoch die große Mehrheit einer Zersplitterung der Bewegung durch ständige Konfrontation mit den Repressionskräften." (Thesen über die Studentenbewegung in Frankreich im Frühjahr 2006)

Die Arbeiter in Vigo sind massenweise auf die Straße gegangen, um die Freilassung ihrer inhaftierten Kollegen zu fordern. Mehr als 10.000 Arbeiter versammelten sich am 9. Mai, um ihre Freilassung zu erzwingen. Diesem Druck mussten die Behörden nachgeben. Es ist aufschlussreich, dass die nationalen "Nachrichtenmedien" (El Pais, Mundo, TVE usw.) über diesen Kampf ein vollständiges Schweigen bewahrt haben und vor allem kein Wort zu den Vollversammlungen, den Massendemonstrationen, der Solidarität gesagt haben. Und dann erfolgte in den Medien plötzlich der große Aufschrei über die gewalttätigen Zusammenstöße am 8. Mai. Die Botschaft, die wir vernehmen sollten, war klar: "Wenn man die Aufmerksamkeit erregen will, muss man gewalttätige Auseinandersetzungen verursachen". Vor allem die Kapitalisten sind am meisten daran interessiert, dass die Arbeiter sich gegenseitig abschotten, sich einsperren lassen und in einer Spirale sinnloser Auseinandersetzungen ihre Energien verpuffen.    20.05.06

(1)   Vigo, das im westspanischen Galizien liegt, hat ca. 250.00 Einwohner.