Die USA, das mächtigste Land des Planeten, sind zu einem Schaufenster für den fortschreitenden Zerfall der kapitalistischen Weltordnung geworden. Das Rennen um die Präsidentschaftswahlen hat ein grelles Licht auf ein Land geworfen, das von rassisistischen Spaltungen; von immer brutaleren Konflikten innerhalb der herrschenden Klasse; von der schockierenden Unfähigkeit mit der Covid-19-Pandemie fertig zu werden, die fast eine Viertelmillion Tote gefordert hat; und das von den verheerenden Auswirkungen der wirtschaftlichen und ökologischen Krise und der Verbreitung irrationaler, apokalyptischer Ideologien zerrissen ist. Und doch widerspiegelt all dies paradoxerweise eine grundlegende Wahrheit: dass wir in den "letzten Zügen" eines kapitalistischen Systems leben, das in jedem Land der Welt herrscht.
Aber auch in dieser letzten Phase seines historischen Niedergangs, selbst wenn die herrschende Klasse zunehmend ihren Kontrollverlust über ihr eigenes System demonstriert, kann der Kapitalismus seine eigene Fäulnis gegen seinen wahren Feind wenden - gegen die Arbeiterklasse und die Gefahr, dass diese sich ihrer wahren Interessen bewusst wird. Die Rekordbeteiligung an den Wahlen in den USA und die lautstarken Proteste und Feierlichkeiten auf beiden Seiten der politischen Spaltung stellen eine mächtige Verstärkung des Irrglaubens Demokratie dar - der falschen Vorstellung, dass der Wechsel eines Präsidenten oder einer Regierung das Abgleiten des Kapitalismus in den Abgrund aufhalten kann, dass die Abstimmung "dem Volk" ermöglicht, sein Schicksal in die Hand zu nehmen.
Heute steht an der Spitze dieser Ideologie der Glaube, dass Joe Biden und Kamala Harris die amerikanische Demokratie vor Trumps autoritärem Mobbing retten werden, dass sie die Wunden der Nation heilen, die Rationalität und Verlässlichkeit der Beziehungen der USA zu anderen Weltmächten wiederherstellen werden. Und diese Ideen finden ein Echo in einer gigantischen internationalen Kampagne, welche die Erneuerung der Demokratie und den Rückzug des populistischen Angriffs auf liberale Werte begrüßt.
Aber wir, die Arbeiter, sollten gewarnt sein. Während Trump und "America First" offen für die Verschärfung des wirtschaftlichen und sogar militärischen Konflikts mit anderen kapitalistischen Staaten - insbesondere China - stehen, werden Biden und Harris auch Amerikas Streben nach imperialistischer Vorherrschaft verfolgen, vielleicht mit etwas anderen Methoden und einer etwas anderen Rhetorik. Wenn Trump für Steuersenkungen für die Reichen stand und seine Regierungszeit mit einem gewaltigen Anstieg der Arbeitslosigkeit beendete, so wird eine Biden-Regierung, die mit einer Weltwirtschaftskrise konfrontiert ist, welche sich durch die Pandemie stark verschärft hat, keine andere Wahl haben, als die ausgebeutete Klasse durch zunehmende Angriffe auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Krise bezahlen zu lassen. Wenn eingewanderte und "illegale" Arbeiter glauben, dass sie unter einer Biden-Regierung sicherer sind, dann sollen sie sich daran erinnern, dass unter Präsident Obama und Vizepräsident Biden 3 Millionen "illegale" Arbeiter aus den USA deportiert wurden.
Zweifellos ist ein Großteil der derzeitigen Unterstützung für Biden eine Reaktion auf die regelrechten Schrecken des Trumpismus: die unverhohlenen Lügen, den Dog-Whistle-Rassismus, die harte Unterdrückung von Protesten und die totale Verantwortungslosigkeit angesichts von Covid-19 und des Klimawandels. Keine Frage, dass Trump ein klares Spiegelbild eines verfaulenden Gesellschaftssystems ist. Aber Trump behauptet auch, im Namen des Volkes zu sprechen, als "Außenseiter" zu handeln, der sich gegen die nicht rechenschaftspflichtigen "Eliten" stellt. Und selbst wenn er die "Normen" der kapitalistischen Demokratie offen untergräbt, stärkt er das Gegenargument, dass wir uns mehr denn je zur Verteidigung dieser Normen zusammenschließen müssen. In diesem Sinne sind Biden und Trump zwei Flügel desselben demokratischen Betrugs. Das bedeutet nicht, dass die beiden Flügel friedlich zusammenarbeiten werden. Selbst wenn Trump als Präsident abgesetzt wird, wird der Trumpismus nicht verschwinden. Trump hat die bewaffneten rechten Milizen, die auf den Straßen paradieren, weitgehend legalisiert und marginale Verschwörungskulte wie QAnon in den ideologischen Mainstream gebracht. Dies wiederum hat das Anwachsen antifaschistischer Truppen und schwarzer Milizen gefördert, die bereit sind, den weißen Rassisten auf militärischem Terrain entgegenzutreten. Und hinter all dem steht die gesamte bürgerliche Klasse und ihre Staatsmaschinerie, die von gegensätzlichen wirtschaftlichen und außenpolitischen Interessen zerrissen wird, die durch Bidens "heilende" Reden nicht weggezaubert werden können. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass diese Konflikte in der kommenden Zeit noch intensiver und gewaltsamer werden. Und die Arbeiterklasse hat überhaupt kein Interesse daran, in diese Art von "Bürgerkrieg" verwickelt zu werden, ihre Energie und sogar ihr Blut in den Kampf zwischen populistischen und antipopulistischen Fraktionen der Bourgeoisie zu stecken.
Diese Fraktionen zögern nicht, an ihre Version der "Arbeiterklasse" zu appellieren. Trump präsentiert sich als Verfechter der Arbeiter, deren Arbeitsplätze durch "unlauteren" ausländischen Wettbewerb gefährdet oder zerstört worden sind. Auch die Demokraten, insbesondere linke Figuren wie Sanders oder Ocasio-Ortez, behaupten, im Namen der Ausgebeuteten und Unterdrückten zu sprechen.
Aber die Arbeiterklasse hat ihre eigenen Interessen, und diese decken sich mit keiner der Parteien der Bourgeoisie, weder der republikanischen noch der demokratischen. Sie decken sich auch nicht mit den Interessen "Amerikas", der "Nation" oder des "Volkes", jenem legendären Ort, an dem die Ausgebeuteten und die Ausbeuter in Harmonie leben (wenn auch in rücksichtsloser Konkurrenz zu anderen Nationen). Die Arbeiter haben keine Nation. Sie sind Teil einer internationalen Klasse, die in allen Ländern vom Kapital ausgebeutet und von seinen Regierungen unterdrückt wird, einschließlich derjenigen, die es wagen, sich selbst als Sozialisten zu bezeichnen, wie China oder Kuba, nur weil sie die Beziehung zwischen dem Kapital und seinen Lohnsklaven verstaatlicht haben. Diese Form des Staatskapitalismus ist die bevorzugte Option des linken Flügels der Demokratischen Partei, aber sie bedeutet nicht, wie Engels einmal betonte, "dass das kapitalistische Verhältnis abgeschafft wird. Vielmehr wird es auf den Kopf gestellt".
Der wirkliche Sozialismus ist eine menschliche Weltgemeinschaft, in der die Klassen, die Lohnsklaverei und der Staat abgeschafft worden sind. Dies wird die erste Gesellschaft in der Geschichte sein, in der die Menschen eine echte Kontrolle über das Produkt ihrer eigenen Hände und ihres eigenen Verstandes haben. Aber um den ersten Schritt in Richtung einer solchen Gesellschaft zu tun, muss die Arbeiterklasse sich selbst als eine Klasse die im Gegensatz zum Kapital steht anerkennen. Und ein solches Bewusstsein kann sich nur entwickeln, wenn die Arbeiterklasse mit Händen und Füßen für ihre eigenen materiellen Bedürfnisse kämpft, gegen die Bemühungen der ausbeutenden Klasse und ihres Staates, die Löhne zu senken, Arbeitsplätze abzubauen und den Arbeitstag zu verlängern. Und es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die globale Depression, die sich im Gefolge der Pandemie abzeichnet, solche Angriffe zum unvermeidlichen Programm aller Teile der Kapitalistenklasse machen wird. Angesichts dieser Angriffe werden die Arbeiter massiv in den Kampf zur Verteidigung ihres Lebensstandards eintreten müssen. Und es darf keinen Raum für Illusionen geben: Biden wird, wie jeder andere kapitalistische Herrscher auch, nicht zögern, die blutige Unterdrückung der Arbeiterklasse anzuordnen, wenn diese Gefahr für ihre Ordnung darstellt.
Der Kampf der Arbeiter für ihre eigenen Klassenforderungen ist eine Notwendigkeit, nicht nur, um den wirtschaftlichen Angriffen der Bourgeoisie entgegenzutreten, sondern vor allem als Grundlage, um ihre Illusionen in diese oder jene bürgerliche Partei oder diesen oder jenen Führer zu überwinden und ihre eigene Perspektive, ihre eigene Alternative gegenüber dieser zerfallenden Gesellschaft zu entwickeln.
Im Laufe ihrer Kämpfe wird die Arbeiterklasse gezwungen sein, ihre eigenen Organisationsformen zu entwickeln, wie Generalversammlungen und gewählte, jederzeit widerrufbare Streikkomitees, embryonale Formen der Arbeiterräte, die sich in den vergangenen revolutionären Momenten als das Mittel erwiesen haben, mit dem die Arbeiterklasse die Macht in die eigenen Hände nehmen und den Aufbau einer neuen Gesellschaft beginnen kann. In diesem Prozess hätte eine wirkliche politische Partei der Arbeiterklasse eine entscheidende Rolle zu spielen: nicht indem sie die Arbeiter auffordert, sie an die Macht zu wählen, sondern indem sie Prinzipien verteidigt, die aus den Kämpfen der Vergangenheit abgeleitet sind, und indem sie den Weg in die revolutionäre Zukunft weist. Mit den Worten der Dritten Internationalen: "Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun". Kein Trump, kein Biden, kein falscher Messias - die Arbeiterklasse kann sich nur aus eigener Kraft emanzipieren und dabei die gesamte Menschheit von den Ketten des Kapitals befreien.
Amos 11.11.20
Während die Welt mit der Covid-19 Pandemie konfrontiert ist, haben wir die schmerzliche Erfahrung des Todes unseres Genossen Kishan am 26. März 2020 gemacht. Dies ist ein großer Verlust für die IKS.
Unsere Sektion in Indien und die gesamte IKS werden ihn sehr vermissen. Kishan hat einen wichtigen Beitrag zum Leben unserer Organisation geleistet und war bis zu seinem letzten Atemzug ein Genosse mit großem Kampfgeist.
Kishan wurde 1939 in einem abgelegenen Dorf im indischen Westbengalen geboren. Er besuchte in den 1960er Jahren die Universität, zu einer Zeit, bevor die Arbeiterklasse mit dem Streik von 9 Millionen Arbeitern in Frankreich 1968 wieder auf die Bühne zurückkehrte, gefolgt vom heißen Herbst in Italien 1969, den polnischen Arbeiterkämpfen 1970, die das Ende der Periode der Konterrevolution bedeuteten. Die 1960er Jahre waren eine Zeit des Protests an den Universitäten in aller Welt, insbesondere gegen den Vietnamkrieg und den Rassismus. Die jungen Menschen die sich in diesen Bewegungen engagierten, waren aufrichtig in ihrem Wunsch nach "revolutionärer" Veränderung, handelten aber hauptsächlich auf kleinbürgerlichem Terrain, mit der Illusion, „das Leben jetzt und sofort zu verändern". Sowohl vor als auch nach 1968 gab es aber linke - d.h. bürgerliche - Organisationen, die bereit waren, junge Menschen zu rekrutieren und ihr Interesse an den Positionen der Arbeiterklasse zu blockieren. Dies waren die globalen Bedingungen, unter denen Kishan in die bürgerliche naxalitische Bewegung in Indien hineingezogen wurde.
In den Jahren 1963-65 machte er das Examen in Physik an der nordbengalischen Universität. Seinen Master schloss er mit einem erstklassigen Abschluss ab. Während seiner Studienzeit wurde er Teil einer jungen Generation, die sich von der naxalitischen Bewegung angezogen fühlte. Nach und nach wurde der Begriff Naxalismus zum Synonym für den Maoismus. Als junger Student stürzte Kishan sich in den Strudel dieser Bewegung, ließ seine Forschungen unvollständig und wurde für diese Aktivitäten ins Gefängnis geworfen. Nach acht Jahren Gefangenschaft wurde er 1978 freigelassen. Die unaussprechlichen Folterungen im Gefängnis forderten bis zu seinem Lebensende ihren Tribut. In einer engen Zelle und unzureichender, manchmal ungenießbarer Nahrung, zog sich Kishan die Tuberkulose zu, und diese Lungenkrankheit war ein ständiger Begleiter bis zum letzten Tag seines Lebens. Während seiner Haftzeit las er insbesondere Marx, und dies half ihm, offen zu sein für die Diskussion der marxistischen Ideen der Kommunistischen Linken, als er auf sie stieß.
Kishan war einer der wenigen, der, nachdem er in die besonders abstossende maoistische Form der linken bürgerlichen Ideologie hineingezogen worden war, in der Lage war, einen vollständigen Bruch damit zu vollziehen und sich dem Proletariat zu widmen, indem er sich der Tradition der Kommunistischen Linken anschloss. Ein solcher politischer Bruch erforderte zwangsläufig eine Klärung durch lange geduldige Diskussionsarbeit mit der IKS in den 1980er und 1990er Jahren. Die Bildung des Kerns der IKS in Indien im Jahr 1989 war eine Stimulation für diese Dynamik der politischen Klärung. Als Kishan sich mit der IKS in Verbindung setzte, entdeckte er die wahre Geschichte der Kommunistischen Linken. Er war überrascht, als er durch die theoretische Ausarbeitung der IKS erkannte, dass der Maoismus nichts anderes ist als eine andere Form der bürgerlichen Ideologie, eine konterrevolutionäre politische Strömung. "Der Maoismus hat nichts mit dem Kampf der Arbeiterklasse zu tun, weder mit ihrem Bewusstsein noch mit ihren revolutionären Organisationen. Er hat nichts mit dem Marxismus zu tun: Er ist weder eine Tendenz innerhalb des Proletariats noch eine Entwicklung der revolutionären Theorie des Proletariats. Im Gegenteil, der Maoismus ist nichts anderes als eine grobe Verfälschung des Marxismus; seine einzige Funktion besteht darin, jedes revolutionäre Prinzip zu begraben, das proletarische Klassenbewusstsein zu verwirren und es durch die dümmste und engstirnigste nationalistische Ideologie zu ersetzen. Als eine 'Theorie' ist der Maoismus nur eine weitere jener erbärmlichen Formen, die die Bourgeoisie in ihrer dekadenten Periode der Konterrevolution und des imperialistischen Krieges angenommen hat“[1]. Die Position der IKS über den Maoismus hatte einen folgenschweren Einfluss auf den Genossen Kishan. Eine umfassende Kritik an seiner Vergangenheit üben zu können, war für Kishan wesentlich, um Mitglied einer wirklich revolutionären Organisation zu werden. Die Kommunistische Partei Indiens wurde 1925 gegründet, als die Kommunistische Internationale bereits degeneriert war und die wichtigsten Kämpfe der revolutionären Welle nach dem Ersten Weltkrieg besiegt waren, insbesondere die Russische- und die Deutsche Revolution. Die Ausrichtung der KP in Indien bestand darin, eine antikoloniale, antibritische Bewegung zu werden, die mit vielen anderen nationalistischen Bewegungen verbunden war. Nationalismus und Patriotismus hatten einen starken Einfluss auf die KP in Indien. Die Arbeiterklasse in Indien leidet unter einem Mangel an der Tradition und Kontinuität der Kommunistischen Linken. Dies unterstreicht die wichtige Verantwortung für die IKS in Indien, das historische Erbe der Kommunistischen Linken besser bekannt zu machen.
Indem er den Weg einer eingehenden Untersuchung und kontinuierlichen Diskussion beschritt, wurde Kishan allmählich zu einem Militanten der IKS in Indien. Seine Loyalität gegenüber der IKS und dem Kampf des internationalen Proletariats kennzeichnete ihn als einen wahren proletarischen
Internationalisten. Er verteidigte die Positionen der IKS stets mit immenser Hingabe. Er war entschlossen, sich durch seine häufigen Beiträge an den Debatten der IKS auf internationaler Ebene und innerhalb unserer Sektion in Indien zu beteiligen. Genosse Kishan brachte seine Leidenschaft auf vielen Ebenen in das Leben der IKS ein. Er reiste quer durch das Land, um neue Buchhandlungen zu finden, in denen die Literatur der IKS verkauft werden konnte. Er nahm, wenn immer es notwendig war, an Diskussionszirkeln und öffentlichen Treffen teil. Er spielte eine bemerkenswerte Rolle bei der Erhöhung der Zahl der Abonnenten unserer Presse. Er nahm an verschiedenen internationalen Kongressen der IKS, sowie an territorialen Konferenzen unserer indischen Sektion teil und spielte eine sehr aktive Rolle. Seine wertvollen und gut durchdachten Beiträge trugen dazu bei, den Prozess der politischen Klärung voranzubringen. Seine größte Stärke war die Verteidigung unserer Organisation gegen alle Angriffe und Verleumdungen die gegen uns gerichtet waren.
Genosse Kishan hatte die Fähigkeit, die vielen Höhen und Tiefen des Lebens zu überwinden. Seine feste Überzeugung von der Politik und den Positionen der IKS und seine optimistische Haltung halfen ihm, in den schwierigsten politischen Situationen aufrecht zu stehen. Es ist schwierig, Kishans Beitrag zum politischen Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse in einem kurzen Text der Würdigung angemessen zu bewerten. Wir sollten auch hinzufügen, dass Kishan sehr gastfreundlich war. Viele Genossen der IKS, ob sie nun aus anderen Ländern oder aus anderen Teilen Indiens kamen, erlebten seine großzügige Gastfreundschaft. Wir bringen seiner Familie unseren revolutionären Gruß und unsere Solidarität zum Ausdruck. Wir stehen seiner Tochter und seiner Frau mit all unserer Sympathie und Solidarität zur Seite.
IKS, Oktober 2020
[1]Siehe den Artikel Maoismus, ein monströser Abkömmling des dekadenten Kapitalismus auf unserer Website https://en.internationalism.org/ir/094_china_part3.html#_ftnref4.
In den vorhergehenden Teilen dieses Artikels begannen wir mit der Identifizierung der Bedingungen, unter denen die Dritte oder Kommunistische Internationale im März 1919 gegründet wurde[1]. In einem sehr komplizierten Kontext gelang es den Revolutionären jener Zeit nicht, all die neuen Fragen und Herausforderungen zu klären, vor denen das Proletariat stand.
Darüber hinaus war der Prozess der Umgruppierung der revolutionären Kräfte durch das Fehlen einer festen Haltung gegenüber den revolutionären Prinzipien bei der Gründung der Internationale gekennzeichnet. Dies ist eine der Lehren, die die Fraktion der Italienischen Linken, die sich um die Zeitschrift Bilan und dann vor allem um die Gauche Communiste de France (GCF - Internationalisme) gruppierte, aus den Erfahrungen der Komintern zog: "Die 'breite' Methode, die vor allem darauf bedacht war, auf Kosten präziser Prinzipien und Programme sofort die größtmögliche Zahl zu sammeln, führte zur Bildung von Massenparteien, echten Giganten mit tönernen Füßen, die dem Opportunismus unterworfen werden sollten.“[2]
Während der Gründungskongress ein echter Fortschritt in der Vereinigung des Weltproletariats war, war die Entwicklung der Komintern in den folgenden Jahren im Wesentlichen durch Rückschritte gekennzeichnet, die die Revolution angesichts der immer mehr an Boden gewinnenden konterrevolutionären Kräfte entwaffneten. Der zügellose Opportunismus in den Reihen der Partei wurde nicht wie von Lenin und den Bolschewiki vorgesehen beseitigt. Im Gegenteil, mit der Degeneration der Revolution nahm er am Ende einen vorherrschenden Platz ein und beschleunigte das Ende der Komintern als Klassenpartei. Diese opportunistische Dynamik, die bereits durch den Zweiten Kongress sichtbar wurde, vertiefte sich danach sowohl auf programmatischer als auch auf organisatorischer Ebene, wie wir in diesem Artikel zu zeigen versuchen werden.
Nach dem Dritten Kongress der Komintern[3] begannen die Revolutionäre zu verstehen, dass die Revolution schwieriger sein würde, als sie gedacht hatten. Wenige Tage nach dem Ende des Kongresses analysierte Trotzki die Situation auf diese Weise:
"Der Dritte Kongress nahm zur Kenntnis, dass die wirtschaftlichen Grundlagen der bürgerlichen Herrschaft weiter zerfielen. Aber er hat gleichzeitig die fortgeschrittenen Arbeiter gewaltsam vor jeder naiven Vorstellung gewarnt, dass daraus automatisch der Tod der Bourgeoisie durch eine ununterbrochene Offensive des Proletariats folge. Noch nie zuvor war der Klasseninstinkt der Bourgeoisie zur Selbsterhaltung mit so vielgestaltigen Verteidigungs- und Angriffsmethoden bewaffnet wie heute. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Sieg der Arbeiterklasse sind vorhanden. Wenn dieser Sieg ausbleibt, und darüber hinaus, wenn dieser Sieg nicht in mehr oder weniger naher Zukunft kommt, ist die gesamte Zivilisation von Niedergang und Degeneration bedroht. Aber dieser Sieg kann nur durch die geschickte Führung von Kämpfen und vor allem durch die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse errungen werden. Dies ist die wichtigste Lektion des Dritten Kongresses."[4]
Dies ist weit entfernt von der überschwänglichen Begeisterung des Gründungskongresses, wo Lenin in seiner Schlussrede behauptete: "der Sieg der proletarischen Revolution im Weltmaßstab ist gesichert. Die Gründung einer internationalen Sowjetrepublik ist auf dem Weg.“ In der Zwischenzeit waren die Angriffe des Proletariats in einer Reihe von Ländern auf die Gegenbewegung der Bourgeoisie gestoßen. Und insbesondere sahen wir das Scheitern des Versuchs der Machtübernahme in Deutschland im Jahre 1919, dessen Bedeutung von den Revolutionären unterschätzt wurde.
Wie die große Mehrheit in den Reihen der Komintern erklärte, konnten die Krise des Kapitalismus und sein Abstieg in die Dekadenz die Massen nur auf den Weg zur Revolution treiben. Das Bewusstsein über die Größenordnung des zu erreichenden Ziels und die Mittel zu seiner Verwirklichung lag jedoch weit unter dem erforderlichen Niveau. Diese Situation wurde besonders nach dem Zweiten Kongress im Sommer 1920 sichtbar, der durch eine Reihe von Schwierigkeiten gekennzeichnet war, die das Proletariat in Russland weiter isolierten:
Auch wenn es der internationalen Bourgeoisie zu diesem Zeitpunkt nicht gelang, die proletarische Revolution vollständig zu vernichten, so war es doch so, dass das Herz der Revolution, das Russland der Sowjets, besonders isoliert war. Auch wenn Lenin die Situation als "zwar äußerst unsicheres, äußerst labiles Gleichgewicht“ beschrieb, „aber immerhin ein Gleichgewicht, das der Sozialistischen Republik, natürlich nicht für lange Zeit, die Möglichkeit gibt, in der kapitalistischen Umwelt fortzubestehen"[6], so müssen wir rückblickend feststellen, dass die zahlreichen Misserfolge und Schwierigkeiten, die zwischen 1920 und 1921 auftraten, bereits die Niederlage der revolutionären Welle einläuteten. Vor diesem besonders schwierigen Hintergrund wollen wir die Politik der Komintern analysieren. Eine Politik, die in einer Reihe von Punkten einen zunehmend opportunistischen Rückzug zum Ausdruck brachte.
Die nationale Frage war eine der ungelösten Fragen in der revolutionären Bewegung zum Zeitpunkt der Konstituierung der Komintern. Es stimmt zwar, dass Revolutionäre während der aufsteigenden Periode des Kapitalismus manchmal nationale Kämpfe unterstützt hatten, aber dies war keine Frage des Prinzips. Die Debatte war in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg wieder aufgeflammt. Rosa Luxemburg war eine der ersten, die begriff, dass der Eintritt des Kapitalismus in seine Phase der Dekadenz auch bedeutete, dass jeder Nationalstaat einen imperialistischen Charakter hatte. Folglich zielte der Kampf einer Nation, sich von einer anderen zu befreien, nur darauf ab, die Interessen der einen Bourgeoisie gegen eine andere zu verteidigen und keinesfalls die Interessen der Arbeiterklasse.
Die Bolschewiki nahmen eine Position ein, die sich eher im sozialdemokratischen Zentrum befand, da das Recht der Völker auf Selbstbestimmung im Programm von 1903 erschienen war. "Die Beharrlichkeit, mit der die Bolschewiki an diesem Standpunkt trotz aller von innen und außen kommenden Opposition festhielten, kann am besten durch die Tatsache erklärt werden, dass das zaristische Russland die nationale Unterdrückung par excellence verkörperte ("Das Gefängnis der Völker"), und dass die Bolschewiki als 'großrussische' Partei im geographischen Sinne der Meinung waren, den von Russland unterdrückten Nationen das Recht auf Abspaltung zuzugestehen, wäre das beste Mittel, um das Vertrauen der Massen dieser Länder zu gewinnen. Dieser Standpunkt, obwohl er erwiesenermaßen unrichtig war, gründete sich auf eine proletarische Perspektive. Zu einer Zeit, als sich die „Sozialimperialisten“ in Deutschland, Russland und anderen Ländern gegen das Recht der vom deutschen oder russischen Imperialismus unterdrückten Nationen, für ihre nationale Befreiung zu kämpfen, aussprachen, wurde das Losungswort der „nationalen Selbstbestimmung“ von den Bolschewiki als Mittel der Untergrabung des russischen und anderer Imperialismen sowie zur Schaffung der Voraussetzung einer zukünftigen Vereinigung der Arbeiter sowohl der unterdrückenden als auch den unterdrückten Nationen aufgestellt.“[7] Während Lenin die Auffassung vertrat, dass das "Recht der Nationen auf Selbstbestimmung" in den westlichen Ländern zu einer überholten Forderung geworden war, stellte sich die Situation in den Kolonien anders dar, wo das Aufblühen der nationalen Befreiungsbewegungen Teil der Herausbildung eines unabhängigen Kapitalismus war, der zum Entstehen eines Proletariats beitrug. Unter diesen Bedingungen blieb die nationale Selbstbestimmung in den Augen Lenins und der bolschewistischen Partei eine fortschrittliche Forderung.
