In den letzten Monaten veröffentlichte das IBRP[1] [1] in seiner Presse Artikel über die Notwendigkeit der Umgruppierung unter den revolutionären Kräften im Hinblick auf den Aufbau der zukünftigen internationalen kommunistischen Partei. Einer dieser Artikel, ”Revolutionäre, Internationalisten gegenüber der Kriegsperspektive und die Lage des Proletariats”[2] [1], ist ein Dokument, das in der Zeit unmittelbar nach dem letztjährigen Krieg im Kosovo geschrieben wurde:
”Die jüngsten kriegerischen Ereignisse auf dem Balkan stellen, gerade weil sie in Europa stattfanden, (....) einen bedeutsamen Schritt vorwärts zum generalisierten imperialistischen Krieg dar. (...)
Der Krieg selber und die Art, wie ihm entgegengewirkt wurde, bilden die Grundlage für eine Formierung und Auswahl der revolutionären Kräfte, die fähig sind, am Parteiaufbau teilzunehmen.
Sie werden durch die folgenden grundlegenden Punkte eingegrenzt, die unabdingbare Voraussetzung für jede politische Initiative bilden, welche die revolutionäre Front gegen das Kapital und seine Kriege zu stärken versucht.”
Anschließend folgen ”21 grundlegende Punkte”[3] [1], die das IBRP als fundamental bezeichnet.
Es sind gerade die ”kriegerischen Ereignisse auf dem Balkan” gewesen, die unsere Organisation dazu bewegt haben, zu Beginn des Krieges einen Aufruf an die verschiedenen revolutionären Organisationen, die es auf internationaler Ebene gibt, zu richten, damit sich der proletarische Internationalismus mit einer einheitlichen und starken Stimme vernehmen lasse. Und parallel zu diesem Aufruf haben wir präzisiert:
”Natürlich gibt es auch Divergenzen, die in einer unterschiedlichen Herangehensweise in der Analyse des Imperialismus in der gegenwärtigen Phase und des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen liegen. Aber ohne diese Divergenzen zu unterschätzen betrachten wir die gemeinsamen Aspekte als viel wichtiger und bedeutsamer als diejenigen, welche bezüglich der momentanen Begebenheiten unterschiedlich sind. Auf dieser Grundlage haben wir am 29. März 1999 an alle diese Gruppen einen Appell für eine gemeinsame Initiative gegen den Krieg gerichtet.”[4] [1]
Da dieser Aufruf, den wir vor mehr als einem Jahr lanciert haben, auf vollkommen taube Ohren gestoßen ist[5] [1], muss man sich fragen, warum nun das IBRP plötzlich und erst jetzt mit seinen ”21 Bedingungen” kommt - mit denen wir, abgesehen von gewissen Vorbehalten bei gerade zwei Punkten[6] [1], völlig einverstanden sind -, statt seinerzeit auf unseren Appell zu antworten. Die Antwort darauf findet man fast am Schluss des Textes des IBRP, wo es in einem Abschnitt ganz offensichtlich um die IKS geht (doch selbstverständlich ohne diese beim Namen zu nennen): ”23 Jahre nach der 1. Internationalen Konferenz, die durch Battaglia Comunista[7] [1] einberufen wurde, um eine erste Konfrontation unter den politischen Gruppen herbeizuführen, die sich auf die allgemeinen durch die Kommunistische Linke seit Mitte der 20er Jahre vertretenen Klassen- und internationalistischen Prinzipien beriefen, ist es möglich - und deshalb auch notwendig - eine Bilanz über diese Konfrontation zu ziehen.”
Eine Bilanz? Nach 23 Jahren? Und weshalb erst jetzt? Gemäss IBRP fand in den letzten beiden Jahrzehnten ”eine Beschleunigung im Prozess der Klärung innerhalb des ‚proletarischen politischen Lagers‘ (statt), der all jene Organisationen ausschloss, die aus irgendeinem Grund über die Kriegsfrage stolperten, indem sie das unverzichtbare Prinzip des revolutionären Defätismus verrieten.”
Doch der Abschnitt, den sie uns (und den bordigistischen Gruppierungen) widmen, schließt gleich daran an:
”Andere Gruppen in diesem Lager, die zwar nicht in den tragischen Fehler der Unterstützung einer Kriegsfront verfielen (...), stehen der Methode und den Arbeitsperspektiven, die zur Bildung der zukünftigen revolutionären Partei beitragen, ebenfalls fern. Sie sind endgültig verlorene Opfer idealistischer oder mechanistischer Positionen (...)” (Hervorhebung durch uns).
Da wir denken, dass die durch das IBRP gegen uns erhobenen Vorwürfe nicht begründet sind - und wir darüber hinaus befürchten, dass sie lediglich der Bemäntelung einer opportunistischen politischen Praxis dienen -, werden wir versuchen, darauf im Folgenden zu antworten, indem wir aufzeigen, was die Haltung der marxistischen Strömung der Arbeiterbewegung hinsichtlich ”der Methode und der Perspektiven der Arbeit, die zum Beitritt zur künftigen revolutionären Partei führen wird”, gewesen ist. Dabei werden wir konkret untersuchen, ob und inwieweit das IBRP und die Gruppen, die es geschaffen haben, mit dieser Orientierung übereinstimmen. Wir werden zu diesem Zweck zwei Fragen genauer betrachten, die in ihrem gegenseitigen Verhältnis Ausdruck der beiden Ebenen sind, auf denen sich das Problem der revolutionären Organisation heute stellt:
1. Wie soll die zukünftige Internationale aufgefasst werden?
2. Welche Politik soll für den Organisationsaufbau und die Umgruppierung der Revolutionäre verfolgt werden?
Was wird die zukünftige Internationale sein? Eine Organisation, die von allem Anfang an einheitlich begriffen wird, d.h. eine internationale kommunistische Partei ist, oder eine Internationale der kommunistischen Parteien in den verschiedenen Ländern? Diesbezüglich sind die Auffassungen und der Kampf von Amadeo Bordiga und der Kommunistischen Linken ein unverzichtbarer Bezugspunkt. Für Bordiga hätte die Kommunistische Internationale schon das sein sollen, was er die Weltpartei nannte. Folgerichtig ging Bordiga so weit, dass er gewisse von ihm vertretene ”taktische” Punkte (Abstentionismus bei den Wahlen; eine Umgruppierung, die die Zentristen ausschloss) aufgab, um dem Vorrang der Internationale gegenüber den einzelnen nationalen Parteien Nachachtung zu verschaffen, um zu gewährleisten, dass die Kommunistische Internationale eine einheitliche Organisation ist, und nicht eine Föderation von Parteien, eine Organisation mit einer einheitlichen Politik überall, und nicht verschieden von Land zu Land.
”So behaupten wir, dass die höchste internationale Versammlung nicht nur das Recht hat, diese Regeln aufzustellen, die ausnahmslos in allen Ländern gültig sind und gültig sein müssen, sondern dass sie auch das Recht hat, sich in die Situation eines einzelnen Landes einzumischen und somit zu sagen, dass die Internationale meint, dass man - zum Beispiel - in England in dieser bestimmten Art vorgehen soll.” (Amadeo Bordiga, Rede auf dem Kongress von Livorno 1921, in ”La Sinistra Comunista nel cammino della rivoluzione” Edizioni Sociali, 1976)
Diese Auffassung vertrat Bordiga im Namen der Italienischen Linken, und er tat dies insbesondere im Kampf gegen die Degenerierung der Internationale selber mit vollem Recht, als die Politik derselben immer mehr mit der Politik und den Interessen des russischen Staates vermischt wurde.
”Die Schwesterparteien müssen der russischen Partei bei der Lösung ihrer Probleme helfen, auch wenn sie nicht die unmittelbare Erfahrung der Probleme der Regierungsführung haben; trotzdem können sie zu ihrer Lösung beitragen, indem sie eine revolutionäre Klassenorientierung einbringen, die direkt aus der Realität des Klassenkampfes in ihren jeweiligen Ländern abgeleitet ist.”[8] [1]
Schließlich kommt noch deutlicher in Bordigas Antwort an Karl Korsch zum Ausdruck, was die Internationale sein sollte und was ihr nicht gelungen ist zu sein:
”Ich glaube, dass einer der Mängel der gegenwärtigen Internationale derjenige gewesen ist, ein ”Block lokaler und nationaler Oppositionen” zu bilden. Wir müssen darüber nachdenken, ohne uns zu Übertreibungen hinreißen zu lassen, mit dem Ziel, alle Lehren zu ziehen. Lenin machte einen großen Teil der Arbeit von der ‚spontanen‘ Ausarbeitung abhängig, als er damit rechnete, die verschiedenen Gruppen materiell zusammenzubringen und sie dann in der Hitze der Russischen Revolution einheitlich zu schmieden. Insgesamt ist ihm dies aber nicht gelungen.” (Auszüge aus dem Brief von Bordiga an Korsch, veröffentlicht in Programme Communiste Nr. 68)
Mit anderen Worten bedauerte also Bordiga, dass die Internationale auf der Grundlage der ”Oppositionen” der alten sozialdemokratischen Parteien gebildet worden war - diese ”Oppositionen” waren untereinander politisch alles andere als kohärent - und dass Lenins Vorhaben, diese unterschiedlichen Bestandteile zu vereinen, im Grunde genommen gescheitert war.
Von dieser Sichtweise ausgehend haben sich die revolutionären Organisationen in den Jahren der Konterrevolution trotz den widrigen politischen Umständen immer nicht nur als internationalistische, sondern auch als internationale Organisationen aufgefasst. Und es ist kein Zufall, dass eine der Machenschaften der Internationalen Linksopposition um Trotzki gegen die Italienische Fraktion gerade darin bestand, ihr die Verfolgung einer ”nationalen” Politik vorzuwerfen.[9] [1]
Stellen wir dem umgekehrt die Auffassung des IBRP zu dieser Frage gegenüber:
”Das IBRP hat sich als einzig mögliche Form der Organisation und der Koordination konstituiert, auf dem Mittelweg zwischen der isolierten Arbeit der Avantgarde in den verschiedenen Ländern und der Präsenz einer wirklichen Internationalen Partei (...). Neue Avantgarden - die sich von den alten, für das Verständnis der Gegenwart und somit für die Voraussage der Zukunft nutzlosen Schemata befreit haben - haben den Parteiaufbau in Angriff genommen (...). Diese Avantgarden haben die Aufgabe - die sie auch erfüllen - sich zu konsolidieren und auf der Grundlage einer Sammlung von Thesen, einer Plattform und eines organisatorischen Rahmens zu wachsen. Diese Grundlagen sind untereinander und mit dem Bureau kohärent, das so die Rolle eines Bezugspunkts für die notwendige Homogenisierung der Kräfte der zukünftigen Partei übernimmt (...).”
Bis hierher scheint der Diskurs des IBRP, abgesehen von einigen überflüssigen Floskeln, in seinen groben Zügen mit der oben zitierten Position in Einklang zu stehen. Doch der folgende Abschnitt stellt ein Problem dar:
”Bezugspunkt heißt nicht aufgezwungene Struktur. Das IBRP hat nicht im Sinn, die Frist, die es für die internationale Umgruppierung der revolutionären Kräfte braucht, unter die ”natürliche” Zeitspanne für das politische Wachstum der kommunistischen Avantgarde in den verschiedenen Ländern zu verkürzen.”[10] [1]
Das heißt, dass das IBRP, oder besser gesagt: die beiden Organisationen, aus denen es besteht, nicht von der Möglichkeit ausgehen, vor der Gründung der internationalen Partei eine einheitliche internationale Organisation aufzubauen. Darüber hinaus nimmt es bezug auf eine seltsame ”natürliche Zeitspanne für das politische Wachstum der kommunistischen Avantgarde in den verschiedenen Ländern”, welche Formulierung klarer wird, wenn man sieht, von welcher Auffassung sich das IBRP abzugrenzen versucht, d.h. von derjenigen der IKS und der Italienischen Kommunistischen Linken:
”Wir weisen grundsätzlich und auf der Grundlage verschiedener Resolutionen unserer Kongresse die Idee zurück, wonach nationale Sektionen durch das Aufpfropfen auf eine vor-existierende Organisation gegründet werden sollen, selbst wenn diese Organisation unsere wäre. Man baut eine nationale Sektion einer internationalen Partei des Proletariats nicht dadurch auf, dass man in einem Land mehr oder weniger künstlich ein Redaktionszentrum für Publikationen schafft, die anderswo und in jedem Fall ohne Bezug zu den wirklichen politischen und sozialen Kämpfen im Land selber redigiert worden sind.” (Hervorhebungen durch uns)[11] [1]
Dieser Abschnitt verdient in jedem Fall eine genaue Antwort, denn in ihm ist der strategische Unterschied zwischen der internationalen Umgruppierungspolitik des IBRP einerseits und der IKS andererseits enthalten. Das IBRP versucht hier natürlich, unsere Strategie lächerlich zu machen, indem es sie darstellt als das ”Aufpfropfen auf eine vor-existierende Organisation”, als eine ”mehr oder weniger künstliche” Gründung ”eines Redaktionszentrums für Publikationen, die anderswo redigiert worden sind” mit der Absicht, beim Leser automatisch eine Abneigung gegen die Strategie der IKS hervorzurufen.
Aber sehen wir konkreter hin und überprüfen den Wahrheitsgehalt solcher Behauptungen. Das IBRP meint, wenn eine neue Gruppe von Genossen entsteht (wie z.B. in Kanada), die sich internationalistischen Positionen nähert, können brüderlich-kritische, ja, polemische Beiträge dieser Gruppe nur nutzen, doch Letztere muss innerhalb des politischen Umfeldes des Landes, wo sie wohnt, wachsen und sich entfalten, “indem sie in Verbindung mit den wirklichen politischen und sozialen Kämpfen im Land selber steht”. Aus der Sicht des IBRP soll dies heißen, dass das gegenwärtige und lokale Umfeld in einem gegebenen Land wichtiger ist als der internationale und historische Rahmen, der durch die Erfahrung der Arbeiterbewegung gestellt wird. Worin besteht dagegen die Strategie der IKS beim Aufbau der Organisation auf internationaler Ebene, welche das IBRP absichtlich in ein schlechtes Licht stellen will, wenn es von der “Schaffung von nationalen Sektionen durch die Fortentwicklung einer vorher bestehenden Organisation” spricht? Egal, ob es einen oder hundert Kandidaten in einem neuen Land gibt, die der IKS beitreten wollen, unsere Strategie besteht nicht darin, eine lokale Gruppe zu schaffen, die sich in “Verbindung mit den wirklichen politischen und sozialen Kämpfen im Land selber” unter den dortigen Verhältnissen entwickelt. Stattdessen zielen wir darauf ab, diese neuen Militanten schnell in die internationale Arbeit unserer Organisation zu integrieren, damit diese auf zentralisierte Art und Weise in dem Land intervenieren kann, wo die Genossen wohnen. Deshalb versuchen wir auch bei zahlenmäßig geringen Kräften, mit einer Publikation in diesem Land präsent zu sein, die unter der Verantwortung der neuen Gruppe von Genossen herausgebracht wird, weil wir meinen, dass dies die direktere und wirksamere Methode ist, um unseren Einfluss zu vergrößern und direkt zum Aufbau der revolutionären Organisation beizutragen. Was ist dabei künstlich, und warum soll man von der Fortentwicklung von schon bestehenden Organisationen sprechen? Das sollte vom IBRP geklärt werden.
In Wirklichkeit sind die Verwirrungen von BC und der CWO hinsichtlich der Organisationsfrage dem mangelnden Verständnis des Unterschiedes zwischen der 2. und 3. Internationale aufgrund des grundlegenden Wechsels der historischen Periode geschuldet:
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts stellte einen günstigen Zeitraum für die Kämpfe um Reformen dar; der Kapitalismus befand sich in voller Expansion, und die Internationale war in dieser Zeit eine Internationale von nationalen Parteien, die in den jeweiligen Ländern mit unterschiedlichen Programmen kämpften (in einigen Fällen um demokratische Errungenschaften, in anderen Fällen um die nationale Frage, hier gegen den Zarismus in Russland, dort für die “Sozialgesetzgebung” usw.).
Der Ausbruch des 1. Weltkriegs zeigte, dass das Potenzial der kapitalistischen Produktionsform, der Menschheit noch eine Zukunft zu bieten, erschöpft war. Eine Epoche von Kriegen und Revolutionen wurde eröffnet, in der die Menschheit objektiv vor der Alternative “Kommunismus oder Barbarei” steht. Auf diesem Hintergrund ist es nicht mehr möglich, nationale Parteien mit spezifisch nationalen Aufgaben zu gründen, sondern es geht darum, eine einzige Weltpartei mit einem einzigen Programm und einheitlichen Aktionen zur gemeinsamen und synchronen Führung des Weltproletariats zur Revolution zu schaffen[12] [1].
Die föderalistischen Reste, die in der Komintern weiterhin bestanden, waren Überreste der vorhergehenden Perioden (wie z.B. im Fall des Parlamentarismus), die auf den Schultern der Komintern lasteten (“die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden”, wie Marx im 18. Brumaire schrieb).
Man kann hinzufügen, dass die marxistische Linke während ihrer Geschichte immer gegen den Föderalismus gekämpft hat. Erinnern wir uns an die wichtigsten Episoden:
Marx und der Generalrat der I. Internationale (AIT) kämpften gegen den Föderalismus der Anarchisten und gegen ihren Versuch, eine Geheimorganisation innerhalb der AIT aufzubauen.
In der 2. Internationale kämpfte Rosa Luxemburg darum, dass die Beschlüsse ihrer Kongresse in den Mitgliedsländern auch tatsächlich umgesetzt wurden.
In der 3. Internationale (Komintern) kämpfte nicht nur die Linke für die Zentralisierung, sondern trat in Gestalt Lenins und Trotzkis auch von Anfang an gegen die “Besonderheiten” einiger Parteien an, die so ihre opportunistische Politik vertuschen wollten (z.B. bekämpfte sie die Freimaurer in der Kommunistischen Partei Frankreichs).
Man kann ferner hinzufügen, dass der Entstehungsprozess der Weltpartei nicht wartet, bis sie ihre Präsenz in jedem einzelnen Land konsolidiert bzw. geschaffen hat.[13] [1] Es ist bekannt, dass zwischen Lenin und Luxemburg in dieser Frage Meinungsverschiedenheiten bestanden. Rosa Luxemburg war gegen die unmittelbare Gründung der Komintern – und deshalb trat sie dafür ein, dass der deutsche Delegierte Eberlein gegen ihre Gründung stimmen sollte –, weil sie meinte, dass die Zeit noch nicht reif sei, da die meisten Parteien noch nicht einmal gebildet worden waren und die russische Partei innerhalb der Komintern folglich ein zu großes Gewicht haben würde. Zwar haben sich leider ihre Befürchtungen hinsichtlich des Übergewichtes der russischen Partei nach dem Rückfluss der revolutionären Phase und dem Niedergang der Komintern als richtig herausgestellt. Dennoch erfolgte die Gründung der Komintern angesichts der Bedürfnisse der Klasse zu spät, auch wenn die Kommunisten aufgrund des Krieges, der erst einige Monate zuvor zu Ende gegangen war, nicht anders handeln konnten.
Es wäre interessant zu wissen, was das IBRP von dieser historischen Kontroverse denkt. Meint es etwa, dass Rosa Luxemburg gegenüber Lenin Recht hatte, als sie sagte, die Zeit sei noch nicht reif für die Gründung der Komintern?
Diese föderalistische Orientierung auf theoretischer Ebene spiegelt sich natürlich in der Alltagspraxis wider. Die beiden Bestandteile des IBRP hatten 13 Jahre lang, von der Gründung des IBRP bis 1997, zwei unterschiedliche Plattformen. Es gibt keine Vollversammlungen der gesamten Organisation (sondern nur der jeweiligen Einzelorganisationen, an der sich eine Delegation der anderen Organisation beteiligt, was etwas ganz anderes ist). Es gibt keine erkennbaren Debatten untereinander, und sie scheinen auch nicht das Bedürfnis danach zu verspüren, auch wenn es während der letzten 16 Jahre seit der Gründung des IBRP oft himmelschreiende Differenzen in der Aktualitätsanalyse, in der Haltung zur internationalen Arbeit usw. gegeben hat. In Wirklichkeit ist dieses Organisationsmodell, das das IBRP als die jetzt “einzig mögliche Organisations- und Koordinierungsform” darstellt, die klassisch opportunistische Organisationsform. Mit dieser Organisationsform können neue Organisationen in den Kreis des IBRP gezogen werden, indem man ihnen das Etikett “linkskommunistisch” verleiht, ohne ihre Vergangenheit auch nur zu hinterfragen. Wenn das IBRP davon spricht, dass man “die ‚natürliche‘ Zeitspanne für das politische Wachstum der kommunistischen Avantgarde in den verschiedenen Ländern” abwarten müsse, bringt es damit in Wirklichkeit nur seine opportunistische Auffassung zum Ausdruck, weil es die Kritik an den Gruppen, mit denen es in Kontakt steht, nicht zu stark vorantreiben will, um deren Vertrauen nicht zu verlieren.[14] [1]
Wir haben all das nicht erfunden; es handelt sich schlicht und einfach um die Bilanz der letzten 16 Jahre IBRP, das trotz der Jubelarien, die in seiner Presse verbreitet werden, bislang keine bedeutsamen Erfolge erzielen konnte: Als das IBRP 1984 gebildet wurde, gehörten ihm zwei Gruppen an, und das ist auch heute noch so. Es wäre für BC und die CWO angebracht, einen Blick auf die verschiedenen Gruppen zu werfen, die sich einst dem IBRP angenähert oder ihm gar – wenn nur vorübergehend – angehört hatten, und zu überprüfen, wo diese gelandet sind, oder warum sie nicht im IBRP geblieben sind. Was ist z.B. aus den Iranern der SUCM-Komala geworden? Und die indischen Genossen von Lal Pataka? Oder die französischen Genossen, die eine Zeitlang sogar den dritten Teil des IBRP gebildet hatten?
Eine opportunistische Umgruppierungspolitik ist nicht nur politisch falsch, sondern sie ist als Politik auch zum Scheitern verurteilt.[15] [1]
In dieser Frage kann man natürlich nur bei Lenin beginnen, der einen großen Beitrag zum Aufbau der Partei und Pionierarbeit bei der Gründung der Komintern geleistet hat. Sein erfolgreicher Kampf auf dem 2. Kongress der SDAPR 1903 um den Artikel 1 der Statuten, in dem strenge Zugehörigkeitskriterien zur Partei festgelegt wurden, war wahrscheinlich einer der wichtigsten Beiträge Lenins überhaupt. “Es würde bedeuten, nur sich selbst zu betrügen, die Augen vor der gewaltigen Größe unserer Aufgaben zu verschließen, diese Aufgaben einzuengen, wollte man den Unterschied zwischen dem Vortrupp und all den Massen, die sich zu ihm hingezogen fühlen, vergessen, wollte man die ständige Pflicht des Vortrupps vergessen, immer breitere Schichten auf das Niveau dieses Vortrupps zu heben. Ja, es bedeutet, die Augen zu verschließen und all dies zu vergessen, wenn man den Unterschied verwischt zwischen denen, die der Partei angehören, und denen, die sich ihr anschließen, zwischen den bewussten und aktiven Mitgliedern und den Helfern.” (Lenin, Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, LW Bd. 7, S. 258)
Dieser Kampf Lenins, der zur Spaltung innerhalb der SDAPR zwischen der Bolschewiki (der Mehrheit) und den Menschewiki (der Minderheit) geführt hat, ist von besonderer historischer Bedeutung, da er das vorwegnahm, was einige Jahre später die neue Partei werden sollte; eine Kaderpartei, die zahlenmäßig eng begrenzt war, aber an die Bedürfnisse der neuen historischen Periode der “Kriege und Revolutionen” besser als das alte Modell der Massenpartei angepasst war, da Letztere zahlenmäßig größer war und bei den Zugehörigkeitskriterien weniger streng vorging, was in der historischen Phase des aufsteigenden Kapitalismus noch vertretbar gewesen war.
Dann stellt sich die Frage, wie sich die Partei (bzw. die Fraktion oder irgendeine politische Gruppe) in den Auseinandersetzungen mit anderen proletarischen Organisationen verhalten soll. Anders ausgedrückt: wie kann man am wirksamsten auf das richtige Bedürfnis der Umgruppierung der revolutionären Kräfte eingehen? Hier können wir uns nur auf die Erfahrung der Arbeiterbewegung stützen, besonders auf die von der Italienischen Linken in der Komintern initiierte Debatte hinsichtlich der Eingliederung von Zentristen bei der Bildung der kommunistischen Parteien. Die Position Bordigas ist sehr eindeutig, und sein Beitrag zur Verabschiedung einer 21. Aufnahmebedingung durch die Komintern war grundlegend. Darin heißt es: “Diejenigen Parteiangehörigen, welche die von der Kommunistischen Internationale aufgestellten Bedingungen und Leitsätze grundsätzlich ablehnen, sind aus der Partei auszuschließen. Dasselbe gilt namentlich von Delegierten zum außerordentlichen Parteitage.”[16] [1] 1920 äußerte sich Bordiga besorgt darüber, dass einige zentristische Elemente, die sich 1914 nicht besonders schmutzig gemacht hatten, in den neuen kommunistischen Parteien statt in den diskreditierten sozialdemokratischen Parteien mitwirken könnten.
“Heute ist es einfach zu behaupten, dass man in einem neuen Krieg nicht mehr die gleiche Fehler – den Burgfrieden und die Verteidigung des Vaterlandes - begehen würde. Die Revolution ist noch weit weg, werden die Zentristen behaupten, das ist kein unmittelbares Problem. Und sie werden die Thesen der Kommunistischen Internationale akzeptieren: die Macht der Arbeiterräte, die Diktatur des Proletariats, roter Terror (...). Der rechte Flügel akzeptiert unsere Thesen, sie tun dies jedoch unzureichend und unter Vorbehalt. Als Kommunisten müssen wir fordern, dass diese Thesen voll und ohne Einschränkung akzeptiert werden – sowohl auf der Ebene der Theorie als auch auf praktischer Ebene (...). Gegenüber den Reformisten müssen wir eine unüberwindbare Schranke aufbauen (...) Beim Programm gibt es keine Alternative: Entweder akzeptiert man es, oder man tut es nicht, und in diesem Fall muss man aus der Partei austreten.”[17] [1]
Bordiga und die Italienische Linke leisteten zu dieser Frage einen Schlüsselbeitrag. Ausgehend von dieser Position, geriet Bordiga später mit einer in der Regression befindlichen Komintern in Konflikt, als er gegen die Politik der Aufnahme von Zentristen in die kommunistischen Parteien kämpfte, genauso wie er sich dagegen wehrte, dass die Verteidigung des russischen Staates gegenüber allen anderen Problemen in den Vordergrund gestellt wurde[18] [1]. Es ist auch bekannt, dass die Komintern die KP Italiens dazu zwang, den maximalistischen (linken) Flügel der PSI, die sogenannten “Terzinternationalisti” oder “Terzini Serratis”, wiederaufzunehmen, von dem sich die KPI 1921, im Jahre ihrer Gründung, getrennt hatte.
Diese Strenge im Umgang mit den gemäßigten und zentristischen Strömungen hat jedoch nie sektiererische Verschlossenheit, Dialogverweigerung, Diskussionsverbot bedeutet – ganz im Gegenteil! So hat die Italienische Linke schon seit ihren Anfängen als abstentionistische Fraktion der PSI immer darauf hingewirkt, die sich in zentristischen Positionen vergeudenden revolutionären Energien zu erobern, um sowohl ihre eigenen Kräfte zu verstärken als auch dem Feindeslager Kräfte zu entreißen.
“Obgleich als eigenständige Fraktion mit ihrer eigenen Zeitung innerhalb der PSI organisiert, versuchte die abstentionistische Fraktion vor allem die Mehrheit der Partei für ihr Programm zu gewinnen. Sie meinte noch, dass dies möglich sei, trotz des überwältigenden Sieges der parlamentarischen Tendenz, die das Bündnis zwischen Lazzari und Serrati darstellte. Die Fraktion konnte nur zu einer Partei werden, wenn sie sich mit allen Kräften für die Eroberung mindestens einer bedeutenden Minderheit einsetzte. Sich nicht zurückzuziehen, ohne den Kampf zu Ende geführt zu haben, war immer das Anliegen der ‚bordigistischen‘ Bewegung, und in dieser Hinsicht war sie nie eine Sekte, wie es ihr ihre Gegner vorwarfen.”[19] [1]
Wir können zusammenfassend sagen, dass es zwei grundlegende Aspekte in der Politik der Italienischen Linken gibt, die der Tradition der Bolschewiki folgten:
Strenge bei den Zugehörigkeitskriterien zur Partei, die sich stützen auf:
+ das militante Engagement (Artikel 1 der Statuten der SDAPR),
+ die Klarheit in den programmatischen Grundlagen und der Auswahl der Militanten;
Offenheit in den Diskussionen mit anderen politischen Strömungen der Arbeiterbewegung (siehe z.B. die Beteiligung der Italienischen Linken an den Konferenzen in Frankreich zwischen 1928 und 1933 oder die fortgesetzten Diskussionen mit der Ligue des Communistes Internationalistes Belgiens [LCIB] mit der Veröffentlichung von Artikeln, die von Mitgliedern der LCIB verfasst wurden, in der Zeitschrift Bilan).
Es ist an dieser Stelle notwendig zu unterstreichen, dass es eine Verbindung zwischen der programmatischen und organisatorischen Strenge der Italienischen Linken und ihrer Bereitschaft zur Diskussion gibt: In Tradition mit den linken Strömungen verfolgte die Italienische Linke eine langfristige Arbeit, die sich auf politische Klarheit und Solidität stützte und dubiose “unmittelbare Erfolge” ablehnte, da diese den Weg zum Opportunismus erleichterten und Vorbedingung für zukünftige Niederlagen waren (“Die Ungeduld ist die Mutter des Opportunismus” so Trotzki). Die Italienische Linke hatte keine Angst, mit anderen politischen Strömungen zu diskutieren, da sie Vertrauen in die Solidität ihrer Positionen hatte.
Auch zwischen der Verwirrung und den Unklarheiten der Opportunisten sowie ihrem ‚Sektierertum‘, das im allgemeinen eher gegen die Linke als gegen die Rechte gerichtet ist, gibt es eine Verbindung.
Wenn man weiß, dass die eigenen Positionen wenig solide sind, hat man natürlich Angst, sich mit den Positionen der Linken auseinanderzusetzen, wie im Falle der Komintern nach dem 2. Weltkongress, die sich dem Zentrum gegenüber öffnete, sich aber in den Debatten mit den Linken ‚sektiererisch‘ verhielt, als sie z.B. die KAPD ausschloss. Dasselbe galt auch für Trotzkis Politik gegenüber der Italienischen Linken, die er unter bürokratischen Vorwänden aus der Internationalen Opposition ausschloss, um innerhalb der Sozialdemokratie Entrismus zu betreiben. Und für die Politik der PCInt nach 1945, als diese die Kommunistische Linke Frankreichs (GCF) ausschloss, um dann ungestört alle möglichen Leute zusammenzuführen, die noch schlimmer als opportunistisch waren und sich weigerten, ihre Fehler in der Vergangenheit zu kritisieren.
Unter den Linksoppositionen bietet uns die Italienische Fraktion eine ausgezeichnete Lektion in revolutionärer Verantwortung und Methode, indem sie sich für die Umgruppierung der Revolutionäre einsetzte, aber auch und vor allem für die Klarheit der politischen Positionen kämpfte. Die Italienische Linke hat immer auf der Notwendigkeit eines programmatischen Dokumentes gegen die Manöver bestanden, die die Linksopposition untergraben haben. Wenn es nämlich zu einem Bruch kommen sollte, sollte dieser auf der Grundlage von Texten geschehen.
Seit ihrer Gründung im 1. Weltkrieg in den Reihen der II. Internationale hat die Italienische Linke diese Methode angewandt. Auch gegenüber der niedergehenden Komintern von 1924 bis 1928 hat sie diese Methode benutzt, bis sie sich 1928 in Pantin (Frankreich) als Fraktion bildete. Trotzki selbst hat diese politische Ehrlichkeit gewürdigt, als er in seinem letzten Brief an die Fraktion im Dezember 1932 schrieb: “Die Spaltung von einer ehrlichen revolutionären Gruppe (von der IKS unterstrichen) wie der eurigen muss nicht notwendigerweise durch Feindseligkeiten, persönliche Angriffe oder boshafte Kritiken geprägt sein”.
