Ziel dieses Artikels ist es nicht, eine Debatte über die politische Gültigkeit unserer Plattform zu führen – wozu wir selbstverständlich jederzeit bereit sind, indem wir uns ehrlich mit anderen Positionen auseinandersetzen – , sondern aufzuzeigen was sie in Wirklichkeit ist. Dazu müssen wir die Vorgehensweise der GIGC (Groupe International de la Gache Communiste / Internationale Gruppe der Kommunistischen Linken) bloßstellen, die ausschließlich darauf abzielt, unsere Positionen zu diskreditieren, insbesondere indem sie sie als vom Rätismus beeinflusst darstellt. Ein solcher Einfluss würde sich in einer "ökonomistischen", "mechanischen", "fatalistischen" Vision der IKS manifestieren, indem sie die Kämpfe um Forderungen unterschätze und unsere Auffassung der Partei und des Klassenbewusstseins beeinträchtigee, usw.
Abgesehen von der notwendigen Wiederherstellung der Wahrheit über unsere politischen Positionen, die von der GIGC verdreht werden, werden wir zeigen, dass die Mittel und Vorgehensweise, die sie für ihre Verunglimpfung einsetzt, der Methode der Arbeiterbewegung und insbesondere der Kommunistischen Linken völlig fremd sind.
Die GIGC behauptet, sie habe unmittelbar nach ihrer Gründung "einen Klärungsprozess über die Plattform[1] der IKS begonnen (...), die sie als offen rätistisch abgelehnt habe".[2]
Diese politische Diagnose stütze sich auf verschiedene Beobachtungen, die bereits in einigen Texten der GIGC dargelegt wurden und von denen mehrere zitiert werden:
"Die unbestreitbare Kohärenz der Plattform der IKS basiert auf einer ökonomistischen und fatalistischen Vision, die auch mit ihrer rätistischen Vision kohärent ist, was sich in ihren Punkten über die Partei und das Klassenbewusstsein zeigt."[3]
"Wir haben die Kohärenz der Plattform der IKS durch die Unterscheidung zwischen Aufstieg und Dekadenz hervorgehoben, die hier im Wesentlichen auf Reformen oder die Unmöglichkeit von Reformen reduziert wird. Die daraus resultierende Einheitlichkeit und Klarheit bei der Aufdeckung der Klassengrenzen ist die Stärke des Dokuments. Der mechanische und ökonomistische Ansatz und das entsprechende Verständnis sind seine Schwäche. Sie sind typisch für den Vulgärmaterialismus, der dem Rätismus eigen ist, der eine fatalistische und mechanische Sicht der Geschichte entwickelt, zum Nachteil der dynamischen – marxistischen – Sicht, die den Klassenkampf in den Mittelpunkt und als Motor der Geschichte stellt."[4]
Für jeden, der unsere Positionen kennt, sind diese "Kritiken" komplett irreführend, aber nicht Jeder kennt die IKS, oder Einige nur durch die Sichtweise, welche durch die Prosa der GIGC vermittelt wird. Dies zwingt uns, das Wesen solcher Verzerrungen zu prüfen, die auf Lügen über Tatsachen, der Verschleierung und Verzerrung von Positionen und dem Suggerieren statt dem Beweisen oder Konkretisieren beruhen. Eine weitere Verzerrung besteht im Verschweigen der politischen Entwicklungen der IKS, welche die Punkte unserer Plattform verdeutlichen.[5]
So wichtig die Frage auch ist, ob es dem Proletariat möglich ist, in der Periode der Dekadenz des Kapitalismus Reformen durchzusetzen oder nicht, in unserer Plattform wird der Periodenwechsel nie auf diese Frage reduziert, sondern er wird unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung der inneren Widersprüche des Kapitalismus (Punkt 3 der Plattform – Die Dekadenz des Kapitalismus), dann unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auf die Organisationsform des Kapitalismus (Punkt 4 – Staatskapitalismus) und schließlich unter dem Gesichtspunkt des Klassenkampfes (Punkt 6 – Der Kampf des Proletariats im dekadenten Kapitalismus) betrachtet. In diesem letzten Punkt wird die Frage behandelt, ob Reformen möglich sind oder nicht, was für die Begründung und das Verständnis der Periode der Dekadenz entscheidend ist:
- die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Revolution;
- die Formen des Kampfes des Proletariats, das Verhältnis des Proletariats zu seiner Avantgarde und die Form, die letztere annimmt.
Wie die GIGC sehr wohl weiß, stellt der Kampf um Forderungen für die IKS die Grundlage für die Entwicklung des Klassenkampfes dar. In der Tat ist dies Teil der DNA unserer Organisation, da diese Konzeption bereits im Zentrum des marxistischen Verständnisses der Vorläufergruppe der IKS, Révolution Internationale in Frankreich, stand. Révolution Internationale - nouvelle série Nr. 9 (Mai-Juni 1974) formulierte dies im Artikel Comment le prolétariat est la classe révolutionnaire [1] folgendermaßen: "Der Prozess, durch den sich die Arbeiterklasse zur Höhe ihrer historischen Aufgabe erhebt, ist kein separater Prozess, der außerhalb ihres täglichen wirtschaftlichen Kampfes gegen das Kapital liegt. Im Gegenteil, in diesem und durch diesen Konflikt schmiedet die Arbeiterklasse die Waffen ihres revolutionären Kampfes".
In unserer Plattform wird eine solche Position unsererseits nicht in Abrede gestellt: "Seit mehr als einem halben Jahrhundert sinkt das Interesse der Arbeiter an den Aktivitäten dieser Organe, die zu einem festen Bestandteil des bürgerlichen Staats geworden sind. Die Kämpfe der Arbeiter gegen die ständige Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen streben danach, die Form von wilden Streiks außerhalb und gegen die Gewerkschaften anzunehmen. Von den Vollversammlungen der Streikenden geführt und in den Fällen, wo sie sich ausdehnen, von Delegiertenkomitees koordiniert – deren Delegierte von den Vollversammlungen gewählt und jederzeit abgewählt werden können –, erreichen diese Kämpfe sofort eine politische Dimension, da sie zur Konfrontation mit dem Staat in Gestalt seines Stellvertreters in den Betrieben, den Gewerkschaften, gezwungen werden." (Punkt 7: Die Gewerkschaften: Früher Organe des Proletariats, heute Instrumente des Kapitals [2])
Und auch heute gilt: “Die unaufhaltsame Verschärfung der Krise des Kapitalismus ist ein wesentlicher Anreiz für den Kampf und das Klassenbewusstsein. Der Kampf gegen die Auswirkungen der Krise ist die Grundlage für die Entwicklung ihrer Stärke und Einheit. Die Wirtschaftskrise wirkt sich direkt auf die Infrastruktur der Gesellschaft aus; daher legt sie die Ursachen der gesamten Barbarei, die über der Gesellschaft hängt, offen und ermöglicht es dem Proletariat, sich der Notwendigkeit einer radikalen Veränderung des Systems bewusst zu werden und nicht mehr so zu tun, als ob man einige Aspekte des Systems verbessern könnte. Im Kampf gegen die brutalen Angriffe des Kapitalismus und insbesondere gegen die Inflation, die die ArbeiterInnen in ihrer Gesamtheit allgemein und wahllos trifft, werden sie ihre Kampfbereitschaft entwickeln, sie werden beginnen können, sich als eine Klasse zu erkennen, die eine Kraft, eine Autonomie und eine historische Rolle in der Gesellschaft zu spielen hat. Diese politische Entwicklung des Klassenkampfes wird die Arbeiterklasse in die Lage versetzen, den Krieg zu beenden, indem sie dem Kapitalismus ein Ende setzt.“ (Drittes Manifest der IKS)[6]
Wenn wir nun so viel Platz darauf verwendet haben, diese schamlose Lüge der GIGC zu widerlegen, dann gerade deshalb, weil sie dem von der IKS vertretenen Verständnis des Entwicklungsprozesses des Klassenkampfes bis zur Revolution sehr abträglich ist.
"Der letzte Punkt, der längste der ganzen Plattform, über die Organisation der Revolutionäre, offenbart deutlich den Widerspruch, den die IKS seit ihren Anfängen herumträgt, zwischen ihrem Ansatz mit ihren angeborenen rätistischen Schwächen und ihrem Wunsch, sich die Lehren der Arbeiterbewegung, insbesondere der Kommunistischen Linken, wieder anzueignen. Zwar wird die Partei als solche erwähnt, formell, abstrakt, eigentlich widerwillig: ‚Die Organisation der Revolutionäre (deren höchst entwickelte Form die Partei ist) (...). In diesem Fall ist es gerechtfertigt, die Organisation der Avantgarde als Partei zu bezeichnen. (...) Jene Fraktionen und Gruppen, die an dem Aufbau der Partei arbeiten, streben notwendigerweise eine weltweite Zentralisierung an...‘. Aber nirgends wird die Rolle und Funktion der Partei als Avantgarde und politische Führung des Proletariats erwähnt."
Die Grundlagen der Notwendigkeit und der Rolle der revolutionären Organisation ist in unserer Plattform in komprimierter Form vorhanden, so dass jedes Teilzitat davon, wie es die GIGC tut, notwendigerweise ihre Bedeutung verändert. Aus diesem Grund geben wir den entsprechenden Absatz vollständig wieder: „Die Organisation der Revolutionäre (deren höchst entwickelte Form die Partei ist) ist ein notwendiges Organ, das von der Arbeiterklasse für die Entwicklung des Bewusstseins über ihre historische Zukunft und für die entsprechende politische Orientierung ihres Kampfes geschaffen wird. Deshalb sind die Existenz und die Aktivitäten dieser einen Partei eine unverzichtbare Bedingung für den Endsieg des Proletariats.“
Was hat die GIGC nun zu dieser Formulierung zu sagen, abgesehen von Eindrücken? Nichts, nur Wind – und Bluff.
Darüber hinaus werden die meisten der in unserer Plattform vertretenen Positionen in verschiedenen Artikeln in unserer Presse, insbesondere in der Internationalen Revue, aufgegriffen, weiterentwickelt und präzisiert. Dies gilt insbesondere für die Frage der "Organisation der Revolutionäre", die in den grundlegenden Texten der IKS ausführlich behandelt wird, worüber die GIGC kein Wort verliert, obwohl sie deren Existenz durchaus kennt. Jeder, der diese grundlegenden Texte liest, kann sich von der Bedeutung überzeugen, die wir der Frage der Partei, ihrer Rolle, ihrer Verbindung mit der Arbeiterklasse und dem Prozess, der zu ihrer Gründung führt, beimessen. Wir fordern den LeserInnen daher auf, anhand der folgenden Texte die Dinge zu überprüfen:
- Die Funktion der revolutionären Organisation [3]
- Bericht zur Struktur und Funktionsweise der Organisation der Revolutionäre [4]
- Über die Partei und ihre Beziehung zur Klasse [5]
- Bericht über die Rolle der IKS als "Fraktion" [6]
Weit gefehlt!
Von Beginn an ging‘s ihnen darum, die IKS von innen heraus zu zersetzen, und bis zu ihrer Umwandlung in die GIGC, verkündete die FICCI (Fraction Interne du CCI) jedem, der es hören wollte, dass sie der beste Verteidiger der Positionen der IKS sei, viel besser als die "opportunistische IKS"! Und siehe da, die GIGC hat nun entdeckt, dass die Plattform der IKS in Wirklichkeit rätistisch ist! Ist dies der letzte Akt der Farce? Nichts dergleichen, der schlechte Scherz geht weiter. Sie entdecken also, dass unsere Plattform "auf einer ökonomistischen und fatalistischen Vision basiert, die auch mit ihrer rätistischen Vision übereinstimmt, die sich in ihren Punkten über die Partei und das Klassenbewusstsein manifestiert". Sie verweisen auf die politischen Klarstellungen ihrer eigenen Plattform, die "versucht, die Kohärenz und die Erklärung der Klassengrenzen auf die Frage der Partei und des Klassenbewusstseins und somit auf die Geschichte des Klassenkampfes selbst zu stellen”. Selbst wenn die Fälscher der GIGC wirklich davon überzeugt wären, ist es nicht dies, trotz all ihre leeren Kritiken, die wir zurückgewiesen haben, das angeblich den Rätismus unserer Konzeption der Partei und des Klassenbewusstseins beweisen würde. Zumal die angebliche neue Inspirationsquelle der GIGC aus unserer Sicht nicht die geeignetste ist: "Wir haben nichts erfunden. Wir haben uns lediglich von der politischen Korrektheit des prinzipiellen Ansatzes der aufeinanderfolgenden PFs (Plattformen) überzeugt, den die so genannte Linke Italiens insbesondere 1945 und 1952 verfolgt hat."[7] [8]
Die IKS stützt sich ihrerseits, wie wir in unserer Plattform erklären, auf den folgenden Ansatz: "Indem er den Verlauf der Geschichte durch die Entwicklung des Klassenkampfes erklärt, d.h. den Kampf zur Verteidigung der ökonomischen Interessen innerhalb eines durch die Entwicklung der Produktivkräfte bestimmten Rahmens, und indem er das Proletariat als den Träger der Revolution anerkennt, der den Kapitalismus abschaffen wird, wird der Marxismus zur einzigen Weltauffassung, die wirklich den Standpunkt der Arbeiterklasse ausdrückt." (Punkt 1, Die Theorie der Kommunistischen Revolution)
Konkret wird der IKS eine "fatalistische und mechanische Sicht der Geschichte, im Gegensatz zu einer dynamischen – marxistischen – Vision, die den Klassenkampf in den Mittelpunkt und als Motor der Geschichte stellt", vorgeworfen.
Da die GIGC nichts Substanzielles hat, auf das sie ihre Kritik stützen könnte, agiert sie mit Unterstellungen und Formulierungen wie "kann zu den und dem führen...", wenn es sich nicht gerade um offene Diffamierung, Verleumdung und Verunglimpfung handelt. Alles Bereiche, in denen sie sich hervorgetan hat, seit sie gegen die IKS in den Krieg zog und als ihre "Gründer" noch Mitglieder unserer Organisation waren.
Die Geschichte hat uns gelehrt, dass der Opportunismus, wenn er den Positionen der Kommunistischen Linken den Vorwurf des "Fatalismus" entgegenhält, sich selbst "Flexibilität" und "Geschmeidigkeit" in Bezug auf die Prinzipien zugesteht. Das war der Charakter der Kritik Trotzkis gegenüber BILAN in den 1930er Jahren und derjenigen des PCInt gegenüber INTERNATIONALISME in den 1940er Jahren. Die GIGC mit Trotzki oder dem PCInt zu vergleichen wäre natürlich ein Hohn. Bei all unserer Kritik am Opportunismus Trotzkis und des PCInt ist unser Ansatz das Gegenteil davon, die GIGC in irgendeiner Weise mit ihnen zu vergleichen. Trotzki und der PCInt waren, trotz ihrer Schwächen, Teil des proletarischen Lagers. Die GIGC jedoch, seit sie unter dem Namen FICCI entstanden ist, hat durch den Schaden, den sie im Milieu der Kommunistischen Linken anrichtet, objektiv als Verteidigerin der Interessen der Bourgeoisie gehandelt. Wie wir weiter sehen werden, ist die Geschmeidigkeit der GIGC gegenüber den Prinzipien der Gewerkschaftsfrage ebenfalls offensichtlich.
Wenn es nur darum ginge, die "Methode" der GIGC zu entlarven, wären die vorangegangenen Darstellungen mehr als ausreichend. Da es aber auch darum geht, unsere Plattform gegen Angriffe zu verteidigen, müssen wir auf andere Attacken der GIGC eingehen. Dabei wollen wir aufzeigen, wie einige davon eine eindeutig linksbürgerliche Ausrichtung nicht vertuschen können.
Mit diesem Angriff soll der Eindruck erweckt werden, dass die IKS die von Lenin für den Ersten Kongress der Kommunistischen Internationale verfassten Thesen zur Demokratie nicht aus Überzeugung unterstützt.
In Punkt 8 unserer Plattform Die Wahlen und die Mystifizierung des Parlaments heißt es: "Als das kapitalistische System in seine Phase der Dekadenz eintrat, hörte das Parlament auf, ein Instrument zur Erlangung von Reformen zu sein. Wie die Kommunistische Internationale auf ihrem II. Kongress formulierte".
Zu diesem Thema erfreut uns die GIGC mit folgender kritischen Anmerkung: "Die Thesen (Lenins Thesen über die Demokratie) beschränken die Frage nicht auf die Unmöglichkeit von Reformen in der Dekadenz, ganz im Gegenteil. Die Haltung der Kommunistischen Internationale gegenüber dem Parlamentarismus wird nicht durch eine neue Doktrin bestimmt, sondern durch die Veränderung der Rolle des Parlaments selbst. In der vorangegangenen Epoche erfüllte das Parlament bis zu einem gewissen Grad eine historisch fortschrittliche Aufgabe als Instrument der Entwicklung des Kapitalismus. Unter den gegenwärtigen Bedingungen des ungezügelten Imperialismus hat sich das Parlament jedoch in ein Werkzeug der Lüge, der Täuschung, der Gewalt und des entnervenden Geschwätzes verwandelt. Angesichts der imperialistischen Verwüstung, Ausplünderung, Vergewaltigung, Räuberei und Zerstörung verlieren die parlamentarischen Reformen, die jeglicher Systematik, Dauerhaftigkeit und Methode beraubt sind, jede praktische Bedeutung für die werktätigen Massen. Wie wir sehen, umfasst die Internationale eine viel umfassendere Vision und ein Verständnis, das in erster Linie politisch ist, d.h. auf der Ebene des Klassenkampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat unter den Bedingungen, die durch die imperialistische Phase des Kapitals definiert sind.”[9]
Was die GIGC sich hier beeilt zu verschweigen, ist, dass Lenins Thesen im Artikel der IKS "Lenins Thesen zur bürgerlichen Demokratie und proletarischen Diktatur (Nachdruck) [7]"[10] vollständig wiedergegeben sind. Das reduziert die Kritik an einer angeblichen Schwäche unserer Position in dieser Frage auf eine Null und Nichts und zeigt einmal mehr die hinterhältige Methode der GIGC. Was die Behauptung betrifft, dass dieser Punkt unserer Plattform die Funktion des Parlaments in der neuen Periode nicht berücksichtige, so ist dies nur ein trauriges Beispiel der Methode: "Verleumde kühn, etwas bleibt immer hängen" (Francis Bacon), egal wie inkonsequent die Verleumdung auch ist. In Wahrheit sagen wir in diesem Abschnitt unserer Plattform über das Parlament folgendes: "Die einzige Rolle, die das Parlament von da an spielen konnte, das einzige, was es am Leben hält, ist seine Rolle als ein Mittel der Mystifizierung: Somit war es für das Proletariat nicht mehr möglich, das Parlament auf irgendeine Art zu nutzen. Die Arbeiterklasse kann keine unmöglich gewordenen Reformen mittels eines Organs erringen, das jegliche politische Funktion verloren hat. Jetzt, wo die grundlegende Aufgabe des Proletariats darin besteht, alle Institutionen des bürgerlichen Staats und somit auch das Parlament zu zerstören, wo die Arbeiterklasse auf den Trümmern des allgemeinen Wahlrechts und der anderen Überreste der bürgerlichen Gesellschaft ihre eigene Diktatur errichten muss, kann die Teilnahme am Parlament und an Wahlkampagnen - ungeachtet der Absichten, die von ihren Befürwortern verfolgt werden - nur dazu führen, einem im Sterben liegenden Körper einen Anschein von Leben einzuhauchen. "
Die GIGC schreibt: "Es ist bedauerlich, dass in dieser Passage die Verbindung zwischen dem Staatskapitalismus und den Erfordernissen des verallgemeinerten imperialistischen Krieges nicht deutlicher gemacht wird. Dies führt dazu, das Phänomen des Staatskapitalismus auf seine wirtschaftliche Dimension zu reduzieren, während er vor allem eine politische Antwort gegen das Proletariat und für die Bedürfnisse des imperialistischen Krieges ist."[11]
Im Gegensatz zu den Behauptungen der GIGC reduziert dieser Punkt unserer Plattform die Rolle des Staatskapitalismus keineswegs auf "unmittelbare wirtschaftliche Notwendigkeiten", sondern berücksichtigt alle Widersprüche, mit denen der Kapitalismus konfrontiert ist: "Auch in der Dekadenz des Kapitalismus ist die allgemeine Tendenz zum Staatskapitalismus zu einem der vorherrschenden Kennzeichen des gesellschaftlichen Lebens geworden. Da in dieser Epoche kein nationales Kapital in der Lage ist, sich uneingeschränkt zu entwickeln, und jedes von ihnen mit einer unbarmherzigen imperialistischen Konkurrenz konfrontiert ist, wird jedes Nationalkapital gezwungen, sich so effektiv wie möglich zu organisieren, um sich nach außen, gegen seine Rivalen, ökonomisch und militärisch bestmöglich zu wappnen und um im Innern der wachsenden Zuspitzung der gesellschaftlichen Widersprüche Herr zu werden. Die einzige Kraft in der Gesellschaft, die diese Aufgaben durchführen kann, ist der Staat" (Punkt 4 der Plattform: Der Staatskapitalismus [8]). Die GIGC hat sicherlich auf die Leichtgläubigkeit der Lesenden gegenüber ihrer Prosa und auf deren Unkenntnis der Positionen der IKS gezählt, um hier eine weitere Lüge einzuschmuggeln.
Punkt 15 unserer Plattform zur Diktatur des Proletariats bekräftigt die Notwendigkeit der "vollständigen Zerstörung des bürgerlichen Staatsapparates" und der Anwendung der "eigenen revolutionären Klassengewalt" durch das Proletariat. Dieser Punkt, so behauptet es zumindest die GIGC, "ignoriert völlig die Rolle der Partei - das Wort Partei wird in diesem Punkt nicht ein einziges Mal verwendet! - so viel zum Aufstand der Arbeiter - selbst ignoriert - so viel zur Ausübung der Diktatur selbst.... Zwar wird die Partei erwähnt, aber nur formal, abstrakt, ja widerwillig: "Die Organisation der Revolutionäre, deren höchst entwickelte Form die Partei ist (...) in diesem Fall ist es gerechtfertigt, die Organisation der Avantgarde als Partei zu bezeichnen (...) Der notwendigerweise weltweite und zentralisierte Charakter der proletarischen Revolution überträgt sich auch auf die Partei der Arbeiterklasse..." Aber die Rolle und Funktion der Partei als Avantgarde und politische Führung des Proletariats wird nirgends erwähnt."[12]
In Wirklichkeit und im Gegensatz zu diesen irreführenden Behauptungen schmälert die IKS keineswegs die grundlegende Rolle, die die Partei beim Erfolg der Russischen Revolution (der einzigen siegreichen Revolution) gespielt hat, und sie schmälert auch nicht die Rolle, die die künftige Partei bei einer nächsten Revolution zu spielen hat. Dies wird durch die zahlreichen Artikel und die verschiedenen Broschüren bestätigt, die wir dieser Frage gewidmet haben und die die GIGC sorgfältig ignoriert, obwohl sie haargenau weiss, dass diese existieren. Zu diesen Dokumenten gehören:
- Oktober 1917, Anfang der proletarischen Revolution (Teil 2) [9] Abschnitt: Charakter und Rolle der bolschewistischen Partei
- Russland 1917: Die größte revolutionäre Erfahrung der Arbeiterklasse [10], daraus der Abschnitt "Die falschen Vorstellungen der rätischen Strömung über das Wesen und die Rolle der bolschewistischen Partei".
Die GIGC zitiert aus unserer Plattform: "Mit dem Eintritt in seine dekadente Phase war der Kapitalismus unfähig geworden, der Arbeiterklasse weitere Reformen und Verbesserungen ihres Lebensstandards zuzugestehen.“ Die GIGC kommentiert: "Einmal mehr taucht die mechanistische und ökonomistische Erklärung 'Reformen oder keine Reformen' auf, um die Tatsache zu untermauern, die wir teilen, dass die Gewerkschaften ‚faktisch zu Agenten des Kapitals, zu Vertretern des bürgerlichen Staats innerhalb der Arbeiterklasse geworden‘ sind, begünstigt ‚durch die unerbittliche Tendenz des Staats im Zeitalter der Dekadenz, alle Strukturen des Gesellschaftslebens zu absorbieren‘. Infolgedessen und insofern, als der Übergang der Gewerkschaften in das bürgerliche Lager allein vom wirtschaftlichen Standpunkt aus mechanisch fatal gewesen sei und nicht das Ergebnis einer durch den Übergang in die neue historische Periode bedingten Klassenkonfrontation, wird der Kampf, den die kommunistischen Minderheiten von 1918 bis, grob gesagt, zum Zweiten Weltkrieg in den Gewerkschaften geführt haben, vernachlässigt und abgelehnt."[13]
Die GIGC unterstellt der IKS die Sichtweise, dass die Gewerkschaften mechanisch auf die Seite der Bourgeoisie übergegangen seien. Wir verwenden jeweils den Begriff "unweigerlich" und nicht "mechanisch". Darüber hinaus führt die GIGC die Idee ein, dass "der Übergang der Gewerkschaften in das Lager der Bourgeoisie das Ergebnis eines Kräfteverhältnisses zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat war, das sich innerhalb dieser Organe abspielte". Die einzig mögliche Interpretation dieser Passage ist, dass es der Arbeiterklasse möglich gewesen wäre, die Gewerkschaften als Waffe für ihren Kampf zu erhalten, indem sie innerhalb der Gewerkschaften gekämpft hätte!
Dies ist typisch für die opportunistische Position, die von der degenerierten Kommunistischen Internationale vertreten wurde und alle Spielarten der Linken inspiriert hatte, und auch heute noch inspiriert. In der Tat sind die einzigen wirklich "inspirierenden" Kämpfe für das Proletariat in Bezug auf die Gewerkschaftsfrage diejenigen, die diese Institution als Werkzeug des Klassenkampfes in Frage gestellt haben, wie es insbesondere während der Revolution in Deutschland der Fall war. Dies steht in völliger Übereinstimmung mit der Analyse, die wir im Punkt 7 unserer Plattform vertreten: "Mit dem Eintritt in seine dekadente Phase war der Kapitalismus unfähig geworden, der Arbeiterklasse weitere Reformen und Verbesserungen ihres Lebensstandards zuzugestehen. Nachdem die Gewerkschaften nun nicht mehr in der Lage waren, ihre ursprüngliche Rolle - die Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse - zu erfüllen, und angesichts einer historischen Lage, in der nur die Abschaffung der Lohnarbeit und damit das Verschwinden der Gewerkschaften auf der Tagesordnung steht, sind die Gewerkschaften, um ihr eigenes Überleben zu legitimieren, faktisch zu Agenten des Kapitals, zu Vertretern des bürgerlichen Staats innerhalb der Arbeiterklasse geworden. Diese Entwicklung wurde begünstigt durch die Bürokratisierung der Gewerkschaften bereits vor der Dekadenzphase und durch die unerbittliche Tendenz des Staats im Zeitalter der Dekadenz, alle Strukturen des Gesellschaftslebens zu absorbieren."
Welche Kämpfe hätten es nach Ansicht der GIGC möglich gemacht, die Gewerkschaft als Instrument zur Verteidigung der Interessen des Proletariats in der Zeit von 1918 bis zum Zweiten Weltkrieg auch nur vorübergehend zu erhalten? Die GIGC erwähnt nur einen, und es lohnt sich, ihn näher zu betrachten, zumal es sich um einen weiteren Versuch der GIGC handelt, die Position der Kommunistischen Linken Frankreichs in der Gewerkschaftsfrage zu verwässern.
Dies geschieht insbesondere über die Ursprünge der Kommunistischen Linken, die Geschichte der IKS und über unseren Genossen Marc Chirik.
Die GIGC zitiert Internationalisme, die Zeitschrift der GCF (Gauche Communiste de France): "Wir müssen auch die Tendenzen bekämpfen, die, ausgehend von der Tatsache der Existenz einer extrem starken Gewerkschaftsbürokratie, die eine reaktionäre Schicht mit homogenen Interessen bildet, die den Klasseninteressen des Proletariats und der proletarischen Revolution entgegengesetzt sind, behaupten, dass die Gewerkschaftsorganisationen als Instrumente des antikapitalistischen Kampfes überholt sind. Die kommunistische Gewerkschaftsfraktion wird von allen Militanten der kommunistischen Organisation gebildet, die derselben Gewerkschaft angehören" (Resolution zur Gewerkschaftsfrage).
Was beweist diese Passage in Bezug auf das Problem, das uns hier beschäftigt, nämlich den Klassencharakter der Gewerkschaften in der Dekadenz? Absolut nichts, abgesehen von der Tatsache, dass es innerhalb von Internationalisme Verwirrungen über die Gewerkschaftsfrage gab. Auf der anderen Seite wird die Unredlichkeit der GIGC deutlich, wenn sie ihren LeserInnen eine unangenehme Realität verschweigt, nähmlich die Tatsache, dass es innerhalb der GCF eine ständige Reflexion über den Charakter der Gewerkschaften gab, die zu folgender Analyse führte: "Die Gewerkschaften sind heute vollständig in den Staat integriert, sie sind ein Anhängsel des Staates mit der Funktion, die Arbeiterklasse dazu zu bringen, die Maßnahmen der Ausbeutung und die Verschlechterung ihrer elenden Bedingungen zu akzeptieren. Die jüngsten Streikbewegungen haben gezeigt, dass dieses klassische Mittel des Arbeiterkampfes nicht mehr die ausschließliche Waffe des Proletariats ist, seinen wesentlichen Klassencharakter verloren hat und auch als Manövriermittel von einer kapitalistischen politischen Fraktion gegen eine andere, von einem imperialistischen Block gegen einen anderen und letztlich im allgemeinen Interesse des Kapitalismus eingesetzt werden kann". ("Aktuelle Probleme der internationalen revolutionären Bewegung" - Internationalisme Nr. 18, Februar 1947)
Die GIGC begrüsst scheinheilig das, was sie die "historische IKS" nennt, weil sie in der Lage war, die wahre Natur der Gewerkschaften zu verstehen: "Wir müssen die Fähigkeit der historischen IKS begrüßen, klar zu verstehen, dass die Gewerkschaften zu vollwertigen Organen des bürgerlichen Staates geworden sind und, zumindest in den 1980er Jahren, alle Konsequenzen daraus für ihr Eingreifen in die realen Klassenkämpfe zog". Das ist heuchlerisch und unehrlich, denn wie wir bereits gesehen haben, war es Internationalisme, welche Gruppe gegenüber Bilan wichtige Klarstellungen in der Gewerkschaftsfrage gemacht hatte.
Warum also dieses Bedürfnis der GIGC, die Intervention der IKS in den 1980er Jahren zu loben, die "weit davon entfernt war, einen reinen, von den Gewerkschaften durch die Gnade des Heiligen Geistes befreiten Kampf zu erwarten"? Aus zwei Gründen:
1. Um auf die Intervention der IKS in den letzten Jahren zu spucken, die implizit als Erwartung eines "reinen, von den Gewerkschaften durch die Gnade des Heiligen Geistes befreiten Kampfes" charakterisiert wird, die es seit zwei Jahrzehnten "vorzieht, sich dem Fetisch der Selbstorganisation und der Vollversammlungen im Namen der echten, gewerkschaftsfreien Versammlungen hinzugeben, um ihren Defätismus zu verschleiern"[14]. Dies ist der Traum eines Mythomanen, der besessen Unwahrheiten erzählt. Die IKS hat den Kampf der Arbeiterklasse nie aufgegeben oder verachtet, und die Tatsache, dass wir, wie wir es getan haben, bestimmte Karikaturen von "Vollversammlungen", die gewöhnlich von den Gewerkschaften in den Betrieben einberufen werden, anprangern, ist keineswegs gleichbedeutend mit Desertion, sondern im Gegenteil Teil der Anprangerung der Ergebnisse der gewerkschaftlichen Sabotage und ihrer Allgegenwart. Im Gegensatz zu der Vorstellung, die die GIGC zu vermitteln versucht, haben wir seit den Kämpfen der 1980er Jahre niemals die grundsätzliche Notwendigkeit des Klassenkampfes geleugnet, wo auch immer er zum Ausdruck kommt, unabhängig von seinen Stärken und Schwächen. Dies steht wiederum im Einklang mit der Bedeutung, die die IKS den unmittelbaren Verteidigungskämpfen der Arbeiterklasse für die Entwicklung des Klassenkampfes zuschreibt, etwas, das die GIGC auch versucht hat, durch betrügerische Kritiken zu verschleiern.
2. Die GIGC schreibt die Geschichte der IKS in den 1980er Jahren um, indem sie ihr Positionen unterschiebt, die nie ihre eigenen waren, sondern die des IBRP (International Bureau for the Revolutionnary Party) zu jener Zeit: "Sie [die IKS] hat damals völlig verstanden, dass die kommunistischen Avantgardegruppen und die Partei an der Spitze des politischen Kampfes gegen die Fallen und die Sabotage der Gewerkschaft und der Linken und für die politische Führung der Arbeiterkämpfe stehen müssen". Nur ein Mythomane mit der Dreistigkeit der GIGC ist in der Lage, solchen Unsinn zu erzählen. Die IKS hat sich nie als Partei (oder als “Partei im Kleinen”) verstanden, sondern als politische Gruppe mit einer "fraktionsähnlichen” Funktion, die auf die Gründung der zukünftigen Partei hinarbeitet und eine Brücke zu ihr schlagen soll. Ebenso stand sie der Auffassung des IBRP von "internationalistischen Betriebsgruppen" als Transmissionsriemen für die Partei innerhalb der Arbeiterklasse stets kritisch gegenüber. Damals wie heute haben wir immer dafür gekämpft, dass die Arbeiterklasse sich in Vollversammlungen organisiert, um ihren Kampf selbst in die Hand zu nehmen und auszuweiten, und wir haben immer die Aktionen der Gewerkschaften bekämpft, die darauf abzielten, solche Klasseninitiativen zu sabotieren.
Die GIGC behauptet, dazu beigetragen zu haben, "den Kampf gegen den Rätismus in den 1980er Jahren, den die IKS damals geführt hatte, zu befürworten – und sogar zu verteidigen"[15]. Es ist nicht ausgeschlossen, dass einige der späteren FICCI-Halunken damals an diesem Kampf teilgenommen haben. Andererseits wird auch behauptet, dass die IKS "diesen [Kampf] inzwischen abgelehnt hat"[16]. Warum lügt die GIGC auf diese Weise? Möglicherweise, um bei der ICT gut dazustehen, deren Vorgängerin, das IBRP, seine Sabotage der Konferenzen der Kommunistischen Linken in den 1970er Jahren damit gerechtfertigt hatte, dass sie der IKS "Rätismus" unterstellte.
Die GIGC ist nicht in der Lage, die Fakten für den angeblichen Verzicht der IKS auf den Kampf gegen den Rätismus zu liefern, aber sie gibt uns eine Erklärung für den "Verzicht" selbst. Nach Ansicht der GIGC liegt die Ursache “im organischen Bruch zwischen der Gauche Communiste de France und der IKS": "Wie sie selbst immer erkannt hatte, konnte der organische Bruch in der Kontinuität mit den aus der Kommunistischen Internationale (KI) hervorgegangenen Fraktionen der Kommunistischen Linken, im Falle der IKS aus der Gauche Communiste de France (GCF) und im weiteren Sinne mit der so genannten Italienischen Linken, nicht durch die bloße Anwesenheit von Marc Chirik, der seit 1938 Mitglied der Italienischen Fraktion und dann der GCF war, überwunden werden"[17]. Dieser organische Bruch stellte in der Tat ein ernsthaftes Handicap dar, das glücklicherweise durch die Anwesenheit unseres Genossen Marc Chirik verringert werden konnte, insbesondere durch den Kampf gegen den Rätismus, genauer gesagt gegen dem Zentrismus gegenüber dem Rätismus in unseren Reihen. Die Klärung und Homogenisierung, die bei dieser Gelegenheit in unserer Organisation stattfand, ermöglichte es der IKS, sich gegen die Gefahr des Rätismus zu wappnen, dessen Einfluss bei einigen der jungen Generation dazu beitrug, dass sie sich nur schwer politisieren konnten. Andererseits gibt es einen Bereich, in dem die bloße Anwesenheit unseres Genossen Marc Chirik nicht ausreichte, um die Schwächen zu überwinden, die mit dem Bruch der organischen Kontinuität verbunden waren, und das ist die revolutionäre Militanz, die nur durch die Praxis erlernt wird, auch wenn unser Genosse Marc hier sein Bestes tat, um die Lehren aus seiner eigenen Erfahrung weiterzugeben. Eine solche Schwäche innerhalb der IKS spiegelte sich in Haltungen und Ansätzen wider, die Teil des Zirkelgeistes waren, den Lenin auf dem 2. Kongress der SDAPR 1903 zu Recht kritisierte und dem er den Parteigeist gegenüberstellte. Aber schlimmer als der Zirkelgeist ist das Verkommen zum nihilistischen Clanismus und die Entartung zur schlimmsten Variante des Parasitismus, der versucht hat, der Organisation den größtmöglichen Schaden zuzufügen, wenn wir uns sich gegen die Aktionen und das Verhalten von Halunken verteidigen mussten. Die FICCI, die Mutter der GIGC, war die schlimmste Inkarnation dieses Problems innerhalb der IKS.
Wir leugnen nicht das Potential von Diskussionen mit anderen proletarischen Gruppen, zur Klärung in unseren Reihen beizutragen. Aber hier geht es um eine neue Erfindung der GIGC, die schon vom zeitlichen Standpunkt aus gesehen völlig unmöglich ist.
In einem kürzlich an die ICT gerichteten Artikel[18] verweist die GIGC auf eine "widersprüchliche Debatte, die der PCInt-Battaglia Comunista und die IKS Ende der 1970er Jahre um die Frage des historischen Kurses entwickelt hatten" (...) Die IKS anerkannte damals, so die GIGC, "die Richtigkeit der Kritik von Battaglia Comunista an ihrer Position zum revolutionären Kurs", nach der "die Revolution zu einem offenen und unvermeidlichen Weg" geworden war. Ein Elefantengedächtnis oder eine Erfindung der GIGC-Mitglieder? Es wird nicht gesagt, wo oder bei welcher Gelegenheit dies geschah. Um dieser "Geschichte" mehr Konsistenz zu verleihen, fügt die GIGC hinzu: "Dank dieser Kritik, deren Richtigkeit die IKS dann anerkannte, stellte sie ihre Position klar - änderte sie und bezeichnete den 'Kurs' als 'hin zu entschlossenen, massiven Klassenkonfrontationen".
Wieder einmal müssen wir die Lügen der GIGC richtig stellen. Es stimmt, dass wir in unserem Text "Der historische Kurs", der vom 2. IKS-Kongress 1977 angenommen wurde, von einem "Kurs zur Revolution" sprachen, aber schon in diesem grundlegenden Dokument hat die IKS keineswegs "die Revolution zu einem offenen und unvermeidlichen Weg" erklärt, sondern vielmehr gesagt: "Unsere Perspektive sieht die Unvermeidlichkeit der Revolution nicht vor. Wir sind keine Scharlatane und wissen im Gegensatz zu manchen fatalistischen Revolutionären sehr wohl, dass die kommunistische Revolution nicht "so sicher ist, als ob sie schon stattgefunden hätte". Aber unabhängig vom Endergebnis der Kämpfe, die die Bourgeoisie zu unterdrücken versucht, um der Klasse eine Reihe von Teilniederlagen als Vorspiel zu einer endgültigen Niederlage zuzufügen, ist der Kapitalismus hier und jetzt nicht in der Lage, seine eigene Antwort auf die Krise seiner Produktionsverhältnisse durchzusetzen, ohne das Proletariat frontal zu konfrontieren." Um jede Zweideutigkeit zu vermeiden, haben wir Anfang der 1980er Jahre die Formulierung "Kurs zur Revolution" durch "Kurs hin zu Klassenkämpfen" ersetzt. Es ist uns nicht bekannt, dass es vor der Änderung unserer Formulierung eine Kontroverse zwischen der IKS und Battaglia Comunista zu diesem Thema gegeben hätte. Es ist durchaus richtig, dass es eine Kritik von Battaglia Comunista/Communist Workers Organisation an unserer Analyse mit dem Titel "Die IKS und der historische Kurs: eine fehlerhafte Methode" gab. Sie erfolgte aber erst 1987, also mehrere Jahre später, und kann daher nicht die "von der IKS als solche anerkannte konstruktive Kritik" gewesen sein. Außerdem betraf die Kritik des IBRP an der Analyse des IKS nicht die Art und Weise, wie der historische Kurs zu qualifizieren ist, sondern den Begriff des Historischen Kurses selbst.[19]
Weshalb hat die GIGC ein Interesse daran hat, die Geschichte auf diese Weise aufzuarbeiten. Die Antwort auf diese Frage wird deutlich, wenn sie hinzufügt: "Ein Großteil der Kritik, die Battaglia Comunista damals geäußert hat, war richtig - wir haben das Konzept und, wie wir hoffen, die Methode, die damit einhergehen muss, übernommen, im Gegensatz zu der, die die Genossen der ICT immer als idealistisch beurteilt und bezeichnet haben."[20]
Die GIGC drückt also ihr Einverständnis mit der ICT aus und zollt deren Methode Anerkennung. Wäre die GIGC nicht eine parasitäre Gruppe der schlimmsten Sorte, hätten wir sie zu ihrem Positionswechsel befragt, da ihre Leute seinerzeit, also sie noch Mitglieder der IKS waren, den Vulgärmaterialismus der ICT kritisierten. Jetzt machen sie sich schamlos an ihn ran.
Und das ist der tiefere Sinn des Versuchs der GIGC, unsere Plattform zu entstellen. Es geht ihnen darum, ihre kriecherische Haltung gegenüber der ICT zu verstärken, um noch mehr ihre Zustimmung zu gewinnen. Für die GIGC ist dies eine existenzielle Frage: Um ihre Legitimität zu sichern und um für ihre Lügen und Betrügereien entlastet zu werden, braucht sie die Unterstützung einer historischen Organisation der Kommunistischen Linken. Unmittelbar nach ihrer Gründung erklärte die FICCI, dass das IBRP nun die entscheidende Kraft für die Konstituierung der zukünftigen Weltpartei des Proletariats darstelle. Sie lehnte damals die Analyse der gegenwärtigen Periode als eine Zerfallsperiode des Kapitalismus und die Analyse des Phänomens des politischen Parasitismus ab, zwei Analysen, die ihre Mitglieder während mehr als einem Jahrzehnt geteilt hatten, die aber vom IBRP abgelehnt wurden (und von der IKT weiterhin abgelehnt werden). Heute muss die GIGC die Flamme ihrer Romanze mit der ICT neu entfachen, vor allem nach einem kleinen Zerwürfnis mit dieser Organisation[21]. Und wie könnte man dies besser tun, als die Kritik des IBRP am angeblichen "Rätismus" der IKS aufzugreifen, die wichtigen Beiträge der IBRP und der ICT für die eigene Klärung der Parteifrage zu "entdecken" und schließlich die Initiative der ICT zugunsten der Komitees "Kein Krieg außer dem Klassenkrieg" begeistert zu begrüßen.[22]
IKS 8.8.2023
[1] Prise de position sur la plateforme du Courant Communiste International [11], Révolution ou Guerre Nr. 18, Mai 2021
[2] Réponse à la Tendance Communiste Internationaliste sur nos Thèses sur la signification et les conséquences de la guerre en Ukraine [12], Révolution ou Guerre Nr. 22, September 2022
[3] Premiers commentaires et débats autour de notre plateforme politique [13], Révolution ou Guerre Nr. 20, Februar 2022. Diese brillante Charakterisierung ist das Ergebnis einer "Arbeit" der kritischen Lektüre der IKS-Plattform, die im Artikel Prise de position sur la plateforme du Courant Communiste International [14], Révolution ou Guerre Nr. 18, zu finden ist. Wir werden in Kürze auf dieses "Werk" im Detail zurückkommen.
[4] Prise de position sur la plateforme du Courant Communiste International [14], Révolution ou Guerre Nr. 18. Ironischerweise zitiert die GIGC zur Unterstützung dieses Urteils Engels Brief an Joseph Bloch vom 22. September 1890: "Die ökonomische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus – politische Formen des Klassenkampfes und seine Resultate (...), Rechtsformen, und nun gar die Reflexe aller dieser wirklichen Kämpfe im Gehirn der Beteiligten (...) üben auch ihre Einwirkung auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestimmen in vielen Fällen vorwiegend deren Form". Dieses Zitat hat die IKS ernst genommen und mehrfach verwendet, insbesondere gegen die vulgärmaterialistische Sichtweise der Strömungen, die aus dem 1945 gegründeten Partito Comunista Internazionalista (PCInt) hervorgegangen sind (die "bordigistische" Strömung und die Strömung, die heute von der Internationalistischen Kommunistischen Tendenz IKT vertreten wird). Die GIGC hütet sich jedoch, die IKT auf diese Weise zu kritisieren, da ihre ständige Haltung ihr gegenüber eine Speichelleckerei ist.
[5] Zu diesem Thema betonen unsere Grundsatzpositionen – die auf der Rückseite aller unserer Publikationen stehen – Folgendes: “So beruft sich die IKS auf die Errungenschaften, die nacheinander erbracht wurden (…) den Linkskommunistischen Fraktionen, die in den 20er und 30er Jahren aus der Dritten Internationale während ihres Niedergangs hervorgegangen waren, insbesondere der Deutschen, Holländischen und Italienischen Linken.” Die GIGC kommentiert diese Passage wie folgt: “Wir werden sehen, dass der Geist der Synthese am Ende wenig Raum für die Italienische Linke und viel für die Deutsch-Holländische ließ." Dies ist eine glatte Lüge. Seit ihrer Gründung hat die IKS ausdrücklich die politische Zugehörigkeit zur Gauche Communiste de France (GCF) unterstichen, die ihrerseits zwar bestimmte Positionen der Deutsch-Holländischen Linken übernahm, aber grundsätzlich die Zugehörigkeit zur Italienischen Linksfraktion hervorgehoben. Daran erinnerten wir Ende der 1990er Jahre bei der Präsentation unserer Broschüre Die Französische Kommunistische Linke [15]: "(…) es ist wichtig zu betonen, dass eine Untersuchung der Bemühungen, eine Strömung der Kommunistischen Linken in Frankreich zu schaffen, die führende Rolle der Italienischen Kommunistischen Linken bei diesen Bemühungen sowie ihre Methode klar herausstellen muss. Man kann die Methode, die in dieser Periode von der Italienischen Linken verteidigt wurde, nicht genug hervorheben (...) während die Italienische Fraktion selbst, erschöpft den Kampf, den sie fast 18 Jahre lang geführt hatte, aufgab, indem sie im Mai 1945 ihre Selbstauflösung erklärte, war es die Französische Fraktion der Kommunistischen Linken, die im Dezember 1944 gegründet und später in Kommunistische Linke Frankreichs umbenannt wurde, die die politische Fackel der Italienischen Fraktion aufnahm." Und zu keinem Zeitpunkt hat die IKS diese politische Zugehörigkeit aufgegeben. So schrieben wir in unserem drei Jahrzehnte nach der Gründung der IKS veröffentlichten Artikel 30 Jahre IKS: Von der Vergangenheit lernen, um die Zukunft zu bauen [16]: "Während wir unser Erbe aus all den verschiedenen Fraktionen der Kommunistischen Linken beziehen, berufen wir uns, was die Frage des Organisationsaufbaus betrifft, ausdrücklich auf die Gedanken der linken Fraktionen der Kommunistischen Partei Italiens, insbesondere auf jene, die in der Zeitschrift Bilan in den 30er Jahren ausgedrückt worden waren." Auch in unserem Artikel Die Kommunistische Linke und die Kontinuität des Marxismus [17] aus dem Jahr 2006 haben wir den grundlegenden Beitrag der Italienischen Kommunistischen Linken zur politischen Definition der IKS sehr deutlich hervorgehoben: "Gleichzeitig waren die theoretischen Beiträge dieser Strömung – die später auch Fraktionen in Belgien, Frankreich und Mexiko umfasste – immens und in der Tat unersetzlich. In ihren Analysen über die Degeneration der Russischen Revolution – die sie niemals zur Infragestellung des proletarischen Charakters von 1917 verleitete –, in ihren Untersuchungen der Probleme einer künftigen Übergangsperiode, in ihrer Arbeit über die Wirtschaftskrise und den Fundamenten der kapitalistischen Dekadenz, in ihrer Ablehnung der Position der Kommunistischen Internationale für die Unterstützung nationaler Befreiungskämpfe, in ihrer Erarbeitung einer Theorie der Partei und der Fraktion – auf diesen und vielen anderen Gebieten führte die italienische Linksfraktion zweifellos ihre Aufgabe aus, eine programmatische Basis für die proletarischen Organisationen der Zukunft zu legen."
[6] Siehe: Der Kapitalismus führt zur Zerstörung der Menschheit, nur die Weltrevolution des Proletariats kann dem ein Ende setzen [18], Drittes Manifest der IKS, Januar 2023
[7] Premiers commentaires et débats autour de notre plateforme politique (Erste Kommentare und Debatten zu unserer politischen Plattform [13]) Révolution ou Guerre Nr. 20. Diese "brillante" Charakterisierung ist das Ergebnis einer "Arbeit" zur kritischen Lektüre der IKS-Plattform, die in dem Artikel Prise de position sur la plateforme du Courant Communiste International (Erklärung zur Plattform der Internationalen Kommunistischen Strömung [19]) - Révolution ou Guerre Nr. 18 - dargelegt wurde.