Rosa Luxemburg verstand, dass der Imperialismus nicht einfach eine Form der Plünderung durch die entwickelten Länder auf Kosten der rückständigen Nationen war, sondern Ausdruck der Gesamtheit der kapitalistischen Beziehungen auf globaler Ebene, und so konnte sie die deutlichste Kritik an den nationalen Befreiungskämpfen im Allgemeinen und an der Position der Bolschewiki im Besonderen entwickeln. Im Gegensatz zu der zersplitterten Vision der Bolschewiki, die davon ausging, dass das Proletariat je nach geographischer Zone unterschiedliche Aufgaben haben könne, wählte Rosa Luxemburg einen Ansatz, der einen globalen Prozess im Kontext eines Weltmarktes beschrieb, der zunehmend auf unüberwindbare Hindernisse stoßen würde: "In diesem Zusammenhang war es jedem neuen Nationalstaat unmöglich, in den Weltmarkt auf einer selbständigen Grundlage einzutreten, oder die Phase einer ursprünglichen Akkumulation außerhalb dieses barbarischen weltweiten Spannungsfelds zu durchlaufen. " [8]
Daraus folgt, dass es "in dem heutigen imperialistischen Milieu überhaupt keine nationalen Verteidigungskriege mehr geben kann".[9]
Diese Fähigkeit, die Tatsache zu begreifen, dass jede nationale Bourgeoisie nur innerhalb des imperialistischen Systems operieren konnte, brachte Rosa Luxemburg dazu, die Nationalitätenpolitik der Bolschewiki nach 1917 zu kritisieren, als die Sowjets die Unabhängigkeit der Ukraine, Finnlands, Litauens usw. akzeptierten, um "die Massen zu gewinnen". Die folgenden Zeilen prophezeien beeindruckend die Folgen der nationalen Politik der Komintern in den 1920er Jahren: "eine nach der anderen von diesen „Nationen“ benutzte die frisch geschenkte Freiheit dazu, sich als Todfeindin der russischen Revolution gegen sie mit dem deutschen Imperialismus zu verbünden und unter seinem Schutze die Fahne der Konterrevolution nach Rußland selbst zu tragen".[10]
B. Der Kongress von BakuDie nationale Frage wurde zum ersten Mal in der Komintern während des Zweiten Weltkongresses 1920 aufgeworfen. Ausgehend von der insbesondere von den Bolschewiki vertretenen irrigen Auffassung vom Imperialismus meinte der Kongress, man müsse "eine Politik treiben, durch die das engste Bündnis aller nationalen und kolonialen Befreiungsbewegungen mit Sowjetrußland verwirklicht wird, und muß die Formen dieses Bündnisses entsprechend der jeweiligen Entwicklungsstufe der kommunistischen Bewegung unter dem Proletariat eines jeden Landes oder der bürgerlich-demokratischen Befreiungsbewegung der Arbeiter und Bauern in den zurückgebliebenen Ländern oder unter den zurückgebliebenen Nationalitäten bestimmen".[11]
Der Kongress der Völker des Ostens, der zwischen dem 1. und 8. September 1920 in Baku stattfand, hatte die Aufgabe, die Orientierungen des Zweiten Weltkongresses, der einige Wochen zuvor zu Ende gegangen war, in die Praxis umzusetzen. Fast 1900 Delegierte, die hauptsächlich aus dem Nahen Osten und Asien kamen, trafen sich. Fast zwei Drittel der vertretenen Organisationen bekannten sich zwar zum Kommunismus, aber ihre Unterstützung war äußerst oberflächlich. "Die nationalen Eliten fühlten sich mehr von der Organisation und Wirksamkeit der von den Bolschewiki vorgeschlagenen Handlungsweisen angezogen als von der kommunistischen Ideologie“.[12] Deshalb war der Kongress ein „großer Basar“, der sich aus mehreren Klassen und sozialen Schichten zusammensetzte, die aus allen möglichen Gründen kamen, aber nur sehr wenige mit der festen Absicht, bewusst für die Entwicklung der proletarischen Weltrevolution zu arbeiten. Die Beschreibung der Zusammensetzung des Kongresses, die Sinowjew dem Exekutivkomitee der Komintern nach seiner Rückkehr aus Baku gab, bedarf keines Kommentars: "Der Kongress von Baku setzte sich aus einer kommunistischen Fraktion und einer viel größeren überparteilichen Fraktion zusammen. Letztere wiederum teilte sich in zwei Gruppen: die eine bestand effektiv aus parteilosen Elementen, darunter die Vertreter der Bauern und der semi-proletarischen Bevölkerung der Städte, die andere aus Personen, die sich selbst als parteilos definierten, aber in Wirklichkeit bürgerlichen Parteien angehörten".[13]
Für eine Reihe von Delegationen war der Aufbau einer revolutionären kommunistischen Bewegung im Osten zweitrangig und sogar uninteressant. Für viele von ihnen ging es darum, die Hilfe Sowjetrusslands sicherzustellen, um den britischen Kolonialismus zu vertreiben und ihre eigenen Träume von nationaler Souveränität zu verwirklichen.
Wie war die Haltung der Vertreter der Komintern gegenüber diesen offensichtlich bürgerlichen Forderungen? Anstatt den proletarischen Internationalismus mit größter Entschlossenheit zu verteidigen, beharrte die Komintern-Delegation auf ihrer Unterstützung bürgerlich-nationalistischer Bewegungen und rief die Völker des Ostens auf, sich "dem ersten wirklich heiligen Krieg unter dem roten Banner der Kommunistischen Internationale" anzuschließen, um einen Kreuzzug gegen "den gemeinsamen Feind, den britischen Imperialismus", zu führen.
Die wichtigen Zugeständnisse an die nationalistischen Parteien und die gesamte Politik, die in Baku betrieben wurde, waren bereits von der Notwendigkeit diktiert, die Sowjetrepublik zu verteidigen, und nicht mehr von den Interessen der Weltrevolution. Diese zentrale Position der Komintern, die auf dem Zweiten Kongress festgelegt wurde, zeigte, wie weit die opportunistische Tendenz an Boden gewonnen hatte. Natürlich gab es Kritik an diesen Versuchen, Nationalismus und proletarischen Internationalismus zu versöhnen: Lenin warnte davor, "den Nationalismus rot zu färben", und auch John Reed, der in Baku anwesend gewesen war, wandte sich gegen "diese Demagogie und diese Schauveranstaltung", doch "diese Antworten nannten die Wurzeln des folgenden opportunistischen Kurses nicht beim Namen, blieben auf dem zentristischen Terrain der Versöhnung mit noch offeneren Ausdrücken des Opportunismus und versteckten sich hinter den Thesen des Zweiten Kongresses, die – gelinde gesagt – eine Vielfalt von Sünden der revolutionären Bewegung verbargen".[14]
C. Nach und nach wurde die Komintern zu einem Instrument des russischen ImperialismusDer Rückzug der Revolution in Westeuropa und die Isolierung des Proletariats in Russland unter dramatischsten Bedingungen führten dazu, dass die Komintern allmählich zu einem Instrument der bolschewistischen Außenpolitik wurde - die Bolschewiki selbst wurden im Laufe der Jahre zu den Verwaltern des russischen Kapitals.[15] Während diese verhängnisvolle Entwicklung zum Teil mit den falschen Vorstellungen der Bolschewiki über das Verhältnis von Klasse, Partei und Staat in der Übergangsperiode zusammenhing, lag der Hauptgrund dafür in der unumkehrbaren Degeneration der Revolution ab den 1920er Jahren.[16]
In erster Linie im Namen der Verteidigung des Sowjetstaates schlossen die Bolschewiki und die Komintern Bündnisse mit nationalen Befreiungsbewegungen oder unterstützten sie direkt. Ab 1920 unterstützte die Weltpartei die Bewegung von Kemal Atatürk, dessen Interessen sehr weit von der Politik der Internationale entfernt waren, wie Sinowjew zugab. Aber dieses Bündnis war ein Mittel, um die Briten aus der Region zu verdrängen. Auch wenn die türkische Regierung bald darauf die Führer der Kommunistischen Partei der Türkei hinrichtete, sah die Komintern weiterhin Potenzial in dieser nationalistischen Bewegung und hielt an ihrem Bündnis mit einem Land fest, dessen geografische Lage für den russischen Staat strategisch wichtig war. Dies hinderte Kemal jedoch nicht daran, sich gegen seinen Verbündeten zu wenden und 1923 ein Bündnis mit der Entente einzugehen.
Während die Politik der Unterstützung der nationalen Befreiungsbewegungen für eine gewisse Zeit eine falsche Position innerhalb der Arbeiterbewegung war, so wurde sie Ende der 1920er Jahre zur imperialistischen Strategie einer kapitalistischen Macht wie aller anderen. Die Unterstützung der Komintern für die Kuomintang-Nationalisten in China, die 1927 zum Massaker an den Arbeitern von Shanghai führte, war eine entscheidende Episode in diesem Prozess der Degeneration. Zuvor hatte die Komintern die nationalistische Bewegung unter der Führung von Abd El-Krim im Rif-Krieg (1921-26) und 1926 die Drusen in Syrien unterstützt.
Folglich zeigten "solch offenkundige Akte des Verrats (...), dass die stalinistische Fraktion, die bis dahin nahezu die völlige Vorherrschaft über die KI und ihre Parteien errungen hatte, nicht mehr eine opportunistische Strömung innerhalb der Arbeiterbewegung war, sondern ein direkter Ausdruck der kapitalistischen Konterrevolution".[17]
Wie wir im ersten Teil dieser Untersuchung[18] gezeigt haben, waren nur eine Handvoll ordnungsgemäß konstituierter Kommunistischer Parteien auf dem Gründungskongress der Komintern im März 1919 vertreten. In den folgenden Wochen unternahm die Internationale große Anstrengungen mit dem Ziel, Kommunistische Parteien zu gründen: "Die Kommunistische Internationale hat vom ersten Tage ihrer Bildung an klar und unzweideutig sich zum Zwecke gesetzt nicht die Bildung kleiner, kommunistischer Sekten, die nur durch Propaganda und Agitation ihren Einfluss auf die Arbeitermassen herzustellen suchen, sondern die Teilnahme an dem Kampfe der Arbeitermassen, die Leitung dieses Kampfes in kommunistischem Sinne und die Bildung im Kampfe erprobter, großer, revolutionärer kommunistischer Massenparteien."[19] Diese Orientierung beruhte auf der Überzeugung, dass es in Westeuropa zu einer raschen Ausbreitung der Revolution komme und folglich die dringende Notwendigkeit bestehe, in den verschiedenen Ländern Parteien der Arbeiterklasse zu gründen, die es ermöglichen würden, die revolutionäre Aktion der Massen zu lenken.
So drängten die Bolschewiki nicht nur auf die schnellstmögliche Bildung kommunistischer Massenparteien, sondern auch darauf, dies auf der Grundlage eines Kompromisses zwischen dem linken Flügel der Arbeiterbewegung und der zentristischen Strömung zu tun, die nicht mit den Ansichten und Schwächen der Zweiten Internationale gebrochen hatte. In der Mehrzahl der Fälle konnten diese Parteien nicht aus dem Nichts entstehen, sondern mussten aus einem Abspaltungsprozess innerhalb der Sozialistischen Parteien der II. Internationale hervorgehen. Dies war insbesondere der Fall bei der Kommunistischen Partei Italiens, die auf dem Kongress von Livorno im Januar 1921 gegründet wurde, oder bei der Kommunistischen Partei Frankreichs, die auf dem Kongress von Tours im Dezember 1920 das Licht der Welt erblickte. So trugen die Parteien von Anfang an eine Menge an Ballast und Schwächen in organisatorischer Hinsicht in sich, die die Fähigkeit dieser Organisationen, den Massen eine klare Orientierung zu geben, nur noch weiter beeinträchtigen konnten. Lenin und die Haupttriebkräfte der Internationale waren sich dieser Zugeständnisse und der Gefahr, die sie darstellen könnten, voll bewusst; sie zählten aber auf die Fähigkeit der Parteien, sie zu bekämpfen. In Wirklichkeit unterschätzte Lenin die Gefahr ernsthaft. Die Annahme der 21 Bedingungen für den Beitritt zur Komintern auf dem Zweiten Weltkongress, die zu Recht als ein Fortschritt im Kampf gegen den Reformismus angesehen wurde, wurde nicht wirklich umgesetzt. Lenins ganzer Ansatz beruhte auf der Idee, dass der Marsch in Richtung Revolution nicht unterbrochen werden durfte, dass die Entwicklung der Komintern auf Kosten der Zweiten Internationale und der Zweieinhalbten Internationalen mehr oder weniger eine vollendete Tatsache war.[20]
In einer Situation, in der die Massen noch nicht bereit waren, die Macht zu übernehmen, "die Revolution zu beschleunigen, ohne sie durch künstliche Mittel hervorzurufen, ehe nicht eine genügende Vorbereitung erfolgt ist".[21] Aus diesen Gründen bestand eine der Orientierungen des Zweiten Kongresses in der "Zusammenfassung der zersplitterten kommunistischen Kräfte, [der] Schaffung einer einigen kommunistischen Partei in jedem Lande (oder die Festigung und Erneuerung der bereits bestehenden Partei) zur Ver- zehnfachung der Arbeit für die Vorbereitung des Proletariats zur Eroberung der Staatsmacht in der Form der Diktatur des Proletariats".[22] Eine richtige Orientierung, aber auf der Grundlage einer fehlerhaften Praxis.
Dies erklärt die Fehlentwicklung der Fusion zwischen der USPD[23] und der KPD auf dem Kongress von Halle am 12. Oktober 1920. Das wohl bedeutendste Beispiel ist die Gründung der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF). Letztere wurde im Dezember 1920 nach einer Spaltung von der SFIO (Sozialistische Partei) gegründet, deren wichtigste Führer sich während des Ersten Weltkriegs zur "Union Sacrée" (Burgfrieden) zusammengeschlossen hatten. Ihre Entstehung war das Ergebnis eines von der Komintern geförderten Kompromisses zwischen der Linken (einer schwachen Minderheit) und einer zentristischen Strömung, die eine starke Mehrheit hatte. Wie wir in unserer Broschüre Wie die KPF in den Dienst des Kapitals überging[24] gezeigt haben, "war diese Taktik eine Katastrophe, denn die Mitgliedschaft beruhte nicht – wie bei allen anderen europäischen KPs – auf den 21 Bedingungen für den Beitritt zur Komintern, die insbesondere einen vollständigen und endgültigen Bruch mit der opportunistischen Politik des Zentrismus gegenüber Reformismus, Sozialpatriotismus und Pazifismus forderte, sondern auf viel weniger selektiven Kriterien. Das Ziel dieser Taktik der Komintern bestand darin, die Mehrheit dazu zu bringen, sich vom rechten Flügel der Sozialdemokratie, einer offen patriotischen Partei, die an kapitalistischen Regierungen teilgenommen hatte, zu trennen (...) Die zentristische Mehrheit der neuen Partei war mit Opportunisten verseucht, die mehr oder weniger ‚bereuten‘, mal bei der Union Sacrée gewesen zu sein. (...) Der Partei schloss sich eine weitere wichtige Komponente an, die vom anarchistischen Föderalismus durchdrungen war (vertreten insbesondere durch die Seine-Föderation), die sich auf organisatorischer Ebene immer wieder mit der Mitte gegen die Linke stellte, um sich der internationalen Zentralisierung und vor allem der Ausrichtung der Komintern auf die junge französische Partei entgegenzustellen". Vom Opportunismus geplagt, unterwarf sich die KPF voll und ganz der Degeneration der Komintern, die auf dem Dritten Kongress deutlich zu spüren war. Sie sollte zu einem der Hauptakteure des Stalinismus werden.[25] So war es auch in Italien, denn nach der Spaltung von der Sozialistischen Partei Italiens auf dem Kongress von Livorno bestand die KP Italiens aus einem marxistischen, kommunistischen linken Flügel, der sich entschlossen für den Kampf gegen den Opportunismus in der Komintern einsetzte, und einem von Gramsci und Togliatti geführten Zentrum, das unfähig war, die politische Rolle der Sowjets als zentralisierende Organe der Macht zu verstehen, und die politische Rolle der Partei unterschätzte. Das Zentrum der Partei sollte dann als Stütze der Komintern bei der Ausgrenzung der Linken in der Zeit der "Bolschewisierung" fungieren.
Die vielleicht krasseste Karikatur war schließlich die KP der Tschechoslowakei, die sich um die Šmeral-Tendenz bildete, welche die Habsburgermonarchie während des imperialistischen Krieges von 1914-18 unterstützt hatte.
Wie können wir solche Kompromisse erklären? Wie können wir erklären, dass die Bolschewiki, die jahrelang einen harten Kampf um die Bewahrung unnachgiebiger Prinzipien geführt hatten, solche Kompromisse akzeptierten? Die Kommunistische Linke Italiens untersuchte diese Episode aufmerksam und legte eine erste Antwort vor: "Es ist offensichtlich, dass dies keine plötzliche Bekehrung der Bolschewiki zu einer anderen Herangehensweise an die Bildung kommunistischer Parteien war, sondern im Wesentlichen auf einer historischen Perspektive beruhte, die die Möglichkeit vorsah, den schwierigen Weg, der zur Gründung der Bolschewistischen Partei führte, zu vermeiden. In den Jahren 1918-20 rechneten Lenin und die Bolschewiki mit dem sofortigen Ausbruch der Weltrevolution und sahen deshalb in der Gründung von Kommunistischen Parteien in verschiedenen Ländern so viele Unterstützungsbasen für die revolutionäre Aktion des russischen Staates, die ihnen als das wesentliche Element beim Sturz der kapitalistischen Welt erschien" [26]
Zweifellos veranlassten die zum Stillstand gekommene Revolution in dieser Zeit und die verzweifelten Bemühungen, damit umzugehen, Lenin und die Bolschewiki dazu, ihre Wachsamkeit bei der Verteidigung von Prinzipien zu verringern und so dem Opportunismus zu verfallen. Aber es waren auch anhaltende Irrtümer über die Aufgaben der Partei und ihr Verhältnis zur Klasse, die dazu beitrugen, in einer Zeit, die durch die ersten Rückzüge des Proletariats gekennzeichnet war, die Bildung von KP auf einer völlig konfusen Grundlage zu erzwingen.
B. Die Gründung von Kommunistischen "Phantom"-Parteien im OstenDie opportunistische Methode, mit der ihre Mitgliedsparteien gebildet wurden, fand ihren endgültigen Ausdruck in der Entstehung der Kommunistischen Parteien in der kolonialen Welt.
Nach dem Kongress von Baku richtete die Exekutive der Komintern ein zentrales Büro für Asien ein, das für die Arbeit im Nahen/Mittleren Osten und bis nach Indien zuständig war. Dieses Organ, bestehend aus Sokolnikow, Grefori Safarow und M.N. Roy, wurde in Taschkent in Usbekistan eingerichtet. Im Januar 1921 wurde dann in Irkutsk ein Komintern-Sekretariat für den Fernen Osten eingerichtet. So wollte sich die Komintern angesichts des Rückzugs der Revolution in Westeuropa die Mittel an die Hand geben, um die Revolution im Osten zu "beschleunigen". Mit diesem Ziel wurden zwischen 1919 und 1923 im Osten und im Fernen Osten kommunistische Parteien auf äußerst zerbrechlichen theoretischen und politischen Grundlagen gegründet.
Vor dieser Zeit waren KPs in der Türkei, im Iran, in Palästina und in Ägypten entstanden, aber wie der trotzkistische Historiker Pierre Broué bemerkte: "Es mangelte nicht an Problemen zwischen der Internationale und diesen kommunistischen Parteien, die nichts über den Kommunismus wussten und Länder vertraten, in denen richtig proletarische Schichten unbedeutend waren. Was ihre Führer nicht davon abhielt, eine doktrinäre Reinheit und ein rigoros arbeiterorientiertes Schema für die Revolution zu beanspruchen, von der sie glaubten, sie stünde vor der Tür."[27]
In Indien hatten die Kräfte, die sich auf die Internationale zubewegten, alle eine nationalistische Vergangenheit. Der bekannteste war M.N. Roy. Die Komintern befahl der um Roy gebildeten Gruppe, in die von Gandhi geführte nationalistische Kongresspartei einzutreten, zunächst durch ein Bündnis mit der so genannten "revolutionären" und "kommunistischen" Linken, dann mit allen Fraktionen, die nach den gewalttätigen Zusammenstößen, die am 4. Februar 1922 während einer von Gandhi selbst initiierten Kampagne des zivilen Ungehorsams stattfanden, gegen Gandhi waren[28]. Roy sah sich veranlasst, ein offen opportunistisches Programm innerhalb der Kongresspartei zu verteidigen: nationale Unabhängigkeit, allgemeines Wahlrecht, Abschaffung des Großgrundbesitzes, Verstaatlichung des öffentlichen Dienstes. Darüber hinaus ging es nicht darum, die Verabschiedung seines Programms zu erreichen, sondern seine Ablehnung durch die Führung der Partei zu provozieren, die sich damit "enttarnen" würde. Dieses Unterfangen endete in einem völligen Scheitern. Roys Programm fand kein positives Echo, und das Leben der "kommunistischen" Gruppe artete sehr schnell in interne Streitigkeiten aus. Danach wurden die Kommunisten sehr hart unterdrückt. Sie wurden verhaftet und dann wegen Verschwörung verurteilt, was der Politik der Komintern in Indien ein Ende setzte.[29]
In Ostasien verfolgte die Komintern mehr oder weniger den gleichen unverantwortlichen Ansatz. Die Strukturierung einer kommunistischen Bewegung in China wurde vom Büro für den Fernen Osten geleitet, indem es Kontakte zu Intellektuellen und Studenten knüpfte, die für den "Bolschewismus" gewonnen worden waren. Die Kommunistische Partei Chinas konstituierte sich auf einer Konferenz, die im Juli 1921 in Schanghai stattfand. Sie bestand aus ein paar Dutzend Kämpfern und durchlief danach eine bedeutende Wachstumsphase und erreichte 1927 fast 20.000 Mitglieder. Auch wenn diese zahlenmäßige Stärkung den revolutionären Geist zum Ausdruck brachte, der die chinesische Arbeiterklasse in einer Zeit intensiver sozialer Kämpfe beseelte, so blieb es dennoch so, dass neue Mitglieder der Partei auf sehr oberflächlichen theoretischen und politischen Grundlagen beitraten. Wiederum öffnete dieselbe unverantwortliche Methode angesichts der opportunistischen Politik der Komintern gegenüber der Kuomintang die Tür zur Entwaffnung der Partei. Im Januar 1922 legte die Konferenz der Völker des Ostens in Moskau die Grundlagen für die Klassenzusammenarbeit durch einen "antiimperialistischen Block". Auf Betreiben der Exekutive der Komintern verbreitete die KP Chinas die Losung einer "antiimperialistischen Einheitsfront mit der Kuomintang" und forderte die Kommunisten auf, sich als Einzelpersonen der Kuomintang anzuschließen. Diese Politik der Klassenzusammenarbeit war das Ergebnis geheimer Verhandlungen zwischen der UdSSR und der Kuomintang. Im Juni 1923 stimmte der Dritte Kongress der chinesischen KP für den Beitritt ihrer Mitglieder zur Kuomintang. Diese Politik der Unterordnung unter eine bürgerliche Partei stieß zunächst auf Widerstand innerhalb der jungen Partei, und dies schloss einen Teil ihrer Führung ein.[30] Aber die politische Zerbrechlichkeit und Unerfahrenheit dieser Opposition machte sie unfähig, die irrigen und selbstmörderischen Direktiven der Internationale wirksam zu bekämpfen. Und so "hatte diese Politik katastrophale Folgen für die Arbeiterbewegung in China. Während Streikbewegungen und Demonstrationen spontan und ungestüm entstanden, war die Kommunistische Partei, die sich mit der Kuomintang zusammenschloss, unfähig, die Arbeiterklasse zu orientieren, eine unabhängige Klassenpolitik zu betreiben, trotz des unbestreitbaren Heldentums der kommunistischen Militanten, die häufig in den vordersten Reihen der Arbeiterkämpfe zu finden waren. Ebenso ohne einheitliche Organisationen des politischen Kampfes, wie die Arbeiterräte, setzte die Arbeiterklasse auf Forderung der KPCh selbst ihr Vertrauen in die Kuomintang, mit anderen Worten in die Bourgeoisie.“[31]
Wir könnten noch viele weitere Beispiele für kommunistische Parteien nennen, die in rückständigen Ländern gegründet wurden, in denen die Arbeiterklasse sehr schwach war, und die nach Niederlagen sehr schnell zu bürgerlichen Organisationen wurden. Wir müssen dazu festhalten, dass die Bildung von "Massenparteien", sowohl im Westen als auch im Osten, ein Faktor war, der die Schwierigkeiten des Proletariats, sich dem Rückfluss der revolutionären Welle zu stellen, verschlimmerte und es unmöglich machte, einen geordneten Rückzug durchzuführen.