Dagegen hatte die Methode Trotzkis innerhalb der Opposition nichts mit denen der Arbeiterbewegung zu tun. Der Ausschluss der Italienischen Linken verlief nach dem gleichen Schema wie in der stalinisierten Komintern, d.h. ohne offene Debatte, die diesen Ausschluss hätte rechtfertigen können. Solch ein Verhalten wurde von Trotzki nicht nur einmal an den Tag gelegt, denn er hat oft Abenteurer unterstützt, die sein Vertrauen erschlichen hatten. Aber all die revolutionären Gruppen wie die belgische, deutsche und spanische Linke und all die ehrenhaften revolutionären Militanten wie Rosmer, Nin, Landau und Hennaut wurden einer nach dem anderen ausgeschlossen oder beiseite gedrängt, bis die Internationale Opposition eine rein “trotzkistische “ Strömung geworden war.[20] [1]
Auf diesem Dornen reichen Weg der Verteidigung des Erbes des Marxismus und ihrer politischen Identität ist die Italienische Linke international zu jener politischen Strömung geworden, die die Notwendigkeit einer kohärenten Partei am besten ausgedrückt hat, einer Partei, aus der die Unentschiedenen und Zentristen ausgeschlossen bleiben, die aber gleichzeitig die große Fertigkeiten darin entwickelt, eine Umgruppierungspolitik der revolutionären Kräfte voranzutreiben, weil sie sich stets auf die Klarheit der Positionen und der Arbeitsmethoden gestützt hat.
Wird das IBRP (und vor ihm die PCInt seit 1943) – das sich als der einzig wirkliche politische Erbe der Italienischen Linken darstellt – wirklich den Ansprüchen seiner politischen Vorfahren gerecht? Sind seine Eintrittsbedingungen wirklich so streng, wie sie von Lenin seinerzeit verlangt wurden? Ehrlich gesagt, scheint uns das nicht der Fall zu sein. Die ganze Geschichte dieser Gruppe wird von verschiedenen Episoden des “Opportunismus in Organisationsfragen” geprägt, und statt vielmehr die Orientierungen umzusetzen, die man zu unterstützen vorgibt, betreibt das IBRP in Wirklichkeit eine Politik, die der niedergehenden Komintern und der Trotzkisten viel näher steht. Wir wollen hier nur einige symptomatische historische Beispiele zur Verdeutlichung desselben aufgreifen.
1943 wurde in Norditalien die Internationalistische Kommunistische Partei (PCInt) gegründet. Diese Nachricht weckte große Hoffnungen, und die Führung der neuen Partei wurde auf breiter Front vom Opportunismus übermannt. Dies fing damit an, dass Elemente in Massen dem PCInt beitraten, die aus dem Partisanenmilieu[21] [1] oder aus verschiedenen Gruppen aus dem Süden stammten, unter ihnen etliche aus der SP oder der KP, andere gar aus den Reihen der Trotzkisten, ganz zu schweigen von einer Reihe von Militanten, die zuvor offen mit dem programmatischen und organisatorischen Rahmen der Italienischen Linken gebrochen hatten, um sich in konterrevolutionäre Abenteuer zu stürzen, wie im Falle der Minderheit der Auslandsfraktion des PCI, die sich 1936 am Spanienkrieg beteiligte, oder wie Vercesi, der 1943 in der ‚Antifaschistischen Koalition” in Brüssel mitgewirkt hatte.[22] [1]
Natürlich wurde keiner dieser Genossen, die der neuen Partei beigetreten waren, um Rechenschaft über seine frühere politische Aktivität gebeten. Und was soll man davon halten, dass Bordiga selbst, entgegen dem Geist und den Worten Lenins, sich an den Aktivitäten der Partei bis 1952[23] [1] beteiligte, ihre politische Linie mit inspirierte, sogar eine politische Plattform verfasste und die Partei anerkannte - ohne Mitglied der Partei zu sein?
Es war die französische Fraktion der kommunistischen Linken (Fraction française de la Gauche Communiste – FFGC, Internationalisme), die in dieser Phase das Erbe der kommunistischen Linken fortsetzte, als sie die politischen Lehren der italienischen Fraktion (Bilan) aufgriff und weiter verfeinerte. Es war die FFGC, die gegenüber dem PCInt das Problem des Beitritts von Vercesi und der Minderheit von Bilan aufwarf, weil von ihnen niemals Rechenschaft über ihre früheren politischen Fehler verlangt worden war; sie brachte auch das Problem der Parteigründung in Italien zur Sprache, die stattfand, ohne die während der zehn vorausgegangenen Jahre erarbeitete Bilanz der Fraktion zu berücksichtigen.
1945 wurde ein internationales Büro unter Beteiligung des PCInt, der belgischen Fraktion und einer “parallelen” französischen Fraktion der FFCG, die “FFCGbis”, gegründet. In Wirklichkeit hatte sich diese “FFGCbis” aus einer Abspaltung zweier Individuen gebildet, die, der Exekutivkommission der FFGC angehörend, Kontakt zu Vercesi in Brüssel aufgenommen hatten und sich wahrscheinlich von seinen Argumenten hatten überzeugen lassen, nachdem sie selbst zuvor, Anfang 1945, dessen sofortigen Ausschluss ohne Diskussion unterstützt hatten.[24] [1]
Das eine Mitglied, Suzanne, war sehr jung und unerfahren, während das andere aus der spanischen POUM stammte (später trat er Socialisme ou Barbarie bei). Die “FFGCbis” “verstärkte” sich später durch den Eintritt von Mitgliedern der Minderheit von Bilan und der alten Union Communiste (Chazé, etc), die von der Fraktion wegen ihrer Konzessionen an den Antifaschismus während des Spanienkrieges kritisiert worden waren.
In Wirklichkeit diente die Gründung dieser “parallelen” Fraktion dazu, die Glaubwürdigkeit von Internationalisme zu untergraben. Wir sehen, die Geschichte wiederholt sich, da die PCInt das gleiche Manöver vollzog wie 1930, als sie innerhalb der Opposition gegen die italienische Fraktion die “Neue Italienische Opposition” (NOI) bildete, eine aus ehemaligen Stalinisten bestehende Gruppe, die nur zwei Monate vorher die Finger mit im Spiel hatte, als Bordiga aus der KPI ausgeschlossen wurde, und deren politische Funktion nur in ihrer provozierenden Konkurrenz zur Fraktion bestand.
Am 28. November 1946 richtete die GCF einen Brief an die PCInt, der mit einem Anhang versehen war, in dem sie eine Liste aller zu diskutierenden Fragen aufführte und eine Reihe von Verfehlungen aufzählt, für die verschiedene Teile der italienischen Linkskommunisten während des Krieges verantwortlich waren (Internationalisme Nr. 16).
Diesem zehn Seiten langen Brief antwortet die PCInt sehr lapidar mit folgenden Worten: “Sitzung des Internationalen Büro in Paris: Euer Brief, der erneut die ständige Verdrehung der Tatsachen und politischen Positionen sowohl des PC Italiens als auch der belgischen und französischen Fraktionen zum Inhalt hat, zeigt, dass ihr keine revolutionäre politische Organisation seid und dass eure Aktivitäten sich darauf beschränken, Verwirrung zu stiften und unsere Genossen zu besudeln. Daher haben wir einstimmig eure Bitte um Beteiligung am internationalen Treffen der Organisationen der GCI abgelehnt.”
Es stimmt, die Geschichte wiederholt sich als Farce. Auf dieselbe bürokratische Weise, mit der sie 1926 aus der Komintern ausgeschlossen worden war, wurde die GCI 1933 auch aus der Linksoppposition ausgeschlossen (siehe unsere Broschüre zur Italienischen Linken); schließlich schloss die GCI ihrerseits unter bürokratischen Vorwänden die französische Fraktion aus ihren Reihen aus, um der politischen Konfrontation auszuweichen.
Der Eklektizismus in den Positionen bedeutet, dass auf internationaler Ebene die Methode des ‚Herr im eigenen Haus‘ herrschte. Mit der Spaltung von 1952 nahmen die Bordigisten eine Position der “Unnachgiebigkeit” ein – allerdings nur in der Form einer Karikatur. Einerseits verweigerte man jede Diskussion ; andererseits öffnete man sich nach allen Seiten, wie im Herbst 1956, als die PCInt (Battaglia Comunista) mit den GAAP[25] [1], den Trotzkisten der Groupes Communistes Révolutionnaires und Action Communiste[26] [1] eine “Bewegung für die Kommunistische Linke” gründeten, deren markanteste Merkmale Heterogenität und Verwirrung waren. Diese vier Gruppen wurden von Bordiga ironisch das “Vierblättrige Kleeblatt” genannt.
Anfang 1976 haben die Genossen von Battaglia Comunista den “internationalen Gruppen der kommunistischen Linken” einen “Initiativvorschlag” unterbreitet, in dem sie dazu einluden:
- eine internationale Konkurrenz abzuhalten, um zu sehen, wo die Gruppen stehen, die sich auf den internationalen Linkskommunismus berufen;
- ein internationales Kontakt- und Diskussionszentrum zu schaffen.
Die IKS hat sich voller Überzeugung an der Konferenz beteiligt. Dabei haben wir jedoch die Festlegung von politischen Minimalkriterien für die Beteiligung verlangt. Die Genossen von Battaglia Comunista, die offensichtlich eine andere Art von Konferenzen gewohnt sind (siehe oben), zögerten bei der Festlegung von aus ihrer Sicht zu strengen Abgrenzungen: Sie befürchteten offenbar, einige Gruppen dadurch die Tür zu verschließen.
Die erste Konferenz fand im Mai 1977 in Mailand statt, wobei sich nur zwei Gruppen beteiligten – BC und die IKS. Aber BC verweigerte jede öffentliche Erklärung und wollte auch jene Gruppen nicht kritisieren, die sich trotz Einladung nicht an der Konferenz beteiligen wollten.
Ende 1978 fand die zweite Konferenz, diesmal in Paris, statt, an der sich mehrere Gruppen beteiligten. Am Ende der Konferenz kam die Frage der Teilnahmekriterien zur Sprache, aber diesmal schlug BC strengere Kriterien vor: “Die Kriterien müssen ermöglichen, die Rätekommunisten von diesen Konferenzen auszuschließen, und wir müssen deshalb auf der Anerkennung der historischen Notwendigkeit der Partei als wesentliches Kriterium bestehen.” Darauf antworteten wir, indem wir an “unsere Betonung der Notwendigkeit von Kriterien auf der ersten Konferenz (erinnerten). Wir meinen heute, dass die Hinzufügung von zusätzlichen Kriterien nicht angebracht ist. Wir sagen das nicht, weil es an Klarheit mangelte, und auch nicht hinsichtlich der Frage der Kriterien bezüglich der nationalen oder der Gewerkschaftsfrage, sondern weil dies verfrüht ist. In der gesamten revolutionären Bewegung gibt es in diesen Fragen noch sehr viel Verwirrung; und die NCI besteht zu Recht auf die dynamische Entwicklung der politischen Gruppen, die wir verfrüht ausschließen würden.”[27] [1]
In der ersten Hälfte des Jahres 1980 tagte die dritte und letzte internationale Konferenz[28] [1], deren Atmosphäre von Anfang an ihren späteren Ausgang vorweg nahm. Abgesehen vom Interesse am Diskussionsthema war auf dieser Konferenz die deutliche Absicht seitens BC zu spüren, die IKS von weiteren Konferenzen auszuschließen. BC war jedes Mittel recht, einen Vorwand zu finden, um die Konferenz zur Annahme eines noch strengeren und noch selektiveren Kriteriums zu bewegen, mit dem Ziel, die IKS definitiv auszuschließen. Der Hintergrund war, dass BC die IKS immer weniger als eine Gruppe des gleichen Lagers betrachtete, mit der sie zu einer Klärung gelangen könnte, die für alle Genossen und die neuen, in der Entstehung befindlichen Gruppen vorteilhaft wäre, sondern als einen gefährlichen Konkurrenten, der Letztere für sich vereinnahmen könnte.
So gelangte man also von der Gleichgültigkeit gegenüber den politischen Teilnahmekriterien auf der ersten Konferenz zur Erzwingung von Kriterien auf der dritten Konferenz, die absichtlich für den Ausschluss der IKS, d.h. des linken Flügels innerhalb der Konferenz, geschaffen wurden. Die dritte Konferenz war eine Wiederauflage des Ausschlusses der GCF von 1945 und damit die Fortsetzung früherer Episoden des Ausschlusses der Italienischen Linkskommunisten aus der Komintern (1926) und der Opposition (1933).
Die politische Verantwortung, die BC (und die CWO) dabei übernahm, ist gewaltig: Nur einige Monate später, im August 1980, brach der Massenstreik in Polen aus, doch diese einmalige Gelegenheit verstrich, ohne dass die Gesamtheit der linkskommunistischen Gruppen sich zu einer abgestimmten Intervention aufraffen konnte, von der das Weltproletariat hätte profitieren können.
Aber die Geschichte geht noch weiter. Einige Zeit später haben BC und die CWO, die zeigen wollten, dass sie die Konferenzserie und vier Jahre internationaler Arbeit nicht grundlos abgebrochen hatten, eine vierte Konferenz organisiert, an der neben ihnen eine sogenannte Revolutionäre Gruppe aus dem Iran teilnahm, vor der wir im übrigen BC gewarnt hatten. Nur einige Jahre später gestand das IBRP ein, dass diese iranische Gruppe alles andere als revolutionär war.
So kommen wir nun zu den letzten Jahren, wo wir von einer gewissen, sicher noch schwachen, aber ermutigenden Öffnung hin zum Dialog und zur Auseinandersetzung innerhalb des proletarischen politischen Lagers sprechen konnten[29] [1]. Der in gewisser Hinsicht sicherlich interessanteste Aspekt war der Anfang gemeinsamer Interventionen von IKS und IBRP (insbesondere unter Beteiligung ihres Bestandteils in England – der CWO). Es wurden gemeinsam abgesprochene Interventionen in Debatten durchgeführt (wenn sie nicht gar gemeinsam stattfanden), wie z.B. auf den Konferenzen über Trotzki, die in Russland stattfanden, auf einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung zur Russischen Revolution von 1917 in London oder bei der gemeinsamen Verteidigung gegen die Angriffe bestimmter parasitärer Gruppierungen usw. Wir haben diese Interventionen immer ohne Hintergedanken durchgeführt, ohne die Absicht, irgend jemanden zu vereinnahmen oder innerhalb des IBRP, zwischen die CWO und BC, einen Keil zu treiben. Dabei waren wir immer besorgt wegen der Diskrepanz zwischen der größeren Offenheit der CWO und der “schweigenden Abwesenheit” von BC. Schließlich beschloss BC, dass das Maß voll sei, zog die Zügel an und rief seine Partner zur Einhaltung der Partei- pardon, Bürodisziplin auf. Nun vollzog die CWO eine Kehrtwendung, denn alles, was sie zuvor für vernünftig und normal hielt, wurde nunmehr als inakzeptabel angesehen. Vorbei die Abstimmung bei der Arbeit gegenüber Russland, vorbei die gemeinsamen öffentlichen Veranstaltungen usw. Das IBRP übernimmt damit erneut eine schwere Verantwortung, denn aufgrund seines kleinkrämerischen Opportunismus musste das Weltproletariat in einem der schwierigsten Momente der gegenwärtigen Zeit, dem Kosovokrieg, reagieren, ohne dass seine Avantgarde es geschafft hätte, eine gemeinsame Stellungnahme abzugeben.
Um das ganze Ausmaß des Opportunismus des IBRP bei seiner Verweigerung gegenüber dem Vorschlag der IKS, einen gemeinsamer Aufruf gegen den Krieg zu verfassen, zu erkennen, ist es aufschlussreich, einen Artikel von BC, der im November 1995 unter der Überschrift “Irrtümer gegenüber dem Balkankrieg” geschrieben wurde, zu zitieren. BC berichtete darin, dass es von der OCI (Organizzazione Comunista Internazionale /Che Fare) eine(n) Brief/Einladung zu einer nationalen Versammlung in Mailand gegen den Krieg erhalten habe. BC meinte, dass “der Inhalt des Briefes interessant und wesentlich verbessert worden ist im Vergleich zu den Positionen der OCI gegenüber dem Golfkrieg, ihrer ‚Unterstützung für das vom Imperialismus angegriffene irakische Volk‘ und ihrer sehr polemischen Haltung in der Diskussion unserer angeblichen Indifferenz.” Der Artikel führt dann weiter aus. “Es fehlt der Bezug auf die Krise des Akkumulationszyklus (...) und die wesentliche Analyse ihrer Auswirkungen in der jugoslawischen Föderation. (...) Aber dies scheint kein Hindernis zu sein für eine mögliche gemeinsame Initiative derjenigen, die sich auf dem Klassenterrain gegen den Krieg stellen.” (Hervorhebung von uns) Vor gerade einmal vier Jahren wollte BC in einer Lage, die weniger ernst war als zur Zeit des Kosovokrieges, eine gemeinsame Initiative mit einer mittlerweile völlig konterrevolutionär gewordenen Gruppe[30] [1] ergreifen, um ihre aktivistischen Bestrebungen auszutoben, schreckte aber nicht davor zurück, Nein zur IKS zu sagen - unter dem Vorwand, dass unsere Positionen zu weit von ihren entfernt seien. Das nennt man Opportunismus.
In diesem Artikel wollten wir auf die These des IBRP antworten, wonach Organisationen wie unsere “der Methode und den Arbeitsperspektiven, die zur Bildung der zukünftigen revolutionären Partei beitragen”, fern stehen. Zu diesem Zweck haben wir zwei Ebenen aufgegriffen, auf denen sich die Organisationsfrage stellt. Auf diesen beiden Ebenen haben wir gezeigt, dass das IBRP (und nicht die IKS) von der Tradition der italienischen und internationalen Linkskommunisten abweicht. Der Eklektizismus des IBRP bei seiner Umgruppierungspolitik ähnelt eher jener Trotzkis, der sich besessen um den Aufbau seiner IV. Internationale bemüht hatte. Die Methode der IKS stützt sich dagegen auf die der Italienischen Fraktion, die immer für einen Umgruppierungsprozess auf klarer Grundlage eingetreten ist, da diese Klarheit die Bedingung ist, um die zögernden und zaudernden Elemente aus dem Zentrum zu gewinnen.
Auch wenn es den verschiedenen selbsternannten Erben nicht gefällt, die wirkliche Kontinuität der Italienischen Fraktion wird heute von der IKS verkörpert, weil unsere Organisation sich auf all die Schlachten der 20er, 30er und 40er Jahre beruft, die Lehren daraus übernommen und fortgesetzt hat.
31.8.2000
Ezechiele
[1] [1] IBRP: Internationales Büro für die Revolutionäre Partei, eine internationale Organisation, welche die beiden Organisationen Communist Workers Organisation (CWO) und den Partito internazionalista in Italien vereinigt.
[2] [1] Veröffentlicht in Battaglia Comunista Nr. 1, Januar 2000, und in Internationalist Communist Nr. 18, Winter 2000.
[3] [1] Die Kommunistische Internationale hatte seinerzeit auch 21 Aufnahmebedingungen.
[4] [1] Vgl. unseren Artikel ”Über den Aufruf der IKS zu einer Stellungnahme gegen den Krieg in Serbien. Die kriegerische Offensive der Bourgeoisie erfordert eine gemeinsame Antwort der Revolutionäre”, Internationale Revue Nr. 24
[5] [1] Vgl. auch ”Polemik mit dem IBRP. Die marxistische Methode und der Aufruf der IKS gegenüber dem Krieg in Ex-Jugoslawien”, Internationale Revue Nr. 25
[6] [1] Es geht dabei um die Punkte 13 und 16, wo es Divergenzen gibt, die aber nicht grundlegend sind, sondern nur die Analyse der gegenwärtigen Lage betreffen.
[7] [1] Die Berichte und kritische Einschätzungen über diese Konferenzen können in verschiedenen Artikeln der Internationalen Revue und in Broschüren nachgelesen werden, die auf Bestellung erhältlich sind.
[8] [1] Thesen der Linken für den 3. Kongress der Kommunistischen Partei Italiens, Lyon, Januar 1926
[9] [1] ”Während dieser ganzen Zeit (1930), wurde Trotzki durch die Briefe von Rosmer informiert. Dieser ist gegen die Italienische Linke und ‚blockiert alle Diskussionen‘. Er kritisierte Prometeo, der zunächst vor der Gründung der Internationale nationale Sektionen bilden wollte, und er nannte das Beispiel von Marx und Engels, die” 1847 die kommunistische Bewegung mit einem internationalen Dokument zum Leben erweckt und die erste Internationale gegründet haben. “Diese Argumentation ist zu unterstreichen, da sie in der Folge immer wieder zu Unrecht gegen die Italienische Fraktion ins Feld geführt wird.” (IKS, Rapports entre la fraction de gauche du PC d’Italie et l’Opposition de la Gauche Internationale, 1929-1933, im Buch La Gauche Communiste d’Italie, in frz., engl., span. oder ital. Sprache erhältlich)
[10] [1] IBRP, ”Hin zur neuen Internationalen”, Prometeo Nr. 1, Serie VI, Juni 2000
[11] [1] IBRP, a.a.O.
[12] [1] Vgl. auch unsere allgemeine Stellungnahme zu dieser Frage im Artikel Über die Partei und ihre Beziehung zur Klasse, ein Text des 5. Kongresses der IKS, Internationale Revue Nr. 9
[13] [1] “Viele (Delegierte am Gründungskongress der KI) waren tatsächlich bolschewistische Militante: Die Kommunistische Partei Polens in vielerlei Hinsicht, diejenige Lettlands, der Ukraine, Litauens, Weißrusslands, Armeniens, die vereinigte Gruppe der Völker Ostrusslands, die Sektionen des Zentralbüros der Völker des Ostens waren unter verschiedenen Titeln letztlich Schöpfungen der Bolschewistischen Partei selber. (...) Aus dem Ausland kamen eigentlich nur die beiden Schweizer Delegierten, Fritz Platten und Kascher, der Deutsche Eberlein (...), der Norweger Stange und der Schwede Grimlund, der Franzose Guilbeaux. Doch auch bei ihnen konnte über die Repräsentanz diskutiert werden. (...) Es blieben letztlich nur die beiden Delegierten, die ein unbestreitbares Mandat hatten, der Schwede Grimlund und Eberlein.” (Der Erste Kongress der Kommunistischen Internationale, Pierre Broué: Einführung, die Ursprünge der Kommunistischen Internationale. EDI, Paris, S. 35-36)
[14] [1] Diese Kritik haben wir schon kürzlich gegenüber BC im Zusammenhang mit deren opportunistischen Methode geübt, mit der sie Beziehungen zu Elementen der GLP pflegt. Die GLP sind eine politische Gruppierung, deren Teile daran sind, mit der autonomen Bewegung zu brechen, und auf halbem Weg der Klärung angelangt sind, wobei sie immer noch eine gute Dosis ihrer ursprünglichen Verwirrung beibehalten haben: “Diese Intervention ist aber weit davon entfernt, die Klärung dieser Gruppe und die Aneignung einer revolutionären Kohärenz voranzubringen, im Gegenteil ihre mögliche Entwicklung wurde blockiert.” (aus “Die ‚Gruppen proletarischer Kampf‘: ein unvollständiger Versuch des Erreichens einer revolutionären Kohärenz”, Weltrevolution Nr. 89)
[15] [1] Das IBRP wird uns wahrscheinlich widersprechen, indem es auf das Beispiel von Gruppen verweist, die sich in den letzten Jahren dazu entschlossen haben, mit ihm zu “arbeiten”, bzw. auf eine neue Präsenz in Frankreich mit einer Publikation (Bilan et perspectives). Wir hoffen, dass sich diese neuen Kräfte anders als ihre Vorläufer halten können, doch das IBRP wird besonders wachsam sein müssen, wenn es nicht dieselben Enttäuschungen erleben will wie zuvor.
[16] [1] Der zweite Kongress der Kommunistischen Internationale, Protokoll der Verhandlungen vom 19. Juli in Petrograd und vom 23. Juli bis 7. August 1920 in Moskau, Hamburg 1921, S. 395
[17] [1] Rede von Amadeo Bordiga über die Die Aufnahmebedingungen der KI, 1920, veröffentlicht in La Sinistra Comunista nel cammino della rivoluzione, Edizioni sociali, 1976
[18] [1] Diese Politik der degenerierenden Komintern führte zur Isolierung der revolutionären Kräfte in den Parteien und hat sie der Repression und dem Massaker ausgeliefert, wie dies insbesondere in China der Fall war.
[19] [1] IKS: Die Italienische Kommunistische Linke 1927-52 (frz./engl./span./ital.)
[20] [1] aus dem Buch der IKS: Die Beziehungen zwischen der Linksfraktion der KP Italiens und der Internationalen Linksopposition, 1923-1952, das demnächst auf Französisch erscheint
[21] [1] “Die Unklarheiten über die ‚Partisanen” bei der Gründung der Internationalistischen Kommunistischen Partei in Italien”, Antwort der IKS in Revue Internationale (frz./engl./span. Ausgabe) Nr. 8 auf einen Brief von Battaglia Comunista
[22] [1] s. die Artikel “Die Wurzeln der IKS und des IBRP” in Internationale Revue Nr. 22/23 und den Artikel “Die Schatten des Bordigismus und seiner Epigonen” in Revue Internationale (frz./engl./span. Ausgabe) Nr. 95
[23] [1] das Jahr der Spaltung zwischen der heutigen Gruppe Battaglia Comunista und den ‚bordigistischen” Bestandteilen der IKP
[24] [1] IKS: Die Italienische Kommunistische Linke 1927-52
[25] [1] Einige ehemalige Partisanen, unter ihnen Crevetto, Massimi und Parodi, traten der anarchistischen Bewegung bei und versuchten in ihren Reihen als Klassentendenz tätig zu sein, als sie im Februar 1951 mit der Herausgabe der Zeitung L‘impulso die “Gruppi Anarchici di Azione Proletaria” (GAAP) gründeten.
[26] [1] AC entstand 1954 als eine Tendenz der IKP, die von Seniga, Raimondi, einem ehemaligen Partisanen, und Fortichiari, einem der Gründer der KP Italiens 1921, der der IKP nach seinem Ausschluss aus der KP beigetreten war, gebildet wurde. Seniga war ein Mitarbeiter Pietro Secchias, welcher die Gruppen links von der KP Italiens während der Resistance als “Marionetten der Gestapo” bezeichnet und dazu aufgefordert hatte, diese physisch zu eliminieren. Es handelte sich um den Zusammenschluss eines Teils von AC und den GAAP, die 1965 die Gruppe Lotta Comunista gründeten.
[27] [1] Das Protokoll der Konferenz wurde in “Vorbereitungstexte (Fortsetzung), Berichte, Korrespondenz der 2. Konferenz der Gruppen der Kommunistischen Linken”, Paris, November 1978, veröffentlicht.
[28] [1] Revue Internationale (frz./engl./span. Ausgabe) Nr. 22, 3. Quartal 1980, “3. Internationale Konferenz der Gruppen der Kommunistischen Linken” Paris, Mai 1980, “Das Sektierertum, ein Erbe der Konterrevolution, das überwunden werden muss”; s. auch das Protokoll der 3. Konferenz, das von der IKS auf Französisch als Broschüre und von BC als Sonderausgabe von Prometeo auf Italienisch herausgebracht wurde.
[29] [1] Internationale Revue Nr. 21, “6. Kongress des Partito Comunista Internazionalista - Ein Schritt vorwärts für die Kommunistische Linke”, Revue Internationale (frz./engl./span. Ausgabe) Nr. 93, “Debatten unter bordigistischen Gruppen: eine bedeutsame Entwicklung des proletarischen politischen Milieus”, Internationale Revue Nr. 95: Die Kommunistische Linke Italiens, “Zur Broschüre ‘Die Schatten des Bordigismus und seiner Epigonen‘ (Battaglia Comunista)”.
[30] [1] Es ist typisch für den Opportunismus der Genossen von BC, dass sie im Herbst 1995 erneut Verbindung zu einer Organisation aufgenommen haben, die seit mindestens fünf Jahren, seit dem Golfkrieg, nichts anderes tut, als eine imperialistische Front gegen die andere zu unterstützen, und sich direkt an der Mobilisierung des Proletariats für die imperialistischen Massaker beteiligt. Siehe dazu unsere Artikel in Rivoluzione Internazionale: “L’OCI – la calunnia è un venticello” Nr. 76, Juni 92, “Le farnetticazioni dell’OCI”, Nr. 69, April 91, außerdem: “Les poissons-chats du Golfe” in Revue Internationale (frz./engl./span. Ausgabe) Nr. 67, Dez. 90.
Durch die unverzügliche Beendigung des Krieges im November 1918, durch die Sabotage von Sozialdemokratie und Gewerkschaften in engster Abstimmung mit dem Militär und schließlich durch die Provokation eines verfrühten Aufstandes gelang es der deutschen Bourgeoisie und ihren “demokratischen” Kräften, eine erfolgreiche Machtübernahme durch die deutsche Arbeiterklasse und somit die weitere Ausdehnung der russischen Revolution zu verhindern.
Die Gründung einer Räterepublik in Ungarn im März, die Streikwelle in Frankreich im Frühjahr, die Erhebungen in der slowakischen Republik im Juni und die schweren Kämpfe in den USA und in Argentinien – alle diese Erhebungen in Europa und auf anderen Kontinenten im Jahre 1919 fanden erst statt, nachdem die Revolution in Deutschland bereits einen herben Rückschlag erlitten hatte. Da es dem Dreh- und Angelpunkt bei der weltweiten Ausdehnung der Revolution, der Arbeiterklasse in Deutschland, nicht gelang, die Kapitalistenklasse in einem schnellen Sturmlauf wegzufegen, verlor diese Welle ab 1919 langsam ihre Dynamik. Zwar leisteten die Arbeiter in einer Reihe von Konfrontationen – so in Deutschland selbst (Kapp-Putsch im März 1920), so in Italien im Herbst 1920 – noch heldenhaften Widerstand gegen die Offensive der Bourgeoisie, doch konnten diese Kämpfe die Bewegung nicht mehr vorwärts tragen.
Zuvorderst hatten es diese Kämpfe nicht vermocht, die Offensive des Kapitals gegen die isolierte russische Bastion der Weltrevolution zu durchbrechen. Im Frühjahr 1918 hatte dieselbe russische Bourgeoisie, die noch im Oktober 1917 so schnell und nahezu gewaltlos davongejagt worden war, mit der Unterstützung von 14 Armeen der “demokratischen” Staaten begonnen, einen Bürgerkrieg gegen die russische Revolution zu entfachen. In einem mehr als dreijährigen Krieg, bei gleichzeitiger Wirtschaftsblockade mit dem Ziel des Aushungerns, wurde die russische Arbeiterklasse von den “weißen” Armeen der kapitalistischen Staaten ausgeblutet. Zwar blieb die militärische Offensive der “Roten Armee” im Laufe dieses Krieges siegreich, doch wurden die russischen Arbeiter zu einem Krieg gezwungen, in dessen Verlauf sie isoliert sengenden und mordenden imperialistischen Armeen gegenüberstanden. Am Ende der jahrelangen Blockade und des Bürgerkrieges, Ende 1920, war die russische Arbeiterklasse ausgeblutet (eine Million Tote in ihren Reihen), erschöpft und vor allem politisch enorm geschwächt.
Ende 1920, als die deutschen Arbeiter bereits ihre erste Niederlage eingesteckt hatten, als die italienischen Arbeiter in die Falle der Fabrikbesetzungen gelaufen waren, als die Rote Armee auf ihrem Vormarsch in Polen zurückgeschlagen worden war, wurde den Kommunisten klar, dass die Hoffnung auf eine schnelle Ausdehnung der Revolution sich nicht erfüllen sollte. Auch die Kapitalistenklasse spürte, dass die unmittelbare Todesgefahr, die die Erhebung der deutschen Arbeiterklasse für sie bedeutete, einstweilen gebannt war.
Die Ausdehnung der revolutionären Welle war vor allem vereitelt worden, weil die Kapitalistenklasse rasch die Lehren aus der Machtergreifung durch die russischen Arbeiter gezogen hatte.
Die historische Erklärung sowohl der explosiven Entwicklung der Revolution als auch ihrer schnellen Niederlage liegt in der Tatsache begründet, dass diese revolutionäre Welle, entgegen der Erwartung von Marx, nicht aus einer allgemeinen Wirtschaftskrise, sondern aus einem imperialistischen Krieg hervorgegangen war. Anders als 1939 war die Arbeiterklasse vor dem I. Weltkrieg nicht entscheidend geschlagen worden. So war sie, trotz des gegenseitigen Abschlachtens an der Front, in der Lage, eine revolutionäre Antwort auf die vom Imperialismus verursachte Barbarei zu liefern. Doch dem Krieg und der Fortsetzung der Massaker konnte nur ein Ende gemacht werden, indem die Arbeiterklasse schnell und entschlossen die Macht ergriff. Daher hatte sich die Revolution, sobald sie einmal ausgelöst war, mit großer Schnelligkeit entwickelt und ausgeweitet. Infolgedessen erwartete das revolutionäre Lager zumindest in Europa einen schnellen Erfolg der Revolution.
