Die Krise ist ein Ausdruck der historischen Sackgasse der kapitalistischen Produktionsweise
Seit nunmehr über zweieinhalb Jahren kündigt die Bourgeoisie den Aufschwung an und nach jedem Quartal sieht sie sich gezwungen, seinen Beginn wieder zu verschieben. Seit ebenfalls mehr als zweieinhalb Jahren liegen die Ergebnis der Wirtschaftsentwicklung systematisch unter den Vorhersagen, was die herrschende Klasse dazu zwingt, sie ständig nach unten zu revidieren. Die gegenwärtige Rezession hat im zweiten Halbjahr 2000 begonnen und ist somit bereits eine der längsten seit dem Ende der 60er-Jahre. Und auch wenn sich jenseits des Atlantiks erste Anzeichen eines Aufschwungs zeigen, so sind Europa und Japan noch weit davon entfernt. Man Muss auch darauf hinweisen, dass der Aufwärtstrend in den USA hauptsächlich das Produkt eines in den vergangenen 40 Jahren beispiellosen staatlichen Interventionismus und einer Flucht nach vorn in Form einer massiven Verschuldung ist. Bereits machen sich Ängste über eine neue spekulative Blase, diesmal im Immobiliensektor, breit.
Was den auf eine Unterstützung der wirtschaftlichen Aktivitäten abzielenden staatlichen Interventionismus anbetrifft, so Muss man feststellen, dass die amerikanische Regierung das Budgetdefizit unkontrolliert ansteigen lässt. Im Jahr 2001 schloss der Haushalt mit 130 Milliarden Dollar noch positiv, während das Defizit 2003 gemäss Schätzungen bereits 300 Milliarden (3,6% des BSP) erreichen wird. Heute beunruhigen das Ausmass dieses Defizits sowie die Aussicht des weiteren Anstiegs angesichts des Irakkonflikts und der sinkenden Steuereinnahmen die politische Klasse und die Geschäftskreise in den USA mehr und mehr.
Die drastische Reduktion der Zinsraten durch die Zentralbank hat nicht nur die Unterstützung der wirtschaftlichen Aktivitäten zum Ziel, sondern hauptsächlich die Aufrechterhaltung der Nachfrage der Haushalte durch neue Verhandlungen über ihre Hypothekarschulden. Das abnehmende Gewicht der Zahlungen für Hypothekarkredite erlaubte somit eine Steigerung der von den Banken gewährten Verschuldung. Die Hypothekarschuld der amerikanischen Haushalte ist auf diese Weise auf 700 Milliarden Dollar (mehr als das Zweifache der öffentlichen Verschuldung!) angestiegen. Die Zunahme der gesamten amerikanischen Verschuldung, also des Staates, der Haushalte und Unternehmen erklärt, weshalb die USA schneller als andere Länder wieder auf Wachstumskurs gekommen sind. Allerdings kann er nur gehalten werden, wenn ihre wirtschaftliche Aktivität mittelfristig weiter unterstützt wird, sonst geht es ihnen wie Japan vor mehr als 10 Jahren, als eine spekulative Blase im Immobiliensektor platzte und Rechnungen angesichts vieler ungedeckter Schulden nicht mehr beglichen werden konnten.
Europa wird sich einen solchen Luxus kaum leisten können, denn seine Defizite sind bereits beim Eintritt der Rezession eindrücklich gewesen und diese hat sie nur noch vergrössert. So sind Deutschland und Frankreich, die zusammen das ökonomische Herz Europas bilden, mit einer öffentlichen Verschuldung von 3,8% beziehungsweise 4% des BIP die schlechtesten Schüler der Klasse. Sie befinden sich weit über der im Vertrag von Maastricht fixierten Schwelle (3%) und laufen somit Gefahr, von den Blitzen der europäischen Kommission getroffen, sprich mit den dafür vorgesehenen Bussen bestraft zu werden. Somit sind die Möglichkeiten Europas, eine konsequente Ankurbelungspolitik zu betreiben, eingeschränkt. Hinzu kommt, dass die USA mit der Abwertung des Dollars gegenüber dem Euro zur Reduktion des Handelsdefizits Europa im Weg stehen, das mehr und mehr Probleme hat, einen Exportüberschuss zu erzielen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich die zentralen Länder Europas wie Deutschland, Frankreich, Holland und Italien in einer Rezession befinden und die anderen nicht weit davon entfernt sind.
Diejenigen, die beim Fall der Berliner Mauer noch den Reden der Bourgeoisie über den Beginn eines neuen Wachstumszeitalters und die Öffnung des osteuropäischen Marktes geglaubt hatten, sind bereits eines Besseren belehrt worden. Die Wiedervereinigung Deutschlands stellt in keiner Art und Weise ein Sprungbrett zur deutschen Herrschaft dar, sondern eher eine schwere Last für das Land. Deutschland war einmal die Lokomotive Europas, aber seit der Wiedervereinigung ist es lediglich noch der letzte Wagen, der kaum mehr in der Lage ist, dem Rhythmus des Zuges zu folgen. Die Inflation ist niedrig und kippt beinahe in eine Deflation, die hohen realen Zinsraten zähmen die Aktivitäten noch mehr, und die Existenz des Euro unterbindet von nun an eine Politik der kompetitiven Abwertung der nationalen Währung. Die Arbeitslosigkeit, die Lohnbescheidenheit und die Rezession führen zu einer Stagnation des inneren Marktes, wie sie in vorangegangen Konjunkturabkühlungen in diesem Land noch nie beobachtet worden ist. Weiter wird auch die zukünftige Integration der osteuropäischen Länder schwer auf der Konjunktur lasten.
All das führt unausweichlich zu einem drastischen Anstieg der Angriffe gegen die Arbeitsbedingungen und das Lebensniveau der Arbeiterklasse. Austeritätsmassnahmen, Massenentlassungen und beispiellose Verschärfungen der Ausbeutung der Arbeit stehen auf den Tagesordnungen der Bourgeoisie überall in der Welt. Gemäss den stark untertriebenen offiziellen Statistiken wird die Arbeitslosigkeit in Deutschland bald 5 Millionen betragen und Ende des Jahres 6,1% in den USA sowie 10% in Frankreich. In Europa gibt die französisch-deutsche Achse mit dem Raffarin-Plan und Schröders Agenda 2010 den Ton der Politik an, die überall eingeleitet wird: Zurückfahren des Budgetdefizits, Verminderung der Steuern für hohe Einkünfte, Lockerung der Kündigungsbestimmungen, Reduktion der Arbeitslosenentschädigung und verschiedener Zuschüsse, Verminderung der Rückzahlungen für Pflegekosten und Erhöhung des Rentenalters. Die bereits Pensionierten müssen heute insbesondere die Kosten der Austeritätsmassnahmen tragen, womit definitiv die Idee einer wohlverdienten Ruhe nach dem Arbeitsleben zerschlagen wird. In den USA beobachtet man seit dem Zusammenbruch von Pensionskassen oder deren hohen Verlusten seit dem Börsenkrach eine massive Rückkehr von bereits Pensionierten auf den Arbeitsmarkt. Sie stehen unter dem Zwang zu arbeiten, um zu überleben. Die Arbeiterklasse steht also vor einer umfangreichen Austeritätsoffensive, die übrigens auf ökonomischer Ebene die Rezession nur verlängern und weitere Angriffe nach sich ziehen wird.