C. Die Politik der EinheitsfrontAuf ihrem 3. Kongress verabschiedete die Komintern die Politik der "Einheitsfront der Arbeiter"[32], die darin bestand, Bündnisse mit den Organisationen der Sozialdemokratie einzugehen, gemeinsame Aktionen mit ähnlichen Forderungen durchzuführen, mit der Idee, dass dadurch die konterrevolutionäre Rolle dieser Organisationen in den Augen der Massen entlarvt würde.
Diese Orientierung wurde auf dem 4. Kongress vollständig konkretisiert und markierte eine völlige Kehrtwende gegenüber dem Gründungskongress, auf dem die neue Internationale ihre klare Entschlossenheit verkündete, gegen alle Kräfte der sozialdemokratischen Strömung zu kämpfen, und „die Arbeiter aller Länder“ aufforderte, „einen entschlossenen Kampf gegen die gelbe Internationale aufzunehmen und die breitesten Massen des Proletariats von dieser Lug- und Truginternationale zu bewahren“.[33] Was war es, das die Komintern nur zwei Jahre später dazu brachte, eine Politik der Bündnisse mit Parteien zu betreiben, die zu den wirksamsten Agenten der Konterrevolution geworden waren?
Hatten sie eine ehrenhafte Wiedergutmachung geleistet und ihre früheren Verbrechen bereut? Ganz offensichtlich nicht. Auch hier ging es darum, "sich nicht von den Massen abzuschotten": "Das Argument der Komintern zur Rechtfertigung der Notwendigkeit der Einheitsfront beruhte hauptsächlich auf der Tatsache, dass der Rückfluss das Gewicht der Sozialdemokratie verstärkt hatte und dass man sich, um dagegen zu kämpfen, nicht von den Massen abschneiden durfte, die Gefangene dieser Mystifizierung waren. Es war notwendig, auf eine Entblößung der Sozialdemokratie über Bündnisse mit der Sozialdemokratie hinzuarbeiten, im Falle der stärksten kommunistischen Parteien (in Deutschland trat die KP für eine einheitliche proletarische Front ein und erkannte die Möglichkeit an, eine vereinigte Arbeiterregierung zu unterstützen) oder über den Entrismus für die schwächeren Parteien ("Die britischen Kommunisten müssen eine energische Kampagne für ihre Aufnahme in die Labour-Partei starten", wie es in den Thesen zur Einheitsfront des 4. Kongresses hieß)"[34].
Diese opportunistische Linie wurde von den Gruppen links der Komintern bekämpft und scharf angeprangert. Die KAPD begann den Kampf auf dem 3. Parteitag, bevor sie kurz danach aus der Komintern ausgeschlossen wurde. Der linke Flügel der KP Italiens folgte ihr auf dem 4. Parteitag und erklärte, dass die Partei es "nicht akzeptieren wird, ein Teil gemeinsamer Organe verschiedener Organisationen zu sein (...) [Sie] wird es ebenfalls vermeiden, gemeinsame Erklärungen mit anderen politischen Organisationen zu verabschieden, wenn diese Erklärungen ihrem Programm widersprechen und dem Proletariat als Resultat von Verhandlungen präsentiert werden, mit dem Ziel, eine gemeinsame Linie für die Praxis zu finden."[35] Auch Miasnikows Arbeitergruppe[36] lehnte die Einheitsfront ab. In ihrem Manifest verteidigte sie gegenüber den Parteien der II. Internationale eine Position, die eindeutig den Interessen der Revolution entsprach: "Nicht die Einheitsfront mit der Zweiten Internationale oder der Zweieinhalbten Internationalen wird zum Sieg der Revolution führen, sondern der Krieg gegen sie. Das ist die Losung der zukünftigen sozialen Weltrevolution". Die Geschichte sollte die Weitsicht und Unnachgiebigkeit der Gruppen der Linken bestätigen. Mit der Umkehrung des Kräfteverhältnisses gewann die herrschende Ideologie wieder Einfluss auf die Massen. Unter diesen Umständen bestand die Rolle der Partei nicht darin, der Dynamik der Klasse zu folgen, sondern das revolutionäre Programm und die Prinzipien innerhalb der Klasse zu verteidigen. In der Zeit der Dekadenz des Kapitalismus war die Rückkehr zu einem "Minimalprogramm", und sei es auch nur vorübergehend, unmöglich geworden. Dies war eine weitere Lehre, die später von der kommunistischen Linken Italiens gezogen wurde: "Im Jahre 1921 änderte die Veränderung der Situation nicht das grundlegende Merkmal der Epoche, da die revolutionären Turbulenzen von 1923, 1925, 1927 und 1934 (um nur die wichtigsten zu nennen) diese voll und ganz bestätigen sollten [...] Eine solche Veränderung der Situation musste natürlich Konsequenzen für die kommunistischen Parteien haben. Aber das Problem war folgendes: War es notwendig, die Politik der Kommunistischen Parteien in ihrer Substanz zu ändern oder aus den ungünstigen Umständen die Notwendigkeit abzuleiten, die Massen zu Teilkämpfen aufzurufen und dabei auf ein revolutionäres Ergebnis ausgerichtet zu bleiben[37], sobald die erlittenen Niederlagen es unmöglich machten, direkt zum Aufstand aufzurufen? Der Dritte Kongress, die Erweiterte Exekutive von 1921 und vor allem der Vierte Kongress haben eine Lösung für dieses Problem gefunden, die den Interessen der Sache abträglich war. Dies geschah vor allem durch die Frage der Einheitsfront."[38]
Wie wir gerade gesehen haben, war die Zeit vom 2. bis zum 3. Kongress von einem deutlichen Eindringen des Opportunismus in die Reihen der Weltpartei gekennzeichnet. Dies war die direkte Folge der verfehlten Politik der "Eroberung der Massen" um den Preis von Kompromissen und Zugeständnissen: Unterstützung der nationalen Befreiungskämpfe, Bündnis mit den Verräterparteien der II. Internationale, Beteiligung am Parlament und an den Gewerkschaften, Bildung von Massenparteien ... Die Komintern kehrte dem den Rücken, was die Stärke der linken Fraktionen innerhalb der II. Internationale gewesen war. Darauf wies Herman Gorter 1920 gegenüber Lenin hin: "Sie handeln, Genosse Lenin, jetzt in der Internationale ganz anders als damals in der Partei der Maximalisten. Diese wurde (und wird vielleicht noch immer) sehr "rein" gehalten. In die Internationale sollen jetzt sofort Halb-, Viertel- und Achtel-Kommunisten aufgenommen werden. [...] Die russische Revolution hat durch "Reinheit", durch Prinzipienfestigkeit gewonnen. [...]
Statt jetzt auch in allen anderen Ländern dieselbe bewährte Taktik anzuwenden und so die dritte Internationale innerlich sehr stark zu machen, geht man auch jetzt wieder, ganz wie damals die Sozialdemokratie, zum Opportunismus über. Alles soll jetzt hinein: die Gewerkschaften, die Unabhängigen, das französische Zentrum, Teile der Labour-Party."[39]
Der grundlegende Irrtum der Kommunistischen Internationale bestand darin, zu glauben, dass es allein aus eigener Kraft möglich war, die Arbeiterklasse zu "erobern", sie vom Einfluss der Sozialdemokratie zu befreien und so ihr Bewusstsein zu heben und sie zum Kommunismus zu führen.
Daraus ergab sich die Politik der Einheitsfront, die Sozialdemokratie zu entlarven und anzuprangern; die Teilnahme am Parlament, um die Spaltungen zwischen den bürgerlichen Parteien auszunutzen; die Arbeit in den Gewerkschaften, um sie wieder ins proletarische Lager und auf die Seite der Revolution zu bringen.[40] Keiner der Versuche erbrachte die erhofften Ergebnisse. Im Gegenteil, sie brachten die Komintern nur dazu, das proletarische Lager zu verraten. Anstatt das Klassenbewusstsein zu schärfen, verbreiteten diese Taktiken lediglich Verwirrung und Desorientierung unter den Massen und machten sie damit anfälliger für die Fallen der Bourgeoisie. Obwohl es den Gruppen auf der linken Seite der Komintern nie gelang, sich zu vereinigen, waren sie sich alle über den selbstmörderischen Charakter dieser Politik einig, die ihrer Ansicht nach zur Niederlage der Arbeiterbewegung und zum Tod der Revolution führte. Eigentlich verteidigten diese Gruppen eine ganz andere Auffassung von der Beziehung zwischen Partei und Klasse.[41] Die Rolle der Partei bestand nicht darin, die Illusionen in die Klasse zu schüren, und noch weniger darin, sie in dubiose und gefährliche Taktiken zu verwickeln, sondern vielmehr darin, ihr Bewusstsein durch die Verteidigung proletarischer Prinzipien zu schärfen und sicherzustellen, dass keine Zugeständnisse in prinzipiellen Fragen gemacht werden. Dies war der einzige wirkliche Kompass, der in einer Zeit, in der die im Oktober 1917 in Russland entfesselte Welle ihre ersten Rückzüge machte, in die Richtung der Revolution weisen konnte.
Mit der Verschärfung des Rückflusses des Klassenkampfes und der opportunistischen Entartung der kommunistischen Parteien sollte die revolutionäre Kontinuität des Marxismus nur noch durch die Fraktionen aufrechterhalten werden, die sich mit Händen und Füßen innerhalb der Kommunistischen Parteien oder außerhalb derselben wehrten, nachdem aus sie ihnen ausgeschlossen worden waren.
(Fortsetzung folgt)
Narek, 16. Juni 2020
[1] Die ersten beiden Teile dieser Serie sind im Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses dritten Artikels auf Deutsch noch nicht übersetzt. Die englische, französische oder spanische Version der Artikel findest du auf unserer Webseite, z.B. https://en.internationalism.org/content/16652/centenary-foundation-communist-international-what-lessons-can-we-draw-future-combats [1]
[2] Internationalisme Nr. 7, 1945. Die Linken Fraktionen – Methode zur Bildung der Partei, International Review 162 (englische/französische/spanische Ausgabe)
[3] Der Kongress fand zwischen dem 21. Juni und Anfang Juli 1921 statt.
[4] Die wichtigsten Lehren aus dem Dritten Kongress, Juli 1921. Die Idee, die Mehrheit der Arbeiterklasse unter den damaligen Verhältnissen zu gewinnen, enthielt bereits die Keime der Idee, die Massen auf Kosten der Prinzipien zu erobern, wie wir in diesem Artikel zeigen wollen.
[5] Die Märzaktion 1921: Die Gefahr kleinbürgerlicher Ungeduld, /content/2074/die-maerzaktion-1921-die-gefahr-kleinbuergerlicher-ungeduld [2]
[6] Thesen zum Referat auf dem III. Kongress der Kommunistischen Internationale über die Taktik der KPR, Lenin Werke Bd. 32 S. 476
[7] Nation oder Klasse, Broschüre der IKS (S. 7)
[8] A.a.O. S. 9. Der Aufstieg Chinas zu einem bedeutenden imperialistischen Herausforderer am Ende des 20. Jahrhunderts ändert nichts an dieser Gesamtanalyse: erstens, weil er unter den besonderen Umständen des kapitalistischen Zerfalls entstanden ist, und zweitens, weil sein Aufstieg zu einem hoch militarisierten und expansionistischen Staat keinerlei fortschrittlichen Inhalt hat.
[9] Rosa Luxemburg, Junis-Broschüre
[10] Rosa Luxemburg, Zur russischen Revolution, 3. Kapitel
[11] 2. Kongress der Komintern, Thesen zur nationalen und kolonialen Frage
[12] Edith Chabrier, Les délégués du premier Congrès des peuples d’Orient (Bakou, 1er-8 septembre 1920) in Cahiers du monde russe et soviétique, vol 26, no. 1, Januar-März 1985, S. 21-42
[13] A.a.O.
[14] Kommunisten und die nationale Frage, Teil 3, „Die Debatte während der revolutionären Welle und die Lehren für heute“, /content/1294/kommunisten-und-die-nationale-frage-aus-international-review-engl-ausgabe-nr-42-1985 [3]
[15] A.a.O.
[16] Die Degeneration der Russischen Revolution, in Internationale Revue Nr. 2
[17] Kommunisten und die nationale Frage, Teil 3, „Die Debatte während der revolutionären Welle und die Lehren für heute“, /content/1294/kommunisten-und-die-nationale-frage-aus-international-review-engl-ausgabe-nr-42-1985 [3]
[18] Vgl. Fn 1
[19] 3. Kongress der Komintern, Thesen über die Taktik
[20] „Die Parteien der Kommunistischen Internationale werden zu revolutionären Massenparteien, wenn sie den Opportunismus, seine Überreste und seine Traditionen, in ihren Reihen dadurch überwinden, dass sie sich eng mit den kämpfenden Arbeitermassen zu verbinden suchen, ihre Aufgaben aus den praktischen Kämpfen des Proletariats schöpfen, in diesen Kämpfen ebenso die opportunistische Politik der Vertuschung und Verkleisterung der unüberbrückbaren Gegensätze ablehnen und gleichzeitig jede revolutionäre Phrase ablehnen, die den Einblick in das reale Kräfteverhältnis verschließt, die Schwierigkeiten des Kampfes übersehen lässt." 3. Kongress der Komintern, Thesen über die Taktik
[21] 2. Kongress der Komintern, Leitsätze über die Grundaufgaben der Kommunistischen Internationale, Juli 1920
[22] Ebenda
[23] Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschland; die Mehrheit ihrer Mitglieder hatte nicht mit dem Reformismus gebrochen und verwarf die Diktatur des Proletariats und die Organisierung in Arbeiterräten
[24] Comment le PCF est passé au service du capital, IKS-Broschüre – auf französisch erhältlich (https://fr.internationalism.org/brochures/pcf [4])
[25] Für mehr Einzelheiten siehe unsere Broschüre zur KPD, Fn 24
[26] En marge d’un anniversaire, Bilan n°4, Februar 1934.
[27] Pierre Broué, Histoire de l’Internationale Communiste, 1919-1943, Fayard, 1997 (unsere Übersetzung ins Deutsche)
[28] Obgleich Roy selbst mit dieser Taktik nicht einverstanden war.
[29] Pierre Broué, Histoire de l’Internationale Communiste, a.a.O.
[30] Chen Duxiu, eines der Gründungsmitglieder der Partei, übte eine deutliche Kritik an dieser Ausrichtung. "Der Hauptgrund für unsere Opposition war folgender: Der Eintritt in die Kuomintang brachte Verwirrung in die Klassenorganisation, behinderte unsere Politik und bedeutete, sie derjenigen der Kuomintang unterzuordnen. Der KI-Delegierte sagte uns wörtlich, dass 'die gegenwärtige Periode eine Periode ist, in der Kommunisten für die Kuomintang Kuli-Arbeit (Handlangerdienste) leisten müssen'. Von diesem Zeitpunkt an war die Partei nicht mehr die Partei des Proletariats. Sie verwandelte sich in die extreme Linke der Bourgeoisie und begann, in den Opportunismus abzusinken" (Chen Duxiu, "Brief an alle Genossen der chinesischen KP", 10. Dezember 1929, in Pierre Broué, La question chinoise dans l’Internationale Communiste).
[31] Chinas ‚Revolution‘ von 1949 – ein Glied in der Kette imperialistischer Kriege, International Review Nr. 81, engl./franz./span. Ausgabe.
[32] Der "offene Brief" vom 7. Januar 1921, der von der KPD-Zentrale an andere Organisationen (SPD, USPD, KAPD) gerichtet wurde und zu gemeinsamen Aktionen der Massen und den kommenden Kämpfen aufrief, war eine der Prämissen dieser Politik.
[33] 1. Kongress der Komintern, Die Stellung zu den sozialistischen Strömungen und der Berner Konferenz
[34] Front unique, front anti-prolétarien, Révolution Internationale Nr. 45, Januar 1978
[35] Intervention der Delegation der KP Italiens auf dem 4. Kongress der Komintern, zit. nach dem Buch der IKS Die Italienische Kommunistische Linke, 2007, S. 32 f.
[36] Siehe dazu unsere beiden Artikel zur Kommunistischen Linken Russlands, /content/747/kommunistische-linke-russlands [5]
[37] Angesichts der Tatsache, dass die Bedingungen für die Ausweitung der Revolution immer ungünstiger wurden, wäre es sachdienlicher gewesen, von "partiellen Kämpfen ..., die sich an einer revolutionären Perspektive orientieren", zu sprechen.
[38] Bilan, April 1934
[39] Herman Gorter, Eine Antwort an Lenins Broschüre: „Der linke Radikalismus, eine Kinderkrankheit des Kommunismus“, 1920
[40] Die Gewerkschaftsfrage haben wir bereits im zweiten Artikel dieser Serie untersucht (vgl. Fn 1), so dass wir an dieser Stelle nicht darauf zurückkommen werden. Erinnern wir uns jedoch daran, dass die Komintern am Ersten Kongress den Bankrott der Gewerkschaften sowie der Sozialdemokratie registriert hatte (auch wenn die Debatte über den Klassencharakter der Gewerkschaften nach dem Ersten Weltkriegs nicht abgeschlossen war), dann aber ihre Position änderte und für die Wiederbelebung der Gewerkschaften eintrat, indem sie in ihnen kämpfte mit den Zielen, deren Führung in die Wüste zu schicken und die Massen für den Kommunismus zu gewinnen. Diese illusorische Taktik wurde auf dem 3. Kongress mit der Forderung nach der Bildung der Roten Internationale der Gewerkschaften vorgebracht. Sie wurde von bestimmten linken Gruppen (insbesondere der deutschen Linken) bekämpft, die zu Recht die Auffassung vertraten, dass die Gewerkschaften keine Organe des proletarischen Kampfes mehr seien.
[41] Trotz der Tatsache, dass ein großer Teil der deutschen und niederländischen Linken später dazu überging, die Notwendigkeit der Partei zu leugnen, und dann die rätekommunistische bzw. rätistische Strömung bildete.
Seit einigen Wochen steigt die Zahl der an Covid-19 erkrankten Menschen in mehreren Regionen der Welt stark an, insbesondere in Europa, das wieder zu einem der Epizentren der Pandemie geworden zu sein scheint. Die "mögliche zweite Welle", die vor einigen Monaten von Epidemiologen angekündigt wurde, ist nun Realität, und es ist sehr wahrscheinlich, dass sie viel virulenter sein wird als die vorherige. In mehreren Ländern liegt die Zahl der Todesfälle pro Tag bereits bei mehreren hundert, und die Intensivstationen, die für die Behandlung der am schwersten betroffenen Patienten benötigt werden, sind überfüllt, oder total überfordert wie in Italien. Dies obwohl wir erst am Anfang dieser neuen Welle stehen.
Angesichts der Ernsthaftigkeit und rapiden Verschlechterung der Lage haben immer mehr Staaten keine andere Lösung anzubieten, als lokale oder nationale Ausgangssperren oder fast gefängnisartige Maßnahmen improvisiert auf die Beine zu stellen, um die Bevölkerung zu Hause zu halten – natürlich außerhalb der Arbeitszeit.
In den letzten Monaten haben die Medien in vielen Ländern nicht aufgehört, die gemeinen und irreführenden Reden des Staatsapparates zu verbreiten, die nicht gezögert haben, die angeblich "unverantwortlichen und egoistischen Jugendlichen" an den Pranger zu stellen, die sich zusammenschlossen hätten, um "illegale Partys zu organisieren", oder Urlauber, die die letzten schönen Sommertage nutzen, um auf der Terrasse eines Cafés etwas zu trinken, und dabei ihre Masken abnehmen (die Regierungen der Mittelmeerstaaten haben sie jedoch stark dazu ermutigt, dies zu tun, um „den gefährdeten Tourismussektor zu retten"!). Diese große Kampagne, die sich täglich gegen die "Verantwortungslosigkeit der Bürger" richtet, ist nichts anderes als eine Vertuschung der Nachlässigkeit und mangelnden Voraussicht, derer sich die herrschende Klasse seit vielen Jahren schuldig macht[1], genau wie in den letzten Monaten nach dem relativen Abklingen der "ersten Welle"
Obwohl sich die Regierungen sehr wohl bewusst waren, dass es keine wirksame Behandlung gegen das neue Coronavirus gab, dass die Entwicklung eines Impfstoffs noch lange nicht abgeschlossen war und dass das Virus nicht unbedingt saisonal sein würde, wurden keine Schritte unternommen, um eine mögliche "zweite Welle" zu verhindern. Die Zahl des Krankenhauspersonals hat sich seit dem März dieses Jahres nicht erhöht, ebenso wenig wie die Zahl der Betten auf den Intensivstationen. In mehreren Ländern wurde die Politik zum Abbau des Gesundheitssystems sogar fortgesetzt. Alle Regierungen haben daher die Gesellschaft zur Rückkehr in die "Welt von früher" gedrängt und die Rückkehr der "glücklichen Tage" mit einem Slogan im Mund gefeiert: "Wir müssen die nationale Wirtschaft retten!“
Heute zwingen die europäischen Bourgeoisien mit der gleichen Parole die Ausgebeuteten erneut dazu, in ihren Häusern zu versauern, während sie sie gleichzeitig dazu drängen, sich an den Arbeitsplatz zu bewegen, wobei sie die Enge im öffentlichen Verkehr, die bei der Verbreitung des Virus förderlich ist (vor allem in den großen Metropolen), und das Fehlen ausreichender Gesundheitsmaßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Menschen am Arbeitsplatz und in den Schulen ignorieren!
Die Sorglosigkeit und Verantwortungslosigkeit, die die herrschende Klasse in den letzten Monaten an den Tag gelegt hat, hat sie erneut unfähig gemacht, die Pandemie unter Kontrolle zu halten. Infolgedessen neigt die überwältigende Mehrheit der europäischen Staaten eindeutig dazu, die Kontrolle über die Situation zu verlieren. Dies zum großen Unglück derer, die in großer Sorge vor Ansteckung zur Arbeit gehen müssen.
Im Gegensatz zu dem, was die herrschende Klasse behauptet, besteht kein Zweifel daran, dass ihre Absicht nicht darin besteht, Leben zu retten, sondern die katastrophalen Auswirkungen der Pandemie auf das Überleben des Kapitalismus so weit wie möglich zu begrenzen und gleichzeitig zu vermeiden, dass sich die Tendenz zum sozialen Chaos zu verstärkt.
Damit dies geschieht, muss das Funktionieren der kapitalistischen Maschinerie um jeden Preis gewährleistet sein, insbesondere den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, Gewinne zu erwirtschaften. Ohne Angestellte in den Produktionsstätten ist keine Arbeit und damit perspektivisch auch kein Gewinn möglich, ein Risiko, das die Bourgeoisie um jeden Preis vermeiden will. Deshalb müssen Produktion, Handel, Tourismus und öffentliche Dienstleistungen so gut wie möglich gewährleistet sein; die Folgen für das Leben von Hunderttausenden oder gar Millionen von Menschen spielen dabei keine Rolle. Die herrschende Klasse hat in ihrer Logik keine andere Alternative, um das Überleben ihres eigenen Ausbeutungssystems zu garantieren.
Was immer sie auch tut, sie ist nicht mehr in der Lage, den unaufhaltsamen Niedergang des Kapitalismus in seiner historischen Krise zu stoppen. Dieser unumkehrbare Niedergang zwingt sie daher, sich so zu zeigen, wie sie ist: völlig ignorant gegenüber dem Wert des menschlichen Lebens und bereit, alles zu tun, um ihre Vorherrschaft zu erhalten, einschließlich, Zehntausende von Menschen sterben zu lassen, angefangen bei den Rentnern und Rentnerinnen, die in den Augen des Kapitals als "nutzlos" gelten. Die Pandemie wirft ein grelles Licht auf das unversöhnliche Verhältnis eines auf den Füßen verrottenden Kapitalismus gegenüber der Menschheit!
Die Ausgebeuteten haben daher von den Staaten und ihren Regierungen, die unabhängig von ihrer politischen Couleur Teil der herrschenden Klasse sind und in deren Dienst stehen, nichts zu erwarten. Die Ausgebeuteten haben nichts zu gewinnen, wenn sie die "Opfer", die ihnen zur "Rettung der Wirtschaft" auferlegt werden, akzeptieren, ohne mit der Wimper zu zucken.
Früher oder später wird die Bourgeoisie in der Lage sein, dieses Virus durch die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs zu beseitigen. Aber die Bedingungen der sozialen Zersetzung, die zu dieser Pandemie geführt haben, werden nicht verschwinden. Angesichts der bedingungslosen Konkurrenz zwischen den Staaten in ihrem wahnsinnigen "Wettlauf um einen Impfstoff" sieht seine Verteilung schon jetzt höchst problematisch aus. Wie bei Industrie- oder Umweltkatastrophen ist es mehr als wahrscheinlich, dass die Menschheit in Zukunft zunehmend mit globalen Pandemien konfrontiert sein wird, die zweifellos noch tödlicher sein werden.
Angesichts der wirtschaftlichen Katastrophe, die durch die Pandemie verschärft wird, der Explosion der Arbeitslosigkeit, des wachsenden Elends und des zunehmenden Arbeitstempos und Arbeitsdrucks wird die Arbeiterklasse keine andere Wahl haben, als für die Verteidigung ihrer Lebensbedingungen zu kämpfen. Schon jetzt wächst die Wut fast überall, und die Bourgeoisie versucht, sie vorübergehend zu lindern, indem sie allen Arbeiterfamilien verspricht, dass die Feierlichkeiten zum Jahresende stattfinden können (auch wenn es notwendig sein werde, große Versammlungen einzuschränken). Aber diese "Pause" von der Gefangenschaft zugunsten des „Waffenstillstands der Konditoren“ wird an der Substanz nichts ändern. Das Jahr 2021 wird nicht besser sein als das Jahr 2020, mit oder ohne Impfstoff.
Irgendwann, wenn der Schock dieser Pandemie überwunden ist, wird der Kampf wieder aufgenommen werden müssen.