Nun ist die Bourgeoisie zwar unfähig, die Wirtschaftskrise ihres Systems zu beenden, doch ist sie allemal in der Lage, einen imperialistischen Krieg zu beenden, sofern die Revolution droht. Und genau dies tat sie, als die revolutionäre Welle im November 1918 das Herz des Weltproletariats, die deutsche Arbeiterklasse, erreicht hatte. Auf diese Weise vermochten die Ausbeuter die Dynamik der revolutionären Ausdehnung zu bremsen.
Die Bilanz der revolutionären Welle von 1917 bis 1923 zeigt sehr deutlich, dass der Weltkrieg schon lange vor der Entwicklung der Atomwaffen mit ihrem zerstörerischen Potenzial relativ ungünstige Rahmenbedingungen für den Erfolg der proletarischen Revolution schuf. Wie Rosa Luxemburg in der Junius-Broschüre aufzeigte, bedeutete das Abschlachten von Millionen von Arbeitern, auch und gerade der Erfahrensten und Bewusstesten unter ihnen, in einem modernen Krieg eine unmittelbare Bedrohung der Grundlagen für den Sieg des Sozialismus. Darüber hinaus schafft der Krieg unterschiedliche Kampfbedingungen für die Arbeiter – je nachdem, ob sie in einem Siegerland, einem neutralen oder einem besiegten Land leben. Es war kein Zufall, dass die revolutionäre Welle am stärksten in den besiegten Ländern, in Russland, Deutschland, Österreich-Ungarn, aber auch in Italien (das nur formell dem Lager der Sieger angehörte), zum Ausdruck kam und weit weniger stark war in Ländern wie Frankreich, England und den USA. Den Siegermächten gelang es nicht nur, ihre Wirtschaft durch Beutegut aus den besiegten Ländern zu stabilisieren, sondern sie vermochten auch viele Arbeiter mit dem Bazillus der ‚Siegeseuphorie‘ zu infizieren. In gewisser Weise gelang es ihnen sogar, das Feuer des Chauvinismus neu zu entfachen. So richtete das nationalistische Gift, das während des Krieges von der herrschenden Klasse gegen die weltweite Solidarität mit der Oktoberrevolution und gegen den wachsenden Einfluss der internationalistischen Revolutionäre verbreitet wurde, noch nach Beginn der Revolution große Schäden an. Die revolutionäre Bewegung in Deutschland liefert hierfür klare Beweise: der Einfluss des extremistischen Nationalismus, für den die “Nationalbolschewisten” unter dem Etikett des “Linkskommunismus” während des Krieges in Hamburg eintraten und antisemitische Flugblätter gegen die Spartakisten verteilten, weil diese eine internationalistische Position verteidigten; die patriotischen Gefühlsaufwallungen, die nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrages aufgekommen waren; der nach der Ruhrgebietsbesetzung von 1923 gegen Frankreich gerichtete Chauvinismus usw. Wie wir in weiteren Folgen dieser Artikelserie zeigen werden, schickte sich die Kommunistische Internationale in ihrer opportunistischen Niedergangsphase an, diese Welle des Nationalismus noch zu übertreffen, statt ihr entgegenzutreten.
Aber die Intelligenz und Hinterlist der deutschen Bourgeoisie wurde nicht nur darin deutlich, dass sie sofort den Krieg beendete, nachdem die Arbeiter zum Sturm gegen den bürgerlichen Staat antraten. Im Gegensatz zur russischen Arbeiterklasse, die es mit einer unerfahrenen und schwachen Bourgeoisie zu tun hatte, stand die deutsche Arbeiterklasse einer vereinten Front des Kapitals, mit der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften als Speerspitze, gegenüber.
Unter Ausnutzung der noch vorhandenen demokratischen Illusionen unter den Arbeitern und der durch das Kriegsende eingetretenen Spaltung zwischen “Siegermächten” und “Besiegten” vermochte die Kapitalistenklasse mit einer Reihe von politischen Schachzügen und Provokationen die Arbeiterklasse in die Sackgasse zu führen und zu besiegen.
Die Ausdehnung der Revolution war gestoppt worden. Die Bourgeoisie konnte, nachdem sie die erste Welle von Erschütterungen überlebt hatte, zur Offensive übergehen. Sie setzte alles daran, das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten zu wenden. Untersuchen wir, wie die Revolutionäre auf den Rückzug des Klassenkampfes reagierten und welche Konsequenzen dies für die Arbeiterklasse in Russland hatte.
Nachdem die deutsche Arbeiterklasse im November 1918 in Bewegung geraten war, ergriffen die Bolschewiki bereits einen Monat später die Initiative, um eine internationale Konferenz einzuberufen. Damals gingen die meisten Revolutionäre davon aus, dass die Machtergreifung in Deutschland ähnlich schnell und erfolgreich durchgeführt werden könne wie in Russland. So wurde im Einladungsschreiben der Tagungsort Deutschland (legal) bzw. Holland (illegal) für den 1. Februar 1919 ins Auge gefasst. Niemand dachte zur damaligen Zeit daran, die Konferenz in Moskau abzuhalten. Erst die Niederschlagung der Berliner Arbeiter im Januar, die Ermordung der revolutionären Führer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und die damit verbundene Repression der sozialdemokratisch angeführten Freikorps gegen die Revolutionäre machten ein Treffen in Berlin unmöglich. Erst daraufhin wurde Moskau als Tagungsort ins Spiel gebracht. Als im März 1919 die Komintern gegründet wurde, schrieb Trotzki in der Iswestija: “Wenn sich heute das Zentrum der Internationalen in Moskau befindet, so wird es morgen – wir sind davon zutiefst überzeugt – sich gegen Westen, in Richtung Berlin, Paris, London verlagern.” (29. April 1919)
Gemäß aller revolutionären Organisationen sollte die Politik der Kommunistischen Internationale von den Interessen der Weltrevolution bestimmt werden. Die ersten Debatten auf dem Kongress waren durch die Situation in Deutschland geprägt. Im Vordergrund stand die Rolle der Sozialdemokratie bei der Niederschlagung der Arbeiterkämpfe im Januar und die Notwendigkeit, diese Partei als eine kapitalistische Partei zu bekämpfen.
Trotzki schrieb im oben zitierten Artikel ferner: “Das revolutionäre ‚Erstgeburtsrecht‘ des russischen Proletariats ist nur vorübergehend (...) Die Diktatur des russischen Proletariats wird erst endgültig abgeschafft und sich in einen tatsächlichen allgemeinen sozialistischen Aufbau verwandeln können, wenn die europäische Arbeiterklasse uns vom wirtschaftlichen und vor allem militärischen Joch der europäischen Bourgeoisie befreien wird (...)” (Trotzki, Iswestija, 29. April / 1. Mai 1919) Und: “Wenn sich die Völker Europas nicht erheben und den Imperialismus zerschmettern, werden wir zerschmettert werden – das steht außer Zweifel. Entweder die russische Revolution entfesselt den Wirbelsturm des Kampfes im Westen – oder die Kapitalisten aller Länder ersticken unseren Kampf.” (II. Weltkongress)
Nachdem binnen kürzester Zeit etliche Parteien der Komintern beigetreten waren, stellte man auf dem II. Weltkongress fest: “(...) unter gewissen Umständen kann für die Komintern die Gefahr entstehen, dass sie durch wankelmütige Gruppen verwässert wird, die eine Politik der Halbheiten treiben und sich von der Ideologie der 2. Internationalen noch nicht frei gemacht haben (...) Deshalb erachtet es der II. Weltkongress der Komintern für notwendig, ganz genaue Bedingungen für die Aufnahme von neuen Parteien festzusetzen.”
Auch wenn die Komintern in der Hitze des Feuers gegründet wurde, machte sie in den zentralen Themen wie der Ausdehnung der Revolution, der Machtübernahme, der schärfsten Abgrenzung von der Sozialdemokratie oder der Entlarvung der bürgerlichen Demokratie klare Aussagen. Dagegen ließ sie Fragen wie die Gewerkschafts- oder Parlamentarismusfrage offen.
Die Mehrheit in der Komintern trat für die Teilnahme an den Parlamentswahlen ein. Gleichwohl gab es keine ausdrückliche Verpflichtung dazu, da eine starke Minderheit (insbesondere die Gruppe um Bordiga, die damals unter dem Namen ‚Abstentionistische Fraktion‘ bekannt wurde) sich vehement gegen diese Orientierung ausgesprochen hatte.
Dagegen verpflichtete die Komintern ihre Mitglieder zur Arbeit innerhalb der Gewerkschaften. Die KAPD-Delegierten, die in völlig verantwortungsloser Manier bereits vor der Eröffnung des Kongresses wieder abgereist waren, versäumten es, es den italienischen Genossen gleich zu tun und ihren Standpunkt zu diesen Fragen auf dem Kongress vorzubringen.
Dreh- und Angelpunkt der Debatte, die schon vor dem Kongress mit der Veröffentlichung von Lenins Werk Der Linksradikalismus – Kinderkrankheit des Kommunismus eingeleitet worden war, war die Frage der Kampfmethoden in der neuen Ära der kapitalistischen Dekadenz. In dieser politischen Auseinandersetzung entstand der Linkskommunismus.
Hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Kämpfe verbreitete der II. Kongress noch Optimismus. Alle erwarteten im Sommer 1920 ein weiteres Anwachsen der revolutionären Kämpfe. Doch nach der Niederlage im Herbst 1920 sollte sich das Blatt wenden.
In den “Thesen zur Weltlage und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale” auf dem III. Weltkongress analysierte die Komintern die Lage folgendermaßen: “Während des Jahres zwischen dem II. und III. Kongress der Komintern endete eine Reihe von Aufständen und Kämpfen der Arbeiterklasse z.T. mit Niederlagen (die Offensive der Roten Armee gegen Warschau im August 1920, die Bewegung des italienischen Proletariats im September 1920, der Aufstand der deutschen Arbeiter im März 1921). Die erste Periode der revolutionären Bewegung nach dem Kriege (...) erscheint als im Wesentlichen abgeschlossen. Die Führer der Bourgeoisie (...) sind in allen Ländern zur Offensive gegen die Arbeitermassen übergegangen. Infolgedessen stellt die Kommunistische Internationale sich und der ganzen Arbeiterklasse folgende Fragen: In welchem Ausmaß entspricht das neue politische Verhältnis der Bourgeoisie zum Proletariat dem tatsächlichen Kräfteverhältnis? Ist die Bourgeoisie wirklich nahe daran, das soziale Gleichgewicht wiederherzustellen, das durch den Krieg zerstört worden ist? Ist es begründet anzunehmen, dass anstelle politischer Erschütterungen und Klassenkämpfe eine neue, lang andauernde Epoche der Wiederherstellung und des Wachstums des Kapitalismus eintreten werde? Folgt daraus nicht die Notwendigkeit der Revision des Programms oder der Taktik der Kommunistischen Internationalen?” (S. 9)
Und in den Thesen über die Taktik wurde folgende Vorgehensweise vorgeschlagen: “Die Weltrevolution (...) wird eine längere Periode von revolutionären Kämpfen in Anspruch nehmen (...) Die Weltrevolution ist kein gradlinig fortschreitender Prozess.”
Die Komintern versuchte auf verschiedene Weise, sich auf diese neue Situation einzustellen.
In einem früheren Artikel sind wir bereits auf die sogenannte Offensivtheorie eingegangen.
Ein Teil der Komintern und große Kreise der Revolutionäre in Deutschland drängte auf eine “Offensive”, auf einen “Befreiungsschlag” zugunsten Russlands. Diese Kräfte ummantelten ihre abenteuerlichen Handlungen mit einer “Offensivtheorie”, derzufolge die Partei, wenn sie nur entschlossen und mutig genug sei, sich ungeachtet des Kräfteverhältnisses und der Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse in ihrer Gesamtheit in einen Ansturm auf das Kapital stürzen könne.
Doch die Geschichte hat gezeigt, dass man die proletarische Revolution nicht künstlich entfachen und die mangelnde Initiative und fehlende Kampfbereitschaft der Klasse nicht durch die Partei ersetzen kann. Auch wenn die Komintern auf ihrem III. Weltkongress im Juli 1921 das Abenteurertum der KPD schließlich verwarf, so benutzte sie dennoch selbst opportunistische Mittel, um größeren Einfluss unter den rückständigen Arbeitern zu erlangen. “‘Zu den Massen‘ – das ist die erste Kampflosung, die der III. Kongress den Kommunisten aller Länder zuruft.” Wenn die Massen weiter auf der Stelle träten, müsse man sich eben selbst zu den Massen hin bewegen.
Um einen größeren “Masseneinfluss” zu erlangen, hatte die Komintern im Herbst 1920 auf die Gründung von Massenparteien in etlichen Ländern gedrängt. In Deutschland wurde im Dezember 1920 der linke Flügel der zentristischen USPD mit der KPD zur VKPD zusammengeschlossen (die somit etwa 400.000 Mitglieder umfasste); im Herbst 1920 wurde die tschechische KP mit 350.000 Mitgliedern und die französische KP mit ca. 120.000 Mitgliedern in die Komintern aufgenommen.
“Die Komintern hat vom ersten Tage ihrer Bildung an klar und unzweideutig sich zum Zwecke gesetzt nicht die Bildung kleiner, kommunistischer Sekten, (...) sondern die Teilnahme an dem Kampfe der Arbeitermassen, die Leitung dieses Kampfes in kommunistischem Sinne und die Bildung im Kampfe erprobter, großer revolutionärer, kommunistischer Massenparteien. Die Komintern hat schon im ersten Jahre ihrer Existenz die sektiererischen Tendenzen abgelehnt, indem sie die ihr angeschlossenen Parteien – mochten sie noch so klein sein – aufforderte, sich an den Gewerkschaften zu beteiligen, um deren reaktionäre Bürokratie von innen heraus zu überwinden und die Gewerkschaften zu revolutionären Massenorganisationen des Proletariats, zu Organen seines Kampfes zu machen. (...) Auf ihrem II. Weltkongress hat die Komintern die sektiererischen Tendenzen in ihren Resolutionen über die Gewerkschaftsfrage und über die Ausnützung des Parlamentarismus offen abgelehnt (...) Der deutsche Kommunismus wurde dank der Taktik der Komintern (revolutionäre Arbeit in den Gewerkschaften, Offener Brief usw.) (...) zu einer großen, revolutionären Massenpartei (...) In der Tschechoslowakei ist es den Kommunisten gelungen, die Mehrheit der politisch organisierten Arbeiter auf ihre Seite zu bringen (...) Die sektiererischen kommunistischen Gruppen (wie die KAPD usw.) konnten dagegen auf ihrem Wege nicht die geringsten Erfolge erreichen.” (“Thesen zur Taktik”, S. 37)
Die Auseinandersetzung über die Mittel des Kampfes und über die Möglichkeit der Existenz einer Massenpartei im neuen Zeitalter der kapitalistischen Dekadenz hatte schon auf dem Gründungsparteitag der KPD im Dezember 1918/Januar 1919 begonnen. Schon damals ging es um die Frage, ob die Kommunisten auch weiterhin in den Gewerkschaften arbeiten und das Parlament als Tribüne verwenden können.
Auch wenn Rosa Luxemburg in der Debatte des Gründungsparteitages über die Gewerkschafts- und Parlamentarismusfrage noch für eine Mitarbeit in diesen Institutionen gestimmt hatte, so bewies sie dennoch einen außerordentlichen Weitblick, als sie erkannte, dass neue Kampfbedingungen entstanden waren, unter denen die Revolutionäre nur mit großer Ausdauer und ohne jegliche naive Hoffnung auf eine “schnelle” Lösung ihrer Arbeit nachgehen können. Den Kongress vor Ungeduld und überstürztem Handeln warnend, betonte sie mit Nachdruck: “Wenn ich es so schildere, nimmt sich der Prozess vielleicht etwas langwieriger aus, als man geneigt wäre, ihn sich im ersten Moment vorzustellen.” Noch in ihrem letzten Artikel für die Rote Fahne vor ihrer Ermordung warnte sie: “Aus alledem ergibt sich, dass auf einen endgültigen, dauernden Sieg in diesem Augenblick noch nicht gerechnet werden konnte.” (Die Ordnung herrscht in Berlin)
Die Analyse der aktuellen Lage und die Einschätzung des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Kommunisten. Wenn sie dieser Verantwortung nicht gerecht werden und einen Sturm erwarten, wo doch alles bereits wieder abflaut, besteht die Gefahr, voller Ungeduld abenteuerlichen Aktionen anheim zu fallen und danach zu trachten, die reale Klassenbewegung durch künstlich stimulierte Versuche zu ersetzen.
Auf dem Heidelberger Parteitag der KPD im Oktober 1919 hatte die Führung um Levi angesichts des ersten Abebbens der Kämpfe in Deutschland gegen das Mehrheitsvotum vorgeschlagen, die KPD solle, um ihren Einfluss auf die Arbeitermassen zu vergrößern, ihre Arbeit darauf ausrichten, in die Gewerkschaften und Parlamente einzudringen. Keine zwei Jahre später sollte auf dem III. Weltkongress der Komintern erneut diese Debatte stattfinden.
Die italienische Linke um Bordiga hatte schon auf dem II. Weltkongress heftig die Teilnahme am Parlamentarismus attackiert (s. Thesen zum Abstentionismus) und vor dieser Ausrichtung gewarnt, da sie ein fruchtbarer Nährboden für den Opportunismus sei. Und die KAPD, die es auf dem II. Weltkongress noch versäumt hatte, ihre Stimme zu erheben, sollte dafür auf dem III. Weltkongress unter schwierigsten Bedingungen intervenieren und Kritik an dieser opportunistischen Entwicklung üben.
Während die KAPD-Delegation hervorhob, “das Proletariat braucht dann eine durchgebildete Kernpartei” (Jan Appel auf dem III. Weltkongress, S. 497), suchte die Komintern Zuflucht im Aufbau von Massenparteien. Die Position der KAPD wurde mehrheitlich abgelehnt.
Die opportunistische Ausrichtung nach dem Motto: “Zu den Massen” erleichterte wiederum die Durchsetzung der “Einheitsfronttaktik”, die einige Monate später auf dem III. Kongress offiziell angenommen wurde.
Entscheidend hierbei ist, dass die Komintern diesen Kurs erst einschlagen konnte, als sich die Welle der revolutionären Kämpfe in Europa nicht mehr ausdehnte, sondern zurückzog. So wie die russische Revolution 1917 nur der Auftakt einer internationalen Welle von Kämpfen gewesen war, so war der Rückgang in den revolutionären Kämpfen und der politische Rückzug der Komintern Ergebnis und Ausdruck eines veränderten Kräfteverhältnisses. Es waren die historisch ungünstigen Bedingungen einer Revolution, die aus einem Weltkrieg hervorging, sowie die Intelligenz der Bourgeoisie, die den Krieg rechtzeitig beendete und die “demokratische Karte” ausspielte, welche die Bedingungen für den wachsenden Opportunismus innerhalb der Komintern förderten, als die Ausdehnung der revolutionären Welle gestoppt wurde.
Um die Reaktionen der Revolutionäre gegenüber der Isolierung der russischen Arbeiterklasse und dem veränderten Kräfteverhältnis zwischen Bourgeoisie und Proletariat zu verstehen, müssen wir einen Blick auf die Entwicklung in Russland selbst werfen.
Als im Oktober 1917 die Arbeiter unter der Führung der bolschewistischen Partei die Macht ergriffen, gab es keine Illusionen über die Möglichkeit eines Aufbaus des Sozialismus in einem Land. Alle Blicke richteten sich auf die Hilfe aus dem Ausland. Angesichts der spontanen Maßnahmen vieler Arbeiter, die Produktion mittels Enteignungen sofort in die eigenen Hände zu nehmen, warnten die Bolschewiki vor falschen Erwartungen. Sie verstanden am klarsten, wie lebenswichtig die politischen Maßnahmen waren, d.h. die Konzentration auf die Ausweitung der Revolution. Gerade den Bolschewiki war klar, dass mit der Machtergreifung in einem Land der Kapitalismus natürlich noch längst nicht aus der Welt geschafft war. Solange die herrschende Klasse noch nicht weltweit bzw. in den wichtigsten Regionen dieser Erde gestürzt worden war, standen die politischen Maßnahmen an erster und entscheidender Stelle. Dort, wo das Proletariat die Macht ergriffen hatte, musste es sich darauf beschränken, den durch den Kapitalismus geschaffenen Mangel in seinem Interesse zu verwalten.
Schlimmer noch: nachdem die kapitalistischen Mächte ab Frühjahr 1918 ihre Wirtschaftsblockade und, zusammen mit der russischen Bourgeoisie, den Bürgerkrieg begonnen hatten, sahen sich die russischen Arbeiter und Bauern einer katastrophalen wirtschaftlichen Lage gegenüber. Wie sollte man die Versorgung der Bevölkerung trotz der Sabotage durch die Kapitalistenklasse sicherstellen? Auf welche Weise mussten die militärischen Anstrengungen koordiniert werden, um die Armeen der bürgerlichen Konterrevolution abzuwehren? Nur ein Staat konnte diese Aufgaben erfüllen. Es war der damals aus dem Aufstand neu entstandene, aber auf vielen Ebenen aus der alten Beamtenschicht zusammengesetzte Staat, der sich der Aufgabe stellte. Und auch zur Bewältigung von Aufgaben wie dem Bürgerkrieg oder dem Kampf gegen die innere Sabotage reichten die Arbeitermilizen der ersten Stunde nicht mehr aus. Es war notwendig, eine “Rote Armee” und spezielle Repressionsorgane aufzubauen.
Während die Arbeiterklasse in den Aufstandswochen im Oktober und danach noch die Zügel fest in ihren Händen gehalten hatte und die Hauptentscheidungen in den Sowjets gefällt wurden, setzte bald darauf ein Prozess ein, in dessen Verlauf die Arbeiter zunehmend ihre Macht und ihre Druckmittel an den neu entstandenen Staatsapparat verloren. Statt von den Arbeiterräten kontrolliert und als Instrument zu ihren Gunsten eingesetzt zu werden, schickte sich dieses neue Organ, das von den Bolschewiki irrtümlicherweise als “Arbeiterstaat” bezeichnet wurde, an, die Macht der Arbeiterräte zu untergraben und ihnen seine Direktiven aufzuzwingen. Diese Entwicklung, deren eigentliche, materielle Wurzel in den noch vorhandenen kapitalistischen Verhältnissen lag, war auch möglich, weil der nach der Machtergreifung entstandene Staat keine Anstalten machte, abzusterben und Macht abzugeben, sondern sich im Gegenteil immer mehr aufblähte.
Diese Tendenz konnte sich in dem Maße verstärken, wie die revolutionäre Welle sich nicht mehr ausdehnte, gar zurückwich und die russische Arbeiterklasse isoliert blieb.
Doch je weniger die Arbeiterklasse international imstande war, das Kapital unter Druck zu setzen, desto unentschlossener konnte sie seinen Plänen entgegentreten. Vor allem konnte sie es nicht an seinen militärischen Feldzügen gegen die russische Revolution hindern. So besaß die Bourgeoisie weiteren Spielraum, um die russische Revolution in den Würgegriff zu nehmen, und der infolge dieses Kräfteverhältnisses entstandene Staat in Russland erhielt weiteren Auftrieb. Dadurch, dass es der Bourgeoisie gelang, die Ausdehnung der Revolution zu stoppen, wurde dieser Staat in die Lage versetzt, immer mehr zum alles beherrschenden Faktor in Russland zu werden und sich zu verselbständigen.
Aufgrund der vom internationalen Kapital erzwungenen, wachsenden Unterversorgung, der schlechten Ernteergebnisse, der Sabotage durch die Bauern, der großen Zerstörungen durch den Bürgerkrieg und den daraus resultierenden Hungersnöten und Epidemien war der von den Bolschewiki angeführte Staat gezwungen, immer mehr Zwangsmaßnahmen aller Art zu ergreifen, wie z.B. die Beschlagnahmung der Ernten oder die Rationierung nahezu aller Güter. Er war auch dazu gezwungen, an die alten Handelsbeziehungen zu den kapitalistischen Staaten wieder anzuknüpfen, wobei es sich hier nicht um eine Frage der Moral, sondern um eine Überlebensfrage handelte. Der Mangel und der Handel – beides konnte nur von einem Staat verwaltet und gesteuert werden. Doch wer sollte diesen Staat kontrollieren?
Zum damaligen Zeitpunkt war es in der revolutionären Bewegung gängige Auffassung, dass die Partei im Namen der Arbeiterklasse die Macht übernimmt und somit an die Schalthebel dieses neuen, postrevolutionären Staates rückt. So hatten ab Oktober 1917 die führenden Mitglieder der bolschewistischen Partei die zentralen Positionen dieses Staates übernommen und angefangen, sich mit selbigem zu identifizieren.
Diese von der gesamten revolutionären Bewegung vertretene Auffassung wäre im Falle erfolgreicher Aufstände in anderen Ländern und vor allem in Deutschland sicherlich in Frage gestellt und über Bord geworfen worden. In einem solchen Fall hätten die Arbeiterklasse und ihre Revolutionäre die Differenzen und Interessenskonflikt zwischen Staat und Revolution ans Tageslicht geholt und somit die Fehler der Bolschewiki korrigieren können. Doch die Isolierung der Revolution führte dazu, dass die bolschewistische Partei immer öfter Stellung zugunsten des Staates bezog, statt die Interessen des internationalen Proletariats zu verteidigen. Zug um Zug entriss der Staat den Arbeitern die Initiative und verselbständigte sich. Und die bolschewistische Partei war gleichermaßen Getriebene wie treibende Kraft beim Wiedererstarken des Staates.
Nach dem Ende des Bürgerkrieges kam es im Winter 1920/21 zu einer weiteren Verschärfung der Hungersnot, was dazu führte, dass infolge des Exodus der vor dem Hunger fliehenden Menschen die Bevölkerung Moskaus um die Hälfte, die Petrograds um zwei Drittel dezimiert wurde. Vielerorts brachen Bauernrevolten und Arbeiterproteste aus.
Vor allem in der Gegend von Petrograd brach eine Streikwelle aus. Die Arbeiter und Matrosen von Kronstadt erwiesen sich dabei schnell als die Speerspitze des Widerstandes gegen die Verschlechterung der Lebensbedingungen und gegen den Staat. Neben ökonomischen stellten sie auch politische Forderungen auf. Abgesehen von der Ablehnung der Parteidiktatur wurde vor allem die Notwendigkeit der Erneuerung der Sowjets in den Vordergrund gestellt.
Der von den Bolschewiki angeführte Staat entschloss sich, den Widerstand der Arbeiter mit Gewalt zu brechen. Er bezeichnete letztere als vom Ausland manipulierte konterrevolutionäre Kräfte.
Damit stellte sich die bolschewistische Partei zum ersten Mal an die Spitze einer gewaltsamen Niederschlagung eines Teils der Arbeiterklasse. Dies geschah ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als die bolschewistische Partei selbst den 50. Jahrestag der Pariser Kommune feierte, und zwei Jahre nach dem Gründungskongress der Komintern, als Lenin noch die Parole “Alle Macht den Räten” auf das Banner der Kommunisten geschrieben hatte. Nicht nur, dass die bolschewistische Partei tatkräftig die Zerschlagung des Kronstädter Aufstandes übernahm, die gesamte revolutionäre Bewegung befand sich damals über den Charakter dieses Aufstandes in Irrtum. Sowohl die russische Arbeiteropposition als auch die Mitgliedsparteien der Komintern verurteilten ihn unmissverständlich.
Als Reaktion auf die wachsende Unzufriedenheit und mit dem Ziel, die weiterhin hortenden Bauern zur Produktion und Ablieferung ihrer Ernten zu bewegen, wurde im März 1921 die Einführung der “Neuen Ökonomischen Politik” beschlossen, die keine “Rückkehr” zum Kapitalismus bedeutete (schließlich war dieser nie abgeschafft worden), sondern nur eine Anpassung an die Mangelerscheinungen und Marktverhältnisse. Noch im gleichen Monat wurde ein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und Russland abgeschlossen.
Hinsichtlich der Frage des Staates und der Identifizierung der Partei mit ihm gab es innerhalb der bolschewistischen Partei Divergenzen. Wie wir in der Internationalen Revue Nr. 8 und 9 geschrieben haben, schlugen linkskommunistische Stimmen in Russland schon früh Alarm und warnten vor dem Aufbau eines staatskapitalistischen Regimes. So sprach sich die Zeitung Kommunist im Jahre 1918 gegen die Versuche der Disziplinierung der Arbeiterklasse aus. Obwohl sich nach dem Beginn des Bürgerkrieges die Reihen der Partei unter dem Druck der konterrevolutionären Aggression schlossen und der größte Teil der Kritik zurückgehalten wurde, wuchs die Opposition gegen das wachsende Gewicht bürokratischer Strukturen in der Partei. Die 1919 gegründete Gruppe Demokratische Zentralisten um Ossinski sprach sich gegen den Verlust der Initiative der Arbeiter aus und rief zur Wiederherstellung der innerparteilichen Demokratie auf, insbesondere während der 9. Parteikonferenz im Herbst 1920, als sie die wachsende Bürokratisierung der Partei an den Pranger stellte.
Obgleich Lenin selbst die höchste staatliche Verantwortung mit repräsentierte, erkannte er in gewisser Weise am deutlichsten die Gefahr für die Revolution, die von diesem Staat ausging. Oft war er es, der die Arbeiter am entschiedensten zur Verteidigung gegen diesen Staat aufrief und ermunterte.
In der Debatte über die Gewerkschaftsfrage hob Lenin hervor, dass die Gewerkschaften auch weiterhin als Verteidigungsorgane der Klasse zu handeln hätten, auch gegen einen Arbeiterstaat, der an “bürokratischen Deformationen” leide, womit Lenin prinzipiell die Möglichkeit eines Konfliktes zwischen Staat und Arbeiterklasse anerkannte. Dagegen plädierte Trotzki für die totale Integration der Gewerkschaften in den “Arbeiterstaat”. Er wollte die Militarisierung der Produktion auch nach der Beendigung des Bürgerkrieges fortsetzen. Die auf dem 10. Kongress im März 1921 erstmals in Erscheinung tretende Arbeiteropposition befürwortete hingegen staatsabhängige Industriegewerkschaften, welche die Leitung der Produktion übernehmen sollten.
Die Entscheidungen innerhalb der Partei verlagerten sich immer mehr vom Parteitag auf das Zentralkomitee und das neu geschaffene Politbüro. Die Militarisierung der Gesellschaft, die vom Bürgerkrieg ausgelöst worden war, erfasste über den Staat auch die Partei. Statt die Initiative der örtlichen Parteikomitees zu fördern, wurden sämtliche Aktivitäten der Partei einer strengen Kontrolle mittels sog. politischer Abteilungen unterzogen und auf dem 10. Parteitag ein allgemeines Fraktionsverbot erlassen.
Im zweiten Teil dieses Artikels werden wir den Widerstand der Linkskommunisten gegen die opportunistische Tendenz untersuchen und aufzeigen, wie die Kommunistische Internationale mehr und mehr zu einem Instrument des russischen Staates wurde.
Dv
Die anarchistische Gruppe Freunde Durrutis ist immer wieder als ein Beispiel für die Lebendigkeit des Anarchismus während der Ereignisse in Spanien nach 1936 ins Feld geführt worden. Ihre Mitglieder spielten während den Kämpfen im Mai 1937 eine herausragende Rolle, indem sie die Kollaboration der CNT mit der republikanischen Regierung Kataloniens und der Generalität anprangerten und sich dagegen stellten. Die CNT bezieht sich heute auf die Errungenschaften dieser Gruppe, verkauft deren bekannteste Publikationen[1] [9] und nimmt deren Positionen in Beschlag.
Unserer Ansicht nach besteht die wichtigste Lehre aus den Erfahrungen dieser Gruppe nicht im Beweis für die ”Lebendigkeit” des Anarchismus, sondern im Gegenteil in der Unmöglichkeit in seinem Rahmen eine revolutionäre Alternative zu verteidigen[2] [9]. Auch wenn die Freunde Durrutis sich der ”Kollaboration” der CNT entgegenstellten, verstanden sie deren Rolle als aktiver Faktor bei der Niederschlagung der Arbeiterklasse; ihre Teilnahme im bürgerlichen Lager nicht. Aus diesem Grund denunzierten sie die CNT nicht als Instrument des Klassenfeindes, sondern sie betonten immer wieder ihre Mitgliedschaft in der CNT und die Möglichkeit, diese Organisation zur Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse zu gewinnen.