[8] Dieser Positionswechsel ist, gelinde gesagt, komisch für diejenigen, die behaupteten, die "besten Verteidiger der Positionen der IKS" zu sein, als sie versuchten, sie von innen heraus zu zerschlagen. Außerdem sollten sie angeben, auf welche Plattform von 1945 sie sich beziehen. Das von der PCInt-Konferenz 1945-46 angenommene Dokument war von Bordiga verfasst worden, der nicht einmal Mitglied der Partei war, ein Dokument, das der PCInt 1974 sehr heftig kritisierte, da er feststellte, dass das Dokument 1945 "als rein persönlicher Beitrag zur Debatte des zukünftigen Kongresses" angenommen worden war und "als unvereinbar mit den festen Positionen, die die Partei jetzt zu wichtigeren Problemen einnimmt, anerkannt wurde, und [dass] (...) das Dokument immer als Beitrag zur Debatte und nicht als de facto-Plattform angesehen wurde". Das Problem war, dass es einstimmig angenommen worden war (auch von Damen, dem Hauptvorsitzenden des PCInt bis zu seinem Tod im Oktober 1979) und dass es nach außen hin als Grundlage für die Mitgliedschaft in der Partei veröffentlicht worden war. Vielleicht beziehen sich die GIGC-Fälscher auf das 1944 von Damen verfasste Dokument, das sie als "Rahmen für ein Programm" betrachten. Sie müssen also Formulierungen wie "unsere Partei, die den Einfluss der anderen Massenparteien nicht unterschätzt, ist die Verteidigerin der Einheitsfront", einer Politik der Kommunistischen Internationale während ihres opportunistischen Niedergangs, die von der Italienischen Linken seit Anfang der 1920er Jahre bekämpft wurde, zustimmen. Für Leser, die mehr über das Leben des PCInt in den 1940er Jahren erfahren möchten, bieten wir einen kritischen Verweis auf ihn in der Zeitschrift Internationalisme, einer Publikation der Gauche Communiste de France, Le deuxième congrès du parti communiste internationaliste (Internationalisme Nr. 36, Juli 1948) [20]; sowie Verweise auf Polemiken, die von der IKS verfasst wurden: The Italian Fraction and the French Communist Left [21]; Formation of the Partito Comunista Internazionalista [22].
[9] Prise de position sur la plateforme du Courant Communiste International [11], Révolution ou Guerre Nr. 18, Mai 2021
[10] International Review Nr. 100 (engl./frz./span. Ausgabe)
[11] Prise de position sur la plateforme du Courant Communiste International [11], Révolution ou Guerre Nr. 18, Mai 2021
[12] Prise de position sur la plateforme du Courant Communiste International [11], Révolution ou Guerre Nr. 18, Mai 2021
[13] Prise de position sur la plateforme du Courant Communiste International [11], Révolution ou Guerre Nr. 18, Mai 2021
[14] Prise de position sur la plateforme du Courant Communiste International [11], Révolution ou Guerre Nr. 18, Mai 2021
[15] Réponse à la Tendance Communiste Internationaliste sur nos « Thèses sur la signification et les conséquences de la guerre en Ukraine » [23], Révolution ou Guerre Nr. 22, September 2022
[16] Prise de position sur la plateforme du Courant Communiste International [11], Révolution ou Guerre Nr. 18, Mai 2021
[17] Prise de position sur la plateforme du Courant Communiste International [11], Révolution ou Guerre Nr. 18, Mai 2021
[18] Prise de position de la TCI sur les théses [24], Révolution ou Guerre Nr. 21
[19] Wir antworteten auf diese Kritik und unterstrichen den totalen Mangel einer Methode der CWO bezüglich solcher Fragen. Siehe: Polemik mit dem IBRP: Die marxistische Methode und der Aufruf der IKS gegenüber dem Krieg in Ex-Jugoslawien [25]
[20] Prise de position de la TCI sur les théses, Révolution ou Guerre Nr. 21 http://igcl.org/Prise-de-position-de-la-TCI-sur [24]
[21] Die GIGC stellt fest, dass sie trotz ihres Opportunismus bei den neuen Elementen, die sich der Kommunistischen Linken annähern, weniger Erfolg hat als die ICT, und kann nicht umhin, die ICT zu kritisieren: "... neue kommunistische Kräfte entstanden, deren Ausdruck und Faktor Nuevo Curso ist, der damit die historischen Gruppen der pro-parteiischen kommunistischen Linken direkt mit ihrer historischen Verantwortung angesichts dieser neuen Dynamik konfrontiert und vor dem die Internationalistische Kommunistische Tendenz, die Hauptorganisation dieses Lagers, sich in einer uns gegenüber relativ sektiererischen und gegenüber diesen neuen Kräften immediatischen Haltung, oder solchen Reflexen, verbarrikadiert hat“; und weiter: „die ICT, die dennoch organisch mit der KP und der Kommunistischen Linken Italiens verbunden ist, steht unter der Last eines relativen Informalismus, Personalismus und Individualismus und somit des Zirkelgeistes". Diese Zitate, die in unserem Artikel “Der Abenteurer Gaizka hat die Beschützer, die er verdient: die Halunken der GIGC“ wiedergegeben sind, stammen aus dem Aktivitätenberichtbericht der 2. Allgemeinen Versammlung der GIGC, Révolution ou Guerre Nr. 12.
[22] Die ICT ist nicht immun gegen die Verführungskampagnen der GIGC. Seit der Gründung der FICCI im Jahr 2001 hat die Vorgängerin der ICT, das IBRP, ihr gegenüber großes Wohlwollen gezeigt. Eine Haltung, die im Großen und Ganzen seit zwei Jahrzehnten nicht ins Wanken geraten ist und die sich erst kürzlich wieder manifestierte, als die ICT für die Organisation eines öffentlichen Treffens der NWBCW-Gruppe in Paris auf zwei Gründungsmitglieder der FICCI, Juan und Olivier, zurückgriff, die 2003 wegen Verrats aus der IKS ausgeschlossen wurden. Wir erinnern die ICT an die Fabel von Äsop:“Ein Rabe hatte einen Käse gestohlen, flog damit auf einen Baum und wollte dort seine Beute in Ruhe verzehren. Da es aber der Raben Art ist, beim Essen nicht schweigen zu können, hörte ein vorbeikommender Fuchs den Raben über dem Käse krächzen. Er lief eilig hinzu und begann den Raben zu loben: »O Rabe, was bist du für ein wunderbarer Vogel! Wenn dein Gesang ebenso schön ist wie dein Gefieder, dann sollte man dich zum König aller Vögel krönen! Dem Raben taten diese Schmeicheleien so wohl, daß er seinen Schnabel weit aufsperrte, um dem Fuchs etwas vorzusingen. Dabei entfiel ihm der Käse. Den nahm der Fuchs behend, fraß ihn und lachte über den törichten Raben.“ Eine Fabel für Narren.
In dem mittlerweile fast zwei Jahre dauernden Ukraine-Krieg und dem jüngst entflammten Krieg in Nahen Osten trägt der deutsche Imperialismus in unterschiedlichem Maße zu diesen mörderischen Konflikten bei, gleichzeitig bringen diese Kriege das deutsche Kapital in zunehmende Bedrängnis. Der Ukraine-Krieg bringt immer mehr enorme Zwänge und Lasten mit sich, während mit dem Krieg im Nahen Osten die deutsche Politik, Israel zur Staatsräson des deutschen Staates zu erklären, zu einem Klotz am Bein für die Interessen des deutschen Imperialismus geworden ist und seinen Handlungsspielraum zunehmend einschränkt. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen wollen wir in diesem Artikel aufzeigen.
Nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 verkündete in Deutschland Bundeskanzler Scholz eine Zeitenwende. Die Bundesregierung beschloss infolgedessen im Handumdrehen, die Rüstungsausgaben zu verdoppeln, und seitdem wurden alle möglichen Waffensysteme an die Ukraine geliefert. Mitte November 2023 wurde eine geplante Verdoppelung der militärischen Unterstützung für die Ukraine im Umfang von 4 auf 8 Mrd. Euro bekanntgegeben.
Nun ist mit dem jüngsten Krieg im Nahen Osten eine weitere Kriegsfront hinzugekommen, bei der Deutschland auch eine kriegstreibende Rolle spielt – auch wenn im Augenblick nur indirekt.
Sofort nach den Terrorattacken der Hamas gegen die israelische Bevölkerung und den ersten Vergeltungsmaßnahmen Israels verkündete die deutsche Regierung, man stehe unverrückbar an der Seite Israels. Jede Infragestellung des Rechts Israels auf Selbstverteidigung stelle sich der deutschen Staatsräson entgegen. Unaufhörlich schwört die herrschende Klasse, die wegen des Holocausts geschuldete Selbstverpflichtung für das Existenzrecht Israels einzuhalten. Damit erhält Israel von Deutschland nahezu einen „Blankoscheck“ für sein Vorgehen im Krieg.[1] Die Bundeswehr soll nach dem Willen der Bundesregierung Waffen aus eigenen Beständen kostenlos an Israel abgeben können, und sie soll eigenes Material auch dann an Israel abgeben können, wenn dies zu einer vorübergehenden Beeinträchtigung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr führt.
Das Gelöbnis, die Verteidigung Israels gehöre zur deutschen Staatsräson, heißt somit konkret gegenüber Israel den Geldhahn aufdrehen, noch mehr Waffenlieferungen und bislang unbegrenzte politische-finanzielle und moralische Unterstützung. Der deutsche Imperialismus trägt somit seinen Teil dazu bei, der israelischen Regierung Rückendeckung bei der Politik der verbrannten Erde und der Inkaufnahme des Todes von unzähligen Zivilisten zu geben.
Die Gründung Israels fand statt im Rahmen des damals schon hochkochenden Kalten Krieges. Sie brachte die allgemeine Entwicklung des niedergehenden Kapitalismus zum Ausdruck, als nach dem 2. Weltkrieg eine Reihe von Ländern in mindestens zwei Teile aufgespalten wurden (Deutschland, Korea, China, Indien-Pakistan-Bangladesch, Vietnam) meist mit jeweils unterschiedlicher Blockzugehörigkeit der geteilten Staaten. Gleichzeitig konnten sich viele dieser damals neu gegründeten Staaten nur „behaupten“ durch die Vertreibung der lokalen Bevölkerung und fortdauernde Kriege.
Im Falle Israels sehen wir eine eklatante Bestätigung dessen, was Rosa Luxemburg in ihrer Junius-Broschüre im Jahre 1915 diagnostiziert hatte: „In dem heutigen imperialistischen Milieu kann es überhaupt keine nationalen Verteidigungskriege mehr geben. (…) Die imperialistische Politik ist nicht das Werk irgendeines oder einiger Staaten, sie ist das Produkt eines bestimmten Reifegrads in der Weltentwicklung des Kapitals, eine von Hause aus internationale Erscheinung, ein unteilbares Ganzes, das nur in allen seinen Wechselbeziehungen erkennbar ist und dem sich kein einzelner Staat zu entziehen vermag“ (Junius-Broschüre, Kapitel VII).
Auch eine durch die Barbarei im 2. Weltkrieg so stark verfolgte Gruppe wie die Juden, von denen sechs Millionen im Holocaust systematisch ermordet wurden, hat mit der Gründung eines neuen Staates keine andere Wahl, als Kriege und Vertreibung anderer Bevölkerungsgruppen auszulösen. Dass Israel von Anfang auf der Grundlage einer ethnisch-religiösen Abgrenzung gegründet wurde, konnte nur der Keim für die späteren Kriege sein. Während in der aufsteigenden Phase des Kapitalismus im 19. Jahrhundert die Staatenbildung noch eine fortschrittliche Rolle spielen konnte und die nationalstaatliche Vereinigung eine Dynamik der ethnisch-religiösen Verschmelzung zeigte, somit trotz aller Spaltungen die treibende Kraft nicht Ausschluss, sondern „Zusammenschluss“ um eine Nation war, trat im niedergehenden Kapitalismus die entgegengesetzte Tendenz ein: massenhafte Vertreibung, Genozid, Exodus. Wie die Revolutionäre schon im 1. Weltkrieg erkannten, gehört die Nation auf den Schrotthaufen der Geschichte.
Die von Israel mit den Schutzmächten USA und Großbritannien unmittelbar nach der Staatsgründung eingefädelten Vertreibungen der Palästinenser trieb diese in die Arme der Nachbarstaaten (vor allem Ägyptens, das damals mit der Sowjetunion verbunden war). Diese führten dann mit Hilfe der Sowjetunion einen Krieg nach dem anderen gegen Israel, mit der Folge, dass die palästinensischen ArbeiterInnen und BäuerInnen – entweder in Flüchtlingslagern in Palästina oder in den benachbarten arabischen Staaten in Lagern eingepfercht und immer wieder als Kanonenfutter für eine „staatenlose“ palästinensische Bourgeoisie oder die Interessen der arabischen Machthaber benutzt wurden. In dieser seinerzeit schon in Gang gesetzten Spirale der Gewalt, der Vertreibung, der versuchten Rückeroberung und des Einsperrens in Flüchtlingslagern war Israel ständig auf finanzielle, politische und militärische Unterstützung des westlichen Bündnisses angewiesen. So hat die vorbehaltlose Unterstützung Israels durch den Westen seit der Gründung Israels im Jahre 1948 auch in der Bundesrepublik Deutschland Tradition. Aus Platzgründen können wir hier nicht auf die Unterstützung der anderen Staaten eingehen und nur die massive Unterstützung Deutschlands hervorheben. Die DDR – als Teil des Ostblocks – unterstützte im Gegenzug die palästinensische Bourgeoisie.[2]
Vor allem mit dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 und der damit neu entstandenen Konstellation im Nahen und Mittleren Osten versuchten die USA in der Region ihre Vorherrschaft durch den ersten Krieg am Persischen Golf (1991) und dann den nachfolgenden Kriegen 2002/2003 in Afghanistan und Irak zu verteidigen. Israel kam innerhalb der amerikanischen imperialistischen Interessen eine wichtige strategische Rolle als Gendarm zu, aber Israel selbst begann auch zunehmend gegenüber den USA seine eigenen Interessen zu vertreten. Wir sind in unserer Presse an anderer Stelle ausführlich darauf eingegangen.
Der deutsche Imperialismus strebte nach 1989 zielstrebig danach, seine militärische Amputation nach dem 2. Weltkrieg langfristig zu reduzieren und bei den nach 1989 sich entfaltenden Konflikten wieder stärker präsent zu sein. Dies war keine Option, sondern ein Zwang, dem sich alle Staaten, ob groß oder klein, unterwerfen müssen.[3]
Eine besondere Rolle bei der Rechtfertigung von direkten militärischen Einsätzen von deutschen Truppen spielten dabei jeweils Rot-Grün. Ob im Jugoslawienkrieg 1999, als der damalige grüne Außenminister J. Fischer vehement die Bombardierung Belgrads im Namen des Kampfes gegen den Faschismus verteidigte, oder bei der Befürwortung der umfangreichen Waffenlieferungen an die Ukraine bis hin zur jüngsten, von den Medien stark gepriesenen Rede von Vizekanzler Habeck zur Verteidigung Israels oder den zahlreichen Plädoyers von Außenministerin Baerbock zur Verwerfung einer dauerhaften Waffenruhe zwischen Israel und Hamas – die angeblich pazifistische Partei Die Grünen trat mit am vehementesten für die Kriegsstrategie Deutschlands ein.
Ihr Teampartner in der Regierung, die SPD, mit Verteidigungsminister Pistorius fordert mittlerweile unverblümt, Deutschland müsse wieder kriegstüchtig werden.
Damit trägt die deutsche Bourgeoisie als größter Staat in Europa entscheidend mit zur Verschärfung der Kriegsspirale im jüngsten Nah-Ost-Krieg bei – dank der besonders perfiden Argumentation von Rot-Grün. Mit dem Postulat, dass die Verteidigung Israels zur Staatsräson Deutschlands gehöre, hat sich die deutsche Bourgeoisie jedoch in ein Dilemma manövriert.
Während die Lage im Nahen Osten durch die Spirale der Zerstörung und Vertreibung und die Vorgehensweise Israels immer mehr die Gefahr eines Flächenbrandes mit all seinen unkontrollierbaren Auswirkungen in sich birgt, setzt sich die deutsche Bourgeoisie außenpolitisch dem Risiko aus, einen hohen Preis für ihre Politik der Vasallentreue gegenüber Israel zu zahlen.
Denn während selbst die USA unter Biden nach anfänglicher Proklamierung der grenzenlosen Unterstützung für Israel dazu übergegangen sind, in Anbetracht der unzähligen Toten und Verletzten infolge der Vorgehensweise Israels im Gazastreifen eine dauerhafte Waffenruhe (gegen die wilde Entschlossenheit Netanyahus) zu befürworten, hatten die Regierungsvertreter Deutschlands lange Zeit solch eine (auch nur zeitweise) Waffenruhe abgelehnt und lediglich „humanitäre Pausen“ befürwortet.
Mittlerweile ist die Gefahr einer außenpolitischen Isolierung der USA und Deutschlands immer offensichtlicher. Ob gegenüber der UNO, den Ländern des „globalen Südens“ (die arabischen, lateinamerikanischen Staaten an der Spitze), die EU oder Frankreich – das Ansehen des deutschen Imperialismus wird geschädigt. Auch gegenüber der Türkei, ein wichtiger Bündnispartner der NATO und beim Abfangen von Flüchtlingen, gibt es in Anbetracht der Verurteilung Israels und der Parteinahme für die Hamas durch Erdogan zusätzliches Konfliktpotential.
Gerade die Glaubwürdigkeit der Grünen, die immer wieder behaupten, für die Verteidigung des Völkerrechts und der Menschenrechte einzutreten, wird untergraben, weil sie ihre wahre kriegstreibende Rolle offenbaren müssen. Und die von Baerbock herausposaunte „feministische Außenpolitik“ zeigt ihr eigentliches Gesicht.
Der deutsche Imperialismus riskiert somit, bei seinem Versuch nach dem verlustreichen 2. Weltkrieg und der Entwicklung nach 1989 wieder mehr Einfluss zu erlangen, herbe Rückschläge zu erleiden. Eigentlich gebietet die imperialistische Strategie des deutschen Kapitals diesem, nach mehr Unabhängigkeit von den USA und somit mehr Spielraum für Eigenständigkeit zu suchen. Der Treueschwur gegenüber Israel erweist sich damit aber zunehmend als ein Klotz am Bein, der Deutschland entgegen seinen Interessen auch wieder stärker an die USA bindet. Es ist zu früh zu sagen, ob es dem deutschen Imperialismus gelingen wird, sich aus diesem Dilemma zu befreien. Die USA sind den Grünen jedenfalls dankbar für ihre Haltung, weil diese den USA in die Hände spielt.
Innenpolitisch bedeutet die Proklamation, Israels Existenzrecht gehöre zur deutschen Staatsräson, dass jede Kritik an Israel als antisemitisch oder gar als Angriff auf die deutschen Staatsinteressen gewertet werden kann. Selbst bürgerliche Kommentatoren warnen, dies bedeute, innenpolitisch „Freiheiten von Wissenschaft, Kultur und öffentlichem Meinungsstreit auch innerhalb grundrechtlich geschützter Grenzen einzuengen, Demonstrationen im Namen der Staatsräson zu verbieten, Theatervorstellungen und Diskussionsveranstaltungen abzusagen“ (Deutschlandfunk), und dass die Staatsräson über das Völkerrecht gestellt werde. „Das führte die USA in militärische und politische Niederlagen. Es endete in den Folterkellern und rechtsfreien Zonen der Gefängnisse von Abu Ghraib und Guantanamo.“ (DLF)
Wie international, wo die Zuspitzung der Barbarei zu einer starken Polarisierung zwischen pro-palästinensischen und pro-israelischen Anhängern mit Großdemonstrationen in den USA, Frankreich, Großbritannien geführt hat, war auch in Deutschland die Beteiligung an den pro-palästinensischen oder pro-israelischen Protesten groß. Durch diese Art Demonstrationen wird natürlich kein Widerstand gegen die Zuspitzung der Barbarei entwickelt, sondern die Menschen werden nur in zwei feindliche Lager gespalten. Stattdessen spitzen sich weiter fremdenfeindliche oder andere „identitäre“ Polarisierungen gegen bestimmte Bevölkerungsteile (gegen Muslime, gegen Juden usw.) zu, die eine Pogromstimmung anfachen. So werden auch in Deutschland – wie überall in den westlichen Industriestaaten mit enormem Migrantenanteil und immer weiter ansteigenden Flüchtlingszahlen – die wahnsinnigen und völlig sinnlosen, perspektivlosen Spaltungen mit der damit verbundenen Hetze in der Gesellschaft zunehmen. Damit gießt die deutsche Bourgeoisie durch ihre kriegstreiberische Dynamik Öl aufs Feuer der Hetzkampagnen in Deutschland selbst. Der Diskurs über die endlich notwendigen massiven Abschiebungen und verschärften Grenzkontrollen in Anbetracht der weltweiten Verdoppelung der Flüchtlingszahlen trägt auch zur Schaffung dieser ekelhaften Atmosphäre bei. So schwappt die Politik der physischen Vertreibung der Palästinenser und der Versuch ihres Aushungerns und Krepierenlassens im Gazastreifen in die westlichen Industriestaaten über und treibt die irrsinnigen Spaltungen voran. Der Blick auf die eigentliche Lösung, dass man alle Nationalstaaten abschaffen und überwinden muss, weil alle Nationalstaaten nur noch Krieg und Zerstörung bedeuten, wird damit versperrt.
Während alle bürgerlichen (von rechts bis extrem-links) Parteien und Gruppierungen zu einer Stellungnahme für Israel oder Palästina aufrufen, muss für uns gelten: Alle Staaten und ihre Staatsräson, ob Ein- oder Zweistaaten, gehören auf den Scheiterhaufen der Geschichte. Um die Menschheit aus dieser kriegerischen und anderen Zerstörungsspirale zu befreien, muss der Kapitalismus überwunden werden.
TW, 18.11.2023
[1] Bundeskanzler Scholz verbreitete das Narrativ, dass Israel als Demokratie per se das Völkerrecht achte.
[2] Bis 2007 zahlte Deutschland 25 Milliarden Euro Reparationen an den israelischen Staat und einzelne israelische Holocaustüberlebende. Bis zum Oktober 2018 beliefen sich deutsche Entschädigungsleistungen auf mehr als 74 Milliarden Euro, davon entfielen rund 29 Milliarden Euro auf in Israel lebende NS-Verfolgte. Jährlich werden rund 300 Millionen Euro an Entschädigungsrenten gezahlt.
Auf einem Geheimtreffen des Generaldirektors im Verteidigungsministerium [26] Schimon Peres [27] und des bundesdeutschen Verteidigungsminister [28]s Franz Josef Strauß [29] im Spätsommer 1957 in Bonn bekannte sich Strauß zur Verantwortung Deutschlands für das Überleben des von feindlichen Nachbarn in seiner Existenz bedrohten jüdischen Staates und stellte Rüstungshilfen samt Finanzierung in Höhe von 300 Millionen Deutsche Mark in Aussicht. Dies war acht Jahre vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen beider Staaten der Beginn einer Verteidigungskooperation, die bis heute fortbesteht. Von 1959 bis 1967 war die Bundesrepublik Deutschland ein bedeutender Lieferant von militärischer Ausrüstung und Waffen nach Israel. Bis Mitte der 1960er Jahre lieferte sie Panzerfahrzeuge US-amerikanischer Fertigung aus Beständen der Bundeswehr [30] an Israel, umgekehrt erhielt diese die Uzi [31] als Standardmaschinenpistole. Deutschland belieferte Israel ab 1999 mit U-Booten der Dolphin-Klasse [32], im Gegenzug wurde Deutschland mit in Israel entworfenen Spike-Panzerabwehrraketen [33] und Drohnen [34] ausgestattet. 2008 wurde eine geheime deutsch-israelische Zusammenarbeit bekannt, in der ein antinukleares Frühwarnsystem entwickelt wurde, Operation Bluebird genannt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-israelische_Beziehungen [35])
„Ende September wurde der Deal mit Deutschland über den Verkauf des modernen Raketenabwehrsystems Arrow 3 über die Bühne gebracht. Damit fließen knapp vier Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr an Israel.“ (https://www.fr.de/wirtschaft/militaer-nahost-konflikt-ruestungsindustrie-waffenexporte-israel-zr-92586398.html [36])
[3] Wir erinnern hier nur an die Entwicklung auf dem Balkan nach 1989, als nur kurze Zeit nach dem ersten Golfkrieg 1991 Deutschland entscheidend mit zur Aufsplitterung Jugoslawiens beitrug und sich danach alle Bestandteile des ehemaligen Jugoslawiens über ein Jahrzehnt lang bekriegten – mit immer wieder auflodernden Spannungen und Zusammenstößen bis heute.
In Fortsetzung der Diskussionsdokumente, die nach dem 23. IKS-Kongress[1] veröffentlicht wurden, veröffentlichen wir weitere Beiträge, die Divergenzen mit der Resolution über die internationale Lage vom 24. IKS-Kongress[2] zum Ausdruck bringen. Wie beim vorangegangenen Beitrag des Genossen Steinklopfer beziehen sich die Meinungsverschiedenheiten auf das Verständnis unseres Zerfallsbegriffs, auf interimperialistische Spannungen und die Kriegsgefahr sowie auf das Kräfteverhältnis zwischen Proletariat und Bourgeoisie. Um weitere Verzögerungen unter dem Druck der aktuellen Ereignisse zu vermeiden, veröffentlichen wir die neuen Beiträge der Genossen Ferdinand und Steinklopfer ohne Gegendarstellung zur Verteidigung der Mehrheitsposition in der IKS, werden aber sicherlich zu gegebener Zeit auf diesen Text eingehen.
* * *
Die IKS verteidigt das wissenschaftliche Prinzip der Klärung durch die Debatte, durch Gegenüberstellung sachlich begründeter Argumente mit dem Ziel, ein tieferes Verständnis der Fragen zu erreichen, mit denen sich die Klasse konfrontiert sieht. Die gegenwärtige Periode ist schwierig für Revolutionäre. Dies war bereits vor der Covid-Pandemie der Fall, aber in den letzten zwei Jahren mussten neue Ereignisse und Trends bewertet werden. So ist es nicht verwunderlich, dass in einer lebendigen revolutionären Organisation Kontroversen über die Analyse der Weltlage entstehen.
Die größten Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Organisation betreffen die folgenden Fragen, die für die Perspektiven des Proletariats von entscheidender Bedeutung sind:
a) Wie ist das gegenwärtige Kräfteverhältnis zwischen den Klassen zu beurteilen, nachdem das Konzept des Historischen Kurses aufgegeben wurde? Bewegt sich die Klasse von Niederlage zu Niederlage oder bewegt sie sich vorwärts?
b) Wie messen wir die unterirdische Reifung des Klassenbewusstseins, die Arbeit des „alten Maulwurfs“? Gibt es eine bedeutsame Reifung oder umgekehrt einen Rückzug?
c) Zur wirtschaftlichen Situation: Bringt die Pandemiekrise nur Verlierer hervor oder gibt es Gewinner der Situation, die ihre Position verbessern können?
d) Zu den imperialistischen Spannungen: Gibt es signifikante Polarisierungen in der Weltkonstellation, die die Gefahr eines generalisierten Krieges erhöhen? Oder ist die Tendenz Jeder-gegen-alle dominant und damit ein Hindernis für eine neue Blockkonstellation?
Bereits nach dem 23. Kongress der IKS im Jahr 2019 wies der Artikel in der Internationalen Revue, der über die Arbeiten berichtete, auf Kontroversen in unseren Reihen über die Einschätzung der Weltlage hin, und zwar auf der Ebene des Klassenkampfs oder genauer über das Kräfteverhältnis zwischen Bourgeoisie und Proletariat. In der Präsentation der Internationalen Revue Nr. 56 hieß es: „Auf dem Kongress gab es unterschiedliche Einschätzungen über den Klassenkampf und seine Dynamik. Hat das Proletariat auf der Ebene des Bewusstseins Niederlagen erlitten, die seine Fähigkeiten ernsthaft schwächen? Gibt es eine unterirdische Reifung des Bewusstseins, oder erleben wir im Gegenteil eine Vertiefung des Rückgangs der Klassenidentität und des Bewusstseins?”
Gleichzeitig haben wir 2019 das Konzept des „Historischen Kurses“ aufgegeben, weil wir erkannt haben, dass die Dynamik des Klassenkampfes in der gegenwärtigen Periode des Zerfalls in diesem Rahmen nicht mehr angemessen analysiert werden kann.
In den Diskussionen zwischen 2019 und 2021 und schließlich in der Vorbereitung der Resolution des 24. Kongresses zur internationalen Lage waren wir mit einer Fortsetzung der Unterschiede in der Einschätzung der aktuellen Weltlage konfrontiert.
Ein wichtiger Teil der Kontroverse wurde im August 2020 unter dem Titel der "internen Debatte" veröffentlicht. Der Artikel des Genossen Steinklopfer, der Minderheitspositionen verteidigte, und die Antwort der IKS zeigten, dass das Feld der Debatte nicht nur die Frage der Dynamik des Klassenkampfes und des Klassenbewusstseins umfasste, sondern in einem breiteren Sinne die Einschätzung der Periode des kapitalistischen Zerfalls, insbesondere die konkrete Anwendung des Begriffs des Zerfalls – ein Begriff, der bisher ein Unterscheidungsmerkmal der IKS innerhalb des proletarischen politischen Milieus ist.
Da ich in der letzten Zeit ähnliche Meinungsverschiedenheiten wie Genosse Steinklopfer mit der Mehrheitsposition hatte, wurde ich eingeladen, sie nicht nur durch interne Beiträge, sondern auch durch einen Artikel zur Veröffentlichung darzulegen und meine Differenzen zur Resolution zur internationalen Lage vom 24. Kongress zu begründen.
Die meisten Änderungsanträge, die ich zur Resolution des Kongresses vorschlug, drehten sich um die wirtschaftliche Frage, nämlich um die Dynamik, das Gewicht und die Aussichten des chinesischen Staatskapitalismus. Gleichzeitig unterstützte ich viele Änderungsanträge des Genossen Steinklopfer, die gleiche oder kompatible Anliegen verteidigten.
Meine Divergenzen lassen sich unter den folgenden Überschriften zusammenfassen (die Zahlen beziehen sich auf die Version der Resolution auf unserer englischen Website):
- China, seine Wirtschaftsmacht und der Staatskapitalismus (Punkte 9 und 16 der Resolution);
- die Entwicklung der globalen Wirtschaftskrise und des Staatskapitalismus im Zerfall (Punkte 14, 15 und 19);
- imperialistische Polarisierung und Kriegsgefahr (Punkte 12 und 13);
- das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen und die Frage der unterirdischen Bewusstseinsreifung (Punkt 28).
Nachdem die Resolution den politischen und ideologischen Zerfall in den USA und Europa aufgezeigt hat, heißt es: „Und während die chinesische Staatspropaganda die wachsende Uneinigkeit und Inkohärenz der "Demokratien" hervorhebt und sich selbst als Bollwerk globaler Stabilität präsentiert, ist Pekings zunehmender Rückgriff auf Repression im Innern, wie gegen die "Demokratiebewegung" in Hongkong und die uigurischen Muslime, in Wirklichkeit ein Beweis dafür, dass China eine tickende Zeitbombe ist. Das außergewöhnliche Wachstum Chinas ist selbst ein Produkt des Zerfalls.“ (Punkt 9)
Dann erklärt sie: "Die wirtschaftliche Öffnung während der Deng-Periode in den 1980er Jahren mobilisierte riesige Investitionen, vor allem aus den USA, Europa und Japan. Das Tiananmen-Massaker 1989 machte deutlich, dass diese wirtschaftliche Öffnung von einem unflexiblen politischen Apparat durchgesetzt wurde, der nur durch eine Kombination aus Staatsterror, einer rücksichtslosen Ausbeutung der Arbeitskraft, die Hunderte Millionen Arbeiter einem Dauerzustand als Wanderarbeiter unterwirft, und einem rasenden Wirtschaftswachstum, dessen Fundamente nun zunehmend wackelig erscheinen, dem Schicksal des Stalinismus im russischen Block entgehen konnte. Die totalitäre Kontrolle über den gesamten Gesellschaftskörper, die repressive Verhärtung der stalinistischen Fraktion von Xi Jinping, ist kein Ausdruck von Stärke, sondern eine Manifestation der Schwäche des Staates, dessen Zusammenhalt durch die Existenz von Fliehkräften innerhalb der Gesellschaft und wichtigen Cliquenkämpfen innerhalb der herrschenden Klasse gefährdet ist." (ebd.)
In Punkt 16 der Resolution wird zunächst behauptet, dass China mit der Verkleinerung der Märkte in der ganzen Welt, sowie mit dem Wunsch zahlreicher Staaten, sich aus der Abhängigkeit von der chinesischen Produktion zu befreien, und zudem mit der Gefahr der Zahlungsunfähigkeit einer Reihe von Ländern, die am Seidenstraßenprojekt beteiligt sind, konfrontiert ist. China strebe daher eine Verlagerung hin zur Stimulierung der Binnennachfrage und zur Autarkie auf der Ebene der Schlüsseltechnologien an, um über seine eigenen Grenzen hinaus Fuß zu fassen und seine Kriegswirtschaft entwickeln zu können. Diese Entwicklung, so heißt es in der Resolution, "verursacht mächtige Konflikte innerhalb der herrschenden Klasse, zwischen den Anhängern der Lenkung der Wirtschaft durch die Kommunistische Partei Chinas und denen, die mit der Marktwirtschaft und dem Privatsektor verbunden sind, zwischen den "Planern" der Zentralbehörde und den lokalen Behörden, die die Investitionen selbst lenken wollen" (Punkt 16).
Die Behauptungen, China sei eine tickende Zeitbombe, sein Staat sei schwach und sein Wirtschaftswachstum erscheine wackelig, sind Ausdruck einer Unterschätzung der tatsächlichen wirtschaftlichen und imperialistischen Entwicklung Chinas in den letzten 40 Jahren. Prüfen wir zuerst die Fakten und dann die theoretischen Grundlagen, auf denen diese falsche Analyse beruht.
Es mag sein, dass die inneren Spannungen in China in Wirklichkeit stärker sind, als es scheint – auf der einen Seite die gesellschaftlichen Widersprüche im Allgemeinen, auf der anderen die Widersprüche innerhalb der Regierungspartei im Besonderen. Wir können der chinesischen Propaganda hinsichtlich der Stärke ihres Systems nicht trauen. Aber das, was uns westliche oder andere nicht-chinesische Medien über die Widersprüche in China erzählen, ist auch Propaganda – und zudem oft Ausdruck von Wunschdenken. Die in der Resolution genannten Elemente sind nicht überzeugend: Eine totalitäre Kontrolle über die gesamte Gesellschaft und Unterdrückung der „demokratischen Meinungsfreiheit“ können Zeichen einer Schwäche der herrschenden Klasse sein. Dem stimme ich zu. Wie wir aus der Zeit nach 1968 mit einer aufstrebenden proletarischen Bewegung wissen, ist die Demokratie bei der Kontrolle der Arbeiterklasse und sozialer Widersprüche im Allgemeinen viel effektiver als autoritäre Regime. Beispielsweise ersetzte die Bourgeoisie in Spanien, Portugal und Griechenland in den 1970er Jahren autoritäre Regime durch demokratische, weil sie mit den sozialen Unruhen fertig werden musste. Aber befindet sich die Arbeiterklasse in China in einer ähnlichen Dynamik wie das Proletariat in Südeuropa in den 1970er Jahren? Ich stelle diese Frage mit Blick auf das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen, das wir letztlich nur als weltweites Kräfteverhältnis richtig beurteilen können.
Die Resolution behandelt in ihrem letzten Teil die Frage des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen, und ich werde darauf zurückkommen. Aber eines können wir vorwegnehmen: Für die These, dass das Proletariat das Regime von Xi Jinping bedroht, spricht nichts.
Dasselbe gilt für andere Widersprüche innerhalb Festlandchinas und seines politischen Apparats. Obwohl die Interessensunterschiede zwischen der regierenden Partei und sehr reichen chinesischen Tech-Tycoons wie Jack Ma (Alibaba) und Wang Xing (Meituan) offensichtlich sind, scheinen letztere kein alternatives Modell für die Volksrepublik vorzuschlagen, und noch weniger bilden sie eine organisierte Opposition. Auch innerhalb der Partei scheinen wichtige ideologische Kämpfe der Vergangenheit anzugehören. Vor 2012 und der Präsidentschaft Xi Jinpings fand die sogenannte „Kuchendebatte“ in hohen Parteikreisen statt: Es gab zwei Fraktionen. Eine sagte, China sollte sich darauf konzentrieren, den Kuchen – Chinas Wirtschaft – größer zu machen. Die andere wollte den vorhandenen Kuchen gerechter verteilen. Ein Anhänger der zweiten Position war Bo Xilai, der ein Jahr nach Xi Jinpings Aufstieg zum Partei- und Staatschef wegen Korruption und Machtmissbrauchs zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Inzwischen ist die Position der „gerechteren Verteilung“ zur offiziellen Doktrin geworden[3] und es gibt keine Anzeichen für eine weitere Debatte.
Nach den verfügbaren Informationen[4] begannen die Säuberungen im Repressionsapparat Anfang 2021. Bei der Polizei, der Geheimpolizei, der Justiz und im Strafvollzug wurden offiziell mehr als 170'000 Menschen wegen Korruption bestraft. Das ist eine zynische Machtdemonstration. Dasselbe gilt für das Orwellsche Überwachungssystem. Ebenso verrückt ist der Personenkult um Xi Jinping. Aber sind dies Beweise für eine „Schwäche des Staates“? Für eine „tickende Zeitbombe“ unter dem Präsidentensessel?
Die herrschenden Kreise in diesem Land nutzen die Pandemiekrise, um ihre Wirtschaft, ihre Armee, ihr gesamtes Imperium umzustrukturieren. Auch wenn sich das Wirtschaftswachstum in China in letzter Zeit verlangsamt hat, steckt dahinter zum Teil ein kalkulierter Plan der herrschenden politischen Elite, die Exzesse des Privatkapitals zu zügeln und den Staatskapitalismus für die imperialistische Herausforderung zu stärken. Die Partei stutzt einigen der profitabelsten Unternehmen und reichsten Tycoons die Flügel; sie lässt Luft aus manchen Spekulationsblasen entweichen, um das gesamte Wirtschaftsgeschehen strenger zu kontrollieren – mit der Propaganda, dass all dies dem Schutz der Arbeiter, der Kinder, der Umwelt und des freien Wettbewerbs diene.
Die Säuberungen im Repressionsapparat und die Zurschaustellung autoritärer Macht sind Hinweise auf verborgene Spannungen (nicht nur in Xinjiang und Hongkong). Aber es ist kein Alternativmodell für den Kurs des chinesischen Staatskapitalismus erkennbar.
Dies ist meine Lesart der Fakten.
Wenn wir die Bedeutung der gegenwärtigen Divergenzen in der Analyse von China verstehen wollen, müssen wir die Theorie hinter der Mehrheitsposition in der IKS und somit der vorliegenden Resolution betrachten.
Die Entwicklung Chinas wird in unseren Reihen seit Jahrzehnten heruntergespielt. Damit verbunden ist ein falsches, schematisches Verständnis kapitalistischer Dekadenz. Einer unserer Referenztexte aus der Anfangszeit der Existenz der IKS, Der Kampf des Proletariats im aufsteigenden und im dekadenten Kapitalismus, drückte es so aus: „Die Periode der kapitalistischen Dekadenz zeichnet sich dadurch aus, dass die Entstehung neuer Industrienationen unmöglich geworden ist. Jene Länder, die ihren industriellen Rückstand vor dem Ersten Weltkrieg nicht wettmachen konnten, waren dazu verdammt, in totaler Unterentwicklung zu stagnieren oder in eine chronische Abhängigkeit gegenüber den hochindustrialisierten Ländern zu geraten. So verhält es sich mit Nationen wie China oder Indien, denen es trotz angeblicher "nationaler Unabhängigkeit" oder gar "Revolution" (d.h. die Einführung eines drakonischen Staatskapitalismus) nicht gelang, Unterentwicklung und Armut abzustreifen.“ (Der Kampf des Proletariats im aufsteigenden und im dekadenten Kapitalismus, Internationale Revue Nr. 8)
Erst 2015, im Rahmen der kritischen Bilanz von 40 Jahren IKS-Analysen, haben wir den Fehler in diesem Schema offiziell erkannt:
„Diese „katastrophistische“ Sichtweise gründet zu einem guten Teil auf einem Mangel an Verständnis unserer Analyse des Staatskapitalismus (…) Dieser Fehler, der darin besteht, jegliche Möglichkeit zur Expansion des Kapitalismus in seiner Niedergangsphase zu negieren, erklärt die Schwierigkeiten der IKS, den Aufstieg und die rasante industrielle Entwicklung Chinas (und anderer peripherer Länder) nach dem Zusammenbruch des Ostblocks zu verstehen.“ (40 Jahre nach der Gründung der IKS, in Internationale Revue 53, 2016)
Aber diese Anerkennung war halbherzig. Bald schlichen sich die alten Schemata wieder in unsere Analysen ein. Die Implikationen des Widerspruchs zwischen unseren „klassischen“ Ansichten und der Realität waren zu radikal. Um diesen Widerspruch zu überbrücken, wäre es notwendig gewesen, den ökonomischen Bewegungsgesetzen auf den Grund zu gehen, die auch im dekadenten Kapitalismus am Werk sind. Stattdessen wurde das Problem mit der Formulierung „das außergewöhnliches Wachstum Chinas ist selbst ein Produkt des Zerfalls“ (Punkt 9 der vorliegenden Resolution, vgl. oben) geregelt – brillant in ihrer Schwammigkeit. Die Idee wurde 2019 mit der Resolution des 23. internationalen Kongresses eingeführt, in der es heißt: „Es bedurfte der beispiellosen Umstände der historischen Epoche des Zerfalls, um China den Aufstieg zu ermöglichen; ohne diese Umstände des Zerfalls wäre es nicht dazu gekommen.” (Internationale Revue Nr. 56)
Wobei diese letztgenannte Formulierung insofern richtig ist, als die Öffnung der Welt für die Kapitalanlage (Globalisierung) hauptsächlich in der Zeit des Zerfalls am Vorabend des Zusammenbruchs des Blocksystems und danach stattfand und dies Teil der Bedingungen war, die den Aufstieg Chinas zur Werkbank der Welt ermöglichten. Der Satz von Chinas Wachstum als "Zerfallsprodukt" ist aber ein Rückschritt in Richtung der "katastrophistischen Sichtweise". Alles ist Produkt des Zerfalls – und somit ist jedes Wachstum nichtig und fake. Außerdem: Alles zerfällt auf homogene Weise, eine Art gleichmäßiger Zerfall nicht nur der menschlichen Beziehungen, der Moral, der Kultur und der Gesellschaft, sondern des Kapitalismus selbst.
Die vorliegende Resolution ist nicht in der Lage, die Realität des Aufstiegs Chinas in den letzten vier Jahrzehnten zu erfassen und zu erklären. Wie ich bereits oben zitiert habe, heißt es dort lediglich:
"(...) diese wirtschaftliche Öffnung [wurde] von einem unflexiblen politischen Apparat durchgesetzt (...), der nur durch eine Kombination aus Staatsterror, einer rücksichtslosen Ausbeutung der Arbeitskraft, die Hunderte Millionen Arbeiter einem Dauerzustand als Wanderarbeiter unterwirft, und einem rasenden Wirtschaftswachstum, dessen Fundamente nun zunehmend wackelig erscheinen, dem Schicksal des Stalinismus im russischen Block entgehen konnte" (Punkt 9).
Ein Teil dieser Argumentation ist tautologisch: „Diese wirtschaftliche Öffnung wurde durch … ein rasendes Wirtschaftswachstum umgesetzt “ – der wirtschaftliche Erfolg war auf den wirtschaftlichen Erfolg zurückzuführen.
Im Übrigen erklärt die Resolution den Erfolg Chinas im Gegensatz zum Schicksal des russischen Blocks vor 1989 damit, dass die Leistungsfähigkeit das Ergebnis einer „Kombination aus Staatsterror“ und „einer rücksichtslosen Ausbeutung der Arbeitskraft war, die Hunderte Millionen Arbeiter einem Dauerzustand als Wanderarbeiter unterwirft“. Was erklärt das? Will die Resolution nahelegen, dass eine „Kombination aus Staatsterror“ und „rücksichtsloser Ausbeutung“ die Zutaten für einen erfolgreichen Kapitalismus seien? Und unterscheidet sich China diesbezüglich vom Stalinismus in der ehemaligen Sowjetunion?
Ich schlug vor, den Satz zu streichen und unterstützte stattdessen eine Formulierung, die Genosse Steinklopfer in einem seiner Änderungsanträge vorgeschlagen hatte: "(...) Es ist kein Zufall, dass China im Gegensatz zur UdSSR und ihrem ehemaligen imperialistischen Block gegen Ende des 20. Jahrhunderts nicht zusammengebrochen ist. Chinas Aufschwung beruhte auf zwei spezifischen Vorteilen: auf dem Vorhandensein gigantischer interner außerkapitalistischer Bereiche, die auf der Bauernschaft beruhten, die in ein Industrieproletariat umgewandelt werden konnte, und auf einer besonders alten und hoch entwickelten kulturellen Tradition (bis zum Beginn der modernen Industrialisierung in Europa war China immer eines der wichtigsten Zentren der Weltwirtschaft, des Wissens und der Technologie)."
Ob der Begriff der „außerkapitalistischen Bereiche“ noch geeignet ist, diese allerdings bedeutsame Tatsache zu beschreiben, nämlich die Integration neuer verfügbarer Arbeitskräfte in das formelle Verhältnis und den Austausch zwischen Kapital und Lohnarbeit, ist fraglich. Die Idee ist aber klar: Der Prozess der Kapitalakkumulation in China war durchaus real, nicht nur vorgetäuscht. Sie geschah dank Ressourcen, die noch nicht formell als zu verkaufende Arbeitskraft zur Aneignung ihres Gebrauchswerts durch die Kapitalisten bestimmt waren. Wie jede Akkumulation im Kapitalismus erforderte dieser Prozess in China nach Mao neu verfügbare Arbeitskraft (und Rohstoffe, d.h. zu einem großen Teil Natur, also auch ein „außerkapitalistischer Bereich“ in gewissem Sinne).
Um das Schicksal des Stalinismus im russischen Block zu verhindern, war es für China auch notwendig, auf die Sanktion des kapitalistischen Marktes (Adam Smiths „unsichtbare Hand“) wieder zurückzugreifen, insbesondere auf zwei Ebenen: der Entlassung von ArbeiterInnen und dem Bankrott von nicht rentablen Unternehmen. Erst diese Maßnahmen der herrschenden Kreise um und nach Deng Xiaoping ermöglichten das Funktionieren des privaten Kapitalsektors und die Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Wirtschaft gegenüber dem Rest der Welt. All dies wird von der bestehenden Resolution vernachlässigt. Die Änderungsanträge, die die Mängel beheben sollten, wurden mit der Begründung abgelehnt, dass sie „die Auswirkungen des Zerfalls auf den chinesischen Staat“ in Frage stellen oder relativieren würden.
Tatsächlich wurzelt die Abneigung der Resolution, die Realität der Stärke Chinas anzuerkennen, im Verständnis der kapitalistischen Dekadenz – und damit des Zerfalls. Wir haben die Debatte über die verschiedenen Analysen des Wirtschaftsbooms nach 1945 nie abgeschlossen. Die Mehrheitsposition innerhalb der IKS scheint diejenige zu sein, die behauptet, der Hauptgründe für diesen Wirtschaftsboom nach 1945 seien "außerkapitalistischen Märkte und Verschuldung“ (vgl. Internationale Revue 42-46).[5] Diese theoretische Position glaubt, dass die notwendigen neuen Märkte für den Verkauf der gesteigerten Produktion nur entweder außerkapitalistisch sein oder irgendwie künstlich durch Schulden geschaffen werden können. Diese Idee steht zwar im Einklang mit einem wörtlichen Verständnis eines zentralen Arguments in Rosa Luxemburgs Die Akkumulation des Kapital [6] – aber im Widerspruch zur Realität. Für eine tiefere Analyse dieser Achillesferse der Wirtschaftsanalyse der IKS ist hier nicht der richtige Ort.
Für das Verständnis der Divergenzen reicht es aus, dass die offizielle IKS-Position die Tatsache leugnet, dass kapitalistische Akkumulation auch die Schaffung neuer zahlungsfähiger Märkte innerhalb des kapitalistischen Milieus bedeutet, und zwar auf der Grundlage des Austausches zwischen Lohnarbeit und Kapital (wenn auch nicht ausreichend im Vergleich zu den Bedürfnissen einer ungehinderten Akkumulation – dieser Punkt ist unstrittig). Da offensichtlich auch in der Dekadenz des Kapitalismus neue zahlungsfähige Märkte entstanden sind, muss die gegenwärtige IKS-Position ihre Herkunft irgendwie erklären. Und da bedeutende außerkapitalistische Märkte (im Sinne einer zahlungsfähigen Käuferschaft der produzierten Waren) nicht mehr ausfindig gemacht werden können, wird die fortschreitende Akkumulation durch die Verschuldung „erklärt“, oder durch Machenschaften, die „das Wertgesetz austricksen“. Ich werde auf diese Frage im Zusammenhang mit den nachfolgenden Punkten der Resolution zurückkommen.