Wenn die Arbeiterklasse den Weg des Kampfes gegen die Angriffe der Bourgeoisie, ihres Staates und ihrer Arbeitgeber wieder aufnimmt, wird sie ihre Einheit und Solidarität entwickeln können. Nur der Klassenkampf des Proletariats wird, indem er die heilige Allianz mit seinen Ausbeutern bricht, langfristig in der Lage sein, eine Perspektive für die gesamte Menschheit zu eröffnen, welche durch ein zerfallendes System der Ausbeutung vom Aussterben bedroht ist. Das kapitalistische Chaos kann sich nur weiter verschlimmern, mit immer mehr Katastrophen und neuen Pandemien. Die Zukunft liegt also in den Händen des Proletariats, denn nur es hat die Mittel, das Problem an der Wurzel zu packen und den Kapitalismus zu stürzen, um eine neue Gesellschaft aufzubauen.
Vinzenz, 11. November 2020
[1] Vgl. dazu auf unserer Webseite die Artikel, mit denen wir die weltweiten Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen brandmarken, https://de.internationalism.org/content/2931/pandemie-des-covid-19-frankreich-die-kriminelle-fahrlaessigkeit-der-bourgeoisie [6]
Die Weltwirtschaftskrise verschärft sich gegenwärtig brutal. Konkret und ohne jeden Zweifel wird die Arbeiterklasse auf der ganzen Welt unter einem gewaltigen Ausbruch von Arbeitslosigkeit, Ausbeutung, Prekarität und Armut leiden.
Mit diesem neuen Schritt versinkt der Kapitalismus weiter in seiner Dekadenz, was von den revolutionären Organisationen die Klärung folgender Fragen erfordert:
Gleichzeitig müssen wir uns vor einer auf den Moment beschränkten und ökonomistischen Sichtweise auf die Krise hüten, wie der vorgelegte Bericht betont. Wir müssen jede waghalsige Prognose vermeiden, wenn man bedenkt, dass wir das Tempo der Krise in der Vergangenheit überschätzt und eine unmittelbar bevorstehende Katastrophe erwartet haben, verbunden mit der Vorstellung, die Bourgeoisie befinde sich in einer Sackgasse. Abgesehen von der mangelnden Aneignung der Theorie Rosa Luxemburgs, hatten wir die Fähigkeit des Staatskapitalismus unterschätzt, mit den Erscheinungen der offenen Krise umzugehen, da er ja tatsächlich das Versinken des Systems in seine historische Krise begleitet und so sein Überleben ermöglicht hat. Die Waffen des Staatskapitalismus sind: das ständige Eingreifen in die Wirtschaft, Manipulationen und Betrug mit dem Wertgesetz. Dabei gelang es der herrschenden Klasse, innerhalb des Proletariats die Illusion aufrecht zu erhalten, dass der Kapitalismus kein bankrottes System, seine Erschütterungen nur vorübergehend und das Produkt zyklischer Krisen seien, denen notwendigerweise Perioden intensiver allgemeiner Entwicklung folgen würden.
Im 18. und 19. Jahrhundert befanden sich die großen kapitalistischen Nationen in einem hektischen Wettlauf um die Eroberung neuer Märkte und Gebiete. Aber um 1900 stießen sie auf ein Problem: Die Erde ist rund und nicht unendlich groß. So erreichten die imperialistischen Spannungen bereits vor Ausbruch einer Weltwirtschaftskrise ihren Höhepunkt, der Weltkrieg brach aus und der Kapitalismus trat in das Stadium seiner Dekadenz ein. Der Krieg von 1914-18 ist die Manifestation der extremsten Barbarei und Ergebnis der folgenden Tatsache: „Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um.“ [1]
Erst Ende der 1920er Jahre wurden die verschiedenen nationalen Bourgeoisien zum ersten Mal mit dem unmittelbar "wirtschaftlichen" Ausdruck dieses Eintritts in die Dekadenz konfrontiert: der Krise der allgemeinen und historischen Überproduktion. Wir wollen noch einmal Marx zitieren: „Zweitens, dass die kapitalistische Produktion keineswegs auf einer willkürlichen Stufe produziert, sondern jemehr sie sich entwickelt, so mehr gezwungen ist, auf einer Stufenleiter zu produzieren, die mit der immediate demand (unmittelbaren Nachfrage) nichts zu tun hat, sondern von einer beständigen Erweiterung des Weltmarktes abhängt. (…) Er übersieht, dass die Ware in Geld verwandelt werden muss. Die demand der Arbeiter genügt nicht, da der Profit ja grade dadurch herkommt, dass die demand der Arbeiter kleiner als der Wert ihres Produkts, und um so größer ist, je relativ kleiner diese demand. Die demand der capitalists untereinander genügt ebensowenig“ [2] (…) „Wird endlich gesagt, daß die Kapitalisten ja selbst nur unter sich ihre Waren auszutauschen und aufzuessen haben, so wird der ganze Charakter der kapitalistischen Produktion vergessen und vergessen, daß es sich um die Verwertung des Kapitals handelt, nicht um seinen Verzehr.“[3] Mit anderen Worten, die Krise der allgemeinen Überproduktion, die 1929 ausbrach, ist nicht mit einer Art Dysfunktion verbunden, die die Bourgeoisie regulieren oder überwinden kann. Nein, sie ist die Folge eines fundamentalen und unüberwindlichen Widerspruchs, der im Wesen des Kapitalismus selbst verwurzelt ist.
Die nationalen Bourgeoisien haben aus der katastrophalen Krise von 1929 gelernt: die Notwendigkeit, den Staatskapitalismus zu entwickeln und internationale Organisationen zu gründen, die die Krise begleiten, um den Fehler der protektionistischen Politik nicht zu wiederholen.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs wollte die Bourgeoisie die Lehren von 1929 in die Praxis umsetzen. Der Nachkriegsboom erzeugte die Illusion, dass der Kapitalismus seinen Wohlstand zurückgewinnt und löschte vorübergehend den Alptraum der Großen Depression der 1930er Jahre und die Schrecken des Krieges aus. Aber unvermeidlich bleiben die Widersprüche, die dem Wesen des Kapitalismus selbst innewohnen, ebenso wie seine historische Krise weiter bestehen. Dies zeigt sich in der Rückkehr der offenen Krise 1967-1968. Seitdem ist die Bourgeoisie, von Konjunkturpaketen bis hin zu tieferen Rezessionen, in einer Flucht nach vorn in die grenzenlose Verschuldung gefangen und versucht, die Auswirkungen des historischen Bankrotts ihres Systems ständig aufzuschieben. Die weltweite Verschuldung wird immer massiver – in absoluten Zahlen, aber auch im Vergleich zur Entwicklung des Welt-BIP. Parallel zu dieser rasanten Entwicklung haben die zentralen Länder die Organisation der Weltwirtschaft verändert:
Heute hat die Bourgeoisie immense Erfahrungen angehäuft, um die Auswirkungen ihrer historischen Krise zu verlangsamen, um deren Qualen noch weiter zu verlängern. Wir müssen daher mit unseren Prognosen äußerst vorsichtig sein und uns vor jeder katastrophistischen Sichtweise hüten. In der gegenwärtigen Verschärfung der Weltwirtschaftskrise sind es vor allem die großen historischen Grundtendenzen, die wir hervorheben müssen.
Ab 1929 lernte die Bourgeoisie, ihre verfallende Wirtschaft am Leben zu erhalten, insbesondere durch "internationale Zusammenarbeit". Selbst 2008 haben die berühmten G20 diese Fähigkeit der großen Bourgeoisien gezeigt, einen gewissen Zusammenhalt aufrechtzuerhalten, um die Krise mit dem geringstmöglichen Schaden zu bewältigen. Das Jahr 2020 ist ein Zeichen dafür, dass es immer schwieriger wird, diese Organisierung der Welt aufrechtzuerhalten, wobei die Irrationalität, die mit dem Zerfall verbunden ist, selbst auf den höchsten Staatsgipfeln auffällt. Der Ansatz "Jeder für sich selbst", der bei der katastrophalen Bewältigung der Pandemie zu Tage trat, ist deren spektakulärster Ausdruck. Diese Zentrifugalkraft hat zwei Wurzeln:
Was wir sehen, ist, dass sich als Reaktion auf die Pandemie das Tempo bei den Maßnahmen für die "nationale Zurückverlagerung" der Produktion, die Erhaltung der Schlüsselsektoren in jedem nationalen Kapital, die Entwicklung von Barrieren für den internationalen Waren- und Personenverkehr, usw. beschleunigt hat, was nur sehr schwerwiegende Folgen für die Entwicklung der Weltwirtschaft und die allgemeine Fähigkeit der Bourgeoisie, auf die Krise zu reagieren, haben kann. Der nationale Rückzug kann die Krise nur verschärfen und zu einer Zersplitterung der Produktionsketten führen, die zuvor eine globale Dimension hatten, was wiederum nur die Saat des Chaos in der Geld-, Finanz- und Handelspolitik säen kann ... Das kann bis zur Blockade und sogar zum teilweisen Zusammenbruch einiger Volkswirtschaften gehen. Es ist noch zu früh, um die Folgen dieser relativen Lähmung des Wirtschaftssystems zu ermessen. Am schwerwiegendsten und bedeutsamsten ist jedoch, dass sich diese Lähmung auf internationaler Ebene vollzieht.
Die gegenwärtige Beschleunigung der Weltwirtschaftskrise ist Teil der allgemeinen Entwicklung der Dekadenz des Kapitalismus. Abgesehen von den sichtbaren Phänomenen, die mit der gegenwärtigen "offenen Krise" verbunden sind, ist es für uns wichtig, die Verstärkung der tiefen Widersprüche des Kapitalismus und damit die Verschärfung seiner historischen Krise besser zu verstehen.
Bezüglich der Wirtschaftskrise können wir die folgenden zwei Perspektiven klar unterstreichen:
Doch über die Gültigkeit dieser allgemeinen Vorhersagen hinaus, wird die beispiellose Situation, die sich eröffnet hat, mehr denn je von großer Unsicherheit geprägt sein. Genauer gesagt, in der gegenwärtigen Phase der historischen Krise der Überproduktion bringt das Eindringen des Zerfalls auf das wirtschaftliche Terrain die Mechanismen des Staatskapitalismus, die die Auswirkungen der Krise begleiten und begrenzen sollen, zutiefst durcheinander. Dennoch es wäre falsch und gefährlich, den Schluss daraus zu ziehen, dass die Bourgeoisie ihre politischen Fähigkeiten nicht voll ausschöpfen wird, um im besten Interesse ihrer eigenen Interessen auf die sich abzeichnende globale Wirtschaftskrise zu reagieren. Die Verschärfung des Gewichts des Zerfalls bedeutet darüber hinaus einen Faktor der Instabilität und Fragilität des wirtschaftlichen Funktionierens, der es besonders schwierig macht, die Entwicklung der Situation zu analysieren.
In der Vergangenheit haben wir unsere Augen zu oft nur auf die Aspekte der Situation gerichtet, welche die wirtschaftliche Krise des Kapitals zu ihrer unaufhaltsamen Verschärfung trieben, aber nicht alle Faktoren die ihre Entwicklung behinderten ausreichend berücksichtigt. Nun geht es darum, der marxistischen Analysemethode treu zu bleiben, die darin besteht, die historisch schwerwiegenden Tendenzen der sich eröffnenden Perspektiven, aber auch die Gegentendenzen zu identifizieren, auf die die Bourgeoisie bald reagieren wird. Wir müssen daher so klar wie möglich die Grundzüge der künftigen Entwicklung aufzeigen, ohne in riskante und unsichere Prognosen zu verfallen. Wir müssen uns für die Situation wappnen und sicherstellen, dass wir unsere Fähigkeit zur schnellen Reflexion und Reaktion auf Ereignisse von großer Bedeutung, die sich zwangsläufig weiterentwickeln werden, verbessern und umsetzen. Unsere Methode muss von folgendem Ansatz inspiriert sein: "Der Marxismus kann nur die allgemeinen historischen Linien und Tendenzen mit Sicherheit nachzeichnen. Die Aufgabe der revolutionären Organisationen muss vor allem die sein, Perspektiven für ihr Eingreifen in die Klasse aufzuzeigen. Aber diese Perspektiven dürfen keine "Vorhersagen" sein, die auf deterministischen mathematischen Modellen basieren (und noch weniger, indem man die Vorhersagen der "Experten" der Bourgeoisie für bare Münze nimmt, sei es im Sinne eines falschen "Optimismus" oder eines ebenso mystifizierenden "Alarmismus")." (Zitat aus einem internen Diskussionsbeitrag)
Die Krise von 2008 war ein wichtiger Moment für den Kapitalismus. Die Erholung (2013-2018) war sehr schwach, die schwächste seit 1967. Sie wurde von der Bourgeoisie als "sanfte" Erholung beschrieben. Für das Jahrzehnt vor der Covid-19-Krise (2010-2020), schätzte die Website Cycle Business Bourse auf anscheinend realistische Weise das weltweite Wachstum auf etwas weniger als 3% im Jahresdurchschnitt ein. Die Wirtschaftskrise, die mit der Pandemie zutage trat, hat insbesondere ab 2018 bereits erste deutliche Ausdrucksformen gefunden. Wir hatten dies im Bericht und in der Resolution über die internationale Lage des 23. Kongresses der IKS (2019) hervorgehoben: "Auf wirtschaftlicher Ebene ist die Situation des Kapitalismus seit Anfang 2018 durch eine starke Verlangsamung des weltweiten Wachstums gekennzeichnet (von 4% im Jahr 2017 auf 3,3% im Jahr 2019), aufgrund derer die Bourgeoisie eine weitere Verschlechterung in den Jahren 2019-20 erwartet. Diese Verlangsamung erwies sich 2018 als stärker wie erwartet, und der IWF musste seine Prognosen für die nächsten zwei Jahre zurückschrauben, und sie betrifft praktisch alle Teile des Kapitalismus gleichzeitig: China, die Vereinigten Staaten und die Eurozone. Im Jahr 2019 haben sich 70% der Weltwirtschaft verlangsamt, insbesondere in den „fortgeschrittenen“ Ländern (Deutschland, Vereinigtes Königreich). Einige der Schwellenländer befinden sich bereits in der Rezession (Brasilien, Argentinien, Türkei), während China, das sich seit 2017 verlangsamt und 2019 voraussichtlich noch um 6,2% wachsen wird, die niedrigsten Wachstumsraten seit 30 Jahren verzeichnet." (Punkt 16 der Resolution[5])
Vor diesem Hintergrund des sich verlangsamenden Wachstums ist die Pandemie zu einem starken Beschleuniger der Wirtschaftskrise geworden, der drei Faktoren in den Vordergrund rückt:
Wichtigster Ausdruck der Schwere der Krise ist, dass (anders als 2008) die zentralen Länder (Deutschland, China und vor allem die Vereinigten Staaten) am stärksten betroffen sind. Auch wenn sie alle Mittel haben, die Krise abzufedern, wird die Schockwelle die Weltwirtschaft stark destabilisieren.
Der starke Rückgang der Ölpreise traf die Vereinigten Staaten hart: Vor Ausbruch der Pandemiekrise gab es einen "Ölpreiskrieg". Infolgedessen wurden die Ölpreise vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte negativ. Selbst die optimistischsten Energieanalysten sagen den Bankrott von nahezu hundert Ölfirmen in den Vereinigten Staaten voraus. Einige von ihnen haben Schulden in Milliardenhöhe angehäuft, ein Großteil davon mit hohem Risiko: "Der erste Gefahrenherd bei der Verschuldung von Unternehmen ist der Energiebereich", sagt Capital Economics, obwohl Macadam dies nicht für ein systemisches Risiko hält. Aber eine Kette von Zahlungsausfällen im Ölsektor würde das Risiko einer Finanzkrise erhöhen. Und wenn einer der am höchsten verschuldeten Ölgiganten der Welt – Shell zum Beispiel hat mit 77 Milliarden US-Dollar eine der höchsten Schulden der Welt – in Schwierigkeiten geraten würde, wären die Auswirkungen verheerend." [6]
Diese negativen Preise sind ein perfektes Beispiel für den Grad der Irrationalität des Kapitals. Überproduktion von Öl und ungezügelte Spekulation in diesem Sektor bedeuten, dass die Ölbesitzer dafür bezahlen, überschüssiges Öl loszuwerden, das nicht gelagert werden kann, weil es keinen Platz dafür gibt.
Während 2008 die Bankenzusammenbrüche vor allem durch Immobilienspekulation vorangetrieben wurden, sind es heute die direkt produktiven Unternehmen, die den Bankensektor gefährden: "Die vier größten US-Unternehmen, JP Morgan, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo, haben laut Statista allein im Jahr 2019 jeweils mehr als 10 Milliarden Dollar in den Ölfracking-Sektor investiert. Und nun sind diese Ölfirmen ernsthaft gefährdet, zahlungsunfähig zu werden, so dass die Banken mit Papierkram in ihren Bilanzen zurückbleiben (...) Laut Moody's wurden 91% der US-Unternehmenskonkurse im letzten Quartal des vergangenen Jahres im Öl- und Gassektor verzeichnet. Die von Energy Economics and Financial Analysis zur Verfügung gestellten Daten weisen darauf hin, dass Unternehmen, die Fracking [besonders „ehrgeizige“ Öl- und Gasgewinnung durch Einpumpen von Material in erdölhaltige Gesteinsschichten] betreiben, im vergangenen Jahr nicht in der Lage waren, Schulden in Höhe von 26 Milliarden Dollar zu bezahlen."[7] Mit der Pandemie verschlimmert sich die Situation ernsthaft: "Rystad Energy Consulting schätzt, dass selbst bei einer Rückgewinnung der 20 Dollar pro Barrel bis 2021 533 US-amerikanische Ölfirmen zahlungsunfähig werden könnten. Aber wenn die Preise bei 10 Dollar bleiben, könnte es über 1.100 Konkurse geben, mit praktisch allen Unternehmen." [8]
Der Kapitalismus – in der Form des Staatskapitalismus – unternimmt enorme Anstrengungen, um die lebenswichtigen Zentren des Systems zu schützen und einen brutalen Absturz zu verhindern, wie es im Bericht zur Wirtschaftskrise des 23. Internationalen Kongresses der IKS heißt: "Indem er sich auf die Hebel des Staatskapitalismus verlässt und die Lehren aus 1929 zieht, ist der Kapitalismus in der Lage, seine lebenswichtigen Zentren (insbesondere die Vereinigten Staaten und Deutschland) zu erhalten, die Krise zu begleiten und ihre Auswirkungen abzuschwächen, indem er sie in die schwächsten Länder zurückdrängt, ihr Tempo verlangsamt und sie zeitlich hinauszieht."
Der Staatskapitalismus hat verschiedene Phasen durchlaufen, mit denen wir begonnen haben, uns zu befassen, insbesondere bei einem Studientag im Jahr 2019. Seit 1945 haben die Bedürfnisse der imperialistischen Blöcke eine gewisse Koordinierung der staatlichen Verwaltung der Wirtschaft auf internationaler Ebene, insbesondere im amerikanischen Block, mit der Schaffung internationaler "Kooperations"-Gremien (OECD, IWF, Beginn der EU) und der Handelsorganisation (GATT) erzwungen.
In den 1980er Jahren versuchte das Kapital der zentralen Länder, überwältigt vom Anstieg der Krise und unter einem starken Rückgang der Profite leidend, ganze Produktionsbereiche in Länder zu verlagern, in denen die Arbeitskraft viel billiger war, wie zum Beispiel China. Zu diesem Zweck bedurfte es einer sehr weitreichenden finanziellen "Liberalisierung" auf globaler Ebene, um Kapital für die notwendigen Investitionen zu mobilisieren. In den 1990er Jahren, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, wurden die internationalen Gremien gestärkt, was zu einer Struktur der "internationalen Zusammenarbeit" bei der währungs-, finanz- und wirtschaftspolitischen Koordinierung, dem Aufbau internationaler Produktionsketten, der Stimulierung des Welthandels und der Beseitigung von Zollschranken usw. führte. Dieser Rahmen sollte den stärksten Ländern zugute kommen: Sie konnten neue Märkte erobern, ihre Produktion verlagern und einige der profitabelsten Unternehmen aus den schwächeren Ländern übernehmen. Letztere waren gezwungen, ihre eigene staatliche Politik zu ändern. Die Verteidigung des nationalen Interesses betraf fortan nicht mehr den Zollschutz von Schlüsselindustrien, sondern vielmehr die Entwicklung der Infrastruktur, die Ausbildung der Arbeitskräfte, die internationale Expansion von Schlüsselunternehmen, die Einnahme internationaler Investitionen usw. Letztere waren gezwungen, ihre eigene staatliche Politik zu ändern.
Zwischen 1990 und 2008 gab es "eine umfassende Reorganisation der kapitalistischen Produktion auf globaler Ebene (...) Nach dem Beispiel der EU bei der Beseitigung von Zollschranken zwischen den Mitgliedstaaten wurde die Integration vieler Zweige der Weltproduktion durch die Entwicklung echter Produktionsketten auf globaler Ebene verstärkt. Durch die Kombination von Logistik, Informationstechnologie und Telekommunikation, werden Größenvorteile erzielt; durch die verstärkte Nutzung der Arbeitskraft des Proletariats (durch erhöhte Produktivität, internationalen Wettbewerb, Freizügigkeit der Arbeitskräfte, um niedrigere Löhne durchzusetzen), die Unterordnung der Produktion unter die finanzielle Logik der maximalen Rentabilität hat der Welthandel, wenn auch in geringerem Maße, weiter zugenommen, die Weltwirtschaft stimuliert und einen „zweiten Atemstoß“ erzeugt, der die Existenz des kapitalistischen Systems verlängert hat." (Punkt 18 der bereits zitierten Resolution des 23. Internationalen Kongresses)
Diese "internationale Zusammenarbeit" war eine sehr riskante und kühne Politik, um die Krise zu mildern und einige der Auswirkungen des Zerfalls auf die Wirtschaft abzuschwächen. Dies, indem versucht wurde, die Auswirkungen des kapitalistischen Widerspruchs zwischen dem sozialen und globalen Charakter der Produktion und dem privaten Charakter der Aneignung von Mehrwert durch konkurrierende kapitalistische Nationen zu begrenzen. Eine solche Entwicklung des dekadenten Kapitalismus wird in unserer Broschüre über die Dekadenz erklärt, in der sie die Vision kritisiert, Dekadenz sei gleichbedeutend mit einer definitiven und dauerhaften Blockade der Entwicklung der Produktivkräfte: "Falls wir die Hypothese eines endgültigen und ständigen Stillstands dieser Entwicklung verteidigten, könnte nur eine "absolute" Verschärfung der Beschränkungen, den die Produktionsverhältnisse darstellen, die Tendenz zur eindeutigen Zuspitzung dieses Widerspruchs erklären. Man kann jedoch feststellen, dass die Bewegung, die sich im Allgemeinen während der verschiedenen Dekadenzzeiträume der Geschichte (der Kapitalismus eingeschlossen) entwickelt, eher zu einer Ausdehnung der Grenzen bis zu deren ‘Äußerten’ neigt als zu einem Schrumpfen derselben. Unter dem Schutz des Staates und unter dem Druck der wirtschaftlichen und sozialen Notwendigkeiten dehnt sich das Gehäuse aus, indem es alles von sich stößt, was sich für die Produktionsverhältnisse als überflüssig erweisen kann und für das Überleben des Systems nicht unbedingt notwendig ist." Dies gilt umso mehr für den Kapitalismus, die bisher elastischste und dynamischste Produktionsweise in der Geschichte.
Wie aus dem Bericht über die Wirtschaftskrise und der Resolution über die internationale Lage des 23. Kongresses hervorgeht, begann diese "weltweite Organisation der Produktion" im Jahrzehnt 2010 ins Wanken zu geraten: Nachdem China in hohem Maße von den Welthandelsmechanismen (der WTO) profitiert hatte, begann es, einen parallelen Wirtschafts-, Handels- und imperialistischen Mechanismus (die neue Seidenstraße) zu entwickeln. Der Handelskrieg beschleunigte sich mit der Machtübernahme von Trump ... Diese Phänomene bringen zweifellos zum Ausdruck, dass der Kapitalismus bei seiner Tendenz, diese berühmten Grenzen, die in unserer Broschüre über die Dekadenz zitiert werden, zu erweitern, zunehmend auf große Schwierigkeiten stößt.
"Seit den 1960er Jahren befindet sich dieser Indikator [der das Gewicht der Exporte und Importe in den einzelnen Volkswirtschaften misst] in einem Aufwärtstrend, der sich in den letzten 18 Monaten verlangsamt hat. In diesem Zeitraum hat er sich, ausgehend von etwa 23 Prozent, bei etwa 60 Prozent stabilisiert und ist seit 2010 stetig zurückgegangen."[9]
Drei Faktoren, die den Ursprung der Pandemiekrise bilden, beschreiben die Auswirkungen des Zerfalls auf die Ökonomie: die Tendenz des „Jeder-für-sich“, Fahrlässigkeit und Verantwortungslosigkeit. Zwei von ihnen haben ihren direkten Ursprung im Zerfall des Kapitalismus: das „Jeder-für-sich“ und die Verantwortungslosigkeit. Dies sind sehr sensible Faktoren, die die Bourgeoisie – zumindest in den zentralen Ländern – so weit wie möglich unter Kontrolle zu bringen vermochte, wenn auch mit zunehmenden Schwierigkeiten. Im gegenwärtigen Stadium der Entwicklung der inneren Widersprüche des Kapitalismus und angesichts der Art und Weise, wie sie sich in der Entwicklung der Krise manifestieren, wird die Explosion der Auswirkungen des Zerfalls nun zu einem Faktor der Verschärfung der Weltwirtschaftskrise, von der wir nur die allerersten Konsequenzen gesehen haben. Dies wird auf der Weiterentwicklung der Krise lasten, da es ein Hindernis für die effektive Wirksamkeit der gegenwärtigen Politik des Staatskapitalismus darstellt. "Im Vergleich zu den Reaktionen auf die Krisen von 1975, 1992, 1998 und 2008 sehen wir als Perspektive eine erhebliche Verringerung der Fähigkeit der Bourgeoisie, die Auswirkungen des Zerfalls auf das wirtschaftliche Terrain zu begrenzen. Bisher war es der Bourgeoisie gelungen, durch eine "internationale Zusammenarbeit" bei den Mechanismen des Staatskapitalismus – was als "Globalisierung" bezeichnet wurde – das lebenswichtige Terrain der Wirtschaft und des Welthandels vor den hochgefährlichen zentrifugalen Effekten des Zerfalls zu bewahren. Bei den schlimmsten wirtschaftlichen Erschütterungen der Jahre 2007-2008 und 2009-2011, mit der "Staatsschulden"-Krise, war die Bourgeoisie in der Lage, ihre Reaktionen zu koordinieren, was dazu beigetrug, den Schlag der Krise ein wenig abzumildern und eine anämische "Erholung" in der Phase 2013-2018 zu garantieren." (aus einem internen Beitrag in der IKS zur Wirtschaftskrise)
Mit der Pandemie haben wir gesehen, wie die Bourgeoisie versucht, die Bevölkerung hinter dem Staat zu vereinen, indem sie die nationale Einheit wiederbelebt. Im Gegensatz zu 2008, als die nationalistische Tonlage nicht so stark war, haben jetzt die Bourgeoisien auf der ganzen Welt ihre Grenzen geschlossen und die Botschaft verbreitet: "Hinter nationalen Grenzen findet man Schutz, Grenzen helfen, das Virus zurückzuhalten." Auf diese Weise versuchen die verschiedenen Staaten, die Bevölkerung hinter sich zu scharen; sie sprechen überall in martialischen Begriffen und Botschaften: "Wir sind im Krieg, und Krieg braucht nationale Einheit", "der Staat wird euch helfen", "wir werden euch aus der Patsche helfen", "indem wir die Grenze schließen, werden wir das Virus fernhalten". Durch die Auferlegung von Notfallplänen und durch die Organisation von Schließungen wollen die Staaten die Botschaft vermitteln: "Ein starker Staat ist dein bester Verbündeter."