Der wirkliche Grund für diese Schwierigkeiten lag in der Unfähigkeit der Freunde Durrutis mit dem Anarchismus zu brechen. Es erklärt auch, weshalb alle Anstrengungen und der revolutionäre Wille der Mitglieder dieser Gruppe zu keiner Klärung über die Ereignisse in Spanien von 1936 führte.
1936: Proletarische Revolution oder imperialistischer Krieg?
In den Geschichtsbüchern werden die Ereignisse in Spanien von 1936 als ein ”Bürgerkrieg” beschrieben. In den Augen der Trotzkisten und Anarchisten handelte es sich gar um eine ”Spanische Revolution”. Für die IKS ist es weder ein ”Bürgerkrieg” noch eine ”Revolution”, sondern ein imperialistischer Krieg. Ein Krieg zwischen zwei Fraktionen der spanischen Bourgeoisie: auf der einen Seite Franco mit dem deutschen und italienischen Imperialismus im Rücken und auf der anderen Seite, vor allem in Katalonien, die Volksfront-Republik inklusive Stalinisten, POUM und die CNT, mit der Unterstützung der UdSSR und der demokratischen Imperialisten. Die Arbeiterklasse wehrte sich im Juli 1936 gegen den Putschversuch Francos und im Mai 1937 in Barcelona gegen den Versuch der herrschenden Klasse, den Widerstand der Arbeiterklasse zu brechen.[3] [9] In beiden Ereignissen jedoch war die Volksfront das Mittel, die Arbeiterklasse zu schlagen, aufzuspalten und unter dem Banner des ”Antifaschismus” in die militärischen Auseinandersetzungen zu führen.
Dies war auch die Analyse von BILAN, der Zeitschrift der Italienischen Kommunistischen Linken im Exil. Für BILAN war der internationale Rahmen, in dem sich die Ereignisse in Spanien abspielten, entscheidend. Die internationale revolutionäre Welle, die dem Erstem Weltkrieg ein Ende gesetzt und sich über fünf Kontinente ausgebreitet hatte, war niedergeschlagen, auch wenn es in China 1926, mit dem Generalstreik in England und in Spanien im selben Jahr nochmals ein Aufflackern gab. Die 30er Jahre waren geprägt von der Vorbereitung aller grossen imperialistischen Mächte auf einen neuen weltweiten Konflikt. Dies war der internationale Rahmen für die Ereignisse in Spanien: eine geschlagene Arbeiterklasse und freie Bahn zu einem zweiten Weltkrieg. Andere proletarische Gruppen wie die GIK[4] [9] verteidigten ähnliche Positionen, auch wenn gerade in der Zeitschrift der GIK Positionen Platz fanden, die dem Trotzkismus nahe standen und davon ausgingen, dass das Proletariat durch die Beteiligung an einer Bewegung für die ”bürgerliche Revolution” in eine revolutionäre Richtung voranschreiten könne. BILAN führte mit diesen Gruppen beharrlich eine Diskussion, selbst mit der eigenen Minderheit, welche daran glaubte, die Revolution werde aus dem Krieg herauswachsen, und für die Beteiligung in der ”Lenin-Brigade” in Spanien mobilisierte.[5] [9]
Trotz aller Konfusionen liess sich keine dieser Gruppen dazu herab, die republikanische Regierung zu unterstützen. Im Gegensatz zur POUM und CNT beteiligten sie sich nicht an der Unterwerfung der Arbeiter unter die Republik, sie stellten sich nicht auf die Seite der herrschenden Klasse![6] [9]
Heute benutzt die Bourgeoisie diese Irrtümer der Arbeiterklasse, um den politischen Verrat und die konterrevolutionäre Rolle der POUM und der CNT in Spanien im Jahre 1936 zu vertuschen, indem sie diese Ereignisse als eine ”proletarische Revolution” darstellen, die von diesen Organisationen angeführt worden sei.[7] [9] In Wirklichkeit jedoch waren CNT und POUM die letzte Verteidigungslinie der herrschenden Klasse gegen den Kampf der Arbeiterklasse: ”Doch es waren vor allem die POUM und die CNT, welche eine entscheidende Rolle zur Anheuerung der Arbeiter an die Front spielten. Diese zwei Organisationen erwirkten den Abbruch des Generalstreiks, ohne dass sie in dessen Entfaltung eine entscheidende Rolle gespielt hätten. Die Kraft der Bourgeoisie drückte sich nicht so sehr in Franco aus, sondern im Bestehen einer extremen Linken, welche fähig war das Proletariat zu demobilisieren.” (aus unserem Buch: Die Italienische Kommunistische Linke 1926-1945)
Für viele Arbeiter ist es schwierig zu verstehen, dass die CNT, welche die kämpferischsten und entschlossensten Arbeiter anzog und die radikalsten Positionen vertrat, Verrat an der Arbeiterklasse begehen konnte, indem sie die Arbeiter in die Arme des republikanischen Staates und in den antifaschistischen Kampf trieb.
Verwirrt vom Durcheinander und der Heterogenität, die das anarchistische Milieu auszeichnet, ziehen viele den Schluss, das Problem habe nicht bei der CNT gelegen, sondern beim ”Verrat” von vier Ministern (die Montseny, Garcia Oliver, etc.) oder dem Einfluss vom Strömungen wie der Trentisten.[8] [9]
Es ist wahr, dass während der internationalen revolutionären Welle, die auf die Russische Revolution folgte, sich die Mehrheit des spanischen Proletariates der CNT anschloss (die Sozialistische Partei war den Sozialpatrioten gefolgt, die das Weltproletariat in einen imperialistischen Weltkrieg geführt hatten, und die Kommunistische Partei stellte nur eine sehr kleine Minderheit dar). Grundsätzlich war dies Ausdruck einer Schwäche der Arbeiterklasse in Spanien aufgrund der dortigen Wesenszüge des Kapitalismus (ein schwacher nationaler Zusammenhalt und ein Übergewicht der Grossgrundbesitzer und der Aristokratie innerhalb der herrschenden Klasse).
Diese Voraussetzungen bildeten einen idealen Nährboden für die anarchistische Ideologie, welche das Denken des radikalen Kleinbürgertums und dessen Einfluss in die Arbeiterklasse verkörpert. Dieses Gewicht wurde zusätzlich verstärkt durch den Einfluss, den die Kreise um Bakunin in der Ersten Internationale in Spanien ausgeübt hatten. Wie Engels in seinem Buch Die Bakunisten an der Arbeit aufgezeigt hatte, führte er durch die Mobilisierung des Proletariats hinter die abenteurerische, radikale Bourgeoisie in der kantonistischen Bewegung von 1873 in Spanien zu fatalen Konsequenzen. Als der Anarchismus damals zwischen der Machtübernahme durch die Arbeiterklasse und der bürgerlichen Regierung zu wählen hatte, entschied er sich für Letztere:”...dieselben Leute, die sich autonome, anarchistische Revolutionäre usw. nennen, haben sich bei dieser Gelegenheit mit Eifer darauf geworfen, in Politik zu machen, aber in der allerschlimmsten, in der Bourgeoispolitik. Sie haben nicht dafür gearbeitet, der Arbeiterklasse die politische Macht zu verschaffen – diese Idee verabscheuen sie im Gegenteil -, sondern einem Bruchteil der Bourgeoisie ans Ruder zu verhelfen, der aus Abenteurern, Ehrgeizigen und Stellenjägern besteht, und sich intransingente (unversöhnliche) Republikaner nennt.” (”Bericht der neuen Madrider Föderation der Ersten Internationale” in Die Bakunisten an der Arbeit, Denkschrift über den Aufstand in Spanien im Sommer 1873, MEW, Bd.18, S. 477)
Während der revolutionären Welle, die auf den Ersten Weltkrieg folgte, wurde die CNT von der Russischen Revolution und der Dritten Internationale beeinflusst. 1919 bejahte der Kongress der CNT klar den proletarischen Charakter der Russischen Revolution und den revolutionären Charakter der Kommunistischen Internationale, in welcher sie zu arbeiten gedachte. Doch mit der Niederlage der weltrevolutionären Welle und dem offenen Kurs hin zur Konterrevolution fand die CNT in ihren anarchistischen und syndikalistischen Grundlagen nicht die theoretische und politische Kraft, um die Lehren aus der Niederlage in Deutschland, Russland usw. zu ziehen und der enormen Kampfbereitschaft des spanischen Proletariates eine revolutionäre Führung zu geben.
Nach ihrem Kongress von 1931 zog sie ihren ”Hass auf die Diktatur des Proletariates” ihren vorangegangenen Auffassungen über die Russische Revolution vor und sah trotz ihrer formalen Ablehnung des bürgerlichen Parlamentes in der Konstituierenden Versammlung eine ”Frucht der revolutionäre Aktion” (Kongressbericht: ”Position der CNT über die Konstituierende Versammlung”) Damit begann sie die herrschende Klasse zu unterstützen, am deutlichsten durch Fraktionen wie diejenige der Trentisten; und dies trotz der Tatsache, dass sie Militante in ihren Reihen hatte, die dem revolutionären Kampf des Proletariates treu blieben.
Im Februar 1936 warf sie ihre abstentionistischen Prinzipien durch einen indirekten Aufruf zur Wahl der Volksfront über den Haufen: ”Natürlich hat die spanische Arbeiterklasse, der die CNT während Jahren geraten hat nicht wählen zu gehen, unsere Propaganda in dem Sinne verstanden, wie wir es uns wünschten, das heisst, dass sie wählen gehen soll, weil damit erreicht wird, dass den rechten Faschisten leichter die Stirn geboten werden kann, wenn diese revoltieren, nachdem sie eine Niederlage erlitten haben und nicht mehr in der Regierung sind.” [9] [9]
Damit zeigte die CNT deutlich ihre Entwicklung hin zur Unterstützung des bürgerlichen Staates, ihre Anteilnahme an der Politik zur Niederschlagung und Isolierung des Proletariates und zur Vorbereitung des imperialistischen Krieges.
Was sich danach im Juli 1936 abspielte, überrascht nicht mehr. Als die Generalität in den Händen der bewaffneten Arbeiter war, gab die CNT die Macht der Regierung Luis Companys zurück, rief die Arbeiter zur Wiederaufnahme der Arbeit auf und schickte sie ins Massaker an der Aragon-Front. Noch weniger überraschend war, was sich im Mai 1937 ereignete, als die Arbeiter auf die Provokation der Bourgeoisie in Barcelona spontan Barrikaden errichteten und in den Strassen die Kontrolle übernahmen: Die CNT rief erneut zum Abbruch des Kampfes auf und hinderte Arbeiter, die ihre Kameraden in Barcelona unterstützen wollten, an der Rückkehr von der Front.[10] [9]
Die Ereignisse in Spanien zeigen, dass in Zeiten des Krieges oder der Revolution Teile der Anarchisten für den revolutionären Kampf des Proletariates gewonnen werden können, der Anarchismus als ideologische Strömung jedoch unfähig ist, der Konterrevolution zu widerstehen und ihr eine revolutionäre Alternative entgegenzustellen; er lässt sich sogar zur Verteidigung des bürgerlichen Staates einspannen. BILAN hatte dies verstanden und formulierte es auf treffende Art und Weise: ”Es muss offen gesagt werden: In Spanien existierten die Bedingungen nicht, um die Aktionen des iberischen Proletariates in ein Signal für das weltweite Wiedererwachen des Proletariates umzuwandeln, auch wenn dort tiefere und schlimmere ökonomische, soziale und politische Gegensätze herrschten als in anderen Ländern. (...) Die Gewalttätigkeit dieser Ereignisse sollte uns nicht zu einem Irrtum über ihre Natur verleiten. Sie verkörpern den Kampf auf Leben und Tod, in den das Proletariat gegen die Bourgeoisie eingetreten ist, doch sie zeigen ebenfalls die Unmöglichkeit auf, einzig durch Gewalt – die nur ein Kampfmittel, und nicht Programm des Kampfes ist – eine historische Vision zu ersetzen, welche durch die Mechanismen des Klassenkampfes nicht mehr befruchtet werden kann. Da die sozialen Bewegungen nicht die Kraft haben, eine klare Vision der Ziele des Proletariats zu befruchten, und da sie sich nicht mit einer kommunistischen Intervention treffen, die in diese Richtung zeigt, kehren sie schlussendlich auf das Geleise der kapitalistischen Entwicklung zurück und reissen in ihrer Niederlage diejenigen sozialen und politischen Kräfte mit sich, welche bis anhin in einer klassischen Form die Trittbrettfahrer der Arbeiterklasse darstellten: die Anarchisten.” [11] [9]
Die Freunde Durrutis waren anarchistische Elemente, welche sich trotz der bürgerlichen Ausrichtung der CNT, in der sie während der ganzen Zeit mitwirkten, mit der Revolution verbunden fühlten, und in diesem Sinne sind sie Zeugnis des Widerstandes proletarischer Teile, die nicht in dieselbe Richtung gehen wollten, wie die anarchistischen Hauptquartiere.
Aus diesem Grund versucht die CNT und die gesamte herrschende Klasse diese Gruppe als Beispiel der revolutionären Flamme darzustellen, die auch während der schlimmsten Zeiten von 1936-37 in der CNT noch existiert habe.
Eine solche Darstellung ist komplett falsch. Was das revolutionäre Wesen der Freunde Durrutis ausmachte, war eben genau ihr Kampf gegen die Positionen der CNT. Sie schöpften ihre Kraft aus dem Proletariat, von dem sie ein Teil waren und für das sie sich in den vordersten Reihen befanden.
Die Freunde Durrutis bewegten sich auf dem Terrain der Arbeiterklasse, und dies nicht als Militante der CNT sondern als militante Arbeiter, welche die Kraft ihrer Klasse vom 19. Juli spürten und sich seither gegen die Positionen der CNT auflehnten.
Ihr Versuch, den eigenen proletarischen Impuls mit ihrer Verbindung zur CNT und deren anarchistischen Orientierungen unter einen Hut bringen zu wollen, verunmöglichte es ihnen, eine revolutionäre Alternative aufzugreifen oder klare Lehren aus diesen Ereignissen zu ziehen.
Die Freunde Durrutis waren eine dem Anarchismus zugeneigte Gruppe, welche sich im März 1937 formell konstituierte. Sie formierte sich aus einer Strömung, die in der CNT-Presse gegen deren Kollaboration mit der Regierung auftrat, und aus einer anderen Strömung, welche nach Barcelona zurückkehrte, um gegen die Militarisierung der Milizen zu kämpfen.
Die Freunde Durrutis standen in direktem Zusammenhang mit der Entfaltung von Arbeiterkämpfen, in die sie ihre Überlegungen und Aktivitäten stellten. Es war keine Gruppe von Theoretikern, sondern von kampfbereiten Arbeitern. Deshalb bezogen sie sich grundsätzlich auf die Kämpfe vom Juli 1936 und deren ”Errungenschaften”, Kämpfe, die sich vor allem durch die Kontrolle von Arbeitergarden in den Quartieren und die Bewaffnung der Arbeiterklasse ausgezeichnet hatten. In ihren Augen lagen die Fundamente der Bewegung im Geist der Julitage und der spontanen Kraft des Arbeiterkampfes, als dieser den Angriff Francos bewaffnet zurückschlug und in Barcelona die Kontrolle in den Strassen ausübte.
Vor den Maitagen schrieben einige wichtige Mitglieder dieser Gruppe auch in der Zeitschrift der CNT LA NOCHE, und ihre grundlegende Aktivität bestand in Treffen, auf denen der Gang dieser Ereignisse diskutiert wurde.
Während der Maitage 1937 kämpften die Freunde Durrutis auf den Barrikaden und veröffentlichten das Flugblatt, das sie berühmt machte, da sie die Bildung einer ”revolutionären Junta”, die Vergesellschaftung der Wirtschaft und die Hinrichtung der Schuldigen forderten. Ihre Positionen glichen denen der trotzkistischen Gruppe der Bolschewiki-Leninisten (in der Munis mitwirkte), mit denen sie Diskussionen führten, die ihr Nachdenken befruchtete. Doch es war nicht möglich, die Freunde Durrutis zum Bruch mit dem Anarchismus zu bewegen.
Nach den Maitagen brachten sie die Zeitschrift EL AMIGO DEL PUEBLO heraus (insgesamt 15 Nummern), die ihren Willen ausdrückte, im Kampf aufgetauchte Fragen zu klären. Der bekannteste Theoretiker der Gruppe war Jaime Balius, der 1938 eine Broschüre mit dem Titel Hin zu einer neuen Revolution schrieb, die eine ausgereiftere Verteidigung der Positionen von EL AMIGO DEL PUEBLO darstellte.
Doch die Gruppe war direkt vom Leben des Arbeiterkampfes abhängig und als dieser vom republikanischen Staat besiegt war, kehrte sie in den Schoss der CNT zurück.
Auch wenn die Freunde Durrutis eine proletarische Antwort auf den Verrat der CNT darstellten, so war ihre Entwicklung dennoch von der Unfähigkeit gezeichnet, mit dem Anarchismus und Syndikalismus zu brechen. Und auch wenn der Kampf und die Stärke der Klasse sie am Leben erhielt, die Freunde Durrutis waren nicht fähig, weiter zu gehen.
In den zwei zentralen Fragen, die sich im Klassenkampf zwischen Juli und Mai stellten: derjenigen des Verhältnisses zwischen dem Krieg an der antifaschistischen Front und dem Klassenkampf und der Frage der Kollaboration mit der republikanischen Regierung oder deren Überwindung, widersetzten sich die Freunde Durrutis der Politik der CNT und nahmen den Kampf auf.
Im Gegensatz zur CNT, welche den Aktionen der Arbeiter vom 18. Juli offen gegenübertrat, verteidigten die Freunde Durrutis die revolutionäre Natur dieser Ereignisse: ”Man hat behauptet, die Julitage seien eine Antwort auf die faschistische Provokation gewesen, doch wir, die Freunde Durrutis haben offen die Meinung vertreten, dass die Essenz dieser erinnerungswürdigen Tage im Juli ihre Wurzeln im Durst des Proletariates nach Befreiung hatten.” [12] [9]
Sie kämpften auch gegen die Politik der Unterordnung der Revolution unter die Bedürfnisse des antifaschistischen Krieges, eine Frage, die eine wichtige Rolle bei der Gründung dieser Gruppe gespielt hatte[13] [9]:
”Die konterrevolutionäre Arbeit wird erleichtert durch die fehlende Solidarität unter vielen Revolutionären. Wir sind uns der zahlreichen Individuen bewusst die glauben, um den Krieg gewinnen zu können, müsse man auf die Revolution verzichten. Damit lässt sich auch der seit dem 19. Juli eingetretene Rückschritt erklären (...) Um die Massen an die Front zu führen, müssen ihre revolutionären Wünsche zum Schweigen gebracht werden. Das Gegenteil sollte der Fall sein. Die Revolution noch mehr sichern, damit die Arbeiter sich mit einer aussergewöhnlichen Energie in den Kampf um die Eroberung der neuen Welt stürzen, die in diesen Momenten der Unentschlossenheit nichts als ein Versprechen ist.”[14] [9]
Im Mai 1937 widersetzten sich die Freunde Durrutis der Weisung der CNT an ihre Mitglieder an der Front, den Marsch auf Barcelona (zur Unterstützung der in den Strassen kämpfenden Arbeiter) zu stoppen, und stattdessen den Krieg an der Front fortzuführen.
Diese im Kampf eingeschlagene Richtung stimmte jedoch nicht mit den theoretischen Errungenschaften der Freunde Durrutis über die Frage von Krieg und Revolution überein. Sie hatten nie wirklich mit der Auffassung gebrochen, dass der Krieg mit der proletarischen Revolution verbunden sei und es sich deshalb um einen ”revolutionären” Krieg handle, der den imperialistischen Kriegen entgegengesetzt sei. Dies machte sie von Beginn weg zu einem Opfer der Politik der Niederschlagung und Isolierung des Proletariats.
”Seit den ersten Zusammenstössen mit dem Militär war es nicht mehr möglich, Krieg und Revolution voneinander zu trennen (...) Je mehr Wochen und Monate vergingen, desto klarer wurde, dass der Krieg gegen die Faschisten, den wir unterstützten, nichts gemein hatte mit Kriegen, die von Staaten geführt werden (...) Wir Anarchisten können nicht das Spiel derer führen, die vorgeben, unser Krieg sei nur ein Unabhängigkeitskrieg mit demokratischen Zielen. Gegenüber diesen Ideen antworten wir, die Freunde Durrutis, dass unser Krieg ein Bürgerkrieg ist.” [15] [9]
Damit begaben sie sich in den Rahmen der CNT, deren ”radikale” Version bürgerlicher Positionen über den Kampf zwischen Diktatur und Demokratie die kämpferischsten Arbeiter ins Schlachthaus des antifaschistischen Krieges führte.
Die Überlegungen der Freunde Durrutis über den Krieg basierten in Wirklichkeit auf den Irrtümern des Anarchismus und seinem ahistorischen und nationalistischen Gedankengut. Dies führte sie zur Auffassung, die Ereignisse in Spanien seien eine Fortführung der lächerlichen bürgerlichen Revolutionsbemühungen gegen die Invasion Napoleons von 1808.[16] [9] Während sich die internationale Arbeiterbewegung mit der Niederlage des Weltproletariates und der Perspektive eines zweiten Weltkrieges auseinander setzte, dachten die Anarchisten in Spanien an Fernando VII. und Napoleon:
”Was sich heute abspielt, ist eine Wiederholung der Zeit Fernandos VII. Erneut fand in Wien eine Konferenz faschistischer Diktatoren statt, um ihren Einfall in Spanien zu organisieren. Und heute nehmen die bewaffneten Arbeiter die Rolle von El Empacinado ein. Deutschland und Italien brauchen Rohstoffe. Diese beiden Länder benötigen Eisen, Kupfer, Blei und Quecksilber. Doch diese spanischen Bodenschätze sind in den Händen von Frankreich und England. Heute, wo sie Spanien zu erobern versuchen, wehrt sich England nicht dagegen. Im Gegenteil versucht es, hinter den Kulissen mit Franco gemeinsame Sache zu machen (...) Die Arbeiterklasse hat die Pflicht, Spaniens Unabhängigkeit aufrecht zu erhalten. Das nationale Kapital erledigt dies nicht mehr, seit das internationale Kapital alle Grenzen überwunden hat. Dies ist das Drama des heutigen Spaniens. Den Arbeitern fällt die Aufgabe zu, die fremden Kapitalisten zu verjagen. Dies ist keine Frage des Patriotismus. Es ist eine Frage der Klasseninteressen.”[17] [9]
Wie wir sehen sind alle Mittel recht, um einen imperialistischen Krieg zwischen patriotischen Staaten in einen ”Klassenkrieg” zu verwandeln. Dies ist ein Ausdruck der politischen Entwaffnung, die der Anarchismus gegen solch ehrliche militante Arbeiter wie die Freunde Durrutis betrieb. Diese Genossen, die versuchten, gegen den Krieg und für die Revolution zu kämpfen, waren unfähig, für ihren Kampf einen wirklichen Ausgangspunkt zu finden: den Aufruf an die Arbeiter und Bauern (entweder im republikanischen oder franqistischen Lager eingebunden) zu desertieren, die Waffen gegen ihre eigenen Offiziere zu richten, von denen sie unterdrückt wurden, von der Front zurückzukehren und mit Streiks und Demonstrationen auf ihrem eigenen Klassenterrain gegen den Kapitalismus als ganzes zu kämpfen.
Für die internationale Arbeiterbewegung war die Frage des Charakters des Krieges in Spanien entscheidend und polarisierte die Debatten zwischen der Kommunistischen Linken und den Trotzkisten, sowie auch innerhalb der Kommunistischen Linken:
”Der Krieg in Spanien war für alle entscheidend: Für den Kapitalismus stellte er ein Mittel dar, um die Front seiner Kräfte, die auf den Krieg hinarbeiteten, auszudehnen, mit dem Antifaschismus die Trotzkisten und die sogenannten linken Kommunisten einzuverleiben und das Erwachen der Arbeiter von 1936 zu ersticken. Für die linken Fraktionen war es die entscheidende Prüfung, die Selektion der Köpfe und Ideen, die Notwendigkeit, sich der Frage des Krieges zu stellen. Wir haben standgehalten gegen den Strom und werden es weiterhin tun.” (BILAN, Nr. 44, zitiert aus Die Italienische Kommunistische Linke)
Viel klarer als bei der Frage des Krieges setzten sich die Freunde Durrutis der Kollaborationspolitik der CNT gegenüber der republikanischen Regierung entgegen.
Sie denunzierten den Verrat der CNT vom Juli: ”Im Juli bot sich eine gute Gelegenheit. Wer widersetzte sich der CNT und der FAI in Katalonien? Statt ein Bündnisdenken zu entwickeln, das sich auf die Sympathien zu den rot-schwarzen Flaggen und die Kraft der Massen stützt, machten unsere Komitees einen Rundgang durch die verschiedenen offiziellen Stellen, doch ohne eine Haltung, die derjenigen entsprach, die wir auf der Strasse hatten. Im Laufe einiger Wochen des Zweifels beteiligten sie sich an der Macht. Wir erinnern uns gut, wie auf regionaler Ebene die Bildung eines revolutionären Organs vertreten wurde, welches auf nationaler Ebene Nationale Verteidigungsjunta und auf regionaler Ebene Regionale Junta genannt wurde. Wie auch immer, sie führten die gefällten Entschlüsse nicht aus. Sie übergingen oder verstiessen sogar gegen die von den Vollversammlungen gefällten Beschlüsse. Erst beteiligte man sich an der Regierung der Generalität und später an der Madrider Regierung.” [18] [9]
... Und noch offener im Flugblatt, das sie auf den Barrikaden im Mai verteilten: ”Die Generalität repräsentiert nichts. Ihre Aufrechterhaltung der Macht fördert die Konterrevolution. Wir Arbeiter haben den Kampf gewonnen. Es ist unbegreiflich, wie die CNT-Komitees mit solcher Ängstlichkeit vorgingen, eine Waffenruhe anordneten und zur Rückkehr zur Arbeit aufriefen, als wir den Sieg beinahe in der Hand hatten. Man hat nicht gesehen, woher die Provokation und Aggression kam, man hat die tatsächliche Bedeutung dieser Tage nicht erkannt. Diese Politik muss als Verrat an der Revolution bezeichnet werden, eine Politik, die einem nicht zu überzeugen vermag. Und wir wissen auch, wie man die unselige Arbeit der Solidaridad Obrera und der führenden CNT-Mitglieder zu bezeichnen hat.”
Diese Erklärung trug ihnen die Missgunst der CNT und einen drohenden Ausschluss ein, der jedoch nicht zustande kam. Die Freunde Durrutis widerriefen ihre Anschuldigung über einen Verrat, den sie in der Nr. 3 von EL AMIGO DEL PUEBLO veröffentlicht hatten, in der Nr. 4: ”Im Namen der anarchistischen und revolutionären Einheit nehmen wir, die Freunde Durrutis, die Analyse über einen Verrat zurück.” (EL AMIGO DEL PUEBLO Nr. 4) Dies taten sie nicht aus mangelnder Courage, die sie zur Genüge bewiesen hatten, sondern weil ihr Horizont nicht über die CNT hinausreichte, die sie als einen Ausdruck der Arbeiterklasse und nicht als Agenten der Bourgeoisie betrachteten.
In diesem Sinne waren ihre theoretischen Schranken dieselben wie die der CNT und des Anarchismus. Und deshalb beschränkte sich auch ihre Kritik an der CNT, als sie weitab der Barrikaden in ruhigerem Nachdenken zustande kam, darauf, dass diese über keine revolutionäre Plattform verfüge: ”Die grosse Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung stand zur CNT. Die CNT war die grösste Organisation in Katalonien. Weshalb hat die CNT ihre Revolution, die Revolution des Volkes, die Revolution der Mehrheit der Bevölkerung nicht gemacht?
Es geschah, was geschehen musste. Die CNT war ein Waisenkind bezüglich revolutionärer Theorie. Wir hatten kein richtiges Programm. Wir wussten nicht, wohin wir gehen sollten. Ein Haufen Lyrik, doch als alles gesagt war, wussten wir nicht, was mit diesen enormen Arbeitermassen zu tun war, oder wie wir den enormen Elan, der aus ihnen in unsere Organisationen strömte, auf den Punkt bringen konnten. Als wir nicht wussten, was zu tun war, begannen wir die Revolution unter die Fahnen der Bourgeoisie und der Marxisten (d.h. der Sozialdemokratie und der Stalinisten) zu stellen, welche die Ordnung von Gestern unterstützten. Noch schlimmer, wir gaben der Bourgeoisie einen immer breiteren Spielraum, um zurückzukehren, sich zu formieren und als Sieger aufzutreten.
Die CNT war nicht fähig, ihre Rolle wirklich zu spielen. Wir
waren nicht fähig, die Revolution mit all ihren Konsequenzen voranzutreiben.”
(aus Balius‘
Broschüre: Hin zu einer neuen Revolution)
Doch die CNT hatte zur damaligen Zeit eine klar formulierte Theorie: die Verteidigung des bürgerlichen Staates. Die Behauptung von Balius trifft für das Proletariat als ganzes zu (im selben Sinne wie auch BILAN die Abwesenheit einer Orientierung und einer revolutionären Vorhut feststellte), nicht jedoch für die CNT. Spätestens ab Februar 1936 arbeitete die CNT unzweifelhaft mit der bürgerlichen Volksfront-Regierung zusammen: ”Im Februar 1936 stellten sich alle Kräfte aus der Arbeiterklasse hinter dieselbe Front: die Notwendigkeit, einen Sieg der Volksfront herbeizuführen, um sich von der Herrschaft der Rechten zu befreien und Amnestie zu erhalten. Von der Sozialdemokratie über den Zentrismus bis zu den Trotzkisten, der CNT und dem POUM, inklusive die Parteien der republikanischen Linken, waren sich alle einig, die Explosion der Klassenwidersprüche in die parlamentarische Arena zu lenken. Und schon hier ist in flammenden Lettern die Niederlage der Anarchisten und des POUM geschrieben, so wie die wirkliche Funktion all der demokratischen Kräfte des Kapitalismus.” (BILAN ”Die Lehren aus den Ereignissen in Spanien”)
Entgegen der Auffassung der Freunde Durrutis, die CNT wisse nicht, wie die Revolution zu vollbringen sei, wusste diese nach dem Juli genau, was sie wollte:
”Wir, und dies war die Sicht der CNT-FAI, hatten verstanden, dass es richtig war, Companys an die Front der Generalität zu folgen, vor allem, dass wir nicht auf die Strassen gingen, um für die soziale Revolution zu kämpfen, sondern um uns gegen die faschistischen Schergen zu verteidigen.” (Garcia Oliver in einer Antwort auf Bolloten, zitiert aus Agustin Guillamon, Die Freunde Durrutis)
Wenn die Freunde Durrutis während der Maitage 1937 im Gegensatz zur CNT zu einer ”revolutionäre Junta” gegen die Regierung der Generalität und zur ”Hinrichtung der Schuldigen” aufriefen, war dies nicht das Produkt eines Bruchs mit dem Anarchismus oder einer Entwicklung weg vom Anarchismus hin zu einer revolutionären Perspektive (wie Guillamon meint), sondern Resultat des Widerstandes der Arbeiterklasse. Es war mehr eine Feststellung, und kein ein Wegweiser für die Machtübernahme, eine Frage, die sich in dieser Situation gar nicht stellte, in der die Initiative in den Händen der Bourgeoisie lag, die eine Provokation gestartet hatte, um den Widerstand der Arbeiter zu brechen. Doch wie Munis bemerkte, waren sie nicht fähig, einen Schritt weiter zu tun: ”Munis machte in Nr. 2 von LA VOZ LENINISTA (23. August 1937) eine Kritik am Konzept der ”revolutionären Junta”, wie es in Nr. 6 von EL AMIGO DEL PUEBLO (12. August 1937) formuliert worden war. In den Augen von Munis litten die Freunde Durrutis an einem zunehmenden theoretischen Niedergang und einer Unfähigkeit, in der Praxis die CNT zu beeinflussen, was sie dazu führe, einige aus den Maitagen gelernte theoretische Positionen wieder zu verlieren. Munis schrieb, dass die Freunde Durrutis im Mai 1937 die Losung der ”revolutionären Junta” gleichzeitig mit ”Alle Macht dem Proletariat” aufgestellt hatten; während EL AMIGO DEL PUEBLO in seiner Nr. 6 vom 12. August die Losung der ”revolutionären Junta” als eine Alternative zum ”Scheitern jeglicher Form von staatlicher Macht” vertrat. Laut Munis war dies ein theoretischer Rückschritt der Freunde Durrutis gegenüber ihren aus der Erfahrung des Mai gewonnenen Erkenntnissen, ein Rückschritt, der sie weiter von der marxistischen Auffassung der Diktatur des Proletariates entfernte und sie in die Unklarheiten der anarchistischen Theorie über den Staat zurückwarf.” [19] [9]
Als der Nährboden des Arbeiterkampfes verschwunden und dessen Niederlage besiegelt war, kehrten die Überlegungen und Vorschläge der Freunde Durrutis ohne Aufhebens in den Schoss der CNT zurück, und die ”revolutionäre Junta” wurde in ein Komitee der antifaschistischen Milizen ungewandelt, das sie zuvor noch als ein Organ der herrschenden Klasse blossgestellt hatten: ”Die Gruppe hat die Auflösung der Verteidigungskomitees, der Kontrollpatrouillen und des Milizkomitees scharf kritisiert, sowie auch das Dekret der Militarisierung. Sie verstanden, dass diese aus den Julitagen hervorgegangen Organe die Basis – zusammen mit den Gewerkschaften und den Gemeindenverwaltungen – für eine neue Strukturierung sein müssen, also Modell einer neuen Ordnung der Dinge. Dies schloss auch durch den Gang der Ereignisse und die revolutionäre Erfahrung gemachte Änderungen ein.” [20] [9]
Es lohnt sich, folgende Aussage desselben Autors aus seiner Broschüre Hin zu einer neuen Revolution von 1938 mit dem Vorangegangenen zu vergleichen: ”Im Juli wurde ein Komitee der antifaschistischen Milizen gegründet. Dies war kein Klassenorgan. Es befanden sich darin Vertreter der Bourgeoisie und der Konterrevolutionäre.”