Unter dem Titel „Eine noch nie dagewesene Wirtschaftskrise“ versucht die Resolution eine Analyse der Folgen der Covid-19-Pandemie auf die Weltwirtschaft anzubieten. Ich stimme zwar zu, dass die Situation beispiellos ist und daher die Folgen nicht leicht vorhersehbar sind, aber das Verständnis der kapitalistischen Akkumulation und Krise im Rahmen der Resolution reicht nicht aus, um die aktuelle Realität und ihre treibenden Kräfte zu analysieren. Nach Ansicht der Mehrheit der IKS, die die Resolution in ihrer jetzigen Form angenommen und die von Steinklopfer und mir vorgeschlagenen Änderungsanträge abgelehnt hat, ist alles dem „Zerfall“, einer Art homogener Fragmentierung, untergeordnet. Dieses Verständnis der Zerfallsperiode ist schematisch und – insofern es das Fortbestehen elementarer kapitalistischer Gesetzmäßigkeiten – etwa der Konzentration und Zentralisation des Kapitals – leugnet, eine Abkehr vom Marxismus. Diese Ansicht der Mehrheit lehnt ausdrücklich ab, dass das wirtschaftliche Erdbeben als Folge der Pandemie nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner hervorbringt. Sie bestreitet implizit das Fortbestehen der Zentralisation und der Konzentration des Kapitals, des Transfers von Profiten aus technologieärmeren Bereichen in solche mit höherer organischer Zusammensetzung des Kapitals und damit eine weitere Polarisierung zwischen Erfolgreichen und Verlierern. Die Pandemie beschleunigte die für die Zeit der Zerfalls typischen zentrifugalen Tendenzen, jedoch nicht in homogener Weise. Es finden unterschiedliche Polarisierungen statt. Die Reichen werden reicher; die profitablen Unternehmen attraktiver; die Staaten, die Covid 19 gut gemeistert haben, erweitern ihre Märkte auf Kosten der Inkompetenten und stärken ihren Apparat. Diese Polarisierungen und zunehmenden Unterschiede in der Weltwirtschaft sind Teil einer Realität, die von der vorliegenden Resolution vernachlässigt wird. Diese sieht nur Fragmentierung, Verlierer und Unsicherheit. In Punkt 14 heißt es: „Dieses Eindringen der Auswirkungen des Zerfalls in die Wirtschaftssphäre wirkt sich direkt auf die Entwicklung der neuen Phase der offenen Krise aus und läutet eine in der Geschichte des Kapitalismus noch nie dagewesene Situation ein. Die Auswirkungen des Zerfalls, welche die Mechanismen des Staatskapitalismus, die bisher zur ‚Begleitung‘ und Begrenzung der Auswirkungen der Krise eingerichtet wurden, tiefgreifend verändern, bringen einen Faktor der Instabilität und Zerbrechlichkeit, der wachsenden Unsicherheit in die Situation ein.”
Die Resolution unterschätzt die Tatsache, dass es den starken nationalen Wirtschaften weitaus besser geht als den schwachen: „Eine der wichtigsten Erscheinungsformen der Schwere der gegenwärtigen Krise liegt – im Gegensatz zu vergangenen Situationen offener Wirtschaftskrisen und im Gegensatz zur Krise von 2008 – darin, dass die zentralen Länder (Deutschland, China und die USA) gleichzeitig getroffen wurden und zu den am stärksten von der Rezession betroffenen Ländern gehören, in China durch einen starken Rückgang der Wachstumsrate 2020.“ (Punkt 15)
Und sie bestreitet, dass China ein Gewinner der Situation ist: „Als einzige Nation mit einer positiven Wachstumsrate im Jahr 2020 (2 %) ist China nicht als großer Sieger oder gestärkt aus der Pandemiekrise hervorgegangen, auch wenn es auf Kosten seiner Rivalen vorübergehend an Boden gewonnen hat. Ganz im Gegenteil." (Punkt 16)
Die treibende Kraft eines Kapitalisten ist die Suche nach dem höchsten Profit. In Zeiten der Rezession, wenn alle oder die meisten Kapitalisten Verluste machen, verwandelt sich der höchste Gewinn in den niedrigsten Verlust. Diejenigen Unternehmen und Staaten mit weniger Verlusten als ihre Konkurrenten schneiden besser ab. In dieser Logik gehört China bisher zu den Gewinnern der Pandemiekrise. Übrigens: Den USA geht es auch wirtschaftlich besser als den meisten hochindustrialisierten und Schwellenländern, entgegen dem zitierten Satz in Punkt 15 der Resolution.
Die polarisierenden Tendenzen, die ich hervorhebe, stehen nicht im Widerspruch zum Rahmen des Zerfalls. Im Gegenteil; die wachsenden Ungleichheiten verstärken die globale Instabilität. Aber diese Instabilität ist ungleichmäßig. Die Pandemie führt zu einer weiteren Konzentration des konkurrenzfähigen Kapitals, zum Ersatz lebendiger Arbeitskräfte durch Maschinen und Roboter, zu einer erhöhten organischen Zusammensetzung. Das Kapital mit der höchsten organischen Zusammensetzung saugte Teile der Gewinne auf, die von den weniger Wettbewerbsfähigen produziert werden. All dies geschieht auf einer relativ schrumpfenden Basis lebendiger Arbeit, weil diese je länger je überflüssiger wird.
Einerseits bedeutet dies eine wachsende und schwindelerregende Kluft zwischen den profitablen Teilen der Weltwirtschaft und denen, die es nicht sind. Auf der anderen Seite bedeutet es einen gnadenlosen Wettlauf unten den fortgeschrittensten Rivalen um die verbleibenden Gewinne.
Diese beiden Tendenzen erhöhen die Stabilität keineswegs – ihre Existenz wird jedoch von der Position „Zerfall allüberall“ bestritten. Diese Position ist ständig auf der Suche nach Phänomenen der Auflösung und Desintegration und verliert dabei jene tieferen und konkreteren Tendenzen aus den Augen, die für die aktuellen Verschiebungen so typisch sind.
Schließlich spricht die Resolution von der „Missachtung des Wertgesetzes “ bzw. der „Überlistung der Gesetze des Kapitalismus “, ohne zu erklären, was diese Gesetze sind und was ihr Überlistung bedeute:
„Die Schuldenlast verurteilt das kapitalistische System nicht nur zu immer verheerenderen Konvulsionen (Bankrott von Unternehmen und sogar von Staaten, Finanz- und Währungskrisen usw.), sondern kann auch, indem sie den Spielraum der Staaten, die Gesetze des Kapitalismus zu überlisten, immer mehr einschränkt, ihre Fähigkeit zur Wiederbelebung ihrer jeweiligen Volkswirtschaften nur behindern." (Punkt 19)
„Die Bourgeoisie wird weiterhin bis zum Tode um das Überleben ihres Systems kämpfen, sei es mit direkten wirtschaftlichen Mitteln (wie der Ausbeutung unerschlossener Ressourcen und potenzieller neuer Märkte, typisch für Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße) oder politisch, vor allem durch die Manipulation von Krediten und die Missachtung des Wertgesetzes. Das bedeutet, dass es immer noch Phasen der Stabilisierung zwischen den wirtschaftlichen Erschütterungen mit immer schwerer wiegenden Folgen geben kann.“ (Punkt 20)
Diese Formulierungen erklären nichts. Sie sind eine improvisierte Verschleierung des Mangels an einem klaren Begriff. Ohne diesen wird alles nur noch zu „Instabilität und Zerbrechlichkeit“ und „wachsender Unsicherheit“.
Eine Folge der Vernachlässigung der wirtschaftlichen Polarisierung durch den letzten Internationalen Kongress ist die Unterschätzung der imperialistischen Spannungen und der Kriegsgefahr.
Nach dem Eingeständnis, dass die wachsende Konfrontation zwischen den USA und China tendenziell im Mittelpunkt steht, und dem Aufführen von Beispielen für neue Allianzen, spielt die Resolution die Gefahr einer zukünftigen Blockkonstellation mit den folgenden Worten herunter: „Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir auf die Bildung stabiler Blöcke und einen allgemeinen Weltkrieg zusteuern. Der Weg zum Krieg wird immer noch durch die starke Tendenz des „Jeder-für-sich“ und Chaos auf imperialistischer Ebene behindert, während der Kapitalismus in den zentralen kapitalistischen Ländern noch nicht über die politischen und ideologischen Elemente verfügt – einschließlich insbesondere einer politischen Niederlage der Arbeiterklasse –, welche die Gesellschaft ‚vereinigen‘ und den Weg zum Weltkrieg ebnen könnten. Die Tatsache, dass wir immer noch in einer im Wesentlichen multipolaren Welt leben, wird insbesondere durch das Verhältnis zwischen Russland und China verdeutlicht. Während Russland sich in bestimmten Fragen sehr willig gezeigt hat, sich mit China zu verbünden, im Allgemeinen in Opposition zu den USA, ist es sich nicht weniger der Gefahr bewusst, sich seinem östlichen Nachbarn unterzuordnen, und ist einer der Hauptgegner von Chinas "Neuer Seidenstraße" in Richtung imperialistischer Hegemonie.“ (Punkt 12)
Diese Sätze stimmen mit der „Ungewissheit“ in der Wirtschaftsfrage überein und vermeiden eine klare Aussage zu den gegenwärtigen imperialistischen Tendenzen. Die Resolution ist halbherzig, wenn sie die offensichtliche Konfrontation zwischen den USA und China zugibt und darauf besteht, dass dies „jedoch“ nicht die „Bildung stabiler Blöcke“ bedeute. Die Mehrheitsposition in unserer Organisation hat noch nicht die Konsequenzen aus unserer Erkenntnis auf dem 23. Internationalen Kongress gezogen, dass der Begriff des Historischen Kurses für die Analyse der Gegenwart nicht mehr brauchbar ist. Sie versucht immer noch, die aktuelle Situation innerhalb des alten Schemas des Kalten Krieges zu verstehen, das zusammen mit der Berliner Mauer eingestürzt ist. Ob die neu entstehenden Bündnisse zu „stabilen Blöcken“ werden oder nicht, ist nicht die zentrale Frage, wenn wir die Gefahr eines allgemeinen oder nuklearen Krieges analysieren wollen – beides sind die ernsthaftesten Bedrohungen für eine kommunistische Perspektive.
Die Resolution beantwortet Fragen, die sich nicht mehr stellen, und übergeht die eigentlich vor uns stehenden. Auf diesen Punkt werde ich im folgenden Teil der Kritik zurückkommen, in dem es um das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen geht.
Ein weiteres aufschlussreiches Zeichen für das Fortbestehen der alten Sichtweise ist die folgende Formulierung in der Resolution: „Wir sehen zwar keinen kontrollierten Marsch in Richtung Krieg, der von disziplinierten Militärblöcken angeführt würde, aber wir können die Gefahr einseitiger militärischer Ausbrüche oder sogar grotesker Unfälle nicht ausschließen, die eine weitere Beschleunigung des Abgleitens in die Barbarei bedeuten würden.“ (Punkt 13)
Die kapitalistische Logik der Polarisierung zwischen China und den USA treibt beide dazu, Verbündete zu finden, am Wettrüsten teilzunehmen und in den Krieg zu ziehen. Ob dieser Marsch kontrolliert wird oder nicht, ist eine andere Frage. Aber zuerst sollten wir feststellen, dass sowohl China als auch die USA nach Allianzen suchen und einen Krieg vorbereiten. Obwohl uns eine statische Sichtweise zu dem Schluss führen könnte, dass „wir immer noch in einer im Wesentlichen multipolaren Welt leben“ (Punkt 12), geht die Dynamik in Richtung Bipolarität.
Zur Frage der Stabilität der Allianzen und der Disziplin ihrer Bestandteile: Tatsache ist, dass die USA offensiv nach Verbündeten gegen China suchen. Dieses ist in mehrfacher Hinsicht im Nachteil – auf der Ebene seiner Armee, seiner Technologie, der Geografie. Doch das Reich der Mitte holt auf den ersten beiden Gebieten entschlossen auf.
Dies sollte uns an eine alte in Klassengesellschaften geltende These erinnern, die als Thukydides-Falle bezeichnet wird und besagt: „Wenn eine Großmacht droht, eine andere zu verdrängen, ist fast immer Krieg die Folge“ (Alison Graham, 2015). Thukydides, der Urahn der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung, schrieb vor mehr als 2400 Jahren über die Hauptursache des Peloponnesischen Krieges, dass sie im „Machtzuwachs Athens und dem Alarm, den er in Sparta auslöste“, gegründet habe. Sicherlich leben wir in einer ganz anderen Welt, aber immer noch in einer Klassengesellschaft. Sollten wir etwa denken, dass der Kapitalismus in seiner Phase des Zerfalls rationaler sei und daher eher dazu neige, Krieg zu vermeiden?
Ich denke, dass das Proletariat in den zentralen Ländern immer noch eine Bremse auf dem Weg zu einem allgemeinen Krieg ist. Ich stimme dieser Idee zu, die in dem oben zitierten Punkt der Resolution zum Ausdruck kommt. Ich teile jedoch nicht die Ansicht, dass die in der Resolution angesprochenen typischen Ausdrucksformen des Zerfalls wie die „starke Tendenz des „Jeder-für-sich“ und Chaos auf imperialistischer Ebene“ echte Hindernisse für verallgemeinerte oder nukleare Kriege sind. Deshalb habe ich einem weiteren Änderungsantrag des Genossen Steinklopfer zugestimmt und ihn unterstützt, der jedoch mehrheitlich abgelehnt wurde und lautete:
"Während des gesamten dekadenten Kapitalismus bis heute hat von den beiden Hauptäußerungen des Chaos, das durch den Niedergang der bürgerlichen Gesellschaft erzeugt wurde – imperialistische Konflikte zwischen Staaten und Kontrollverlust innerhalb jedes nationalen Kapitals – in den zentralen Zonen des Kapitalismus die erstere Tendenz über die letztere gesiegt. Unter der Annahme, von der wir ausgehen, dass dies auch im Kontext des Zerfalls weiterhin der Fall ist, bedeutet dies, dass nur das Proletariat ein Hindernis für Kriege zwischen den Hauptmächten sein kann, nicht jedoch die Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse in diesen Ländern. Obwohl diese Spaltungen unter bestimmten Umständen den Ausbruch des imperialistischen Krieges verzögern, können sie ihn auch katalysieren."
Nicht nur im Hinblick auf die Frage der Blockkonstellationen, sondern auch im Hinblick auf die Rolle der Arbeiterklasse müssen wir die Konsequenzen unserer 2019 erfolgten Überwindung des Konzepts des Historischen Kurses bedenken. 1978 formulierte die IKS in International Review 18 (deutsch in Internationale Revue 5, 1980) die Kriterien zur Bewertung des Historischen Kurses wie folgt: „Aus der Analyse der Bedingungen, die den Ausbruch der beiden Weltkriege ermöglichten, kann man die folgenden allgemeinen Lehren ziehen:
* das Kräfteverhältnis zwischen Bourgeoisie und Proletariat kann nur auf Weltebene beurteilt werden und darf nicht auf Ausnahmefällen beruhen, die in zweitrangigen Gebieten auftreten; es ist wichtig, dass wir aus der Untersuchung der Situation in einigen großen Ländern auf die tatsächliche Natur des Kräfteverhältnisses schließen können;
* um den imperialistischen Krieg auslösen zu können, muss der Kapitalismus dem Proletariat zuvor eine schwere Niederlage zufügen, vor allem eine ideologische Niederlage, aber auch eine physische, sofern das Proletariat zuvor eine große Kampfbereitschaft gezeigt hatte (wie in Italien, Deutschland und Spanien zwischen den Kriegen);
* diese Niederlage darf die Klasse nicht nur zur Passivität verurteilen, sondern muss die Arbeiter auch dazu bringen, begeistert den bürgerlichen Idealen ("Demokratie", "Antifaschismus", "Sozialismus in einem Land") zuzustimmen. Die Unterstützung dieser Ideale setzt voraus:
a) dass sie einen Anschein von Wirklichkeit besitzen (die Möglichkeit einer unbeschränkten, problemlosen Entwicklung des Kapitalismus und der "Demokratie", der proletarische Ursprung des Regimes in der UdSSR);
b) dass sie auf die eine oder andere Weise mit der Verteidigung proletarischer Interessen verbunden ist;
c) dass diese Assoziation von Organisationen verteidigt wird, die das Vertrauen der Arbeiter genießen, was darauf zurückzuführen ist, dass sie in der Vergangenheit tatsächlich deren Interessen verteidigt haben. Mit anderen Worten: diese bürgerlichen Ideale müssen von ehemals proletarischen Organisationen, die die Klasse verraten haben, propagiert werden.
Dies sind in groben Zügen die Bedingungen, die in der Vergangenheit den Ausbruch von imperialistischen Kriegen begünstigten. Das soll nicht heißen, dass ein zukünftiger imperialistischer Krieg a priori gleiche Bedingungen zur Voraussetzung haben muss. Aber da die Bourgeoisie sich den Gefahren bewusst geworden ist, die mit einem vorzeitigen Ausbruch von Feindseligkeiten verbunden sind (trotz all der Vorbereitungen löste der II. Weltkrieg in Italien 1945 und in Deutschland 1944/45 Reaktionen der Arbeiter aus), wäre es ein Fehler anzunehmen, dass sich die Bourgeoisie selbst in eine Konfrontation stürzt; es sei denn, sie hat denselben Grad an Kontrolle erlangt wie 1939 oder zumindest wie 1914. Mit anderen Worten: bevor ein neuer imperialistischer Krieg möglich ist, müssen die eben aufgezählten Bedingungen zumindest vorhanden sein, andernfalls müssen andere Bedingungen die fehlenden ersetzen.“
Auf dem 23. Kongress im Jahr 2019 haben wir festgestellt, dass diese Kriterien für die gegenwärtige Situation nicht mehr gelten. Wir müssen uns also die Frage stellen, ob die Bourgeoisie zur Entfesselung des Krieges noch eine „physische Niederlage“ des Proletariats und seine „begeisterte Zustimmung zu bürgerlichen Idealen“ braucht.
Trotz dieser allgemeinen theoretischen Kontroverse scheinen wir uns auf der Ebene der Konzepte und Bewertungskriterien darin einig zu sein, dass das Proletariat immer noch ein Hindernis für die Bourgeoisie darstellt, um einen Krieg zu führen, den die großen Bastionen des Proletariats in den zentralen Ländern irgendwie unterstützen müssten. Die Resolution behauptet, dass das Proletariat die entscheidende „politische Niederlage“ (Punkt 12) noch nicht erlitten habe. Dabei beharrt die Mehrheitsposition auf dem Leitgedanken des Konzepts des Historischen Kurses: entweder Kurs zum Krieg oder Kurs zur Revolution. Damit bleibt die Matrix aus der Zeit des Kalten Krieges relevant, obwohl wir auf dem 23. Internationalen Kongress festgestellt haben, dass dieses Schema letztlich nicht mehr geeignet ist, wenn wir das heutige Kräfteverhältnis beurteilen wollen. „Trotz der enormen Probleme, vor denen das Proletariat steht, lehnen wir die Vorstellung ab, dass die Klasse bereits im Weltmaßstab besiegt sei oder kurz vor einer solchen Niederlage stehe, die mit der der Konterrevolution vergleichbar wäre, einer Niederlage, von der sich das Proletariat möglicherweise nicht mehr erholen könne.“ (Punkt 28)
Der Satz ist in doppelter Hinsicht falsch: sowohl in seiner Voraussetzung – als auch in Bezug auf deren scheinbar logische Schlussfolgerung.
Die Ausgangsfrage ist nicht, ob das Proletariat bereits global besiegt worden sei – also definitiv geschlagen oder fast, nämlich in einem vergleichbaren Ausmaß wie in der Zeit der Konterrevolution. Wenn wir uns darüber einig sind, dass das Weltproletariat in den letzten 40 Jahren eine Reihe von Niederlagen erlitten hat, müssen wir Kriterien finden, um das Ausmaß der Niederlage(n) zu messen. Die Frage ist nicht die des Schreckens der physischen Niederlage der 1930er Jahre – Tod oder Leben, Vernichtung des Nichtidentischen. Im Moment ist es keine Alles-oder-Nichts-Situation, sondern ein allmähliches Schwinden des Klassenbewusstseins zumindest in seiner Ausbreitung. Meine Hypothese ist, dass es sich um einen asymptotischen Prozess (Annäherungsprozess) hin zur endgültigen Niederlage handelt.
Die logische Konsequenz ist also nicht „eine solche Niederlage, von der sich das Proletariat möglicherweise nicht mehr erholen könne“. Wenn die Hypothese richtig ist (ein allmählicher Prozess des Bewusstseinsverlusts, vor allem des Bewusstseins über eine besondere Klassenidentität), muss die Schlussfolgerung lauten: Die Arbeiterklasse kann den Prozess immer noch umkehren, eine Art Kehrtwende vollziehen. Aber sie muss sich der negativen Dynamik bewusst werden. Die Revolutionäre stehen in der Verantwortung, dies so klar wie möglich auszusprechen.
Die falsche Matrix liegt in der Beschreibung und dem Verständnis der Resolution über den konkreten Stand des Klassenkampfs: Wesentlich sei, „dass wir vor der Pandemie einige embryonale und sehr zerbrechliche Anzeichen für ein Wiederaufleben des Klassenkampfes sahen, insbesondere in Frankreich 2019. Und auch wenn diese Dynamik dann durch die Pandemie und die Lockdowns weitgehend blockiert wurde, gab es in mehreren Ländern auch während der Pandemie einige Arbeiterproteste, vor allem zu Fragen der Sicherheit, insbesondere der Hygiene, am Arbeitsplatz“ (ebd.).
Die zugrunde liegende Vision ist die einer glatten Dynamik hin zu einem stärkeren Klassenbewusstsein – also eine positive Dynamik, oder zumindest eine Art statischer Zustand: weder positiv noch negativ, also irgendwie neutral, auf der Basis einer intakten Kampfbereitschaft der Klasse.
Meine Einschätzung hingegen ist die einer Dynamik des Rückganges des Klassenbewusstseins – eine negative Dynamik, die umgedreht werden muss. Glücklicherweise zeigt die Kampfbereitschaft hier und da noch ihren Kopf. Aber Kampfbereitschaft ist noch nicht Bewusstsein, auch eine Steigerung der ersteren impliziert noch keine Erweiterung oder Vertiefung des proletarischen Bewusstseins.
Wesentlich für das Proletariat und seine politischen Organisationen ist die richtige Einschätzung der gegenwärtigen Situation samt ihrer inneren Dynamik. Die Aufgaben der Stunde für Revolutionäre hängen offensichtlich vom Verständnis dieser objektiven und konkreten Situation ab.
Auf einer weiteren Ebene müssen wir uns mit der Frage nach dem „alten Maulwurf“ von Marx (in seinem Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte) befassen. Wir verwenden für dieses Phänomen auch den Begriff der unterirdischen Reifung des Klassenbewusstseins. Die Resolution unterstreicht das Potenzial für eine tiefgreifende proletarische Wiederbelebung, die unter anderem bezeugt wird durch: „ die kleinen, aber bedeutenden Anzeichen einer unterirdischen Reifung des Bewusstseins, die sich in Bemühungen um eine globale Reflexion über das Scheitern des Kapitalismus und die Notwendigkeit einer anderen Gesellschaft einiger Bewegungen manifestieren(insbesondere der Indignados im Jahr 2011), aber auch durch das Auftauchen junger Elemente, die nach Klassenpositionen suchen und sich dem Erbe der kommunistischen Linken zuwenden “ (ebd.)
Die vage Formulierung von den „kleinen, aber bedeutsamen Anzeichen einer unterirdischen Reifung des Bewusstseins“ ist ein Kompromiss zwischen zwei unvereinbaren Gegensätzen: vorwärts oder rückwärts? Welche Richtung in der Bewegung, Zunahme oder Rückzug des Klassenbewusstseins auch in seinen unterirdischen, nicht sichtbaren Schichten?
In Diskussionen vor und während des Kongresses habe ich die Ansicht vertreten, dass es keine bedeutsame unterirdische Reifung in der Klasse gibt. Wir benötigen den Begriff der unterirdischen Reifung, um rätistischen Auffassungen und ihrer Praxis entgegen zu treten. Es ist eine theoretische Errungenschaft der IKS, dass die unterirdische Reifung auch in Momenten des Rückzugs der Kämpfe oder sogar in Zeiten der Konterrevolution stattfindet.
Aber es ist etwas anderes zu sagen – wie die Mehrheit in der Organisation behauptet –, dass die Bewegung dieser Reifung immer eine nach oben gerichtete ist.
Wenn man behauptet, dass die Reifung in allen Perioden eine Aufwärtsbewegung ist, ist eine Regression ausgeschlossen. Das bedeutet, zwei Dinge zu unterschätzen. Erstens unterschätzen wir damit die Tiefe der Schwierigkeiten unserer Klasse, einschließlich ihrer bewusstesten Teile, und zweitens unterschätzen wir die Rolle und die spezifischen Aufgaben der Revolutionäre in der gegenwärtigen Periode. Diese Aufgabe ist nicht nur eine quantitative, die Verbreitung revolutionärer Positionen, sondern vor allem eine qualitative, nämlich theoretische Arbeit, mit der die gegenwärtigen Tendenzen in den verschiedenen Bereichen vertieft analysiert werden: Verschiebungen in der Wirtschaft, die imperialistischen Spannungen und die Dynamik in der Klasse, vor allem auf der Bewusstseinsebene. Es ist richtig, es gibt sicherlich das Potenzial für eine Bewusstseinsentwicklung in der Klasse, aber Möglichkeit und Wirklichkeit sind nicht dasselbe.
Ferdinand, Januar 2022
[1] Interne Debatte in der IKS über die internationale Lage [37], IKSonline Januar 2021
[2] 24. Internationaler Kongress der IKS: Resolution zur internationalen Lage [38], Internationale Revue Nr. 57
[3] Das half Bo Xilai nicht, denn offiziell saß er ja nicht wegen angeblich falscher politischer Orientierung im Gefängnis, sondern wegen Korruption und Machtmissbrauch.
[4] Wenn ich nicht wörtlich aus anderen Quellen zitiere, stütze ich mich für die Informationen in diesem Artikel auf Wikipedia und The Economist.
[5] Die/der aufmerksame Leser*in unserer Resolutionen wird zu diesem Schluss kommen, obwohl die IKS-Kongresse klugerweise nie die theoretischen Konzepte zur Abstimmung gestellt haben.
[6] Kap. 26, gegen Ende: „Im innern kapitalistischen Verkehr können im besten Fall nur bestimmte Wertteile des gesellschaftlichen Gesamtprodukts realisiert werden: das verbrauchte konstante Kapital, das variable Kapital und der konsumierte Teil des Mehrwerts; hingegen muss der zur Kapitalisierung bestimmte Teil des Mehrwerts ‚auswärts‘ realisiert werden.“
Seit dem Sommer 2022 ist die Intervention von Revolutionären innerhalb des Kampfs der Arbeiterklasse eine konkretere Perspektive geworden, weil das Proletariat nach drei bis vier Jahrzehnten eines tiefen Rückgangs der Kampfbereitschaft und des Bewusstseins in der Klasse endlich wieder sein Haupt erhoben hat. Diesem Wiederaufleben der Kämpfe, das mit dem "Summer of Discontent" in Großbritannien begann, folgten Streiks, Demonstrationen und Arbeiterproteste in verschiedenen anderen Ländern, so auch in den USA.[1]
Il Partito Comunista – eine Organisation der Kommunistischen Linken wie wir – hat über ihre Beteiligung an Arbeiterkämpfen des vergangenen Jahres in den USA berichtet, darunter ein Streik von 600 städtischen Angestellten in der Wasseraufbereitungsanlage in Portland Oregon, der am 3. Februar 2023 begann. Dieser Streik wurde mit Solidaritätsbekundungen von anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes begrüßt, von denen sich einige auch den Streikposten anschlossen. Während dieses Streiks veröffentlichte Il Partito einen Artikel und verteilte drei Flugblätter, in denen er den Kapitalismus als diktatorisches Ausbeutungssystem anprangerte und die Lehre zog, dass: "Nur wenn die Arbeiterklasse ihre Waffen über Sektoren und Grenzen hinweg vereint, kann sie wirklich für die Beendigung ihrer Ausbeutungssituation im Kapitalismus kämpfen".[2]
Unter den gegenwärtigen Bedingungen eines internationalen und historisch bedeutsamen Wiederauflebens der Kämpfe nach Jahrzehnten der Orientierungslosigkeit und Zersplitterung ist es an sich schon ein Sieg, den Kampf aufzunehmen. Deshalb ist es sicherlich wichtig zu erkennen, dass, so wie es Il Partito getan hat, die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Portland, als Reaktion auf die Einschüchterung, Kriminalisierung und Bedrohung durch die Bourgeoisie in der Lage waren, ihre Einheit und Solidarität zu entwickeln.[3]
Aber Revolutionäre dürfen nicht hier stehen bleiben. In ihren Interventionen mit der Presse, mit Flugblättern oder auf andere Weise müssen sie konkrete Perspektiven aufzeigen, z. B. den Aufruf an die Arbeiterklasse, den Kampf über ihren eigenen Sektor hinaus auszuweiten, indem sie Delegationen in andere Betriebe und Unternehmen schicken. Wie wir in einem unserer jüngsten Artikel hervorheben, müssen die Beschäftigten bereits heute "gemeinsam kämpfen, einheitlich handeln und vermeiden, sich in lokalen Kämpfen innerhalb des eigenen Unternehmens oder Sektors zu verzetteln".[4]
Aber um dies zu tun, um den Kampf zu stärken, müssen Revolutionäre den Beschäftigten vor allem klar sagen, wer auf der Seite der Arbeiterklasse steht und wer gegen sie ist. Und genau in dieser Frage verbreitet Il Partito einen mystifizierenden Nebel.
Für die Kommunistische Linke sind die Gewerkschaften als solche, und damit nicht nur die Gewerkschaftsführung, sondern auch die Basisstrukturen der Gewerkschaften, zu einer Waffe der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse geworden. Die Gewerkschaften, die per Definition auf der Ideologie aufbauen, den Kampf innerhalb der Grenzen der wirtschaftlichen Gesetze des Kapitalismus zu führen, sind im 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Kriege und Revolutionen, anachronistisch geworden, wie die Revolutionäre im Ersten Weltkrieg und der revolutionären Welle ab 1917 deutlich gezeigt haben. Die neuen Bedingungen erfordern, dass die Kämpfe über die Besonderheiten des Arbeitsplatzes, der Region und der Nation hinausgehen und einen massiven und politischen Charakter annehmen. Die Gewerkschaften sind für die Kämpfe der Arbeiterklasse nicht mehr von Nutzen, sie wurden von der herrschenden Klasse und ihrem Staat übernommen und werden dazu benutzt, die Tendenz zur Ausweitung und Selbstorganisation der Kämpfe zu verhindern. Unter solchen Bedingungen ist die Verteidigung der gewerkschaftlichen Kampfmethode als angeblich authentisches Mittel zur Förderung der Kampfkraft der Arbeiterklasse nichts anderes als ein Zugeständnis an die bürgerliche Ideologie, eine Form des Opportunismus.
Angesichts des Frage der Organisationsformen, die für die Arbeiterklasse zur Verteidigung ihrer Lebensbedingungen notwendig sind, ob es sich nun um "Klassengewerkschaften", "Netzwerke" oder "Koordinationen" handelt, verteidigt Il Partito eine opportunistische Position, die er wie folgt begründet: Er anerkennt zwar, dass "seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die fortschreitende Unterwerfung der Gewerkschaften unter die bürgerliche Ideologie, die Nation und die kapitalistischen Staaten"[5] eine reale Tendenz sei. Aber Il Partito erklärt uns nicht, wie es möglich war, dass Gewerkschaften in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in den bürgerlichen Staat integriert wurden. Für Il Partito scheint dies reiner Zufall zu sein, da er nicht anerkennt, dass sich die objektiven Bedingungen seither grundlegend geändert haben. Im Gegensatz dazu behaupten sie, dass die wirtschaftlichen Angriffe auf die Arbeiter "zur Wiedergeburt neuer Gewerkschaften führen werden, die von der bürgerlichen Konditionierung befreit sind" und "von der kommunistischen Partei geleitet werden". Diese Gewerkschaften werden ihnen zufolge sogar "ein mächtiges und unverzichtbares Instrument für den revolutionären Sturz der bürgerlichen Macht"[6] sein.
Mit anderen Worten: Nach dem Verrat der alten Gewerkschaften werden neue Arbeitergewerkschaften entstehen, und in guter "bordigistischer" Tradition wird davon ausgegangen, dass sie unter der Führung einer echten revolutionären Partei eine revolutionäre Rolle erfüllen werden. Es ist höchste Zeit, Il Partito aus diesem Traum aufzuwecken, denn die Bedingungen des Kampfes der Arbeiterklasse haben sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts völlig verändert. Das bedeutet, dass der Kampf "nicht von langer Hand organisatorisch vorbereitet werden“ kann, denn „[d]er proletarische Kampf sprengt zunehmend den ökonomischen Rahmen und wird zum gesellschaftlichen Kampf. Die Arbeiter stoßen direkt mit den staatlichen Organen zusammen und werden auf diesem Wege politisiert. Desgleichen erfordern diese Kämpfe die massive Beteiligung der gesamten Klasse. (...) In diesem Sinn hängt der Erfolg eines Streiks nicht von finanziellen Mitteln ab, sondern im Wesentlichen von der Fähigkeit der Arbeiter, den Kampf auszudehnen".[7]
Deshalb entsprechen die Gewerkschaften nicht mehr den Erfordernissen des proletarischen Kampfes, und selbst die Führung durch eine revolutionäre Partei würde an dieser Tatsache rein gar nichts ändern. Der Versuch von Il Partito, die Existenz permanent existierender Kampforgane zu verteidigen, sowohl bei offenen Kämpfen als auch in kampflosen Zeiten, wird unweigerlich zum Scheitern führen. Eine Wiedergeburt der Gewerkschaften als wirkliche Organisationen der Arbeiterklasse ist nur in der Vorstellung von Il Partito möglich, in welcher die Rolle der Partei im Kampf nicht nur entscheidend ist, sondern die Partei sogar in der Lage zu sein scheint, fast übernatürliche Kräfte aufzubringen, um die Gewerkschaften an die wirklichen Bedürfnisse des Arbeiterkampfes anzupassen.
Das erste Flugblatt von Il Partito, das bei einer Demonstration am Samstag, dem 28. Januar 2023 verteilt wurde, trug den Titel "Arbeiter des öffentlichen Dienstes von Portland: Kampf für die Streikfreiheit", eine "Freiheit", welche die Stadtregierung durch die Ausrufung des Ausnahmezustands angegriffen hatte.
Mit der Forderung nach "Streikfreiheit" brachte dieses Flugblatt die Arbeiter sofort auf die falsche Fährte. Im 19. Jahrhundert, als die Gewerkschaften noch einheitliche Organisationen der Arbeiterklasse waren, deren Aufgabe es war, die Arbeits- und Lebensbedingungen im Kapitalismus zu verbessern, war eine solche Forderung zweifellos berechtigt. Heute jedoch, wo die Gewerkschaften Teil des kapitalistischen Staates geworden sind, hat die Arbeiterklasse nichts mehr davon, eine Kampagne zur Verteidigung des Streikrechts zu führen. Denn ein solcher Kampf ist in Wirklichkeit ein Kampf für ein Absegnung des Freipasses der Gewerkschaft, die Kämpfe der Arbeiterklasse zu kontrollieren. Die Arbeiterklasse braucht nicht für die Legalisierung ihrer eigenen Streiks zu kämpfen, denn unter den Bedingungen des totalitären Staatskapitalismus ist ein Streik, der ein reales Kräfteverhältnis gegen die Bourgeoisie schaffen könnte, per Definition illegal. Der Zweck einer Kampagne für die Streikfreiheit besteht hauptsächlich darin, zu gewährleisten, dass die Kämpfe innerhalb der engen rechtlichen Grenzen der bürgerlichen Politik und der gewerkschaftlichen Kontrolle bleiben. Wenn die Bourgeoisie das Streikrecht gewährt, dann nur, um den Kampf der Arbeiter auf einen wirkungslosen Protest zu reduzieren, um Druck auf einen der "Verhandlungspartner" auszuüben.
Nach dem Streik der städtischen ArbeiterInnen in Portland haben die Genossen von Il Partito im Frühjahr 2023 "zusammen mit anderen Gewerkschaftsaktivisten eine Koordinierung gefördert, die sie Class Struggle Action Network (CSAN) genannt haben und die darauf abzielt, die Kämpfe der ArbeiterInnen zu vereinen".[8] Dieses CSAN intervenierte zum Beispiel beim Streik des Krankenpflegepersonals Ende Juni. Aber was ist eigentlich das Wesen des CSAN? Was könnte die Perspektive eines solchen Netzwerks sein, "die Kämpfe der ArbeiterInnen zu vereinen"?
Dieses CSAN ist nicht als Reaktion auf ein bestimmtes Bedürfnis der Streikenden entstanden, den Kampf selbst in die Hand zu nehmen, massive Delegationen zu anderen Betrieben zu schicken, für alle Arbeiter und Arbeiterinnen offene Generalversammlungen zu organisieren oder Lehren zu ziehen, um neue Kämpfe vorzubereiten. Nein, nichts dergleichen. Das Netzwerk wurde völlig außerhalb der konkreten Dynamik des Kampfes von den Genossen von Il Partito ins Leben gerufen, "inspiriert von den gleichen Prinzipien und Methoden, nach denen das Coordinamento Lavoratorie Lavoratrici Autoconvocati [Mitte der 1980er Jahre] in Italien gegründet wurde".[9] Und auf der Website dieses Netzwerks[10] kann man nicht zufällig einen Artikel von Il Partito lesen, in dem klargestellt wird, dass das Ziel darin besteht, "Auf die Wiedergeburt der Gewerkschaft der Arbeiterklasse [39]" hinzuarbeiten.
Wie wir oben dargelegt haben, sind die Gewerkschaften heute Instrumente des bürgerlichen Staates, und eine Wiedergeburt als Organisationen der Arbeiterklasse ist unmöglich. Daher kann die Politik von Il Partito, kämpferische Arbeiter und Arbeiterinnen nur in einen völlig perspektivlosen und entmutigenden Kampf verwickeln. In diesem Zusammenhang wird das CSAN das gleiche Schicksal erleiden wie jedes künstlich geschaffene Organ: entweder ein Anhängsel von Il Partito[11] zu bleiben oder ein radikaler Ausdruck des bürgerlichen Gewerkschaftswesens zu werden. Aber höchstwahrscheinlich wird es verschwinden, nachdem Il Partito versucht hat, es künstlich am Leben zu erhalten. Dann kann sie dieses totgeborene Kind in aller Stille begraben, ohne weitere Lehren aus dieser Erfahrung ziehen zu müssen.
Beim Streik der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes "nahmen die Genossen an den Streikposten teil und halfen den ArbeiterInnen, sie zu stärken"[12]. Im Bericht über die Intervention beim Streik des Krankenpflegepersonals ist nur von der Intervention des CSAN die Rede, die "Teilnehmende für die Streikposten-Solidarität" organisierte. Dies erweckt den Eindruck, dass es keine Intervention von Il Partito gab, die sich vom Netzwerk unterscheidet und getrennt ist. Die GenossInnen von Il Partito haben also sowohl im Februar als auch im Juni individuell an den Streikposten teilgenommen. Aber warum? Weil Arbeiter diese Aufgabe nicht übernehmen können? Oder waren die Genossen als Delegierte aus anderen Betrieben beteiligt? Die Antwort auf diese Fragen findet sich in den Artikeln von Il Partito nicht. Hinter der Intervention von Il Partito steht eine große Konfusion über die Rolle der revolutionären Avantgarde der Klasse.
In erster Linie besteht die Aufgabe der politischen Organisation der Klasse nicht darin, der Klasse zu helfen, die Streikpostenkette zu stärken, Geld zu sammeln, um einen Streik finanziell zu unterstützen, oder andere praktische Aufgaben für die streikenden Arbeiter und Arbeiterinnen zu erfüllen. Dazu sind sie absolut selbst in der Lage, ohne dass jemand an ihre Stelle tritt. Eine kommunistische Organisation hat eine Aufgabe zu erfüllen, die nicht technischer oder materieller, sondern im Wesentlichen politischer Natur ist. Der Kampf der Arbeiterklasse muss durch die organisierte politische Intervention der revolutionären Organisation gestärkt werden.
Entsprechend dieser Ausrichtung, ein aktiver politischer Faktor in der Entwicklung des Bewusstseins und der autonomen Aktion der Arbeiterklasse zu sein, müssen kommunistische Organisationen eine Analyse der Bedingungen des Klassenkampfes hellsichtig und mit einer klaren Methode vorlegen und gleichzeitig in der Lage sein, die Feinde der Arbeiterklasse – die Gewerkschaften – anzuprangern und zu bekämpfen. Il Partito rechtfertigt in unverantwortlicher Weise die Möglichkeit der Rehabilitierung des Gewerkschaftswesens oder des Kampfes mittels Gewerkschaften, obwohl diese Organe jahrzehntelang die Kämpfe behindert und sabotiert haben, und kann auf diese Weise den Kampf der Arbeiterklasse nur schwächen. Diese Art von Opportunismus stiftet nicht nur Verwirrung, sondern kann die Arbeiterklasse nur in eine Sackgasse führen.
Dennis, 15.11.2023
[1] Siehe unser Flugblatt: Streiks und Demonstrationen in den USA, Spanien, Griechenland, Frankreich... Wie können wir unsere Kämpfe ausweiten und vereinen? [40], IKSonline Oktober 2023
[3] Portland City Workers’ Strike [41] – the ICP`s intervention, in The Communist Party Nr. 51
[4] Balance sheet of the ICC's intervention in the struggles of workers around the world [42] (Bilanz der Intervention der IKS in den Kämpfen der Arbeiter und Arbeiterinnen auf der ganzen Welt), in World Revolution Nr. 398, Herbst 2023
[5] Questions from the USA on the SI Cobas and the Trade Unions [43], in The Communist Party, September 2016, Nr. 4
[6] ebenda
[7] Der Kampf des Proletariats im aufsteigenden und im dekadenten Kapitalismus [44], in Internationale Revue Nr. 8
[9] ebenda
[11] Der erste “Class Unionist” Newsletter der CSAN vom Oktober berichtete bereits: vom “Monatstreffen im September des Organisationskollektivs des CSAN [das] selber nach dem Modell des demokratischen Zentralismus funktionieren soll ”.
[12] Portland City Workers’ Strike – the ICP`s intervention [41], in The Communist Party Nr. 51
Unser Genosse Miguel ist von uns gegangen. Geboren 1944, lehnte er sich schon früh auf gegen diese Gesellschaft der Barbarei und Ausbeutung, den Kapitalismus, auf. Er verstand die Notwendigkeit, für eine neue Gesellschaft zu kämpfen, aber gleichzeitig ließen bei ihm die Geschehnisse in der UdSSR, die als "Vaterland des Sozialismus" dargestellt wurde, viele Zweifel an diesem sogenannten "Kommunismus" aufkommen. Zu dieser Zeit waren andere "Alternativen" en vogue. Eine davon war Titos Jugoslawien, ein "bündnisfreies"[1] Land, das sich als "selbstverwalteter Sozialismus" präsentierte. Er emigrierte dorthin, studierte und arbeitete und stellte bald fest, dass es nichts Sozialistisches an sich hatte, sondern nur eine weitere der vielen Varianten des Staatskapitalismus war. Aus dieser enttäuschenden Erfahrung erwuchs seine Überzeugung, dass keines der "Mekkas des Sozialismus" (Russland, Jugoslawien, Albanien, China, Kuba usw.) Kommunismus oder "im Übergang dazu" sei, sondern dass es sich um kapitalistische Staaten handle, in denen die Ausbeutung mit der gleichen Wucht herrsche wie in den offiziell kapitalistischen Ländern.
Nach seiner Rückkehr nach Spanien arbeitete er in einem sehr wichtigen Unternehmen, Standard Eléctrica, und war ein bewusster und kämpferischer Arbeiter, der sich aktiv an den vielen Streiks beteiligte, die damals Spanien erschütterten, als Teil der historischen Wiederbelebung des Proletariats, deren fortgeschrittenster Ausdruck der große Streik vom Mai 68 war. Es waren Zeiten (1972-76), als die Franco-Diktatur nicht in der Lage war, die enorme Welle von Kämpfen zu bewältigen, und die Bourgeoisie den berühmten "Übergang" in Betracht zog, den Übergang von der Franco-Diktatur zur demokratischen Diktatur, d.h. der kapitalistische Staat ließ den Franquismus und seinen Nationalkatholizismus als nutzlosen Plunder zurück und umgab sich mit demokratischen Waffen, um der Arbeiterklasse besser entgegentreten zu können: "Arbeiter"-Gewerkschaften, Wahlen, "Freiheiten" ...
Bald kam der Genosse zu einer zweiten Überzeugung: Die Gewerkschaften, sowohl die alte vertikale Gewerkschaft des Franquismus als auch die "Arbeitergewerkschaften" (CCOO, UGT und Co.) waren Organe des bürgerlichen Staates, bedingungslose Diener des Kapitals, bereit, Streiks zu sabotieren, die ArbeiterInnen zu spalten, sie in Sackgassen zu führen. Als Mitglied der UGT zerriss schließlich Miguel seine Mitgliedskarte, nachdem er in eine Versammlung eingegriffen hatte.
In dieser Zeit machte er auch eine weitere entscheidende Erfahrung: Als Mitglied einer der zahlreichen trotzkistischen Gruppen (der Liga Comunista) erlebte er aus erster Hand, was die Linksextremen sind, die mit radikaler Arbeitersprache Militante auffangen, die mit der KP oder den Gewerkschaften brechen und eine echte proletarisch-internationalistische Alternative suchen. Sie kritisierten die UdSSR, riefen aber dazu auf, sie als "degenerierten Arbeiterstaat" zu verteidigen; sie behaupteten, "gegen den imperialistischen Krieg" zu sein, unterstützten aber den Krieg in Vietnam und andere imperialistische Kriege im Namen der "nationalen Befreiung"; sie kritisierten die Gewerkschaften, riefen aber dazu auf, sich an ihnen zu beteiligen, um sie "für die Klasse zu gewinnen"; sie kritisierten die Wahlen, riefen aber dazu auf, zur Wahlurne zu gehen, um "eine KP-PSOE-Arbeiterregierung zu schaffen"; sie sprachen von "Demokratie in der Organisation", aber diese war ein Schlangenkorb, in dem sich verschiedene Gangs um die Kontrolle der Organisation bis aufs Blut bekämpften und dabei zu Manövern, Verleumdungen und allen erdenklichen Gemeinheiten griffen.
Weder der Alptraum des jugoslawischen "selbstverwalteten Sozialismus" noch die gewerkschaftliche Sabotage oder die Mausefalle der Linksextremen hielten den Genossen von der Suche nach wirklich kommunistischen Positionen ab. Auf dieser Suche nahm er Kontakt mit der IKS auf und führte eine Reihe sehr gründlicher Diskussionen, wobei er Lehren aus all den Erfahrungen zog, die er gemacht hatte, und beschloss schließlich 1980, ihr beizutreten.
Seitdem war er ein kämpferischer, der Sache des Proletariats treuer Anhänger, der immer wieder nachdachte und sich in den Diskussionen einbrachte, um zur gemeinsamen Erarbeitung unserer Positionen beizutragen. Er war immer voll und ganz für die Aktivitäten der Organisation da. Da er aus beruflichen Gründen gezwungen war, in eine andere Stadt umzuziehen, bestand seine erste Sorge darin, die kämpferische Tätigkeit auf allen Ebenen aufrechtzuerhalten, sowohl in der Diskussion und Analyse als auch in der Intervention in den Kämpfen, der Verbreitung der Presse usw.
Er war vor allem in Klassenkämpfen sehr aktiv und nahm als Arbeiter an zahlreichen Kämpfen teil (Telefonica, Standard), auch an Kämpfen wie Delphi, SEAT, Treffen von Arbeitslosen usw. Er zögerte nicht, in Versammlungen zu intervenieren, sich gegen Gewerkschaftsmanöver zu wehren, Maßnahmen zur Stärkung der Versammlung vorzuschlagen und zu versuchen, den Kampf auszuweiten, um die Isolation zu durchbrechen. Ebenso ging er zu Versammlungen, bei denen es Diskussionen gab, die für eine revolutionäre Klärung von Interesse waren, und er zögerte nicht, klar und mutig einzugreifen und die Positionen der IKS zu verteidigen.
Er leistete auch einen großen Beitrag zur Verbreitung der Presse. Er brachte regelmäßig unsere Publikationen in Buchhandlungen und Bibliotheken, er suchte ständig nach neuen Verkaufsorten. Bei Demonstrationen, Versammlungen, Kundgebungen usw. war er der erste, der die IKS-Presse mit Enthusiasmus und einer wirklich vorbildlichen Beharrlichkeit verbreitete.
Er stand immer für die Aktivitäten der Organisation zur Verfügung und sammelte mit Begeisterung revolutionäre Presse und Bücher, aber auch Publikationen zu allen möglichen Themen, die für den revolutionären Kampf der Arbeiterklasse von Interesse waren. Die Bibliothek, die er zusammenstellte, ist ein Schatz für die Weitergabe der Traditionen und Positionen der kommunistischen Organisationen.