Die WHO war genau in dem Moment völlig untätig, als ihr Handeln für die Entwicklung wirksamer medizinischer Maßnahmen entscheidend war. Jeder Staat, der einen Verlust der Wettbewerbsposition befürchtet, hat angesichts der Pandemie selbstmörderisch Maßnahmen verzögert. Bei der Beschaffung medizinischer Geräte kam es zu einem erschütternden Schauspiel aller Arten von Diebstählen, zu miesen Geschäften zwischen den Staaten (und sogar innerhalb der einzelnen Staaten). In der EU, wo die "zwischenstaatliche Zusammenarbeit" bisher so weit wie möglich gegangen war, gab es eine ungebremste Welle von Protektionismus und wirtschaftlichem „Jeder-für-sich“. Die EU hat nicht nur keine rechtliche Möglichkeit, ihre Vorgaben im Gesundheitssektor durchzusetzen, sondern vor allem hat jedes Land Maßnahmen ergriffen, um seine Grenzen und seine Versorgungsketten zu verteidigen. Wir waren, wenn auch nicht zum ersten Mal, Zeug*innen einer regelrechten Warenblockade, der Beschlagnahmung von Gesundheitsausrüstung und eines Verbots, diese in andere europäische Länder zu liefern.
All dies ist eine noch gravierendere Veranschaulichung der Perspektive, die in der Resolution über die internationale Lage des letzten Internationalen Kongresses dargelegt wurde: „Die aktuelle Entwicklung der Krise durch die zunehmenden Störungen, die sie in der Organisation der Produktion zu einer riesigen multilateralen Konstruktion auf internationaler Ebene erleidet, die durch gemeinsame Regeln vereinheitlicht sein sollten, zeigt die Grenzen der „Globalisierung“. Das ständig wachsende Bedürfnis nach Einheit (was nie etwas anderes bedeutet hat als die Auferlegung des Gesetzes des Stärkeren auf die Schwächsten) einer aufgrund der „transnationalen“ Verflechtung stark nach Ländern segmentierten Produktion (in Einheiten, die grundsätzlich durch Wettbewerb getrennt sind und in denen jedes Produkt an einem Ort entworfen und mit Hilfe von Elementen, die anderswo hergestellt werden, an einem dritten Ort zusammengebaut wird) stößt sich am nationalen Wesen jedes Kapitals, an die Grenzen des Kapitalismus, der unwiderruflich in sich gegenseitig konkurrierende Nationen aufgeteilt ist. Dies ist der maximale Grad der Einheit, den die bürgerliche Welt nicht aufheben kann. Die sich vertiefende Krise (sowie die Forderungen der imperialistischen Rivalität) stellen multilaterale Institutionen und Mechanismen auf eine harte Probe.“ (Punkt 20) Wir sehen, dass als Antwort auf die Pandemie die Maßnahmen der "nationalen Produktionsrückverlagerung", des Erhalts von Schlüsselsektoren in jedem nationalen Kapital, der Entwicklung von Barrieren für den internationalen Waren- und Personenverkehr usw. sehr deutlich zurückgedrängt sind, was nur schwerwiegende Auswirkungen auf die Entwicklung der Weltwirtschaft und auf die allgemeine Fähigkeit der Bourgeoisie, auf die Krise zu reagieren, haben kann. Der nationale Rückzug kann die Krise nur verschlimmern und zu einer Zersplitterung der Produktionsketten führen, die zuvor eine globale Dimension hatten, was nur die Saat des Chaos in der Währungs-, Finanz- und Handelspolitik säen kann ... Dies kann zur Blockade und sogar zum teilweisen Zusammenbruch einiger Volkswirtschaften führen. Es ist noch zu früh, um die Folgen dieser relativen Lähmung des Wirtschaftsapparates zu messen. Am schwerwiegendsten und bedeutsamsten ist jedoch, dass sich diese Lähmung auf internationaler Ebene vollzieht.
Die weit verbreitete Reaktion des Staates auf die Pandemie verdeutlicht die Stichhaltigkeit der Analyse im Bericht zur Wirtschaftskrise des 23. Kongresses: "Einer der größten Widersprüche des Kapitalismus ist der, der sich aus dem Konflikt zwischen der zunehmend globalen Natur der Produktion und der notwendigerweise nationalen Struktur des Kapitals ergibt. Indem er die Möglichkeiten der "Zusammenschlüsse" der Nationen auf wirtschaftlicher, finanzieller und produktiver Ebene bis an die Grenzen ausreizt, hat der Kapitalismus in seinem Kampf gegen die Krise, die ein Wundbrand ist, einen bedeutenden "frischen Wind" bekommen, aber gleichzeitig hat er sich selbst in eine riskante Situation gebracht. Dieser überstürzte Vorstoß in den Multilateralismus entwickelt sich in einem Rahmen des Zerfalls, d.h. in einer Situation, in der Disziplinlosigkeit, zentrifugale Tendenzen, Verankerung in der nationalen Struktur immer stärker werden und nicht nur Fraktionen jeder nationalen Bourgeoisie betreffen, sondern auch große Teile der Kleinbourgeoisie und sogar Randgruppen von Proletariern, die fälschlicherweise glauben, dass ihr Interesse der Nation gilt. All dies kristallisiert sich zu einer Art "nihilistischem nationalistischem Aufstand" gegen die "Globalisierung".“
Wir werden die von der Bourgeoisie eingeleitete Reaktion untersuchen, die sich in 3 Teile gliedert: 1. die Fortsetzung der enormen Verschuldung, 2. der nationale Rückzug, 3. der brutale Angriff auf die Lebensbedingungen der Arbeiter.
Die weltweite Verschuldung belief sich im Jahr 2020 auf 255 Billionen Dollar oder 322% des Welt-BIP, während sie vor der Krise von 2008 bei 60 Billionen Dollar lag. Seitdem hat sich das Welt-BIP nur relativ "sanft" entwickelt. Hier haben wir ein Bild der Entwicklung der privaten und öffentlichen Verschuldung in den letzten dreizehn Jahren, die es ermöglicht hat, das, was die Bourgeoisie als "sanftes" Wachstum bezeichnet hat, aufrechtzuerhalten. Angesichts der gewaltigen Beschleunigung der Wirtschaftskrise, die durch die Pandemie ausgelöst wurde, hat die Bourgeoisie überall auf der Welt mit der Schöpfung von zusätzlichem Geld durch die Zentralbanken aller Industrie- und Schwellenländer reagiert. Im Gegensatz zur Krise von 2008 gab es keine Koordination zwischen den großen Zentralbanken der Welt. Diese massive Schaffung von Zentralbankgeld und die Verschuldung entsprachen der Angst, die die bürgerliche Klasse angesichts des Ausmaßes der Rezession, die sich vor ihr aufzutun schien, überkam. Nimmt man einen Durchschnitt der von der Bourgeoisie Ende Mai genannten Zahlen, so ergeben sich folgende Prognosen für einen Wachstumsrückgang:
Nimmt man die niedrigste Hypothese der Bourgeoisie und das Ausbleiben einer zweiten Welle der Pandemie, so dürfte das weltweite Wachstum im Jahr 2020 einen starken Rückgang von mindestens 3% erfahren, einen viel stärkeren Rückgang als während der Krise 2008-2009.
Hier ist eine Zusammenfassung der unsicheren Aussichten des IWF (die im Durchschnitt der von offiziellen Stellen auf internationaler Ebene erstellten Prognosen liegen):
Länder 2019 2020
Entwickelte Länder 2,9 -3
Eurozone 1,7 -6,1
Deutschland 0,6 -7
Frankreich 1,3 -7,2
Italien 0,3 -9,1
Spanien 2 -8
Japan 0,7 -5,2
GB 1,4 -6,5
China 6,1 1,2
Indien 4,2 1,9
Brasilien 1,1 -5,3
Russland 1,3 -5,5
Weltweiter Durchschnitt 2,4 -4,2
Volumen des Welthandels 2019 2020
Importe der fortgeschrittenen Länder 1,5 -11,5
Importe der Schwellen- und Entwicklungsländer 0,8 -8,2
Exporte der Schwellen- und Entwicklungsländer 0,8 -9,6
Diese Tabellen geben nicht nur einen Überblick über den voraussichtlichen Rezessionsverlauf, sondern auch über die erwartete Schrumpfung des Welthandels.
Eine Synthese der Diskussion innerhalb unserer Organisation nennt die folgenden anschaulichen Zahlen: "Die Situation ist nur deshalb haltbar, weil die Staatsschulden und ihre Rückzahlung von den Zentralbanken übernommen werden; so spritzt die Fed wöchentlich 625 Milliarden Dollar in die US-Wirtschaft, während der 2009 gestartete Paulson-Plan zur Eindämmung von Bankzusammenbrüchen insgesamt 750 Milliarden Dollar betrug (obwohl es stimmt, dass in den folgenden Jahren weitere Pläne zum Rückkauf von Schulden durch die Fed auf den Weg gebracht werden)". "Die auffälligste Reaktion von allen kam aus Deutschland, obwohl sie nur Teil einer umfassenderen europäischen Reaktion auf die Beschleunigung der Wirtschaftskrise ist. Der Grund, warum die von der deutschen Regierung geplanten Maßnahmen von besonderer Bedeutung sind, wird in einem Artikel in der Financial Times vom Montag, dem 23. März, erläutert: "Die von Finanzminister Olaf Scholz vorgeschlagenen Maßnahmen stellen einen entscheidenden Bruch mit dem strikten Festhalten der Regierung an der Politik der 'schwarzen Null' dar, die Haushalte auszugleichen und keine neuen Kredite aufzunehmen."[10] "Seit Februar wurden 14 Billionen Dollar freigegeben, um den Zusammenbruch zu verhindern. All dies in einem völlig anderen Kontext als in der Vergangenheit. Wie kann diese "expansionistische" Politik – die die Unterschiede zwischen Zentralbanken und Staaten, dem Aufschwung, den Rettungsplänen überwunden hat – wirksam sein?"[11] Ein weniger bekanntes Beispiel betrifft China, das eines der am höchsten verschuldeten Länder der Welt ist, obwohl es über bedeutende, nicht zu unterschätzende Vermögenswerte verfügt. Die Gesamtverschuldung Chinas im Jahr 2019 entspricht 300% seines BIP, oder 43 Billionen Dollar. Darüber hinaus werden 30% der Unternehmen in China als "Zombie-Unternehmen" eingestuft. Dies ist der höchste Prozentsatz der Welt. Es ist auch das Land mit der niedrigsten Auslastungsrate der Produktionskapazitäten, obwohl alle entwickelten Länder dieses Phänomen der Produktionsüberkapazitäten erleben. Offiziell lag der Auslastungsgrad der industriellen Kapazitäten der beiden führenden Mächte der Welt – und das war vor Covid-19 – in China bei 76,4% und in den Vereinigten Staaten bei 78,2%. Der in China aufgestellte Konjunkturplan werde sich auf 64 Billionen Dollar belaufen, was pharaonisch und wahrscheinlich weitgehend für ideologische Propaganda gedacht ist. Das Konjunkturpaket ist für einen Zeitraum von fünf bis zwanzig Jahren geplant, und unabhängig davon, wie die Realität aussieht, muss es unbedingt mit Chinas wirtschaftlichen und imperialistischen Hegemoniezielen verknüpft werden. Das Konjunkturpaket der Vereinigten Staaten beläuft sich auf 10 Billionen Dollar. Im Vergleich dazu erscheint das Konjunkturprogramm der EU geradezu lächerlich, wenn man bedenkt, dass es sich nach neuesten Informationen auf 1290 Milliarden US-Dollar in Form von Krediten beläuft, die zum Teil von den Finanzmärkten und zum Teil direkt von der EZB finanziert werden. In Wirklichkeit beläuft sich das Geld, das die EZB der gesamten Wirtschaft, den Privatbanken, der versteckten Finanzierung und den Unternehmen zur Verfügung stellt, auf mehrere Milliarden Euro. Die Staaten, insbesondere Deutschland, garantieren einen Teil dieses Plans durch Subventionen und die Vergemeinschaftung des Ausfallrisikos auf Darlehen, die zwischen 2028 und 2058 zurückzuzahlen sind! In Wirklichkeit ist die Bourgeoisie dabei einzugestehen, dass ein großer Teil der weltweiten Schulden niemals zurückgezahlt werden wird. Damit sind wir wieder bei den Aspekten angelangt, über die wir jetzt sprechen werden.
Wir können in diesem Bericht weder über das volle Ausmaß der laufenden Geldschöpfung berichten, noch können wir alle Konjunkturprogramme im Einzelnen darlegen. Eine weitere Realität zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels: Die USA liegen bei 10 Billionen Dollar. Während all dies jenseits aller Vorstellungskraft zu liegen scheint, bleibt die Tatsache bestehen, dass der Kapitalismus diese astronomische Geldschöpfung nutzt, um zu investieren und seine Waren zu verkaufen. Unter diesem Gesichtspunkt muss die zentrale und private Geldschöpfung exponentiell wachsen (in verschiedenen Formen), um die Akkumulation so weit wie möglich aufrechtzuerhalten und in der gegenwärtigen Situation den Absturz in die Depression zu verlangsamen. Diese Depression birgt die Gefahr einer Deflation, vor allem aber die Gefahr einer Stagflation. Die Abwertung der Währungen, auch über den aktuellen Währungskrieg hinaus, der sie begünstigt, ist Teil der Krise des Kapitalismus. Die Beschleunigung der gegenwärtigen Krise ist ein sehr bedeutender Schritt in diese Richtung. Der springende Punkt ist der folgende: In jedem Land, und in immer größerem Maße, verpfändet das globale Kapital den zukünftigen Wert, der produziert und realisiert werden soll, um das gegenwärtige Wachstum und die weitere Akkumulation zu ermöglichen. Es ist also weitgehend dieser Erwartung zu verdanken, dass es dem Kapitalismus gelingt, zu kapitalisieren und zu investieren. Dieser Prozess konkretisiert die Tatsache, dass die kolossalen Schulden, die ausgegeben werden, immer weniger durch den bereits produzierten und realisierten Mehrwert gedeckt werden. Dies eröffnet die Aussicht auf immer größere Finanz-Crashs und die Vernichtung von Finanzkapital. Logischerweise impliziert dieser Prozess, dass der Binnenmarkt für Kapital nicht unendlich wachsen kann, auch wenn es keine feste Grenze dafür gibt. In diesem Rahmen stellt die Krise der Überproduktion im gegenwärtigen Stadium ihrer Entwicklung ein Problem der Rentabilität und des Profits für den Kapitalismus dar. Die Bourgeoisie schätzt, dass etwa 20% der Produktivkräfte der Welt nicht genutzt werden. Die Überproduktion von Produktionsmitteln ist besonders augenfällig und betrifft Europa, die Vereinigten Staaten, Indien, Japan, usw.
Das ist wichtig, wenn wir feststellen wollen, wie der Staatskapitalismus angesichts der kommenden Krise unbedingt gestärkt werden muss, wie aber die Konjunkturprogramme sehr starke Einschränkungen enthalten und zunehmend perverse Effekte eindämmen, und wie die Tendenz des „Jeder-für-sich“ in diesem Zusammenhang das Produkt des Zerfalls, aber auch der wachsenden wirtschaftlichen Sackgasse ist, eine Tendenz, der sich der Kapitalismus nicht entziehen kann, die aber auch historisch eine tödliche Dynamik darstellt. In diesem Sinne wird es in der kommenden Periode wichtig sein, die Geschichte der offenen Krisen des Kapitalismus zu studieren und zu vergleichen. Insbesondere jene von 1929, 1945, 1975, 1998, 2008.
Die Situation, die sich mit der sehr tiefgreifenden Beschleunigung der gegenwärtigen Krise eröffnet, rückt die Rolle der Staaten (und damit ihrer Zentralbank, denn der Mythos von der Unabhängigkeit der Zentralbank ist vorbei) wieder in den Vordergrund. Es wird interessant sein zu zeigen, wie die Wirtschaftspolitik, die Rolle der Staaten und der Keynesianismus in den 1930er und 1945 in der Praxis aussahen. Dies, um den Unterschied zur Art und Weise zu zeigen, wie die Bourgeoisie im Jahr 2008 reagiert hat. Während dieser Periode gibt es Unterschiede von sehr großer Bedeutung, z.B. die Existenz von extrakapitalistischen Märkten und Zonen, aber auch das Ausmaß der Weltwirtschaft und der großen imperialistischen und ökonomischen Mächte, sowie die Frage der Blöcke, usw. In der heutigen Krise bestehen die Sanierungspläne jedoch in Form von Staatsdefiziten und Staatsverschuldung und nicht, wie in den 1930er und 1940er Jahren, als man zum größten Teil den bereits realisierten und gehorteten Mehrwert anzapfte, zu dem ein Teil an Schulden hinzukam, der mit den heutigen nichts mehr gemein hat. Die derzeitigen Sanierungspläne werden sich als zunehmend schwierig zu finanzieren erweisen, da die Höhe der Schulden, die sie erfordern, von dem Wachstum, das sie generieren werden, abweichen wird. Es stellen sich jedoch eine Reihe von Fragen.
Die Lehren aus der Krise von 1929 veranlassten die Bourgeoisie, trotz und gegen ihre eigene "Natur" zu einer stärkeren Zusammenarbeit überzugehen, um die Entwicklung ihrer Krise entweder durch keynesianische Politik oder durch die staatliche Orchestrierung der Globalisierung so weit wie möglich zu verlangsamen. Selbst wenn es in der gegenwärtigen Situation nun zu einer Rückkehr der keynesianischen Politik im Kontext einer wachsenden Tendenz zu einem "Jeder-für-sich"-Vorgehen kommt, wird ihre Wirksamkeit, was die eingesetzten Mittel betrifft, nicht mit früheren Perioden vergleichbar sein.
In diesem Zusammenhang müssen wir die gewichtigere Tendenz – im Vergleich zur vorhergehenden Periode – zu isolierten Reaktionen der Bourgeoisie auf nationaler Ebene beobachten. So zum Beispiel die neue Tendenz, Grenzen zu schließen, um den Transport von Passagieren von einem Kontinent zum anderen zu stoppen – oder nationale Grenzen zu schließen, als ob das Virus die nationale Isolation „respektieren“ würde. All dies ist viel mehr Ausdruck von Ohnmacht und einer bestimmten Grundhaltung als eine wissenschaftlich fundierte Entscheidung, das Virus unter Quarantäne zu stellen und in Schach zu halten. Warum besteht eigentlich ein größeres Risiko, sich das Virus in einem internationalen Zug zwischen Stuttgart und Paris einzufangen als in einem nationalen Zug zwischen Stuttgart und Hamburg? Die Schließung der nationalen Grenzen ist nicht hilfreich, sie drückt die "Grenzen" der Mittel der Bourgeoisie aus.
Die Rückverlagerung der Produktion in zentrale Länder nimmt mit der Pandemie zu. So haben 218 europäische Unternehmen beschlossen, die Produktion aus China zurückzubringen. "Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage unter 12 globalen Wirtschaftszweigen haben 10 von ihnen – darunter die Automobil-, Halbleiter- und Medizingeräteindustrie – ihre Lieferketten bereits zurück verlagert, hauptsächlich aus China. Japan bietet Unternehmen 2 Milliarden Dollar an, um ihre Fabriken aus China heraus und zurück auf den japanischen Archipel zu verlagern.“[12] Und ein Präsident wie Macron, der ein Befürworter des Multilateralismus zu sein scheint, hat gesagt, dass "das 'Delegieren' von Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung 'verrückt' ist. Sein Finanzminister Bruno Le Maire ruft zum "Wirtschaftspatriotismus" auf, damit die Franzosen nationale Produkte konsumieren" (ebda.). In allen Ländern favorisieren sie lokale Wirtschaftspläne, um vorzugsweise lokale oder nationale Produkte zu konsumieren. Es ist ein Rückzug auf sich selbst, der dazu neigt, die Industrie-, Nahrungsmittel- und andere Produktionsketten zu durchbrechen, die auf globaler Ebene geschaffen wurden und die Kosten stark reduziert haben.
Die zentrifugalen Tendenzen des "Jeder-für-sich" haben ein neues Niveau erreicht, während gleichzeitig in jedem Land der Staat, jede Nationalbank gigantische Summen (im Falle Deutschlands unbegrenzt) in die Industrie gepumpt oder versprochen hat. Keine dieser Maßnahmen ist von der EZB oder dem IWF verabschiedet und harmonisiert worden. Es muss hinzugefügt werden, dass nicht nur der Populist Trump als Verfechter eines „Jeder-für-sich“ aufgetreten ist. Deutschland hat – im Einvernehmen mit den wichtigsten Parteien – ebenso gehandelt wie auch Macron. Also, populistisch oder nicht, alle Regierungen haben in die gleiche Richtung gehandelt – sie haben sich hinter nationalen Grenzen versteckt, "Jeder für sich" – mit nur einem Minimum an internationaler oder europäischer Koordination.
Die Folgen dieser Handlungen scheinen kontraproduktiv für jedes nationale Kapital und noch schlimmer für die Weltwirtschaft zu sein. "Zwischen 2007 und 2008, aufgrund einer schicksalhaften Konvergenz ungünstiger Faktoren – schlechte Ernten, steigende Öl- und Düngemittelpreise, der Biokraftstoff-Boom – schränkten 33 Länder ihre Exporte ein, um ihre "Ernährungssouveränität" zu schützen. Aber die Heilung war schlimmer als die Krankheit. Die Restriktionen haben nach Schätzungen der Weltbank die Preise für Reis (116%), Weizen (40%) und Mais (25%) erhöht (...) Das Beispiel Chinas, das als erstes Land von der Epidemie betroffen ist, lässt nichts Gutes ahnen: Bedrohungen der globalen Lieferketten haben in diesem asiatischen Land seit Anfang des Jahres bereits zu einem Anstieg der Nahrungsmittel um 15% bis 22% geführt." [13]
Die Bourgeoisie wird reagieren. Auf EU-Ebene hat Deutschland endlich die "Vergemeinschaftung der Schulden" akzeptiert, was zeigt, dass angesichts dieser Welle des Zerfalls Gegentendenzen am Werk sind. Vielleicht wird die amerikanische Bourgeoisie bei den nächsten Wahlen Trump zu Gunsten der traditionellen Demokraten, die für den "Multilateralismus"[14] sind, entlassen. Außerdem: "Am 22. April verpflichteten sich die 164 Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation (WTO), auf die 63% der weltweiten Agrar- und Lebensmittelexporte entfallen, nicht in ihre Märkte einzugreifen. Gleichzeitig unterzeichneten die Landwirtschaftsminister von 25 Ländern Lateinamerikas und der Karibik ein verbindliches Abkommen, um die Versorgung von 620 Millionen Menschen zu gewährleisten." [15]
Mit dem Plan des "ökologischen Transformationsprozesses" und der Förderung einer "grünen Wirtschaft" werden Anstrengungen für eine Reorganisation der Wirtschaft – zumindest auf EU-Ebene – unternommen. Mit der massiven Entwicklung der Telekommunikation, der Anwendung von Robotertechnik und IT, neuen und viel leichteren Materialien, Biotechnologie, Drohnen, Elektroautos usw., wird die traditionelle Schwerindustrie auf der Grundlage fossiler Brennstoffe tendenziell obsolet, auch im militärischen Bereich. Die Durchsetzung der "neuen Standards" der Wirtschaftsorganisation wird für die zentralen Länder, insbesondere für Deutschland, die Vereinigten Staaten und China, zu einem Vorteil.
Die Bourgeoisie wird mit allen Kräften gegen diese Flut der nationalen wirtschaftlichen Zersplitterung kämpfen. Aber sie steht vor der wachsenden Kraft ihres historischen Widerspruchs zwischen der nationalen Natur des Kapitals und der globalen Natur der Produktion. Diese Tendenz jeder Bourgeoisie, ihre eigene Wirtschaft auf Kosten der anderen retten zu wollen, ist eine irrationale Tendenz, die für alle Länder und für die Weltwirtschaft insgesamt katastrophal wäre (auch wenn es Unterschiede zwischen den Ländern geben wird). Die Tendenz des „Jeder-für-sich“ kann sogar unumkehrbar sein, und die Irrationalität, die damit einhergeht, stellt die Lehren, die die Bourgeoisie aus der Krise von 1929 gezogen hat, in Frage.