Die Freunde Durrutis waren kein Ausdruck revolutionärer Lebenskraft der CNT oder des Anarchismus, sondern einer Anstrengung militanter Arbeiter; und dies trotz des Gewichts des Anarchismus, der nie das revolutionäre Programm der Arbeiterklasse war und es auch nie sein wird.
Der Anarchismus kann Teile der Arbeiterklasse anziehen, welche, wie heute zahlreiche junge Arbeiter, einen Mangel an Erfahrung und Orientierung haben, aber aus seinen Positionen kann keine revolutionäre Alternative wachsen. In den meisten Fällen, so wie bei den Freunden Durrutis, sind dies Zeichen von Mut und proletarischem Kampfwillen. Doch wie die Geschichte in Spanien zweimal gezeigt hat, stellen seine ideologischen Irrfahrten den Anarchismus in den Dienst des bürgerlichen Staates.
Einzelne Arbeiter mögen davon ausgehen, dass sie sich an der Revolution auf der Grundlage des Anarchismus beteiligen können, doch um sich ein revolutionäres Programm anzueignen, muss man mit dem Anarchismus brechen.
Ronsesvalles 31.3.2000
[1] [9] Ein Beispiel dazu ist die Broschüre von Balius Hin zu einer neuen Revolution.
[2] [9] Bezüglich dieser zentralen Frage sind wir nicht derselben Meinung wie Agustin Guillamon, der über diese Gruppe die Broschüre Die Freunde Durrutis, 1937-1939 veröffentlicht hat. Seine Arbeit ist die bisher wichtigste und gewissenhafteste Anstrengung zur Dokumentation der Erfahrungen und Publikationen dieser Gruppe, die uns bisher begegnet ist. Deshalb beziehen wir uns in diesem Artikel mehrmals auf diese Quelle. Doch auch wenn der Autor hervorhebt, dass die Ereignisse in Spanien von 1936 den Tod des Anarchismus bedeuteten, so behauptet er gleichzeitig, dass eine revolutionäre Alternative aus dem Anarchismus herauswachsen kann.
[3] [9] Zur genaueren Analyse über den Juli 1936 und Mai 1937 siehe die Broschüre Spanien 1936 unserer IKS-Sektion in Spanien.
[4] [9] Gruppe Internationaler Kommunisten, die Hauptvertreter des Rätekommunismus in Holland. Ein Text dieser Gruppe ”Revolution und Konterrevolution in Spanien” ist in unserer Broschüre Spanien 1936 veröffentlicht.
[5] [9] Zu den Positionen dieser Strömung siehe unsere Broschüre Spanien 1936.
[6] [9] Anders also als die Trotzkisten, welche später im Zweiten Weltkrieg die UdSSR unterstützten.
[7] [9] Die Kino-Version dieser Behauptungen ist in Filmen wie ”Erde und Freiheit” des englischen Regisseurs Ken Loach zu sehen, welche einen großen kommerziellen Erfolg hatten.
[8] [9] Eine Strömung innerhalb der CNT, angeführt von Angel Pestaña, der eine ”syndikalistische Partei” gründen wollte.
[9] [9] Auszug aus einer Antwort von Garcia Oliver, eines Führers der CNT 1936, an den amerikanischen Forscher Bolloten 1950. Zitiert aus dem Buch von Guillamon.
[10] [9] Als Ausgeburt des Zynismus rief eine der Führerinnen der CNT, Federica Montseny, die Arbeiter dazu auf, ”die Gendarmen zu küssen”, von denen sie massakriert wurden.
[11] [9] BILAN Nr.36, ”Die Lehren aus den Ereignissen in Spanien”, Oktober-November 1936
[12] [9] ”Die gegenwärtige Bewegung” in EL AMIGO DEL PUEBLO Nr. 5, Seite 3, zitiert aus dem Buch von Frank Mintz und M. Peciña: Die Freunde Durrutis, die Trotzkisten und die Mai-Ereignisse
[13] [9] Guillamon beschreibt in seinem Buch die Verwandtschaft dieser Gruppe mit den Ideen von Buenaventura Durruti, die er vor allem in einer seiner letzten Reden am 5. November 1936 vertrat.
[14] [9] Jaime Balius in LA NOCHE, ”Achtung Arbeiter! Kein Schritt zurück!”, 2. März 1937, zitiert nach Mintz/Peciña, S. 14-15.
[15] [9] EL AMIGO DEL PUEBLO, Nr. 1, zitiert nach Mintz/Peciña, S. 68-69.
[16] [9] Aus diesem Grund geht Guillamon über diese Überlegungen (wie überhaupt über die Frage von Krieg und Revolution) hinweg, wenn er versucht aufzuzeigen, dass die Freunde Durrutis eine revolutionäre Alternative zum Anarchismus dargestellt hätten.
[17] [9] Jaime Balius, Hin zu einer neuen Revolution, Historisches Dokumentationszentrum, S. 32-33
[18] [9] EL AMIGO DEL PUEBLO, Nr. 1, zitiert nach Mintz/Peciña, S. 63
[19] [9] Agustin Guillamon, Die Freunde Durrutis 1937-1939, Seite 70
[20] [9] Brief von Balius an Bolloten, 1946, zitiert aus
Guillamon, Seite 89, Hervorhebung im Original.
In den 1970er Jahren gab es eine Kampagne, gemäss der die Wirtschaftskrise ein Auswuchs der Erdölknappheit gewesen sei. Anschließend wurde uns zu Beginn der 80er Jahre von den Reaganomics versprochen, dass die Krise nun durchgestanden sei. Dennoch muss man klar und deutlich erkennen: Seit 30 Jahren, d.h. seit Beginn des erneuten Ausbruchs der historischen Krise, konnten wir niemals einer derart tiefgreifenden ideologischen Kampagne beiwohnen, die darauf abzielt, uns einzubläuen, dass die Krise nun überwunden sei und wir in ein neues Zeitalter der Prosperität eingetreten seien. Gemäss dieser in den letzten Jahren entfesselten Propaganda wären wir jetzt also in der dritten industriellen Revolution. Ein Hauptvertreter dieser Argumentation hat sich folgendermaßen geäußert: ”Es handelt sich hier um ein historisches Ereignis von mindestens ebenso großer Tragweite wie die industrielle Revolution des 18. Jahrhunderts ... Das Zeitalter der Industrialisierung basierte auf der Einführung und dem Gebrauch von neuen Energiequellen; das Zeitalter der Informatik gründet auf der Technologie zur Herstellung von Wissen, dem Umgang mit Informationen und der Sprachsymbole.”[1] [11] Die Medien trichtern uns ständig ein, dass die Arbeitslosigkeit nun verschwinden wird. Sie beziehen sich dabei auf die Wachstumszahlen des BIP in den USA während der letzten Jahre. Sie schließen daraus, dass der ökonomische Zyklus, der seit Beginn der siebziger Jahre von schwachem Wachstum und periodischen, ständig tieferen Rezessionen gekennzeichnet war, nun überwunden sei. Wir seien jetzt also in eine ununterbrochene Wachstumsperiode geraten, die man nur mit Superlativen beschreiben könne. Und was ist der Grund dafür? Wir leben im Zeitalter der New Economy, die von einer großartigen neuen technologischen Innovation getragen werde: dem Internet.
Was ist nun also der Inhalt dieser Revolution, die die Bourgeoisie dermaßen entzückt? Es geht hier hauptsächlich darum, dass es das Internet oder viel allgemeiner der Aufbau von neuen Telekommunikationsnetzen erlaube, Informationen viel schneller auszutauschen und effizienter zu verwalten und zwar völlig unabhängig von der Distanz. Dies wiederum erlaube zuallererst Käufer und Verkäufer auf globaler Ebene zusammenzuführen. Kauf und Verkauf seien deshalb unabhängig von Verkaufsstellen und Verkaufsdienstleistungen durch die Unternehmen, was wiederum eine Verringerung der Kosten nach sich ziehe. Jeder Produzent habe jetzt durch das Internet sofortigen Zugriff auf den Weltmarkt, was eine enorme Ausdehnung des Marktes bedeute. Der Verkauf von Waren im Internet erfordere wichtige technologische Kenntnisse, was wiederum die Gründung von neuen Unternehmen begünstige. Die bekannten Start-ups versprächen denn auch eine blendende Zukunft für Profit und Wachstum. Dies ziehe wiederum eine höhere Produktivität in den industriellen Unternehmen nach sich, da eine solch hohe Verkehrsdichte an Informationen eine bessere Koordination und somit tiefere Kosten für Kleinbetriebe, Dienstleistungen und Ateliers bedeuten würden. So könne man auch die Lager reduzieren, da Produktion und Verkauf nun ja unmittelbar miteinander verknüpft werden könnten. Auch die Werbekosten sänken, da eine einzige Werbewebseite ja alle Online-Kunden erreiche. Die Medien weisen auch auf einen anderen wichtigen Punkt mit weitreichenden politischen Folgen hin: Die Internetinnovationen beruhten einzig und allein auf Wissen und nicht auf teuren Maschinen. Man stehe also vor einer Demokratisierung von Innovationen, alle könnten Start-ups in die Wege leiten und somit könnten alle vom Reichtum profitieren.
Trotz der triumphierenden medialen Schreie kann man bereits eine ganze Reihe von davon abweichenden Nachrichten lesen, die doch den Zweifel an der Realität eines neuen großartigen Zeitalters wecken: Einerseits sind alle mit der Feststellung einverstanden, dass sich das Elend auf der Welt ständig vergrößert, dass auch die Ungleichheit in den entwickelten Ländern im Zunehmen begriffen sind und dass die berühmten Start-ups, statt sich in Richtung der prunkvollen Zukunft zu bewegen, die ihnen von den Propagandisten der New Economy gezeigt worden ist, immer zahlreicher einfach zusammenbrechen. Man kann sich also fragen, ob nicht eine Anzahl dieser bis zum Hals verschuldeten Unternehmer nicht einfach das Heer der neuen Armen vergrößern werden. Andererseits treiben einer ganzen Reihe von Ökonomen die Kursbewegungen an der Börse im allgemeinen und diejenigen der Aktien im Bereich der neuen Technologien den kalten Schweiß auf die Stirn. Sie sehen, dass hier das Risiko einer Finanzkrise sehr hoch ist. Würde sie ausbrechen, könnte sie durch die Weltwirtschaft nur schwer aufgefangen werden.
Um die Bedeutung der New Economy wirklich seriös zu beurteilen, muss man zuallererst einmal von der Behauptung vieler Experten ausgehen, dass das Wachstum der Arbeitsproduktivität in der amerikanischen Wirtschaft nach einer Abnahme seit Ende der sechziger Jahre, in denen es bei 2,9% stand, seit einigen Jahren ständig gestiegen sei. In den neunziger Jahren habe es 3,9% betragen[2] [11]. Dieser Umschwung belege den Eintritt der Wirtschaft in ein neues Zeitalter.
Diese Zahlen sind alles andere als über alle Zweifel erhaben: R. Gordon von der Northwestern Universität in den USA schätzt, dass die stündliche Arbeitsproduktivität von 1,1% im Jahr 1995 auf 2,2% zwischen 1995 und 1999 angestiegen sei (Financial Times 4.8.1999). Weiter sind sie für viele Statistiker ganz einfach nicht beweiskräftig und zwar aus folgenden Gründen:
- Die Rentabilität aller produktiven Investitionen hat nur wenig zugenommen, was bedeutet, dass die Zunahme der Arbeitsproduktivität nur durch eine Erhöhung des Tempos und somit der Ausbeutung der Arbeiterklasse zustande gekommen sein kann.
- Die Produktivität weist ständig die Tendenz zum Anstieg auf, wenn man sich auf dem Höhepunkt eines Aufschwungs befindet, was in den USA 1998-1999 der Fall war. Die Produktionskapazitäten sind in einer solchen Zeit besser ausgelastet.
- Schließlich ist vor allem im Bereich der Computerproduktion die Produktivität angestiegen. Die Financial Times hat dieser Umstand zu folgender Aussage veranlasst: ”Der Computer steht am Ursprung des Wunders der Produktivität in der Computerproduktion.” (Ebd.)
Der Kapitalismus realisiert also angetrieben von der Konkurrenz - wie er das immer getan hat - technische Fortschritte. Die Zahlen zeigen keinesfalls, dass wir uns in einer außergewöhnlichen Phase befinden würden, die einen wirklichen Bruch mit den vergangenen Jahrzehnten darstellen würde.
Die historischen Vergleiche zwischen der industriellen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts und den heutigen Ereignissen sind vollkommen irreführend. Die Einführung der Dampfmaschine und die großen Innovationen des 19. Jahrhunderts haben dazu geführt, dass der Arbeiter eine viel größere Menge von Gebrauchswerten in der gleichen Arbeitszeit herstellen konnte. So konnte die Bourgeoisie einen größeren Mehrwert herauspressen. Gewiss erzielte man im 20. Jahrhundert und insbesondere in den letzten 30 Jahren mit der Automatisierung der Produktion ein Wachstum der Arbeitsproduktivität. Dieser Umstand lieferte der Bourgeoisie und ihren Experten das Argument, dass der Arbeiter im weißen Kittel kein Arbeiter mehr (die Roboter arbeiten ja ganz alleine!) und die Arbeiterklasse logischerweise im Verschwinden begriffen sei.
Beim Internet geht es überhaupt nicht um diese Fragen. Mit diesem Vorgehen produziert der Arbeiter in einer gegebenen Zeitspanne ständig dieselbe Menge. Vom Standpunkt der Produktion aus ändert das Internet rein gar nichts. Mit der Kampagne über die New Economy will uns die Bourgeoisie glauben machen, dass der Kapitalismus eine Welt aus Waren sei, ohne dass diese erst produziert werden müssten. Somit will sie auch den Umstand verwischen, dass die Arbeiterklasse das wirkliche Herz dieser Gesellschaft ist, d.h. diese Gesellschaft existieren lässt.
Aber selbst wenn das Internet oder auch eine andere Innovation eine Senkung der Verkaufskosten eines Produktes nach sich zieht, wie das auch die Eisenbahnen im 19. Jahrhundert mit der Verminderung der Transportkosten um den Divisor 20 und somit auch der Verkaufspreise erreicht haben, wird dies kein neues Wirtschaftswachstum auslösen können. Die Eisenbahnen erlaubten ein starkes Wirtschaftswachstum, weil sie Güter für einen expandierenden Markt transportierten. Damals eroberte der Kapitalismus gerade den gesamten Planeten, und er konnte sich so neue Absatzmärkte öffnen. Heute existiert aber kein solcher Markt mehr[3] [11], der Verkauf durch das Internet kann also nur das Verschwinden oder die Verminderung einer ganzen Reihe wirtschaftlicher Aktivitäten nach sich ziehen. In der Folge verschwinden also Stellen, die nicht durch neue im Internetbereich ersetzt werden. Gerade diese Technologie erlaubt es zu sparen, sei es nun im Verkauf an Kunden oder im Verkauf zwischen Unternehmen. Das gleiche Lied kann man von der mit dem Internet angeblich möglichen Restrukturierung von Unternehmen singen. Selbst John Chambers von Cisco, einem der wichtigsten Unternehmen im Bereich der neuen Technologien, sagt: ”Wir haben durch den Gebrauch des Internets für den Informationsaustausch zwischen den Angestellten, den Lieferanten und den Kunden bereits Tausende von Stellen gestrichen ... Dasselbe gilt für die Kostenabrechnungen. Heute sind nur noch zwei Personen für die Spesenabrechnungen unserer 26000 Angestellten zuständig ... So konnten wir bereits 3000 Stellen im Servicebereich streichen” (Le Monde, 28.3.2000). Und damit auch wirklich alles klar ist, fügt er noch hinzu: ”In zehn Jahren wird jedes Unternehmen, das nicht vollständig auf das Internet umgestiegen ist (d.h. nicht all diese Stellen gestrichen hat), schließen.” Die Einkommen, die diese Unternehmen ausschütten, nehmen also ab, was die globale zahlungsfähige Nachfrage offensichtlich nicht erhöhen, der Weltwirtschaft also keinen Anstoß geben kann. Wenn die nötigen außerkapitalistischen Gebiete fehlen - und dies ist in der dekadenten Periode der Fall -, kann keine Innovation die Krise lösen, selbst wenn sie neue Stellen schaffen würde. J. Chambers fügt hinzu, dass er ”die 3000 Personen im Bereich der Forschung und Entwicklung angestellt” habe, aber dies ist nur möglich, weil die Installationswelle im Internetbereich Cisco gegenwärtig hohe Verkaufsabschlüsse bringt. Sobald diese Welle im Abflauen begriffen ist, wird sich diese Firma keine dermaßen große Forschungs- und Entwicklungsabteilung mehr leisten können.
Es gibt also nichts wirklich Neues über die Wirtschaftsentwicklung zu berichten. Und auch die Bourgeoisie, die verzweifelt die Zeichen eines neuen Aufschwungs in einem hypothetischen Kondratieff-Zyklus sucht, d.h. einem alle 50 Jahre alternierenden Zyklus von Krise und Aufschwung[4] [11], wird nichts Neues finden. Den Beweis dafür hat ein Börsenkrach bei den Technologieaktien in diesem Frühling erbracht. Zwischen dem 10. März und dem 14. April ist der Index für diese Werte in den USA, der NASDAQ, um 34% eingebrochen. Internetunternehmen wie Boo.com - finanziert von so mächtigen Banken wie J.P. Morgan und dem französischen Geschäftsmann B. Arnault - sind bankrott gegangen. Das sind Konkurse, die weitere nach sich ziehen werden, in Finanzkreisen zirkulieren Listen mit Internetunternehmen, die ernsthafte Schwierigkeiten haben.[5] [11] Man muss hier insbesondere auch Amazon nennen, der ein großes Internetportal eröffnete und der in Seattle ebenso bekannt ist wie Boeing. Seine finanziellen Schwierigkeiten ziehen neue Erschütterungen an der Wall Street nach sich. Das Forschungsinstitut Gartner Group behauptete, dass 95% bis 98% aller Unternehmen in diesem Sektor bedroht seien (Le Monde, 13.6.2000) und dass dies die Bestätigung der Tatsache sei, dass deren kürzlicher unglaublicher Aufschwung auf nichts anderes als eine spekulative Blase, die nur Luft enthalte, zurückzuführen sei.
Und wenn keine New Economy existiert, dann ist das Internet auch nicht das Mittel, um die ganze Wirtschaft in Schwung zu bringen. Einer der Gründe für den absehbaren Zusammenbruch von Amazon.com liegt darin, dass die konkurrenzierten Verteilunternehmen nun reagieren. Die Nummer 1 dieses Sektors, Wal Mart, verkauft nun nämlich auch über das Internet. Angesichts der Konkurrenz durch diese neuen Unternehmen, die die ”alten” großen Unternehmen zu verschlingen gedroht hatten, reagierten diese mit den gleichen Mitteln. Ein Kader eines französischen Verteilunternehmens erklärt dies so: ”Bei Promedès sagten wir uns, wenn wir nicht aktiv bleiben, so wird auf jeden Fall ein anderer unsere Aktivitäten übernehmen” (Le Monde, 25.4.2000). Dieser Kadermitarbeiter gibt implizit zu, dass die Unternehmen, die ebenfalls den Verkauf über das Internet einführen, keine neuen Arbeitsplätze schaffen (wir haben dies bereits im Falle Ciscos gesehen), sondern sogar Entlassungen vornehmen. In der gleichen Ausgabe von Le Monde steht auch, dass die Internetaktivitäten zumindest teilweise für die Streichung von 3000 Stellen bei der britischen Bank Lloyd’s TSB, von 1500 bei dem Versicherer Prudential verantwortlich seien und dass die amerikanische Computer-Verkaufskette Egghead Software 77 von 156 Filialen geschlossen habe.
Dies sind die realen Auswirkungen der sogenannten New Economy auf die kapitalistische Wirtschaft. Die Maßnahmen der Unternehmen in bezug auf das Internet sind nichts anderes als ein Moment des tödlichen Konkurrenzkampfes, den sich die Kapitalisten angesichts des bereits seit längerer Zeit gesättigten Marktes liefern. Dieser Wirtschaftskrieg kann auch anhand der Welle von Fusionen und Akquisitionen wahrgenommen werden, die bereits vor einem Dezennium angerollt ist und sich nun noch verstärkt. Diese Unternehmen müssen jetzt danach trachten, sich des Produktivapparats und des Markts der Konkurrenten zu bemächtigen, um sich auf dem Weltmarkt zu etablieren. ”1999 hat sich dieser Markt um 123% ausgedehnt und ein Volumen von 1870 Mrd. frz. Francs erreicht (...) Ein Wettlauf auf Weltebene ist im Gang.” (Le Monde, 11.4.2000) Im Rahmen der Dekadenz des Kapitalismus ist es zumindest ein Mittel jedes Sektors der Bourgeoisie, um der Konkurrenz die Stirn zu bieten: Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse. Man weiß, dass solche Riesenfusionen in den meisten Fällen mit Entlassungen zu Ende gehen.
Die Börsenhausse bei den New-Economy-Unternehmen hat übrigens auch alle anderen Börsenwerte in die Höhe gezogen. Dies darf aber keinesfalls als Zeichen einer neuen Phase hohen Wirtschaftswachstums verstanden werden, sondern ist lediglich das Ergebnis des seit Jahrzehnten unternommenen Versuchs der bürgerlichen Staaten, der Krise, in die die Wirtschaft immer tiefer hineinschlittert, Einhalt zu gebieten. Als Beispiel sei hier die Verschuldung angeführt: Gemäss dem Generaldirektor von Altavista Frankreich würde es ausreichen, ”200000 Francs unter einigen Freunden zusammenzulegen, um von Risikoinvestoren weitere vier Millionen zu erhalten, von denen dann die Hälfte in Werbung fließt, bevor weitere 20 Millionen an der Börse beschafft werden könnten” (L’Expansion, 27.4.-11.5.2000). Von Standpunkt der Kapitalakkumulation ist dies natürlich eine reine Absurdität. Da es keine Möglichkeit gibt, wirklich produktiv zu investieren, fließt das Geld halt in unproduktive Aktivitäten wie beispielsweise in die Werbung und endet schließlich in der Spekulation, sei es nun im Bereich der Börse, des Geldes oder des Erdöls.[6] [11] Nur auf diese Weise kann man erklären, weshalb die Aktienkurse der neuen Technologien, bevor sie schließlich einbrachen, innerhalb eines Jahres um 100% angestiegen waren, während die entsprechenden Unternehmen nur Verluste geschrieben hatten.
Es handelt sich hier um keine neue Erscheinung, denn die Bourgeoisie entwickelt seit der Krise von 1929, die nicht zu einem spontanen Wiederaufschwung geführt hat, wie dies noch nach den Krisen des 19. Jahrhunderts der Fall gewesen war, die unproduktiven Bereiche, um der Krise die Stirn zu bieten. Eine gewisse Anzahl der bürgerlichen Zeitungen können diesen Umstand nicht verhehlen: ”Die Internetwirtschaft kann vielleicht die Produktivität langfristig beeinflussen, aber die Schuldenwirtschaft ist der Ursprung dieser Entwicklung ... Die aufsteigende Phase ist mit dem Kredit viel eher unterstützt worden als durch die neuen Technologien, die nichts als ein Alibi für die Spekulation sind.” (L’Expansion, 13.27.4.2000) Und tatsächlich kann diese Spekulation zu nichts anderem führen, das haben die letzten 20 Jahre gezeigt, als zu Erschütterungen in der Finanzsphäre, wie wir dies gerade jetzt erleben.
Die Realität der New Economy zeigt, dass die ganze Medienpropaganda über die Verwandlung der Gesellschaft durch das Internet, die uns alle als im Netz arbeitend und von den Innovationen profitierend und im selben Atemzug auch als Aktionäre darstellen, nichts als ein Bluff ist. Die Gründeraktionäre der Start-ups, die nun zusammenbrechen, können sich durchaus in der größten Not wieder finden. Und alle, die durch die Werbung mit der Möglichkeit von erheblichen Gewinnen mit nur 20% des Aktienwertes als Einsatz zum Kauf von Internetaktien verleitet worden sind, sind nun nach dem Krach gezwungen, während einer längeren Zeit einen Teil ihres Einkommens für die Rückzahlung der Schulden bei der Bank zu benutzen.
Wenn man die Lohnabhängigen mit Aktienoptionen entlohnt, wenn man sie zum Kauf von Fonds verleitet, verwandelt man sie noch lange nicht in Aktionäre, sondern beschneidet sie nur auf zweifache Weise. Einerseits stellt der Teil des Einkommens, den der Arbeiter dem Unternehmen überlässt, nichts anderes als eine Erhöhung des Mehrwertes und eine unmittelbare Verminderung des Einkommens dar. Anderseits bedeutet dies, trotz aller verlockender Angebote, die den Lohnabhängigen zu einem Aktionär der Firma machen sollen, nichts anderes als dass das Kapital den Lohn des Arbeiters von den zukünftigen Ergebnissen des Unternehmens abhängig macht: Wenn die Kurse fallen, fällt auch des Einkommen des Arbeiters. Der Volkskapitalismus, der heute unter der Parole der ”Republik der Aktionäre” so stark in Mode ist, ist doch nur ein Mythos, denn die Bourgeoisie, ob sie sich nun im Staatsapparat oder in der Direktion von Unternehmen befindet, ist Inhaberin der als Kapital wirkenden Produktionsmittel. Sie kann das Kapital nur durch die Ausbeutung der Arbeiterklasse gewinnbringend anwenden. Der Arbeiter kann weder den ganzen noch Teile des Gewinns erhalten, denn gerade um einen Gewinn zu erhalten, muss der Arbeiter nach dem Wert seiner Arbeitskraft bezahlt werden.[7] [11] Die Bourgeoisie hat die Pensionsfonds und den Arbeiteraktionär nur hervorgebracht, weil die Krise des Kapitalismus derart schwer ist, dass sie mit allen Mitteln danach trachtet, den Wert der Arbeitskraft zu senken, indem sie ihn von den Aktienkursen abhängig macht. Der Zusammenbruch der Technologiewerte zeigt das Risiko, dem die Arbeiter ausgesetzt sind, deren Lohn von der Aktienentwicklung abhängt.
Alles in allem kommt die Anstrengung der Bourgeoisie zur Förderung des Arbeiteraktionärs einer zusätzlichen Attacke auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse gleich, und nicht der Teilhabe der Arbeiter an einem Teil des Profits. Genau so wie die Bourgeoisie durch die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen die Mittel hat, Arbeiter von einem auf den nächsten Tag zu entlassen, wenn es das Interesse des Kapitals erheischt, hat sie mit dem Arbeiteraktionär die Mittel in der Hand, das Einkommen oder die Rente des Arbeiters zu senken, wenn sich die Situation des Unternehmens oder des Kapitals verschlechtert.
Dieser wirtschaftliche Angriff steckt hinter der ohrenbetäubenden Kampagne über die New Economy. Der Anschluss des Unternehmens ans Netz bedeutet, dass die Informationen sofort verfügbar sind. Somit entfällt jegliche Pause zwischen zwei Arbeiten. Sobald die eine Arbeit erledigt ist, muss man zur nächsten übergehen, für die man ja auch bereits über das Netz den Auftrag bekommen hat. Jede Arbeit kann jederzeit angepasst werden usw. Teuflisch wird es, wenn die Aufträge immer schneller hereinkommen. Nur so kann man verstehen, dass ”mindestens ein Drittel der mit dem Netz verbundenen Arbeiter mindestens 6,5 Stunden in der Woche zu Hause arbeiten, um Ruhe zu haben” (Le Monde, 13.4.2000). Das auf den ersten Blick sehr großzügige Geschenk eines Computers, den gewisse Unternehmen (Ford mit 300000 Arbeitern, Vivendi mit 250000, Intel mit 70000) ihren Arbeitern zukommen lassen, zeigt sehr gut, wie man die Arbeiter zur ständigen Arbeit zwingen möchte. Der wiederholten Leugnung dieses Umstandes mangelt es nicht an Dreistigkeit, wenn Ford mit diesem Geschenk darauf abzielt, dass ihre Arbeiter ”den Kunden schneller antworten können” und sie ”die Gewohnheit eines schnelleren Informationsaustausches” annehmen. Ständig mehr Experten der Arbeitsorganisation sagen, dass man in der Informationsgesellschaft überhaupt nicht mehr wisse, ”wo die Arbeit beginnt, und wo sie endet”, und dass der Begriff Arbeitszeit zunehmend an Konturen verliere, was wiederum durch Arbeiter bestätigt wird, die nach Belieben zu Hause kontaktiert werden können und ”nie zu arbeiten aufhören” (Libération, 26.5.2000). Tatsächlich wäre das Ideal der Bourgeoisie, wenn alle Arbeiter sich wie die Gründer eines Start-ups im Silicon Valley verhalten würden, die ”13 bis 14 Stunden am Tag, sechs Tage in der Woche arbeiten, in Räumen von 2 mal 2 Metern wohnen ..., ohne Pause, ohne Frühstück, ohne kollegiale Treffen in der Cafeteria” (L’Expansion, 16.-30.3.2000). Diese Arbeitsbedingungen sind die Regel in allen Start-ups weltweit.
Die große Medienkampagne verfolgt noch ein weiteres Ziel. Hinter der New Economy, in der jeder mit dem Netz arbeitet, sich in einen Innovator und Aktionär verwandelt, steckt ein gewaltiger Bluff, allerdings einer von großer Tragweite.
Er unterstellt, dass die Gesellschaft, zumindest diejenige der Industrieländer, eine reale Verbesserung erfahren werde und dass deshalb die Unternehmen, die Verwaltung, in denen die Existenzbedingungen der Arbeiter angegriffen würden, nur eine Randerscheinung, eine Ausnahme, darstellten. Wenn diese Arbeiter Widerstand leisteten, so wäre dies ein rückwärtsgewandter, anachronistischer Kampf, der in der Isolation enden würde. Die Propaganda über die New Economy ist ein Mittel, die Arbeiter zu demoralisieren, damit sich ihre Unzufriedenheit nicht in Kampfkraft umwandelt.
Weiter unterstellt er nichts Geringeres, als dass die Gesellschaft sich derart tiefgreifend am verändern sei, dass der Kapitalismus überwunden werde und somit auch alle Projekte zum Umsturz des Kapitalismus überholt seien. Man sagt uns, dass derjenige, der in der New Economy arbeite, reich werden würde, was logischerweise bedeuten würde, dass die materiellen Bedingungen des Arbeiterdaseins überwunden würden. Wer sich allerdings nicht dieser Trilogie von Netz-Innovator-Aktionär anpasse, werde Opfer einer größeren Einkommensungleichheit. Die Gesellschaft sei also nicht mehr in Bourgeoisie und Arbeiterklasse aufgeteilt, sondern in Involvierte und Ausgeschlossene der New Economy. Und um den Nagel noch ganz reinzuschlagen, behauptet man, dass die Teilhabe an der New Economy von der Intelligenz und vom Willen abhänge: ”Entweder bist du reich oder ein Trottel”, behauptet die Zeitschrift Business 2.0.