Er blieb bis zur letzten Minute ein Kämpfer. Als er an einer schmerzhaften Krankheit litt, fragte er alle Genossen, die ihn besuchten, wie die Diskussionen verlaufen waren, er bat uns, ihm die internationalen Texte der Organisation vorzulesen, er hörte sich alles, was wir ihm erzählten, mit großem Interesse an. Er war ganz einfach ein KOMMUNISTISCHER MILITANTER DES PROLETARIATS. Mit großer Trauer schreiben wir diese Zeilen, aber wir tun es entschlossen und ermutigt durch seine Militanz, bereit, weiter zu kämpfen und junge Menschen zu gewinnen, die heute mit den Fallen konfrontiert werden, die er zu überwinden hatte, und die nach den Antworten suchen werden, die er fand und die sein ganzes Leben motivierten.
Internationale Kommunistische Strömung 27.9.2023
[1] Damals gab es die so genannte "blockfreie Bewegung" von Ländern, die behaupteten, am Rande der beiden imperialistischen Blöcke zu stehen, die die Welt beherrschten: die USA und die UdSSR. Einer der Befürworter war Tito, der jugoslawische Präsident, der einer der Stars der berühmten Konferenz von Bandung 1955 war.
Die enorme Verschärfung des kriegerischen Chaos durch den Krieg in der Ukraine, die mehrjährige Covid19-Pandemie mit ihren Millionen von Opfern, die Klimakatastrophen, die mit doppelter Gewalt über den ganzen Planeten hereinbrechen, die Wirtschaftskrise, die zweifellos eine der schlimmsten in der Geschichte des Kapitalismus ist und große Teile des Proletariats in Unsicherheit und Elend stürzen lässt ... All diese Manifestationen von Barbarei, Chaos und Elend zeigen die unwiderrufliche Sackgasse, vor der der Kapitalismus steht. Die 2020er Jahre werden daher in allen Regionen der Welt und auf allen Kontinenten eine beispiellose Verschärfung der Erschütterungen, Katastrophen und des schlimmsten Leids mit sich bringen. Es ist die Existenz der menschlichen Zivilisation selbst, die offen bedroht ist. Wie lässt sich diese Anhäufung und das Zusammenhängen von so vielen Katastrophen erklären? Die Arbeiterkämpfe, die sich seit Sommer 2022 in Großbritannien entwickeln, zeigen, dass die Arbeiterklasse - wenn auch unter großen Schwierigkeiten - zu reagieren beginnt und sich weigert, die Angriffe der herrschenden Klasse auf ihre Arbeits- und Lebensbedingungen hinzunehmen. Durch die Entwicklung von Kämpfen auf diesem Gebiet kann die Arbeiterklasse ihre Klassenidentität wiederfinden und eine Alternative zur tödlichen Spirale, in die der Kapitalismus die Menschheit stürzt, entwickeln
Wir laden euch zu unserer Veranstaltung via Internet-Diskussion am Mittwoch 8. Februar um 19.00 Uhr ein.
Um mit uns zuvor den Kontakt und die virtuelle Verbindung herzustellen, schreibt uns an folgende Adresse: [email protected] [47]
"Wir wussten, dass die Welt nicht mehr dieselbe sein würde. Einige Leute lachten, andere weinten, aber die meisten blieben stumm. Ich erinnerte mich an den Satz aus der Hindu-Schrift Bhagavad Gita, in dem Vishnu versucht, den Prinzen zur Erfüllung seiner Pflicht zu überreden, und um ihn zu beeindrucken, nimmt er seine vielarmige Gestalt an und sagt: "Jetzt bin ich zum Tod geworden, zum Zerstörer der Welten". Ich nehme an, dass wir alle auf die eine oder andere Weise so gedacht haben."
So drückte Robert Oppenheimer 1965 aus, wie er sich gefühlt hatte, als er im Juli 1945 den ersten Atomtest in der Wüste von New Mexico miterlebt hatte.
Der Film von Christopher Nolan zeichnet den Gewissenskonflikt dieses Wissenschaftlers nach, der als "Vater der Atombombe" bekannt ist.
Es ist wahr, dass Robert Oppenheimer von der Ungeheuerlichkeit dessen, wozu er maßgeblich beigetragen hatte, überwältigt wurde: Er entwickelte eine Todesmaschine, die alles bisher Dagewesene bei weitem übertraf. Diese neue Atomwaffe sollte am 6. und 9. August 1945 in Hiroshima und Nagasaki 210.000 Menschenleben fordern. Ganz zu schweigen von den unzähligen weiteren Todesfällen infolge der schweren Folgen der Strahlenbelastung, die noch viele, viele Jahre danach anhielt.
Im Verlauf des Krieges war die ideologische Rechtfertigung für die US-Regierung wie gerufen gekommen. Nazi-Deutschland forschte an der Herstellung einer mächtigen und zerstörerischen Waffe. Die Verteidigung der "freien Welt", der Demokratie, rechtfertigte es, alles zu tun, um den Nationalsozialismus zu bekämpfen und Waffen zu entwickeln, die stark genug waren, um diesen Feind der Zivilisation, der die Juden ausrottete, zu zerstören. Oppenheimer war Jude und für diese Propaganda anfällig.
Der Prozess zur Herstellung der Bombe wurde in Gang gesetzt, Oppenheimer und sein Team von Wissenschaftlern vollendeten das Werk. Kurz vor der Potsdamer Konferenz führten sie im Juli 1945 inmitten der Wüste im Süden der USA erfolgreiche Tests durch. Aber warum wurde dann 1945 dieses Militärprogramm fortgesetzt, obwohl Deutschland besiegt war? Das Alibi der Verteidigung der Zivilisation gegen die Nazi-Barbarei war nicht mehr haltbar.
Als sehr widersprüchliche Persönlichkeit war Oppenheimer davon überzeugt, dass er sich für den Weltfrieden einsetzte, indem er eine Todesmaschine baute, die alles bisher Dagewesene übertraf und durch Abschreckung Kriege in der Zukunft verhindern könnte.
Das Ziel von Truman, dem US-Präsidenten, der den atomaren Holocaust anordnete, sowie seines Komplizen Winston Churchill war ein ganz anderes.
Im Gegensatz zu den seit 1945 verbreiteten Lügen über den angeblichen Sieg der Demokratie und den damit verbundenen Frieden[1] wissen wir: Kaum ist der Zweite Weltkrieg vorbei, als sich bereits die neue Linie der imperialistischen Konfrontation abzeichnet, die den Planeten mit Blut überziehen wird. Jalta[2] enthielt den großen imperialistischen Bruch zwischen dem großen Sieger von 1945, den USA, und ihrem russischen Herausforderer. Als kleinere Wirtschaftsmacht konnte Russland dank des Zweiten Weltkriegs zu einem imperialistischen Rang von globalem Ausmaß aufsteigen, was die Supermacht USA zwangsläufig bedrohte. Ab dem Frühjahr 1945 nutzte die UdSSR ihre militärische Stärke, um sich einen Block in Osteuropa aufzubauen. Jalta hatte lediglich das Kräfteverhältnis zwischen den wichtigsten imperialistischen Rivalen verdeutlicht, die aus dem größten Gemetzel der Geschichte als Sieger hervorgegangen waren. Ein neu entstandenes Kräfteverhältnis konnte durch andere wieder umgeworfen werden. So bestand im Sommer 1945 die eigentliche Frage für den amerikanischen Staat nicht darin, Japan so schnell wie möglich kapitulieren zu lassen, wie es uns in den Schulbüchern gelehrt wurde, sondern sich dem imperialistischen Vorstoß des "großen Verbündeten Russland" zu widersetzen und ihn einzudämmen!
So will dieser Film von Christopher Nolan zeigen, wie ein brillanter, kulturbegeisterter und von Humanismus durchdrungener Forscher in den Mittelpunkt historischer Ereignisse gerät, die ihn überfordern, bei denen er aber gleichzeitig Akteur und Opfer ist. Der Film geht aber auch auf den Kontext ein, der in den ersten Jahren des Kalten Krieges herrschte, der Zeit des McCarthyismus. Die Jagd auf "subversive" Elemente, "Kommunisten", die mit Stalins UdSSR verbunden waren, der Oppenheimer zum Opfer fiel[3], bevor er dann 1962 von J.F. Kennedy rehabilitiert wurde.
Vor dem Hintergrund des aktuellen Krieges in der Ukraine und der Manöver des US-Imperialismus gegen Russland scheint dieser Film wie eine Vorahnung zu erscheinen. War angesichts der Barbarei Russlands in der Ukraine derzeit die Politik der USA und Englands am Ende des Zweiten Weltkriegs nicht gerechtfertigt?
Die Filmindustrie wird seit langem in großem Umfang für die Propaganda von Staaten eingesetzt. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg beauftragte der amerikanische Staat Walt Disney damit, seine kleine Maus in Südamerika spazieren zu führen, um dem Aufkommen der Nazipropaganda entgegenzuwirken.
Eine der Bedingungen des Marshallplans von 1947 für die europäischen Länder, die ihn annahmen, war, dass amerikanische Filme in den Kinos weit verbreitet sein durften. Auch hier ging es darum, dem wachsenden Einfluss der UdSSR nach dem Krieg entgegenzuwirken, indem man ein demokratisches, freiheitliches Bild der USA vermittelte.
Der ideologische Kampf zwischen den beiden Blöcken wurde mit dem Kampf der "Demokratie" gegen die "kommunistische" Diktatur gleichgesetzt. Jedes Mal gaben die westlichen Demokratien vor, den Kampf gegen ein System zu führen, das sich grundlegend von ihrem eigenen unterscheidet, gegen "Diktaturen"[4]. Dem ist nicht so: Es handelt sich um zwei Seiten einer Politik, die aus demselben kapitalistischen System hervorgegangen sind!
Diese idyllische und naive Vision der "Demokratie" ist ein Mythos. Die "Demokratie" ist der ideologische Schirm, der dazu dient, die Diktatur des Kapitals in seinen am weitesten entwickelten Polen zu verschleiern. Es gibt keinen grundlegenden Wesensunterschied zwischen den verschiedenen Modellen, die die kapitalistische Propaganda für die Zwecke ihrer ideologischen Mystifizierungskampagnen gegeneinander ausspielt. Alle angeblich wesensverschiedenen Systeme, die der demokratischen Propaganda seit Beginn des Jahrhunderts als Rechtfertigung dienten, sind Ausprägungen der Diktatur der Bourgeoisie, des Kapitalismus.
Wie Oppenheimer 1945 sagte, würde die Welt in der Tat nie mehr dieselbe sein. Kapitalismus ist Krieg. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat es keinen dritten Weltkrieg mehr gegeben. Der Wettstreit zwischen dem amerikanischen und dem russischen Block blieb ein "kalter Krieg" in dem Sinne, dass er nie die Form eines offenen Konflikts annahm. Stattdessen wurde er durch eine Reihe von Stellvertreterkriegen zwischen lokalen Staaten und anderen "nationalen Befreiungsbewegungen" ausgetragen, die die Drecksarbeit erledigten, während die beiden Supermächte die Waffen, die Nachrichtendienste, die strategische Unterstützung und die ideologische Rechtfertigung lieferten.
Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks Ende der 1980er Jahre hat sich nicht eine "neue Weltordnung" durchgesetzt. Im Gegenteil, die Welt ist mit einer Beschleunigung der Barbarei und des Chaos konfrontiert. Der Krieg in der Ukraine und jetzt der Konflikt im Nahen Osten sind die jüngsten kriegerischen Ausdrücke einer Politik, ganze wehrlose Bevölkerungen abzuschlachten, mit all der massiven Zerstörung, die dies mit sich bringt.
Der Kapitalismus zieht die menschliche Gesellschaft in einen endlosen Abgrund. Mehr denn je lautet die Alternative: Kommunismus oder Vernichtung der Menschheit!
November 2023, CT
[1] Siehe unseren Artikel Hiroshima und Nagasaki: Die Lügen der Bourgeoisie [48], Internationale Revue Nr. 17.
[2] Die Konferenz von Jalta war ein Treffen der wichtigsten Entscheidungsträger der Sowjetunion [49] (Josef Stalin [50]), des Vereinigten Königreichs [51] (Winston Churchill [52]) und der Vereinigten Staaten [53] (Franklin D. Roosevelt [54]). Die Ziele der Konferenz von Jalta waren folgende:
- eine gemeinsame Strategie zu verabschieden, um das Ende des Zweiten Weltkriegs [55] zu beschleunigen;
- das Schicksal Europas [56] nach der Niederlage des Dritten Reichs [57] regeln;
- die Stabilität der neuen Weltordnung nach dem Sieg zu gewährleisten. (Wikipedia)
[3] Ihm wurde vorgeworfen, in seiner Jugend Verbindungen zur "Kommunistischen" Partei der USA gehabt zu haben (er war eher Demokrat und unterstützte Roosevelt). Der eigentliche Vorwurf, um ihn als sowjetischen Agenten zu beschuldigen, bestand darin, dass er sich weigerte, seine großen wissenschaftlichen Fähigkeiten beim Bau der H-Bombe einzusetzen.
[4] Siehe unseren Artikel Bourgeois Organization: The Lie of the 'Democratic' State [58] (Die Lüge vom 'demokratischen' Staat), in International Review Nr. 76 (engl./frz./span. Ausgabe)
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In Großbritannien verbreitet sich seit Juni 2022 von Streik zu Streik wie ein Echo der Ruf:
„Enough is enough!" – „Genug ist genug!"
Diese Massenbewegung, die zunächst als "Sommer des Zorns" bezeichnet wurde, verlängerte sich in den "Herbst des Zorns" und dann zum "Winter des Zorns". Die Streikwelle in Großbritannien ist ein Symbol für den Kampfgeist der Arbeiter und Arbeiterinnen, der sich überall auf der Welt entwickelt:
- In Spanien, wo Ärztinnen und Kinderärzte in der Region Madrid Ende November in den Streik traten, ebenso wie der Luft- und Eisenbahnsektor im Dezember. Für Januar sind in vielen Regionen weitere Streiks im Gesundheitswesen angekündigt.
- In Deutschland, wo die Angestellten aufgrund der hohen Preise befürchten, dass sie mit den Folgen einer beispiellosen Energiekrise konfrontiert werden. In der wichtigen Metall- und Elektroindustrie kam es im November zu einer Reihe von Warnstreiks.
- In Italien, wo Mitte Oktober ein Streik der Fluglotsen zu einem Streik der Piloten der Fluggesellschaft EasyJet hinzukam. Die Regierung sah sich sogar gezwungen, Streiks an Feiertagen zu verbieten.
- In Belgien, wo am 9. November und am 16. Dezember ein landesweiter Streik ausgerufen wurde.
- In Griechenland, wo im November eine Demonstration Zehntausender Privatbeschäftigter in Athen mit dem Ruf "Die hohen Lebenshaltungskosten sind unerträglich!" stattfand.
- In Frankreich, wo es in den letzten Monaten immer wieder zu Streiks im öffentlichen Nahverkehr, in Krankenhäusern usw. gekommen ist.
- In Portugal, wo die Arbeiter einen Mindestlohn von 800 Euro gegenüber derzeit 705 Euro fordern. Am 18. November wurde der öffentliche Dienst bestreikt. Im Dezember wurde auch der Transportsektor mobilisiert.
- In den USA griffen Abgeordnete des Repräsentantenhauses ein, um einen Arbeitskonflikt zu lösen und einen Streik im Schienengüterverkehr abzuwenden. Im Januar waren es die Krankenschwestern in New York, die sich zu Tausenden mobilisiert hatten.
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, denn in Wirklichkeit gibt es überall eine Vielzahl von kleinen, voneinander isolierten Streiks in Unternehmen und Verwaltungen. Denn überall, in allen Ländern, in allen Sektoren, verschlechtern sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen, überall explodieren die Preise, gibt es Hungerlöhne, überall Prekarität und Flexibilität, überall Höllentempo und zu wenig Personal, überall eine schreckliche Verschlechterung der Wohnverhältnisse, insbesondere für junge Menschen.
Seit der Covid-19-Pandemie sind die Krankenhäuser zum Symbol dieser alltäglichen Realität aller ArbeiterInnen geworden: Personalmangel und bis zur Erschöpfung überausgebeutet werden für einen Lohn, der nicht mehr ausreicht, um die Rechnungen zu bezahlen.
Die lange Streikwelle, die seit Juni 2022 Großbritannien erfasst hat, ein Land, in dem das Proletariat seit den Thatcher-Jahren resigniert zu haben schien, ist Ausdruck eines echten Bruchs, eines Stimmungswandels innerhalb der Arbeiterklasse, nicht nur in Großbritannien, sondern auch auf internationaler Ebene. Diese Kämpfe zeigen, dass die Ausgebeuteten angesichts der dramatischen Vertiefung der Krise nicht mehr bereit sind, sich alles gefallen zu lassen.
Angesichts einer Inflationsrate von über 11 Prozent und der Ankündigung eines Sparhaushalts durch die Regierung von Rishi Sunak kam es in fast allen Bereichen zu Streiks: Verkehr (Züge, Busse, U-Bahn, Flughäfen) und Gesundheitswesen, Postbeamte der Royal Mail, Beamte des Ministeriums für Umwelt, Ernährung und ländliche Angelegenheiten, Amazon-Angestellte, Schulangestellte in Schottland, Ölarbeiter in der Nordsee... Solch ein Ausmaß der Mobilisierung der Pflegekräfte war in diesem Land seit über einem Jahrhundert nicht mehr gesehen worden! Und es wird erwartet, dass ab Februar auch die Lehrer streiken werden.
In Frankreich hat die Regierung darüber hinaus beschlossen, eine neue "Reform" durchzusetzen, mit der das gesetzliche Renteneintrittsalter angehoben werden soll. Das Ziel ist einfach: Einsparungen, bei denen die Arbeiterklasse wie eine Zitrone ausgepresst wird, bis hin zum Tod. Konkret bedeutet dies, dass die Beschäftigten alt, krank und erschöpft arbeiten oder mit einer gekürzten und miserablen Rente in den Ruhestand gehen müssen. Häufig wird der Knoten in diesem Dilemma durch die Entlassung vor dem Erreichen der Altersgrenze durchschlagen.
Die Angriffe auf unsere Lebensbedingungen werden nicht aufhören. Die Weltwirtschaftskrise wird sich weiter verschärfen. Um international auf dem Markt und im Wettbewerb zu bestehen, wird jede herrschende Klasse in jedem Land der Arbeiterklasse unter Berufung auf die "Solidarität mit der Ukraine" oder die "Zukunft der nationalen Wirtschaft" immer unhaltbarere Lebens- und Arbeitsbedingungen aufzwingen.
Dies gilt umso mehr mit der Entwicklung der Kriegswirtschaft. Ein wachsender Teil der Arbeit und des Wohlstands fließt in die Kriegswirtschaft. In der Ukraine, aber auch in Äthiopien, im Jemen, in Syrien, Mali, Niger, im Kongo usw. bedeutet das: Bomben, Kugeln und Tod! Anderswo führt es zu Angst, Inflation und einem schnelleren Arbeitstempo. Alle Regierungen fordern "Opfer"!
Angesichts dieses kapitalistischen Systems, das die Menschheit in Elend und Krieg, in Konkurrenz und Spaltung stürzt, ist es an der Arbeiterklasse (LohnarbeiterInnen in allen Branchen, allen Nationen, arbeitslos oder erwerbstätig, mit oder ohne Abschluss, erwerbstätig oder im Ruhestand ...), eine andere Perspektive anzubieten. Indem sie diese "Opfer" ablehnt, indem sie einen vereinten, massiven und solidarischen Kampf entwickelt, kann sie zeigen, dass eine andere Welt möglich ist.
Seit Monaten gibt es in jedem Land und in jedem Sektor Streiks. Aber sie sind voneinander isoliert. Jeder streikt für sich, in seiner Fabrik, seinem Lager, seinem Unternehmen, seiner Verwaltung. Es gibt keine wirkliche Verbindung zwischen diesen Kämpfen, selbst wenn man nur die Straße überqueren müsste, damit die Streikenden im Krankenhaus auf die Streikenden in der Schule oder im Supermarkt gegenüber treffen. Manchmal grenzt diese Spaltung an Lächerlichkeit, wenn die Streiks in ein und demselben Unternehmen nach Berufsgruppe, Schicht oder Stockwerk aufgeteilt werden. Man muss sich vorstellen, dass die Sekretärinnen zu einem anderen Zeitpunkt streiken als die technischen Angestellten, oder dass die Arbeiterinnen im ersten Stock in ihrer Ecke streiken, ohne dass sie mit den Arbeitern im zweiten Stock in Verbindung stehen. Manchmal geschieht dies tatsächlich!
Die Zersplitterung der Streiks, das Einsperren jeder und jedes Einzelnen in ihrer Ecke spielt der Bourgeoisie in die Hände, sie schwächt uns, macht uns ohnmächtig, erschöpft uns und führt uns in die Niederlage.
Deshalb wendet die Bourgeoisie so viel Energie auf, um die Zersplitterung aufrechtzuerhalten. In allen Ländern die gleiche Strategie: Die Regierungen spalten. Sie geben vor, diesen oder jenen Sektor zu unterstützen, um dann gegen andere vorzugehen. Sie stellen einen bestimmten Sektor oder ein bestimmtes Unternehmen in den Mittelpunkt und machen Versprechungen, die sie nie einhalten werden, um die Angriffe, die überall sonst stattfinden, unbemerkt zu lassen. Um besser spalten zu können, richten sie punktuelle Hilfen an eine Kategorie und beschneiden die Rechte aller anderen. Überall wird Branche für Branche und Unternehmen für Unternehmen verhandelt.
In Frankreich wird die Ankündigung der Rentenreform, die die gesamte Arbeiterklasse betreffen wird, von einer ohrenbetäubenden Medien-"Debatte" über die Ungerechtigkeit der Reform für diese oder jene Bevölkerungsgruppe begleitet. Sie müsste gerechter werden, indem man die besonderen Profile von Auszubildenden, bestimmten Handarbeitern, Frauen usw. besser einbezieht. Immer die gleiche Falle!
Was ist der Grund für diese Spaltung? Sind es nur die Propaganda und die Manöver der Regierungen, die es schaffen, uns so zu spalten und die Streiks und Kämpfe der Arbeiterklasse voneinander zu trennen?
Das Gefühl, dass wir alle im selben Boot sitzen, wächst. Die Idee, dass nur ein massiver, vereinter und solidarischer Kampf ein Kräfteverhältnis herstellen kann, keimt in allen Köpfen. Warum also sehen wir diese Spaltungen zwischen ArbeiterInnen seit Monaten, in allen Ländern, in allen Sektoren?
In Großbritannien werden Streiks traditionell von Streikposten vor jedem bestreikten Ort begleitet. Seit Monaten stehen die Streikposten nebeneinander, manchmal nur einen Tag auseinander, manchmal zur gleichen Zeit, aber einige hundert Meter voneinander entfernt. Ohne Verbindung untereinander. Jeder hat seinen Streik, jeder seine Streikposten. Ohne den Kampf gegen diese Zersplitterung, ohne die Entwicklung einer echten Einheit im Kampf droht die Kampfbereitschaft zu versiegen. In den letzten Wochen haben sich die Ausweglosigkeit und die Gefahr dieser Situation allmählich herumgesprochen. Die ArbeiterInnen, die seit sechs Monaten abwechselnd streiken, könnten von einem Gefühl der Müdigkeit und Hilflosigkeit befallen werden.
Dennoch haben uns ArbeiterInnen an mehreren Streikposten das Gefühl vermittelt, in etwas Größeres als ihre Firma, ihre Verwaltung oder ihre Branche verwickelt zu sein, und es gibt eine wachsende Bereitschaft, gemeinsam zu kämpfen.
Nur sind es seit Monaten in allen Ländern, in allen Sektoren die Gewerkschaften, die all diese zerstückelten Kämpfe organisieren, es sind die Gewerkschaften, die ihre Methoden diktieren, die spalten, isolieren, die Verhandlungen Branche für Branche, Korporation für Korporation befürworten, es sind die Gewerkschaften, die aus jeder Forderung eine spezifische Forderung machen, es sind die Gewerkschaften, die warnen, dass man vor allem "die Forderungen nicht vermischen darf, um die Unterschiede nicht zu verwässern".
Aber die Gewerkschaften haben auch wahrgenommen, dass die Wut brodelt, dass sie überschwappen und die Dämme brechen könnte, die sie zwischen den Branchen, Unternehmen, Sektoren usw. errichtet haben. Sie wissen, dass die Idee, "alle gemeinsam zu kämpfen", in der Klasse heranreift.
Deshalb beginnen die Gewerkschaften z. B. in Großbritannien, von sektorübergreifenden Zusammenkünften zu sprechen, was sie bislang tunlichst vermieden hatten. Die Worte "Einheit" und "Solidarität" tauchen in ihren Reden auf. Sie geben nicht auf, zu spalten, aber um dies weiterhin tun zu können, passen sie sich den Anliegen der Klasse an. So behalten sie die Kontrolle und die Führung der Kämpfe.
In Frankreich haben die Gewerkschaften angesichts der angekündigten Rentenreform ihre Einheit und Entschlossenheit demonstriert, zu großen Straßendemonstrationen aufgerufen und sich mit der Regierung in einen Machtkampf begeben. Sie rufen, dass diese Reform nicht durchkommen werde und dass Millionen von Menschen sie ablehnen müssten.
Soweit die Rede und die Versprechungen. Aber wie sieht es in Wirklichkeit aus? Um sich eine Vorstellung davon zu machen, genügt es, sich an die Kampfbewegung von 2019-2020 zu erinnern, die sich bereits gegen Macrons Rentenreform richtete. Angesichts des wachsenden Kampfgeistes und der Solidaritätswelle zwischen den Generationen hatten die Gewerkschaften denselben Trick angewandt und die "Konvergenz der Kämpfe" propagiert, einen Ersatz für eine einheitliche Bewegung, bei der die Demonstrierenden, die auf der Straße marschierten, nach Branchen und Unternehmen eingeteilt wurden. Wir waren nicht alle zusammen, sondern Eine hinter dem Anderen. Die Spruchbänder der Gewerkschaften und die Ordnungsdienste trennten die Demonstrationszüge nach Branchen und Betrieben auf. Vor allem gab es keine Diskussionen, keine Versammlungen. Es hieß: "Marschiert mit euren Kollegen und geht nach Hause, bis zum nächsten Mal“. Die Lautsprecheranlage wird voll aufgedreht, um sicherzustellen, dass auch die Hartnäckigsten sich nicht gegenseitig verstehen können. Denn was die Bourgeoisie wirklich erschüttert, ist, wenn die Arbeiter und Arbeiterinnen ihre Kämpfe selbst in die Hand nehmen, wenn sie sich organisieren, wenn sie anfangen, sich zu versammeln, zu debattieren – zu einer kämpfenden Klasse werden!
Um in Großbritannien und Frankreich, wie überall sonst auch, ein Kräfteverhältnis aufzubauen, das es uns ermöglicht, den unaufhörlichen Angriffen auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen, die sich in der Zukunft noch gewaltsam verschärfen werden, zu widerstehen, müssen wir, wo immer wir können, zusammenkommen, um zu diskutieren und die Kampfmethoden hervorzuheben, die die Stärke der Arbeiterklasse ausmachen und es ihr in bestimmten Momenten ihrer Geschichte ermöglicht haben, die Bourgeoisie und ihr System ins Wanken zu bringen:
- die Suche nach Unterstützung und Solidarität über die eigene Abteilung, den eigenen Betrieb, die eigene Branche, die eigene Stadt, die eigene Region, das eigene Land hinaus;
- die autonome Organisation des Arbeiterkampfes, insbesondere durch Vollversammlungen, ohne die Kontrolle den Gewerkschaften zu überlassen, diesen sogenannten "Spezialisten" für Kämpfe und deren Organisation;
- die möglichst breite Diskussion über die allgemeinen Bedürfnisse des Kampfes, über die Lehren, die aus den Kämpfen und auch aus den Niederlagen zu ziehen sind. Denn es wird Niederlagen geben, aber die größte Niederlage ist es, die Angriffe zu erdulden, ohne zu reagieren. Die Aufnahme des Kampfes ist der erste Sieg der Ausgebeuteten.
1985 unter Thatcher kämpften die britischen Bergarbeiter ein ganzes Jahr lang mit enormem Mut und beispielhafter Entschlossenheit; aber isoliert, abgetrennt in ihrer Branche, waren sie machtlos; und ihre Niederlage war die Niederlage der gesamten Arbeiterklasse. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Schwächen überwunden werden, die die Arbeiterklasse seit Jahrzehnten untergraben und für eine Reihe von Niederlagen verantwortlich sind: ein beschränkter Blick lediglich auf die eigene Branche und Gewerkschaftsillusion. Die Autonomie des Kampfes, Einheit und Solidarität sind die unerlässlichen Meilensteine für die Vorbereitung der Kämpfe von morgen!
Dazu müssen wir uns als Mitglieder derselben Klasse erkennen, einer Klasse, die durch Solidarität im Kampf vereint ist: das Proletariat. Die Kämpfe von heute sind unerlässlich, nicht nur, um uns gegen Angriffe zu verteidigen, sondern auch, um diese Klassenidentität auf globaler Ebene zurückzuerobern und den Sturz dieses Systems vorzubereiten, das für Elend und Katastrophen aller Art steht.
Im Kapitalismus gibt es keine Lösung: weder gegen die Zerstörung des Planeten noch gegen Kriege, Arbeitslosigkeit, Unsicherheit oder Elend. Nur der Kampf des Weltproletariats, der von allen Unterdrückten und Ausgebeuteten der Welt unterstützt wird, kann den Weg zu einer Alternative ebnen – dem Kommunismus.
Die Streiks in Großbritannien, die Demonstrationen in Frankreich sind eine Kampfansage an die ProletarierInnen aller Länder.
Internationale Kommunistische Strömung, 12. Januar 2023
Die sich verschlechternde Gesundheitskrise und der starke wirtschaftliche Abschwung in China haben nicht nur zu einer Explosion der Unzufriedenheit in der Bevölkerung geführt, sondern auch zum Entstehen großer Bewegungen in der Arbeiterklasse. Nach den Protesten Tausender Käufer, die nach dem Zusammenbruch verschiedener großer Bauträger (wie der Evergrande Gruppe) und nach dem Platzen der Immobilienblase reagierten sobald sie sich hinters Licht geführt sahen, war der anhaltende Lockdown Millionen Menschen in allen Teilen Chinas und die damit einhergehende entsetzliche Verschlechterung der Lebensbedingungen der Funke, der die Wut zur Explosion brachte. Da war zunächst der Tod von 27 Menschen am 18. September 2022 in einem Quarantänebus in der Region Guizhou, dann die Massenproteste der 200.000 Arbeiter in der riesigen Fabrik des taiwanesischen Großkonzern Foxconn, in der Apples iPhone zusammengebaut werden, die gegen die unmenschlichen Lockdowns und die Nichtzahlung der Löhne protestierten, und der Tod von 10 Menschen bei einem Brand in Urumqui (Xinjiang), weil die Feuerwehr aufgrund der Lockdownbedingungen nicht mehr eingreifen konnte. Im Zuge dieser Proteste kam es zu Demonstrationen in Peking, Kanton, Nanjing, Wuhan, Chengdu, Chongqing und auch Shanghai. In der Wirtschaftsmetropole Chinas versammelte sich am Sonntag, den 27. November, eine dichte Menschenmenge und rief "Xi Jinping Rücktritt! KPCh Rücktritt!".
Die verschiedenen Mobilisierungen überall im Land zeichneten sich durch folgende Aspekte aus:
- diese Mobilisierungen fanden in einer Vielzahl von chinesischen Städten statt; die Medien berichten jedoch nur von "Hunderten" von Menschen, was darauf schließen lässt, dass angesichts der Repression und der Drohungen der Polizei tatsächlich eine große Unruhe herrscht, die Beteiligung an den Demonstrationen aber noch relativ gering ist ;
- sie sind eine Mischung aus echten Kampfmaßnahmen der Arbeiter, z. B. bei Foxconn, wo klare Lohnforderungen und der Kampf gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen zum Ausdruck kamen, einerseits und Studenten- oder Bürgermobilisierungen, die gegen die skandalösen Lockdownmaßnahmen protestieren und ein Ende der Kontrollen und der Zensur fordern, andererseits ;
- die Dynamik, die diese Zusammenkünfte beherrscht und eint, ist nicht die einer massiven Entwicklung der Mobilisierung und der Solidarität der Arbeiter, sondern die der Ablehnung des stalinistischen Regimes und der Verteidigung einer demokratischen Alternative, dies in Kontinuität mit den Unruhen in Hongkong 2019 oder auch den Unruhen in Peking 1989.
Wir müssen also feststellen, dass die Perspektive, die durch diese plötzliche Explosion der Demonstrationen eröffnet wurde, nicht die einer Entwicklung der Arbeiterkämpfe ist, sondern die einer Mobilisierung auf dem bürgerlichen Terrain des Kampfes für demokratische Reformen (auch wenn es punktuelle Ausnahmen gibt). Sicherlich stellen diese Bewegungen die chinesische Bourgeoisie vor ernsthafte Probleme: In größter Eile war sie gezwungen, innerhalb weniger Tage die "Null-Covid"-Politik aufzugeben, die sie gegen alle Widerstände aufrechterhielt. Sie stellen jedoch in keiner Weise eine Perspektive für das Proletariat dar. Das Proletariat läuft vielmehr Gefahr, von seinem Klassenterrain abgelenkt zu werden und entweder in einer verzweifelten Bürgerbewegung gegen die stalinistische Partei und für demokratische Reformen oder in einem Kampf zwischen bürgerlichen Fraktionen innerhalb der KPCh unterzugehen.
Die Situation der chinesischen Arbeiter ist allen Einschränkungen zum Trotz vergleichbar mit dem, was seit einigen Monaten im Iran passiert, wo der Mord an einem jungen Mädchen durch die Sittenpolizei eine Flutwelle von Unruhen, Demonstrationen und auch zahlreichen Arbeiterstreiks ausgelöst hat. Trotz des sehr kämpferischen Charakters der iranischen Arbeiterklasse ist die Auflösung der Arbeiterkämpfe in der Volksbewegung gegen die religiöse Autokratie und für demokratische Reformen eine unmittelbare und ständige Bedrohung. Tatsächlich ist die Verwendung der Proletarier als Manövriermasse im Kampf zwischen bürgerlichen Fraktionen (demokratischen, §aufgeklärten" religiösen, regionalen) oder sogar zwischen Imperialismen (kurdischen, türkischen, arabischen ...) eine tödliche Gefahr, und es ist die Verantwortung der Revolutionäre, die Klasse davor zu warnen.
Nun ist die Arbeiterklasse in China grundsätzlich mit derselben Gefahr konfrontiert, dass sich ihre Kämpfe in Volksrevolten auflösen. Es ist daher wichtig, die chinesischen Arbeiter zunächst vor den Lockrufen der Volksrevolten für mehr Demokratie zu warnen, aber auch und vor allem, sie gegen die Idee zu wappnen, dass "alles jederzeit und überall möglich ist", sobald an der Peripherie des Kapitalismus akute Klassenkonflikte entstehen, eine Idee, die auf der Identifizierung von Kampfbereitschaft und der Reifung des Klassenbewusstseins beruht"[1].
In China deuten alle Elemente der Situation auf den Beginn einer Destabilisierung des Regimes hin. Selbst wenn es dem Staat vorübergehend gelingt, die Situation wieder zu „normalisieren“, wird die Lunte für neue Proteste weiter brennen. In diesem Zusammenhang steht das chinesische Proletariat, auch wenn es seinen Kampfgeist entwickelt und in der Situation an Gewicht gewinnt, durch seine schreckliche politische Rückständigkeit und seine Anfälligkeit für demokratische Mystifikationen vor erheblichen Hindernissen. Die IKS lehnt die naiv-egalitaristische Auffassung ab, dass jedes Land der Ausgangspunkt für eine revolutionäre Dynamik sein könnte. Diese Auffassung beruht auf dem anarchistischen Glauben, dass alle Länder (am Beispiel des revolutionären Generalstreiks) gleichzeitig einen revolutionären Prozess in Gang setzen könnten". [2]
Tatsächlich wird es die Arbeiterklasse in China, wie auch im Iran oder in anderen Teilen der Welt, trotz ihres Kampfgeistes schwer haben, ihre Kämpfe auf ihrem Klassenboden zu verstärken und ihr Bewusstsein zu entwickeln, solange das Proletariat der westlichen Länder nicht den Weg weist. Denn obwohl alle Fraktionen des Weltproletariats ihren Beitrag zum Kampf gegen den Kapitalismus leisten können und müssen, haben die Teile der Arbeiterklasse in Westeuropa aufgrund ihrer Kampferfahrung, aber auch aufgrund ihrer Erfahrung mit den demokratischen und gewerkschaftlichen Mystifikationen der Bourgeoisie eine entscheidende Bedeutung für den revolutionären Prozess. Dies unterstreicht nur die entscheidende Verantwortung des westeuropäischen Proletariats.
R.H., 14. Januar 2023
[1] "Resolution on the criticism of the weak link theory, adopted in January 1983 by the ICC Central Organ", International Review No. 37 (1984), auf englisch hier:
https://en.internationalism.org/content/2962/debate-critique-theory-weakest-link [60]
[2] ebenso
Bei den Mobilisierungen am 19. Januar gegen die Renten-"Reform" konnte man den Spruch hören: "Irgendwann reicht es! Dieses "Es reicht!" kann nur ein Echo des "Enough is enough" ("Zu viel ist zu viel") sein, das sich seit Juni in Großbritannien von Streik zu Streik ausbreitet.
Seit mehreren Monaten und überall auf der Welt klettert die Inflation auf ein Niveau, das seit Jahrzehnten nicht mehr erreicht wurde. Überall auf der Welt trifft der Preisanstieg bei lebensnotwendigen Produkten und Gütern wie Lebensmitteln, Gas, Strom oder Wohnraum die Ausgebeuteten mit voller Wucht, von denen ein immer größerer Teil nicht mehr über die Mittel für ein menschenwürdiges Leben verfügt, auch nicht in den am weitesten entwickelten Ländern. Die rapide Verschlechterung der Wirtschaftslage muss zwangsläufig zu immer schwierigeren und sogar elenden Lebensbedingungen für Millionen von Menschen führen.
Die Wut von mehr als einer Million Demonstranten in Frankreich war daher - über die Rentenreform hinaus - ein klarer Ausdruck eines allgemeineren Überdrusses und der Realität, dass die Kampfbereitschaft der Ausgebeuteten in vielen Ländern angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten, der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Prekarität zurückgekehrt ist. Die Massivität dieses ersten Mobilisierungstages bestätigt nur den Stimmungsumschwung, der sich auf internationaler Ebene vollzieht und dessen Auftakt die Streiks der Arbeiterklasse in Großbritannien seit dem letzten Sommer waren.
Warum unternimmt die französische Bourgeoisie unter diesen Umständen einen solchen Angriff auf die Arbeiterklasse? Die jahrelange Verzögerung, mit der die französische Bourgeoisie das Rentensystem "reformiert", bleibt eine wesentliche Schwäche gegenüber konkurrierenden Bourgeoisien. Dieser ist umso gravierender als die Intensivierung der Kriegswirtschaft eine unaufhaltsame Verschärfung der Ausbeutung der Arbeitskraft erzwingt.[1] Nachdem sie 2019 ein erstes Mal gescheitert sind, machen Macron und seine Clique diesen neuen Versuch zu einer Herausforderung für ihre Glaubwürdigkeit und ihre Fähigkeit, ihre Rolle bei der Verteidigung der Interessen des nationalen Kapitals voll auszuspielen.
Zunächst für den Sommer 2023 geplant, dann auf Ende 2022 vorgezogen und schließlich auf Januar 2023 verschoben, hat die Regierung den ihrer Meinung nach besten Zeitpunkt für diesen Angriff gewählt, wohl wissend, dass sie noch auf die zahlreichen "Unterstützungsmaßnahmen" bauen kann, mit denen der Schock der Krise teilweise abgefedert werden kann.
Wenn die Bourgeoisie entschlossen war, einen neuen Schlag gegen die Renten und für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu führen, dann weiß sie auch, dass der vorherige Versuch 2019-2020 fast zwei Monate lang in Massenprotesten endete. Und obwohl die damals zum Ausdruck gebrachte Wut und Kampfgeist durch den Ausbruch der Covid-19-Pandemie abrupt gestoppt wurde, wurde dies in den Augen der Arbeiterklasse nicht als "Niederlage" empfunden. Vielmehr blieben in der Zwischenzeit die Wut und der Wille zum Kampf ungebrochen. Dieser neue Angriff auf die Renten in Frankreich hatte also alle Chancen, einen großen Teil der Arbeiterklasse auf der Straße und bei Streiks zu mobilisieren. Und das war auch der Fall! Es ist in der Tat ein direkter Angriff, der noch brutaler ist und die gesamte Arbeiterklasse betrifft.
Obwohl die Bourgeoisie sich dieser Situation und vor allem der Kampfbereitschaft, die sich auf internationaler Ebene (jenseits des Kanals und anderswo) ausdrückt, sehr wohl bewusst ist, könnte sich dessen Durchsetzung schwieriger erweisen als erwartet. Aus diesem Grund haben sich die Regierung und die Gewerkschaften über Monate hinweg immer wieder getroffen, um die effektivste Strategie zur Anpassung und Reaktion auf die zu erwartende Reaktion der Arbeiterschaft zu entwickeln.
Nach der sehr gut besuchten branchenübergreifenden Demonstration vom 29. September haben die Gewerkschaften unaufhörlich Streiktage in den einzelnen Branchen veranstaltet und vervielfacht. Während des Herbstes hatte die konzertierte Aktion der Regierung, der linken und linksextremen Parteien sowie der Gewerkschaften kein anderes Ziel, als so lange wie möglich jede wirkliche Einheit und Solidarität in den verschiedenen Bereichen der Arbeiterklasse zu schwächen und zu verhindern. Dies war beispielsweise im Oktober 2022 während des Streiks in den Raffinerien der Fall: Indem die "Sozialpartner", die Hauptsaboteure der Kämpfe, die Vorzüge einer echten Verhandlung anpriesen, ermöglichten sie es dem Staat, als verantwortlicher Schiedsrichter gegenüber den Arbeitgebern zu erscheinen, und der CGT und FO, von den Medien als entschlossen, radikal, unbeugsam und somit glaubwürdig für den Kampf dargestellt zu werden ... obwohl diese Gewerkschaft selbst perfekt institutionalisierte Staatsorgane sind.[2]
Während die Möglichkeiten der Solidarität im Kampf immer mehr zutage treten, haben die Gewerkschaften die Organisation von Bewegungen in ihren Händen, die sie zerstreuen und in ebenso viele Branchen, Berufsgruppen und spezifische Forderungen trennen und so jede mögliche Spaltung ausnutzen, um die Kämpfe zu behindern und ihre Entwicklung zu hemmen.
Dieser Wille, jeden Vorstoß der Klasse zu vereiteln, zeigte sich beim Streik der Schaffner der SNCF im Dezember letzten Jahres. Angesichts der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Schaffner die Arbeit niedergelegt hatte, setzten die Gewerkschaften alles daran, die Bewegung so schnell wie möglich zu beenden. Dies führte zu Verhandlungen mit der SNCF-Leitung und zur Erfüllung eines Teils der Forderungen, um die Streikankündigung für das Silvesterwochenende aufzuheben. Die Gewerkschaften arbeiteten also daran, jeden Versuch eines autonomen Kampfes zu verhindern. Dasselbe hatten wir 1986 im Kampf bei der SNCF gesehen, wo die Entstehung von Koordinationen, die von den Gewerkschaftszentralen unabhängig waren, die CGT dazu veranlasste, ganz zu Beginn der Bewegung "streikfeindliche" Streikposten einzurichten, die sich den Streikenden physisch entgegenstellten, um dann in einem zweiten Schritt ihre Jacke zu wechseln. Diese Koordinationen, so "radikal" sie auch waren, konnten einen engen berufsbeschränkten Blick nicht überwinden, welcher damals vor allem unter den Lokführern vorhanden war, die fest von der trotzkistischen Organisation Lutte Ouvrière unterstützt wurden. Heute hat das Gewicht des Denkens in Branchen oder Berufsgruppen trotz eines gewissen Misstrauens gegenüber den Gewerkschaftsführungen die Schaffner und anderen Eisenbahner gegenüber anderen, "radikaleren", "inoffizielleren" Gewerkschaftsformen wie dem "Collectif National des Agents du Service Commercial Train" (CNASCT) sehr anfällig und verwundbar gemacht, die genauso branchenfixiert sind.
Seit dem 10. Januar, als die Rentenreform angekündigt wurde, riefen Gewerkschafter in allen Fernseh- und Radiosendungen abwechselnd dazu auf, "alle auf die Straße zu gehen", und verkündeten die "Einheit der Gewerkschaften" als angebliches Symbol für ihren Willen, den Angriff abzuwehren. In Wirklichkeit war dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie den Zorn, der sich auf der Straße entladen sollte, eindämmen wollten. So hatten die Gewerkschaften neben ihren verlogenen Reden Anstrengungen zur Zersplitterung der Kämpfe und zur Spaltung unternommen:
- Aufruf zum Streik und zur spezifischen Mobilisierung eines wichtigen Sektors der Arbeiterklasse, des Bildungswesens ... aber am 17. Januar, d. h. zwei Tage vor dem Aktionstag am 19. Januar, um diese Branche an diesem Tag besser demobilisieren zu können!
- Streik in den Krankenhäusern ab dem 10. Januar!
- Streik bei der RATP (Pariser Verkehrsbetriebe) am 13. Januar ...
- Streik in der Ölindustrie Ende Januar, dann Anfang Februar ...
- "Schwarzer Tag"(Aktionstag), der in den öffentlichen Verkehrsmitteln in Paris für den 19. Januar auf Aufruf der Gewerkschaften organisiert wurde, um viele Menschen daran zu hindern, zu den Orten der Demonstrationen zu gelangen.
Danach hatten die Gewerkschaften mit ihren dröhnenden Lautsprecheranlagen leichtes Spiel, ein scheinheiliges "Tous ensemble, tous ensemble" (Alle zusammen, alle zusammen) am 19. Januar zu brüllen!
Hinzu kam auf denselben Fernsehbühnen und in denselben Radiosendungen eine ohrenbetäubende "Debatte" darüber, wie ungerecht die Reform für diese oder jene Bevölkerungsgruppe sei. Man müsse sie gerechter machen, indem man die besonderen Profile von Auszubildenden, bestimmten Berufsgruppen mit beschwerlichen Arbeiten sowie Frauen besser einbeziehe, lange Laufbahnen besser berücksichtige etc. Kurzum, immer wieder die gleiche Falle: Man drängt darauf, dass sich jeder über seine eigene Situation Gedanken macht, und stellt dabei nur das Schicksal der "Besonderheiten und sich abgrenzenden Kategorien" in den Vordergrund, die angesichts dieses Angriffs am meisten benachteiligt sind!
Aber letztlich haben all diese Gegenfeuer, die in den letzten drei Wochen gelegt wurden, nicht funktioniert. Und der von ein bis zwei Millionen Demonstranten zum Ausdruck gebrachte Kampfgeist zwingt die Gewerkschaften nun dazu, sich an die Situation anzupassen. Daher die Verschiebung des nächsten Mobilisierungstages vom 26. auf den 31. Januar. Die "Sozialpartner" der Bourgeoisie rechtfertigen diese Änderung zwar mit der Notwendigkeit, "die Bewegung langfristig auszurichten“, in Wirklichkeit geht es ihnen aber darum, sich Zeit zu verschaffen, um Spaltung und Sabotage des Kampfes fortzusetzen. Im Übrigen beeilten sie sich ab dem 20. Januar, die "Ortsgruppen aufzurufen, sich zu organisieren", indem sie zu völlig sinnlosen Kampfmethoden aufriefen, wie "vor eine Präfektur zu gehen und Lärm zu machen", "den Strom in den Büros der Abgeordneten abzustellen" oder "vor diesen seine schlechte Laune zu demonstrieren". All dies, ohne zu vergessen, die Bereiche voneinander zu isolieren, indem man beispielsweise für den 26. Januar zu einem eintägigen Streik in den Raffinerien aufruft. All dieses Spektakel zielt nur darauf ab, die Zerstreuung zu organisieren und uns bis zum 31. Januar zu erschöpfen und den Kampfgeist zu untergraben. Zweifellos werden sich bis dahin auch die Mobilisierungen in den einzelnen Branchen vervielfachen.
Wie kann im Gegensatz zu dieser präventiven Sabotagearbeit an den Kämpfen ein Kräfteverhältnis geschaffen werden, das es ermöglicht, den Angriffen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu widerstehen?
- Indem man Unterstützung und Solidarität über die eigene Berufsgruppe, das eigene Unternehmen, die eigene Branche, die eigene Stadt, die eigene Region, das eigene Land hinaus sucht.
- Durch autonome Organisation, insbesondere durch Vollversammlungen, ohne den Gewerkschaften die Kontrolle darüber zu überlassen.
- Durch eine möglichst breite Diskussion über die allgemeinen Bedürfnisse des Kampfes, über die Lehren, die aus den Kämpfen und auch aus den Niederlagen zu ziehen sind. Denn es wird Niederlagen geben, aber die größte Niederlage wäre es, die Angriffe zu erdulden, ohne zu reagieren.
Der Eintritt in den Kampf ist der erste Sieg der Ausgebeuteten. Autonomie, Solidarität und Einheit sind die unerlässlichen Meilensteine für die Vorbereitung der Kämpfe von morgen. Denn die heutigen Kämpfe sind nicht nur Ausdruck des Widerstands gegen die Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Sie sind auch der einzige Weg zur Wiedererlangung des Bewusstseins, einer einzigen Klasse anzugehören. Sie bilden den wichtigsten Ansatzpunkt anhand dessen das Proletariat eine Alternative zur kapitalistischen Gesellschaft erahnen kann: den Kommunismus.