Wie die Plattform der Kommunistischen Internationale sagte: "Das Endergebnis der kapitalistischen Produktionsweise ist Chaos", aber der Kapitalismus hat diesem Chaos während der Dekadenz in vielerlei Hinsicht widerstanden und während seiner Zerfallsphase weiter Widerstand geleistet. Gegenläufige Tendenzen werden sich weiterhin manifestieren, aber die Situation, die sich heute eröffnet, ist eine der wesentlichen Verschärfungen des Chaos, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, der aus historischer Sicht sehr gefährlich ist.
Die Resolution zur internationalen Lage des 23. Kongresses bot den folgenden Rahmen:
"Was das Proletariat betrifft, so können diese neuen Verwerfungen nur zu noch schwerwiegenderen Angriffen auf seine Lebens- und Arbeitsbedingungen auf allen Ebenen und insbesondere in der ganzen Welt führen:
Im Jahr 2019 hungerten nach Angaben der Vereinten Nationen 135 Millionen Menschen. Im April 2020, mit dem Ausbruch der Pandemie, prognostiziert die UNO, dass sich 265 Millionen Menschen in dieser Situation befinden werden.[16] Die Weltbank erklärte im März, dass die arme Bevölkerung 3,5 Milliarden Menschen erreichen würde, mit einer plötzlichen Beschleunigung von mehr als 500.000 pro Monat. Seitdem scheint sich dieses Tempo effektiv fortgesetzt zu haben, insbesondere in Mittel- und Südamerika sowie in Asien einschließlich der Philippinen, Indien und China. Die Verarmung der Arbeiter*innen wird sich beschleunigen, so der IAO-Bericht: "(…) der durch den Rückgang der Wirtschaftstätigkeit entstehende Druck auf die Einkommen wird sich verheerend auf Arbeitnehmer auswirken, die nahe oder unterhalb der Armutsgrenze leben". Zwischen 8,8 und 35 Millionen mehr Arbeiter*innen werden weltweit in Armut leben, verglichen mit der ersten Schätzung für 2020 (die einen Rückgang von 14 Millionen weltweit voraussagte).
In Indien und China wird die Zahl der arbeitslosen Proletarier*innen nach Angaben des IWF in Hunderttausenden gezählt. Auf einigen Websites wie Business Bourse ist die Rede von mehreren Millionen Arbeiter*innen, die ihren Arbeitsplatz in China verloren haben. All diese Zahlen sind wirklich mit großer Vorsicht zu genießen, da sie je nach Quelle oft variieren. Was dabei aber heraussticht, ist ihre Massivität und rasche Ausdehnung, die auf die Einschränkung und den Stopp eines großen Teils der weltweiten Aktivitäten zurückzuführen sind. Im gleichen Zeitraum hat die Massenarbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten 35 Millionen Menschen erreicht, und trotz außergewöhnlicher staatlicher Beihilfen werden die Schlangen vor den Lebensmittelverteilungsstellen immer länger, was an die Bilder der 1930er Jahre in den Vereinigten Staaten erinnert. Dasselbe Phänomen findet in Brasilien statt, wo Arbeitslose nicht einmal mehr offiziell registriert sind. In Frankreich wird erwartet, dass die Arbeitslosigkeit in wenigen Monaten fast 7 Millionen Menschen erreichen wird. Die Explosion der Massenarbeitslosigkeit nimmt in Italien und Spanien das gleiche Tempo an. Gegenwärtig werden Pläne für Massenentlassungen geschmiedet, wie im Luftverkehr und im Flugzeugbau. Aber auch in der Automobilindustrie, Ölförderung etc. Die Liste wird in der kommenden Zeit immer länger werden.
In einer ersten Bewertung der Folgen der Pandemie schätzte die IAO (Internationale Arbeitsorganisation), dass die Pandemie den dauerhaften Verlust von 25 Millionen Arbeitsplätzen weltweit verursachen würde, während die Arbeitsplatzunsicherheit stark zunehmen würde: "Es wird auch erwartet, dass die Unterbeschäftigung exponentiell zunehmen wird, da sich die wirtschaftlichen Folgen der Virusepidemie in einer Verringerung der Arbeitszeiten und Löhne niederschlagen. In Entwicklungsländern können Beschränkungen der Freizügigkeit von Personen (z.B. Dienstleistungsanbieter) und Waren diesmal den Puffereffekt aufheben, den die selbständige Erwerbstätigkeit in diesen Ländern normalerweise hat."[17] Darüber hinaus sind in der informellen Wirtschaft Zehntausende von Arbeiter*innen, die keinerlei statistische oder sonstige finanzielle Unterstützung des Staat erhalten, ohne Beschäftigung. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es noch zu früh, um sich ein Bild vom allgemeinen Grad der Verschlechterung des Lebensstandards zu machen.
Lohnkürzungen, längere Arbeitszeiten, Steuern, niedrigere Renten, Sozialleistungen. Es scheint auch, wie in Frankreich, dass die Bourgeoisie versucht, die realen Arbeitszeiten zu verlängern. Es geht aber auch darum, den Direktlohn insbesondere durch neue, durch die Pandemie "gerechtfertigte" Steuern zu senken. Die Europäische Union prüft zum Beispiel eine Covid-Steuer sehr ernsthaft – ein wahrlich tolles Programm!
Die Schuldenlast wird immer kolossaler, was notwendigerweise eine Gegenleistung mit sich bringt: die Verschärfung der Sparmaßnahmen gegenüber den Arbeiter*innen.
In diesem Rahmen müssen wir die Idee des Allgemeinen Grundeinkommens sehen, eines Mittels, um soziale Spannungen einzudämmen und den Lebensbedingungen als staatlich organisierter Schritt zur allgemeinen Verarmung einen schweren Schlag zu versetzen.
In den zentralen Ländern und besonders in Westeuropa wird die Bourgeoisie versuchen, die Angriffe so vernünftig wie möglich zu verwalten und sie auf "politische" Weise anzuwenden, wobei sie die größten Spaltungen innerhalb des Proletariats provoziert. Auch wenn der Handlungsspielraum der Bourgeoisie auf diesem Terrain tendenziell schrumpfen wird, dürfen wir folgendes nicht aus den Augen verlieren: "Gleichzeitig sind die am meisten entwickelten Länder von Nordeuropa, die USA und Japan noch weit weg von einem solchen Szenario. Dies weil einerseits ihre nationalen Ökonomien fähiger geworden sind, der Krise zu begegnen, doch auch weil die Arbeiterklasse in diesen Ländern, vor allem in Europa, nicht bereit ist, ein solches Niveau von Angriffen auf ihre Lebensbedingungen zu akzeptieren. Dieser wichtige Faktor bei der Entwicklung der Krise unterliegt keinem strikt ökonomischen Determinismus, sondern spielt sich auf der Ebene der sozialen Verhältnisse ab – dem Kräfteverhältnis zwischen den zwei wichtigsten sozialen Klassen der Gesellschaft – zwischen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse." (20. Kongress der IKS, Resolution zur internationalen Lage)
[1] www.mlwerke.de/me/me13/me13_007.htm [7], Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, Vorwort, S. 9
[2] Karl Marx, Theorien über den Mehrwert, MEW Bd. 26.2 S. 469 (Vierter Band Das Kapital, 2. Teil, 8.-18. Kapitel, 16. Kapitel, Ricardos Profittheorie, 3. Gesetz vom Fall der Profitrate, e) Ricardo über das Fallen der Profitrate und seine Rententheorie)
[3] www.mlwerke.de/me/me25/me25_251.htm#Kap_15_III [8], Marx, Bd. 25, 15. Kapitel: Entfaltung der innern Widersprüche des Gesetzes, S. 268
[4] https://de.internationalism.org/content/2861/resolution-zur-internationalen-lage-2019-imperialistische-spannungen-leben-der [9]
[6] Auszug aus: La Vanguardia vom 25. April 2020, "Las zonas de riesgo del sistema financiero"
[7] Auszug aus: La Vanguardia vom 22. April 2020, "La quiebra de las petroleras golpeará a los mayores bancos de EE.UU"
[8] Ebda.
[9] La Vanguardia vom 23. April 2020, "Cómo el coronavirus está acelerando el proceso de desglobalización"
[10] BBC World Service, 6.4.2020
[11] Aus einer Einführung auf einer Sektionssitzung der IKS
[12] Mehr dazu in Política Exterior
[13] Mehr in Politica Exterior
[14] Innerhalb der Demokratischen Partei entwickeln sich jedoch protektionistische Positionen, ähnlich denen von Trump. Im März 2020 legten zwei demokratische Kongressabgeordnete einen Vorschlag für den Austritt der Vereinigten Staaten aus der WTO vor.
[15] Política Exterior
[16] Política Exterior
[17] Bericht der IAO 2020
Nach einer Verzögerung, die viel länger war, als wir ursprünglich beabsichtigt hatten, nehmen wir den dritten Band der Reihe über den Kommunismus wieder auf. Erinnern wir uns kurz daran, dass der erste Band, der auch in englischer und französischer Sprache als gedrucktes Buch erschienen ist, damit begann, die Entwicklung des Konzepts des Kommunismus von den vorkapitalistischen Gesellschaften bis zu den ersten utopischen Sozialisten zu betrachten, und sich dann auf die Arbeit von Marx und Engels und die Bemühungen ihrer Nachfolger in der Zweiten Internationale konzentrierte, den Kommunismus nicht als ein abstraktes Ideal zu verstehen, sondern als eine materielle Notwendigkeit, die durch die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft selbst ermöglicht wurde.[1] Der zweite Band untersuchte die Periode, in der sich die marxistische Vorhersage der proletarischen Revolution, die zuerst in der Periode des Aufstiegs des Kapitalismus formuliert wurde, durch den Anbruch der "Epoche der Kriege und Revolutionen", welche die Kommunistische Internationale 1919 erkannte, konkretisierte.[2] Der dritte Band konzentriert sich bisher auf den nachhaltigen Versuch der Italienischen Kommunistischen Linken in den 1930er Jahren, die Lehren aus der Niederlage der ersten internationalen Revolutionswelle, vor allem aber der russischen Revolution, zu ziehen und die Implikationen dieser Lehren für eine künftige Periode des Übergangs zum Kommunismus zu erörtern.[3]
Wie wir oft betont haben, war die Kommunistische Linke in erster Linie das Produkt einer internationalen Reaktion gegen die Degeneration der Kommunistischen Internationale und ihrer Parteien. Die linken Gruppen in Italien, Deutschland, Russland, Großbritannien und anderswo stimmten in ihrer Kritik an der Fehlentwicklung der Kommunistischen Internationale in Richtung Parlamentarismus, Gewerkschaftswesen und Kompromiss mit den Parteien der Sozialdemokratie überein. Es gab intensive Debatten unter den verschiedenen linken Strömungen und einige konkrete Versuche der Koordination und Umgruppierung, wie die Gründung der Kommunistischen Arbeiterinternationale 1922, im Wesentlichen durch Gruppen, die mit der deutschen kommunistischen Linken verbunden waren. Aber gleichzeitig lieferte das schnelle Scheitern dieser neuen Formation den Beweis dafür, dass die Flut der Revolution der Ebbe wich und dass die Zeit für die Gründung einer neuen Weltpartei nicht reif war. Darüber hinaus machte diese übereilte Initiative von Elementen innerhalb der deutschen Bewegung deutlich, was vielleicht die schwerwiegendste Spaltung in den Reihen der kommunistischen Linken war – die Trennung zwischen ihren beiden wichtigsten Ausdrucksformen, denen in Deutschland und Italien. Diese Spaltung war nie absolut: In den frühen Tagen der Kommunistischen Partei Italiens gab es Versuche, andere linke Strömungen zu verstehen und mit ihnen zu debattieren; und an anderer Stelle haben wir auf die Debatte zwischen Bordiga und Korsch später in den 1920er Jahren hingewiesen.[4]
Diese Kontakte nahmen jedoch ab, als sich die Revolution zurückzog und als die beiden Strömungen auf unterschiedliche Weise auf die neuen Herausforderungen reagierten, denen sie gegenüberstanden. Die Italienische Linke war, völlig zu Recht, von der Notwendigkeit überzeugt, in der KI zu bleiben, solange sie ein proletarisches Leben hatte, und vorzeitige Spaltungen oder die Ausrufung neuer und künstlicher Parteien zu vermeiden – genau der Kurs, den die Mehrheit der deutschen Linken verfolgte. Darüber hinaus konnte das Aufkommen offen parteifeindlicher Tendenzen in der deutschen Linken, insbesondere der Gruppe um Rühle, die Überzeugung von Bordiga und anderen, dass diese Strömung von anarchistischer Ideologie und Praxis beherrscht wurde, nur noch verstärken. In der Zwischenzeit waren die deutschen linken Gruppen, die dazu neigten, die gesamte Erfahrung des Bolschewismus und des Oktobers 1917 als Ausdruck einer verspäteten bürgerlichen Revolution zu definieren, immer weniger in der Lage, die Italienische Linke von der Hauptströmung der Kommunistischen Internationale zu unterscheiden, nicht zuletzt, weil jene weiterhin argumentierte, dass der Platz der Kommunisten innerhalb der Internationale sei, um gegen deren opportunistischen Kurs zu kämpfen.
Die heutigen "bordigistischen" Gruppen haben diese tragische und folgenschwere Trennung theoretisiert, indem sie darauf bestehen, dass sie allein die historische kommunistische Linke darstellten und dass die deutsche KAPD und ihre Ableger in Wirklichkeit nichts anderes als eine kleinbürgerlich-anarchistische Abweichung seien. Gruppen wie die Internationale Kommunistische Partei (Il Partito) gehen sogar so weit, dass sie eine Verteidigung von Lenins Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus veröffentlichen und den Text als Warnung für "künftige Abtrünnige" preisen.[5] Diese Haltung offenbart ein ziemlich tragisches Versäumnis und eine Unfähigkeit zu erkennen, dass die Linkskommunisten als Genossen und Genossinnen gemeinsam gegen die zunehmend abtrünnige Führung der KI hätten kämpfen sollen.
Dies war jedoch bei weitem nicht die Haltung der italienischen Linken während ihrer theoretisch fruchtbarsten Periode: derjenigen, die auf die Bildung der Linksfraktion im Exil (aus dem faschistischen Italien) Ende der 20er Jahre und die Veröffentlichung der Zeitschrift Bilan zwischen 1933 und 1938 folgte. In einem "Resolutionsentwurf über die internationalen Verbindungen" in Bilan Nr. 22 schrieben sie, dass die "internationalistischen Kommunisten Hollands (die Gorter-Tendenz) und Elemente der KAPD die erste Reaktion auf die Schwierigkeiten des russischen Staates, die erste Erfahrung einer proletarischen Verwaltung, durch die Verbindung mit dem Weltproletariat mittels eines von der Internationale ausgearbeiteten Systems von Prinzipien" darstellen. Sie kamen zu dem Schluss, dass der Ausschluss dieser Genossen aus der Internationale "keine Lösung für diese Probleme gebracht hat".
Diese Herangehensweise legte die grundlegenden Fundamente proletarischer Solidarität fest, auf denen eine Debatte stattfinden konnte, trotz der sehr beträchtlichen Divergenzen zwischen den beiden Strömungen; Divergenzen, die sich bis Mitte der 30er Jahre beträchtlich vergrößert hatten, als die deutsch-holländische Linke sich in Richtung der Positionen des Rätekommunismus entwickelte und nicht nur den Bolschewismus, sondern die Parteiform selbst als bürgerlichen Charakters definierte. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich aus der Sprache und der mangelnden Kenntnis der jeweiligen Positionen der anderen Seite, was, wie wir in unserem Buch Die Italienische Kommunistische Linke feststellen, dazu führte, dass die Beziehungen zwischen den beiden Strömungen weitgehend auf indirekte Weise stattfanden.
Der Hauptverbindungspunkt zwischen den beiden Strömungen war die Ligue des Communistes Internationalistes (LCI) in Belgien, die in Kontakt mit der Groep van Internationale Communisten (GIC) und anderen Gruppen in Holland stand. Es ist vielleicht bezeichnend, dass die wichtigsten Früchte dieser Kontakte, die auf den Seiten von Bilan erschienen, die von Hennaut von der LCI verfasste Zusammenfassung des Buches der GIC: Grundprinzipien Kommunistischer Produktion und Verteilung[6] war, und die brüderlichen, aber kritischen Bemerkungen über das Buch, die in Mitchells Reihe Probleme der Übergangsperiode enthalten waren. Soweit wir wissen, hat die GIC auf keinen dieser Artikel geantwortet, aber es ist dennoch wichtig, uns daran zu erinnern, dass die Voraussetzungen für eine Debatte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Grundprinzipien geschaffen wurden, nicht zuletzt deshalb, weil es sehr wenige spätere Versuche gab, die Diskussion voranzutreiben.[7] Wir sollten klarstellen, dass der vorliegende Artikel nicht versuchen wird, eine eingehende oder detaillierte Analyse der Grundprinzipien durchzuführen. Er hat das bescheidenere Ziel, die in Bilan veröffentlichten Kritiken an dem Buch zu untersuchen und damit einige mögliche Bereiche für zukünftige Diskussionen aufzuzeigen.
Auf der Pariser Konferenz der neu gegründeten linkskommunistischen Gruppen 1974 erklärte Jan Appel, der KAPD- und GIC-Veteran, der einer der Hauptautoren der Grundprinzipien war, dass der Text als Teil des Versuchs geschrieben worden war, zu verstehen, was bei der Erfahrung des Staatskapitalismus oder "Staatskommunismus, wie wir ihn manchmal zu nennen pflegten" in der Russischen Revolution schief gelaufen war, und einige Richtlinien festzulegen, die es ermöglichen sollten, ähnliche Fehler in Zukunft zu vermeiden. Trotz ihrer Differenzen über das Wesen der Russischen Revolution war es genau das, was die Genossen der Italienischen Linken motivierte, eine Analyse über die Probleme der Übergangsperiode zu erstellen, obwohl sie nur zu gut verstanden, dass sie durch die Tiefen der Konterrevolution gingen.
Für Mitchell, wie für den Rest der Italienischen Linken, waren die GIC die "holländischen Internationalisten", Genossen, die von einem tiefen Engagement für den Sturz des Kapitalismus und dessen Ersetzung durch eine kommunistische Gesellschaft beseelt waren. Beide Strömungen verstanden, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Problemen der Übergangsperiode weit mehr war als eine intellektuelle Übung um ihrer selbst willen. Sie waren Militante, für die die proletarische Revolution eine Realität war, die sie mit eigenen Augen gesehen hatten; trotz der schrecklichen Niederlage dieser Revolution behielten sie volles Vertrauen, dass sie sich wieder erheben würde, und waren überzeugt, dass sie mit einem klaren kommunistischen Programm bewaffnet sein musste, wenn sie beim nächsten Mal triumphieren wollte.
Am Anfang seiner Zusammenfassung der Grundprinzipien stellt Hennaut genau diese Frage: "Erscheint es nicht als Zeitverschwendung, uns über die sozialen Regeln zu quälen, die die Arbeiter nach Vollendung der Revolution aufstellen müssen, zu einem Zeitpunkt, da die Arbeiter keineswegs auf die letzte Schlacht zu marschieren, sondern in der Tat den Boden, den sie gewonnen haben, an die triumphierende Reaktion abtreten? Mehr noch, ist nicht schon alles zu diesem Thema auf den Kongressen der KI gesagt worden? ... Gewiss, für diejenigen, für die die ganze Wissenschaft der Revolution darauf hinausläuft, die Skala der Manöver aufzudecken, die die Massen zu befolgen haben, muss das Unternehmen besonders sinnlos erscheinen. Aber für diejenigen, die der Meinung sind, dass die Präzisierung der Ziele des Kampfes eine der Funktionen jeder Emanzipationsbewegung ist, und dass die Formen dieses Kampfes, seine Mechanismen und die Gesetze, die ihn regeln, nur in dem Maße vollständig ans Licht gebracht werden können, in dem die zu erreichenden Endziele klar geworden sind, das heißt, dass die Gesetze der Revolution immer deutlicher hervortreten, je mehr das Bewusstsein der Arbeiterklasse wächst – für sie ist die theoretische Anstrengung, genau zu definieren, was die Diktatur des Proletariats sein wird, eine Aufgabe von ursprünglicher Notwendigkeit".[8]
Wie wir bereits erwähnt haben, war Hennaut kein Mitglied der GIC, sondern der belgischen LCI. In gewisser Weise war er in der Lage, als "Vermittler" zwischen der Deutsch-Holländischen und der Italienischen Linken zu agieren, da er mit beiden Übereinstimmungen und Differenzen hatte. In einem früheren Beitrag für Bilan[9] kritisierte er die Vorstellung der italienischen Genossen von der "Diktatur der Partei" und legte den Schwerpunkt darauf, dass die Arbeiterklasse die Kontrolle über die politische und wirtschaftliche Sphäre durch ihre eigenen allgemeinen Organe wie die Räte ausübt. Gleichzeitig lehnte er Bilans Auffassung von der UdSSR als einem degenerierten proletarischen Staat ab und definierte sowohl das politische Regime als auch die Wirtschaft in Russland als kapitalistisch. Aber es sollte hinzugefügt werden, dass er auch damit begonnen hatte, den proletarischen Charakter der Revolution in Russland abzulehnen, indem er die fehlende Reife der objektiven Bedingungen betonte, so dass "die Revolution vom Proletariat gemacht wurde, aber es war keine proletarische Revolution".[10] Diese Analyse stand der der Rätekommunisten recht nahe, aber Hennaut grenzte sich auch in einer Reihe von Schlüsselpunkten von ihnen ab: Gleich zu Beginn seiner Zusammenfassung macht er deutlich, dass er mit ihrer Ablehnung der Partei nicht einverstanden ist. Für Hennaut wäre die Partei nach der Revolution umso notwendiger, um die ideologischen Überreste der alten Welt zu bekämpfen, obwohl er die Schwäche der GIC in diesem Punkt nicht als das Hauptproblem der Grundprinzipien ansieht; und am Ende seiner Zusammenfassung, in Bilan Nr. 22, weist er auf die Schwäche der Staatskonzeption der GIC und ihre etwas rosige Sicht der Bedingungen, unter denen eine Revolution stattfindet, hin. Er ist jedoch von der Bedeutung des Beitrags der GIC überzeugt und bemüht sich sehr ernsthaft, sie in vier Artikeln genau zusammenzufassen. Offensichtlich war es im Rahmen einer solchen Zusammenfassung nicht möglich, den ganzen Reichtum – und einige der offensichtlichen Widersprüche – in den Grundprinzipien zu vermitteln, aber er macht eine gute Arbeit, um die wesentlichen Punkte des Buches zu umreißen.
Hennauts Zusammenfassung hebt die bedeutsame Tatsache hervor, dass sich die Grundprinzipien keineswegs außerhalb der bisherigen Traditionen und Erfahrungen der Arbeiterklasse verorten, sondern sich auf eine historische Kritik an fehlerhaften Auffassungen, die innerhalb der Arbeiterbewegung entstanden waren, und auf praktische revolutionäre Erfahrungen – vor allem die russische und ungarische Revolution – stützen, die hauptsächlich negative Lehren hinterlassen hatten. Die Grundprinzipien enthalten daher Kritik an den Ansichten von Kautsky, Varga, dem Anarcho-Syndikalisten Leichter und anderen, während sie gleichzeitig versuchen, an die Arbeit von Marx und Engels anzuknüpfen, insbesondere an die Kritik des Gothaer Programms und den Anti-Dühring. Sie gehen von der einfachen Feststellung aus, dass die Ausbeutung der Arbeiter in der kapitalistischen Gesellschaft vollständig mit ihrer Trennung von den Produktionsmitteln durch das kapitalistische gesellschaftliche Verhältnis der Lohnarbeit verbunden ist. Seit der Zeit der Zweiten Internationale war die Arbeiterbewegung auf die Vorstellung abgeglitten, dass die einfache Abschaffung des Privateigentums das Ende der Ausbeutung bedeute, und die Bolschewiki hatten dieses (Miss-)Verständnis nach der Oktoberrevolution weitgehend übernommen.
Für die Grundprinzipien kann die Verstaatlichung oder Kollektivierung der Produktionsmittel sehr wohl mit Lohnarbeit und der Entfremdung der Arbeiter von ihrem eigenen Produkt koexistieren. Entscheidend ist also, dass die Arbeiter selbst, durch ihre eigenen, im Betrieb verwurzelten Organisationen, nicht nur über die physischen Produktionsmittel, sondern über das gesamte gesellschaftliche Produkt verfügen. Um aber sicherzustellen, dass das gesellschaftliche Produkt vom Anfang bis zum Ende des Arbeitsprozesses in den Händen der Produzenten bleibt (Entscheidungen darüber, was und in welchen Mengen produziert wird, Verteilung des Produkts einschließlich der Entlohnung des einzelnen Produzenten), bedurfte es eines allgemeinen ökonomischen Gesetzes, das einer strengen Buchführung unterworfen werden konnte: die Berechnung des gesellschaftlichen Produkts auf der Basis der durchschnittlichen gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit. Obwohl gerade die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit dem "Wert" der Produkte in der kapitalistischen Gesellschaft zugrunde liegt, wäre dies keine Wertproduktion mehr, denn die einzelnen Unternehmen würden zwar ihren eigenen Anteil an der in ihren Produkten enthaltenen Arbeitszeit maßgeblich mitbestimmen, aber die Unternehmen würden ihre Produkte dann nicht auf dem Markt verkaufen (und die Grundprinzipien kritisieren die Anarchosyndikalisten gerade dafür, dass sie sich die zukünftige Wirtschaft als ein Netzwerk unabhängiger, durch Tauschbeziehungen verbundener Unternehmen vorstellen). Aus der Sicht der GIC würden die Produkte einfach in Übereinstimmung mit den gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen verteilt, die von einem Kongress der Räte zusammen mit einem zentralen Amt für Statistik und einem Netzwerk von Konsumgenossenschaften bestimmt würden. Die Grundprinzipien legen Wert darauf, dass weder der Rätekongress noch das Statistikamt "zentralisierte" oder "staatliche" Organe sind. Ihre Aufgabe ist es nicht, Arbeit zu dirigieren, sondern mit dem Kriterium der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, die weitgehend auf der Basisebene berechnet wird, die Planung und Verteilung des gesellschaftlichen Produkts im globalen Maßstab zu überwachen. Eine konsequente Anwendung dieser Prinzipien würde sicherstellen, dass sich in der nächsten Revolution eine Situation nicht wiederholt, in der "die Maschine unseren Händen entgleitet" (Lenins berühmte Worte über den Werdegang des Sowjetstaates, zitiert nach den Grundprinzipien). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Schlüssel zum Sieg der Revolution in der Fähigkeit der Arbeiter liegt, die direkte Kontrolle über die Wirtschaft aufrechtzuerhalten, und das zuverlässigste Werkzeug, um dies zu erreichen, ist die Regulierung von Produktion und Verteilung durch die Abrechnung der Arbeitszeit.