All dies wird durch die Propaganda vervollständigt, wonach sich die Unternehmen, der Ort, an dem Wert geschaffen und die Arbeitskraft ausgebeutet wird und sich die Klassen zeigen, sich umwandeln würden. Alle, die an der New Economy partizipierten und Zugriff zum Reichtum hätten, könnten nicht mehr als Arbeiter bezeichnet werden. Die Arbeit im Betrieb, da wo der Reichtum hergestellt werde, sei nicht mehr geteilt zwischen Kapitalist, d.h. Inhaber des Kapitals, und Arbeiter, d.h. Besitzer der Arbeitskraft: ”Die New Economy bedeutet mehr Mannschaft: Die Angestellten bilden ein wirkliches Team, sie haben durch die Aktien teil am Reichtum der Unternehmen”, sagt der Präsident der BVRP Software (Le Monde Diplomatique, Mai 2000).
Diejenigen allerdings, die sich nicht in die New Economy einfügen, schlecht bezahlte und präkarisierte Arbeiter und Arbeitslose, bilden noch immer die große Mehrheit der Gesellschaft. Die Klasse, die den gesellschaftlichen Reichtum herstellt, wird nicht durch den Studenten aus Silicon Valley oder anderswo repräsentiert, der sich durch das Trugbild vom Reichtum in Griffweite blenden lässt. Die den gesellschaftlichen Reichtum produzierende Arbeiterklasse ist diejenige, die von der Bourgeoisie ständig mehr ausgebeutet wird; und wenn die Ausbeutung nicht mehr funktioniert, wird der Arbeiter aufs Pflaster geworfen und aus dem produktiven Prozess ausgeschieden. Angesichts dieser Angriffe hat die Arbeiterklasse keine andere Wahl als zu kämpfen. Das Bewusstsein, das die Arbeiter über die Notwendigkeit dieses Kampfes und seinen Perspektiven haben, sind für ihn lebenswichtig.
Die ideologischen Kampagnen zur New Economy haben die gleichen Themen zum Inhalt und verfolgen dieselben Ziele wie diejenigen, die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 entfesselt worden sind.
Einerseits zielt man darauf ab, der Arbeiterklasse ihre Identität zu rauben, indem man die Gesellschaft als eine Gemeinschaft von Bürgern präsentiert, in der die sozialen Klassen, die Trennung von Ausbeuter und Ausgebeuteten sowie ihre Konflikte verschwunden seien. Gestern war es der Zusammenbruch der Regime, die sich als ”sozialistisch” und arbeiterfreundlich darstellten, die für diese Behauptungen herhalten mussten; heute ist es der Mythos, dass die Herren und die Arbeiter dieselben Interessen hätten, da sie ja jetzt alle Aktionäre desselben Betriebes seien.
Anderseits will man der Arbeiterklasse jegliche Perspektive außerhalb des Kapitalismus rauben. Gestern musste dafür der ”Zusammenbruch des Sozialismus” herhalten. Heute ist es die Idee, dass der Kapitalismus, selbst wenn er seine Fehler habe, nicht in der Lage sei, das Elend zu beseitigen, noch die Kriege, noch die Katastrophen aller Art, er doch eben das ”am wenigsten schlechte aller Systeme” sei, da er trotz allem in der Lage sei zu funktionieren, den Fortschritt zu garantieren, die Krisen zu überwinden.
Aber selbst die Tatsache, dass die Bourgeoisie solche ideologischen Kampagnen für notwendig erachtet, die Tatsache, dass sie sich auf neue wirtschaftliche Angriffe vorbereitet, bedeutet, dass sie kaum an die verzauberte Welt der New Economy glaubt. Die Verfälschungen der politischen Ökonomie durch den amerikanischen Notenbankpräsidenten A. Greenspan, um eine weiche Landung der amerikanischen Wirtschaft herbeizuführen nach Jahren der Verschuldung, der wachsenden Handelsdefizite, der jetzt wieder signifikant ansteigenden Inflation in den USA, bedeuten nicht, dass wir jetzt die Perspektive eines unvorstellbaren Wirtschaftswachstums hätten. Weiche Landung oder noch schlimmere Rezession sind nichts anderes als die Bestätigung der marxistischen Analyse: Der Kapitalismus ist nach der Wiederaufbauphase nach dem zweiten Weltkrieg in die offene Wirtschaftskrise zurückgekippt, die er nicht überwinden kann. Diese Krise wirft einen immer größeren Teil der Menschheit in die absolute Verarmung und ist der Grund für die ständig härteren Lebensbedingungen für die Gesamtheit der Arbeiterklasse. Die Zukunft des Kapitalismus bietet uns nichts anderes als eine ständige und schreckliche Zunahme all dieser Übel. Einzig die Arbeiterklasse hat die Fähigkeit, eine Gesellschaft zu errichten, in der der Überfluss herrschen wird, weil sie allein in der Lage ist, die Grundlage für eine Gesellschaft zu bilden, die zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse und nicht des Profits einer Minderheit produziert. Diese Gesellschaft nennt sich Kommunismus.
JS, Juni 2000
[1] [11] Interview mit Manuel Castells (Professor an der Universität von Berkeley), in: Problèmes économiques Nr. 2642, 1.12.1999
[2] [11] Business Review, Juli/August 1999. Diese Zeitschrift publiziert die Zahlen der Handelsabteilung der amerikanischen Regierung.
[3] [11] Siehe den Artikel von Mitchell: ”Krisen und Zyklen in der niedergehenden kapitalistischen Wirtschaft” in International Review Nr. 102 und 103 (engl./frz./span. Ausgabe) und die Broschüre der IKS ”Die Dekadenz des Kapitalismus”.
[4] [11] In den 1920er Jahren hat N. Kondratieff diese Theorie entwickelt, nach der die Weltwirtschaft einen Zyklus von Krise und Aufschwung von ca. 50 Jahren durchläuft. Diese Theorie hat für die Bourgeoisie den großen Vorteil, dass auf eine Krise der Aufschwung ebenso sicher folgt wie die Sonne auf den Regen.
[5] [11] ”Peapod.com, CDNow, salon.com, Yahoo!...” in: Le Monde, 13.6.2000
[6] [11] Wir schrieben bereits in der am 14. Kongress von unserer Sektion in Frankreich verabschiedeten Resolution (siehe Weltrevolution Nr. 102): ”Die Besessenheit, welche Investoren ergriffen hat, in die ‚Neue Ökonomie‘ zu investieren, ist nichts anderes als ein Ausdruck der Sackgasse der kapitalistischen Wirtschaft. Marx hatte schon zu seiner Zeit aufgezeigt, dass die Börsenspekulation nicht ein Zeichen für die Gesundheit der Wirtschaft, sondern für den sich anbahnenden Bankrott ist.” (Punkt 4)
[7] [11] Für eine detailliertere marxistische Analyse des kapitalistischen Ausbeutungsprozesses siehe den bereits zitierten Artikel von Mitchell.
Im Augenblick der Fertigstellung der International Review Nr. 103 (engl./frz./span. Ausgabe), aus welcher dieser Artikel übernommen wird, erfährt die Situation in Ex-Jugoslawien eine neue Wende. Wir sehen uns deshalb zu einer unmittelbaren Stellungnahme veranlasst. Als revolutionäre Organisation der Arbeiterklasse ist dies unsere Aufgabe, auch wenn der Positionsbezug nur kurz sein kann. Unsere Leser können gewiss sein, dass wir unsere Analyse und unsere Intervention zu dieser Frage in unseren verschiedenen territorialen Publikationen sehr schnell vorantreiben werden.
Wenn wir also den Medien der Bourgeoisie und insbesondere den auf allen Fernsehkanälen der vorgeblich großen Demokratien verbreiteten Bildern glauben, so wohnen wir in Belgrad seit zwei Tagen einem großen historischen Augenblick bei: nämlich einer friedlichen demokratischen Revolution, vollendet durch das serbische Volk und den Fall von Milosevic. Dies bedeute das Ende der “letzten national-kommunistischen Diktatur Europas”. Alles entwickelt sich also bestens in der besten aller kapitalistischen Welten! Dieses “historische Ereignis” wird von allen Staatschefs und anderen Anführern der großen “demokratischen” Mächte begrüßt und beweihräuchert, denselben, die erst im letzten Jahr den Krieg entfesselt und mit ihrem Bombardement auf den Kosovo und auf Serbien massive Zerstörungen und Massaker verursacht hatten. All dies geschah, wir erinnern uns wohl, im Namen der notwendigen “humanitären Intervention”, die Milosevic und seine Bluthunde an der Vollendung ihrer schrecklichen Taten im Kosovo hätten hindern sollen.
Damals hatte unsere Organisation sofort auf diese Lügner reagiert und sie als “feuerlegende Feuerwehrmänner” denunziert. Wir hatten ihre Verantwortung für die Entfesselung der Barbarei insbesondere in dieser Weltgegend in Erinnerung gerufen: “Die Politiker und die Medien der NATO-Länder präsentieren uns diesen Krieg als eine Aktion zur ‘Verteidigung der Menschenrechte’ gegen ein besonders widerliches Regime, verantwortlich für verschiedenste Missetaten wie die seit 1991 Ex-Jugsolawien besudelnden ‘ethnischen Säuberungen’. In Wirklichkeit kümmern sich die ‘demokratischen’ Staaten keineswegs um das Schicksal der Bevölkerung im Kosovo, ebenso wenig wie sie das Schicksal der kurdischen und schiitischen Bevölkerung im Irak, die nach dem Golfkrieg von den Truppen Saddam Husseins massakriert wurden, rührte. Die Leiden der durch diesen oder jenen Diktator verfolgten Zivilbevölkerung dienten immer nur als Vorwand, der es den großen ‘Demokratien’ erlaubte, im Namen einer ‘gerechten Sache’ den Krieg zu entfesseln.” (Internationale Revue, Nr. 23)
Nur kurz darauf doppelten wir nach: “Wer, wenn nicht die großen imperialistischen Mächte, hat während der letzten zehn Jahre den schlimmsten Cliquen und nationalistischen kroatischen, serbischen, bosnischen und jetzt kosovarischen Mafias erlaubt, ihre blutige nationalistische Hysterie und die generalisierte ethnische Säuberung in einem teuflischen Prozess zu entfesseln? Wer, wenn nicht Deutschland, hat Slowenien und Kroatien zur Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeit getrieben und hat so die nationalistischen Brandungen auf dem Balkan, die Massaker und die Vertreibung der serbischen und bosnischen Bevölkerung autorisiert und vorangetrieben? Wer, wenn nicht Großbritannien und Frankreich, hat die Repression, die Massaker an der kroatischen und bosnischen Bevölkerung und schließlich die ethnische Säuberung von Milosevic und seinen nationalistischen Großserben gutgeheißen? Wer, wenn nicht die Vereinigten Staaten, hat die verschiedenen bewaffneten Banden unterstützt und ausgerüstet, je nachdem wie sich ihre Rivalen gerade positioniert hatten? Die Heuchelei und Hinterhältigkeit der ‘alliierten’ westlichen Demokratien sind grenzenlos, wenn sie ihre Bombardements als ‘humanitäre Intervention’ rechtfertigen.” (International Review (engl. frz. span. Ausgabe) Nr. 98)
Wenn heute all diese großen imperialistischen Gangster keine Worte finden, um den Traum des serbischen Volkes zu begrüßen, das nach ihrer eigenen Ansicht ‘den Mut und den Stolz’ fand, sich des blutigen Diktators zu entledigen, so wollen sie mittels dieses trügerischen Diskurses hauptsächlich glauben machen, dass die gegenwärtigen Ereignisse nichts anderes als die Rechtfertigung der tödlichen Bombardierungen des letzten Jahres seien. Le Monde, dieses wichtige Sprachrohr der herrschenden Klasse in Frankreich, steht ohne Umschweife dazu: “...Mit dem späten Entscheid für einen militärischen Angriff auf Serbien haben Europa und die Vereinigten Staaten den Herrscher in Belgrad geschwächt und ein bisschen von seinem Volk isoliert.” Haben und werden die scheinbar großen Demokratien auch in Zukunft Grund haben, militärisch im Namen der unerlässlichen “humanitären Intervention” einzuschreiten? Unter dem Vorwand der “Verteidigung der Menschenrechte in der Welt” wollen sie auf diese Weise freie Hand haben, um die Massaker und Zerstörungen ungehindert zu vervielfachen. Von diesem Blickwinkel aus sind die aktuellen Ereignisse in Belgrad (ohne ihren ideologischen Nutzen zu vergessen) schon ein Erfolg für die Bourgeoisie.
Die herrschende Klasse betont aber auch einen anderen Aspekt: den angeblich “glorreichen Marsch der Demokratie” gegen alle Formen der Diktatur. Sind die “historischen Stunden”, denen wir heute beiwohnen dürfen, dafür nicht ein schreiender Beweis? Diese ideologische Schlacht ist desto wirksamer, je stärker die bürgerlichen Medien unterstreichen, dass unter den Hauptverantwortlichen für den Fall von Milosevic und den Sieg der Demokratie die Arbeiterklasse zu finden sei. Sie ist dem Ruf zum “zivilen Ungehorsam” gefolgt, den der Wahlsieger Kostunica ausgestoßen hatte. Dieser große nationalistische Bourgeois, in Bosnien lange ein Komplize des blutigen Karadzic, steht heute als Gegner der Diktatur da. Einige Sektoren der Arbeiterklasse wie beispielsweise die Minenarbeiter von Kolubra haben nun ihren Platz in den Zeilen der bürgerlichen Presse bekommen, da sie für die Verteidigung der Demokratie streikten. Wenn die internationale herrschende Klasse einen Wunsch hat, so dass dieses Beispiel überall in der Welt nachgeahmt werde und zwar insbesondere in den großen Arbeiterzentren im Herzen des Kapitalismus.
In diesem Augenblick trägt alle Welt das Wort “Revolution” zur Beschreibung der Situation in Belgrad im Mund. Jedoch handelt es sich um ein Täuschungsmanöver. Der Sieg der “Demokratie”, d.h. der bürgerlichen Kräfte, ist nichts anderes als der Sieg der kapitalistischen Klasse und niemals derjenige des Proletariats.
Elfe, 7.10.2000
Der Anarchismus ist heute wieder im Aufwind. Sei es durch das Erscheinen und Wiedererstarken des Anarchosyndikalismus, sei es durch das Auftauchen verschiedenster kleiner Gruppen, die sich auf libertäre Ideen beziehen und in mehreren Ländern aus dem Boden spriessen. Sie geniessen auch die vermehrte Aufmerksamkeit der kapitalistischen Medien. Dies lässt sich durch die Besonderheiten der heutigen Zeit erklären.
Der Zusammenbruch der stalinistischen Regime Ende der 80er Jahre hat es der herrschenden Klasse erlaubt, eine bisher nie gesehene Kampagne über den “Tod des Kommunismus” zu entfesseln. Diese Kampagne hatte auch auf die Arbeiterklasse Auswirkungen, selbst auf Elemente, die das kapitalistische System ablehnen und auf dessen revolutionäre Überwindung hoffen. Laut den bürgerlichen Kampagnen bedeutet das Scheitern dessen, was als “Sozialismus” oder “Kommunismus” dargestellt wird, auch ein Scheitern der kommunistischen Ideen von Marx, welche die stalinistischen Regime zur offiziellen Ideologie erhoben (und dabei natürlich systematisch verfälscht) hatten.
Marx, Lenin und Stalin sind dasselbe Feindbild: ein während Jahren von allen Teilen der herrschenden Klasse abgedroschenes Thema. Und es ist auch exakt die Aussage, welche der Anarchismus während des ganzen 20. Jahrhunderts vertreten hat, seit in der UdSSR eines der barbarischsten Regime, die der dekadente Kapitalismus hervorgebracht hat, installiert wurde. Für die Anarchisten, die immer behauptet haben, der Marxismus sei von Natur aus autoritär, war die stalinistische Diktatur die logische Konsequenz der Ideen von Marx. In diesem Licht gesehen ist das heutige Wiederaufleben der anarchistischen und libertären Strömung eine Folge der bürgerlichen Kampagnen, ein Zeichen ihres Einflusses auf Elemente, die den Kapitalismus zwar ablehnen, den Lügen, die während der letzten zehn Jahre verbreitet wurden, aber auf den Leim kriechen. Diese Strömung, die sich als radikalster Gegner der bürgerlichen Ordnung gibt, verdankt einen grossen Teil ihres Erfolgs den Konzessionen, die sie gegenüber den klassischen Themen der bürgerlichen Ideologien heute und schon früher immer gemacht hat.
Es gibt aber heute auch viele Anarchisten und Libertäre, welche sich dabei nicht sehr wohl fühlen.
Einerseits haben sie Mühe, das Verhalten der grössten Organisation in der Geschichte des Anarchismus, der spanischen CNT, die den entscheidendsten Einfluss auf die Arbeiterklasse eines ganzen Landes hatte, zu akzeptieren. Es ist tatsächlich nicht einfach, sich auf die Erfahrung einer Organisation zu berufen, die nach jahrzehntelangem Aufruf zur “direkten Aktion”, der Denunzierung jeglicher Beteiligung am bürgerlichen parlamentarischen Spiel und aufrührerischen Reden gegen jede Form des Staates 1936 nichts besseres zu tun wusste, als vier Minister für die bürgerliche Regierung der Republik zu stellen und verschiedene Vertreter in die Regierung der “Generalitat” in Katalonien zu entsenden. Minister, die im Mai 1937, als sich die Arbeiter von Barcelona im Aufstand gegen die Politik dieser Regierung befanden (eine von den Stalinisten kontrollierte Politik), die Arbeiter dazu aufriefen, die Waffen niederzulegen und sich mit ihren Henkern zu “verbrüdern”. Mit andern Worten: Sie fielen den Arbeitern in den Rücken. Aus diesem Grund versuchen sich heute einige Libertäre auf Strömungen zu berufen, die aus dem Anarchismus oder der CNT selbst hervorgegangen sind, sich aber der verbrecherischen Politik der Zentrale widersetzt haben. Eine dieser Strömungen sind die “Freunde Durrutis”, die 1937 die offizielle Linie der spanischen CNT bekämpft haben, bis die CNT sie als Verräter bezeichnete und ihnen mit dem Ausschluss drohte. Um den Charakter dieser Strömung zu untersuchen veröffentlichen wir im Folgenden einen Artikel aus der Broschüre Spanien 1936 unserer IKS Sektion in Spanien.
Andererseits spüren Leute, die sich von libertären Ideen angezogen fühlen, die Inhaltslosigkeit der anarchistischen Ideologie (was nicht schwer fällt) und suchen nach anderen Bezugspunkten, mit denen sie diejenigen der klassischen Köpfe dieser Ideologie (Proudhon, Bakunin, Kropotkin, usw.) ergänzen können. Und auf welch bessere Referenz kann man dabei stossen als auf Marx, als dessen “Schüler” sich Bakunin einst selbst bezeichnet hatte. Angespornt vom Willen, die bürgerlichen Lügen, die den Marxismus für alles Schlechte behaften wollen was in Russland nach 1917 passierte, neigen sie dazu, Marx radikal Lenin gegenüberzustellen und fallen der Kampagne zum Opfer, die Stalin als den aufrechten Erben Lenins darstellt. Aus diesem Grund neigen sie auf der Suche nach einem “libertären Marxismus” zur Bezugnahme auf die Strömung der Deutsch-Hollänischen Linken. Deren bekannteste Theoretiker, Otto Rühle als Erster und danach Anton Pannekoek, hatten die Russischen Revolution von 1917 als eine bürgerliche Revolution bezeichnet, von einer bürgerlichen bolschewistischen Partei angeführt und durch einen bürgerlich-jakobinistischen Denker, Lenin, geleitet. Die Genossen der Deutsch-Holländischen Linken jedoch beriefen sich immer explizit auf den Marxismus, und keineswegs auf den Anarchismus, und haben alle Versuche abgelehnt, diese zwei Strömungen miteinander zu versöhnen. Dies hindert heute gewisse Anarchisten nicht daran, die Deutsch-Holländische Linke für sich in Anspruch zu nehmen, oder – oft auch ehrlich gemeint – einzelne Teile herauszunehmen und einen “libertären Marxismus” zu konstruieren, die unmögliche Synthese von Anarchismus und Marxismus.
IKS
Was auch immer die spezifischen Gründe waren, die die österreichische Bourgeoisie dazu veranlassten, die “Faschisten” in die Regierung zu bringen[1] [15], dieses Ereignis hat sich als vorzügliche Gelegenheit für all ihre europäischen und amerikanischen Kompagnons angeboten, einer Mystifikation neues Leben einzuhauchen, die sich bereits als sehr wirksam gegen die Arbeiterklasse erwiesen hatte. In den vergangenen Jahren hatte sich die Kampagne gegen die “faschistische Gefahr” von nichts anderem nähren können als vom Wahlerfolg der Nationalen Front in Frankreich und von den Angriffen von Skinheadbanden gegen Immigranten. Selbst die Pinochet-Show konnte die Massen nicht mehr in ihrem Bann ziehen, seitdem der alte Diktator in den Ruhestand gegangen ist. Natürlich bot da der Eintritt einer “faschistischen” Partei in eine europäischen Regierung eine viel reichhaltigere Kost für solcherlei Kampagnen.
Als die Genossen von Bilan (die französischsprachige Publikation der linken Fraktion der Italienischen Kommunistischen Partei) den Text veröffentlichten, den wir nachfolgend neu auflegen, befanden sich in etlichen europäischen Ländern faschistische Regierungen an der Macht; Hitler war seit 1933 in Deutschland an der Macht. Doch sie verloren nicht den Kopf und ließen sich nicht von der Raserei des “Antifaschismus” anstecken, von der nicht nur die sozialistischen und stalinistischen Parteien ergriffen waren, sondern auch Strömungen, die der Degeneration der Kommunistischen Internationalen in den 20er Jahren Paroli geboten hatten, insbesondere die Trotzkisten. Bilan war in der Lage, klar und deutlich vor den Gefahren des Antifaschismus zu warnen – was sich auf dem Höhepunkt des spanischen Bürgerkrieges als prophetisch erweisen sollte. In Spanien war die faschistische Fraktion der Bourgeoisie nur deshalb in der Lage, das Proletariat, das sich angesichts des Franco-Putsches am 18. Juli 1936 bewaffnet hatte, zu unterdrücken, weil sich letzteres im Namen der Priorität des antifaschistischen Kampfes und der Notwendigkeit, eine Einheitsfront aller antifaschistischer Kräfte zu bilden, von seinem Klassenterrain, dem Terrain des unversöhnlichen Kampfes gegen die bürgerliche Republik, hat wegzerren lassen.
Die heutige Situation gleicht nicht jener in den 30er Jahren, als die Arbeiterklasse gerade die fürchterlichste Niederlage in ihrer Geschichte erlitten hatte, und zwar nicht durch den Faschismus, sondern durch die “demokratische” Bourgeoisie. Genau diese Niederlage ermöglichte es dem Faschismus, in bestimmten Ländern Europas an die Macht zu gelangen. Demzufolge können wir sagen, dass der Faschismus heute keine Notwendigkeit für den Kapitalismus besitzt. Nur indem sie die Unterschiede zwischen der heutigen Situation und jener in den 30er Jahren völlig ignorieren, können Strömungen, die behaupten, zur Arbeiterklasse zu gehören oder gar die Revolution zu favorisieren, wie die Trotzkisten, ihre Beteiligung an den Kampagnen gegen die “faschistische Bedrohung” rechtfertigen. In diesem Sinn bestand Bilan absolut zu Recht darauf, dass die Revolutionäre die Ereignisse innerhalb ihres historischen Zusammenhanges analysieren und dabei besonders das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen berücksichtigen müssen. Während der 30er Jahre entwickelte Bilan insbesondere gegen die Trotzkisten (die im Text als “Bolschewiki-Leninisten” bezeichnet werden, wie sich die Trotzkisten in den 30er Jahren selbst bezeichnet hatten) ihre Argumente. Damals waren die Trotzkisten noch Bestandteil der Arbeiterklasse, aber ihr Opportunismus sollte sie während des II. Weltkrieges in das bürgerliche Lager führen. Im Namen eben jenes Antifaschismus unterstützten die Trotzkisten den alliierten Imperialismus während des Krieges und traten dabei eines der fundamentalsten Prinzipien der Arbeiterbewegung mit Füßen: den Internationalismus. Dies vor Augen, bleiben die Argumente Bilans gegen die antifaschistischen Kampagnen, ihre Entlarvung der Gefahr, die der Antifaschismus für die Arbeiterklasse darstellt, auch heute vollkommen gültig. Die historische Lage hat sich verändert, aber die Lügen, die in der Arbeiterklasse verbreitet werden, um sie von ihrem Klassenterrain unter das Banner der demokratischen Bourgeoisie zu ziehen, bleiben grundsätzlich dieselben. Der Leser wird es nicht schwer haben, die “Argumente” wiederzuerkennen, die von Bilan angegriffen werden: Es sind exakt dieselben, die wir auch aus dem Munde heutiger Antifaschisten und besonders von denjenigen hören, die sich so revolutionär gebärden. Wir wollen hier zwei Passagen aus dem Text von Bilan als Beispiel zitieren.
“(...) ist die Position unserer Gegner, die das Proletariat dazu bewegen wollen, die am wenigsten schlechte Organisationsform des kapitalistischen Staates zu wählen, nicht mit jener von Bernstein identisch, der das Proletariat dazu aufrief, die beste Form des kapitalistischen Staates anzustreben?”
“(...) wenn das Proletariat wirklich stark genug ist, der Bourgeoisie seine Regierungsform aufzuzwingen, warum sollte es dann bei diesem Ziel haltmachen und nicht seine eigenen zentralen Forderungen nach Zerstörung des kapitalistischen Staates durchsetzen? Wenn aber im Gegenteil das Proletariat noch nicht stark genug ist, um sich zum Aufstand zu erheben, bedeutet dann nicht sein Vorwärtsdrängen zu einer demokratischen Regierung tatsächlich, es auf die falsche Fährte zu locken, was erst den Sieg des Feindes möglich macht?”
Schließlich antwortete Bilan auf all diejenigen, die behaupteten, der Antifaschismus sei ein Mittel, um “die Arbeiter zu sammeln”, dass das einzige Terrain, auf dem sich das Proletariat sammeln kann, jenes der Verteidigung seiner Klasseninteressen ist, das auch heute dasselbe ist, ganz gleich, wie das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen aussieht. “(...) da es nicht die Machtfrage stellen kann, muss sich das Proletariat in seinen Tageskämpfen um begrenztere, aber immer noch klassenmäßige Ziele scharen (...) Statt sich der langfristigen Änderung der Arbeiterforderungen zu widmen, ist es die vordringliche Pflicht der Kommunisten, die Regruppierung der Arbeiterklasse um ihre Klassenforderungen und innerhalb ihrer Klassenorganisationen, den Gewerkschaften, zu betreiben.”
Im Gegensatz zur deutsch-holländischen Linken hatten die italienischen Linkskommunisten damals noch nicht die Frage der Gewerkschaften geklärt. Denn seit der Zeit des I. Weltkrieges waren die Gewerkschaften unwiderruflich zu Organen des kapitalistischen Staates geworden. Doch dies stellt in keiner Weise die Positionen in Frage, die von Bilan vertreten wurden, als sie die Arbeiter dazu aufrief, sich um ihre eigenen Klassenforderungen zu sammeln. Diese Position bleibt auch heute vollkommen gültig, wo jede Fraktion der Bourgeoisie die Arbeiter dazu auffordert, jenes kostbare Gut, die Demokratie, zu verteidigen – ob gegen den Faschismus oder gegen jeden Versuch, eine neue Revolution zu unternehmen, die nur zu einer Rückkehr desselben Totalitarismus führe, der zehn Jahre zuvor in den sog. “sozialistischen” Ländern zusammengebrochen sei.
In diesem Sinn wendet der nachfolgend abgedruckte Artikel von Bilan dieselbe Vorgehensweise bei der Entlarvung der demokratischen Lügen an, wie dies auch in unserer Veröffentlichung von Lenins Thesen Über die bürgerliche Demokratie und die proletarische Diktatur in der vorherigen Ausgabe der International Review geschah (siehe International Review Nr. 100, engl./franz./span. Ausgabe).
Auf dem Tiefstand der Revolution ist die gegenwärtige Lage ganz offensichtlich verwirrender als sonst. Dies ist das Resultat einerseits der konterrevolutionären Entwicklung all der Stützpunkte, die das Proletariat in einem bitteren Kampf nach dem Krieg erobert hatte (der russische Staat, die III. Internationale), und andererseits der Unfähigkeit der Arbeiter, in einer ideologischen und revolutionären Widerstandsfront dieser Entwicklung entgegenzutreten. Die Arbeiter haben mit Kämpfen und manchmal mit großartigen Schlachten (Österreich) auf die Kombination dieses Phänomens mit der brutalen Offensive des Kapitalismus reagiert, die auf die Bildung von Bündnissen angesichts des drohenden Krieges ausgerichtet ist. Aber diese Schlachten sind daran gescheitert, die Macht des Zentrismus, der einzigen politischen Massenorganisation, zu erschüttern, der sodann zu den Kräften der weltweiten Konterrevolution überlief.
In solch einem Moment der Niederlage ist die Konfusion nur ein Resultat, das der Kapitalismus erzielt, indem er sich zu seinem eigenen Schutz den Arbeiterstaat und den Zentrismus einverleibt, die er auf dasselbe Terrain führt, das seit 1914 von den hinterhältigen Kräften der Sozialdemokratie besetzt ist, dem wichtigsten Agenten der Auflösung des Massenbewusstseins und Sprecher der Parolen der proletarischen Niederlage und des kapitalistischen Sieges.
In diesem Artikel werden wir eine typische Formel der Konfusion untersuchen: etwas, was – auch unter Arbeitern, die sich selbst als links betrachten – “Antifaschismus” genannt wird (...) Zugunsten der Klarheit wollen wir hier uns auf ein Problem beschränken: den Antifaschismus und die Einheitsfront, die sich unter dieser Parole angeblich errichten lässt.
Es ist elementar – besser: es ist üblich – festzustellen, dass, bevor man sich in einer Klassenauseinandersetzung engagiert, es nötig ist, die Ziele, die man im Auge hat, die Methoden, die man benutzen will, und die Klassenkräfte zu nennen, die zu unserem Gunsten intervenieren können. Es ist nichts “Theoretisches” an diesen Betrachtungen, und trotzdem meinen wir, dass sie für die oberflächliche Kritik all jener Elemente unzugänglich sind, die in der Regel die theoretische Klärung ignorieren und mit jedem ins Bett steigen, an jeder Bewegung teilhaben, solange es “eine Aktion” gibt. Natürlich gehören wir zu denjenigen, die denken, dass die Aktion nicht einem Wutanfall oder dem guten Willen von Individuen entspringt, sondern aus der Situation selbst entsteht. Darüber hinaus ist für die Aktion die theoretische Arbeit unerlässlich, um die Arbeiterklasse vor neuen Niederlagen zu bewahren. Und wir müssen die Bedeutung der Geringschätzung begreifen, die so viele Militante gegenüber der theoretischen Arbeit an den Tag legen, denn in Wahrheit geht dies in jenen revolutionären Milieus stets – ohne es auszusprechen – mit der Ersetzung proletarischer Positionen durch die Prinzipien des Feindes Sozialdemokratie einher, wobei gleichzeitig zu Aktionen um jeden Preis im “Rennen” gegen den Faschismus aufgerufen wird.
So weit es das Problem des Antifaschismus angeht, so werden seine zahllosen Anhänger nicht nur von einer Geringschätzung der theoretischen Arbeit begleitet, sondern auch von einer dummen Manie der Schaffung und Verbreitung von Verwirrung, die notwendig ist, um eine breite Widerstandsfront zu errichten. Es darf keine Grenze geben, die auch nur einen einzigen Verbündeten abschrecken oder die geringste Möglichkeit zum Kampf auslassen könnte: Dies ist die Parole des Antifaschismus. Hier sehen wir, dass von letzterem die Konfusion idealisiert und als Element des Sieges betrachtet wird. Hier sollten wir uns vergegenwärtigen, dass mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor Marx zu Weitling gesagt hatte, dass die Ignoranz niemals der Arbeiterbewegung in irgendeiner Weise gedient hat.