Stopio, 21. Januar 2023
[1]Nach dem Vorbild seiner ausländischen Amtskollegen hat Macron gerade eine beträchtliche Erhöhung der Rüstungsbudgets angekündigt.
[2]Siehe auf französisch: « Grèves dans les raffineries françaises et ailleurs… La solidarité dans la lutte, c’est la force de notre classe ! », Révolution internationale n° 495.
Wir veröffentlichen hier eine Erklärung einiger Genossinnen und Genossen in der Türkei zum Erdbeben, das die Türkei und Syrien erschüttert hat. Wir begrüßen die schnelle Reaktion der Genossen auf diese schrecklichen Ereignisse, bei denen die offizielle Zahl der Todesopfer bereits 21.000 überschritten hat und wahrscheinlich noch viel höher liegt, einschließlich derer, die das erste Beben überlebt haben, nun aber Hunger, Kälte und Krankheiten ausgesetzt sind. Wie die Erklärung zeigt, wurde diese "natürliche" Katastrophe durch die gefühllosen Anforderungen des kapitalistischen Profits und des Wettbewerbs, die die Menschen zwingen, in völlig unzureichenden, dürftigen Unterkünften zu leben, noch viel tödlicher. Die besonders katastrophalen Auswirkungen des jüngsten Erdbebens verdeutlichen die Verachtung der Bourgeoisie für das Leben und Leiden der Arbeiterklasse und der Unterdrückten in einer Zeit, in der die kapitalistische Produktionsweise in jeder Hinsicht zerfällt. Insbesondere die Tatsache, dass sich diese Katastrophe inmitten eines imperialistischen Kriegsschauplatzes ereignet, verschärft ihre Auswirkungen noch erheblich. Das Epizentrum des Bebens lag in Maraş, in der mehrheitlich kurdischen Region, die seit langem Gegenstand des Konflikts zwischen dem türkischen Staat und kurdischen Nationalisten ist. In Nordsyrien sind viele der Opfer Flüchtlinge, die versucht haben, vor dem mörderischen Krieg in Syrien Schutz zu suchen, und die bereits unter höllischen Bedingungen lebten, die durch die gezielte Bombardierung von Krankenhäusern in Städten wie Aleppo durch das Assad-Regime noch verschärft wurden. Die anhaltende Konfrontation zwischen den sich bekriegenden kapitalistischen Fraktionen in der Region wird ebenfalls als politisches und materielles Hindernis für die ohnehin schon dürftigen Rettungsbemühungen wirken.
IKS
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Das Ausmaß der zerstörerischen Auswirkungen des Erdbebens in Maraş (6. Februar 2023), das auch benachbarte Provinzen und Syrien erschütterte, ist noch nicht genau bekannt. In den Medien ist bereits zu lesen, dass mehr als Zehntausend Gebäude zerstört wurden, Tausende von Menschen unter den Trümmern starben und Zehntausende von Menschen verletzt wurden. Die Kommunikation mit einigen Städten ist seit zwei Tagen unterbrochen. Straßen, Brücken und Flughäfen wurden zerstört. Berichten zufolge brach im Hafen von Iskenderun ein Feuer aus. Strom-, Wasser- und Gasanschlüsse sind in vielen Gebieten unterbrochen. Diejenigen, die das Erdbeben überlebt haben, kämpfen nun unter den harten Winterbedingungen mit Hunger und Kälte. Auch aus den Erdbebengebieten in Syrien, das von der Türkei militärisch besetzt wurde, gibt es sehr ernste Nachrichten.
Zwei schwere Erdbeben hintereinander sind sicherlich ungewöhnlich. Im Gegensatz zu den Behauptungen der herrschenden Klasse und ihrer Parteien bedeutet dies jedoch nicht, dass die durch Erdbeben verursachte Zerstörung normal ist. Die widerlichen Aufrufe zur "nationalen Einheit", sowohl der Opposition als auch der kapitalistischen Parteien die in der Regierung sitzen, können nicht über die Tatsache hinwegtäuschen die offenbar ist: Der Kapitalismus und der Staat sind die Hauptverantwortlichen für diese Zerstörung.
1. Wir wissen, dass das Proletariat als Klasse alle Arten von Solidarität mit den Obdachlosen, den Verletzten und denjenigen, die ihre Angehörigen in den Erdbebengebieten verloren haben, an den Tag legen wird. Hunderte von Minenarbeitern haben sich bereits freiwillig gemeldet, um sich an den Such- und Rettungsmaßnahmen im Erdbebengebiet zu beteiligen. Überall auf der Welt zeigen Arbeiter und Such- und Rettungsteams bereits Solidarität, um den Überlebenden zu helfen. Diese Solidarität ist als eine der größten Waffen des Proletariats eine Notwendigkeit. Die Arbeiter und Arbeiterinnen können nur einander vertrauen. Wir können Emanzipation nur durch unsere eigene Klasse, durch Einheit, erwarten, nicht von der herrschenden Klasse und ihrem Staat.
2. Die Erfahrungen mit Erdbeben in der Türkei in der Vergangenheit sind ein Beweis für die zerstörerischen und tödlichen Auswirkungen der Urbanisierung, die sich mit dem Ziel der sozialen Reproduktion des Kapitals entwickelt hat. Der einzige Grund für erdbebenunverträgliche Bauten, für das Zusammenpferchen von Menschen in mehrstöckigen Gebäuden und für dicht besiedelte Städte in Erdbebengebieten ist die Deckung des Bedarfs des Kapitals an reichlich und billigen Arbeitskräften. Nach den Erdbeben von Gölcük und Düzce, die sich vor 20 Jahren (in der Marmara-Region) ereigneten, zeigt dieses Erdbeben einmal mehr, wie oberflächlich alle "Beteuerungen" des Staates und wie heuchlerisch die Krokodilstränen der herrschenden Klasse sind. Dieses Erdbeben und seine Auswirkungen beweisen schmerzhaft, dass der Hauptgrund für die Existenz des Staates nicht der Schutz der armen und proletarischen Bevölkerung ist, sondern der Schutz der Interessen des nationalen Kapitals.
3. Warum also baut der Kapitalismus keine dauerhafte und solide Infrastruktur auf, obwohl Katastrophen regelmäßig und systematisch seine eigene Produktionsinfrastruktur zerstören? Weil im Kapitalismus Gebäude, Straßen, Dämme, Häfen, kurz gesagt, Infrastrukturinvestitionen im Allgemeinen, nicht mit Blick auf Dauerhaftigkeit oder die menschlichen Bedürfnisse gebaut werden. Im Kapitalismus werden alle Infrastrukturinvestitionen, ob sie nun vom Staat oder von privaten Unternehmen getätigt werden, mit dem Ziel der Rentabilität und der Fortführung des Lohnarbeitssystems gebaut. Dichte Bevölkerungen werden in unbewohnbare Städte gezwängt. Selbst wenn es kein Erdbeben gibt, füllen ungesunde Betonbauten, die höchstens 100 Jahre halten können, Städte und ländliche Gebiete. Die schreckliche Verstädterung der letzten 40 Jahre hat Städte und sogar Dörfer in der ganzen Türkei in solche Betongräber verwandelt. Das kapitalistische System, das auf der Produktion von Mehrwert beruht, kann nur aufrechterhalten werden, wenn möglichst viele lebendige Arbeitskräfte, d.h. Proletarier, beschäftigt werden und die Investitionen in das Anlagekapital, d.h. in die Infrastruktur, auf ein Minimum beschränkt werden. Im Kapitalismus ist der Bau eine kontinuierliche Tätigkeit, die Dauerhaftigkeit des Gebäudes, seine Harmonie mit der Umwelt und sein Übereinstimmen mit den menschlichen Bedürfnissen werden völlig ignoriert. Dies ist die Regel im entwickelten westlichen Kapitalismus ebenso wie in den schwächeren Kapitalismen Afrikas und Asiens. Das einzige soziale Ziel des Kapitals und seiner Staaten besteht darin, die Ausbeutung einer immer größeren Zahl von Proletariern aufrechtzuerhalten.
4. Die kapitalistische Ordnung ist nicht einmal in der Lage, Lösungen zu finden, die ihre eigene Ausbeutungsordnung reproduzieren können. Angesichts von "natürlichen" Katastrophen ist das Kapital nicht nur rücksichtslos, sondern auch hilflos. Diese Hilflosigkeit zeigt sich auch in der mangelnden Koordination der nationalstaatlich kontrollierten Hilfsorganisationen und der Unfähigkeit des Staates bei der Verteilung der Nothilfe. Wir sehen dies nicht nur in Ländern wie der Türkei, wo der zerfallende Kapitalismus stärker betroffen ist, sondern auch in Ländern im Herzen des Kapitalismus, wie Deutschland, das den Überschwemmungen vor zwei Jahren hilflos gegenüberstand, oder die USA, deren Straßen und Brücken aufgrund vernachlässigter Infrastrukturinvestitionen in den Fluten zusammenbrachen.
5. Die Tatsache, dass einige Teile der bürgerlichen Opposition den Staat für "unzureichend" halten, um den Erdbebenopfern zu "helfen", zeigt eine trügerische Sichtweise auf das Wesen des Staates. Der Staat ist keine Hilfsorganisation. Der Staat ist der kollektive Gewaltapparat einer Minderheit der Ausbeuterklasse. Der Staat schützt die Interessen des Kapitals. Gewiss, da die Herrschaft des Chaos in einem Katastrophengebiet sowohl die Schwäche der herrschenden Klasse aufzeigt als auch die Reproduktion des Kapitals selbst behindert, wird der Staat gezwungen sein, ein Mindestmaß an "Hilfe" zu organisieren. Aber es scheint, dass der Staat nicht einmal in der Lage ist, dieses Minimum an Hilfe zu leisten. Unabhängig davon, wie der Staat in die Katastrophe eingreift, besteht seine Hauptfunktion darin, das Proletariat zu zügeln und mit anderen kapitalistischen Ländern im Interesse des eigenen nationalen Kapitals zu konkurrieren. Der Staat ist die ideologische und materielle Maschinerie zur Unterstützung der Kapitalakkumulation, der Hüter der Bedingungen, die die Arbeiter in tödliche Betonsärge zwingen und sie angesichts von Katastrophen schutzlos zurücklassen.
6. Die Epidemien, Hungersnöte und Kriege, die wir in den letzten Jahren erlebt haben und deren Auswirkungen weltweit zu spüren sind, haben nichts "Natürliches" an sich. Obwohl der Zeitpunkt eines Erdbebens nicht vorhergesagt werden kann, lassen sich die Verwerfungslinien und die mögliche Stärke eines Erdbebens mit Sicherheit vorhersagen. Der Hauptverantwortliche für all diese Katastrophen ist der Kapitalismus und die Nationalstaaten, die gesamte bestehende herrschende Klasse, die die Gesellschaft um die Gewinnung von Mehrwert und Lohnarbeit herum organisiert, die den militaristisch-nationalistischen Wettbewerb verschärft und die Existenz und Zukunft der Menschheit bedroht. Wenn der Kapitalismus weiterhin dominiert, wenn die Menschheit weiterhin in Nationalstaaten und Klassen gespalten bleibt, werden sich diese Katastrophen weiter ereignen, immer tödlicher, zerstörerischer und häufiger. Dies ist der deutlichste Hinweis auf die Erschöpfung des Kapitalismus. Überall auf der Welt treiben die herrschenden Klassen die Menschheit in Kriege, in schreckliche und unbewohnbare Städte, in Hunger und Elend, in eine gigantische globale Klimakrise.
Das Erdbeben in und um Maraş ist der aktuellste konkrete und schmerzhafte Beweis dafür, dass die herrschende Klasse der Menschheit keine positive Zukunft zu bieten hat. Dies sollte uns jedoch nicht zu Pessimismus verleiten. Die Solidarität, die unsere Klasse bei diesem Erdbeben gezeigt hat und zeigen wird, sollte uns Hoffnung geben. Katastrophen sind nicht deshalb so verheerend, weil es für sie keine Lösung gibt, sondern weil unsere Klasse, das Proletariat, noch nicht das Selbstvertrauen hat, die Welt zu verändern und die Menschheit vor der Geißel des Kapitals zu retten. Die Ressourcen der Menschheit und der Erde reichen aus, um dauerhafte, sichere Behausungen und Siedlungen zu bauen, die uns vor Katastrophen schützen werden. Der Weg dorthin wird erst offen sein, wenn das Proletariat, die einzige Kraft die die Ressourcen der Welt für die Befreiung mobilisieren kann, sein Selbstvertrauen entwickelt und sich in einem weltweiten Kampf engagiert, um der korrupten Kapitalistenklasse die Macht zu entreißen.
Eine Gruppe von internationalistischen Kommunisten aus der Türkei
Am 19. Januar waren wir über eine Million Menschen auf der Straße, um gegen die neue Rentenreform zu mobilisieren. Die Regierung behauptet, dass dieser Zorn auf einen "Erklärungsmangel", einen "Mangel an Pädagogik" ihrerseits zurückzuführen sei. Aber wir haben sie sehr gut verstanden! Mit dieser x-ten Reform ist das Ziel klar: Wir sollen immer mehr ausgebeutet werden und die Renten all derjenigen kürzen, die aufgrund von Entlassungen oder Krankheit ihre Rentenjahre nicht voll bekommen. Wir müssen bis zur Erschöpfung arbeiten, um eine miserable Rente zu erhalten.
Aber "irgendwann ist es genug!". Dieser Ausdruck wurde in den Demonstrationszügen so oft verwendet, dass er auch in der Presse auf der Titelseite erschien. Es handelt sich fast wortwörtlich um denselben Ausdruck, den die Streikenden in Großbritannien seit Monaten benutzen: "Enough is enough", "Zu viel ist zu viel". Und das ist kein Zufall. Was uns verbindet springt ins Auge: die gleiche Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen, die gleichen Angriffe, die gleiche Inflation und der gleiche wachsende Kampfgeist. Denn, ja, "es reicht". Die Rentenreform, die explodierenden Preise, der höllische Arbeitsrhythmus, die Unterbesetzung, die Hungerlöhne... und was soll man zur neuen Reform der Arbeitslosenversicherung sagen, einer empörenden Maßnahme, die die Bezugsdauer um 25 % verkürzt und es ermöglichen wird, bei den Empfängern reihenweise Streichungen vorzunehmen! Und das alles zum Wohle der Statistiken und der Lügen über die "Senkung der Arbeitslosigkeit".
Mit über einer Million Menschen, die vor zehn Tagen auf die Straße gegangen sind, und vielleicht noch mehr heute, am 31. Januar, zeigt die Arbeiterklasse erneut, was ihre Stärke ist: ihre Fähigkeit, sich massenhaft gegen die Angriffe zu mobilisieren.
Arbeitslose, Rentner, angehende Lohnabhängige, Angestellte, aus allen Berufen, allen Branchen, aus dem öffentlichen oder privaten Sektor - die Ausgebeuteten bilden eine einzige Klasse, die von einem einzigen Solidaritätsgefühl angetrieben wird: Einer für alle, alle für einen!
Seit Monaten gibt es überall in Frankreich kleine Streiks, in den Fabriken, in den Büros. Ihre Vielzahl spiegelt das Ausmaß der Wut in den Reihen der Arbeiterklasse wider. Aber weil sie voneinander isoliert sind, sind diese Streiks machtlos; sie zermürben die Kämpferischsten in aussichtslosen Kämpfen. Auf eine Berufsgruppe oder Branchen beschränkte Streiks führen nur zur Niederlage aller, jeder verliert in seiner Ecke, einer nach dem anderen. Die Organisation von Berufs- und Branchenspezifischen Kämpfen ist nichts anderes als die moderne Verkörperung des alten Sprichworts der herrschenden Klassen: "Teile und herrsche".
Angesichts dieser Zersplitterung und unter dem Eindruck der ständigen Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen spüren wir immer mehr, dass wir diese Isolation und Spaltung durchbrechen müssen, dass wir alle im selben Boot sitzen und dass wir alle zusammen kämpfen müssen. Als am 19. Januar mehr als eine Million Menschen auf der Straße waren und zusammenhielten, gab es nicht nur Freude, sondern auch einen gewissen Stolz darauf, dass die Solidarität der Lohnabhängigen gelebt wird.
Als über eine Million Menschen auf der Straße waren, wurde die Atmosphäre mit einer neuen Stimmung aufgeladen. Es besteht die Hoffnung, dass man gewinnen kann, dass man die Regierung zurückdrängen kann, dass sie unter dem Gewicht der Zahl einknickt. Es stimmt, nur der Kampf kann die Angriffe bremsen. Aber ist es genug, zahlreich zu sein?
2019 waren wir ebenfalls massiv mobilisiert und die Rentenreform wurde verabschiedet. Im Jahr 2010, gegen die vermeintlich letzte Rentenreform, haben wir vierzehn Aktionstage aneinandergereiht! Neun Monate lang haben wir gekämpft! An diesen Demonstrationszügen beteiligten sich mehrmals hintereinander Millionen von Demonstranten. Mit welchem Ergebnis? Die Rentenreform wurde verabschiedet. Im Gegensatz dazu zog die Regierung 2006 nach nur wenigen Wochen der Mobilisierung ihren "Contrat Première Embauche" (Erstanstellungsvertrag) zurück. Was war der Grund dafür? Worin bestand der Unterschied zwischen diesen Bewegungen? Was versetzte die Bourgeoisie 2006 so in Angst und Schrecken, dass sie so schnell zurückweichen musste?
2010 und 2019 waren wir viele, wir waren solidarisch und entschlossen, aber wir waren nicht vereint. Wir waren vielleicht Millionen, aber wir waren getrennt voneinander. Die Demonstrationen bestanden darin, dass man mit seinen Kollegen kam, mit seinen Kollegen unter dem ohrenbetäubenden Lärm der Beschallungsanlagen marschierte und mit seinen Kollegen wieder ging. Es gab keine Versammlungen, keine Debatten, keine echten Begegnungen. Die Demonstrationen wurden auf den Ausdruck eines einfachen Marsches reduziert.
2006 organisierten prekär beschäftigte Studenten an den Universitäten massive Vollversammlungen, die auch Lohnabhängigen, Arbeitslosen und Rentnern offenstanden, und setzten auf ein einigendes Motto: den Kampf gegen Prekarisierung und Arbeitslosigkeit. Diese Vollversammlungen waren das Herz der Bewegung, wo die Debatten geführt und die Entscheidungen getroffen wurden. Das Ergebnis war, dass jedes Wochenende immer mehr an den Demonstrationen teilnahmen. Lohnabhängige und Rentner schlossen sich den Studenten an, unter dem Motto "Junge Speckwürfel, alte Croûtons, alle denselben Salat". Die französische Bourgeoisie und die Regierung hatten angesichts dieser Tendenz zur Vereinheitlichung der Bewegung keine andere Wahl, als ihren CPE Erstanstellungsvertrag zurückzuziehen.
Der große Unterschied zwischen diesen Bewegungen ist also die Frage, ob die Lohnabhängigen selbst die Kämpfe in die Hand nehmen!
In den Demonstrationszügen taucht heute immer wieder der Verweis auf den Mai 68 auf. Diese Bewegung hat eine außerordentliche Spur in der Erinnerung der Arbeiterklasse hinterlassen. Und gerade 1968 hatte sich das Proletariat in Frankreich vereint, indem es seine Kämpfe selbst in die Hand nahm. Nach den riesigen Demonstrationen vom 13. Mai 1968, mit denen die Studenten gegen die Polizeirepression protestierten, breiteten sich die Arbeitsniederlegungen und Vollversammlungen wie ein Lauffeuer in den Fabriken und an allen Arbeitsplätzen aus und führten mit 9 Millionen Streikenden zum größten Streik in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Sehr oft hatte sich diese Dynamik der Ausweitung und Einheit außerhalb der Gewerkschaften entwickelt, und viele Lohnabhängige zerrissen ihre Gewerkschaftsausweise nach dem „Grenelle-Abkommen“ vom 27. Mai zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern das die Bewegung zu Grabe trug.
Heute fehlt es uns Lohnabhängigen, Arbeitslosen, Rentnern, prekär beschäftigten Studenten noch immer an Vertrauen in uns selbst, in unsere kollektive Kraft, um es zu wagen, unsere Kämpfe selbst in die Hand zu nehmen. Aber es gibt keinen anderen Weg. Alle von den Gewerkschaften vorgeschlagenen "Aktionen" führen zur Niederlage. Nur das Zusammenkommen in offenen und massiven, autonomen Generalversammlungen, die wirklich über die Führung der Bewegung entscheiden, kann die Grundlage für einen vereinten Kampf bilden, der von der Solidarität zwischen allen Sektoren und allen Generationen getragen wird. Hauptversammlungen, in denen wir uns vereint fühlen und auf unsere kollektive Stärke vertrauen.
Wir dürfen keine Illusionen haben - die Geschichte hat es tausendfach gezeigt: Heute stellen die Gewerkschaften ihre "Einheit" zur Schau und rufen zur allgemeinen Mobilisierung auf, morgen werden sie separate Strategien führen, um uns besser zu spalten und zu demobilisieren. Im Übrigen haben sie damit begonnen:
Die Rentenreform wird im Namen eines ausgeglichenen Haushalts, der Gerechtigkeit und der Zukunft durchgeführt. Am 20. Januar kündigte Macron mit großem Pomp einen Rekord-Militärhaushalt von 400 Milliarden Euro an! Das ist die Realität der von der Bourgeoisie versprochenen Zukunft: mehr Krieg und mehr Elend. Der Kapitalismus ist ein ausbeuterisches, globales und dekadentes System. Er führt die Menschheit in die Barbarei und in die Zerstörung. Wirtschaftskrise, Krieg, globale Erwärmung und Pandemien sind keine getrennten Phänomene; sie alle sind Geißeln desselben sterbenden Systems.
So sind unsere aktuellen Kämpfe nicht nur eine Reaktion auf die Rentenreform oder gar auf die Verschlechterung unserer Lebensbedingungen. Grundsätzlich sind sie eine Reaktion auf die allgemeine Dynamik des Kapitalismus. Unsere Solidarität im Kampf ist die Antithese zur Konkurrenz bis zum Tod dieses in konkurrierende Unternehmen und Nationen zerspalteten Systems. Unsere Solidarität zwischen den Generationen ist die Antithese zu No-Future und der zerstörerischen Spirale dieses Systems. Unser Kampf symbolisiert die Weigerung, sich auf dem Altar der Kriegswirtschaft zu opfern. Deshalb trägt jeder Streik den Keim der Revolution in sich. Der Kampf der Arbeiterklasse ist unmittelbar eine Infragestellung der eigentlichen Grundlagen des Kapitalismus und der Ausbeutung.
Unser gegenwärtiger Kampf bereitet die zukünftigen Kämpfe vor. Es wird keine Verschnaufpause geben. Indem sie sich in die Weltwirtschaftskrise hineinmanövriert, wird jede nationale Bourgeoisie in ihrem wahnwitzigen Profitstreben unaufhörlich die Lebens- und Arbeitsbedingungen des Proletariats angreifen.
Die kämpferischsten und entschlossensten Lohnabhängigen müssen sich zusammenschließen, diskutieren, sich die Lehren der Vergangenheit wieder aneignen, um den autonomen Kampf der gesamten Arbeiterklasse vorzubereiten. Das ist eine Notwendigkeit. Es ist der einzig mögliche Weg.
Internationale Kommunistische Strömung (29. Januar 2023)
Viele behaupteten vor zwei Jahren, China sei der große Gewinner der Covid-Krise. Doch die jüngsten Ereignisse unterstreichen, dass China stattdessen mit dem Fortbestehen der Pandemie, einer erheblichen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, einer Immobilienblase, großen Hindernissen für die Entwicklung der "neuen Seidenstraße" und starkem imperialistischen Druck seitens der USA konfrontiert ist. Kurzum mit der Aussicht auf große Turbulenzen.
Seit Ende 2019 leidet China unter der Pandemiekrise, die seine Bevölkerung und seine Wirtschaft weitgehend lähmt. Seit drei Jahren hat die von Präsident Xi propagierte "Null-Covid"-Politik zu gigantischen und endlosen Lockdowns geführt, wie im November 2022, als nicht weniger als 412 Millionen Chinesen unter schrecklichen Bedingungen in verschiedenen Regionen Chinas eingesperrt waren, oft für mehrere Monate. Mit der Behauptung, China würde die Pandemie mit seiner "Null-Covid"-Politik als erstes in den Griff bekommen, lehnten Xi und die KPCh Anti-Covid-Strategien und medizinische Forschung auf internationaler Ebene ab. Infolgedessen steckten sie in einer wirtschaftlich und sozial katastrophalen Logik fest, und das ohne echte Alternativen: Die chinesischen Impfstoffe sind weitgehend wirkungslos, das Krankenhaussystem ist nicht in der Lage die aus einer weniger restriktiven Politik resultierende Infektionswelle aufzufangen, zumal die Korruption in der politischen Verwaltung der Provinzen es unmöglich macht, zuverlässige Daten über die Entwicklung der Pandemie zu erhalten (die Tendenz, die wirklichen Zahlen zu verschleiern, um nicht in politische Ungnade zu fallen).
Die chinesischen Behörden fuhren also gegen die Wand. Konfrontiert mit einem sozialen Protest, der angesichts der schrecklichen Unmenschlichkeit der Massen-Lockdowns explodierte, gaben sie die "Null-Covid"-Politik abrupt auf, ohne auch nur die geringste Alternative anbieten zu können, ohne aufgebaute Immunität, ohne wirksame Impfstoffe oder ausreichende Medikamentenvorräte, ohne eine Impfpolitik für die Schwächsten, ohne ein Krankenhaussystem, das den Schock auffangen konnte, und die unwiederbringliche Katastrophe trat tatsächlich ein: Kranke stehen Schlange, um in überfüllte Krankenhäuser eingeliefert zu werden, und vor den überfüllten Krematorien stapeln sich die Leichen, Zehntausende sterben zu Hause, die Leichenhallen quellen über, die Behörden sind völlig überfordert und nicht in der Lage, den Ansturm zu bewältigen: Prognosen gehen von 1,7 Millionen Toten und zig Millionen Menschen aus, die von der derzeitigen Flutwelle des Virus schwer geschädigt sind.
Seit mehreren Jahren steht China unter intensivem wirtschaftlichem und militärischem Druck seitens der USA, sei es direkt in Taiwan oder durch die Bildung der AUKUS-Allianz, aber auch indirekt in der Ukraine. Denn je länger sich der Krieg in der Ukraine hinzieht, desto größeren Schaden erleidet China durch den Niedergang seines wichtigsten Partners auf der imperialistischen Bühne, Russland, aber vor allem durch die Störung der europäischen Abschnitte des Projekts "Neue Seidenstraße". Andererseits wiegt auch die Explosion von Chaos und Jeder-gegen-Jeden, die durch die aggressive Politik der USA intensiviert wird, schwer, wie der Absturz Äthiopiens, eines der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte Chinas in Afrika, in den Bürgerkrieg zeigt. Auch die Expansionspläne der "neuen Seidenstraße" geraten durch die Verschärfung der Wirtschaftskrise in Schwierigkeiten: Fast 60% der Schulden gegenüber China werden heute von Ländern mit finanziellen Schwierigkeiten geschuldet, während es 2010 nur 5% waren. Zudem nimmt der wirtschaftliche Druck der USA zu, insbesondere durch den "Inflation Reduction Act" und den "Chips in USA Act", Verordnungen, die den Export von Technologieprodukten verschiedener chinesischer Technologiefirmen (z.B. Huawei) in die USA starken Beschränkungen in Form von protektionistischen Zöllen, Sanktionen gegen unlauteren Wettbewerb, aber vor allem durch die Blockade von Technologietransfer und Forschung unterwerfen.
Die wiederholten Lockdowns und der Infektionswellen, die zu einem Chaos im Gesundheitssystem führten, die Immobilienblase und die Blockade verschiedener Routen der "Seidenstraßen" durch bewaffnete Konflikte oder das herrschende Chaos haben zu einer sehr starken Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft geführt. Das Wachstum in der ersten Hälfte dieses Jahres betrug 2,5 %, wodurch das diesjährige Ziel von 5 % unerreichbar wird. Zum ersten Mal seit dreißig Jahren werde das Wirtschaftswachstum in China geringer ausfallen als in anderen asiatischen Ländern. Große Technologie- oder Handelsunternehmen wie Alibaba, Tencent, JD.com und iQiyi haben zwischen 10 und 30 % ihrer Belegschaft entlassen. Junge Menschen bekommen diese Verschlechterung der Lage besonders zu spüren: Die Arbeitslosenquote unter den arbeitssuchenden Universitätsstudenten wird auf 20 % geschätzt.
Angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der dramatischen medizinischen Situation hatte Xi Jinpings Politik darin bestanden, zu den klassischen Rezepten des Stalinismus zurückzukehren:
- Auf wirtschaftlicher Ebene hatte die chinesische Bourgeoisie seit der Regierungszeit von Deng Xiao Ping einen fragilen und komplexen Mechanismus geschaffen, um eine allmächtige Einheitspartei aufrechtzuerhalten, die mit einer privaten Bourgeoisie zusammenlebte, die direkt vom Staat stimuliert wurde. Nun, "Ende 2021 ist die Ära der Reformen und der Öffnung von Deng Xiaoping offensichtlich vorbei und wird durch eine neue, etatistische Wirtschaftsorthodoxie ersetzt.“[1] Die herrschende Fraktion hinter Xi Jinping tendiert also dazu, die absolute Kontrolle des Staates über die Wirtschaft zu verstärken und die Aussicht auf eine wirtschaftliche Erneuerung und eine relative Öffnung der Wirtschaft für das Privatkapital zu reduzieren.
- Auf sozialer Ebene sicherte sich Xi mit der "Null-Covid"-Politik nicht nur eine rücksichtslose staatliche Kontrolle über die Bevölkerung, sondern erzwang diese Kontrolle auch über die regionalen und lokalen Behörden, die sich zu Beginn der Pandemie als unzuverlässig und unwirksam erwiesen hatten. Erst kürzlich im Herbst schickte er zentralstaatliche Polizeieinheiten nach Shanghai, um die lokalen Behörden, die die Kontrollmaßnahmen liberalisierten, zur Ordnung zu rufen.
Doch während die Politik des chinesischen Staates seit 1989 darauf ausgerichtet war, größere soziale Turbulenzen um jeden Preis zu vermeiden, brachten die Proteste von Käufern, welche wegen der Schwierigkeiten und Konkurse der Immobilienriesen fast alles verloren hatten, aber vor allem die weit verbreiteten Demonstrationen und Unruhen in vielen chinesischen Städten, die den Überdruss der Bevölkerung an der "Null-Covid"-Politik zum Ausdruck brachten, Xi und seine Anhänger ins Schwitzen. Das Regime war gezwungen, angesichts der rumorenden sozialen Unruhen in aller Eile einen Rückzieher zu machen und innerhalb weniger Tage die Politik aufzugeben, die es seit drei Jahren gegen alle Widerstände aufrechterhalten hatte. Heute zeigen sich die Grenzen von Xi Jinpings Politik der Rückkehr zu den klassischen Rezepten des Stalinismus auf allen Ebenen: gesundheitlich, wirtschaftlich und sozial, während derjenige, der sie durchgesetzt hat, derselbe Xi Jinping, gerade für eine dritte Amtszeit wiedergewählt wurde, nachdem hinter den Kulissen komplizierte Verhandlungen zwischen den Fraktionen innerhalb der KPCh stattgefunden haben.
Zurückblickend lässt sich sagen, dass der chinesische Staatskapitalismus zwar die Chancen nutzen konnte, die sich durch seinen Wechsel vom "sowjetischen" zum amerikanischen Block in den 1970er Jahren, durch die Implosion des "sowjetischen" Blocks und die von den USA und den wichtigsten westlichen Mächten vorangetriebene Globalisierung der Wirtschaft ergaben. Doch stellen die angeborenen Schwächen seiner stalinistisch geprägten Staatsstruktur heute ein großes Handicap dar, angesichts der wirtschaftlichen, medizinischen und sozialen Probleme und des aggressiven Drucks des US-Imperialismus.
Die Situation in China ist einer der charakteristischsten Ausdrücke für den "Strudel-Effekt" der Verkettung und Kombination von Krisen, die die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts kennzeichnen. Dieser "Wirbel" von Umwälzungen und Destabilisierungen setzt nicht nur Xi und seine Anhänger in der KPCh unter schweren Druck, sondern auch die imperialistische Politik Chinas im Allgemeinen. Eine Destabilisierung des chinesischen Kapitalismus würde unvorhersehbare Folgen für den globalen Kapitalismus nach sich ziehen.
R. Havanais, 15. Januar 2023
[1] "Foreign Affairs", abgedruckt in Courrier International Nr. 1674.
Am Freitag, den 2. Dezember 2022 fand in Paris die erste Veranstaltung des Komitees «No War But The Class War» («Kein Krieg außer dem Klassenkrieg») statt.
Die Existenz solcher Komitees ist nicht neu, sie tauchen seit mehr als 30 Jahren auf. Die Idee, NWBTCW-Gruppen zu gründen, kam erstmals in anarchistischen Kreisen in England als Reaktion auf den ersten Golfkrieg 1991 auf. Es war eine Reaktion, eine Weigerung, sich an den von der Linken des Kapitals organisierten "Stop the War"-Mobilisierungen zu beteiligen, deren wesentliche Funktion darin bestand, den Widerstand gegen den Krieg in die Sackgasse des Pazifismus zu lenken. Der Slogan «Kein Krieg außer dem Klassenkrieg» bezieht sich auf einen Satz, den ein sozialistischer Soldat, der während des Ersten Weltkriegs aus der britischen Armee desertierte, in der ersten Folge von Ken Loachs Serie "Days of Hope" von 1975 sagte: «Ich bin kein Pazifist. Ich werde in einem Krieg kämpfen, aber ich werde in dem einzigen Krieg kämpfen, der zählt, und das ist der Klassenkrieg, und der wird kommen, wenn das alles vorbei ist».
Neue NWBTCW-Gruppen wurden als Reaktion auf die Kriege im ehemaligen Jugoslawien 1993 und im Kosovo 1999, sowie auf die Invasionen in Afghanistan und im Irak 2001 und 2003 gegründet.
Wo es möglich war, intervenierten wir in diesen Komitees, die ein äußerst heterogenes Milieu von bürgerlichen Linken bis hin zu InternationalistInnen versammelten.
Eine andere Gruppe der Kommunistischen Linken, die Communist Workers’ Organisation (CWO), die heute die britische Sektion der Internationalistischen Kommunistischen Tendenz (IKT) ist, beteiligte sich ab 2001 ebenfalls an den NWBTCW-Gruppierungen. Von Anfang an unterstützte die CWO die Gruppen und beteiligte sich aktiv an der Gründung neuer Gruppen, wie zum Beispiel in Sheffield: "Wir beobachten einen deutlichen Anstieg der Streiks, darunter Feuerwehrleute, Eisenbahner und Aktionen außerhalb der Gewerkschaften im Verkehrswesen und in Krankenhäusern in Strathclyde. No War But the Class War gibt uns die Möglichkeit, im ganzen Land mit den Kräften zusammenzuarbeiten, die eine Verbindung zwischen den beiden Themen sehen und den Klassenkampf mit dem Widerstand gegen den imperialistischen Krieg verbinden wollen".[1]
2002 schrieben wir: "Aus diesem Grund haben wir nie geglaubt, dass das NWBTCW ein Vorbote eines Wiederauflebens des Klassenkampfes oder eine definitive politische Bewegung der Klasse ist, der wir uns 'anschließen' sollten. Bestenfalls könnte es ein Bezugspunkt für eine sehr kleine Minderheit sein, die den kapitalistischen Militarismus und die ihn begleitenden pazifistischen und ideologischen Lügen in Frage stellt. Und deshalb haben wir ihre – wenn auch begrenzten – Klassenpositionen gegen die reaktionären Angriffe von Linken wie 'Workers Power' (siehe World Revolution Nr. 250) verteidigt und von Anfang an auf der Bedeutung der Gruppe als Diskussionsforum bestanden und sowohl vor den Tendenzen zur 'direkten Aktion' als auch vor der Angleichung dieser Gruppe an die revolutionären Organisationen gewarnt".[2]
Deshalb waren die Ziele der Intervention der IKS in diesen Gruppen:
- die Prinzipien des proletarischen Internationalismus und die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung von der Linken des Kapitals und vom Pazifismus deutlich zu machen;
- sich auf die politische Debatte zu konzentrieren und vor Tendenzen zum Aktivismus zu warnen, die in der Praxis die Teilnahme an den "Stop the War"-Demonstrationen bedeuten würden.
Jetzt, zwanzig Jahre später, mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine, sind diese NWBTCW-Gruppen wieder aufgetaucht, zuerst in Glasgow, dann in mehreren Städten in Großbritannien und auch weltweit, oft auf Initiative anarchistischer Organisationen. Einige andere NWBTCW-Gruppen wurden direkt von der IKT ins Leben gerufen.
Anfang Dezember 2022 besuchten wir das erste Treffen von NWBTCW in Paris. Das Komitee hatte einen wahrhaft internationalistischen Aufruf veröffentlicht: "Was können Revolutionäre gegen den imperialistischen Krieg tun? Der Krieg in der Ukraine hat die weltpolitische Lage verändert, indem er Russland auf der einen Seite und die NATO und die USA auf der anderen Seite positioniert. (...) Wie in den beiden Weltkriegen sagen die internationalistischen Revolutionäre, dass der imperialistische Krieg und seine Fronten verlassen werden müssen – auf welche Weise auch immer. Im Krieg und im Nationalismus hat die Arbeiterklasse alles zu verlieren und nichts zu gewinnen. Die einzige wirkliche Wahl, vor der sie steht, ist die Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Klassenkrieg, um eine Alternative aufzubauen, die ausschließlich auf ihren eigenen unmittelbaren und längerfristigen Interessen beruht. Diese Alternative impliziert bereits die Ablehnung der Kriegswirtschaft und aller Opfer, die wir in ihrem Namen bringen müssten".
Auf dieser Grundlage haben wir alle unsere Kontakte aufgefordert, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.
In der Einleitung zur Diskussion schlug das Präsidium vor, die Diskussion in zwei Teile zu gliedern: erstens die Analyse der imperialistischen Situation und zweitens die Aktionsmittel, die beschlossen werden sollten.
In der Einleitung, mit der das Präsidium die Debatte einleitete, wurde die Position des Internationalismus klar und unmissverständlich vertreten und die gegenwärtige Realität der imperialistischen Barbarei beschrieben.
Es wurde jedoch auch eine Perspektive der Verallgemeinerung des Krieges mit einer Dynamik verteidigt, die zur Konfrontation von Blöcken in einem Weltkrieg führt, eine Perspektive, die wir nicht teilen.
Der gesamte erste Teil der Diskussion verlief ziemlich chaotisch. Einige weigerten sich kategorisch, über die imperialistische Situation zu diskutieren, sie lehnten jeden Versuch einer Analyse als Zeitverschwendung ab und forderten sofortige Aktionen. Sie machten sich über jede als "theoretisch" bezeichnete Intervention lustig, machten sich über das Alter der Redner lustig, brachen bei der Erwähnung historischer Bezüge aus dem letzten Jahrhundert in Gelächter aus und unterbrachen und sprachen über andere Teilnehmer. Das Präsidium musste wiederholt zur Einhaltung der Debatte auffordern, jedoch ohne Erfolg. Einige beschlossen dann, mitten in der Debatte zu gehen.
Diese Atmosphäre und das, was gegen die "Theorie" und für die "Sofortmaßnahmen" gesagt wurde, sagt viel über die Zusammensetzung dieses Treffens und darüber aus, wer der Einladung gefolgt war. Die Einladung endete mit den Worten: "Lasst uns gemeinsam über die Situation diskutieren, lasst uns über mögliche gemeinsame Aktionen nachdenken, die wir gemeinsam durchführen können! Alle internationalistischen Initiativen sind es wert, in Betracht gezogen und gefördert zu werden". Was die möglichen Initiativen angeht, so gab es den Vorschlag, "die Demokratie anzugreifen" (wie? ungeklärt ...), vor der russischen Botschaft zu demonstrieren, die in der Ukraine kämpfenden Menschen finanziell zu unterstützen, russische Deserteure unterzubringen ...
Deshalb mussten in unserer ersten Intervention folgendes unterstreichen:
- Der Krieg in der Ukraine ist ein rein imperialistischer Krieg. Die Arbeiterklasse darf in diesem Krieg, dessen Hauptopfer sie ist, nicht Partei ergreifen;
- die gegenwärtige Phase der imperialistischen Kriege des Kapitalismus, wie sie durch den Krieg in der Ukraine realisiert wird, führt zur Auslöschung der Menschheit;
- nur der Umsturz des Kapitalismus kann den imperialistischen Kriegen ein Ende setzen;
- es ist gefährlich, in Aktivismus abzugleiten, wahnhaft zu glauben, dass die allgemeine Situation durch dramatische Aktionen kleiner Gruppen von Einzelpersonen verändert werden kann;
- das bedeutet, dass nur die bewusste und organisierte Aktion der arbeitenden Massen der kapitalistischen Barbarei ein Ende setzen kann. Für Revolutionäre geht es darum, sich in diesen andauernden Prozess einzubringen und zur allgemeinen Entwicklung des Klassenbewusstseins beizutragen, indem sie die wichtigen Lehren aus der Geschichte ziehen können.
Diese kompromisslose Verteidigung des Internationalismus und der Rolle der Revolutionäre war sicherlich nicht ausreichend. Im Gegenteil, was vor allem aus diesem ersten Teil der Diskussion hervorging, war Verwirrung, die die Verteidigung des Internationalismus schwächte. Denn neben dem Aktivismus gab es auch einen Beitrag, der die Möglichkeit des Kampfes der Arbeiter für die ukrainische Unabhängigkeit unterstützte. Der Sprecher der trotzkistischen Gruppe Matière et Révolution verteidigte diese klassische These der bürgerlichen extremen Linken. Weit davon entfernt, eine starke Reaktion des Präsidiums zu provozieren, gab es überhaupt keine Reaktion. Jemand im Saal prangerte diese nationalistische Haltung an und fragte, warum das Komitee gerade diese trotzkistische Gruppe eingeladen habe. Eines der Präsidiumsmitglieder, der für die Versendung der Einladungen verantwortliche Militante der IKT, antwortete zögerlich, dass Matière et Révolution streng genommen nicht trotzkistisch sei, woraufhin ihr Sprecher ausrief: "Oh doch, ich bin Trotzkist!" Eine wahrhaft komische Situation, falls es etwas zu lachen gegeben hätte.
Erinnern wir uns daran, dass der Aufruf der Internationalistischen Kommunistischen Tendenz, der die Quelle für die Entstehung dieser neuen NWBTCW-Komitees ist, im Punkt 11 erklärt, dass diese "internationale Initiative (...) einen politischen Kompass für Revolutionäre mit unterschiedlichem Hintergrund bietet, die jede sozialdemokratische, trotzkistische und stalinistische Politik ablehnt, die sich entweder direkt auf die Seite des einen oder des anderen Imperialismus stellen, um zu entscheiden, welcher das 'kleinere Übel' ist, oder die einen Pazifismus unterstützen, der die Notwendigkeit ablehnt, den imperialistischen Krieg in einen Klassenkrieg zu verwandeln und so die Arbeiterklasse verwirrt und entwaffnet, damit sie ihren eigenen Kampf nicht aufnehmen kann".
Wir hätten es in Bezug auf diese "internationale Initiative" nicht besser sagen können. In der Tat «verwirrt und entwaffnet sie die Arbeiterklasse»!
In unserem ersten Beitrag begannen wir auch, unsere grundsätzliche Ablehnung der NWBTCW-Initiative darzulegen. Wie in den Jahren 1991, 1993, 1999, 2001, 2003 ... besteht die Illusion, dass die Arbeiterklasse eine massive Reaktion auf den Krieg geben kann oder dass sie bereits stattfindet, eine Reaktion, bei der diese Komitees in gewisser Weise entweder der Ausdruck oder die ersten Schritte sein würden. Um diese These zu untermauern, wird jeder aktuelle Streik in den Vordergrund gerückt. Dies stellt jedoch die Wirklichkeit auf den Kopf.
Zu Beginn der 1990er und 2000er Jahre war die Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse schwach. Auf der anderen Seite gab es ein echtes Nachdenken über die imperialistische Barbarei, in die die großen demokratischen Mächte alle direkt verwickelt waren. Deshalb haben die linken Parteien des Kapitals die Organisation großer pazifistischer Demonstrationen in ganz Europa und den USA an die Hand genommen. Indem die Komitees des NWBTCW sich dieser Falle und Sackgasse widersetzten, die in der Parole "Stop the War" zum Ausdruck kam, repräsentierten sie trotz aller Verwirrungen zumindest eine gewisse Bewegung, die von Leuten ausging, die eine internationalistische Alternative zu den Linken und zum Pazifismus suchten. Die IKS versuchte, diese Bestrebungen so weit wie möglich voranzutreiben, indem sie in diese Komitees intervenierte. Die CWO hingegen glaubt, in einer Illusion über das Potenzial der Klasse und dieser Komitees, ihren Einfluss innerhalb des Proletariats durch die Aktivitäten dieser Gruppen ausweiten zu können.
Heute wächst die soziale Wut, die Kampfbereitschaft der Klasse nimmt zu. Die Streiks, die seit Juni 2022 in Großbritannien stattfinden, sind der deutlichste Ausdruck der aktuellen Dynamik unserer Klasse auf internationaler Ebene. Aber die Ursache für diese Kämpfe liegt nicht in der Reaktion der Arbeiterklasse auf den Krieg. Nein, es sind die Wirtschaftskrise, die Verschlechterung der Lebensbedingungen, die steigenden Preise und die Hungerlöhne, die diese Streiks auslösen. Es ist unbestreitbar, dass sich die Arbeiterklasse durch diese Kämpfe weigert, die Opfer zu akzeptieren, die die Bourgeoisie im Namen der "Unterstützung der Ukraine und ihres Volkes" fordert. Und diese Weigerung zeigt, dass unsere Klasse nicht auf den Leim gegangen ist, dass sie eindeutig nicht bereit ist, den allgemeinen Marsch in Richtung Krieg zu akzeptieren; obwohl wir wissen, dass sie all diese Zusammenhänge noch nicht bewusst verstanden hat.
Was ist konkret mit dieser Dynamik gemeint? Um dies zu verstehen, müssen wir uns nur ansehen, was in Paris im Verlauf dieser NWBTCW-Veranstaltung geschah.
Es handelt sich nur dem Namen nach um ein „Komitee". In der Tat war es die IKT, die diese Gruppe mit der Unterstützung einer politisch-parasitären Gruppe namens GIGC (Groupe Internationale de la Gauche Communiste - Internationale Gruppe der Kommunistischen Linken) ins Leben gerufen hat. Im Saal saßen fast ausschließlich deren Vertreter und einige politisierte Personen, die diesen beiden Gruppen zugeneigt sind. Die CNT-AIT Paris, Robin Goodfellow, Matière et Révolution, die Asap, und dann einige Einzelpersonen, einige aus dem autonomen Milieu, andere von der CGT oder vom revolutionären Syndikalismus. Also, in keiner besonderen Reihenfolge, trotzkistische, anarchistische, autonome, stalinistische und Vertreter der Kommunistischen Linken ... Die GIGC selbst schreibt: "Sobald der Aufruf der IKT gestartet wurde, haben ihre Mitglieder in Frankreich und wir selbst ein Komitee gebildet, dessen erste Interventionen mittels Flugblätter während der Demonstrationen im letzten Juni in Paris und einigen anderen Städten stattfanden"[3]. Es handelt sich also um eine völlig künstliche Schöpfung, wie für alle sichtbar ist. Ein Komitee ist etwas ganz anderes.
1989 schrieben wir: "In der Zeit, in der wir heute leben, entstehen hier und da in der Arbeiterklasse Kampfkomitees. Dieses Phänomen begann sich in Frankreich Anfang 1988 im Gefolge des großen Kampfes bei der SNCF zu entwickeln. Seitdem wurden in Frankreich in verschiedenen Sektoren (PTT, EDF, Bildung, Gesundheit, Sozialversicherung usw.) und zunehmend auch sektorübergreifend mehrere Komitees gebildet, in denen sich kämpferische ArbeiterInnen zusammengeschlossen haben.
Diese Komitees sind ein Zeichen für die allgemeine Entwicklung des Klassenkampfes und die Reifung des von ihm geschaffenen Bewusstseins und entsprechen einem unter den ArbeiterInnen immer stärker empfundenen Bedürfnis, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam auf ihrem eigenen Klassenterrain zu reflektieren (Lehren aus den vergangenen Arbeiterkämpfen zu ziehen) und zu handeln (an entstehenden Kämpfen teilzunehmen), und zwar außerhalb des von der Bourgeoisie (linke Parteien, linke Gruppen und vor allem die Gewerkschaften) vorgegebenen Rahmens.
Es war ein solches Komitee (das "Komitee für die Ausweitung der Kämpfe", das ArbeiterInnen aus verschiedenen Sektoren des öffentlichen Sektors zusammenbrachte und in dem die IKS regelmäßig intervenierte), das im Herbst 1988 mehrfach in die Bewegung der Kämpfe eingriff.“
Es gab also zu dieser Zeit ein Leben und eine konkrete Erfahrung der Klasse. Natürlich muss eine revolutionäre Organisation die Schaffung dieser Komitees fördern, sich in sie einbringen, sie dazu bringen, die Organisierung und das Bewusstsein der Klasse zu entwickeln, aber sie kann sie nicht künstlich schaffen, ohne jegliche Verbindung zur Realität der Klassendynamik.