Wie wir bereits sagten, begrüßte die Italienische Linke[11] den Beitrag der GIC, sparte aber nicht mit Kritik an dem Text. Grob gesagt lassen sich diese Kritiken in vier Rubriken einordnen, obwohl sie alle auf andere Themen überleiten und alle eng miteinander verknüpft sind.
1. Eine nationale Vision der Revolution.
2. Eine idealistische Auffassung von den realen Bedingungen der proletarischen Revolution.
3. Das Unverständnis für das Problem des Staates und des Zentralismus sowie die Konzentration auf die Ökonomie auf Kosten der politischen Fragen.
4. Weitere theoretische Differenzen bezüglich der Ökonomie der Übergangsperiode: die Überwindung des Wertgesetzes und der Inhalt des Kommunismus; Egalitarismus und die Entlohnung der Arbeit.
In seiner Serie "Partei – Staat – Internationale"[12] hatte Vercesi bereits Hennaut und die holländischen Genossen dafür kritisiert, dass sie das Problem der Revolution in Russland von einem eng gefassten nationalen Standpunkt aus angehen. Er bestand darauf, dass keine wirklichen Fortschritte auf dem Weg zu einer kommunistischen Gesellschaft gemacht werden könnten, solange die Bourgeoisie im Weltmaßstab an der Macht sei – welche Fortschritte auch immer in einem Bereich unter proletarischer "Leitung" gemacht würden, sie könnten nicht endgültig sein:
"Der Fehler, den die holländischen Linkskommunisten und mit ihnen Genosse Hennaut unserer Meinung nach begehen, besteht darin, dass sie eine im Grunde sterile Richtung eingeschlagen haben, denn es ist fundamental für den Marxismus, dass die Grundlagen einer kommunistischen Wirtschaft nur auf Weltebene und niemals innerhalb der Grenzen eines proletarischen Staates verwirklicht werden können. Dieser kann zwar in den ökonomischen Bereich eingreifen, um den Produktionsprozess zu verändern, aber er kann diesen Prozess keinesfalls endgültig auf kommunistische Grundlagen stellen, weil die Bedingungen für die Verwirklichung einer solchen Ökonomie nur im Weltmaßstab existieren (...). Wir werden der Verwirklichung des höchsten Ziels nicht näher kommen, indem wir den Arbeitern weismachen, dass sie nach ihrem Sieg über die Bourgeoisie die Wirtschaft in einem einzigen Land direkt leiten können. Bis zum Sieg der Weltrevolution sind die Bedingungen dafür nicht gegeben, und um die Dinge in die Richtung zu lenken, die das Heranreifen dieser Bedingungen ermöglicht, muss man damit beginnen, anzuerkennen, dass es unmöglich ist, in einem einzigen Land endgültige Ergebnisse zu erzielen."[13]
In seiner Artikelserie führte Mitchell dieses Thema weiter aus:
"Während es unbestreitbar ist, dass ein nationales Proletariat bestimmte ökonomische Aufgaben erst nach der Installierung der Errichtung seiner eigenen Herrschaft in Angriff nehmen kann, kann der Aufbau des Sozialismus erst nach der Zerstörung der mächtigsten kapitalistischen Staaten in Gang kommen, auch wenn der Sieg eines 'armen' Proletariats eine enorme Bedeutung erlangen kann, wenn er in den Entwicklungsprozess der Weltrevolution integriert wird. Mit anderen Worten: Die Aufgaben eines siegreichen Proletariats in Bezug auf die eigene Wirtschaft werden den Notwendigkeiten des internationalen Klassenkampfes untergeordnet.
Es ist bemerkenswert, dass, während alle echten Marxisten die Theorie des 'Sozialismus in einem Land' abgelehnt haben, die meisten Kritiken an der Russischen Revolution sich im Wesentlichen auf die Modalitäten des Aufbaus des Sozialismus konzentrierten, wobei sie eher wirtschaftliche und kulturelle als politische Kriterien betrachteten und vergaßen, die logischen Schlussfolgerungen zu ziehen, die sich aus der Unmöglichkeit jeder Art von nationalem Sozialismus ergeben."[14]
Einen großen Teil der Serie widmete Mitchell auch der Argumentation gegen die von den Rätekommunisten weitgehend aufgegriffene menschewistische Idee, dass die Russische Revolution nicht wirklich proletarisch gewesen sein könne, weil Russland nicht reif für den Sozialismus gewesen sei. Gegen diesen Ansatz behauptet Mitchell, dass die Bedingungen für die kommunistische Revolution nur im Weltmaßstab gegeben sein konnten, und dass die Revolution in Russland lediglich der erste Schritt einer weltweiten Revolution gewesen sei, die durch die Tatsache notwendig wurde, dass der Kapitalismus als Weltsystem in seine Periode des Niedergangs eingetreten war. Daher musste jedes Verständnis dessen, was in Russland schief gelaufen war, im Kontext der Weltrevolution gesehen werden: Die Degeneration des Sowjetstaates war in erster Linie nicht das Ergebnis der wirtschaftlichen Maßnahmen der Bolschewiki, sondern der Isolierung der Revolution. Die holländischen Genossen hätten sich "ein falsches Urteil über die Russische Revolution angemaßt und vor allem den Umfang ihrer Forschungen über die tieferen Ursachen der reaktionären Entwicklung der UdSSR stark eingeschränkt. Sie suchen die Erklärung dafür nicht in der tieferen Entwicklung des nationalen und internationalen Klassenkampfes (eines der negativen Merkmale ihrer Studie ist, dass sie jede Betrachtung der politischen Probleme mehr oder weniger ausblenden), sondern im ökonomischen Mechanismus."[15]
Kurz gesagt: Es gibt Grenzen für die Schlussfolgerungen, die wir aus den wirtschaftlichen Maßnahmen während der Russischen Revolution ziehen können. Selbst die perfektesten Maßnahmen hätten ohne die Ausdehnung der Weltrevolution den proletarischen Charakter des Regimes in der UdSSR nicht bewahrt, und dasselbe würde für jedes Land gelten, ob "fortgeschritten" oder "rückständig", das sich in einer vom Kapital beherrschten Welt isoliert wiederfindet.
Wir haben festgestellt, dass Hennaut selbst auf die Tendenz der holländischen Genossen hinwies, die Verhältnisse im Gefolge einer proletarischen Revolution zu vereinfachen: "Es mag vielen Lesern so erscheinen, als ob in der besten aller möglichen Welten alles zum Besten stehe. Die Revolution marschiere voran, sie könne nicht ausbleiben, und es genüge, die Dinge sich selbst zu überlassen, damit der Sozialismus Wirklichkeit werde."[16] Vercesi hatte auch argumentiert, dass sie dazu neigten, die Heterogenität des Klassenbewusstseins auch nach der Revolution gewaltig zu unterschätzen – ein Fehler, der direkt damit zusammenhing, dass die Rätekommunisten die Notwendigkeit einer politischen Organisation der fortgeschritteneren Elemente der Arbeiterklasse nicht verstanden. Außerdem hing dies auch damit zusammen, dass die holländischen Genossen die Schwierigkeiten unterschätzten, die sich den Arbeitern bei der direkten Übernahme der Leitung der Produktion stellten. Mitchell seinerseits argumentierte, dass die holländischen Genossen von einem idealen, abstrakten Schema ausgingen, das bereits die Stigmata der kapitalistischen Vergangenheit als Grundlage für das Voranschreiten zum Kommunismus ausschließt.
"Wir haben bereits deutlich gemacht, dass die holländischen Internationalisten bei ihrem Versuch, die Probleme der Übergangsperiode zu analysieren, viel mehr von ihren Wunschbildern als von der historischen Realität inspiriert sind. Ihr abstraktes Schema, in dem sie als vollkommen prinzipientreue Menschen das Wertgesetz, den Markt und das Geld ausschließen, muss logischerweise auch eine 'ideale' Verteilung der Produkte zur Folge haben. Denn für sie gilt: "Die proletarische Revolution kollektiviert die Produktionsmittel und öffnet damit den Weg zum kommunistischen Leben; die dynamischen Gesetze der individuellen Konsumtion müssen absolut und notwendigerweise miteinander verbunden sein, weil sie unauflöslich mit den Gesetzen der Produktion verbunden sind. Diese Verbindung wird 'von selbst' durch den Übergang zur kommunistischen Produktion hergestellt" (S. 72 ihrer Arbeit)."[17]
Später konzentriert sich Mitchell auf die Hindernisse, die der Einführung der gleichen Entlohnung der Arbeit in der Übergangszeit entgegenstehen (wir werden in einem zweiten Artikel darauf zurückkommen). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für die niederländischen Genossen die untere und die obere Stufe des Kommunismus völlig durcheinander geraten sind:
"Indem sie die dialektische Analyse ablehnen und das Problem des Zentralismus übergehen, haben sie gleichzeitig die Bedeutung der Worte verändert, denn was sie betrachten, ist nicht die Übergangsperiode, die für die Marxisten unter dem Gesichtspunkt der Lösung praktischer Probleme als einzige von Interesse ist, sondern die höhere Stufe des Kommunismus. Es ist dann leicht, von „einer allgemeinen gesellschaftlichen Buchführung zu sprechen, die auf einem wirtschaftlichen Zentrum beruht, zu dem alle Ströme des Wirtschaftslebens fließen, das aber kein Recht hat, die Produktion zu leiten oder über die Verteilung des gesellschaftlichen Produkts zu entscheiden“. Und sie fügen hinzu, dass „in der Assoziation freier und gleicher Produzenten die Kontrolle des Wirtschaftslebens nicht von Persönlichkeiten oder Ämtern ausgeht, sondern aus der öffentlichen Registrierung des realen Verlaufs des Wirtschaftslebens resultiert. Das bedeutet, dass die Produktion durch die Reproduktion kontrolliert wird“. Mit anderen Worten: 'Das Wirtschaftsleben wird durch die durchschnittliche gesellschaftliche Arbeitszeit von selbst gesteuert'. Mit solchen Formulierungen kann die Lösung der Probleme der proletarischen Leitung überhaupt nicht vorankommen, denn die brennende Frage, die sich dem Proletariat stellt, ist nicht, die Mechanismen auszuarbeiten, die die kommunistische Gesellschaft regeln, sondern den Weg zu finden, der zu ihr führt."[18]
Es stimmt, dass es eine Reihe von Abschnitten in den Grundprinzipien gibt, in denen die holländischen Genossen Marx' Unterscheidung zwischen der unteren und der oberen Stufe der Übergangsperiode zitieren; und sie erkennen an, dass es einen Prozess gibt, eine Bewegung in Richtung auf den integralen Kommunismus, in dem die Notwendigkeit der Arbeitszeitbuchhaltung zum Beispiel in Bezug auf den individuellen Konsum allmählich an Bedeutung verlieren wird:
"Eines der charakteristischsten Merkmale der AGA-Betriebe [Anm.: öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheits- und Bildungswesen] sahen wir in der Tatsache, dass hier das 'Nehmen nach Bedürfnissen' verwirklicht ist. Der Maßstab der Arbeitsstunde spielt hier in der Distribution also keine Rolle mehr. Mit dem Wachstum des Kommunismus wird dieser Betriebstyp mehr ausgedehnt werden, so dass auch Lebensmittelfürsorge, Personentransport, Wohnungsfürsorge usw., kurz: die Befriedigung der allgemeinen Bedürfnisse, auf dieser Basis stehen werden. Diese Entwicklung ist ein PROZESS, der sich, soweit es sich um die technische Seite der Aufgabe handelt, schnell vollziehen kann. Je mehr die Gesellschaft in dieser Richtung wächst, je mehr die Produkte nach diesem Prinzip verteilt werden, desto weniger wird die individuelle Arbeitszeit das Maß für die individuelle Konsumtion sein."[19]
Und doch sprechen sie gleichzeitig, wie Mitchell oben bemerkt, davon, dass die "freien und gleichen Produzenten" über dieses oder jenes gerade in der unteren Stufe entscheiden, einer Zeit, in der wahre Freiheit und Gleichheit vom organisierten Proletariat erkämpft, aber noch nicht endgültig erobert worden sind. Der Begriff "freie und gleiche Produzenten" kann wirklich nur auf eine Gesellschaft angewendet werden, in der es keine Arbeiterklasse mehr gibt.
Ein Beispiel für diese Tendenz zur Vereinfachung ist ihre Behandlung der Agrarfrage. Nach diesem Abschnitt der Grundprinzipien werde die "Bauernfrage", die eine so große Belastung für die Russische Revolution war, für die Revolution der Zukunft keine großen Probleme aufwerfen, weil die Entwicklung der kapitalistischen Industrie den Großteil der Bauernschaft bereits in das Proletariat integriert habe. Dies ist ein Beispiel für eine gewisse eurozentrische Sichtweise (und selbst in Europa war dies in den 1930er Jahren bei weitem nicht der Fall), die nicht berücksichtigt, dass im Weltmaßstab eine riesige Anzahl nicht ausbeutender, aber auch nicht proletarischer Massen existiert, die die proletarische Revolution in die wirklich sozialisierte Produktion integrieren muss.
Wenn man von der Existenz anderer Klassen als der des Proletariats in der Übergangsperiode spricht, stellt sich sofort die Frage nach einer halb-staatlichen Organisation, die u.a. die Aufgabe hätte, diese Massen politisch zu vertreten. Eine weitere Konsequenz des abstrakten Schemas der holländischen Genossen ist also, dass sie das Problem des Staates vermeiden. Wiederum sieht Hennaut, wie wir festgestellt haben, dass "der Staat im System der holländischen Genossen einen Platz einnimmt, der gelinde gesagt zweideutig ist"[20]. Mitchell stellt fest, dass die Arbeiterklasse, solange es Klassen gibt, die Geißel eines Staates ertragen muss, und dass dies mit dem Problem des Zentralismus verbunden ist:
"Die Analyse der holländischen Internationalisten entfernt sich zweifellos vom Marxismus, weil sie nie die wesentliche Tatsache vorbringt, dass das Proletariat gezwungen ist, sich mit der 'Geißel' des Staates auseinanderzusetzen, bis die Klassen verschwunden sind, das heißt, bis zum Verschwinden des Weltkapitalismus. Aber eine solche historische Notwendigkeit zu betonen, bedeutet zuzugeben, dass die Staatsfunktionen immer noch vorübergehend mit der Zentralisierung verwechselt werden, auch wenn dies nach der Zerstörung des kapitalistischen Unterdrückungsapparates geschieht und der Entwicklung des kulturellen Niveaus der arbeitenden Massen und ihrer Fähigkeit, die Verantwortung zu übernehmen, nicht unbedingt entgegensteht. Anstatt die Lösung für diese Entwicklung im realen Kontext der historischen und politischen Bedingungen zu suchen, haben die holländischen Internationalisten versucht, sie in einer Formel für die Aneignung zu finden, die sowohl utopisch als auch rückschrittlich ist und die sich nicht so deutlich vom 'bürgerlichen Recht' unterscheidet, wie sie sich vorstellen."[21]
Im Lichte der russischen Erfahrung hatten die niederländischen Genossen sicherlich Recht, wenn sie sich davor hüteten, dass irgendein zentrales Organisationsorgan diktatorische Befugnisse über die Arbeiter übernehmen könnte. Gleichzeitig lehnen die Grundprinzipien die Notwendigkeit einer gewissen Form der zentralen Koordination nicht ab. Sie sprechen von einem Zentralamt für Statistik und einem "Wirtschaftskongress der Arbeiterräte", aber diese werden als wirtschaftliche Gremien dargestellt, die mit einfachen Koordinationsaufgaben betraut sind: Sie scheinen keine politischen oder staatlichen Funktionen zu haben. Aber indem sie einfach im Voraus anordnen, dass solche zentralen oder koordinierenden Organe keine staatlichen Funktionen übernehmen oder mit ihnen verbunden sein werden, schwächen sie in Wirklichkeit die Fähigkeit der Arbeiter, sich gegen eine reale Gefahr zu verteidigen, die während der gesamten Übergangsperiode bestehen wird: die Gefahr, dass der Staat, selbst ein "Halbstaat", der starr von den Einheitsorganen der Arbeiter gelenkt wird, sich zunehmend zu einer von der Gesellschaft autonomen Macht formt und wieder direkte Formen der wirtschaftlichen Ausbeutung durchsetzt.
Der Begriff des postrevolutionären Staates taucht in dem Buch zwar kurz auf (und zwar im allerletzten Kapitel). Aber in den Worten der GIC "steht [der Staat] als reiner Machtapparat der Diktatur des Proletariats da. Er wird den Widerstand der Bourgeoisie brechen –, aber er hat in der Verwaltung der Wirtschaft nichts zu suchen".[22]
Mitchell bezieht sich nicht auf diese Passage, aber sie würde seinen Bedenken gegen die Tendenz der GIC, den Staat und die Diktatur des Proletariats als ein und dasselbe zu sehen, nicht widersprechen – eine Identifizierung, die seiner Ansicht nach die Arbeiter zugunsten des Staates entwaffnet: "Die aktive Anwesenheit proletarischer Organisationen ist die Bedingung, um den proletarischen Staat im Dienste der Arbeiter zu halten und zu verhindern, dass er sich gegen sie wendet. Den widersprüchlichen Dualismus des proletarischen Staates zu leugnen, bedeutet, die historische Bedeutung der Übergangsperiode zu verfälschen.
Einige Genossen sind dagegen der Meinung, dass es in dieser Periode eine Identifikation zwischen den Arbeiterorganisationen und dem Staat geben müsse (vgl. Genosse Hennaults 'Wesen und Entwicklung des russischen Staates', Bilan S. 1121). Die holländischen Internationalisten gehen sogar noch weiter, wenn sie sagen, dass, da "die Arbeitszeit das Maß für die Verteilung des gesellschaftlichen Produkts ist und die gesamte Verteilung außerhalb jeder 'Politik' bleibt, die Gewerkschaften im Kommunismus keine Funktion haben und der Kampf für die Verbesserung der Lebensbedingungen zu einem Ende gekommen sein wird" (S. 115 ihrer Arbeit).
Der Zentrismus geht auch von der Vorstellung aus, dass, da der Sowjetstaat ein Arbeiterstaat sei, jede von den Arbeitern erhobene Forderung zu einem Akt der Feindseligkeit gegenüber 'ihrem' Staat werde und daher die völlige Unterordnung der Gewerkschaften und der Betriebskomitees unter den Staatsmechanismus rechtfertige."[23]
Die deutsch-niederländische Linke erkannte natürlich viel schneller, dass die Gewerkschaften bereits im Kapitalismus aufgehört hatten, proletarische Organe zu sein, ganz zu schweigen von der Übergangsperiode zum Kommunismus, wo die Arbeiterklasse ihre eigenen Einheitsorgane (Fabrikkomitees, Arbeiterräte usw.) geschaffen hätte. Aber Mitchells grundlegender Punkt bleibt vollkommen gültig. Indem sie den Weg mit dem Ziel verwechseln, indem sie andere nichtproletarische Klassen und die ganze komplexe soziale Heterogenität der Situation nach dem Aufstand aus der Gleichung ausschließen und vor allem indem sie eine fast sofortige Abschaffung des Zustands des Proletariats als ausgebeutete Klasse ins Auge fassen, lassen die holländischen Genossen, bei aller Antipathie gegen den Staat, die Tür für die Idee offen, dass während der Übergangsperiode die Notwendigkeit für die Arbeiterklasse, ihre unmittelbaren Interessen zu verteidigen, überflüssig werde. Für die italienische Linke war die Notwendigkeit, die Unabhängigkeit der Gewerkschaften und/oder Fabrikkomitees von der allgemeinen Organisation der Gesellschaft – kurz gesagt, vom Übergangsstaat – zu bewahren, eine grundlegende Lehre aus der Russischen Revolution, wo der "Arbeiterstaat" am Ende die Arbeiter unterdrückte.
Dieses Ausweichen oder die Vereinfachung der Frage des Staates ist, ebenso wie das Versagen der GIC, die Notwendigkeit der internationalen Ausdehnung der Revolution zu begreifen, Teil einer umfassenderen Unterschätzung der politischen Dimension der Revolution. Die Besessenheit der GIC ist die Suche nach einer Methode zur Berechnung, Verteilung und Entlohnung der gesellschaftlichen Arbeit, so dass die zentrale Kontrolle auf ein Minimum beschränkt werden kann und die Übergangswirtschaft auf halbautomatische Weise zum integralen Kommunismus fortschreiten kann. Aber für Mitchell ist die Existenz solcher Gesetze kein Ersatz für die wachsende politische Reife der arbeitenden Massen, für ihre tatsächliche Fähigkeit, dem gesellschaftlichen Leben ihre eigene Richtung aufzuzwingen.
"Die holländischen Genossen haben zwar eine unmittelbare Lösung vorgeschlagen: kein wirtschaftlicher oder politischer Zentralismus, der nur eine unterdrückerische Form annehmen kann, sondern die Übertragung der Verwaltung auf Unternehmensorganismen, die die Produktion durch ein 'allgemeines Wirtschaftsgesetz' (...) koordinieren würden. Für sie vollzieht sich die Abschaffung der Ausbeutung (und damit der Klassen) nicht in einem langen historischen Prozess, in dem die Beteiligung der Massen an der gesellschaftlichen Verwaltung unaufhörlich wächst, sondern in der Kollektivierung der Produktionsmittel, sofern diese das Verfügungsrecht der Betriebsräte über die Produktionsmittel und das gesellschaftliche Produkt beinhaltet. Aber abgesehen davon, dass dies eine Formulierung ist, die ihren eigenen Widerspruch enthält – da sie darauf hinausläuft, der integralen Kollektivierung (Eigentum aller und von niemandem im Besonderen) eine Art eingeschränkte, zerstreute Kollektivierung zwischen gesellschaftlichen Gruppen entgegenzusetzen (die Aktiengesellschaft ist auch eine partielle Form der Kollektivierung) –, neigt sie einfach dazu, eine juristische Lösung (das Recht, über die Unternehmen zu verfügen) durch eine andere juristische Lösung, die Enteignung der Bourgeoisie, zu ersetzen. Aber wie wir bereits gesehen haben, ist die Enteignung der Bourgeoisie nur die Anfangsbedingung für die gesellschaftliche Transformation (auch wenn die volle Kollektivierung nicht sofort realisierbar ist), und der Klassenkampf wird wie vor der Revolution weitergehen, aber auf politischer Grundlage, die es dem Proletariat erlaubt, die entscheidende Richtung durchzusetzen."[24]
Hinter dieser Ablehnung der politischen Dimension des Klassenkampfes können wir einen grundlegenden Unterschied zwischen den beiden Zweigen der kommunistischen Linken in ihrem Verständnis des Übergangs zum Kommunismus erkennen. Die holländischen Genossen erkennen zwar die Notwendigkeit von Wachsamkeit, "denn aus der kapitalistischen Wirtschaftsweise bleibt vorläufig noch eine kräftige Tendenz, die Verfügungsgewalt in eine Zentrale zu legen"[25], aber dieser erhellende Absatz erscheint in der Mitte einer Untersuchung über die Buchhaltungsmethoden in der Übergangsperiode, und im Buch insgesamt gibt es wenig Sinn für den immensen Kampf, der notwendig sein wird, um die Gewohnheiten der Vergangenheit sowie ihre materielle und soziale Verkörperung in Klassen, Schichten und Individuen zu überwinden, die dem Kommunismus mehr oder weniger feindlich gegenüberstehen. In der Sichtweise der GIC scheint es wenig Notwendigkeit für einen politischen Kampf, eine Konfrontation zwischen gegensätzlichen Klassenstandpunkten, innerhalb der Organe der Arbeiterklasse zu geben, sei es am Arbeitsplatz oder auf einer breiteren gesellschaftlichen Ebene. Das stimmt auch mit ihrer Ablehnung der Notwendigkeit kommunistischer politischer Organisationen, der Klassenpartei, überein.
Wir werden uns im zweiten Teil dieses Artikels mit einigen der eher theoretischen Probleme der ökonomischen Dimension der kommunistischen Transformation befassen.