Statt heute das Ziel des Kampfes, die Methoden, die benutzt werden sollen, und das notwendige Programm abzustecken, wird die Quintessenz der marxistischen Strategie (die Marx als Ignoranz bezeichnet hätte) so dargestellt: Man nehme ein Adjektiv – heute ist “leninistisch” das gebräuchlichste – und rede endlos und völlig zusammenhanglos über die Lage in Russland 1917 und Kornilows Septemberoffensive. O weh! Es soll eine Zeit gegeben haben, in der die Revolutionäre ihre Köpfe noch auf den Schultern trugen und die historische Erfahrung analysierten. Daraufhin bestimmten sie zunächst, ob es möglich ist, eine politische Parallele zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu ziehen, bevor sie versuchten, eine Analogie zwischen der Lage in ihrer eigenen Epoche und jenen Erfahrungen herzustellen. Doch solche Zeiten sind vergangen, besonders wenn wir die übliche Phraseologie proletarischer Gruppen betrachten.
Uns wird gesagt, dass es keinen Anlass gebe, einen Vergleich zwischen der Situation des Klassenkampfes in Russland 1917 und heute in anderen Ländern zu ziehen. Ähnlich gebe es keinen Anlass zu entscheiden, ob das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen damals Ähnlichkeiten mit dem von heute aufweist. Der Sieg des Oktobers 1917 sei eine historische Tatsache, so dass alles, was wir zu tun hätten, darin bestehe, die Taktiken der russischen Bolschewiki zu kopieren und vor allem eine ganz schlichte Kopie anzufertigen, die entsprechend der verschiedenen Milieus variiert, die die Ereignisse auf der Basis radikal gegensätzlicher Auffassungen interpretieren.
Diejenigen, die sich heute selbst “Leninisten” nennen, lassen sich nicht im Geringsten von der Tatsache stören, dass der Kapitalismus in Russland 1917 seine erste Erfahrung mit der Staatsmacht gemacht hatte, während der Faschismus im Gegensatz dazu aus einem Kapitalismus herauskroch, der seit Jahrzehnten an der Macht ist, und dass die explosive revolutionäre Lage in Russland 1917 überhaupt nicht mit der reaktionären Situation von heute vergleichbar ist. Im Gegenteil: Ihre erstaunliche Gelassenheit kann nicht einmal durch einen Vergleich der Ereignisse von 1917 mit denen von heute erschüttert werden, der auf einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den deutschen und italienischen Erfahrungen basiert. Kornilow ist die Antwort auf alles. Die Siege von Mussolini und Hitler werden allein den Abweichungen der kommunistischen Parteien von den klassischen Taktiken der Bolschewiki 1917 zugeschrieben, dies mittels einer politischen Akrobatik, die zwei entgegengesetzte Situation zusammenwirft: die revolutionäre und die reaktionäre.
* * *
So weit es den Antifaschismus angeht, so gehen politische Überlegungen an ihm vorbei. Seine Absicht ist es, alle diejenigen, die von faschistischen Angriffen bedroht sind, in einer Art “Gewerkschaft der Bedrohten” zu sammeln.
Die Sozialdemokraten raten den Radikal-Sozialisten, sich um ihre eigene Sicherheit zu kümmern und sofort Abwehrmaßnahmen gegen die faschistische Bedrohung zu ergreifen, nachdem Herriot und Daladier ebenfalls Opfer eines faschistischen Sieges wurden. Leon Blum geht sogar noch weiter, indem er Doumergue eindringlich davor warnt, dass ihm dasselbe Schicksal blüht wie Brüning, wenn er nicht achtgibt auf den Faschismus. Der Zentrismus wandte sich an die “sozialistische Basis” bzw. der SFIO an den Zentrismus, um eine Einheitsfront zu bilden, da beide, Sozialisten wie Kommunisten, vom Faschismus bedroht seien. Schließlich gibt es noch die Bolschewiki-Leninisten, die in ihrer Wut großmäulig allen und jedem verkünden, dass sie bereit sind, eine Kampffront zu schaffen, frei von politischen Rücksichten, auf der Grundlage einer dauerhaften Solidarität unter allen Arbeiter(?)gruppierungen gegen die Aktivitäten der Faschisten.
Der Gedanke, der hinter diesen Spekulationen steckt, ist sicherlich ganz simpel – zu einfach, um wahr zu sein: Man bringe alle diejenigen, die bedroht und von demselben Wunsch, nämlich den eigenen Tod zu vermeiden, getrieben sind, in einer allgemeinen antifaschistischen Front zusammen. Doch selbst die oberflächlichste Analyse wird aufzeigen, dass die idyllische Einfachheit dieses Vorschlags in Wahrheit die völlige Abschaffung der fundamentalen Positionen des Marxismus verbirgt, die Leugnung der vergangenen Ereignisse und der Bedeutung der heutigen Ereignisse. (...)
Aber all die Predigten darüber, was die Radikalen, Sozialisten und Zentristen unternehmen wollen, um ihre eigene Haut und ihre Institutionen zu retten, werden nichts am Verlauf der Ereignisse ändern, da das wahre Problem darauf hinausläuft: Wie ist es möglich, Radikale, Sozialisten und Zentristen in Kommunisten umzuwandeln, wenn der Kampf gegen den Faschismus nur auf der Kampffront für die proletarische Revolution beruhen kann? Ganz gleich, wieviel Predigten noch verkündet werden, die belgische Sozialdemokratie wird weiterhin ihre Pläne auf die Bewahrung des Kapitalismus ausrichten, wird weiterhin nicht zögern, jeden Klassenkonflikt zu torpedieren, in einem Wort: Sie wird nicht zögern, die Gewerkschaften dem Kapitalismus auszuliefern. Doumergue wird Brüning nacheifern, Blum wird in die Fußstapfen Bauers treten, Cachin in jene von Thälmann.
Wir wiederholen, unsere Absicht in diesem Artikel ist es nicht festzustellen, ob die Lage in Frankreich oder Belgien mit den Umständen verglichen werden kann, die die Machtergreifung des Faschismus in Italien und Deutschland ermöglichten. Uns geht es hier vor allem um die Tatsache, dass, unter Berücksichtigung ihrer Funktion in zwei ziemlich verschiedenen kapitalistischen Ländern, Doumergue eine Kopie von Brüning ist und dass diese Funktion (wie dies auch für Blum und Cachin gilt) darin besteht, das Proletariat zur Unbeweglichkeit zu verdammen, sein Klassenbewusstsein aufzulösen und so zu ermöglichen, den Staatsapparat den neuen Umständen des interimperialistischen Kampfes anzupassen. Es gibt genug Anlass anzunehmen, dass besonders in Frankreich die Erfahrungen mit Thiers, Clémenceau und Poincaré unter Doumergue wiederholt werden und dass wir eine Konzentration des Kapitalismus um seinen rechten Flügel sehen werden, ohne damit zu sagen, dass die sozialistischen und radikal-sozialistischen Kräfte der Bourgeoisie dabei stranguliert werden. Zudem ist es völlig falsch, proletarische Taktiken auf politischen Positionen aufzubauen, die von einer bloßen Perspektive ausgehen.
Es geht daher nicht darum, eine vereinigte “antifaschistische Front” aufzustellen, sobald der Faschismus droht. Im Gegenteil, es ist notwendig, die Positionen so zu gestalten, dass sie das Proletariat für seinen Kampf gegen den Kapitalismus zusammenfassen. So gesehen, bedeutet dies den Ausschluss der antifaschistischen Kräfte aus der Kampffront gegen den Kapitalismus. Es bedeutet – auch wenn dies paradox erscheinen mag –, dass dann, wenn sich der Kapitalismus endgültig dem Faschismus zuwenden sollte, die Bedingung für den Erfolg in der Unveränderlichkeit des Programms und der Forderungen der Arbeiterklasse besteht, wohingegen die Voraussetzung für die sichere Niederlage die Auflösung des Proletariats im antifaschistischen Sumpf ist.
* * *
Die Tat des Einzelnen und gesellschaftlicher Kräfte wird nicht durch Gesetze zum Schutz des Einzelnen oder gesellschaftlicher Kräfte außerhalb jeder klassenmäßigen Berücksichtigung bestimmt: Brüning und Matteoti konnten nicht handeln, wie es ihren persönlichen Interessen oder den von ihnen vertretenen Ideen entsprach, und einfach den Weg zur proletarischen Revolution einschlagen, der allein in der Lage gewesen wäre, sie vor dem Faschismus zu bewahren. Die Handlung des Einzelnen oder gesellschaftlicher Kräfte geschieht als eine Funktion jener Klasse, der sie angehören. Dies erklärt, warum die gegenwärtigen Akteure der französischen Politik bloß in die Fußstapfen ihrer Vorgänger treten und auch damit fortfahren würden, wenn der französische Kapitalismus sich dem Faschismus zuwenden würde.
Die grundlegende Formel des Antifaschismus (die “Gewerkschaft der Bedrohten”) entlarvt sich somit als völlig unzureichend. Mehr noch, wenn wir die Ideen des Antifaschismus (wenigstens was sein Programm angeht) näher untersuchen, finden wir schnell heraus, dass sie auf der Trennung von Kapitalismus und Faschismus basieren. Sicher, wenn wir einen Sozialisten, einen Zentristen oder einen Bolschewiki-Leninisten zum Thema befragen, werden sie uns erklären, dass Faschismus in der Tat Kapitalismus sei. Aber die Sozialisten werden sagen: “Wir müssen die Verfassung und die Republik verteidigen, um uns auf den Sozialismus vorzubereiten”; die Zentristen werden erklären, dass es viel einfacher sei, den Klassenkampf der Arbeiter um den Antifaschismus als um den Kampf gegen den Kapitalismus zu organisieren, während gemäß den Bolschewiki-Leninisten es keine bessere Grundlage für die Einheit und den Kampf gibt als die Verteidigung der demokratischen Institutionen, welche der Kapitalismus der Arbeiterklasse nicht mehr zugestehen kann. Es läuft also darauf hinaus, dass die allgemeine Erklärung, wonach “Faschismus gleich Kapitalismus” ist, zu politischen Schlussfolgerungen führen kann, die nur aus der Trennung zwischen Kapitalismus und Faschismus herrühren können.
Die Erfahrung hat gelehrt – und dies macht jede Möglichkeit einer Unterscheidung zwischen Faschismus und Kapitalismus zunichte –, dass die Hinwendung des Kapitalismus zum Faschismus nicht von dem Willen bestimmter Gruppen innerhalb der bürgerlichen Klasse abhängt, sondern von den Notwendigkeiten einer ganzen historischen Periode und den Besonderheiten gewisser Staaten, die noch weniger als andere in der Lage sind, der Krise und dem Todeskampf des bürgerlichen Regimes zu trotzen. Sofern es überhaupt möglich ist, eine völlige Trennung vorzunehmen, zeigt uns die Erfahrung von Italien und Deutschland, dass, wenn der Kapitalismus gezwungen ist, sich in Richtung einer faschistischen Organisation der Gesellschaft zu bewegen, die faschistischen Bataillone die Terrortruppen bilden, die sich gegen die Klassenorganisationen des Proletariats richten. Die demokratischen Gruppierungen der Bourgeoisie erklären daraufhin ihre Opposition zum Faschismus, mit der Absicht, das Proletariat dazu zu überreden, die Verteidigung dieser Institutionen den demokratischen Gesetzen und der Verfassung anzuvertrauen. Die Sozialdemokratie, die auf derselben Linie wie die liberalen und demokratischen Kräfte agiert, ruft das Proletariat auch dazu auf, es zu seiner zentralen Forderung zu machen, dass der Staat die faschistischen Kräfte dazu zwingen möge, das Gesetz zu respektieren, dass er sie entwaffnet oder gar für illegal erklärt. Die Handlungslinie dieser drei politischen Kräfte befindet sich in völliger Harmonie: Ihr Ursprung liegt in der Notwendigkeit des Kapitalismus, den Triumph des Faschismus durchzusetzen, wo immer der kapitalistische Staat beabsichtigt, den Faschismus zur neuen Form der kapitalistischen Organisation der Gesellschaft zu erheben.
Da der Faschismus den fundamentalen Bedürfnissen des Kapitalismus entspricht, müssen wir eine Möglichkeit finden, an einer radikal anderen Front dagegen zu kämpfen. Es trifft zu, dass wir heute oft unsere Positionen von unseren Gegnern verfälscht sehen, weil letztere sie nicht politisch bekämpfen wollen. Zum Beispiel hatten wir uns kaum der antifaschistischen Parole (die keine politische Basis besitzt) widersetzt, weil die Erfahrung lehrt, dass die antifaschistischen Kräfte genauso notwendig für den Sieg des Faschismus sind wie die faschistischen Kräfte selbst, da wurde uns erzählt: “Wir kümmern uns nicht darum, die politische und programmatische Substanz des Antifaschismus zu analysieren; worauf es ankommt, ist, dass Daladier gegenüber Doumergue vorzuziehen ist, dass der letztere Maurras vorzuziehen ist und dass es in unserem konsequenten Interesse ist, Daladier gegen Doumergue oder Doumergue gegen Maurras zu verteidigen. Oder entsprechend den Umständen entweder Daladier oder Doumergue zu verteidigen, weil sie ein Hindernis für den Sieg von Maurras sind, und unsere Pflicht ist es, ‚die kleinste Unstimmigkeit zu nutzen, um eine stärkere Position für das Proletariat zu erlangen‘”. Natürlich sind die Ereignisse in Deutschland – wo die “Unstimmigkeiten” zunächst der preußischen, dann der Hindenburg-von Schleicher-Regierung nicht anderes waren als Meilensteine beim Aufstieg des Faschismus – bloße Bagatellen, die ignoriert werden können. Unsere Interventionen werden natürlich als anti-leninistisch und anti-marxistisch gebrandmarkt: Uns wird gesagt, dass wir zu undifferenziert in der Frage sind, ob eine Regierung rechts, links oder faschistisch ist. Was dies anbetrifft, möchten wir gern ein für alle Mal folgende Frage stellen: Wenn wir die Veränderungen in der Nachkriegslage berücksichtigen, ist die Position unserer Gegner, die das Proletariat dazu bewegen wollen, die am wenigsten schlechte Organisationsform des kapitalistischen Staates zu wählen, nicht identisch mit jener von Bernstein, der das Proletariat dazu aufrief, die beste Form des kapitalistischen Staates anzustreben? Uns wird womöglich gesagt, dass die Idee nicht laute, das Proletariat aufzufordern, Partei für die Regierung zu ergreifen, die als die beste Herrschaftsform ... vom proletarischen Standpunkt aus anerkannt ist, sondern dass es einfach das Ziel sei, die Position des Proletariats so weit zu stärken, bis es eine demokratische Regierungsform des Kapitalismus durchsetzen kann. In diesem Fall brauchen wir nur die Wörter austauschen, die Bedeutung bleibt immer dieselbe. Doch wenn das Proletariat stark genug ist, um der Bourgeoisie seine Regierungswahl aufzuzwingen, warum soll es dann bei diesem Ziel haltmachen und nicht seine eigenen zentralen Forderungen nach Zerstörung des kapitalistischen Staates durchsetzen? Und wenn das Proletariat im Gegenteil noch nicht stark genug ist, um sich zum Aufstand zu erheben, bedeutet dann nicht das Vorwärtsdrängen zu einer demokratischen Regierung tatsächlich, das Proletariat auf die falsche Fährte zu locken, was erst den Sieg des Feindes möglich macht?
Bei dem Problem handelt es sich sicherlich nicht um dasjenige, das uns die Anhänger der “besten Wahl” schmackhaft machen wollen: Das Proletariat hat seine eigene Lösung für das Problem des Staates und besitzt keinerlei Einfluss auf die Lösungen, zu denen der Kapitalismus bei seiner Machtfrage greift. Es ist logischerweise offensichtlich, dass es zu seinem Vorteil wäre, sehr schwache bürgerliche Regierungen zu haben, die die Entfaltung des revolutionären Kampfes des Proletariats ermöglichen würde. Aber es ist gleichermaßen offensichtlich, dass der Kapitalismus linke oder annähernd linke Regierungen nur bildet, wenn diese in einer gegebenen Situation am besten in seine Verteidigungslinie passen. 1917-21 kam die Sozialdemokratie an die Macht, um das bürgerliche Regime zu verteidigen, und war die einzige Regierungsform, die es möglich machte, die proletarische Revolution zu zerschlagen. Angenommen, eine rechte Regierung hätte die Arbeitermassen zu einem Aufstand getrieben, sollten die Marxisten dann eine reaktionäre Regierung empfehlen? Wir greifen zu dieser Hypothese, um zu zeigen, dass es keine Regierungsform gibt, die im allgemeinen besser oder schlechter für das Proletariat ist. Diese Attribute existieren nur für den Kapitalismus und sind abhängig von der jeweiligen Situation. Im Gegenteil, die Arbeiterklasse hat die absolute Pflicht, den Kapitalismus zu bekämpfen, welche konkrete Form er auch annehmen mag: eine faschistische, demokratische oder sozialdemokratische.
Die erste wesentliche Überlegung in der heutigen Situation besteht darin zu sagen, dass sich die Machtfrage nicht unmittelbar für die Arbeiterklasse stellt und dass einer der schrecklichsten Ausdrücke dieser Situation die Entfesselung der faschistischen Gewalt und die Bewegung der Demokratie hin zu Notstandsregierungen ist. Daraus folgt, dass wir die Grundlage bestimmen müssen, auf der sich die Arbeiterklasse umgruppieren kann. Und hier trennt eine wirklich strenge Auffassung die Marxisten von all den Verwirrten und feindlichen Agenten und ihrem Treiben innerhalb der Arbeiterklasse. Für uns ist die Umgruppierung der Arbeiter ein Problem der Quantität: Da es nicht die Machtfrage stellen kann, muss sich das Proletariat in seinen Tageskämpfen um begrenztere, aber immer noch klassenmäßige Ziele scharen. Die anderen, deren Extremismus reiner Bluff ist, verfälschen die Klassensubstanz des Proletariats, indem sie sagen, dass es in jeder Periode um die Macht kämpfen könne. Unfähig, die Frage einer Klassen– d.h. proletarischen Basis zu stellen, verwässern sie sie, indem sie die Frage nach einer antifaschistischen Regierung stellen. Wir möchten noch hinzufügen, dass die Partisanen der Auflösung des Proletariats im antifaschistischen Sumpf natürlich dieselben sind, die die Bildung einer proletarischen Klassenfront zur Erkämpfung eigener ökonomischer Forderungen behindern.
Frankreich hat in den vergangenen Monaten ein Aufblühen von antifaschistischen Programmen, Plänen und Organismen gesehen. Dies hat Doumergue absolut nicht daran gehindert, mit einer massiven Kürzung der Gehälter und Pensionen ein Signal für die Lohnkürzungen zu geben, welche der französische Kapitalismus durchaus auf breiter Ebene einzuführen gedenkt. Wenn nur ein Hundertstel der Energie, die für den Antifaschismus aufgewendet wird, für die Bildung einer soliden Arbeiterfront für einen Generalstreik bei der Verteidigung der unmittelbaren ökonomischen Forderungen aufgeboten worden wäre, dann stünde absolut sicher, dass einerseits die Repressionsdrohung nicht in die Tat umgesetzt worden wäre und andererseits das Proletariat, wenn es erst einmal neu gruppiert ist, sein Selbstvertrauen wiederentdeckt haben würde. Dies würde umgekehrt eine veränderte Situation schaffen, in der die Machtfrage erneut in der einzigen Form, die sie für die Arbeiterklasse annehmen kann – die Diktatur des Proletariats –, gestellt werden kann.
Aus all diesen elementaren Überlegungen folgt, dass die einzige Rechtfertigung für den Antifaschismus die Existenz einer antifaschistischen Klasse wäre: Nur aus dem solch einer Klasse innewohnenden Programm könnte ein antifaschistisches Programm folgen. Wenn wir uns außerstande sehen, solch eine Schlussfolgerung zu ziehen, so nicht nur dank der einfachsten Sätze des Marxismus, sondern auch wegen der Situation in Frankreich im einzelnen. Sofort werden wir mit dem Frage konfrontiert, wo der Antifaschismus rechts aufhört. Bei Doumergue, der angeblich die Republik verteidigt? Bei Herriot, der am “Waffenstillstand” teilhatte, welcher Frankreich vor dem Faschismus bewahrte, bei Marquet, der das “Auge des Sozialismus” in der Nationalen Einheit zu repräsentieren behauptet, bei den Jungtürken der Radikalen Partei oder schon bei den Sozialisten? Oder beim Teufel selbst, der dafür sorgt, dass die Hölle mit Antifaschisten gepflastert ist? Wenn man die Frage konkret stellt, zeigt sich, dass die Parole des Antifaschismus lediglich den Interessen der Konfusion dient und die sichere Niederlage der Arbeiterklasse bedeutet.
Statt sich der langfristigen Änderung der Arbeiterforderungen zu widmen, ist es die vordringliche Pflicht der Kommunisten, die Umgruppierung der Arbeiterklasse um ihre Klassenforderungen und innerhalb ihrer Klassenorganisationen, den Gewerkschaften, zu betreiben (...) Wir berufen uns selbst dabei nicht auf die formelle Idee der Gewerkschaft, sondern auf die grundsätzliche Überlegung, dass – wie wir bereits gesagt haben – es, da sich heute die Machtfrage nicht stellt, notwendig ist, beschränktere Ziele anzustreben, die dennoch Klassenziele für den Kampf gegen den Kapitalismus sind. Und der Antifaschismus schafft die Bedingungen, unter denen nicht nur die politischen und ökonomischen Mindestforderungen der Arbeiterklasse erstickt, sondern die Chancen eines revolutionären Kampfes aufs Spiel gesetzt werden. Und ehe ihre Fähigkeit, eine revolutionäre Schlacht für den Aufbau der Gesellschaft von Morgen zu führen, sich wieder erholt hat, findet sich die Arbeiterklasse bereits selbst als Opfer des imperialistischen Krieges wieder.
[1] [15] Es ist nicht die Absicht dieses Artikels, die Gründe für den Eintritt der FPÖ in die österreichische Regierung im Detail zu analysieren – wir verweisen unsere Leser auf unsere territoriale Presse. Kurz gesagt, hat die gegenwärtige Aufmachung der Regierung den enormen Vorteil, dass die SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs) die Gelegenheit erhält, sich nach etlichen Jahrzehnten an der Regierung einer Frischzellenkur in der Opposition zu unterziehen, während gleichzeitig der Einfluss der FPÖ, deren Erfolg größtenteils auf ihrem Image als eine von jedem Kompromiss unbefleckte Partei beruhte, unterminiert wird. Die italienische Bourgeoisie hat bereits gezeigt, wie durch die Wiederverwertung der alten neofaschistischen MSI durch die Berlusconi-Regierung diese Art von Manöver läuft.
Der dritte Teil dieser Geschichte der kapitalistischen Krise ist der Dekade der 90er Jahre gewidmet. Dieses Jahrzehnt hat sich noch nicht dem Ende genähert, und allein die letzten 30 Monate gestalteten sich auf ökonomischer Ebene schon als besonders ernst[1] [19].
Das letzte Jahrzehnt erlebte den Kollaps aller Modelle des ökonomischen Managements, die der Kapitalismus als Allheilmittel und Lösung seiner Krise präsentiert hat: 1989 fand die Auflösung des stalinistischen Modells statt, das die Bourgeoisie als ”Kommunismus” darstellte, um so die Lüge vom ”Triumph des Kapitalismus” besser verkaufen zu können. Seitdem kippten, auch wenn etwas diskreter, nacheinander das deutsche, japanische, schwedische und schweizerische Modell, und schließlich brachen die ”Tiger” und ”Drachen” einer nach dem anderen zusammen. Diese Kette von Fehlschlägen demonstriert, dass der Kapitalismus keine Lösung für seine historische Krise besitzt und dass all die Jahre des Schwindels und der Manipulationen der ökonomischen Gesetze die Lage nur noch schlimmer gemacht haben.
Der Untergang der Länder des alten russischen Blocks[2] [19] war eine echte Katastrophe: Zwischen 1989 und 1993 fiel die Produktion regelmäßig um 10 bis 30 Prozent. Zwischen 1989 und 1993 verlor Russland 70% seiner produzierenden Industrie! Während sich das Tempo dieses Sturzes mittlerweile etwas verlangsamt hat, bleibt die Leistungsbilanz dennoch verheerend: In Ländern wie Bulgarien, Rumänien und Russland sind die Zahlen negativ, nur in Polen, Ungarn und Tschechien sind sie positiv.
Der Kollaps der Wirtschaft dieser Länder, die mehr als ein Sechstel der Erdoberfläche bedecken, ist – zumindest in ”Friedenszeiten” - der schlimmste im 20. Jahrhundert gewesen. Hinzugefügt werden sollte die Liste der Opfer der 80er Jahre: die Mehrheit der afrikanischen Länder und eine reichliche Anzahl von asiatischen, karibischen, mittel- und südamerikanischen Ländern. Die Fundamente der kapitalistischen Reproduktion erlitten eine neue und schwer wiegende Zerrüttung. Jedoch war der Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks kein isoliertes Ereignis; er war nur der Vorbote neuer Verwerfungen der Weltwirtschaft: Nach fünf Jahren der Stagnation und Finanzkrisen (s. unseren vorherigen Artikel) wurden Ende 1990 die Hauptindustrieländer von der Rezession erfasst:
- Den Vereinigten Staaten ereilte zwischen 1989 und 1990 eine Verlangsamung des Wachstums (von 2 auf 0,5%), dessen Rate 1991 negativ wurde (-0,8%).
- Großbritannien wurde von der seit 1945 schlimmsten Rezession heimgesucht, die bis 1993 anhielt.
- In Schweden erwies sich die Rezession als heftigste in der Nachkriegszeit und führte zu einer Situation der Semi-Stagnation (das famose ”Schwedische Modell” verschwand aus den Textbüchern).
- Zwar verzögerte sich die Rezession in Deutschland und in anderen Ländern Westeuropas, doch Mitte 1992 explodierte sie auch dort und dauerte bis 1993/94. 1993 sank die Industrieproduktion Deutschlands um 8,3%; in den Ländern der EU schrumpfte sie um insgesamt ein Prozent.
- Japan stürzte ab 1990 in den Zustand einer sich allmählich entfaltenden Rezession: Das durchschnittliche Wachstum betrug während der Periode von 1990-97 erbärmliche 1,2%, und dies trotz der Tatsache, dass die Regierung elf Förderungsprogramme aufgelegt hatte!
- Die Arbeitslosigkeit erreichte neue Rekorde. Dies wird anhand einiger Zahlen deutlich genug:
- 1991 wurden in den 24 Ländern der OECD sechs Millionen Arbeitsplätze vernichtet.
- Zwischen 1991 und 1993 wurden in den zwölf Ländern der Europäischen Union 8 Millionen Arbeitsplätze abgebaut.
- 1992 erreichte die Arbeitslosigkeit in Deutschland Ausmaße, wie sie seit den 30er Jahre nicht mehr erblickt worden waren, und stieg, weit entfernt davon zu fallen, seitdem weiter an, um 1994 die 4-Millionen- und 1995 die 5-Millionen-Grenze zu überschreiten.
Betrachtet man nur den Fall der Produktionszahlen, so scheint die Rezession von 1991-93 etwas milder ausgefallen zu sein wie jene von 1974-75 oder 1980-82, doch es gibt eine Reihe von Elementen, die das Gegenteil beweisen:
- Anders als die früheren Rezessionen wurde kein Bereich von der Krise ausgespart.
- Die Rezession traf die Rüstungs- und Computersektoren, die bis dahin nicht betroffen waren, besonders hart. 1991 entließ IBM 20.000 Arbeiter (1993 waren es bereits 80.000), NCR entließ 18.000, Digital Equipment 10.000, Wang 8.000 etc. 1993 plante die modernisierte und mächtige deutsche Autoindustrie 100.000 Entlassungen
- Dies verlieh Phänomenen Vorschub, die in früheren Rezessionen nicht beobachtet wurden. Letztere waren entstanden, weil die mit der Gefahr der Inflation konfrontierten Regierungen die Kreditquellen schlossen. Ganz im Gegensatz dazu versuchten sie in der Rezession von 1991-93, die Wirtschaft mit beträchtlichen Kreditspritzen zu stimulieren- und scheiterten. ”Anders als in den Rezessionen von 1967, 1970, 1974-75, 1980-82 bewirkt der Anstieg im Geldvolumen, das direkt vom Staat geschaffen wird (Banknoten und Geldmünzen, die von den Zentralbanken herausgegeben werden) keinen Anstieg mehr im Volumen der Bankkredite. Die amerikanische Regierung hat das Gaspedal durchgedrückt, doch die Banken haben nicht reagiert.” (International Review, Nr. 70, ”Eine Rezession anders als ihre Vorgänger”) So senkte die Federal Reserve der Vereinigten Staaten zwischen 1989 und 1992 die Zinsraten 22 Mal, von 10 auf 3% (ein Niveau, das niedriger ist als die Inflationsrate, was bedeutet, dass das Geld, das den Banken geliehen wurde, praktisch zinslos war), doch die Wirtschaft zu stimulieren bewirkte dies nicht. Es handelt sich hierbei um, wie die Experten es nennen, die ”Schuldenfalle”.
-Dies verursachte einen größeren Ausbruch der Inflation. Die Zahlen für 1989-90 betragen:
USA 06,0%
Großbritannien 10,4%
EG 06,1%
Brasilien 1800%
Bulgarien 70%
Polen 50%
Ungarn 40%
UdSSR 34%
In der Rezession von 1991-93 drohte die Rückkehr jener gefürchteten Kombination, die den bürgerlichen Regierungen in 70er Jahren so viel Sorgen bereitet hatten: Rezession und Inflation bzw. ”Stagflation”. Es zeigt ganz allgemein, dass das ”Krisenmanagement”, das wir im ersten Artikel dieser Reihe analysiert hatten, die kapitalistischen Gebrechen weder überwinden noch lindern kann, sondern nichts anderes tun kann, als sie aufzuschieben, mit der Folge, dass jede neue Rezession um so schlimmer wird. So offenbarte die Rezession von 1991-93 drei qualitativ äußerst wichtige Fakten:
- die steigende Unfähigkeit, die Produktion mit Krediten anzukurbeln;
- die immer größere Gefahr einer Kombination zwischen der Stagnation der Produktion auf der einen und der Explosion der Inflation auf der anderen Seite;
- die Tatsache, dass die shooting stars der Wirtschaft (Computer, Telekommunikation, Rüstung), die bis dahin von der Krise verschont geblieben waren, nun ebenfalls betroffen waren.
Nach einigen schüchternen Ansätzen 1993 erlebte im darauffolgenden Jahr die Wirtschaft der Vereinigten Staaten, begleitet von Großbritannien und Kanada, ein steigendes Wachstum, das allerdings nie mehr als 5% betrug. Angesichts dessen vermeinte der Bourgeoisie, bereits Hurra zu schreien und mit Sprüchen über ”Jahre des ununterbrochenen Wachstums” die Wirtschaftsaufschwung in alle vier Himmelsrichtungen hinauszuposaunen.
- Diese ”Aufschwung” gründete sich auf ein massives Wachstum der Verschuldung der USA und der Weltwirtschaft als Ganzes:
...- Zwischen 1987 und 1997 wuchs die Gesamtverschuldung der USA um 628 Millionen Dollar pro Tag. Grundlage dieser Verschuldung war einerseits die Ableitung enormer Dollarmassen in die ganze Welt[3] [19] und andererseits die unkontrollierte Stimulation des Konsums der Privathaushalte, die das private Sparvermögen derart schrumpfen ließ, dass 1996 der Wert der Sparguthaben das erste Mal seit 53 Jahren wieder negativ war.
...- China und die sogenannten asiatischen ”Tiger” und ”Drachen” bezogen beträchtliches Kapital aus der Parität zwischen ihren Währungen und dem Dollar (eine große Gelegenheit für ausländische Investoren), mit dem sie ihr schnelles, aber illusorisches Wachstum ölten.
...- Eine Reihe wichtiger lateinamerikanischer Länder (Brasilien, Chile, Argentinien, Venezuela und Mexiko) bildete das Zentrum enormer spekulativer Anleihen, für die mit hohen, kurzfristigen Zinsraten bezahlt wurden.
- Die spektakuläre Steigerung der Arbeitsproduktivität erlaubte eine Senkung der Arbeitskosten und machte amerikanische Waren konkurrenzfähiger.