Heute müssen wir die soziale Situation genau verfolgen. Die Kriegsfrage ist nicht der Ausgangspunkt, die Basis, auf der sich die Arbeiterklasse mobilisiert, und es gibt auch keine Kampfkomitees. Andererseits ist die Möglichkeit der Bildung von Diskussionszirkeln oder Kampfkomitees durchaus denkbar, angesichts der laufenden Entwicklung der Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse, angesichts der Verschärfung der Wirtschaftskrise und der anhaltenden Angriffe auf die Lebensbedingungen. Dann liegt es in der Verantwortung der Revolutionäre, den Zusammenhang mit dem Krieg aufzuzeigen, indem sie den Internationalismus verteidigen. Dies tun im Übrigen alle Gruppen der Kommunistischen Linken bereits durch die Verbreitung ihrer Presse und ihrer Flugblätter. Nebenbei: Diese Stimme würde viel weiter getragen und hätte eine viel tiefere historische Bedeutung, wenn all die Gruppen der Kommunistischen Linken gemeinsam ein und dieselbe internationalistische Botschaft aussenden würden.
Als das Istituto Onorato Damen, Internationalist Voice und die IKS erkennen konnten, dass sie über ihre Meinungsverschiedenheiten hinaus das gleiche internationalistische Erbe verteidigen und verbreiten können, lehnte die IKT einen solchen Ansatz innerhalb der Kommunistischen Linken ab. Sie zieht es stattdessen vor, mit der parasitären GIGC zusammenzuarbeiten, mit leeren Hüllen in Toronto, Montreal, Paris – und nennt sie Komitees. Sie zieht es vor, sich mit trotzkistischen, autonomen und anarchistischen Gruppen zusammenzuschließen, die jede Art von Widerstand verteidigen und glauben machen, dies sei eine Verbreiterung der internationalistischen Basis in der Klasse.
Der gleiche Fehler hat sich seit 1991 dauernd wiederholt. Marx schrieb, die Geschichte wiederhole sich, "das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce". In der Tat wurde auf der Veranstaltung in Paris dreimal die Frage gestellt, wie das Komitee die Erfahrungen des NWBTCW seit 1991 einschätzt. Die Antwort des IKT-Mitglieds des Präsidiums war sehr aufschlussreich: "Es besteht keine Notwendigkeit für eine solche Überprüfung. Es ist wie bei Streiks, sie scheitern, aber das sollte nicht davon abhalten, wieder zu streiken". Doch die Revolutionäre müssen, wie die gesamte Klasse, genau das Gegenteil tun: immer die Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit ziehen. «Selbstkritik, eine unerbittliche, harte Selbstkritik, die den Dingen auf den Grund geht, ist die Luft und das Licht, ohne die die proletarische Bewegung nicht leben kann», sagte Rosa Luxemburg 1915.[4] Und die Lehren aus den Misserfolgen des NWBTCW zu ziehen, würde es der IKT ermöglichen, sich ihren eigenen Fehlern zu stellen.
Das ist es, was unser zweiter Beitrag in der Diskussion unterstreichen wollte und was ein Teilnehmer im Saal missverstanden hat, der darin eine Form von Sektierertum sah, während er selber das Fehlen von Prinzipien in diesen NWBTCW-Komitees hervorhob, einem Komitee nur dem Namen nach, das nicht nur das internationalistische Banner der Kommunistischen Linken befleckt, sondern auch Verwirrung stiftet.
Während dieser Veranstaltung wiederholte das IKT-Mitglied im Präsidium mehrmals, um die Forderung nach einer Umgruppierung ohne wirkliches Prinzip oder Grundlage zu rechtfertigen, dass die Kräfte der Kommunistischen Linken isoliert seien und sich darauf beschränkten, "unter uns zu reden", und implizierte damit, dass diese Komitees es ermöglicht hätten, nicht allein zu sein und einen gewissen Einfluss innerhalb der Klasse zu haben.
Abgesehen davon, dass dies ein Eingeständnis des reinsten Opportunismus ist, im Sinne von "ja, ich werde mich mit allen und jedem anfreunden, um meinen Einfluss zu vergrößern", und abgesehen davon, dass dieser angebliche "Einfluss" illusorisch ist, enthüllen diese Worte vor allem die wahre Motivation für die Schaffung dieser Komitees durch die IKT, um sie als Instrument, als "Vermittler" zwischen sich und der Klasse zu benutzen.
Dies war bereits im Jahr 2001 der Fall, als die IKT den NWBTCW-Komitees in Großbritannien beitrat. Bereits im Dezember 2001 hatten wir einen Artikel mit dem Titel "In defence of discussion groups"[5] geschrieben, um uns gegen die vom Partito Comunista Internazionalista (einer Gruppe in Italien, die jetzt zur IKT gehört) entwickelte und später von der CWO aufgegriffene Idee von "Fabrikgruppen" zu wenden, die als "Instrumente der Partei" definiert werden, um in der Klasse Fuß zu fassen und sogar ihre Kämpfe zu "organisieren"[6]. Wir sind der Meinung, dass das Projekt NWBTCW einen Rückschritt in Richtung der Idee von Betriebsgruppen als Grundlage für die politische Organisation darstellt, wie sie von der Kommunistischen Internationale in der Phase der "Bolschewisierung" in den 1920er Jahren verteidigt und von der Italienischen Kommunistischen Linken entschieden bekämpft wurde. Die jüngste Umwandlung dieser Idee von Betriebsgruppen in einen Aufruf zur Schaffung von territorialen Gruppen und dann von Antikriegsgruppen hat zwar die Form, aber nicht wirklich den Inhalt verändert. Die Vorstellung der CWO, dass NWBTCW ein organisiertes Zentrum des Klassenwiderstands gegen den Krieg werden könnte, enthält ein Missverständnis darüber, wie sich das Klassenbewusstsein in der Zeit der kapitalistischen Dekadenz entwickelt. Natürlich gibt es neben der politischen Organisation selbst eine Tendenz zur Bildung informellerer Gruppen, die sich sowohl in betrieblichen Kämpfen als auch im Widerstand gegen den kapitalistischen Krieg formieren. Aber solche Gruppen, die nicht zur kommunistischen politischen Organisation gehören, bleiben Ausdruck einer Minderheit, die versucht, sich selbst zu klären und diese Klärung in der Klasse zu verbreiten, und können sich nicht selbst ersetzen oder vorgeben, die Organisatoren breiterer Bewegungen der Klasse zu sein. Ein Punkt, in dem die IKT unserer Meinung nach zweideutig bleibt.
Die derzeitige Praxis der IKT, diese Ausschüsse künstlich zu schaffen, hat jedoch katastrophale Folgen. Sie schafft Verwirrung über den von der Kommunistischen Linken verteidigten Internationalismus, sie verwischt die Klassengrenzen zwischen den Gruppen der Kommunistischen Linken und der Linken des Kapitals und, was vielleicht am wichtigsten ist, sie lenkt die Überlegungen und die Energie der suchenden Minderheiten in eine aktivistische Sackgasse.
All diese Abenteuer, auf die sich die IKT seit Jahrzehnten einlässt, haben immer zu einer Katastrophe geführt und die derzeit immens schwierigen und wertvollen Bemühungen des Proletariats, Minderheiten auf der Suche nach Klassenpositionen weiterzubringen, entmutigt oder zunichte gemacht.
Deshalb rufen wir die IKT erneut öffentlich dazu auf, mit allen anderen Gruppen der Kommunistischen Linken zusammenzuarbeiten, um gemeinsam das proletarische Banner hochzuhalten und die Tradition der Kommunistischen Linken zu verteidigen und am Leben zu erhalten.
IKS 11.01.2023
In Fortsetzung der Diskussionsdokumente, die nach dem 23. IKS-Kongress[1] veröffentlicht wurden, veröffentlichen wir weitere Beiträge, die Differenzen zur Resolution zur internationalen Lage des 24. IKS-Kongresses[2] zum Ausdruck bringen. Wie beim vorangegangenen Beitrag des Genossen Steinklopfer beziehen sich die Meinungsverschiedenheiten auf das Verständnis unseres Zerfallsbegriffs, auf die interimperialistische Spannungen und die Kriegsgefahr sowie auf das Kräfteverhältnis zwischen Proletariat und Bourgeoisie. Um weitere Verzögerungen unter dem Druck der aktuellen Ereignisse zu vermeiden, veröffentlichen wir die neuen Beiträge der Genossen Ferdinand und Steinklopfer ohne Gegendarstellung zur Verteidigung der Mehrheitsposition in der IKS. Wir werden aber sicherlich zu gegebener Zeit auf diesen Text eingehen.
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Auf dem 24. Internationalen Kongress habe ich eine Reihe von Änderungsanträgen zur Resolution zur internationalen Lage vorgelegt. Ihre allgemeine Stoßrichtung ist die einer weiteren Ausarbeitung der Divergenzen, die ich in Form von Änderungsanträgen auf dem vorangegangenen 23. Kongress vorgelegt habe. Einige von ihnen wurden vom Kongress akzeptiert, andere wurden abgelehnt, weil der Kongress es für notwendig erachtete, sich Zeit zu nehmen, um sie eingehender zu diskutieren, bevor er darüber abstimmt. Während einige der letztgenannten Änderungsanträge auch wiedergegeben werden, konzentriert sich dieser Artikel hauptsächlich auf jene Änderungsanträge, die abgelehnt wurden, weil der Kongress mit ihrem Inhalt nicht einverstanden war. Diese Divergenzen betrafen vor allem zwei der wesentlichen Dimensionen der Analyse der Weltlage: die imperialistischen Spannungen und das globale Kräfteverhältnis zwischen den beiden Klassen Bourgeoisie und Proletariat. Es gibt einen roten Faden, der viele dieser Meinungsverschiedenheiten miteinander verbindet und sich um die Frage des Zerfalls dreht. Obwohl die gesamte Organisation unsere Analyse des Zerfalls als Endphase des Kapitalismus teilt, treten bei der Anwendung dieses Rahmens auf die gegenwärtige Situation unterschiedliche Interpretationen ans Licht. Wir sind uns alle darin einig, dass diese Endphase nicht nur durch die Unfähigkeit beider großen Gesellschaftsklassen eingeleitet wurde, erstens eine Perspektive für diese Gesellschaft aufzuzeigen und zweitens große Teile der Gesellschaft entweder hinter den Kampf für die Weltrevolution (das Proletariat) oder hinter die Mobilisierung für die allgemeine Kriegsführung (Bourgeoisie) zu vereinen, sondern dass sie auch ihre tiefste Wurzel in dieser Unfähigkeit hat. Für die Organisation scheint es jedoch eine zweite wesentliche Triebkraft dieser Endphase zu geben, die Tendenz ‘jeder gegen jeden’: zwischen Staaten, innerhalb der herrschenden Klasse jedes Nationalstaates sowie innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft insgesamt. Auf dieser Grundlage neigt die IKS, was imperialistische Spannungen anbelangt, dazu, die Tendenz zur Polarisierung zwischen zwei führenden Räuberstaaten, die Tendenz zur Bildung militärischer Bündnisse zwischen Staaten zu unterschätzen, ebenso die wachsende Gefahr der direkten militärischen Konfrontationen zwischen den Großmächten, was eine potenzielle Dynamik in Richtung eines dritten Weltkriegs beinhalten würde, der möglicherweise die Menschheit auslöschen könnte. Auf der gleichen Grundlage neigt die IKS heute in Bezug auf das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen dazu, die Ernsthaftigkeit des gegenwärtigen Verlustes der revolutionären Perspektive seitens des Proletariats zu unterschätzen, was die Organisation zu der Annahme führt, dass die Arbeiterklasse ihre Klassenidentität und ihre kommunistische Perspektive im Wesentlichen durch defensive Arbeiterkämpfe wiedererlangen kann.
Ich für meinen Teil stimme zwar zu, dass das bürgerliche ‘jeder gegen jeden’ ein sehr wichtiges Merkmal des Zerfalls ist. Ein Merkmal, das eine sehr wichtige Rolle bei der Einleitung der Zerfallsphase mit dem Zusammenbruch der nachkriegsimperialistischen Weltordnung im Jahr 1989 spielte. Ich stimme aber nicht zu, dass dies eine der Hauptursachen ist. Vielmehr ist das bürgerliche ‘jeder für sich’ eine dauernde Grundtendenz des Kapitalismus während seiner ganzen Existenz (unter Umständen sogar bis zum Auseinanderbrechen und der Untergrabung des bürgerlichen Staates selbst). Ebenso wie die Gegentendenz die Zusammenführung der bürgerlichen nationalen Kräfte – deren Hauptinstrument der Klassenstaat ist – grundlegend und dauerhaft ist, bis hin zur Tendenz zum staatskapitalistischen Totalitarismus in der Epoche des dekadenten Kapitalismus. Für mich ist die Unfähigkeit sowohl der Bourgeoisie als auch des Proletariats, eine Lösung für die existenzbedrohende Krise unserer Spezies durchzusetzen, der wesentliche Faktor der Phase des Zerfalls insbesondere ab 1989, und nicht die Tendenz ‘jeder gegen jeden’. Ich würde im Gegenteil sagen, dass die zunehmende Brutalität sowohl der Tendenz zur Zersplitterung und zur Zwietracht als auch diejenige zur Durchsetzung eines Mindestmaßes an nationaler Einheit durch den Staatskapitalismus, einschließlich des immer schockartigeren Zusammenpralls dieser beiden gegensätzlichen Tendenzen, auf dieser Ebene charakteristisch eben für diese Endphase sind. Für mich entfernt sich die IKS von unserer ursprünglichen Position zum Zerfall, indem sie dem ‚jeder gegen jeden‘ eine fundamentale und kausale Bedeutung beimisst, die sie in dieser Einseitigkeit nicht hat. So wie ich es verstehe, bewegt sich die Organisation in Richtung der Position, dass es mit dem Zerfall eine neue Qualität in Bezug auf frühere Phasen des dekadenten Kapitalismus gibt, die sich durch eine Art absolute Dominanz der Fragmentierungstendenz auszeichnet. Dagegen gibt es für mich keine wesentliche Tendenz in der Phase des Zerfalls, die es nicht schon vorher gegeben hätte, insbesondere in der Zeit der Dekadenz des Kapitalismus ab dem Ersten Weltkrieg. Deshalb habe ich einen Änderungsantrag eingebracht am Ende von Punkt drei der Resolution zur internationalen Lage (vom Kongress abgelehnt), der wie folgt lautete: „Als solche ist die gegenwärtige Zerfallsphase keine qualitativ neue Periode innerhalb – oder jenseits – des dekadenten Kapitalismus, sondern ist – als Endphase des Kapitalismus – durch die äußerste Verschärfung aller Widersprüche des Kapitalismus im Niedergang gekennzeichnet“. Die neue Qualität des Zerfallsphase besteht auf dieser Ebene darin, dass alle bereits bestehenden Widersprüche einer untergehenden Produktionsweise aufs Äußerste verschärft werden. Dies gilt für die Tendenz „jeder gegen jeden“, die mit Sicherheit durch den Zerfall verstärkt wird. Aber auch die Tendenz zu Kriegen zwischen den Großmächten und damit zum Weltkrieg wird verschärft, ebenso wie alle Spannungen, die durch die Bestrebungen zur Bildung neuer imperialistischer Blöcke und durch die Bestrebungen, diese zu vereiteln, entstehen. Dies nicht zu verstehen, führt heute dazu, dass die Kriegsgefahr stark unterschätzt wird. Diese wird insbesondere durch die Versuche der Vereinigten Staaten geschürt, ihre immer noch bestehende militärische Überlegenheit gegenüber China zu nutzen, um dessen Aufstieg aufzuhalten. Ebenso unterschätzen wir ernsthaft die Gefahr militärischer Zusammenstöße zwischen der NATO und Russland (letzterer Konflikt ist zumindest kurzfristig potenziell noch gefährlicher als der chinesisch-amerikanische, da er ein größeres Risiko birgt, zu thermonuklearen Konflikten zu führen). Während sich die IKS fatalerweise der Unwahrscheinlichkeit eines Weltkrieges wegen der Nichtexistenz imperialistischer Blöcke versichert, besteht die gegenwärtig sehr große Gefahr in größeren Kriegen zwischen führenden Mächten, womit sie versuchen, sich entweder solchen Blöcken zu nähern oder umgekehrt solchen Versuchen zuvorzukommen. Aus Besorgnis über diesen besorgniserregenden Verlauf der Analyse der Organisation schlug ich am Ende von Punkt acht den folgenden Zusatz vor: „Während des gesamten dekadenten Kapitalismus bis heute hat von den beiden Hauptäußerungen des Chaos, das durch den Niedergang der bürgerlichen Gesellschaft erzeugt wurde – imperialistische Konflikte zwischen Staaten und Kontrollverlust innerhalb jedes nationalen Kapitals – in den zentralen Zonen des Kapitalismus die erstere Tendenz über die letztere gesiegt . Unter der Annahme, von der wir ausgehen, dass dies auch im Kontext des Zerfalls weiterhin der Fall ist, bedeutet dies, dass nur das Proletariat ein Hindernis für Kriege zwischen den Hauptmächten sein kann, nicht jedoch die Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse in diesen Ländern. Obwohl diese Spaltungen unter bestimmten Umständen den Ausbruch des imperialistischen Krieges verzögern, können sie ihn auch katalysieren.“ Auch diese Änderung wurde vom Kongress abgelehnt. Die Änderungskommission des Kongresses schrieb, diese Änderung laufe „in letzter Instanz auf eine Infragestellung des Zerfalls hinaus; es könnten neue Wohlstandszonen entstehen“. Ziel dieses Änderungsantrages war es jedoch nicht, neue Wohlstandszonen in Aussicht zu stellen, sondern vor der Illusion zu warnen, dass die Spaltungen innerhalb der unterschiedlichen nationalen herrschenden Klassen zwangsläufig ein Hindernis für Kriege zwischen Nationalstaaten darstellen. Weit davon entfernt, durch unsere Zerfallstheorie ausgeschlossen zu werden, bestätigen Konflikte zwischen den Großmächten eindrucksvoll gerade die Gültigkeit dieser Analyse. Der Zerfall ist die Beschleunigung, die barbarische Verschärfung aller Widersprüche des dekadenten Kapitalismus. Was die IKS einst wusste, aber jetzt zu vergessen droht, ist, dass das imperialistische ‘jeder gegen jeden’ nur der eine Pol des Widerspruchs ist. Der andere Pol ist die imperialistische Bipolarität durch das Auftauchen eines führenden Herausforderers der bestehenden Hauptmacht (eine Tendenz, die den Keim zur Bildung gegensätzlicher imperialistischer Blöcke in sich trägt, ohne damit identisch zu sein). Auf dieser Ebene leiden wir unter einem Mangel an theoretischer Aneignung unserer eigenen Position (oder an einem Verlust des Angeeigneten). Unter der Annahme, dass das ‘jeder gegen jeden’ grundlegend und konstitutiv für die Phase des Zerfalls ist, muss die bloße Vorstellung, dass der entgegengesetzte Pol der Bipolarität sich selbst verstärken und schließlich sogar die Oberhand gewinnen könnte, unsere Analyse in Frage stellen. Zwar wurde um 1989 mit dem Zerfall des Ostblocks (der den Westblock überflüssig machte) in der einleitenden Phase des Zerfalls die vielleicht stärkste Explosion aller gegen alle in der modernen Geschichte ausgelöst. Aber dieses ‘jeder gegen jeden’ war mehr das Ergebnis als die Ursache dieser historischen Kette von Ereignissen. Die Hauptursache war jedoch die Perspektivlosigkeit, das alles beherrschende „no future“, das diese Endphase kennzeichnet. In Bezug auf die herrschende Klasse hängt dieses „no future“ mit ihrer wachsenden Tendenz zusammen, im dekadenten Kapitalismus „irrational“, also gegen die eigenen Klasseninteressen, zu handeln. So gingen alle Hauptakteure des Ersten Weltkriegs geschwächt aus ihm hervor, und im Zweiten Weltkrieg wurden die zwei imperialistischen Hauptmächte der militärischen Offensive (Deutschland und Japan) beide besiegt. Aber diese Tendenz war noch lange nicht allumfassend, wie das Beispiel der Vereinigten Staaten zeigt, die sowohl militärisch als auch wirtschaftlich von ihrer Teilnahme an beiden Weltkriegen profitierten und dank ihrer überwältigenden wirtschaftlichen Überlegenheit gegenüber der Sowjetunion in gewissem Sinne in der Lage waren, den Kalten Krieg zu gewinnen, ohne einen weiteren Weltkrieg führen zu müssen. Im Gegensatz dazu es ist schwer vorstellbar, wie die heutige Rivalität zwischen den USA und China langfristig verhindern kann, dass es zu einem Krieg zwischen ihnen kommt oder wie beide Seiten von einem solchen Ergebnis profitieren könnten. Im Gegensatz zur UdSSR ist China nicht nur auf militärischer, sondern auch (und derzeit noch vor allem) auf wirtschaftlicher Ebene ein ernstzunehmender Herausforderer der amerikanischen Vorherrschaft, so dass es unwahrscheinlich ist, dass dieser Herausforderung ohne irgendwelche militärische Zusammenstöße wirksam begegnet werden kann. Genau aus diesem Grund ist die gegenwärtige chinesisch-amerikanische Rivalität eine der dramatischsten Ausdrucksformen der verallgemeinerten Zukunftslosigkeit der Endphase des Kapitalismus. Die chinesische Herausforderung an die USA hat offensichtlich das Potenzial, unsere Spezies Mensch an den Rand des Abgrunds zu bringen. In der vorliegenden Analyse der Organisation jedoch ist und kann China niemals ein ernsthafter globaler Herausforderer der USA werden, und zwar weil seine wirtschaftliche und technologische Entwicklung als „Zerfallsprodukt“ angesehen wird. Nach dieser Deutung kann China nicht mehr sein oder werden als ein halbentwickeltes Land, das nicht in der Lage ist, mit den alten Zentren des Kapitalismus in Nordamerika, Europa oder Japan Schritt zu halten. Bedeutet diese Interpretation nicht, dass die Organisation die Idee wenn nicht gerade eines Stillstands der Produktivkraftentwicklung – den wir mit Recht als Merkmal des dekadenten Kapitalismus immer ausgeschlossen haben – so zumindest von etwas nicht weit davon Entferntem für die Endphase der Dekadenz postuliert? Wie der/die aufmerksame LeserIn feststellen wird, verurteilt der 24. Kongress nicht nur die Idee einer globalen imperialistischen Herausforderung durch China als eine Infragestellung der theoretischen Zerfallsanalyse – die bloße Idee, dass China seine Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten seiner Rivalen verstärkt hat, wird als Ausdruck meiner angeblichen Illusionen über die Gesundheit des chinesischen Kapitalismus zurückgewiesen. Ebenso gilt meine Einschätzung, dass China im Umgang mit der Covid-Pandemie zumindest bisher besser abgeschnitten hat als sein amerikanischer Rivale, als Beleg für meine „Leugnung“ des globalen Charakters des Zerfalls. In Bezug auf die Pandemie habe ich die folgende Änderung zu Punkt fünf der Resolution vorgeschlagen (vom Kongress abgelehnt): „Für eine marxistische Analyse ist es wichtig, diese Unterschiede zu berücksichtigen, insbesondere insofern sie wesentliche Tendenzen aufzeigen, die bereits vor der Pandemie bestanden und durch sie forciert wurden. Drei solcher Tendenzen sind von besonderer Bedeutung: Erstens die Errichtung eines dritten großen Zentrums des Weltkapitalismus im Fernen Osten (neben Europa und Nordamerika), das auf einigen Ebenen die bereits etablierten Zentren an Modernität und kapitalistischer Effizienz sogar übertrifft. Zweitens der Aufstieg Chinas auf Kosten der Vereinigten Staaten. Drittens das Fiasko des „neoliberalen“ Staatskapitalismus angesichts der Pandemie (dessen Modell des „schlanken Staates“ ohne Reserven – „Just-in-Time-Produktion“ und -Lieferung – radikaler in den alten kapitalistischen Ländern angewandt wurde).“ Ich habe den Eindruck, dass für Organisation derzeit die unveränderlichen Gesetze des Kapitalismus in seiner Zerfallsphase nicht mehr gelten. Gibt es nicht immer Gewinner und Verlierer des bürgerlichen Konkurrenzkampfes? Wir haben bisher auch nie geleugnet, dass es in verschiedenen Ländern und Situationen unterschiedliche Entwicklungsgrade des Zerfalls geben kann. Warum das nicht mehr so sein soll, ist mir ein Rätsel. Ob in Bezug auf die Pandemie oder die Situation im Allgemeinen, unsere Anwendung des Etiketts des Zerfalls riskiert, eine Tendenz zu theoretischer Oberflächlichkeit und Faulheit zu begünstigen. Unser Verständnis von Zerfall gibt den Rahmen für die Analyse der Pandemie vor, ebenso wie für die Phase insgesamt, ebenso wie unser Verständnis von Dekadenz oder Kapitalismus insgesamt es tun. Dieser Rahmen, absolut notwendig, ist jedoch noch nicht die Analyse selbst. Wir riskieren, die beiden zu verwechseln, weil wir denken, dass wir die Analyse bereits durchgeführt haben, wenn wir den Rahmen angeben. Und was bedeutet es zu sagen, dass die „Entwicklung Chinas das Produkt des Zerfalls“ ist? Dass die Proletarisierung von 600 Millionen Bauern (ein bedeutender Teil einer kommenden proletarischen Weltrevolution) ein Produkt des Zerfalls ist? Wäre es nicht richtiger zu sagen, dass der Entwicklungsaspekt in China TROTZ Zerfall stattfindet?
Was die lebenswichtige Frage der Gefahr militärischer Zusammenstöße zwischen führenden Mächten wie den Vereinigten Staaten und China betrifft, so geht es nicht um eine Prognose, denn niemand weiß genau, was die Zukunft bringt. Was die Organisation ernsthaft unterschätzt, ist das, was im Hier und Jetzt vor ihren Augen real vor sich geht. Wie führende Vertreter der amerikanischen Bourgeoisie kürzlich selbst öffentlich gemacht haben, erwartete die chinesische Regierung noch vor dem Ende der ersten Amtszeit von Donald Trump einen amerikanischen Militärschlag. Zu diesem Schluss führte nicht nur die kriegerische Rhetorik des Weißen Hauses, sondern auch die große Eile, mit der Washington begann, seine Truppen aus dem Nahen Osten (Syrien) abzuziehen und zusätzliche Kräfte im Fernen Osten zu stationieren. Es ist daher eine plausible Hypothese, dass eines der Mittel der chinesischen herrschenden Klasse auf diese Bedrohung zu reagieren darin bestand, zu Beginn der Pandemie zuzulassen, dass das neue Virus als Mittel zum Chaosstiften an den Rest der Welt weitergegeben wurde, um die Pläne seines amerikanischen Rivalen zu durchkreuzen. Angesichts der Kritik an Aspekten von Trumps Außenpolitik durch die Demokratische Partei in den USA in dieser Phase ist davon auszugehen, dass Peking nach der Ablösung Trumps durch Joe Biden im Oval Office zunächst eine abwartende Politik eingeschlagen hat. Der jüngste noch kopflosere Rückzug Bidens aus Afghanistan, gefolgt von der Bildung des Militärbündnisses AUKUS, wird es davon überzeugt haben, dass Biden der gleichen Konfrontationslogik folgt wie Trump. Während laut dem berühmten US-Enthüllungsjournalisten Bob Woodward Trump den Einsatz von Atomwaffen gegen China erwog, diskutiert nun die US-„Sicherheitsgemeinschaft“ vor allem die politische Destabilisierung des bestehenden chinesischen Regimes, insbesondere durch die Verfolgung einer systematischen Provokationspolitik in der Taiwan-Frage. Dahinter steht die Annahme, dass, wenn Xi Jin Ping nicht militärisch auf Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans reagieren würde, oder aber wenn China zwar militärisch, aber erfolglos reagierte, dies in beiden Fällen zu einem immensem „Gesichtsverlust“ führen könnte. Und dieser könnte so groß sein, dass der Anfang des Endes der Herrschaft des Stalinismus in China eingeläutet würde (das darauffolgende Chaos im bevölkerungsreichsten Land der Erde würde von Washington als kleineres Übel gegenüber der gegenwärtig drohenden Fortsetzung des Aufstiegs seines chinesischen Herausforderers hingenommen). Im Namen einer vermeintlichen Verteidigung des Konzepts des Zerfalls hat die Organisation in Wirklichkeit begonnen, die Schärfe und Kohärenz der IKS-Analyse der Dekadenz zu untergraben. Bisher haben wir die Zeit des Niedergangs des Kapitalismus nicht nur als eine Epoche der Kriege und Revolutionen, sondern der Weltkriege und Weltrevolutionen verstanden. Die gegenwärtige Unterschätzung der eingebauten, angeborenen Tendenz des niedergehenden Kapitalismus zum Weltkrieg ist wirklich alarmierend.
Nun möchte ich zur zweiten grundlegenden Hauptdivergenz übergehen, derjenigen, die das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen betrifft. Ich schlug neben anderen Änderungsanträgen zum Klassenkampf die folgende Passage zu Punkt 32 vor, um die Schwere des proletarischen Rückzugs durch die drei wichtigsten politischen Niederlagen zu unterstreichen. Dieser vom Kongress ebenfalls abgelehnte Zusatz lautet wie folgt: „Seit der Rückkehr einer ungeschlagenen Generation auf den Schauplatz des Klassenkampfs im Jahr 1968 hat das Proletariat nacheinander drei wichtige politische Niederlagen erlitten, von denen jede die Schwierigkeiten der Klasse vergrößerte. Die erste Niederlage war die des anfänglichen Politisierungsimpulses. Die Linke und die Politik der „Linken an der Regierung“ (Erhöhung der Sozialausgaben) waren in den 1970er Jahren die Speerspitzen dieses Rollbacks, gefolgt in den 1980er Jahren von der Politik der Linken in der Opposition, die auf dem Terrain gegen die immer noch bestehende Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen in Richtung einer Umstellung auf eine „neoliberale“ Regierungs- und Wirtschaftspolitik mobilisierte. Eines der Ziele der letzteren war es, die Inflation einzudämmen, nicht zuletzt, weil sie durch die Erosion der Kaufkraft aller ArbeiterInnen Lohnkämpfe und die Möglichkeit ihrer Vereinigung begünstigte. So geschwächt, war die Arbeiterklasse in den 1980er Jahren nicht in der Lage, sich in die Richtung zu bewegen, die von der wirtschaftlichen Situation (internationale Krise, „Globalisierung“) gefordert und von den gigantischen Kämpfen von Frankreich 1968 bis Polen 1980 objektiv vorbereitet wurde: die Richtung der Massenbewegungen über Landesgrenzen hinweg. Die zweite Niederlage, die von 1989 (bei weitem die größte), die die Phase des Zerfalls einleitete, war durch die Tatsache gekennzeichnet, dass der Stalinismus durch seine eigene angeborene Zerfallsdynamik und nicht durch Arbeiterkämpfe gestürzt wurde. Die dritte Niederlage, die der letzten fünf Jahre, resultiert aus der Unfähigkeit der Klasse, angemessen auf die „Finanz“- und „Euro“-Krise zu reagieren. Sie hinterlässt ein Vakuum, das unter anderem durch Identitarismus und Populismus gefüllt wurde. Während der Schwerpunkt des weltweiten Rückschlags von 1989 in Osteuropa lag, konzentriert sich der jetzige im Moment auf die Vereinigten Staaten (zum Beispiel das Phänomen des Trumpismus) und auf Großbritannien (Brexit). Die Niederlage von 1989 und die jetzige Niederlage tragen die Merkmale einer politischen Niederlage im Kontext des Zerfalls. So schwerwiegend sie auch sind, sie sind keine Niederlagen von der gleichen Art wie jene, die während der Konterrevolution erlitten wurden. Es sind Niederlagen der Art, von denen sich das Proletariat noch erholen kann (deren Konzept wir auf unserem letzten Internationalen Kongress erklärt haben). Obwohl wir noch nicht abschätzen können, wie lange ihre Auswirkungen andauern könnten, können wir nicht länger ausschließen (über drei Jahrzehnte nach dem Beginn des weltweiten Rückzugs der proletarischen Sache im Jahr 1989), dass dieser Rückzug nach 1989 so lange dauern könnte wie die Konterrevolution, die etwa vier Jahrzehnte andauerte (von Mitte der 1920er bis Mitte der 1960er Jahre). Andererseits ist das Potenzial für eine schnellere Überwindung sehr real, denn die Ursache liegt vor allem auf der subjektiven Ebene, in dem dramatischen Trugschluss, dass es keine Alternative zum Kapitalismus gibt."
Schon in der Resolution des 23. Kongresses fiel auf, dass das Problem der Schwäche, die bald zum Fehlen einer proletarisch-revolutionären Perspektive wird, nicht im Mittelpunkt steht, um die Probleme der Arbeiterkämpfe in den 1980er Jahren zu erklären. In der vorliegenden Entschließung wird die Betonung erneut auf die negativen Auswirkungen des ‘jeder für sich’ und auf den Machiavellismus der Bourgeoisie bei der Förderung einer solchen Mentalität gelegt. Aber weil die Resolutionen sowohl des 23. als auch des 24. Kongresses weiterhin argumentieren, dass der Klassenkampf nach der Niederlage des Massenstreiks in Polen in den 1980er Jahren weiter vorangeschritten sei, können sie nicht vertieft erklären, warum das ‘jeder gegen jeden’ und diese Strategie der Bourgeoisie den Erfolg haben konnten, den sie zweifellos hatten. Diese Unfähigkeit, dieses Festhalten an der Analyse des Fortschritts des proletarischen Kampfes während der 80er Jahre (eine Analyse, die bereits damals falsch, aber angesichts der beträchtlichen Zahl wichtiger Arbeiterkämpfe in gewisser Weise verständlich war, heute jedoch viel weniger einleuchtet) ist umso bemerkenswerter, als dieses Jahrzehnt als dasjenige des „no future“ in die Geschichte eingegangen ist. Wie wir bereits in Bezug auf den Imperialismus festgestellt haben, werden die Kämpfe der 1980er Jahre in erster Linie unter dem Gesichtspunkt dieses „jedes gegen alle“ analysiert, ohne die zentrale Bedeutung des wachsenden Vertrauensverlusts des Proletariats in seine revolutionäre Perspektive jenseits des Kapitalismus anzuerkennen. Die Arbeiterkämpfe der späten 1960er und frühen 1970er Jahre beendeten das, was wir zurecht als die längste Konterrevolution der Geschichte bezeichneten. Nicht nur wegen ihres oft massiven, spontanen und selbstorganisierten Charakters, sondern auch, weil sie begannen, aus der ideologischen Zwangsjacke des Kalten Krieges auszubrechen, in der die einzige Wahl zwischen „Kommunismus“ (gemeint ist der Ostblock – oder alternativ China) oder „Demokratie“ (gemeint der Westblock) bestand. Mit der Erneuerung des proletarischen Kampfes tauchte die oft vage und verworrene, aber sehr wichtige Idee eines Kampfes auf, nämlich die Ablehnung des Ostens wie auch des Westens. Hierdurch wurde der Rahmen, den der Kapitalismus für einen 3.Weltkrieg gesetzt hat, infrage gestellt. Dies war zentral für das, was wir damals richtiger Weise als eine Änderung des Historischen Kurses von einem allgemeinen Krieg hin zu einem zunehmenden Klassenkampf beschrieben haben. Diese anfängliche Politisierung, obwohl im Westen zentriert, erreichte auch den Osten und wurde zu einem Hindernis für den Kriegskurs des Warschauer Paktes: die Idee, nicht nur den westlichen Kapitalismus (wo die Kerngebiete des Weltsystems lagen), sondern ebenso den Stalinismus im Osten herauszufordern und schließlich zu stürzen, durch Selbstorganisation und schließlich durch Arbeiterräte, die auf die Errichtung eines echten Kommunismus hinarbeiten würden. Dieser ersten Politisierung wurde bereits im Laufe der 1970er Jahre von der herrschenden Klasse erfolgreich entgegengewirkt, was dazu führte, dass nach der Niederschlagung des Massenstreiks 1980 in Polen immer mehr Arbeiter im Osten auf westliche Wirtschaftsmodelle zu setzen begannen, während in den zentralen Ländern des Westens die Kämpfe in den 80er Jahren zunehmend von der fatalen Haltung der „Politikverweigerung“ geprägt waren und sich demonstrativ auf rein wirtschaftlichem Terrain positionierten. Angesichts dieser Entpolitisierung erhoffte sich die IKS in den 1980er Jahren, dass diese wirtschaftlichen Kämpfe, insbesondere die Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften, in ihrem Verlauf zum Schmelztiegel einer vielleicht sogar noch höheren Stufe der Neupolitisierung werden könnten, eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. Die Realität des Scheiterns dieser Neupolitisierung wird, zumindest implizit, bereits (seit den letzten 1980er Jahren) von unserer Zerfallsanalyse erkannt, da sie die neue Phase als perspektivlos definiert. Laut der Resolution hat sich der proletarische Kampf trotz aller aufgetretenen Probleme im Grunde gut entwickelt, bevor er 1989 durch ein weltgeschichtliches Ereignis gestoppt wurde, das ihr als äußere Erscheinung erschien: dem Zusammenbruch des Ostblocks. So gesehen geht die IKS nun im Grunde davon aus, dass die überwältigendsten Auswirkungen dieses Ereignisses mit der Zeit nachlassen würden und es der Klasse ermöglichten, ihren früheren, im Wesentlichen gesunden Weg der Politisierung durch ihre Abwehrkämpfe irgendwie fortzusetzen. Die Organisation geht auch davon aus, dass der Politisierungsprozess im Vergleich zu den 1980er Jahren stärker von der Verschärfung der Wirtschaftskrise vorangetrieben wird, eine Verschärfung, die die Arbeiter sofort zum Kampf zwingt, sie ihrer Illusionen beraubt und ihnen die Augen für die Realität des Kapitalismus öffnet.
Im Gegensatz dazu lag die Hauptschwäche der Kämpfe aus meiner Sicht bereits in den 1980er Jahren nicht auf der Ebene ihrer wirtschaftlichen Kämpfe, sondern auf der politischen und theoretischen Ebene. Was die Organisation zu vergessen scheint, ist, dass eine Zunahme der Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen nicht notwendigerweise mit einer Zunahme des Umfangs und der Tiefe des Bewusstseins innerhalb des Proletariats einhergeht. Dass sogar das Gegenteil der Fall sein kann, zeigt der Verlauf der gesellschaftlichen Situation vor dem Zweiten Weltkrieg deutlich. In einigen westeuropäischen Ländern (wie Frankreich, Belgien, den Niederlanden und vor allem in Spanien), aber auch beispielsweise in Polen und (was noch wichtiger ist) in den Vereinigten Staaten, war die Kampfbereitschaft der Arbeiter während dieser Zeit in den 1930er Jahren viel stärker als in den 1920er Jahren entwickelt: dem Jahrzehnt der ersten Welle der Weltrevolution mit Zentrum in Russland und Mitteleuropa. Eine der Haupterklärungen für diese paradoxe Entwicklung ist leicht zu finden. Sie liegt in der Brutalität der Wirtschaftskrise, der großen Depression, die ab 1929 die ArbeiterInnen zur Selbstverteidigung zwang. Doch trotz dieser Kampfbereitschaft ging der Historische Kurs in Richtung eines zweiten Weltkriegs, nicht in Richtung einer Verschärfung des Klassenkampfs. Angesichts der Konterrevolution in der UdSSR und des Scheiterns der Revolution in Deutschland und anderswo in Mitteleuropa ging die Kampfbereitschaft der Arbeiter weltweit zurück. Weit davon entfernt, den Weg zum Weltkrieg zu blockieren, war es der herrschenden Klasse sogar möglich, diese Kampfbereitschaft für Kriegszwecke zu nutzen, insbesondere durch den „Antifaschismus“ („Hitler stoppen“) und die Verteidigung des angeblich sozialistischen Vaterlandes in der UdSSR. Nicht einmal die äußerst wichtigen und massiven Streiks in Italien während des Zweiten Weltkriegs konnten helfen, aus dieser politisch-ideologischen Falle auszubrechen. In Nordirland zum Beispiel gab es während des Zweiten Weltkriegs sehr große Streikbewegungen, die sich oft gerade in der Rüstungsindustrie konzentrierten, wobei die dortigen Arbeiter die Stärkung dessen, was Gewerkschafter ihre „Verhandlungsmacht“ nennen, gerade dank des Krieges erkannten, aber leider ohne die patriotische Kriegsstimmung, die auch diese Arbeiter erfasst hatte, in irgendeiner Weise zu schwächen. In diesem Sinne ist die Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen, obwohl sie ein unverzichtbarer Faktor ist, unzureichend sowohl für die Entwicklung der Politisierung als auch für die Beurteilung, ob der proletarische Kampf voranschreitet oder nicht. Dies zeigen nicht nur die Erfahrungen der 1930er und 1980er Jahre, sondern nicht weniger die gegenwärtige Situation. Natürlich haben wir in den letzten Jahren wichtige Widerstandskämpfe der ArbeiterInnen erlebt. Natürlich werden wir in der kommenden Zeit noch mehr von ihnen sehen. Selbstverständlich besteht angesichts der in vielen Bereichen immer dramatischer werdenden Verschlechterung der proletarischen Arbeits- und Lebensbedingungen (Auswirkungen der Wirtschaftskrise), angesichts der verbesserten „Verhandlungsposition“ in anderen Sektoren aufgrund eines dramatischen Mangels an ausreichend qualifizierten Arbeitskräften (Auswirkungen der kapitalistischen Anarchie) sogar eine gute Chance auf eine Steigerung solcher Kampfbereitschaft. Und ja, es gibt zahlreiche Beispiele, überdies inhaltlich sehr überzeugende Beispiele in der Geschichte, die beweisen, dass ArbeiterInnen auf Angriffe nicht nur mit großer Kampfbereitschaft reagieren können, sondern mit einer entsprechenden Entwicklung des Klassenbewusstseins (von 1848 bis 1968 – und die revolutionäre Welle, die während des Ersten Weltkriegs begann, war in erheblichem Maße auch eine Reaktion auf wirtschaftliches und soziales Elend). Aber was ist mit den kurzfristigeren Aussichten der proletarischen Politisierung in der gegenwärtigen konkreten Situation? Dass die 1960er und frühen 1970er Jahre gleichzeitig ein Aufwallen von Kampfgeist und Klassenbewusstsein erlebten, beweist nicht mehr, dass das Gleiche heute passiert, als das Beispiel der 1930er oder 1980er Jahre das Gegenteil beweisen würde. Gegenwärtig beruhigt sich die IKS damit, dass das Weltproletariat nicht bereit ist, in einen dritten Weltkrieg aufzubrechen – was auch stimmt. Aber auf dieser Ebene ähnelt die Situation nur scheinbar der nach 1968, als eine neue und unbesiegte Generation des Proletariats zum Haupthindernis für einen solchen Krieg wurde. Damals waren zwei rivalisierende imperialistische Blöcke vorbereitet, willens und in der Lage, einen dritten Weltkrieg zu entfesseln. Heute gibt es keine solche Bereitschaft seitens der herrschenden Klasse. Nicht nur das Proletariat will nicht in einen solchen Krieg marschieren, die Bourgeoisie selbst hat nicht die Absicht, mit irgendjemandem in einen dritten Weltkrieg zu marschieren. Das Ziel der chinesischen Bourgeoisie zum Beispiel ist es, die Vereinigten Staaten zu übertreffen und gleichzeitig einen Weltkrieg zu vermeiden, da diese militärisch immer noch weit überlegen sind und dies wahrscheinlich noch einige Zeit bleiben werden. Das Ziel der amerikanischen Bourgeoisie zum Beispiel ist in ihrem Bemühen, den Aufstieg Chinas zu stoppen, zu verhindern, dass China einen militärischen Block (insbesondere mit Russland) bildet, der die Wahrscheinlichkeit erhöhen würde, es schließlich zu wagen, einen dritten Weltkrieg zu beginnen. Wir sehen also, anders als zu Zeiten des Kalten Krieges plant heute niemand mehr einen dritten Weltkrieg. Im Gegenteil, die verschiedenen nationalen Kapitale/Bourgeoisien entwickeln größtenteils ihre unterschiedlichen Strategien, die alle darauf abzielen, ihren eigenen Einfluss und ihr Ansehen zu erhöhen und gleichzeitig den dritten Weltkrieg zu vermeiden. Aber eine der Fragen, die sich Revolutionäre stellen müssen, ist, ob all dies einen dritten Weltkrieg weniger wahrscheinlich macht als in der Zeit des Kalten Krieges? Die Antwort, die die IKS derzeit gibt, ist bejahend: Wir sind sogar so weit gegangen, von der Unwahrscheinlichkeit einer solchen Katastrophe zu sprechen. Diese Ansicht teile ich überhaupt nicht. Ich halte sie sogar für hochgefährlich – vor allem für unsere Organisation selbst. Aus meiner Sicht ist die Gefahr eines dritten Weltkriegs heute genauso groß, wenn nicht größer, als in den letzten zwei Jahrzehnten des Kalten Krieges, wobei die Hauptgefahr gerade darin besteht, dass die verschiedenen strategischen Manöver und taktisch-militärischen Tricks, die angeblich einen Weltbrand verhindern sollen, eben genau dazu führen werden. Vor diesem Hintergrund kann die Frage nach der Bereitschaft des Proletariats zum Aufmarsch in den Weltkrieg nicht mehr so gestellt werden wie während des Kalten Krieges (deshalb hat der 23. Kongress der IKS zurecht festgestellt, dass das Konzept des „Historischen Kurses“ nicht auf die heutige Situation anwendbar ist). Wir können zum Beispiel zustimmen, dass das Proletariat der USA derzeit nicht bereit ist, in China einzumarschieren. Aber wäre es der Bourgeoisie der Vereinigten Staaten in der gegenwärtigen Situation möglich, die Unterstützung der Bevölkerung für eine „harte militärische Aktion“ gegen China zu gewinnen, scheinbar und angeblich unterhalb der Schwelle eines globalen Krieges? Diese Frage ist meines Erachtens viel schwieriger zu beantworten – und die Lage für das Proletariat politisch noch heikler. Aber diese Frage stellt uns die konkrete historische Situation und nicht etwa die gegenwärtig abstrakte Frage einer hypothetischen Bereitschaft zum Weltkriegsaufmarsch. Letzterer kann auch dann stattfinden, wenn keiner der Hauptakteure dies beabsichtigt: Die Tendenz dazu wurzelt viel tiefer im Wesen des Kapitalismus als der Bereich der bewussten oder unbewussten Impulse der herrschenden Klasse, wobei dieser nur einer von vielen wichtigen Faktoren und weit davon entfernt ist, der wichtigste zu sein. In der gegenwärtigen Situation ist es von größter politischer Bedeutung, jeden schematischen, einseitigen Ansatz zu überwinden, der die Existenz imperialistischer Blöcke zur Voraussetzung für militärische Zusammenstöße zwischen den Großmächten macht. Nicht nur deshalb, weil die USA und Australien bereits den Kern eines längerfristigen Militärbündnisses gegen China geschaffen haben, dessen innere Hülle derzeit ihr „AUKUS“-Abkommen mit Großbritannien, dessen äußere Hülle ihr „QUAD“-Abkommen ist in Form der Zusammenarbeit mit Japan und Indien. Vor allem aber, weil dies zu anderen Faktoren von ähnlicher oder sogar noch größerer Bedeutung führt, von denen einer darin besteht, dass die beiden imperialistischen Hauptkonkurrenten von Ressentiments und Rachsucht erfüllt sind. Im Falle Chinas ist es der verletzte Stolz einer Großmacht, die sich von ihren ehemaligen Kolonialherren, dem barbarischen Westen oder Japan, gedemütigt fühlt. Wie wichtig solche Faktoren sein können, zeigt beispielsweise die Situation nach dem Ersten Weltkrieg, als viele MarxistInnen nach der Niederlage des deutschen Imperialismus dachten, der nächste Weltkrieg würde zwischen dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten als den stärksten der verbliebenen Großmächte ausgetragen werden. Demgegenüber hat Rosa Luxemburg bereits während des Ersten Weltkriegs zurecht vorausgesagt, dass die Konstellation eines zweiten Weltkriegs aufgrund des Ausmaßes des Hasses und der Rachegelüste, die dieser ausgelöst hatte, eine Art Fortsetzung des ersten Weltkriegs sein würde. Vor diesem Hintergrund ist es von großer Bedeutung, dass in den letzten Jahren aus dem Schoß der bürgerlichen Gesellschaft der Vereinigten Staaten jene Ressentiments krochen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Hass aufweisen, der Deutschland seinerzeit nach seiner Niederlage im Ersten Weltkrieg eingeimpft wurde, was als Ausdruck der „Demütigung von Versailles“ empfunden wurde, die auf den Krieg folgte. Der Inbegriff dieses Phänomens in den USA von heute ist, dass Amerika seit 1989 die militärische und finanzielle Last getragen hat, den Globus zu überwachen. Der Rest der Welt hat die Gelegenheit genutzt, seinem Wohltäter den Dolch in den Rücken zu stoßen, insbesondere auf wirtschaftlicher Ebene, um Millionen von „amerikanischen Arbeitsplätzen“ zu vernichten. Auf diesem Hintergrund ist eine sehr starke „öffentliche Meinung“ entstanden, die es ablehnt, „amerikanische Leben und amerikanische Dollars“ im Ausland zu verschwenden, unter welchem Vorwand auch immer (sei es „humanitäre Hilfe“, „demokratischer Kreuzzug“ oder „Nationenbildung“). Hinter dem, was sich nach einer starken Antikriegsreaktion anhört, steckt leider auch, ja sogar in erster Linie, ein virulenter amerikanischer Nationalismus, der nicht den Militärabzug erst aus Syrien (unter Trump) und dann aus Afghanistan (unter Biden) an sich erklärt, sondern vor allem den chaotischen und überstürzten Charakter dieser Evakuierungen: Wer in der Lage ist, „unsere Jungs und Mädels“ am schnellsten aus solchen Ländern herauszuholen, ist zu einem wichtigen Faktor im wütenden Machtkampf innerhalb der US-Bourgeoisie geworden. Dieser Nationalismus stellt eine große politische Gefahr für das Proletariat der Vereinigten Staaten dar, da er in der Lage ist, eine starke, auf den Krieg gerichtete Anziehungskraft zu erzeugen, sobald er sich gegen den „wirklichen“ Feind richtet (nicht die Taliban, sondern China, ein Land, das als Auslöscher der amerikanischen Industrie dargestellt wird). Nichts davon bedeutet, dass der Ausbruch der zerstörerischsten Formen kapitalistischer Kriegsführung in den kommenden Jahren unvermeidlich ist. Er ist nicht unvermeidlich. Aber die Tendenz in diese Richtung ist unvermeidlich, solange der Kapitalismus weiter herrscht.