C.D. Ward, 08.03.2013
Kapitel 7, Teil 4: Eine „ökonomistische“ Sichtweise der Revolution: die Grundprinzipien
b) Die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus
Die Frage der Übergangsperiode zum Kommunismus nach der Machtergreifung durch die Arbeiterräte wurde von den deutschen, dann von den holländischen Rätekommunisten immer von einem streng ökonomischen Standpunkt aus angegangen. Die Entartung der Russischen Revolution und die Entwicklung Sowjetrusslands zum Staatskapitalismus bewiesen nach Ansicht der GIC das Scheitern der "Politik", in der die Diktatur des Proletariats in erster Linie als eine politische Diktatur über die gesamte Gesellschaft gesehen wurde und die die wirtschaftlichen Aufgaben des Proletariats in den Hintergrund drängte. Diese Idee wurde von Pannekoek mit besonderem Nachdruck vertreten: "Die traditionelle Auffassung ist die Herrschaft der Politik über die Wirtschaft ... was die Arbeiter anstreben müssen, ist die Herrschaft der Wirtschaft über die Politik."[26]
Diese Ansicht war genau das Gegenteil von dem, was andere revolutionäre Gruppen in den 30er Jahren vertraten, wie z. B. die italienische kommunistische Linke, die eine ganze theoretische Diskussion über die Zeit des Übergangs eröffnet hatte.[27]
Anders als die deutsche und italienische kommunistische Linke[28] zeigte die GIC kein großes Interesse an den politischen Fragen der proletarischen Revolution, an theoretischen Überlegungen über den Staat in der Übergangsperiode. Das Verhältnis zwischen dem neuen Staat der Übergangsperiode, den revolutionären Parteien und den Arbeiterräten wurde trotz der russischen Erfahrung nie behandelt. Es gibt auch nichts über das Verhältnis zwischen der revolutionären Internationale und dem Staat oder den Staaten in Ländern, in denen das Proletariat die politische Macht übernommen hat. Ebenso wenig wurden die komplexen Fragen der proletarischen Gewalt[29] und des Bürgerkriegs in einer revolutionären Periode gestellt. Für die GIC schien es, als ob es kein Problem der Existenz eines Staates – oder eines Halbstaates – in der Periode des Übergangs zum Kommunismus gäbe. Die Fragen, ob es ihn gebe und welcher Art er sei ("proletarischer" Staat oder eine vom Proletariat geerbte "Geißel"), wurden nie gestellt. Diesen Problemen wurde mehr oder weniger ausgewichen.
Der Haupttext der GIC[30] über die Übergangsperiode, "Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung", befasste sich nur mit den ökonomischen Problemen dieser Periode.
Der Ausgangspunkt der GIC war, dass das Scheitern der russischen Revolution und die Entwicklung zum Staatskapitalismus nur durch die Unkenntnis oder sogar die Leugnung der Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Transformation der Gesellschaft erklärt werden konnte – dieses Problem war der gesamten Arbeiterbewegung gemeinsam. Aber paradoxerweise erkannte die GIC die fundamentale Rolle der russischen Erfahrung an, die es erst ermöglichte, die marxistische Theorie voranzubringen:
"... zumindest was die industrielle Produktion betraf [...] hat Russland versucht, das Wirtschaftsleben nach den Prinzipien des Kommunismus zu ordnen – und ist dabei völlig gescheitert! [...] Es war vor allem die Schule der Praxis, die die Russische Revolution verkörperte, der wir diese Erkenntnis zu verdanken haben, denn sie hat uns unmissverständlich gezeigt, welche Folgen es hat, wenn man zulässt, dass sich eine zentrale Autorität als gesellschaftliche Macht etabliert, die dann dazu übergeht, alle Macht über den Produktionsapparat in ihren ausschließlichen Händen zu konzentrieren."[31]
Für die holländischen Rätekommunisten bedeutete die Diktatur des Proletariats unmittelbar "die Vereinigung der freien und gleichen Produzenten". Die Arbeiter, die in den Fabriken in Räten organisiert waren, mussten den gesamten Produktionsapparat in die Hand nehmen und ihn für ihre eigenen Bedürfnisse als Konsumenten arbeiten lassen, ohne auf irgendeine zentrale staatsähnliche Instanz zurückzugreifen, da dies nur die Aufrechterhaltung einer Gesellschaft der Ungleichheit und Ausbeutung bedeuten konnte. Auf diese Weise wäre es möglich, eine Situation zu vermeiden, in der die Art von "Staatskommunismus", die während der Phase des Kriegskommunismus 1918-20 eingerichtet wurde, sich unweigerlich in eine Form von Staatskapitalismus verwandelt, dessen Produktionsbedürfnisse die der Arbeiter als Produzenten und Konsumenten dominieren. In der neuen Gesellschaft, die von den Räten und nicht von einem von einer zentralisierten Partei geführten Staat beherrscht wird, würde die Lohnarbeit - die Quelle aller Ungleichheit und aller Ausbeutung der Arbeitskraft - abgeschafft werden.
Letztlich waren für die GIC die Probleme der Übergangsperiode sehr einfach: Die Hauptsache war, dass die Produzenten das gesellschaftliche Produkt auf egalitäre Weise und durch Ausübung der Autorität "von unten nach oben" kontrollieren und verteilen sollten. Das wesentliche Problem der Übergangsperiode, wie es sich 1917 zeigte, war für sie nicht politisch – die Frage der weltweiten Ausdehnung der proletarischen Revolution –, sondern ökonomisch. Was zählte, war die unmittelbare, egalitäre Steigerung des Arbeiterkonsums, die von den Fabrikräten organisiert wurde. Das einzige wirkliche Problem der Übergangsperiode war für die GIC die Beziehung zwischen den Produzenten und ihren Produkten: "Es ist das Proletariat selbst, das den Grundstein legt, der das grundlegende Verhältnis zwischen den Produzenten und dem Produkt ihrer Arbeit zementiert. Dies und nur dies ist die Schlüsselfrage der proletarischen Revolution."[32]
Wie aber sollte die "egalitäre" Verteilung des Sozialprodukts erreicht werden? Offensichtlich nicht durch einfache juristische Maßnahmen: Verstaatlichung, "Sozialisierung", die verschiedenen Formen der Übernahme von Privateigentum durch den Staat. Die Lösung lag nach Ansicht der GIC in der Berechnung der Produktionskosten in Form der Arbeitszeit in den Betrieben, bezogen auf die Menge der geschaffenen gesellschaftlichen Güter. Abhängig von der jeweiligen Produktivität der verschiedenen Unternehmen wäre natürlich für das gleiche Produkt die benötigte Arbeitsmenge ungleich. Um dieses Problem zu lösen, würde es genügen, die durchschnittliche gesellschaftliche Arbeitszeit für jedes Produkt zu berechnen. Die Arbeitsmenge, die in den produktivsten Betrieben, also denjenigen, die über dem gesellschaftlichen Durchschnitt liegen, geleistet wird, würde in einen gemeinsamen Fonds fließen. Dies würde die weniger produktiven Unternehmen auf das allgemeine Niveau bringen. Gleichzeitig würde es dazu dienen, den technischen Fortschritt einzuführen, der für die Entwicklung der Produktivität in den Unternehmen eines bestimmten Sektors notwendig ist, um die durchschnittliche Produktionszeit zu reduzieren.
Die Organisation des Konsums sollte auf denselben Prinzipien beruhen. Ein allgemeines System der sozialen Buchführung, das auf statistischer Dokumentation beruht und von den in Räten und Genossenschaften organisierten Erzeugern-Verbrauchern eingerichtet wird, soll zur Berechnung der Verbrauchsfaktoren verwendet werden. Nach verschiedenen Abzügen – Ersatz verschlissener Maschinen, technische Verbesserungen, ein Sozialversicherungsfonds für Arbeitsunfähige, für Naturkatastrophen usw. – würde die Sozialreserve für jeden Verbraucher gleich verteilt. Den egalitären Produktionsbedingungen, die durch die Berechnung der durchschnittlichen gesellschaftlichen Arbeitszeit gewährleistet werden, stünden allgemein gleiche Bedingungen für alle einzelnen Konsumenten gegenüber. Dank dieses Systems der sozialen Buchhaltung würde das Wertgesetz abgeschafft: Produkte würden nicht mehr auf der Grundlage ihres Tauschwertes mit Geld als universellem Maß zirkulieren. Darüber hinaus würde die neue Gesellschaft mit der Einrichtung eines "neutralen", von den Räten nicht losgelösten, von jeder Personengruppe und von jeder zentralen Stelle unabhängigen Buchhaltungs- und Statistikzentrums der Gefahr der Bildung einer parasitären Bürokratie entgehen, die sich einen Teil des Sozialprodukts aneignet.
Die Grundprinzipien haben das Verdienst, die Bedeutung der ökonomischen Probleme in der Periode des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus zu unterstreichen, umso mehr, als dies in der revolutionären Bewegung nur sehr selten angesprochen wurde. Ohne eine reale und kontinuierliche Steigerung des Arbeiterkonsums hat die Diktatur des Proletariats keine Bedeutung, und die Verwirklichung des Kommunismus wäre ein frommer Wunsch.
Aber der Text der GIC litt unter einer ganzen Reihe von Schwächen, die auch anderen revolutionären Gruppen nicht verborgen blieben.[33]
Die Grundprinzipien befassen sich eigentlich nur mit der entwickelten Phase des Kommunismus, in der die Regierung der Menschen durch die "Verwaltung der Dinge" ersetzt worden ist, gemäß dem von Marx verkündeten Prinzip "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen". Die GIC glaubte, dass es sofort möglich sei, sobald die Arbeiterräte in einem bestimmten Land die Macht übernommen hätten, zu einer entwickelten Form des Kommunismus überzugehen. Sie ging von einer idealen Situation aus, in der das siegreiche Proletariat den Produktionsapparat der hochentwickelten Länder übernommen hat und von allen Kosten des Bürgerkriegs (Zerstörung, ein großer Teil der Produktion geht für militärische Bedürfnisse drauf) verschont geblieben ist; außerdem geht sie davon aus, dass es kein Problem mit den Bauern gebe, das der Vergesellschaftung der Produktion im Wege steht, da, so die GIC, die landwirtschaftliche Produktion bereits vollständig industriell und vergesellschaftet sei.[34] Schließlich stellten weder die Isolierung einer oder mehrerer proletarischer Revolutionen noch die Archaismen der kleinbäuerlichen Produktion ein wesentliches Hindernis für die Errichtung des Kommunismus dar: "Weder das Ausbleiben der Weltrevolution noch die Untauglichkeit der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe auf dem Lande für die staatliche Leitung können für das Scheitern der russischen Revolution [...] auf wirtschaftlicher Ebene verantwortlich gemacht werden."[35]
Damit entfernte sich die GIC von der marxistischen Auffassung der Übergangsperiode, die zwei Phasen unterschied: eine untere Stufe, die manchmal als Sozialismus bezeichnet wurde, in der die "Regierung der Menschen" eine proletarische Wirtschaftspolitik in einer noch vom Mangel beherrschten Gesellschaft bestimmt; und eine höhere Phase, die des eigentlichen Kommunismus, einer Gesellschaft ohne Klassen, ohne Wertgesetz, in der sich die Produktivkräfte frei entwickeln, im Weltmaßstab, unbelastet von nationalen Grenzen. Aber auch für die untere Stufe der Übergangsperiode, die noch vom Wertgesetz und der Existenz rückständiger Klassen beherrscht wird, betonte der Marxismus, dass die Bedingung für jede wirtschaftliche Transformation in eine sozialistische Richtung der Triumph der Weltrevolution ist. Der Beginn jeder wirklichen wirtschaftlichen Umgestaltung der neuen, noch in Klassen gespaltenen Gesellschaft hängt in erster Linie davon ab, dass sich das Proletariat gegenüber den anderen Klassen politisch behauptet.
Die "ökonomistische" Sichtweise der GIC hängt mit ihrer Unfähigkeit zusammen, das Problem der Existenz eines Staates – eines "Halbstaates" – in der Periode der Diktatur des Proletariats, am Anfang der Übergangsperiode, zu begreifen. Dieser Halbstaat stellt eine Gefahr für die proletarische Macht dar, da sie eine Kraft zur Erhaltung der Gesellschaft ist, "eine Kraft, die aus der Gesellschaft hervorgeht, sich aber über sie erhebt und sich mehr und mehr von ihr verselbständigt".[36]
Die Theorie der GIC über die Übergangsperiode scheint der anarchistischen Theorie nahe zu stehen, die die Existenz eines Staates und damit eines politischen Kampfes um die Herrschaft über die neue Gesellschaft leugnet. Die im Grunde "technische" Rolle, die die GIC den Arbeitern zuweist, die damit beauftragt sind, die durchschnittliche gesellschaftliche Arbeitszeit in der Produktion einzuhalten, war eine implizite Negierung ihrer politischen Rolle.
Wie die Anarchisten sah auch die GIC den Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft als einen mehr oder weniger natürlichen und automatischen Prozess. Nicht als Höhepunkt eines langen, widersprüchlichen Prozesses des Klassenkampfes um die Vorherrschaft des Halbstaates, gegen alle konservativen Kräfte, sondern als Ergebnis einer linearen, harmonischen, fast mathematischen Entwicklung. Diese Ansicht hat eine gewisse Ähnlichkeit mit den Ideen der utopischen Sozialisten des 19. Jahrhunderts, insbesondere mit Fouriers Universeller Harmonie.[37]
Die letzte Schwäche der Grundprinzipien liegt in der Frage der Verbuchung der Arbeitszeit, selbst in einer fortgeschrittenen kommunistischen Gesellschaft, die über die Knappheit hinausgegangen ist. Ökonomisch gesehen könnte dieses System das Wertgesetz wieder einführen, indem es der für die Produktion benötigten Arbeitszeit einen buchhalterischen und nicht einen gesellschaftlichen Wert gibt. Hier wendet sich die GIC gegen Marx, für den das Standardmaß in der kommunistischen Gesellschaft nicht mehr die Arbeitszeit, sondern die freie Zeit, die Freizeit ist.[38]
Zweitens bietet die Existenz eines "neutralen", vermeintlich technischen Buchhaltungszentrums keine ausreichende Garantie für den Aufbau des Kommunismus. Dieses "Zentrum" könnte zu einem Selbstzweck werden, indem es Stunden gesellschaftlicher Arbeit auf Kosten der Konsumbedürfnisse und der Freizeit der Produzenten-Konsumenten akkumuliert und sich zunehmend von der Gesellschaft verselbständigt. Wenn die Produzenten "an der Basis" sich immer weniger um die Kontrolle des "Zentrums" und um die gesellschaftliche Organisation im Allgemeinen kümmerten, käme es unweigerlich zu einer Übertragung der Funktionen, die von den Organen der Produzenten ausgeführt werden sollten, auf "technische" Organe, die sich mehr und mehr verselbstständigen. Die Leugnung dieser potentiellen Gefahren durch die GIC blieb nicht ohne Folgen. Die holländischen Internationalisten lehnten schließlich jede Möglichkeit ab, dass es auch im Kommunismus einen Kampf der Produzenten für die Verbesserung ihrer Arbeits- und Existenzbedingungen geben könnte: Die GIC weigerte sich, die Möglichkeit einer Gesellschaft ins Auge zu fassen, in der der Kampf "für bessere Lebensbedingungen niemals endet" und in der "der Kampf um die Verteilung der Produkte weitergeht"[39]. Führt dies nicht die Idee wieder ein, dass die Produzenten-Konsumenten nicht gegen sich selbst kämpfen können, einschließlich ihrer "Buchhaltungszentrale"?
Für die GIC erscheint der Kommunismus als eine absolute Gleichheit zwischen den Produzenten, die gleich zu Beginn der Übergangsperiode verwirklicht werden soll,[40] als ob es im Kommunismus keine natürliche (physische oder psychische) Ungleichheit in Produktion und Konsumtion mehr gäbe. Tatsächlich aber kann der Kommunismus als "reale Gleichheit in einer natürlichen Ungleichheit"[41] definiert werden.
[1] /content/1435/der-kommunismus-der-beginn-der-wirklichen-geschichte-der-menschheit-serie-iii-teil-1 [10]
[2] Zusammenfassung in Englisch: https://en.internationalism.org/ir/125-communism [11]
[3] Die Artikel befinden sich in der englischen Ausgabe der International Review Nr. 127-132 (auch im Internet)
[4] Vgl. den Artikel im Band 2 dieser Reihe (auf Englisch), Unravelling the Russian enigma in International Review Nr. 105
[6] Bilan Nr. 19, 20, 21, 22, 23
[7] Unter den Studien zu den Grundprinzipien können wir Paul Matticks Einleitung von 1970 zur deutschen Neuauflage des Buches erwähnen, die unter libcom.org/library/introduction-paul-mattick [13] (Englisch) erhältlich ist. Die 1990er Ausgabe des Buches, herausgegeben von Movement for Workers' Councils, enthält einen langen Kommentar von Mike Baker, geschrieben kurz vor seinem Tod, der auch zum Verschwinden der Gruppe führte. Unser eigenes Buch, The Dutch and German Communist Left, 2001, enthält einen Abschnitt über die Grundprinzipien, den wir als Anhang zu diesem Artikel veröffentlichen. Dieser Abschnitt zeigt die Kontinuität unserer Ansichten mit den Kritiken an dem Text, die zuerst durch Mitchells Artikel aufgeworfen wurden. Die deutsche Ausgabe der Grundprinzipien ist 2020 erneut aufgelegt worden.
[8] Bilan Nr. 19, Les fondements de la production et de la distribution communistes
[9] Bilan Nr. 33 und 34, Nature et évolution de la révolution russe
[10] Bilan Nr. 34, S. 1124
[11] Wir sollten hier präziser sein: Mitchell, selbst ehemaliges Mitglied der LCI, gehörte eigentlich der Belgischen Fraktion an, die sich wegen der Frage des Krieges in Spanien von der LCI abgespaltet hatte. In einer seiner Artikelserien über die Übergangsperiode (Bilan Nr. 38) äußerte er einige Kritikpunkte "an den Genossen von Bilan", da er das Gefühl hatte, dass sie dem wirtschaftlichen Aspekt der Übergangsperiode nicht genug Aufmerksamkeit schenkten.
[12] Vgl. auf Englisch: https://en.internationalism.org/ir/127/vercesi-period-of-transition [14]; oder auch das entsprechende Kapitel in unserem Buch Die Italienische Kommunistische Linke: /content/713/kapitel-7-bilanz-der-russischen-revolution-partei-gewerkschaften-klassenkampf-der-staat [15]; siehe auch auf Deutsch übersetzt: Gauche Communiste de France (Kommunistische Linke Frankreichs), M.C. April 1946, aus INTERNATIONALISME, /content/855/3-thesen-ueber-das-wesen-des-staates-und-der-proletarischen-revolution [16].
[13] Bilan Nr. 21, zitiert in The 1930s: debate on the period of transition, in International Review n° 127 (englische Ausgabe)
[14] Bilan Nr. 37, wiederveröffentlicht in englischer Übersetzung in International Review n° 132
[15] Bilan Nr. 35, wiederveröffentlicht in englischer Übersetzung in International Review n° 131
[16] Bilan Nr. 22, Les internationalistes hollandais sur le programme de la révolution prolétarienne
[17] Bilan Nr. 35
[18] Bilan Nr. 37
[19] Grundprinzipien, Kapitel VI, “Die allgemeine gesellschaftliche Arbeit”
[20] Bilan Nr. 22
[21] Bilan Nr. 37
[22] Grundprinzipien, Kapitel XIX, Untertitel “Vermeintliche Utopie”
[23] Bilan Nr. 37
[24] Bilan Nr. 37
[25] Grundprinzipien, Kapitel X, Untertitel “Die sachliche Kontrolle”
[26] “De Arbeidersklasses en de Revolutie”, in Radencommunisme Nr. 4, März/April 1940
[27] Einige Texte von Bilan über die Übergangsperiode wurden auch ins Italienische übersetzt: Rivoluzione e reazione (lo stato tardo-capitalistico nell'analisi delle Sinistra Communista), Università degli studi di Massina, Milan, Dotl A2. Giuffre editore, 1983, mit einer Einleitung von Dino Erba und Arturo Peregalli.
[28] Die Frage nach dem Staat in der Übergangsperiode wurde vor allem von der Essener Tendenz der KAPD 1927 gestellt. Die Arbeiterräte wurden als “proletarischer” Staat identifiziert (siehe KAZ, Essen. S. 1 - 11, 1927). Der einzige Beitrag der Berliner Tendenz war ein Text von Appel (Max Hempel) der “Lenins Staatkommunismus” in Proletarier N° 4-6, Mai 1927 kritisierte: “Marx-Engels und Lenin über die Rolle des Staates in der proletarischen Revolution”
[29] Die Frage nach dem Staat in der Übergangsperiode wurde vor allem von der Essener Tendenz der KAPD 1927 gestellt. Die Arbeiterräte wurden als “proletarischer” Staat identifiziert (siehe KAZ, Essen, S. 1-11, 1927). Der einzige Beitrag der Berliner Tendenz war ein Text von Appel (Max Hempel) der “Lenins Staatkommunismus” im Proletarier Nr. 4-6, Mai 1927 kritisierte: “Marx-Engels und Lenin über die Rolle des Staates in der proletarischen Revolution”.
[30] Die Grundprinzipien mit einer Einleitung von Paul Mattick wurden 1970 in Berlin vom Rudger Blankertz Verlag wiederveröffentlicht, die holländische Ausgabe, die viele Ergänzungen enthält, wurde 1972 von Uitgevery De Vlam mit einer Einleitung des Spartacusbond wiederveröffentlicht. Eine vollständige französische Übersetzung ist von Cahiers Spartacus geplant. Eine englische Ausgabe wurde in London von Movement for Workers’ Councils, 1990, veröffentlicht.
[31] Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung, 1930
[32] Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung, Hervorhebung GIC
[33] Eine Kritik des GIC-Textes wurde in Bilan von Nr. 11 bis 38, geschrieben von Mitchell (Jehan van den Hoven), einem Mitglied der belgischen LCI veröffentlicht. Hennaut, im Namen der LCI, erstellte in Bilan Nr. 19, 20, 21, 22 und 23 eine Zusammenfassung der Grundprinzipien.
[34] Diese These wurde 1933 von der GIC in der Broschüre Ontwikkelingsljnen in de landbouw, S. 1-48 vertreten.
[35] Grundprinzipien in der Wiederöffentlichung De Vlam, 1970, S. 10
[36] Engels, Ursprung der Familie, des Privateigentum und des Staats. Ein Resümee und eine Studie über die verschiedenen Positionen der Linken in der Dritten Internationale zur Übergangsperiode finden sich in den Thesen von J. Sie: Sur la période de transition au socialisme: les positions des gauches de la 3ème Internationale, veröffentlicht von Cosmopolis, Leiden, 1986.
[37] Diese Rückkehr zur Utopie findet sich bei Rühle, der 1939 eine Studie zu den utopischen Bewegungen veröffentlichte: Mut zur Utopie!, wiederveröffentlicht 1971 bei Rowohlt, Hamburg: Otto Rühle, Bauplane für eine neue Gesellschaft.
[38] „so wird einerseits die notwendige Arbeitszeit ihr Maß an den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Individuums haben, andrerseits die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft so rasch wachsen, daß, obgleich nun auf den Reichtum aller die Produktion berechnet ist, die disposable time aller wächst. Denn der wirkliche Reichtum ist die entwickelte Produktivkraft aller Individuen. Es ist dann keineswegs mehr die Arbeitszeit, sondern die disposable time das Maß des Reichtums. Die Arbeitszeit als Maß des Reichtums setzt den Reichtum selbst als auf der Armut begründet und die disposable time nur existierend im und durch den Gegensatz zur Surplusarbeitszeit oder Setzen der ganzen Zeit des Individuums als Arbeitszeit und Degradation desselben daher zum bloßen Arbeiter, Subsumtion unter die Arbeit“ (Marx, Grundrisse, Heft VII, MEW 42, S. 622).
[39] Grundprinzipien, S. 40
[40] Der Großteil der kommunistischen Linken beharrte dagegen darauf, dass Gleichheit bei der Verteilung von Konsumgütern gleich zu Beginn der Übergangsperiode unmöglich sei. Vor allem in einer Periode des Bürgerkriegs, in der die neue Macht der Räte auf die Existenz von Spezialisten angewiesen sein würde.
[41] Bilan Nr. 35, Sept./Okt. 1936, “Problèmes de la période de transition”, von Mitchell („Probleme der Übergangsperiode“)
Anmerkung: Mittlerweile (2020) liegt auf Deutsch erstmals die vollständige 2. Auflage der holländischen Ausgabe von 1935 vor, diese ist umfassender als die Ausgabe von 1930/31, die meistens aus der deutschen Wiederveröffentlichung von 1970 bekannt ist. Unsere Zitate aus den Grundprinzipien (im vorliegenden Anhang) sind eigene Übersetzungen, die bisher nicht mit dieser neuen Ausgabe abgeglichen wurden (Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung (anarchia-versand.net) [17])
Links
[1] https://en.internationalism.org/content/16652/centenary-foundation-communist-international-what-lessons-can-we-draw-future-combats
[2] https://de.internationalism.org/content/2074/die-maerzaktion-1921-die-gefahr-kleinbuergerlicher-ungeduld
[3] https://de.internationalism.org/content/1294/kommunisten-und-die-nationale-frage-aus-international-review-engl-ausgabe-nr-42-1985
[4] https://fr.internationalism.org/brochures/pcf
[5] https://de.internationalism.org/content/747/kommunistische-linke-russlands
[6] https://de.internationalism.org/content/2931/pandemie-des-covid-19-frankreich-die-kriminelle-fahrlaessigkeit-der-bourgeoisie
[7] http://www.mlwerke.de/me/me13/me13_007.htm
[8] http://www.mlwerke.de/me/me25/me25_251.htm#Kap_15_III
[9] https://de.internationalism.org/content/2861/resolution-zur-internationalen-lage-2019-imperialistische-spannungen-leben-der
[10] https://de.internationalism.org/content/1435/der-kommunismus-der-beginn-der-wirklichen-geschichte-der-menschheit-serie-iii-teil-1
[11] https://en.internationalism.org/ir/125-communism
[12] https://www.sinistra.net/lib/upt/kompro/ren/renegategd.html
[13] https://libcom.org/library/introduction-paul-mattick
[14] https://en.internationalism.org/ir/127/vercesi-period-of-transition
[15] https://de.internationalism.org/content/713/kapitel-7-bilanz-der-russischen-revolution-partei-gewerkschaften-klassenkampf-der-staat
[16] https://de.internationalism.org/content/855/3-thesen-ueber-das-wesen-des-staates-und-der-proletarischen-revolution
[17] https://www.anarchia-versand.net/Buecher-und-Broschueren/Marxismus-Kommunismus/Grundprinzipien-kommunistischer-Produktion-und-Verteilung::4466.html