- Die aggressive Handelspolitik von Seiten des amerikanischen Kapitals stand auf folgenden Säulen:
...- auf dem Zwang gegenüber seinen Rivalen, ihre Zölle und andere protektionistische Maßnahmen abzubauen;
...- auf der Dollarmanipulation, die es erlaubte, seinen Kurs zu senken, wenn die Stimulation des Exports vorrangig war, und ihn anzuheben, wenn es darum ging, Kapital anzulocken;
...- auf der Ausnutzung sämtlicher Instrumente, die die USA als imperialistische Hauptmacht besitzen (militärisch, diplomatisch, ökonomisch), um ihre Position auf dem Weltmarkt zu verbessern.
Die europäischen Länder folgten dem Weg der USA und kamen ab 1995 ebenfalls in den Genuss eines ”Wachstums”, wenn auch auf viel niedrigerem Niveau (die Zahlen schwankten zwischen 1% und 3%).
Das auffälligste Kennzeichen dieser neuen ”Aufschwung” besteht darin, dass es eine Aufschwung ohne Arbeitsplätze war, was eine neue Entwicklung, verglichen mit den früheren, einleitete. So:
- hörte die Arbeitslosigkeit in den OECD-Ländern zwischen 1993 und 1996 nicht auf zu wachsen;
- vernichteten Großunternehmen Arbeitsplätze, statt neue zu schaffen: Laut Berechnungen kürzten die ”Fortune 500”-Unternehmen zwischen 1993 und 1996 500.000 Stellen;
- sank zum ersten Mal seit 1945 die Zahl der öffentlichen Angestellten. Die amerikanische Bundesadministration strich zwischen 1994 und 1996 118.000 Arbeitsplätze;
- wurde das Wachstum der Unternehmensprofite, anders als in früheren Aufschwungphasen, nicht von einer Steigerung der Beschäftigungsquote begleitet – ganz im Gegenteil.
Die neuen Jobs, die geschaffen wurden, waren schlecht bezahlt und Teilzeitarbeit.
Diese Aufschwung, die die Arbeitslosigkeit noch steigerte, ist ein beredtes Zeugnis für das große Ausmaß, das die historische Krise des Kapitalismus erreicht hat, wie wir in der International Review, Nr. 80 betont hatten: ”Wenn die kapitalistische Wirtschaft gesund ist, ist die Steigerung oder Aufrechterhaltung der Profite das Ergebnis einer Steigerung der Zahl ausgebeuteter Arbeiter und der Fähigkeit, größere Mengen an Mehrwert aus ihnen herauszupressen. Leidet sie aber an einer chronischen Krankheit, verhindert trotz der Intensivierung der Ausbeutung und Produktivität der Mangel an Märkten eine Aufrechterhaltung ihrer Profite, ohne die Zahl der ausgebeuteten Arbeiter zu reduzieren, ohne den Kapitalismus zu zerstören.”
Wie bei der offenen Rezession von 1991-93 ist die Aufschwung von 1994-97, entsprechend ihrer Zerbrechlichkeit und gewaltigen Widersprüche, ein neuer Ausdruck der Vertiefung der kapitalistischen Krise; aber sie unterscheidet sich von den früheren darin, dass:
- viel weniger Länder einbezogen sind;
- die USA nicht mehr die Rolle der Weltwirtschaftslokomotive spielen, indem sie ihren ”Partnern" den nötigen Schub verleihen; vielmehr wurde diese Aufschwung auf Kosten anderer, besonders Deutschlands und Japans, erreicht;
- die Arbeitslosigkeit weiterhin wächst; im günstigsten Fall kann man sagen, dass sie etwas langsamer wächst;
- die Aufschwung begleitet wurde von Erschütterungen an den Finanzmärkten und Börsen, unter anderem:
...- der Zusammenbruch der mexikanischen Wirtschaft (1994);
...- die Verwerfungen des europäischen Währungssystems (1995);
...- der Bankrott der Barings-Bank (1996).
Wir können die Schlussfolgerung ziehen, dass im Werdegang der kapitalistischen Krise in den letzten 30 Jahren jede neue Aufschwungphase schwächer als die vorherige und trotzdem stärker als die folgende ist, während jede neue Rezession schlimmer als die letzte, aber nicht so schlimm wie die kommende ist.
In den 90er Jahren waren wir Zeuge der überschäumenden Ideologie der ”Globalisierung”. Demzufolge würde eine Ausdehnung der Marktgesetze, der strikten staatlichen Ausgabendisziplin, der Flexibilität der Arbeit und der unbegrenzten Zirkulation von Kapital auf den gesamten Globus die ”endgültige” Überwindung der Krise möglich machen (natürlich in Kombination mit einer ganzen Ladung niederdrückender Opfer auf dem Rücken des Proletariats). Wie alle ihr vorausgehenden ”Modelle” ist auch diese neue Alchimie ein Versuch der wichtigsten kapitalistischen Staaten, mit der Krise Schritt zu halten, um ihr Tempo zu drosseln. Er wird getragen wird von drei Hauptelementen:
- von einer gewaltigen Steigerung der Produktivität,
- von einer Verminderung der Handelsbarrieren und anderer Restriktionen des Weltmarktes;
- von einer spektakulären Entwicklung der finanziellen Transaktionen.
Während der 90er Jahre erlebten die meisten Hauptindustrieländer einen beträchtlichen Anstieg in der Produktivität. Bei diesem Wachstum müssen wir unterscheiden zwischen der Kostenreduzierung einerseits und dem Wachstum der organischen Zusammensetzung des Kapitals (Verhältnis zwischen konstantem und variablem Kapital) andererseits.
Viele Faktoren trugen zur Kostenreduzierung bei:
- ein immenser Druck auf die Lohnkosten: Verminderung des Nominallohns und wachsende Kürzungen jenes Lohnanteils, der in den Sozialausgaben materialisiert wird;
- ein Schwindel erregender Fall der Rohstoffpreise;
- die organisierte und systematische Eliminierung unproduktiver Bereiche des Produktionsapparates – im privaten wie im öffentlichen Sektor – durch mannigfaltige Mechanismen: auf die ganz simple Tour, durch Betriebsschließungen nämlich, durch Privatisierung von Staatseigentum, Fusionen, Kauf und Übereignung von Aktien.
- die sogenannte ”Ausgliederung”, mit anderen Worten: der Transfer wenig rentabler Wertproduktion in die Dritte Welt mit ihren niedrigen Arbeitskosten und lächerlich geringen Preisen (die häufig auf Dumping zurückzuführen sind), was den zentralen Länder erlaubt, ihre Kosten zu vermindern.
Das allgegenwärtige Resultat war eine universelle Reduzierung der Arbeitskosten (und ein krasses Wachstum sowohl des absoluten als auch des relativen Mehrwerts).
Stand der jährlichen Schwankungen in den Kosten pro Arbeitseinheit (Quelle: OECD)
1985-96 1996 1997 1998
Australien 3,8 2,8 1,7 2,8
Deutschland 0,0 -0,4 -1,5 -1,0
Frankreich 1,5 0,9 0,8 0,4
Großbritannien 4,6 2,5 3,4 2,8
Italien 4,1 3,8 2,5 0,8
Japan 0,5 -2,9 1,9 0,5
Kanada 3,1 3,8 2,5 0,8
Schweden 4,4 4,0 0,5 1,7
Schweiz 3,5 1,3 -0,4 -0,7
Spanien 4,2 2,6 2,7 2,0
Südkorea 7,0 4,3 3,8 -4,3
Vereinigte Staaten 3,1 2,0 2,3 2,0
Was den Anstieg in der Zusammensetzung des Kapitals angeht, so ist dies nichts Neues in der Periode der kapitalistischen Dekadenz, da dies unerlässlich ist, um den Fall der Profitrate auszugleichen. Die systematische Einführung von Robotern, der Informationstechnologie und der Telekommunikation verlieh diesem Prozess weiteren Auftrieb.
Dieser Anstieg in der organischen Zusammensetzung verleiht diesem oder jenem Einzelkapital, dieser oder jener Nation einen gewissen Vorteil gegenüber den Konkurrenten, doch was bedeutet dies vom Standpunkt des gesamten Weltkapitals aus? In der aufsteigenden Periode, als das System fähig war, immer größere Arbeitermassen in seine Ausbeutungsverhältnisse einzuverleiben, bildete das Wachstum der organischen Zusammensetzung einen beschleunigenden Faktor in der kapitalistischen Expansion. Unter den gegenwärtigen Umständen der Dekadenz und einer 30-jährigen, chronischen Krise ist die Wirkung dieses Anstiegs in der organischen Zusammensetzung eine völlig andere. Auch wenn er lebenswichtig ist für jedes Einzelkapital, um die Tendenz zum Fall der Profitrate auszugleichen, hat er für das Gesamtkapital insofern eine andere Wirkung, als er die Überproduktion verschärft und durch die Verminderung des variablen Kapitals, d.h. durch die Entlassung immer größerer Arbeitermassen auf die Straße, der eigentlichen Ausbeutungsgrundlage den Boden entzieht.
Die bürgerliche Propaganda hat das Verschwinden von Handelsbarrieren im letzten Jahrzehnt als ”Triumph des Marktes” bezeichnet. Wir wollen dies hier nicht detaillierter analysieren[4] [19], doch ist es notwendig, die Wahrheit zu enthüllen, die sich hinter diesen ideologischen Nebelkerzen verbirgt:
- Die Abschaffung von Handelszöllen und anderer protektionistischer Maßnahmen fand im Wesentlichen nur einseitig statt: Sie wurde von den schwächsten Ländern zum Nutzen der stärksten ausgeführt und betraf vor allem Brasilien, Russland, Indien etc. Weit davon entfernt, ihre eigenen Handelsbarrieren zu reduzieren, haben die Hauptindustrieländer neue geschaffen, indem sie das Alibi des Umweltschutzes, der ”Menschenrechte” u.ä. benutzen. Im Gegensatz zu ihrer Darstellung in der bürgerlichen Ideologie hat diese Politik die imperialistischen Spannungen noch verschärft.
- Angesichts der Verschlimmerung der Krise haben die Hauptindustrieländer die Politik der ”Kooperation” durchgesetzt, deren Inhalt sich darauf konzentriert:
...- die Auswirkungen der Krise und der verschärften Konkurrenz auf die schwächsten Länder abzuwälzen;
...- mit allen Mitteln einen Zusammenbruch des Welthandels zu verhindern, was nichts anderes bewirkt als eine weitere Verschärfung der Krise mit besonders schwerwiegenden Konsequenzen für die zentralen Länder.
Während der 90er Jahre fand eine neue Schuldeneskalation statt. Quantität verwandelte sich in Qualität, die Verschuldung mutierte zur Überverschuldung:
- In den 70er Jahren konnten die Schulden reduziert werden, indem man das Risiko einging, eine Rezession zu provozieren; seit Mitte der 80er Jahre ist die Verschuldung zur dauernden und wachsenden Notwendigkeit für jeden Staat während des Aufschwungs wie auch in der Rezession geworden: ”Die Verschuldung ist keine Option, keine Wirtschaftspolitik, für die sich die Weltführer entscheiden oder nicht. Sie ist ein Zwang, eine Notwendigkeit, die ihnen durch die Funktionsweise und die Widersprüche des kapitalistischen Systems aufgezwungen wird.” (International Review, Nr. 87, ”The casino economy”)
- Einerseits benötigen Staaten, Banken und das Business einen Zustrom von frischem Kapital, was nur durch die Finanzmärkte ermöglicht werden kann. Dies führt zu einem rasenden Wettbewerb um Geldanleihen. Allein für diesen Zweck wurden in wachsendem Maße sorgfältig ausgeheckte Tricks genutzt: die Etablierung einer erzwungenen Parität zwischen den lokalen Währungen und dem Dollar (dieser Trick wurde von China und den berühmten ”Tigern” und ”Drachen” benutzt), die Neubewertung von Währungen, um Kapital an sich zu binden, wachsende Zinsraten etc.
- Andererseits ”findet der Profit aus der Produktion nicht mehr genügend Anlagemöglichkeiten in rentablen Investitionen, um die Produktionskapazitäten zu steigern. ‚Krisenmanagements bedeutet also, andere Anlagemöglichkeiten für dieses Übermaß an flüssigem Kapital zu finden, um seine abrupte Entwertung zu vermeiden” (ebenda). Es sind die Staaten und die angesehensten Finanzinstitutionen selbst, die die frenetische Spekulation stimulierten, nicht nur, um das Platzen dieser gigantischen Blase von fiktivem Kapital zu vermeiden, sondern auch, um die Kosten der stetig wachsenden Verschuldung zu vermindern.
Die Überverschuldung sowie die überbordende und irrationale Spekulation, die von Ersterer verursacht wurde, führten zur berühmten ”grenzenlosen Bewegungsfreiheit” des Kapitals, zum Gebrauch der Elektronik und des Internet bei Finanztransaktionen, zur Koppelung der Währungen an den Dollar, zur ungehinderten Rückführung der Profite in die Heimat. Das komplizierte Finanzmanagement der 80er Jahre (s. die vorhergehenden Artikel) nimmt sich gegen die raffinierten und verschlungenen Tricks der finanziellen ”Globalisierung” in den 90er Jahren wie ein Kinderspiel aus. Bis in die Mitte der 80er Jahre hinein war die Spekulation, die schon immer im Kapitalismus existiert hatte, ein mehr oder weniger temporäres Phänomen. Seither hat sie sich in ein tödliches, aber unerlässliches Gift verwandelt, das untrennbar mit dem Prozess der Überverschuldung verbunden und notgedrungen Bestandteil der Funktionsweise des Systems geworden ist. Das Gewicht der Spekulation ist beträchtlich: Gemäß den Zahlen der Weltbank ist das sogenannte ”Risikokapital” auf 30 Milliarden Dollar angewachsen, von denen 24 Milliarden aus den Industrieländern kommen.
Wir möchten hier einige vorläufige Schlussfolgerungen aus der Periode 1990-96 (vor der Explosion, die als ”asiatische Krise” bezeichnet wurde) anbieten, die uns wichtig erscheinen.
1. Die durchschnittlichen Wachstumsraten sind weiter gefallen: Steigerungsraten in BSP (Durchschnitt der 24 OECD-Länder)
1960-70 5,6%
1970-80 4,1%
1980-90 3,4%
1990-95 2,4%
2. Die Amputation der produzierenden Industrie- und Landwirtschaftssektoren setzt sich fort und betrifft alle Bereiche, die ”veralteten” wie auch die ”Vorreiter”.
Entwicklung des BSP-Anteils des direkt produzierenden Gewerbes (in %) (Industrie und Landwirtschaft)
1975 1985 1996
Vereinigte Staaten 36,2 32,7 27,8
China 74,8 73,5 68,5
Indien 64,2 61,1 59,2
Japan 47,9 44,2 40,3
Deutschland 52,2 47,6 40,8
Brasilien 52,3 56,8 51,2
Kanada 40,7 38,1 34,3
Frankreich 40,2 34,4 28,1
Großbritannien 43,7 43,2 33,6
Italien 48,6 40,7 33,9
Belgien 39,9 33,6 32,0
Israel 40,1 33,1 31,3
Südkorea 57,5 53,5 49,8
3. Im Kampf gegen den unvermeidlichen Fall der Profitrate sucht das Business Zuflucht bei einer ganzen Reihe von Maßnahmen, welche den Fall kurzfristig verzögern sollen, aber mittelfristig das Problem nur noch weiter verschärfen werden:
- die Reduzierung der Arbeitskosten und die Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals;
- Dekapitalisierung: der massive Transfer von Vermögenswerten (Fabriken, Eigentum, finanzielle Investitionen), um die Profite aufzublähen;
- Konzentration: Betriebsfusionen haben ein spektakuläres Wachstum erlebt.
Der Wert von Fusionen in Milliarden Dollar (Quelle: ”JP Morgan”)
Europäische Union Vereinigte Staaten
1990 260 240
1992 214 220
1994 234 325
1996 330 628
1997 558 910
1998 670 1500
Während der gigantische Prozess der Kapitalkonzentration zwischen 1850 und 1910 die Entwicklung der Produktion widerspiegelte und positiv für die Entfaltung der Wirtschaft war, drückt der gegenwärtige Prozess das Gegenteil aus. Es handelt sich hier um eine defensive Antwort, die darauf ausgerichtet ist, den starken Widerspruch zwischen Angebot und Nachfrage dadurch auszugleichen, indem sie die Verringerung der Produktionskapazitäten organisiert (1998 kürzten die Industrieländer ihre Produktionskapazitäten um 10%) und die Arbeitskräfte reduziert: Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass infolge der getätigten Fusionen 1998 die Zahl der Arbeitsplätze insgesamt um 11% reduziert wurde.
4. Die Fundamente des Weltmarktes wurden ein weiteres Mal reduziert: Große Teile Afrikas, eine gewisse Anzahl asiatischer und lateinamerikanischer Länder beteiligten sich nur noch schwach am Weltmarkt, da sie sich in einer Lage des Zerfalls befinden. Sie sind bekannt geworden als ”schwarze Löcher”: ein Zustand des Chaos‘, die Wiederauferstehung von Formen der Sklaverei, eine Wirtschaft, die auf Tauschhandel und Ausplünderung basiert.
5. Die bisher als ”Modelle” gepriesenen Länder sind in eine ausgedehnte Stagnation gestürzt. Dies ist der Fall in Deutschland, der Schweiz, in Japan und Schweden, wo:
- die durchschnittliche Wachstumsrate der Produktion in der Periode von 1990 bis 1997 zwei Prozent nicht überschritt;
- die Arbeitslosigkeit beträchtlich wuchs: zwischen 1990 und 1997 verdoppelte sie sich praktisch (zum Beispiel betrug in der Schweiz die Arbeitslosigkeitsrate zwischen 1970 und 1990 noch 1%; 1997 war sie auf 5,2% gestiegen);
- alle vier Länder von Gläubigern zu Schuldnern wurden (die Schweizer Haushalte sind die nach den USA und Japan am höchsten verschuldeten in der Welt);
- Besonders prekär ist die Situation der Schweizer Wirtschaft, die bis vor kurzem noch als die gesündeste in der Welt galt:
Wachstum des Schweizer BSP
1992 0,3%
1993 0,8%
1994 0,5%
1995 0,8%
1996 0,2%
1997 0,7%
6. Die Verschuldung setzt ihr unaufhaltsames Wachstum fort und verwandelt sich in eine Überverschuldung:
- Die globale Verschuldung stieg auf die astronomische Zahl von 30 Billarden Dollar (anderthalb Jahre der Weltproduktion).
- Japan, Deutschland und die anderen westeuropäischen Länder nahmen die oberen Ränge der Höchstverschuldeten ein (ein Jahrzehnt zuvor waren ihre Schulden noch weitaus moderater):
Der prozentuale Anteil der Schulden am Bruttosozialprodukt (Quelle: Weltbank)
1975 1985 1996
Vereinigte Staaten 48,9 64,2
Japan 45,6 67,0 87,4
Deutschland 24,8 42,5 60,7
Kanada 43,7 64,1 100,5
Frankreich 20,5 31,0 56,2
Großbritannien 62,7 53,8 54,5
Italien 57,5 82,3 123,7
Spanien 12,7 43,7 130,0
- Die Länder der Dritten Welt litten an einer neuen Überdosis Schulden:
Die Gesamtschulden der ”unterentwickelten Länder” (Quelle: Weltbank)
1990 1.480.000 Millionen $
1994 1.927.000 Millionen $
1996 2.177.000 Millionen $
7. Die Finanzplätze erlebten die schlimmsten Erschütterungen seit 1929 und hörten auf, ein sicherer Ort zu sein, wie das bis Mitte der 80er Jahre noch der Fall war. Ihre Aushöhlung wird von einer gigantischen Entwicklung der Spekulation begleitet, die alle Aktivitäten betrifft: Aktien in den Börsen, Eigentum, Kunst, Landwirtschaft, etc.
8. Zwei Phänomene, die stets im Kapitalismus existiert hatten, haben in diesem Jahrzehnt alarmierende Ausmaße angenommen:
- die Korruption von Politikern und Wirtschaftsmanagern, die ein Produkt zweier miteinander verbundener Faktoren ist:
...- des immer überwältigenderen Gewichts des Staates in der Wirtschaft (Geschäfte sind in wachsendem Maße abhängig von staatlichen Investitionsplänen, von Subventionen, öffentlichen Aufträgen);
...- der wachsenden Schwierigkeit, mit ”legalen” Mitteln ausreichenden Profit zu erzielen.
- die Kriminalisierung der Wirtschaft, die immer stärkere wechselseitige Durchdringung von Staaten, Banken, Business und Drogen-, Waffen-, Kinder- und Menschenhändlern. Die dubiosesten Geschäfte sind zumeist die profitabelsten, und die ”seriösesten” Institutionen öffentlicher und privater Natur können nicht anders, um ihren Appetit zu stillen. Nichts veranschaulicht deutlicher die Tendenz zum wirtschaftlichen Zerfall.
9. Im Gefolge der o. g. Erscheinungen hat sich auch ein Phänomen in den Industrieländern breit gemacht, das bis dahin für die Bananenrepubliken und stalinistischen Regimes reserviert war – das Phänomen immer unverfrorener Verfälschungen von Wirtschaftsindikatoren und der ”kreativen Buchführung” in allen Variationen. Dies ist ein weiterer Ausdruck der Verschlimmerung der Krise, da es für die Bourgeoisie stets notwendig war, über zuverlässige Statistiken zu verfügen (besonders in den Ländern des ”westlichen” Staatskapitalismus, wo der Markt benötigt wird, um zu einem unbestechlichen Urteil über die Funktionsweise der Wirtschaft zu gelangen).
Die Weltbank, Quelle vieler Statistiken, führt als einen Teil des BSP den Begriff der ”nicht handelsfähigen Dienstleistungen” auf, der die Zahlungen für das Militär, die Staatsbediensteten und Lehrer umfasst. Eine andere Methode, die Zahlen aufzublähen, besteht darin, nicht nur die landwirtschaftlichen Tätigkeiten, sondern auch eine ganze Reihe von Dienstleistungen als ”Eigenkonsum” zu berücksichtigen. Der viel gerühmte ”Haushaltsüberschuss” des amerikanischen Staates ist eine Fiktion, die aufrechterhalten wird, indem man mit den Überschüssen der Sozialversicherungen spielt[5] [19]. Doch werden, gemessen an ihrer großen sozialen und politischen Bedeutung, die skandalösesten Tricks mit den Arbeitslosenstatistiken angestellt, die beträchtlich nach unten ”korrigiert” werden:
- In den USA hat unsere Publikation Internationalism die von der Clinton-Administration benutzten Tricks deutlich gemacht, um ihre ”hervorragenden” Arbeitslosenzahlen zu erzielen: indem sie diejenigen, die einer Teilzeitarbeit nachgehen, in ihren Beschäftigtenzahlen voll mit einschließt, indem sie jene Arbeitslose aus ihren Statistiken eliminiert, die sich weigern, irgendeinen McBurger-Job anzunehmen, indem sie die verschiedenen Teilzeitjobs, die von einem Arbeiter ausgeübt werden, so zählt, als würden sie von mehreren Individuen ausgeführt u.s.w.
- In Deutschland werden nur diejenigen als arbeitslos anerkannt, die einen Job von mindestens 18 Arbeitsstunden in der Woche suchen, in den Niederlanden beträgt die Zahl der zu leistenden Wochenarbeitsstunden 12 Stunden und in Luxemburg 20 Wochenstunden[6] [19].
- Österreich und Griechenland haben sich der monatlichen Statistiken entledigt, um auf vierteljährliche überzugehen, mit denen sie die wirklichen Zahlen verschleiern wollen.
- In Italien werden diejenigen, die zwischen 20 und 40 Stunden in der Woche oder nur zwischen vier und sechs Monaten im Jahr arbeiten, nicht als arbeitslos anerkannt. In Großbritannien werden jene Arbeitslosen, die keine staatliche Unterstützung erhalten, aus den Statistiken ausradiert.
1. Die Arbeitslosigkeit hat sich während dieses Jahrzehnts brutal ausgeweitet:
Arbeitslosigkeit in den 24 Ländern der OECD
1989 30 Millionen
1993 35 Millionen
1996 38 Millionen
Arbeitslosigkeit in den Industrieländern in % (Quelle: IAO)
1976 1980 1990 1996
USA 7,4 7,1 6,4 5,4
Japan 1,8 2,0 2,1 3,4
Deutschland 3,8 2,9 5,0 12,4
Frankreich 4,4 6,3 9,1 12,4
Italien 6,6 7,5 10,6 12,1
Großbritannien 5,6 6,4 7,9 8,2
Die IAO hat erklärt, dass 1996 die weltweite Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung die Schwelle von einer Milliarde erreicht hat.
2. Die chronische Unterbeschäftigung in der Dritten Welt hat sich auf die Industrieländer ausgebreitet:
- 1995 machten die Zeitarbeitsverträge 20% der Arbeitskräfte in den 24 OECD-Ländern aus.
- Der IAO-Bericht von 1996 bemerkte, dass ”zwischen 25% und 30% der Arbeiter der Welt auf einen Arbeitsplatz, dessen Arbeitstag kürzer ist, als sie es wünschten, oder auf einen Lohn angewiesen sind, der niedriger ist als das notwendige Minimum, um anständig zu leben”.
3. In der Dritten Welt hat eine massive Wiederkehr vergangen geglaubter Ausbeutungsformen stattgefunden, wie Kinderarbeit (nahezu 200 Millionen gemäß den Statistiken der Weltbank von 1996), Sklaverei oder Arbeitszwang – selbst in entwickelten Ländern wie Frankreich wurden Diplomaten verurteilt, weil sie ihr von Madagaskar oder Indonesien mitgebrachtes Hauspersonal wie Sklaven behandelt hatten.
4. Zusammen mit allgemeinen Massenentlassungen (besonders in den Großbetrieben) haben sich die Regierungen der Politik der ”Reduzierung überflüssiger Kosten” verschrieben:
- Einschränkungen der Abfindungen im Falle von Entlassungen;
- Kürzungen der Arbeitslosengelder und einer Reihe anderer Wohlfahrtsgelder.
5. Die Löhne haben zum ersten Mal seit den 30er Jahren eine nominale Senkung erlebt:
- Das Lohnniveau in Spanien war 1997 niedriger als in den 80er Jahren.
- In den USA fiel der Durchschnittslohn zwischen 1974 und 1997 um 20%.
- In Japan fielen die Löhne zum ersten Mal seit 1955 (1998 um 0,9%).
6. Es werden permanent wesentliche Bereiche der Sozialausgaben gekürzt. Dagegen steigen die Steuern, Preise und Sozialversicherungsabgaben ohne Unterlass.
7. Seit Mitte des Jahrzehnts hat das Kapital eine neue Angriffsfront eröffnet: die Eliminierung eines legalen Minimums in den Arbeitsbedingungen. Dies hatte eine Reihe von Konsequenzen zur Folge:
- die Verlängerung des Arbeitstages (insbesondere durch die Demagogie der ”35-Stunden-Woche”, welche eine flexible Berechnung der Arbeitsstunden auf jährlicher Grundlage und daher auch einen Abbau der Überstundenzuschläge voraussetzte);
- die Eliminierung der Grenzen für das Rentenalter;
- die Aufhebung der Grenzen für das Alter des Berufseintritts (zwei Millionen Kinder arbeiten bereits in den Ländern der EU);
- der Abbau des Arbeitsschutzes und des Schutzes vor Berufskrankheiten etc.
8. Ein anderer, unübersehbarer Aspekt besteht darin, dass Banken, Versicherungsgesellschaften u.a. die Arbeiter dazu drängen, ihre kleinen Einkommen (oder ihre Erbschaften von Eltern oder Großeltern) auf das russische Roulett der Börsen zu setzen, um sie so zu den ersten Opfern der ständigen Purzelbäume an den Börsen zu machen. Doch ein noch größeres Problem ist, dass mit den Kürzungen der lächerlichen Sozialversicherungsrenten die Arbeiter in die Abhängigkeit von Rentenfonds gezwungen werden, die die Masse ihrer Beiträge in Börsengeschäfte investieren, welche große Unsicherheiten in sich bergen: Beispielsweise verlor 1997 der wichtigste Rentenfonds der Angestellten im Erziehungswesen der USA 11% seines Wertes (s. ”Internationalism”, Nr. 105)
Die bürgerliche Propaganda hat bis zum Überdruss die Verringerung der Ungleichheiten, die ”Demokratisierung” des Wohlstands und des Konsums propagiert. Dreißig Jahre der sich ausweitenden historischen Krise des Kapitalismus haben diese Proklamationen systematisch der Lüge überführt und die marxistische Analyse bestätigt, wonach die Verschlimmerung der Krise eine eindeutige Tendenz zur wachsenden Verarmung der Arbeiterklasse und der gesamten ausgebeuteten Bevölkerung mit sich bringt. Im Kapitalismus ist die Menschheit in einer immer kleineren Minderheit mit unverschämt großem Reichtum auf der einen Seite und einer wachsenden Mehrheit von Menschen auf der anderen Seite geteilt, die unter fürchterlicher und niederschmetternder Armut leiden. Einige im Jahresbericht der UNO von 1998 zusammengefassten Zahlen sind sehr aufschlussreich: Während es noch 1996 weltweit 358 Superreiche waren, die in ihren Händen dasselbe Geldvermögen wie das der 2,5 Milliarden Ärmsten konzentrierten hatten, besaßen 1997 allein die 225 reichsten Menschen das Äquivalent des Milliardenheeres der Verarmten.
Adalen
[1] [19] Es ist nicht der Zweck dieser Artikelreihe, die neue Stufe der historischen Krise des Kapitalismus zu analysieren, die im August 1997 mit der sog. ”asiatischen Krise” erklommen wurde. Siehe dazu International Review Nr. 92 und andere spezifischere Studien darüber.
[2] [19] Es ist nicht das Ziel dieses Artikels, die Konsequenzen daraus für den Klassenkampf, die imperialistischen Spannungen und für das Überleben der dem stalinistischen Regime unterworfenen Länder zu analysieren. Wir wollen hier auf die Artikel verweisen, die wir in der International Review, besonders in den Nr. 60, 61, 62, 63 und 64, veröffentlicht haben.
[3] [19] Während die amerikanische Produktion 26,7% der Weltproduktion ausmacht, betragen die Dollarmengen 47,5% der Bankdepositen, 64,1% der Weltwährungsreserven und 47,6% der Finanztransaktionen (Zahlen von der Weltbank).
[4] [19] s. International Review, Nr. 86, ”Behind the ‚gobalisation‘ of the economy: the aggravation of the capitalist crisis”;
[5] [19] gemäß einer Analyse, die am 9. November 1998 in der New York Times veröffentlicht wurde;
[6] [19] Diese und die folgenden Zahlen wurden dem Offiziellen Jahrbuch der Europäischen Union (1997) entnommen.
Links
[1] https://de.internationalism.org/content/864/debatte-mit-dem-ibrp
[2] https://de.internationalism.org/tag/politische-stromungen-und-verweise/internationales-buro-fur-die-revolutionare-partei
[3] https://de.internationalism.org/tag/geographisch/europa
[4] https://de.internationalism.org/tag/1/223/deutsche-revolution
[5] https://de.internationalism.org/tag/geschichte-der-arbeiterbewegung/1919-deutsche-revolution
[6] https://de.internationalism.org/tag/entwicklung-des-proletarischen-bewusstseins-und-der-organisation/dritte-internationale
[7] https://de.internationalism.org/tag/3/42/historischer-kurs
[8] https://de.internationalism.org/tag/2/37/die-revolution-re-welle-1917-1923
[9] https://de.internationalism.org/content/865/die-freunde-durrutis-lehren-aus-einem-unvollstaendigen-bruch-mit-dem-anarchismus
[10] https://de.internationalism.org/tag/entwicklung-des-proletarischen-bewusstseins-und-der-organisation/italienische-linke
[11] https://de.internationalism.org/content/869/die-new-economy-eine-erneute-rechtfertigung-des-kapitalismus
[12] https://de.internationalism.org/tag/2/27/staatskapitalismus
[13] https://de.internationalism.org/tag/2/33/die-nationale-frage
[14] https://de.internationalism.org/tag/3/45/kommunismus
[15] https://de.internationalism.org/content/873/geschichte-der-arbeiterbewegung-der-antifaschismus-eine-anleitung-zur-konfusion
[16] https://de.internationalism.org/tag/politische-stromungen-und-verweise/kommunistische-linke
[17] https://de.internationalism.org/tag/3/44/internationalismus
[18] https://de.internationalism.org/tag/2/32/die-einheitsfront
[19] https://de.internationalism.org/content/867/wirtschaftskrise-30-jahre-offene-krise-des-kapitalismus
[20] https://de.internationalism.org/tag/3/49/politische-konomie