In Bezug auf das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen hat die Organisation argumentiert, dass sich meine Position der des „Modernismus“ annähert. Unter Modernismus versteht man in diesem Zusammenhang den Wunsch, den Arbeiterkampf durch eine andere zentrale Kategorie für die moderne bürgerliche Gesellschaft zu ersetzen (wie sie in der Vergangenheit postuliert wurde, etwa den Kampf zwischen Arm und Reich oder zwischen Befehlsgebern und Befehlsempfängern). Der Begriff „modernistisch“ wurde von verschiedenen politischen Strömungen nach dem Zweiten Weltkrieg verwendet, um sich von dem abzugrenzen, was sie für ein inzwischen nicht mehr existierendes Konzept von Arbeiterkämpfen hielten. Andererseits ist auch anzumerken, dass die Ablehnung oder Unterschätzung der defensiven Arbeiterkämpfe viel älter ist als die modernistische Strömung. Schon im 19. Jahrhundert haben die Lassalle-Anhänger in Deutschland beispielsweise gegen Streiks der Arbeiter auf der Grundlage von Lassalles Theorie des „ehernen Lohngesetzes“ argumentiert, wonach nicht einmal vorübergehende Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durch Lohnkämpfe möglich seien. In den 1920er Jahren begann die sogenannte Essener Tendenz der linkskommunistischen KAPD, auch in Deutschland die Notwendigkeit des alltäglichen Arbeiterkampfes mit dem Argument abzulehnen, dass nur die Revolution selbst die Klasseninteressen verteidigen könne. Es gibt daher verschiedene Argumente und sogar Traditionen, die die Bedeutung des alltäglichen Klassenkampfs in Frage stellen, nicht nur die des modernistischen Ansatzes. Allen gemeinsam ist die irrige und fatale Unterschätzung der Rolle des alltäglichen Arbeiterkampfes. Ich für meinen Teil teile weder die modernistische Auffassung noch die von Lassalle oder der Essener Tendenz. Im Gegenteil stimme ich mit dem Rest der IKS über die Bedeutung der defensiven Dimensionen des Arbeiterkampfes überein. Bei der Meinungsverschiedenheit in der IKS geht es nicht darum, ob diese Kämpfe wichtig sind oder nicht. Es geht darum, welche Rolle sie in der gegebenen historischen Situation spielen können und müssen. Notwendigerweise muss sich eine solche Diskussion nicht nur mit dem Potenzial dieser Kämpfe auseinandersetzen, sondern auch mit ihren möglichen Grenzen. Die historische Situation heute ist dadurch gekennzeichnet, dass das Weltproletariat das Vertrauen in seinen revolutionären Kompass und in seine Klassenidentität verloren hat. Einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden, ist jetzt eindeutig die zentrale Aufgabe des revolutionären Proletariats. Angesichts dieser Situation fragt sich die IKS: Welche materiellen Kräfte können realistischer Weise einen Weg nach vorne aufzeigen? Die Antwort, die die Organisation derzeit gibt, ist, dass vor allem der tägliche Klassenkampf dieses Potenzial hat. Diese Antwort enthält ein wichtiges Moment der Wahrheit. Auch wenn die ganze Welt die Vorstellung teilen würde, dass der proletarische Klassenkampf der Vergangenheit angehöre, ist er in Wirklichkeit nicht nur sehr lebendig, er ist sogar unzerstörbar, solange der Kapitalismus existiert. Die IKS hat daher absolut recht, wenn sie auf die Dynamik der Klassenantagonismen, auf die Widersprüche der bürgerlichen Produktionsweise, auf das durch die kapitalistische Krise verursachte Leid des Proletariats, auf die Widerstandsfähigkeit der proletarischen Reaktion vertraut. Dinge, die zeigen, dass wir immer noch in einer Klassengesellschaft leben, deren Widersprüche nur durch die Überwindung des Kapitalismus durch das Proletariat gelöst werden können. Ich für meinen Teil kritisiere diese Positionierung keineswegs. Was ich kritisiere, ist ihre Einseitigkeit, die Unterschätzung der theoretischen Dimension des Arbeiterkampfes. Ohne den täglichen Klassenkampf gäbe es weder eine kommunistische Perspektive noch eine proletarische Klassenidentität. Ungeachtet dessen sind weder die kommunistische Perspektive noch die Klassenidentität ein DIREKTES Produkt des unmittelbaren Arbeiterkampfes. Sie sind insbesondere aufgrund ihrer theoretischen Dimension ihr indirektes Produkt. Der proletarische Klassenkampf ist keine mehr oder weniger sinnlose Revolte, er reagiert auch nicht einfach mechanisch auf die Verschlechterung seiner Lage wie die Hunde von Professor Pawlow. Die Abstraktheit der kapitalistischen Verhältnisse zwingt das Proletariat, den Umweg der Theorie zu gehen, um die Klassenherrschaft verstehen und überwinden zu können. Nicht nur die Perspektive des Kommunismus, sondern auch die proletarische Klassenidentität haben eine wesentliche theoretische Dimension, die selbst die größten wirtschaftlichen und politischen Bewegungen bis hin zum Massenstreik und einschließlich desselben erweitern, aber niemals ersetzen können. Sowohl das Schmieden einer revolutionären Perspektive als auch einer angemessenen Klassenidentität ist ohne die Waffe des Marxismus unmöglich. In den Anfängen der Arbeiterbewegung war dies weniger der Fall, weil der Kapitalismus und die bürgerliche Klasse noch nicht weit genug entwickelt waren, die proletarische Revolution noch nicht auf der „Agenda der Geschichte“ stand. Unter solch noch unausgereiften Bedingungen halfen mehr oder weniger utopische und/oder sektiererische Versionen des Sozialismus der Arbeiterklasse immer noch, ihr revolutionäres Bewusstsein und eine eigene Klassenidentität zu entwickeln. Unter den Bedingungen des dekadenten totalitären Staatskapitalismus ist dies nicht mehr möglich: Die verschiedenen nicht-marxistischen Versionen des „Antikapitalismus“ können den Kapitalismus nicht in Frage stellen, sondern bleiben in seiner Logik gefangen. Mein Beharren auf der Unverzichtbarkeit dieser theoretischen Dimension wurde von der Organisation als Ausdruck einer Geringschätzung gegenüber dem täglichen Kampf der Arbeiter missverstanden. Bedeutsamer aber war vielleicht die Kritik, die gegen mich gerichtet wurde, dass ich eine „substitutionistische“ Auffassung des Klassenkampfes verteidige. Mit „substitutionistisch“ ist hier gemeint, dass ich angeblich denke, dass die theoretische Arbeit von gerade einmal ein paar hundert LinkskommunistInnen (in einer Welt mit weit über sieben Milliarden Menschen) allein einen wesentlichen Beitrag dazu leisten könne, das Blatt zugunsten des Proletariats zu wenden. Ich denke in der Tat, dass theoretische Arbeit unerlässlich ist, um das Blatt zu wenden. Aber diese Arbeit muss nicht nur von einigen hundert LinkskommunistInnen geleistet werden, sondern von Millionen ProletarierInnen. Die theoretische Arbeit ist nicht die Aufgabe von Revolutionären allein, sondern die Aufgabe der Arbeiterklasse als Ganzes. Da der Entwicklungsprozess des Proletariats ein ungleichmäßiger ist, ist es insbesondere die Aufgabe der stärker politisierten Schichten des Proletariats, diese Aufgabe zu übernehmen; von Minderheiten also, ja, aber potenziell doch Millionen von ArbeiterInnen umfassend, die, anstatt sich (substitutionistisch) an die Stelle des Ganzen zu setzen, nach vorne drängen, um den Rest zu stimulieren. Die Revolutionäre haben die spezifische Aufgabe, diese von Millionen zu leistende Reflexion zu orientieren und zu bereichern. Diese Verantwortung von Revolutionären ist mindestens genauso wichtig wie beispielsweise die Intervention gegenüber Streikbewegungen. Die Organisation hat jedoch vielleicht vergessen, dass die proletarischen Massen in der Lage sind, sich an dieser Arbeit der theoretischen Reflexion zu beteiligen. Dieses Vergessen drückt meines Erachtens einen Vertrauensverlust in die Fähigkeit des Proletariats aus, einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden, in die der Kapitalismus die Menschheit gefangen hält. Dieser Vertrauensverlust äußert sich in der Ablehnung jeder Vorstellung, dass das Proletariat in den Jahrzehnten nach 1968 wichtige politische Niederlagen erlitten hat. Ohne dieses Selbstvertrauen spielen wir die Bedeutung dieser sehr schwerwiegenden politischen Rückschläge herunter und trösten uns mit den täglichen Verteidigungskämpfen als dem wichtigsten Schmelztiegel für einen Weg nach vorne – in meinen Augen ist dies ein bedeutendes Zugeständnis an eine „ökonomistische“ Herangehensweise an den Klassenkampf, wie sie bereits Anfang des 20. Jahrhunderts von Lenin und Rosa Luxemburg kritisiert wurde. Das Verständnis eines „unbesiegten Proletariats“, das in den 1970er und noch in den 1980er Jahren eine richtige und sehr wichtige Erkenntnis war, ist zu einem Glaubensartikel, einem leeren Dogma geworden, zu einem Verständnis, das eine ernsthafte, wissenschaftliche Analyse der Kräfteverhältnisse verhindert. In einem Änderungsantrag zu Punkt 35, betreffend die Bewusstseinsbildung in Bezug auf die Kriegsfrage, habe ich folgenden Zusatz vorgeschlagen (vom Kongress abgelehnt): „In letzter Zeit hat sich die Lage jedoch zu ändern begonnen. Seitdem die Rivalität zwischen den USA und China zum zentralen Antagonismus (nicht umkehrbaren Widerspruch) des Weltimperialismus geworden ist, eröffnet sich die Möglichkeit, dass das Proletariat eines fernen Tages beginnt, die Unersättlichkeit des Imperialismus im Kapitalismus zu begreifen. Wenn beide Faktoren, sowohl die Wirtschaftskrise als auch der Krieg unter günstigen Umständen zu einer revolutionären Politisierung beitragen können, ist es vernünftig anzunehmen, dass die Kombination beider Faktoren noch effektiver sein kann als jeder Einzelfaktor von ihnen für sich.“ Die Änderungskommission des Kongresses schrieb zur Begründung, dass „diese Idee abgelehnt werden muss, da sie nicht berücksichtigt, dass die Bourgeoisie keinen Krieg entfesseln kann”.
Steinklopfer (Dez. 2021)
[1] Interne Debatte in der IKS über die internationale Lage [37], IKSonline Januar 2021
[2] 24. Internationaler Kongress der IKS: Resolution zur internationalen Lage [38], Internationale Revue Nr. 57
Am 1. Februar streikten rund eine halbe Million Beschäftigte aus verschiedenen Sektoren in Großbritannien: Eisenbahnen, Busse, Beamte und vor allem Beschäftigte im Bildungswesen, sowohl an Schulen als auch an Universitäten. Dies war die größte Zahl von Beschäftigten die an einem Tag streikten, seit die Streikwelle in Großbritannien im letzten Sommer begann.
Als Reaktion auf das wachsende Gefühl in der Arbeiterklasse, dass "wir alle im selben Boot sitzen" und dass wir gemeinsam kämpfen müssen, verwenden die militanteren Gewerkschaftsführer wie Mick Lynch, die von ihren Anhängern in der extremen Linken (Socialist Workers Party SWP, usw.) unterstützt werden, seit einiger Zeit eine radikalere Sprache und sprechen von der Notwendigkeit der Einheit und Solidarität der Arbeiterklasse und sogar von koordinierten Streikaktionen[i]. Und obwohl die Gewerkschaften bisher darauf bedacht waren, Großdemonstrationen zu vermeiden, die sich aus allen an der aktuellen Bewegung beteiligten Sektoren zusammensetzen, zog am 1. Februar in Bristol eine "gemeinsame Kundgebung" der Beschäftigten im Bildungswesen, der Beamten und der Eisenbahner rund 3.000 Arbeiter an. In London versammelte sich eine viel größere Demonstration, wahrscheinlich Zehntausende, am Portland Place und marschierte nach Westminster. Neben den Bannern der Nationalen Bildungsgewerkschaft und der Universitäts- und Hochschulgewerkschaft gab es auch kleine Kontingente der RMT (Rail-Maritime-Transport) und der Gesundheitsgewerkschaft sowie eine größere Zahl von Beamten. Auch in einer Reihe anderer Städte wie Leeds und Liverpool gab es kleinere Demonstrationen.
Diese Demonstrationen zeigten eine starke Präsenz junger Arbeiter und Arbeiterinnen, von denen viele mit selbstgebastelten Plakaten anreisten und die besonders laut jubelten, wenn neue Arbeitnehmerkontingente, egal aus welchem Sektor, eintrafen. Solche Veranstaltungen bieten die Gelegenheit, durch die Zugehörigkeit zu einer größeren Bewegung Selbstvertrauen zu gewinnen.
Aber wie es der Titel des von unserer Sektion in Frankreich herausgegebenen Flugblatts ausdrückt: "Es reicht nicht aus, in großer Zahl zu erscheinen, wir müssen unsere Kämpfe selbst in die Hand nehmen". In Frankreich ist die Zahl der Streiks zwar viel geringer als in Großbritannien, aber die Gewerkschaften haben zu großen Demonstrationen aufgerufen, um gegen die Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre zu protestieren. Am letzten "Aktionstag" waren ungefähr 2 Millionen auf der Straße. Aber unsere Genossen wiesen darauf hin, dass bei früheren Kämpfen gegen die Rentenreformen, 2010 und 2019, große Demonstrationen allein die Regierung nicht dazu gezwungen hatten, ihre Angriffe zurückzunehmen; und die Demonstrationen selbst wurden zu einer Art ritueller Veranstaltung, die darin bestand, "mit den Kollegen zusammen zu kommen, mit den Kollegen unter dem ohrenbetäubenden Lärm der Beschallungsanlagen zu gehen und mit den Kollegen zu gehen. Keine Versammlung, keine Debatte, kein wirkliches Treffen. Diese Demonstrationen wurden damals auf den Ausdruck einer einfachen Parade reduziert".
Genau das Gleiche könnte man über die Demonstrationen in Großbritannien vom 1. Februar sagen. Ein Großteil des Enthusiasmus entstand zu Beginn der Demonstrationen, als sich die Arbeiter und Arbeiterinnen versammelten und sich bewusst wurden, dass sie an etwas teilnahmen das über ihren eigenen Arbeitsplatz oder ihren speziellen Sektor hinausging, aber sobald die Demonstration zu seinem vororganisierten Ende kam, nachdem sie passiv einigen Reden von Gewerkschaftsfunktionären zugehört hatten, suchte die große Mehrheit der Teilnehmer die nächste U-Bahn-Station auf und ging nach Hause. Noch einmal: keine Versammlung, keine Debatte, kein wirkliches Treffen.
Der gleiche Prozess der "Entmachtung" ist bei einem anderen charakteristischen Element der aktuellen Streikwelle zu beobachten: den Streikposten. Die Organisation von Streikposten am Eingang von Betrieben an Streiktagen ist ein elementarer Ausdruck von Solidarität, und es ist offensichtlich, dass eine der Aufgaben dieser Streikposten darin besteht, so viele Kollegen wie möglich zum Streik zu bewegen. Und das Engagement der Arbeitnehmer im Kampf hat sich in den letzten Monaten bei vielen Gelegenheiten gezeigt, als sich Dutzende und sogar Hunderte von Arbeitnehmern an der Streikpostenkette beteiligten und dabei routinemäßig die Gesetze ignorierten, welche die Streikpostenketten formell auf 6 Streikende beschränken.
Doch wie bei den von den Gewerkschaften organisierten Kundgebungen und Demonstrationen, bei denen die Arbeitnehmer weitgehend in getrennte Gruppen aufgeteilt sind und ihre jeweiligen Gewerkschaftsfahnen schwenken, werden auch bei den "offiziellen" Streikpostenketten die wichtigsten Grenzen des Kampfes akzeptiert, die durch die so genannten "gewerkschaftsfeindlichen" Gesetze auferlegt werden, die eigentlich verhindern sollen, dass die Aktionen der Beschäftigten der Kontrolle der Gewerkschaften entgehen, und die daher vom Gewerkschaftsapparat rigoros durchgesetzt werden. Die Aufforderung an die Kolleginnen und Kollegen im eigenen Betrieb, die einer anderen oder gar keiner Gewerkschaft angehören, die Streikpostenlinie nicht zu überqueren, und insbesondere die Entsendung von Streikposten in andere Betriebe und Sektoren mit der Aufforderung, sich dem Kampf anzuschließen - all dies sind illegale "Sekundärstreikposten", die die Gefahr einer wirklichen Vereinheitlichung der Arbeiterkämpfe in sich bergen. Das Ergebnis ist, dass Streikposten unter gewerkschaftlicher Kontrolle letztendlich als Grenzen fungieren, die die Beschäftigten voneinander trennen.
Das Flugblatt unserer französischen Sektion weist auch darauf hin, dass die Kämpfe gegen die Renten-"Reformen" in den Jahren 2010 und 2019 zwar mit einer Niederlage endeten, dass aber 2006 der Kampf gegen den CPE, ein Gesetzesvorschlag der Regierung, der die Arbeitsplatzunsicherheit für Berufsanfänger institutionalisieren würde, anders verlief: "Im Jahr 2006 organisierten die prekären Studenten große Vollversammlungen an den Universitäten, an denen Beschäftigte, Arbeitslose und Rentner teilnahmen und die ein gemeinsames Motto hatten: den Kampf gegen die Prekarisierung und die Arbeitslosigkeit. Diese Versammlungen waren die Lunge der Bewegung, wo Debatten geführt und Entscheidungen getroffen wurden.
Ergebnis: An jedem Wochenende nahmen mehr und mehr Sektoren an den Demonstrationen teil. Arbeiter und Rentner schlossen sich den Studenten an, unter dem Slogan: "Junge Schmalzstullen, alte Croutons, alle derselbe Salat". Die französische Bourgeoisie und die Regierung sahen sich angesichts dieser Vereinheitlichungstendenz der Bewegung gezwungen, ihren CPE zurückzuziehen".
Was die herrschende Klasse zum Einlenken zwingt - auch wenn sie der Arbeiterklasse keine dauerhaften Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen mehr zugestehen kann - ist der Anblick einer Arbeiterklasse, die alle Spaltungen zwischen Gewerkschaft und Berufsstand zu überwinden droht und diese Einheit durch ihre Vollversammlungen und gewählten Streikkomitees, den Keimzellen der künftigen Arbeiterräte, organisiert. Und die gegenwärtigen Kämpfe der Arbeiterklasse in Großbritannien und in anderen Ländern - auch wenn sie immer noch durch die korporatistische Ideologie belastet sind, die jedem Sektor seine eigenen Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern, seine eigenen besonderen Forderungen zugesteht - enthalten das Potenzial für dieses Wiederauftauchen der Arbeiterklasse als eine wirkliche Macht in der Gesellschaft, als eine Kraft für eine radikale Veränderung der Gesellschaft.
Deshalb ist selbst die kleinste Ansammlung von Arbeitern, sei es an den Streikpostenketten oder bei Kundgebungen und Märschen, die anfangen zu hinterfragen, warum die Kämpfe immer noch so gespalten sind, die sich nicht mit der leeren Rhetorik der Gewerkschaften zufrieden geben, die das Problem aufwerfen, was die effektivste Art des Kampfes ist - ein wichtiger Schritt im Kampf, den revolutionäre Organisationen bei jeder Gelegenheit ermutigen sollten.
Amos 4. 2. 2023
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Generalstreiks und Massendemonstrationen am 7. März in Frankreich, am 8. März in Italien, am 11. März in Großbritannien. Überall wächst die Wut und dehnt sich aus.
In Großbritannien hält eine historische Streikwelle seit neun Monaten an! Nachdem das britische Proletariat jahrzehntelange Sparmaßnahmen ohne Murren über sich ergehen lassen musste, nimmt es die Opfer nicht mehr hin. "Enough is enough! (Genug ist genug!). In Frankreich war es die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters, die das Feuer entfachte. Die Demonstrationen brachten Millionen von Menschen auf die Straße. "Nicht ein Jahr länger, nicht ein Euro weniger". In Spanien bilden sich riesige Kundgebungen gegen den Zusammenbruch des Gesundheitssystems und in vielen Bereichen (...) brechen Streiks aus (Reinigung, Transport, IT, ...). "La indignación llega de lejos (Die Empörung kommt von weit her), erkannten die Zeitungen. In Deutschland, das von der Inflation im Würgegriff gehalten wird, legen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und ihre Kollegen bei der Post die Arbeit für höhere Löhne in Warnstreiks nieder. "Das hat es in Deutschland seit langem nicht mehr gegeben". In Dänemark kam es zu Streiks und Demonstrationen gegen die Streichung eines Feiertags, um die Erhöhung des Militärhaushalts zu finanzieren. In Portugal protestieren Lehrer, Eisenbahner und Pflegekräfte ebenfalls gegen niedrige Löhne und hohe Lebenshaltungskosten. Niederlande, Dänemark, USA, Kanada, Mexiko, China... die gleichen Streiks gegen die gleichen unerträglichen und unwürdigen Lebensbedingungen: "Der wahre Horror lautet: nicht mehr heizen, nicht mehr ausreichend essen, keine medizinische Behandlung mehr, wie eine Zitrone ausgepresst zu werden.“
Diese Gleichzeitgkeit der Kämpfe in all diesen Ländern ist kein Zufall. Sie bestätigt einen echten Stimmungswandel innerhalb unserer Klasse. Nach dreißig Jahren der Resignation und Niedergeschlagenheit sagen wir durch unsere Kämpfe: "Wir lassen uns nicht mehr alles gefallen. Wir können und müssen uns wehren".
Diese Rückkehr der Kampfbereitschaft der Arbeiter und Arbeiterinnen ermöglicht es uns, im Kampf zusammenzustehen, im Kampf solidarisch zu sein, uns im Kampf stolz, würdig und vereint zu fühlen. Ein ganz einfacher, aber äußerst wertvoller Gedanke keimt in unseren Köpfen: Wir sitzen alle im selben Boot! Beschäftigte in weißen Kitteln, blauer Arbeitskleidung oder mit Krawatte; Arbeitslose, Prekarisierte, Studenten, Rentner, aus allen Bereichen, aus dem öffentlichen und dem privaten Bereich - wir alle beginnen, uns als eine soziale Kraft zu erkennen, die durch die gleichen Ausbeutungsbedingungen vereint ist. Wir leiden unter der gleichen Ausbeutung, der gleichen Krise des Kapitalismus, den gleichen Angriffen auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Wir führen denselben Kampf. Wir sind die Arbeiterklasse.
"Workers stand together! (Die Arbeiter halten zusammen), rufen die Streikenden in Großbritannien. "Entweder wir kämpfen zusammen, oder wir werden am Ende auf der Straße schlafen!", bestätigen die Demonstranten in Frankreich.
Einige Kämpfe in der Vergangenheit zeigen, dass es möglich ist, eine Regierung zurückzudrängen und ihre Angriffe zu bremsen.
1968 vereinigte sich das Proletariat in Frankreich, indem es seine Kämpfe selbst in die Hand nahm. Nach den riesigen Demonstrationen am 13. Mai 1968 gegen die polizeiliche Repression gegen die Studenten breiteten sich die Arbeitsniederlegungen und Vollversammlungen wie ein Lauffeuer in den Fabriken und an allen Arbeitsplätzen aus und führten mit 9 Millionen Streikenden zum größten Streik in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Angesichts dieser Dynamik der Ausweitung und Einheit des Arbeiterkampfes beeilten sich Regierung und Gewerkschaften, ein Abkommen über allgemeine Lohnerhöhungen zu unterzeichnen, um die Bewegung zu stoppen.
Als 1980 in Polen die Lebensmittelpreise stiegen, nahmen die Streikenden den Kampf in die Hand, indem sie sich in riesigen Vollversammlungen zusammenschlossen, selbst über Forderungen und Aktionen entschieden und vor allem ständig darauf bedacht waren, den Kampf auszuweiten. Angesichts dieser Kraft zitterte nicht nur die polnische herrschende Klasse, sondern die Bourgeoisie aller Länder.
Im Jahr 2006 zog die Regierung in Frankreich nach nur wenigen Wochen der Mobilisierung ihren "Contrat Première Embauche - CPE" (Vertrag zur Ersteinstellung) zurück. Was war der Grund dafür? Was hat die Bourgeoisie so erschreckt, dass sie so schnell zurückweichen musste? Die unter prekären Verhältnissen lebenden Studenten organisierten an den Universitäten massive Vollversammlungen, die auch Arbeitern, Arbeitslosen und Rentnern offenstanden; sie stellten eine einigende Parole in den Vordergrund: den Kampf gegen Prekarisierung und Arbeitslosigkeit. Diese Vollversammlungen waren das Herz der Bewegung, dort, wo die Debatten geführt und die Entscheidungen getroffen wurden. Das Ergebnis war, dass jedes Wochenende immer mehr Bereiche an den Demonstrationen teilnahmen. Lohnarbeitende und Rentner und Rentnerinnen schlossen sich den Studenten an, unter dem Motto: "Junge Speckwürfel, alte Croûtons, alle denselben Salat". Die französische herrschende Klasse und ihre Regierung hatten angesichts dieser Tendenz zur Vereinigung der Bewegung keine andere Wahl, als ihren CPE zurückzuziehen.
All diesen Bewegungen ist gemeinsam, dass die Arbeitnehmer selbst die Kämpfe in die Hand nehmen!
Heute, als abhängig Beschäftigte, Arbeitslose, Rentner, prekär beschäftigte Studierende, fehlt uns noch das Vertrauen in uns selbst, in unsere kollektive Kraft, um es zu wagen, unsere Kämpfe in die Hand zu nehmen. Aber es gibt keinen anderen Weg. Alle von den Gewerkschaften vorgeschlagenen "Aktionen" führen in die Niederlage. Mahnwachen, Streiks, Demonstrationen, Blockade der Wirtschaft ... all das führt zu nichts, wenn diese Aktionen unter gewerkschaftlicher Kontrolle bleiben! Wenn die Gewerkschaften die Form ihrer Aktionen je nach den Umständen ändern, dann nur, um jeweils ihr Grundinteresse zu verfolgen: die Branchen zu spalten und voneinander zu isolieren, um zu verhindern, dass wir selbst über die Führung des Kampfes diskutieren und entscheiden.
Was haben die Gewerkschaften in Großbritannien in den letzten neun Monaten getan? Sie zerstreuen die Gegenwehr der Arbeiter: Jeden Tag wird ein anderer Bereich bestreikt. Jeder in seiner Ecke, jeder an seinem Streikposten. Es gibt keine Versammlung, keine kollektive Debatte, keine wirkliche Einheit im Kampf. Dabei handelt es sich nicht um einen Strategiefehler, sondern um eine absichtliche Spaltung.
Wie gelang es der Thatcher-Regierung 1984/85, der Arbeiterklasse in Großbritannien das Rückgrat zu brechen? Dank der schmutzigen Arbeit der Gewerkschaften, die die Bergarbeiter von denjenigen aus anderen Branchen isolierten. Sie trieben sie in einen langen und hilflosen Streik. Über ein Jahr lang besetzten die Bergarbeiter die Schächte mit der Devise "Blockade der Wirtschaft". Allein und machtlos kämpften die Streikenden bis ans Ende ihrer Kräfte und ihres Mutes. Und ihre Niederlage war die Niederlage der gesamten Arbeiterklasse! Die Arbeiter und Arbeiterinnen in Großbritannien erheben erst heute, dreißig Jahre später, wieder ihren Kopf! Diese Niederlage ist daher eine teuer bezahlte Lektion, die das Weltproletariat nicht vergessen darf.
Nur das Zusammenkommen in offenen, massenhaften und selbständigen Vollversammlungen, die wirklich über die Durchführung der Bewegung entscheiden, kann die Grundlage für einen vereinten und sich ausbreitenden Kampf bilden, der von der Solidarität zwischen allen Bereichen und allen Generationen getragen wird. Vollversammlungen, in denen wir zusammen die Forderungen aufstellen können, die uns immer mehr zusammenschließen. Vollversammlungen, in denen wir zusammenkommen und massive Delegationen aufstellen und losschicken können, um unsere Klassenbrüder und -schwestern in den anderen nahegelegenen Bereichen, die Beschäftigten in den Betrieben, im Gesundheitswesen und Erziehungswesen, den Verwaltungen zu treffen und uns mit ihnen zusammenzuschließen.
"Können wir gewinnen?" Die Antwort lautet: „Ja, manchmal, wenn und nur wenn wir unsere Kämpfe selbst in die Hand nehmen“. Wir können die Angriffe vorübergehend bremsen und eine Regierung zum Rückzug bewegen.
Aber die Wahrheit ist, dass die Weltwirtschaftskrise große Teile des Proletariats in die Prekarität stürzen wird. Um auf dem Weltmarkt und im internationalen Wettbewerb zu bestehen, wird jede Bourgeoisie in jedem Land, egal ob ihre Regierung links, rechts oder in der Mitte, ‚traditionell‘ oder populistisch ist, uns immer unhaltbarere Lebens- und Arbeitsbedingungen aufzwingen. Die Wahrheit ist, dass mit der Entwicklung der Kriegswirtschaft in allen Ländern der Welt die von der Bourgeoisie geforderten "Opfer" immer unerträglicher werden.
Die Wahrheit ist, dass die kriegerische imperialistische Konfrontation der Nationen, aller Nationen, eine Spirale der Zerstörung und des blutigen Chaos ist, die die gesamte Menschheit in den Tod treiben kann. Jeden Tag sterben unzählige Menschen in der Ukraine, manchmal 18- oder 16-Jährige, die von den abscheulichen russischen und westlichen Tötungswerkzeugen niedergemäht werden.
Die Wahrheit ist, dass einfache Grippe- oder Bronchiolitis-Epidemien kaputtgesparte Gesundheitssysteme in die Knie zwingen. Die Wahrheit ist, dass der Kapitalismus weiterhin den Planeten verwüsten und das Klima durcheinander bringen wird, was zu Überschwemmungen, Dürren und verheerenden Bränden führen wird. Die Wahrheit ist, dass Millionen von Menschen weiterhin vor Krieg, Hunger, Klimakatastrophen oder allen dreien fliehen werden, um auf die Stacheldrahtmauern anderer Länder zu stoßen oder im Meer zu ertrinken.
Dann stellt sich die Frage: Welchen Sinn hat es, gegen niedrige Löhne, gegen Personalmangel, gegen diese oder jene ‚Reform‘ zu kämpfen? Weil der Kampf der Arbeiterklasse die Überwindung des Kapitalismus und damit die Abschaffung all dieser Übel, die Einführung einer Welt ohne Klassen und Ausbeutung, ohne Kriege und Grenzen, den Kommunismus zum Ziel hat.
Der wahre Sieg ist der Kampf selbst. Allein die Tatsache, dass wir in den Kampf eintreten und unsere Solidarität entwickeln, ist bereits ein Sieg. Indem wir alle gemeinsam kämpfen und die Resignation ablehnen, bereiten wir die Kämpfe von morgen vor und schaffen trotz unvermeidlicher Niederlagen nach und nach die Bedingungen für eine neue Welt.
Unsere Solidarität im Kampf ist der Gegenpol zum Konkurrenzkampf bis zur Überwindung dieses Systems, das in konkurrierende Unternehmen und Nationen gespalten ist.
Unsere Solidarität zwischen den Generationen ist die Antithese zum No Future und der zerstörerischen Spirale dieses Systems.
Unser Kampf symbolisiert die Weigerung, sich auf dem Altar des Militarismus und des Krieges zu opfern.
Der Kampf der Arbeiterklasse ist unmittelbar eine Infragestellung der eigentlichen Grundlagen des Kapitalismus und der Ausbeutung.
Jeder Streik trägt den Keim der Revolution in sich.
Die Zukunft gehört dem Klassenkampf!
Internationale Kommunistische Strömung 01.03.2023
Für die gegenwärtigen und zukünftigen Kämpfe müssen wir uns zusammenschließen, diskutieren und die Lehren ziehen
Wo immer es möglich ist, müssen wir uns zusammenschließen, diskutieren, uns die Lehren aus der Vergangenheit wieder aneignen, um den selbständigen Kampf der gesamten Arbeiterklasse vorzubereiten.
Am Arbeitsplatz, bei Demonstrationen, an Blockadeorten, an Streikposten müssen wir diskutieren und darüber nachdenken, wie die Arbeiterklasse ihre Kämpfe selbst in die Hand nehmen kann, wie sie sich in autonomen Vollversammlungen selbst organisieren kann, wie sie eine Bewegung ausweiten kann. In diesem Sinne organisieren wir auch Diskussionsveranstaltungen. Schaut auf unsere Webseite:
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Zum Ersten Kongress der Internationalistischen Kommunistischen Partei (PCInt) Italiens 1945
Einleitung der IKS
Um die Diskussion um die Bildung der künftigen Weltpartei der Revolution anzuregen, veröffentlichen wir im Folgenden einen Artikel aus Internationalisme Nr. 7 vom Januar 1946 mit dem Titel „Über den Ersten Kongress der internationalistischen Kommunistischen Partei Italiens“. Die Zeitschrift Internationalisme war das theoretische Organ der Französischen Fraktion der Kommunistischen Linken (Fraction Francaise de la Gauche Communiste - FFGC), d.h. der politisch klarsten Gruppe in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Fraktion sollte sich Ende 1945 in Gauche Communiste de France (GCF) umwandeln, um Verwechslungen mit einer Abspaltung zu vermeiden, die aus französischen Militanten bestand, die die Fraktion verlassen hatten und denselben Namen (den der FFGC-bis) wieder annahmen.
In diesem Artikel werden auf der Grundlage der Lehren aus der Degeneration der Dritten Internationale die Kriterien für die Bildung einer künftigen Weltpartei entwickelt. Die beiden in dieser Zeitschrift veröffentlichten Kapitel - das erste "Die Linksfraktion" und das sechste "Methode der Parteibildung" - geben einen Überblick über die politischen Fragen, die sich seit der Gründung der Dritten Internationale gestellt haben, und liefern eine zusammenhängende Argumentation zu diesen Fragen. Sie schlagen eine Brücke zwischen der ersten und der zweiten Nachkriegszeit auf der Grundlage der Bilanz, die die Italienische Fraktion in den 1930er Jahren gezogen hat, während die anderen Kapitel eher der Polemik mit spezifischeren Positionen und Strömungen der 1940er Jahre gewidmet sind, wie den RKD (Revolutionäre Kommunisten Deutschlands, ehemals österreichische Trotzkisten) und Vercesi.
Kurz zusammengefasst sind die Kriterien für die Parteigründung einerseits ein offener Kurs in Richtung Wiederaufnahme des offensiven Kampfes des Proletariats und andererseits das Vorhandensein einer soliden programmatischen Basis für die neue Partei.
Zu diesem Zeitpunkt, nach der Tagung des Ersten Kongresses der Internationalistischen Kommunistischen Partei Italiens Ende Dezember 1945 in Turin, sah die GCF die erste Bedingung - einen neuen günstigen Kurs - als erfüllt an. Also begrüßte sie auf dieser Grundlage die Umwandlung der italienischen Linksfraktion "in die Geburt der neuen Partei des Proletariats" (Kapitel "Die Linksfraktion"). Erst später, 1946, erkannte die GCF, dass die Periode der Konterrevolution noch nicht vorbei war und somit die objektiven Bedingungen für die Bildung der Partei fehlten. Infolgedessen stellte sie die Herausgabe ihrer Agitationszeitung L'Étincelle ein, da die Aussicht auf eine historische Wiederaufnahme der Klassenkämpfe nicht auf der Tagesordnung stehe. Die letzte Ausgabe von L'Etincelle erschien im November 1946.
Darüber hinaus kritisierte die GCF scharf die Methode der Bildung der italienischen Partei durch "Addition von Strömungen und Tendenzen" auf einer heterogenen programmatischen Grundlage (Kapitel "Methode der Parteibildung"), genauso wie sie (im selben Kapitel) die Methode der Bildung der KI kritisiert hatte, die ein "Amalgam um ein absichtlich unvollendet gelassenes Programm" bildete sowie opportunistisch war, und somit der Methode den Rücken kehrte, die die Methode des Aufbaus der bolschewistischen Partei gewesen war.
Das Verdienst dieses Artikels in Internationalisme ist es, die notwendige Strenge hinsichtlich des Programms zu betonen, die es in der neu gegründeten Partei in Italien nicht gab. Dieser Artikel - geschrieben etwa ein Vierteljahrhundert nach der Gründung der Komintern und wenige Wochen nach dem Kongress der PCInt - ist sicherlich die konsequenteste Kritik an der Methode der bolschewistischen Partei bei der Gründung der Kommunistischen Internationale. Internationalisme war auch die einzige Publikation aus dem Umfeld der damaligen Kommunistischen Linken, die auf den opportunistischen Ansatz der PCInt hinwies.
In diesem Sinne ist die GCF ein Beispiel für die Kontinuität mit der Methode von Marx und Engels bei der Gründung der Partei der deutschen Sozialdemokratie in Gotha 1875 (siehe Kritik am Gothaer Programm), die die verworrenen und opportunistischen Grundlagen, auf denen die SAPD gegründet worden war, zurückgewiesen hatte. Kontinuität auch mit Rosa Luxemburgs Haltung gegenüber dem Opportunismus des Revisionisten Bernstein in der deutschen Sozialdemokratie 25 Jahre später, aber auch mit Lenins Haltung in Bezug auf Organisationsprinzipien gegenüber den Menschewiken. Kontinuität schließlich mit der Haltung von Bilan gegenüber dem Opportunismus der trotzkistischen Strömung während der 1930er Jahre. Dank dieser Unnachgiebigkeit bei der Verteidigung programmatischer Positionen und organisatorischer Prinzipien konnten sich Elemente aus der Strömung um Trotzki (wie die RKD) während und nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Verteidigung des Internationalismus ausrichten. Die Fahne des Internationalismus gegen die "Partisanen" hochzuhalten, die Unnachgiebigkeit gegen den Opportunismus zu verteidigen, war also eine Voraussetzung dafür, dass die internationalistischen Kräfte einen politischen Kompass finden konnten.
Wir müssen in dieser Darstellung eine Formulierung präzisieren, die den Kampf des Spartakusbundes während des Ersten Weltkriegs betrifft. In dem Artikel heißt es im sechsten Kapitel: "Die Erfahrungen des Spartakusbundes sind in dieser Hinsicht aufschlussreich. Seine Fusion mit den Unabhängigen führte nicht, wie sie hofften, zur Schaffung einer starken Klassenpartei, sondern dazu, dass der Spartakusbund von den Unabhängigen geschwächt und damit das deutsche Proletariat geschwächt wurde. Rosa Luxemburg, bevor sie ermordet wurde, und andere Führer des Spartakusbundes schienen ihren Fehler, sich mit den Unabhängigen zu verschmelzen, erkannt zu haben und tendierten dazu, ihn zu korrigieren. Aber dieser Fehler wurde nicht nur von der Komintern in Deutschland aufrechterhalten, sondern sollte zur praktizierten Methode werden, die von der KI in allen Ländern für die Bildung von Kommunistischen Parteien durchgesetzt wurde". Es ist nicht richtig, von einer Fusion des Spartakusbundes mit der USPD zu sprechen. Die USPD wurde von der Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft (SAG) gegründet; die Gruppe "Die Internationale" (der Spartakusbund) wurde in sie integriert. Dies war jedoch keine Fusion im eigentlichen Sinne, die eine Auflösung der Organisation voraussetzt, die mit der anderen fusioniert. Vielmehr behielten die Spartakisten ihre organisatorische Unabhängigkeit und ihre Handlungsfähigkeit, während sie sich zum Ziel setzten, die Linken in dieser Formation für ihre Positionen zu gewinnen. Ganz anders war die KI vorgegangen, als sie verschiedene Gruppen in einer einzigen Partei vereinigte und die notwendige Auswahl zugunsten der "Addition" "aufgab", wobei "die Prinzipien (der) numerischen Masse (geopfert wurden)".
Außerdem muss ein sachlicher Fehler in diesem Artikel berichtigt werden. Er lautet: "In England wird die KI die kommunistischen Gruppen zwingen, der Independent Labour Party beizutreten, um innerhalb dieser reformistischen Partei eine massive revolutionäre Opposition zu bilden". In Wirklichkeit verlangte die KI die Aufnahme der Kommunisten in die Labour Party überhaupt! Dieser Detailfehler ändert nichts an der grundlegenden Argumentation von Internationalisme.
IKS, 14. Mai 2019
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Zum Ersten Kongress der Internationalistischen Kommunistischen Partei (PCInt) Italiens
1. Die linke Fraktion
Ende 1945 hat der erste Kongress der jungen, gerade gegründeten Internationalistischen Kommunistischen Partei Italiens stattgefunden.
Diese neue Partei des Proletariats ist nicht aus dem Nichts entstanden. Sie war das Ergebnis eines Prozesses, der mit der Degeneration der alten Kommunistischen Partei und der Kommunistischen Internationale begann. Diese opportunistische Entartung brachte eine historische Antwort der Klasse innerhalb der alten Partei hervor: die Linksfraktion.
Wie alle kommunistischen Parteien, die nach dem Ersten Weltkrieg gegründet wurden, enthielt auch die Kommunistische Partei Italiens zum Zeitpunkt ihrer Gründung sowohl revolutionäre als auch opportunistische Strömungen.
Der revolutionäre Sieg des russischen Proletariats und der bolschewistischen Partei Lenins im Oktober 1917 hatte durch den entscheidenden Einfluss, den er auf die internationale Arbeiterbewegung ausübte, die organisationspolitischen Gegensätze und Abgrenzungen zwischen den Revolutionären und den Opportunisten, die in den alten sozialistischen Parteien der Ersten Internationale zusammenlebten, beschleunigt. Der Krieg von 1914 hatte diese unmögliche Einheit zwischen den alten Parteien zerbrochen.
Die Oktoberrevolution beschleunigte die Gründung neuer Parteien des Proletariats, aber gleichzeitig enthielt der positive Einfluss der Oktoberrevolution auch einige negative Elemente.
Indem sie die Bildung neuer Parteien beschleunigte, verhinderte sie einen Aufbau auf der Grundlage klarer, scharfer Prinzipien und eines revolutionären Programms. Dieses konnte nur nach einem offenen und unnachgiebigen politischen Kampf ausgearbeitet werden, der die opportunistischen Strömungen und die Rückstände der bürgerlichen Ideologie beseitigte.
In Ermangelung eines revolutionären Programms wurden die Kommunistischen Parteien zu schnell auf der Grundlage einer sentimentalen Bindung an die Oktoberrevolution gegründet, was zu viele Risse für das Eindringen des Opportunismus in die neuen proletarischen Parteien eröffnete.
Außerdem waren die Komintern und die kommunistischen Parteien verschiedener Länder seit ihrer Gründung in den Kampf zwischen Revolutionären und Opportunisten verwickelt. Der ideologische Kampf - der der Partei vorausgehen muss und eine Voraussetzung für die Partei ist, die nur durch die Verkündung von Grundsätzen und den Aufbau des Programms vor dem opportunistischen Wundbrand geschützt wird - fand erst nach der Konstituierung der Parteien statt. Infolgedessen brachten die kommunistischen Parteien nicht nur von Anfang an den Keim des Opportunismus ein, sondern erschwerten auch den Kampf der revolutionären Strömungen gegen den Opportunismus, der in der neuen Partei überlebte und versteckt war. Jede Niederlage des Proletariats veränderte das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen zuungunsten des Proletariats und führte unweigerlich zur Stärkung des Opportunismus innerhalb der Partei, der seinerseits zu einem zusätzlichen Faktor für weitere Niederlagen des Proletariats wurde.
Wenn die Entwicklung des Kampfes zwischen den Strömungen in der Partei so schnell so scharf wurde, so liegt das an der historischen Periode. Die proletarische Revolution ist aus den Sphären der theoretischen Spekulation herausgetreten. Von einem fernen Ideal, das sie gestern war, wurde sie zu einem Problem der unmittelbaren praktischen Tätigkeit.
Der Opportunismus manifestiert sich nicht mehr in theoretischen Ausarbeitungen in Buchform, die wie ein langsames Gift auf die Gehirne der Proletarier wirken. In der Zeit des intensiven Klassenkampfes hatte er unmittelbare Auswirkungen und wurde mit dem Leben von Millionen von Proletariern und blutigen Niederlagen der Revolution bezahlt. In dem Maße, wie der Opportunismus in der Komintern und ihren Parteien erstarkte, war er die wichtigste Stütze des Kapitalismus gegen die Revolution, denn er bedeutete die Stärkung der feindlichen Klasse innerhalb des entscheidendsten Organs des Proletariats: seiner Partei. Die Revolutionäre konnten sich dem Opportunismus nur entgegenstellen, indem sie ihre Fraktion gründeten und ihm den Kampf auf Leben und Tod erklärten. Die Konstituierung der Fraktion bedeutete, dass die Partei zum Schauplatz der Konfrontation zwischen gegensätzlichen und antagonistischen Klassenausdrücken geworden war.
Es war der Schlachtruf der Revolutionäre zur Rettung der Klassenpartei, gegen den Kapitalismus und seine opportunistischen und zentristischen Vertreter, die versuchten, sich der Partei zu bemächtigen und sie in ein Instrument gegen das Proletariat zu verwandeln.
Der Kampf zwischen der Fraktion der Kommunistischen Linken und den zentristischen und rechten Fraktionen um die Partei ist kein Kampf um die "Führung" des Apparats, sondern ist im Wesentlichen programmatisch; er ist ein Aspekt des allgemeinen Kampfes zwischen Revolution und Konterrevolution, zwischen Kapitalismus und Proletariat. Dieser Kampf folgt dem objektiven Verlauf der Situationen und den Veränderungen des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen und wird durch diese bedingt.
Das Ergebnis kann nur der Sieg des Programms der Linksfraktion und die Beseitigung des Opportunismus sein, oder der offene Verrat einer Partei, die in die Hände des Kapitalismus gefallen ist. Aber wie auch immer diese Alternative ausgeht, das Auftreten der Fraktion bedeutet, dass die historische und politische Kontinuität endgültig von der Partei auf die Fraktion übergegangen ist und dass es allein letztere ist, die von nun an die Klasse ausdrückt und vertritt.
Die alte Partei kann nur durch den Triumph der Fraktion gerettet werden. Das Gleiche gilt beim Verrat der alten Partei, die ihren unausweichlichen Kurs unter der Führung des Zentrismus vollendet. Hier kann die neue Partei nur auf der programmatischen Grundlage der Fraktion gebildet werden.
Die historische Kontinuität der Klasse durch den Prozess Partei-Fraktion-Partei ist eine der grundlegenden Ideen der Internationalen Kommunistischen Linken. Diese Theorie war lange Zeit ein theoretisches Postulat. Die Gründung der PCInt in Italien und ihr erster Kongress liefern die historische Bestätigung dieses Postulats.
Die Italienische Linksfraktion hat nach einem zwanzigjährigen Kampf gegen den Zentrismus ihre historische Aufgabe erfüllt, indem sie sich umwandelte und eine neue Partei des Proletariats ins Leben rief.
2. Von der Fraktion zur Klassenpartei
Eine zweite historische Bestätigung wird uns durch die Bildung der KPI gegeben, nämlich hinsichtlich des historischen Zeitpunkts der Gründung der neuen Partei.
Die Trotzkisten ignorierten alle marxistischen Kriterien und betrachteten das Problem der Parteigründung als eine Frage, die keine objektiven Bedingungen hatte. Für sie ist das Problem der Parteibildung nur eine Frage der subjektiven Willenskraft, des "Savoir-faire", des schlauen Manövers und der Infiltration.
So gehen sie von ihrer "oppositionellen" Position, in der sie sich bereit erklärten, ihre eigene Organisation gegen die Freiheit der demokratischen Meinungsäußerung in der stalinistischen Partei aufzulösen, zur Proklamation der neuen Partei und einer neuen Internationale über. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit können sie ein paar Monate später ihre neue Partei und ihre neue Internationale auflösen, um zu den sozialistischen Parteien der Ersten Internationale zurückzukehren, die seit 1914 zu Parteien der Bourgeoisie geworden sind. Ihre Akrobatik auf dem Gebiet der Partei - wo sie ihrerseits die Opposition der stalinistischen Partei sind, die bereit ist, sich aufzulösen, POI, "Opposition" in der sozialistischen Partei, dann wieder POI, um wieder Opposition in der PSOP und wieder POI zu werden – ist verbunden mit ihrer gesamten politischen Inkonsequenz, ihrer Verteidigung der UdSSR, ihrer Beteiligung am imperialistischen Krieg, ihrer Beteiligung an der nationalen Befreiung und am Widerstand.
Die Internationale Kommunistische Linke hat diese besonders gefährliche Art von Abenteurertum und Verantwortungslosigkeit, die darin besteht, in jeder Situation die Gründung einer neuen Partei zu verkünden, stets energisch verurteilt.
Die Degeneration und der Verrat der alten Partei sind nicht das Ergebnis des dämonischen Willens oder der Intrigen einiger weniger Führer, die sich an die Bourgeoisie verkauft haben, sondern sie sind Ausdruck der Unzulänglichkeit der neuen Partei, das Ergebnis der Unzulänglichkeit des ursprünglichen Programms, das das Eindringen der bürgerlichen Ideologie erst ermöglichte und sich zu einer opportunistischen Strömung kristallisierte, und eines objektiven Verlaufs von Niederlagen und Rückschlägen des Proletariats, der es der Bourgeoisie ermöglichte, sich der Partei zu bemächtigen, ohne dass sich das Proletariat verteidigen konnte. Die gleichen historischen Bedingungen erlauben es dem Proletariat nicht, seine alte Partei zu bewahren und verbieten ihm, die neue Partei zu gründen. Nur ein neuer Kurs, eine für das Proletariat günstige Veränderung der Kräfteverhältnisse, eine allgemeine Wiederaufnahme des offensiven Kampfes des Proletariats schaffen die Bedingungen, die die Wiedergründung der neuen Partei ermöglichen. Diese Situation gab es zwischen 1933 und 1939 nicht, das war genau die Zeit des Kurses auf den imperialistischen Krieg.
Die RKD, die uns eine ganze Zeit lang unseren so genannten Zentrismus vorwarf, weil wir als Fraktion blieben und handelten und die revolutionäre Phraseologie über die Gründung der Partei ablehnten, als der Zeitpunkt dieser Gründung noch nicht gekommen war, brachte nur ihr eigenes Missverständnis sowohl des grundlegenden Begriffs der Partei und des Zeitpunkts ihres Aufbaus als auch des historischen Platzes zum Ausdruck, den die Fraktion einnahm.
Die Gründung der PCInt Italiens beweist, dass die Partei zu keinem Zeitpunkt der Geschichte durch den Willen der Mitglieder gebildet wird. Die Umwandlung der Fraktion in eine Partei unterliegt weiterhin bestimmten objektiven Bedingungen, wie dies auch für den ersten Teil des Prozesses der Umwandlung der Partei in eine Fraktion der Fall ist.
3. Die historische Bedeutung der Ereignisse vom Juli 1943 in Italien
Die Gründung der Partei in Italien ist praktisch der Abschluss einer hitzigen Debatte, die innerhalb der GCI und der italienischen Fraktion geführt wurde. Eine Tendenz in der Italienischen Fraktion - die Vercesi-Tendenz und zum Teil auch die Belgische Fraktion - leugnete bis zum Ende des Krieges das Auftreten des italienischen Proletariats auf der politischen Bühne. Für diese Tendenz waren die Ereignisse von 1943 nur eine Manifestation der Wirtschaftskrise, die als "Krise der Kriegswirtschaft" bekannt ist, oder aber eine Palastrevolution, ein Streit in den oberen Etagen des italienischen Kapitalismus und nichts weiter.
Das italienische Proletariat war und blieb für diese Tendenz sowohl politisch als auch gesellschaftlich abwesend. Dies sollte sich in eine ganze Theorie einfügen, die von dieser Tendenz über die "soziale Nichtexistenz des Proletariats während des Krieges und während der gesamten Periode der 'Kriegswirtschaft'" aufgestellt wurde.
Auch nach 1943 befürworten sie absolute Passivität bis hin zur organisatorischen Auflösung der Fraktion. Gemeinsam mit der Italienischen Fraktion haben wir diese liquidatorische Tendenz in der GCI[1] frontal bekämpft.
Mit der Italienischen Fraktion analysierten wir die Ereignisse des Jahres 1943 in Italien als eine fortgeschrittene Manifestation des sozialen Kampfes und der Öffnung des Kurses in Richtung Revolution und befürworteten die Ausrichtung der Umwandlung der Fraktion in eine Partei. Man kann sich nicht aufrichtig mit der Existenz der PCInt in Italien solidarisch erklären, ohne die Richtigkeit unserer Analyse von 1943 anzuerkennen. Das eine impliziert das andere; die Gründung der neuen Partei in Italien, ihre Entwicklung, ist die kategorischste Antwort, die eine heftige Debatte zwischen uns und der opportunistischen Tendenz von Vercesi abschließt.
Wie kann man einerseits die Gründung der Partei gutheißen und gleichzeitig behaupten, dass sich der historische Verlauf nicht grundlegend geändert hat?
Diejenigen, die wie die revisionistische Tendenz leugnen, dass es 1943 einen ersten Bruch im Verlauf des imperialistischen Krieges, und 1943 eine erste Manifestation der Klassenopposition gegen den Krieg gab, sollten - wenn sie logisch blieben und wenn sie immer noch von dem theoretischen Ausgangspunkt der Fraktion hinsichtlich der Unmöglichkeit des Parteiaufbaus in einer Periode der Flaute überzeugt wären - die Gründung der PCInt als einen Akt des voluntaristischen Abenteurertums verwerfen. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn genau die Leute, die unserer "optimistischen" Analyse nicht genug Sarkasmus entgegensetzen konnten, sind heute die treuesten Befürworter, die lautesten Enthusiasten. Es ist vergeblich, in ihren jüngsten Schriften nach einer Erklärung für ihren eklatanten Widerspruch zu suchen. Die Leichtigkeit, mit der man seine Haltung und seinen Standpunkt ändert und die krassesten Widersprüche anhäuft, ist wirklich verblüffend. Die jahrelange Zickzack-Politik der Komintern hat die Gemüter so sehr daran gewöhnt und pervertiert, dass selbst im Milieu der linken Gruppen die offensichtlichsten Widersprüche nicht immer sofortige Reaktionen hervorrufen.
Aber ob man ihn anerkennt, ob man ihn rechtfertigt oder nicht, ein Widerspruch bleibt ein Widerspruch. Für jeden denkenden Kämpfer bleibt die Frage bestehen, und keine Ausrede kann sie überwinden. Entweder kann die Partei in jeder Periode aufgebaut werden, sowohl in der Periode des revolutionären Aufschwungs als auch des Rückflusses, und dann sind es die Trotzkisten, die gegen die Internationale Kommunistische Linke Recht hatten, oder die Partei kann in Italien und in den anderen Ländern aufgebaut werden, weil sich dort ein neuer historischer Kurs des revolutionären Aufschwungs eröffnet hat.
Wenn wir aber die zweite Formulierung akzeptieren, stellt sich sofort die Frage: "Welchen Ereignissen müssen wir die offensichtliche Bedeutung eines neuen historischen Kurses im Gegensatz zum vorherigen zuschreiben, und in welchem Moment befindet sich dieser neue Kurs".
Der Sturz des Mussolini-Regimes in Italien und das Ende des Krieges bestimmen nicht per se einen neuen historischen Kurs, denn wenn dies der Fall wäre, wäre es schwer zu verstehen, warum die GCI (Italienische Kommunistische Linke) die Gründung von Parteien in der Vorkriegszeit, d. h. in der Zeit vor dem Krieg, für unmöglich erklärt und gewaltsam bekämpft hat, selbst in Ländern mit "demokratischen" Regimen. Nicht nur, dass der Sturz Mussolinis und das Ende des Krieges den Aufschwung nicht bestimmt haben und für sich genommen den neuen Kurs nicht erklären, sondern indem man sich auf diese Ereignisse bezieht, verweist man die Erklärung lediglich auf Ereignisse, die eben selbst erklärt werden müssen. Auf diese Weise begibt man sich nur in einen Teufelskreis und hangelt sich von Schwierigkeit zu Schwierigkeit.
Vercesis Theorie der "Krise der Kriegswirtschaft", ein Anhang zu seiner Theorie der "Kriegswirtschaft", ist wohlbekannt. Dieser Theorie zufolge endet der Krieg, der den Höhepunkt der Ära des größeren Wohlstands und der wirtschaftlichen Expansion darstellt[2], erst in einer Krise aufgrund wirtschaftlicher Erschöpfung. Diese Idee ist nicht weniger absurd als die erste und folgt direkt aus ihr, die darin besteht, den Krieg und die Kriegswirtschaft, die durch eine Wirtschaftspolitik der Zerstörung gekennzeichnet sind, als die Ära des größten Wohlstands darzustellen und zu definieren. Wir werden hier nur die These beibehalten, dass der Krieg mit einer Krise der wirtschaftlichen Erschöpfung endet und dass es diese Krise ist, die, nachdem sie das Ende des Krieges bestimmt hat, dann das Erscheinen des Proletariats und die Wiederaufnahme der sozialen Kämpfe in der Nachkriegszeit bedingt.
Selbst wenn wir für einen Moment zugeben würden, dass dieses Schema eine exakte Wiedergabe der Realität ist, bliebe immer noch eines unbewiesen, nämlich, warum diese "wirtschaftliche" Krise gerade durch sie eine soziale Krise bedingt und den offensiven Kurs der Revolution eröffnet, außerhalb dessen die neue Partei nicht gegründet werden kann. Wir haben in der Geschichte viele Wirtschaftskrisen erlebt, die keineswegs den Ausgangspunkt für einen offensiven Kurs des Proletariats darstellten, sondern im Gegenteil mit der Verschärfung des Rückflusses zusammenfielen. Nehmen wir zum Beispiel die Jahre 1929 bis 1934, die Zeit des Tiefpunkts der Dauerkrise des dekadenten Kapitalismus. Diese Periode ist durch Niederlagen des internationalen Proletariats gekennzeichnet, und zwar Niederlagen, die umso größer sind, als sie einem Proletariat zugefügt werden, das nicht kämpft und das leidet. Es ist die Zeit des offenen Übergangs der Parteien der Komintern in den Dienst des nationalen kapitalistischen Staates, der den Arbeitern die Verteidigung des Vaterlandes wieder aufzwingt. Die Herangehensweise von Vercesi mit der Theorie der "Wirtschaftskrise" ist absolut unfähig, den neuen historischen Kurs zu erklären.
Aber sehen wir uns die Überprüfung dieser Theorie in der konkreten Realität an? Es sei notwendig, geduldig das Ende des imperialistischen Krieges abzuwarten, um das Wiederaufleben des Proletariats und die Eröffnung eines neuen Kurses zu erleben, der die Bedingungen für die Bildung der Partei festlegt. All dies brauche seine Zeit. Und während man auf das Ende des Krieges wartete, konnte aus revolutionärer Sicht nichts getan werden. Man könnte diese "tote Zeit" des Proletariats allenfalls dazu nutzen, die Bourgeoisie zu katechisieren, wie es Vercesi im Antifaschistischen Komitee der italienischen Emigration in Brüssel tat. Und was sehen wir?
Während Vercesi die Geschicke der Antifaschistischen Koalition leitet und als Redakteur der Zeitung dieser Koalition fungiert, in der die chauvinistischsten Aufrufe zur Teilnahme am imperialistischen Krieg gemacht werden, bemühen sich die revolutionären Militanten in Italien und in erster Linie die der Linksfraktion, sich zu sammeln und die Gründung der Partei voranzutreiben. Sogar chronologisch gesehen wurde die Partei vor dem Ende des Krieges geboren.
Der Ausgangspunkt für die Gründung der neuen Partei war nicht die Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit, sondern unmittelbar die Krise des Krieges, der Bruch im Kriegsverlauf, der sich im Verlauf des Krieges selbst ereignete und entstand und dessen offene Manifestation einen Namen und ein Datum trägt: die Ereignisse vom Juli 1943 in Italien.
4. Gegen den Kapitalismus, für die Gründung der Partei oder für den Antifaschismus durch eine Koalition mit der Bourgeoisie
Heute stehen alle hinter der neuen Partei, und gerade diejenigen, die die erbittertsten Gegner des Parteiaufbaus waren, sind diejenigen, die am lautesten für sie schreien. Diese begeisterten Rufe sind wahrscheinlich weniger ein Tribut an die Partei als vielmehr das Bedürfnis, frühere Positionen zu vergessen und vergessen zu machen. Wir glauben jedoch nicht, dass wir irgendwelchen Ressentiments oder Eigenliebe gehorchen, wenn wir an die jeweiligen Positionen der einzelnen Parteien erinnern. Die Geschichte hat uns gelehrt, bei plötzlichen Bekehrungen doppelt vorsichtig zu sein. Wir ziehen die Feindseligkeit eines Martow der verderblichen Freundschaft eines zum Bolschewismus konvertierten Martinow vor. Wir sind nicht der Meinung, dass ein Fehler auf individueller Ebene für die Person, die ihn begeht, fatal ist. Eine Korrektur selbst der schwerwiegendsten Fehler ist immer möglich. Doch damit es zu einer Korrektur kommt, muss zunächst ein Bewusstsein und eine kritische Prüfung stattfinden.
„Vergessen" ist nur Verdrängung. Eine übertünchte Krankheit ist nur ein Anschein von Heilung und führt perspektivisch zu tödlichen Unfällen und Rückfällen. Die Frage ist umso wichtiger, als wir es hier nicht mit einem Einzelfall zu tun haben, sondern mit einer Krankheit, die sich im Klassenorganismus, in der Fraktion entwickelt hat. Die Tatsache, dass die Fraktion durch die Gründung der Partei "überholt" wurde, bedeutet nicht, dass die Krankheiten, die in der Fraktion entstanden sind, automatisch überholt sind. Es gibt eine politische Kontinuität zwischen der Fraktion und der Partei, so wie es eine physiologische Kontinuität zwischen dem Jugendlichen und dem Erwachsenen gibt.
Und weil es diese Kontinuität gibt, gibt es keine Auslöschung, sondern es muss eine Überwindung geben. Auch wenn wir als Störenfriede und Hindernisse beim Tanzen im Kreis erscheinen, halten wir es für unerlässlich, die Entwicklung der Ereignisse zu beobachten und zu prüfen, sie zu untersuchen, die grundlegenden politischen Positionen von gestern zu verifizieren, zu bestätigen oder zu entkräften und durch diese Überprüfung den intimen politischen Charakter dieser oder jener Strömung erkennen zu können.
Wir haben gesehen, wie sich die Italienische Fraktion und die GCI (Italienische Kommunistische Linke) in zwei Strömungen aufgespalten haben, deren Gegensatz sich mit jedem Ereignis vertiefen wird. Die diametral entgegengesetzte Analyse der Ereignisse vom Juli 1943 sollte die Divergenzen aus dem Bereich der theoretischen Spekulation in den Bereich der unmittelbaren Praxis verlagern. Die Resolution über die "unmittelbaren Aufgaben", die von der Konferenz im August 1943 verabschiedet wurde, wird unsere allgemeine Ausrichtung auf die Betonung der Wiederaufnahme der Tätigkeit auf internationaler Ebene und auf den Aufbau der Partei in Italien formulieren. Aber während die Mehrheit der Italienischen Fraktion und unserer Fraktion sich von dieser Entschließung, dieser Ausrichtung in ihrer politischen Tätigkeit inspirieren ließ, wird die Tendenz von Vercesi diese Ausrichtung und alle Aktivitäten heftig bekämpfen. Ausgehend von der "sozialen Nichtexistenz des Proletariats" während der Zeit der Kriegswirtschaft und der Verleugnung seines politischen Auftretens in den sozialen Umwälzungen von 1943 verkündete die Vercesi-Tendenz die Notwendigkeit der absoluten Passivität bis die neuen Bedingungen gereift seien. Wir wissen jetzt, wie die neuen Bedingungen aussahen. Vercesi hat sich öffentlich zu diesem Thema geäußert. Sie bestanden in einem Sieg des angelsächsischen Blocks, "ein Sieg, den wir uns wünschen müssen".
Und da sich der revolutionäre Defätismus Lenins in den Defätismus des Faschismus insgesamt verwandelt hat, und da diese Niederlage des Faschismus die Bedingung (bisher glaubten wir, sie sei nicht die Bedingung, sondern das Produkt) für die Wiederaufnahme des Klassenkampfes ist. Vercesi und seine Tendenz werden, um die Reifung dieser Bedingung zu beschleunigen, die Notwendigkeit der Koalition mit der "demokratischen" und antifaschistischen Bourgeoisie verkünden. Mit der Ablösung des Nazi-Gendarmen durch den "demokratischen" Gendarmen, mit dem Wechsel des Besatzers, der Ablösung der deutschen imperialistischen Besatzung durch die nicht minder imperialistische angelsächsische Besatzung, die als "Befreiung" bezeichnet wurde, werden Vercesi und seine Tendenz volle Handlungs-, Rede- und Pressefreiheit finden[3]. Indem sie die Initiative zur Bildung des Antifaschistischen Koalitionsausschusses mit allen "demokratischen" Parteien der Bourgeoisie ergriff, setzte diese Tendenz wiederum ihre theoretischen Ansichten in die Praxis um.
Die Handlungen der "Partisanen" werden als Klassenkraft gepriesen. Es wird gelehrt werden, dass der Antifaschismus nicht mehr die kapitalistische Waffe in den Händen des Kapitalismus ist, um das Proletariat abzulenken und sein Klassenbewusstsein zu zerstören, sondern die Waffe der Emanzipation des Proletariats. Es wird entdeckt werden, dass die Koalition mit der Bourgeoisie nicht mehr der Verrat am Proletariat ist, sondern eine "indirekte Taktik"; die Arbeiter werden aufgefordert, sich an der albernen und trügerischen Farce der "Säuberung" zu beteiligen. Den Arbeitern wird zu verstehen gegeben, dass ihre Klasseninteressen es gebieten, sich zu freiwilligen Hilfskräften der Polizei zu machen und die "Denunziation" von "Faschisten" bei der Polizei zu praktizieren. Den Arbeitern wird wieder einmal beigebracht, dass Hilfe und Kultur über dem Parteikampf, d.h. über dem Klassenkampf stehen; die sozialistischen Führer, Verräter von 1914, werden als Freunde und Beschützer der eingewanderten Arbeiter dargestellt. Schließlich wird die marxistische Phraseologie als Appetitanreger in der Zeitung der Koalition verwendet, deren Hauptpfeiler die Aufrufe zur Rekrutierung von Freiwilligen, zur Teilnahme am imperialistischen Krieg, zum Sieg der Alliierten, zur Befreiung des Mutterlandes und zum Wiederaufbau des neuen "republikanischen und demokratischen" Italiens sein werden.
Die Verneinung der sozialen und politischen Existenz des Proletariats sollte diese Tendenz dazu bringen, die politischen Positionen der Klasse aufzugeben und sich direkt der Bourgeoisie anzuschließen. Es gibt keinen Misch- oder Zwischenweg. Entweder gegen den Kapitalismus durch die Bildung der Klassenpartei oder für den Antifaschismus mit der Bourgeoisie. Die Fraktion wählte den ersten Weg, die opportunistische Tendenz von Vercesi den zweiten. Der Bankrott des Unterfangens lag auf der Hand.
Es reicht jedoch nicht, geografisch seinen Standort zu verändern, um die Spuren einer Praxis und einer Politik des Verrats zu verwischen. Die Umwandlung und der Anschluss an die Partei beinhalten zwar die Verurteilung dieser Politik, bieten aber an sich keine Garantie. Wir befürworten jedoch nicht den individuellen Ausschluss als absolut unvermeidlich. Das Problem ist viel schwerwiegender, als es durch einfache organisatorische Maßnahmen gelöst werden kann. Es kann nur auf diese Weise gelöst werden: Entweder setzt die Vercesi-Tendenz öffentlich vor der Partei und dem Proletariat ihre Politik der antifaschistischen Koalition und ihre gesamte opportunistische Theorie, die sie zu dieser Politik geführt hat, um, oder es ist Sache der Partei, nach einer offenen kritischen Diskussion die opportunistische Tendenz von Vercesi theoretisch, politisch und organisatorisch Umzusetzen.
5. Drei schwere Fehler der Italienischen Fraktion[4]
In der letzten Periode ihres Bestehens hat die Italienische Fraktion trotz der schrecklichen Bedingungen des Krieges und ihrer zahlenmäßigen Schwäche eine fruchtbare Arbeit geleistet. Es würde genügen, an die Dokumente und Resolutionen über das Wesen des imperialistischen Krieges, über den kapitalistischen Charakter des russischen Staates, die Aufsätze über das Problem des Staates nach dem Sieg der Revolution, die Dokumente gegen die revisionistische Theorie der Kriegsökonomen zu erinnern, um nur die wichtigsten Punkte zu nennen, um alle positiven Errungenschaften ihrer Arbeit während des Krieges zu messen, und die die Fraktion aus der Sackgasse befreit haben, in der sie sich am Vorabend des Krieges befand. Die Existenz unserer französischen GC-Fraktion (Gauche Communiste de France), die größtenteils auf den Einfluss und die direkte Beteiligung von Genossen der Italienischen Fraktion zurückzuführen ist, ist ebenfalls Teil der positiven Errungenschaft ihrer Arbeit während der Kriegsjahre.
Es wäre jedoch falsch zu glauben, dass es in der Bilanz nur Vermögenswerte gibt. Es gibt auch viele Fragen, die die Italienische Fraktion unvollendet gelassen hat, bei denen sie zögerte oder die sie schlecht gelöst hat. Ihre Irrtümer und Zögerungen beziehen sich insbesondere auf die mit dem Ende des Weltkriegs beginnende Übergangsperiode, auf die Ziele und Aktionsprogramme, die geeignet sind, die Massen in der neuen Situation im Hinblick auf die Revolution zu mobilisieren; auf die Frage der Einheitsorganisationen der Klasse, der Arbeiterräte oder der Gewerkschaften, von denen fälschlicherweise behauptet wird, dass sie aufgrund ihrer Struktur und ihres Wesens immer die Organisation der Klasse schlechthin darstellen, als "Staat im Staat". Sie hingen auch mit der Illusion von der Möglichkeit der Rückkehr des Kapitalismus zu einer "Friedenswirtschaft" und dem Verweis auf die ferne Perspektive eines drohenden dritten imperialistischen Krieges zusammen; und im konkreten Bereich häuften sich eine Reihe von Fehlern sektiererischen Charakters in den Beziehungen zu den anderen Gruppen, die der internationalen Umgruppierung der Vorhut im Wege standen.
Wir haben nicht die Absicht, hier die Geschichte der Italienischen Fraktion darzustellen oder ihre gesamte Arbeit zu untersuchen. Wir wollen uns nur auf die Punkte konzentrieren, die direkt mit der Gründung der Partei in Italien zusammenhängen, auf die Fehler, die sich unserer Meinung nach direkt und schädlich auf diese Verfassung ausgewirkt haben.
a) Die Fraktion kehrte im Jahre 1943 nicht nach Italien zurück
Wenn die Analyse der Fraktion zu den Ereignissen im Juli 1943 richtig war, wenn das Jahr 1943 eine Zäsur im imperialistischen Krieg darstellte und die Ära der Parteigründung einleitete, dann bestand die Aufgabe der Fraktion in ihrer sofortigen Rückkehr nach Italien. In Wirklichkeit wurde die Fraktion, die die Wahrscheinlichkeit der Ereignisse theoretisch vorausgesehen hatte, von deren Ausbruch praktisch überrascht. Dies spiegelt sich in ihrer Unfähigkeit wider, eine allgemeine Aktionslinie zu formulieren, in ihrem Mangel an einer kohärenten Sicht ihrer unmittelbaren Aufgaben und in ihrem Zögern. Monatelang befand sich die Fraktion in der Position eines Zuschauers, anstatt eine aktive Rolle als Akteur der Ereignisse zu spielen. Während des gesamten Zeitraums von Juli bis September, d.h. bis zu dem Zeitpunkt, als es dem Kapitalismus gelang, die ersten spontanen Bewegungen des Proletariats zu beherrschen und zu kanalisieren, war die Fraktion in Italien völlig abwesend. Es ist offensichtlich, dass die Fraktion für ihre politischen und organisatorischen Fehler der Vergangenheit bezahlt, da sie nicht in der Lage ist, ihre Funktion zu erfüllen. So zeigt sich in der Fraktion eine Art Lähmung, eine Versteinerung, und obwohl das Leben in der Emigration seit 20 Jahren nicht die Hauptursache ist, hat es doch zu einem großen Teil dazu beigetragen. Dass die Fraktion nicht sofort nach Italien zurückkehren konnte, ist nicht auf äußere Schwierigkeiten zurückzuführen, die sicherlich vorhanden waren, sondern im Wesentlichen auf den inneren Zustand der Fraktion selbst. Von nun an, mit den neuen Kampfbedingungen des italienischen Proletariats, ist die Aufrechterhaltung der Italienischen Fraktion außerhalb Italiens ein Anachronismus, der nur zu ihrer totalen Liquidierung führen kann; und man kann mit Fug und Recht sagen, wie ein Genosse schrieb, dass eine zweite Überraschung der Fraktion in dieser Größenordnung ihren Bankrott bedeuten würde. In Italien selbst haben die alten Mitglieder der Linken, die Mitglieder der Fraktion, die dort sind, das Bedürfnis, sich neu zu formieren. Der Druck der Ereignisse zeigt sich so stark und drängt sie dazu, ihrer Tätigkeit eine organisierte und organisatorische Form zu geben.
Die Tendenz, die Partei entsprechend der objektiven Situation aufzubauen, wird immer deutlicher. Aber in diesem Programm des Parteiaufbaus, das sich von 1943 bis 1945 erstreckt, fehlt die Fraktion als Organisation, als homogener ideologischer Körper. Die Abwesenheit der Fraktion in dieser kritischen Periode der Formierung wird furchtbar zu spüren sein und schwerwiegende Folgen haben, die wir sowohl in der Art der Umgruppierung als auch in den programmatischen Grundlagen der neuen Partei finden.
b) Die Theorie der «Italienischen Fraktion im Ausland»
Anstatt das Scheitern der Fraktion bei der Erfüllung ihrer grundlegenden Aufgaben durch die Vorbereitung ihrer Rückkehr nach Italien entschlossen zu überwinden, und um das eigene Scheitern zu minimieren, führte ein Teil der Fraktion den Begriff der "Fraktion im Ausland" ein
Dies war ein Versuch, die Schwere der Verantwortung zu mindern. Es hieß: "Alle Kritik, die geäußert wurde, mag richtig sein, aber sie ist nicht ernst zu nehmen, weil sie sich nur auf einen Teil der Fraktion bezieht, auf den Teil, die Sektion, die im Ausland ist, während der Großteil der Organisation in Italien lebt und handelt.“ Und von dort aus spottet man über "die Panikmacher" und "ihre Anmaßungen", dem Proletariat und den Militanten in Italien "etwas vorschreiben" zu wollen.
Es stimmt, dass es der Fraktion gelungen ist, diese Theorie zu verwerfen, aber es stimmt auch, dass es ihr nie gelungen ist, diese weiterhin vorherrschende Geisteshaltung zu beseitigen.
Die Formel von der "Fraktion im Ausland" war doppelt falsch und gefährlich. Erstens, weil sie bewusst die Unwahrheit über die Existenz einer soliden Fraktionsorganisation in Italien aufrechterhielt, und zweitens, weil sie, anstatt sich um die Überwindung ihres Scheiterns zu bemühen, dieses in der Vergangenheit und in der Zukunft rechtfertigte, indem sie die bestehende Organisation von jeglicher politischen Verantwortung befreite.
Es liegt uns fern, den Wert der in Italien verbliebenen Genossen zu unterschätzen. Es ist sicher, dass der größte Teil der Linken in Italien geblieben ist. Es ist auch wahrscheinlich, dass dies sowohl für die Qualität als auch für die Quantität der Mitglieder gilt. Die Tatsache, dass die meisten von ihnen nach 20 Jahren Faschismus immer noch ihren Positionen treu geblieben sind, an vorderster Front des Kampfes, ist ein starkes Indiz für ihr Kaliber und ihren Wert. Aber es geht nicht um individuelle Werte. Die Organisation ist keine Summe von Einzelwillen, genauso wenig wie das Klassenbewusstsein eine Summe von Einzelbewusstsein ist. Die Organisation ist eine Einheit. Sie ist der Ort, an dem die ideologische Gärung der Klasse erzeugt und fortgesetzt wird.
Nun ist es gerade die Möglichkeit, die Organisation aufrechtzuerhalten, die den Genossen in Italien fehlte. Und wie groß ihr individueller Wert auch sein mag, er kann nicht an die Stelle eines organisierten politischen Lebens treten. Der dem politischen Klassencharakter des italienischen Proletariats entsprechende Organismus während des Faschismus war die Italienische Fraktion, wie sie lebte, agierte und sich entwickelte. Die politischen Positionen der Fraktion sind nicht die Beiträge einer Sektion, sondern der Ausdruck des Lebens und des Bewusstseins der Klasse. Es handelt sich nicht um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eine Niederlassung im Ausland, sondern um die Delegation der Klasse.
Die Mitglieder der Linken in Italien sind unter äußerst schwierigen historischen Bedingungen dem Programm der Revolution treu geblieben, und das ist ihr großes Verdienst. Aber es ist die Fraktion, wie sie existiert hat, mit ihrer Organisation, ihrer Presse außerhalb Italiens, die die historische Kontinuität des Proletariats gewährleistet hat. Es ist die Fraktion, die im Namen der Klasse den Zentrismus bekämpfen, eine Bilanz des vergangenen Kampfes ziehen und auf der Grundlage der Erfahrungen das Programm der Revolution korrigieren und vervollständigen musste.
Die Illusionen über die Organisation in Italien, die infantilen Legenden über die neuen Kader, die von Bordiga selbst im Geheimen hinter dem Rücken Mussolinis vorbereitet wurden, waren nichts anderes als Opium, das man sich und anderen verabreichte, um in künstlicher und falscher Ekstase die Realität des eigenen Elends und Versagens zu vergessen.
Während der gesamten kritischen Zeit von 1943 bis 1945 hatte die Partei einen enormen Mangel an Kadern. Und diese Kader, geschult durch 15 Jahre Fraktionsleben, überdeckten ihre Unzulänglichkeiten, ihr Versagen, ihre Abwesenheit mit dem Mantel falscher Bescheidenheit und trösteten sich mit der Theorie einer "Sektion im Ausland".
Mit dieser Haltung zerstörte die Fraktion 15 Jahre lang ihre eigene Arbeit; diese theoretische Arbeit der Fraktion, die die Achse des neuen Parteiprogramms sein sollte, wurde zu "einem bloßen Beitrag der Genossen im Ausland".
Wenn wir heute Lücken und Mängel in der programmatischen Basis der Partei feststellen, wenn wir eine auf den ersten Blick überraschende Methode der Umgruppierung finden, liegt die Schuld in erster Linie und direkt bei der Fraktion
c) Die Auflösung der Fraktion
Die Fehler folgen einander mit unerbittlicher Logik. Von der physischen und politischen Abwesenheit in entscheidenden Momenten über die Rechtfertigung dieser Abwesenheit durch die Theorie der "Fraktion im Ausland" bis hin zur reinen und einfachen Auflösung der Fraktion. Dieser letzte Schritt wurde ebenfalls unternommen.
Wir wissen sehr wohl, dass die Genossen der alten Fraktion behaupten, wir seien Opfer eines Missverständnisses oder einer falschen Interpretation. Einige haben uns sogar bezichtigt, wir hätten schlechte Absichten. Wir können nur noch einmal unser Bedauern und unser Erstaunen darüber zum Ausdruck bringen, dass die auf der letzten Konferenz der Italienischen Fraktion angenommene Resolution, die die Auflösung beinhaltet, nach acht Monaten immer noch im Verborgenen geblieben ist. Vor acht Monaten konnte man sich in juristischen Spitzfindigkeiten über den zweideutigen Begriff "Rückgabe des Mandats" verlieren. Mehr Subtilität ist heute nicht möglich. Seit Mai 1945 ist die Italienische Fraktion aufgelöst. Die nach Italien zurückgekehrten Genossinnen und Genossen sind als Einzelpersonen in die Partei integriert worden. Und wir sind Zeugen dieses paradoxen Schauspiels, das komisch sein könnte, wenn es nicht eine äußerst ernste politische Bedeutung hätte.
Im Jahr 1936 wurde die internationale Arbeiterbewegung einer entscheidenden historischen Prüfung unterzogen: dem imperialistischen Krieg in Spanien. Zum ersten Mal wurde der Antifaschismus konkret in Unterstützung für den imperialistischen Krieg umgesetzt. Es ist der neue 2. August 1914. Jeder militante Arbeiter, jede Gruppe wird auf die Probe gestellt: FÜR oder GEGEN die Teilnahme am Krieg. Das Zusammenleben dieser beiden Positionen ist unmöglich. Die politische Abgrenzung muss zu einer organisatorischen Abgrenzung führen.
In Belgien bricht eine Minderheit mit der Internationalistischen Kommunistischen Liga und gründet die Belgische Fraktion der Kommunistischen Linken. In der Italienischen Fraktion spaltete sich eine Minderheit ab oder wurde ausgeschlossen und schloss sich dem mit der POUM verbündeten Kommunistischen Bund an.
Diese Minderheit, die von 1936 bis 1945 außerhalb der Fraktion blieb, gegen die sich die Internationale Kommunistische Linke formierte, und die ihre Positionen immer noch beibehält und einfordert, ist heute Teil der neuen Partei in Italien.
1945, nach sechs Jahren des Kampfes gegen die marxistische und revolutionäre Linie der Fraktion, gründete die Tendenz Vercesi das Komitee der Antifaschistischen Koalition, in dem sie in einer ursprünglichen heiligen Allianz mit allen Parteien der Bourgeoisie zusammenarbeitete.
Dies führte zu einer politischen und theoretischen Diskussion, die die Fraktion dazu veranlasste, diese Tendenz aus ihrer Mitte auszuschließen. Heute ist diese Tendenz, ohne etwas von ihren Positionen und ihrer Praxis aufgegeben zu haben, ein fester Bestandteil der neuen Partei in Italien und nimmt sogar einen wichtigen Platz in der Führung ein.
So fand sich die Fraktion - die 1936/1937 die Minderheit und Anfang 1945 die Vercesi-Tendenz ausgeschlossen hatte - Ende 1945 aufgelöst, aber mit genau denjenigen vereint, die sie ausgeschlossen hatte; und diese Vereinigung ist... die Partei.
Es scheint, dass das, was für die Fraktion eine Grundsatzfrage war, für die Partei nicht gilt. Oder dass das, was "im Ausland" eine Grundsatzfrage war, "im Inland" keine Grundsatzfrage ist. Oder dass alles, was "im Ausland" passiert ist, die gesamte 15-jährige Geschichte der Fraktion, ihre Kämpfe, ihre Spaltungen, nur "verrückte Geschichten" sind. Es ist, als hätte das Wasser des Po die wundersame Eigenschaft, alle Flecken wegzuwaschen, von allen Sünden zu reinigen und vor allem alle zu versöhnen. Wir wissen nicht, ob es die "Luft des Landes" ist, die diese Gabe besitzt, einen Mann des Antifaschistischen Koalitionsausschusses in ein Mitglied des Zentralkomitees einer revolutionären Partei zu verwandeln, aber wir sind überzeugt, dass dies das Ergebnis der übereilten und verfrühten politischen und organisatorischen Auflösung der Fraktion ist.
Der politische Wiedereintritt der Fraktion in Italien wäre ein Hindernis für den Aufbau der revolutionären Partei des Proletariats gewesen. Die Auflösung der Fraktion bedeutet die Öffnung der Schleusen, durch die die opportunistischen Strömungen ungehindert eindringen können. In der Zukunft drohen diese Strömungen die gesamte Partei zu überfluten. Dies ist die Folge eines schwerwiegenden Fehlers, der von der Italienischen Fraktion begangen wurde.
6. Methode der Parteibildung
Während es richtig ist zu sagen, dass die Konstituierung der Partei durch objektive Bedingungen bestimmt wird und nicht das Ergebnis eines individuellen Willens sein kann, ist die Methode zur Konstituierung der Partei direkter dem "Subjektivismus" der Gruppen und Aktivisten untergeordnet, die sich an ihr beteiligen. Sie sind es, die die Notwendigkeit der Parteibildung spüren und in die Tat umsetzen. Das subjektive Element wird so zu einem entscheidenden Element in diesem Prozess und in dem, was folgt; es markiert die gesamte Ausrichtung für die weitere Entwicklung der Partei. Ohne in einen hilflosen Fatalismus zu verfallen, wäre es äußerst gefährlich, die schwerwiegenden Folgen zu ignorieren, die sich aus der Art und Weise ergeben, in der der Mensch die Aufgaben erfüllt, deren objektive Notwendigkeit er erkannt hat. Die Erfahrung lehrt uns die entscheidende Bedeutung der Methode für die Konstituierung der Partei. Nur die Unwissenden oder die Hasardeure, für die die Geschichte erst mit ihrer eigenen Tätigkeit beginnt, können sich den Luxus erlauben, die ganze reiche und schmerzliche Erfahrung der Komintern außer Acht zu lassen. Und es ist nicht weniger schlimm zu sehen, dass sehr junge Kämpfer, die gerade erst in der Arbeiterbewegung und der Kommunistischen Linken angekommen sind, sich mit ihrer Unwissenheit nicht nur zufrieden geben, sondern sie sogar zur Grundlage ihrer anmaßenden Arroganz machen.
Am Vorabend des ersten imperialistischen Weltkriegs befand sich die Arbeiterbewegung in einem Zustand der extremen Spaltung. Der imperialistische Krieg hatte die formale Einheit der politischen Organisationen, die den Anspruch erhoben, Teil des Proletariats zu sein, gebrochen. Die Krise der Arbeiterbewegung, die bereits vorher bestand, erreichte durch den Weltkrieg und die Positionen, die als Antwort darauf eingenommen werden mussten, ihren Höhepunkt. Alle marxistischen, anarchistischen und gewerkschaftlichen Parteien und Organisationen werden dadurch heftig erschüttert. Die Spaltungen häufen sich. Neue Gruppen entstehen. Es kommt zu einer politischen Abgrenzung. Die revolutionäre Minderheit der Zweiten Internationale, vertreten durch die Bolschewiki, die Deutsche Linke um Luxemburg und die holländischen Tribunisten, die ohnehin nicht sehr homogen waren, standen nicht einfach einem einzigen opportunistischen Block gegenüber. Zwischen ihnen und den Opportunisten gab es eine ganze Bandbreite politischer Gruppen und Tendenzen, mehr oder weniger verwirrt, mehr oder weniger zentristisch, mehr oder weniger revolutionär, die die allgemeine Bewegung der Massen repräsentierten, die mit dem Krieg, mit der Heiligen Allianz, mit dem Verrat der alten Parteien der Sozialdemokratie brachen. Wir sehen hier einen Prozess der Liquidierung der alten Parteien, deren Untergang eine Vielzahl von Gruppen entstehen ließ. Diese Gruppen drückten weniger den Prozess der Konstituierung der neuen Partei aus als vielmehr die Verwerfung, die Liquidierung, den Tod der alten Partei. Diese Gruppen enthielten zwar Elemente für die Konstituierung der neuen Partei, bildeten aber keineswegs die Grundlage für sie. Diese Strömungen drückten im Wesentlichen die Negation der Vergangenheit und nicht die positive Bejahung der Zukunft aus. Die Grundlage für die neue Klassenpartei konnte nur in der früheren Linken liegen, in ihrer kritischen und konstruktiven Arbeit, in den theoretischen Positionen und programmatischen Prinzipien, die die Linke in den 20 Jahren ihres Bestehens und Kampfes als Fraktion innerhalb der alten Partei erarbeitet hatte.
Die Oktoberrevolution 1917 in Russland löste bei den Massen große Begeisterung aus und beschleunigte den Prozess der Liquidierung der alten Parteien, die die Arbeiterklasse verraten hatten. Gleichzeitig stellte sie das Problem der Konstituierung der neuen Partei und der neuen Internationale in aller Schärfe dar. Die alte Linke, die Bolschewiki und die Spartakisten, wurden durch die rasche Entwicklung der objektiven Situation, durch den revolutionären Vorstoß der Massen, überwältigt. Ihr überstürztes Vorgehen beim Aufbau der neuen Partei entsprach und war das Produkt des überstürzten Ablaufs der revolutionären Ereignisse in der Welt. Es ist unbestreitbar, dass eine der historischen Ursachen für den Sieg der Revolution in Russland und ihre Niederlage in Deutschland, Ungarn und Italien in der Existenz der revolutionären Partei zum entscheidenden Zeitpunkt in dem einen Land und ihrem Fehlen oder ihrer Unvollständigkeit in den anderen Ländern liegt. So versuchten die Revolutionäre, die Kluft zwischen der Reife der objektiven Situation und der Unreife des subjektiven Faktors (dem Fehlen der Partei) durch einen breiten Zusammenschluss politisch heterogener Gruppen und Strömungen zu überwinden und diesen Zusammenschluss als die neue Partei zu proklamieren.
Während die "strenge" Methode der Auswahl auf genauester prinzipieller Grundlage, ohne Rücksicht auf den unmittelbaren zahlenmäßigen Erfolg, die Bolschewiki in die Lage versetzte, eine Partei aufzubauen, die im entscheidenden Moment alle revolutionären Energien und Kämpfer aus anderen Strömungen integrieren und assimilieren und schließlich das Proletariat zum Sieg führen konnte, führte die "breite" Methode, bei der es vor allem darum ging, auf Kosten präziser Prinzipien und Programme sofort möglichst viele Menschen zu versammeln, zur Bildung von Massenparteien, echten Giganten auf tönernen Füßen, die nach der ersten Niederlage, die sie erlitten, dem Opportunismus verfielen. Die Bildung der Klassenpartei erwies sich in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, wo die Bourgeoisie über tausend Mittel verfügt, um das Bewusstsein des Proletariats zu korrumpieren, als unendlich schwieriger als in Russland.
Deshalb glaubte die Komintern, die Schwierigkeiten mit anderen Methoden als denen, die sich in Russland durchgesetzt hatten, umgehen zu können. Der Parteiaufbau ist keine Frage des Geschicks oder des Savoir-faire, sondern im Wesentlichen ein Problem der programmatischen Festigkeit.
Angesichts der enormen Macht der ideologischen Korruption, die der Kapitalismus und seine Helfer ausüben, kann das Proletariat sein Klassenprogramm nur mit größter Strenge und Unnachgiebigkeit durchsetzen. Wie langsam dieser Weg zum Aufbau der Partei auch erscheinen mag, Revolutionäre können keinen anderen Weg gehen, wie die Erfahrung der vergangenen Misserfolge gezeigt hat.
Die Erfahrung des Spartakusbundes ist in diesem Punkt sehr erhellend. Dessen Zusammenschluss mit den Unabhängigen führte nicht, wie erhofft, zur Schaffung einer starken Klassenpartei, sondern führte zu einer „Durchdringung“ des Spartakusbundes durch die Unabhängigen und zur Schwächung des deutschen Proletariats. Vor ihrer Ermordung erkannten Rosa Luxemburg und andere Führer des Spartakusbundes den Fehler des Zusammenschlusses mit den Unabhängigen und versuchten, ihn zu korrigieren. Aber dieser Fehler wurde von der Komintern nicht nur in Deutschland beibehalten, sondern er wurde zur praktischen Methode für die Bildung kommunistischer Parteien in allen Ländern, die von der Komintern aufgezwungen wurde.
In Frankreich "schuf" die Komintern die Kommunistische Partei, indem sie den Zusammenschluss und die Vereinigung von Gruppen revolutionärer Syndikalisten, der Internationalisten der Sozialistischen Partei und der verkommenen, korrupten zentristischen Tendenz der Parlamentarier, angeführt von Frossard und Cachin, erzwang.
In Italien zwang die Komintern die Abstentionistische Fraktion Bordigas, eine einzige Organisation mit den zentristischen und opportunistischen Tendenzen von Ordino Nuovo und Serrati zu gründen.
In Großbritannien forderte die Komintern die kommunistischen Gruppen auf, sich der Independent Labour Party anzuschließen, um eine revolutionäre Massenopposition innerhalb dieser reformistischen Partei zu bilden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die von der Komintern beim "Aufbau" kommunistischer Parteien angewandte Methode überall im Gegensatz zu der Methode stand, die sich beim Aufbau der bolschewistischen Partei bewährt hatte. Es war nicht mehr der ideologische Kampf um das Programm, die schrittweise Beseitigung der opportunistischen Tendenzen, die durch den Sieg der konsequentesten revolutionären Fraktion als Grundlage für den Aufbau der Partei diente. Stattdessen war die Grundlage eine Addition verschiedener Tendenzen, ihre Verschmelzung um ein Programm, das absichtlich unvollständig gelassen worden war. Selektion wurde durch Addition ersetzt, Prinzipien wurden der zahlenmäßigen Masse geopfert.
Wie konnten die Bolschewiki und Lenin diesen Weg einschlagen, den sie in Russland 20 Jahre lang verurteilt und bekämpft hatten? Wie lässt sich dieser Methodenwechsel bei der Parteibildung durch die Bolschewiki vor und nach 1917 erklären? Lenin machte sich keine Illusionen über die opportunistischen und zentristischen Führer, über die Bekehrung der Frossards, der Lebedours zur Revolution, über den wirklichen Wert dieser Revolutionäre in letzter Minute. Lenin kann sich der Gefahr nicht bewusst gewesen sein, die die Aufnahme dieses ganzen Haufens in die kommunistischen Parteien darstellt. Wenn er sich entschloss, sie aufzunehmen, dann nur, weil er dem Druck der Ereignisse ausgesetzt war, weil er glaubte, dass diese Elemente durch die Entwicklung der Ereignisse schrittweise und endgültig aus der Partei entfernt werden würden. So konnte Lenin eine neue Methode einführen, die sich auf zwei neue Tatsachen stützte, die in seinen Augen eine ausreichende Garantie boten: die politische Vorherrschaft der bolschewistischen Partei in der Komintern und die objektive Entwicklung des revolutionären Kurses. Die Erfahrung hat inzwischen gezeigt, dass Lenin einen kolossalen Fehler begangen hat, indem er die Gefahr einer opportunistischen Entartung unterschätzte, die in einer revolutionären Partei immer möglich ist und die umso mehr begünstigt wird, wenn die Parteibildung nicht auf der Grundlage der Beseitigung der opportunistischen Elemente erfolgt, sondern auf der Grundlage ihrer Tarnung, ihrer Zusammenführung und ihrer Einbindung als Elemente, die die neue Partei bilden.
Gegen die "breite" Methode der Zusammenführung, die sich in der Komintern durchsetzte, erinnerte die Linke energisch an die Methode der Auswahl, die Methode Lenins vor der Oktoberrevolution. Und es war eines der großen Verdienste von Bordiga und seiner Fraktion, dass sie die Methode der Komintern am energischsten bekämpften, indem sie den Fehler in der Methode der Parteigründung und die schwerwiegenden Folgen für die spätere Entwicklung der kommunistischen Parteien aufzeigten. Wenn die Fraktion von Bordiga schließlich die Bildung der Kommunistischen Partei Italiens mit der Fraktion Ordino Nuovo akzeptierte, so tat sie dies, indem sie sich den Entscheidungen der Komintern unterwarf, nachdem sie die schärfsten Kritiken formuliert und ihre eigenen Positionen aufrechterhalten hatte, die sie in den unvermeidlichen Krisen innerhalb der Partei und im Gefolge der lebendigen, konkreten historischen Erfahrung zum Sieg zu führen versuchte.
Heute können wir feststellen, dass das Fehlen kommunistischer Parteien während der ersten Welle der Revolution zwischen 1918 und 1920 eine der Ursachen für ihre Niederlage war, so wie die Methode der Parteigründung 1920-21 eine der Hauptursachen für die Degeneration der KPs und der Komintern war.
Eines der erstaunlichsten Dinge, die wir heute, 23 Jahre nach der Diskussion zwischen Bordiga und Lenin zur Zeit der Gründung der KP Italiens, beobachten, ist die Wiederholung desselben Fehlers. Die Methode der Komintern, die von der linken Fraktion Bordigas so heftig bekämpft wurde und deren Folgen für das Proletariat katastrophal waren, wird heute von der Fraktion selbst beim Aufbau der KPI Italiens aufgegriffen.
Viele Genossinnen und Genossen der Internationalen Kommunistischen Linken scheinen an politischer Amnesie zu leiden. Und in dem Maße, in dem sie sich an die kritischen Positionen der Linken zur Konstituierung der Partei erinnern, denken sie, dass sie heute darüber hinausgegangen sind. Sie glauben, dass die Gefahr dieser Methode eingedämmt, wenn nicht gar völlig beseitigt wird, weil es die Linksfraktion ist, die sie anwendet, d.h. der Organismus, der 25 Jahre lang der opportunistischen Degeneration der Komintern widerstehen konnte. Wir verfallen wieder in die Argumente der Bolschewiki. Lenin und die Bolschewiki glaubten, dass die Garantie dafür gegeben sei, weil sie es waren, die diese Methode anwandten. Die Geschichte beweist, dass es so etwas wie Unfehlbarkeit nicht gibt. Keine Partei, unabhängig von ihrer revolutionären Vergangenheit, ist gegen opportunistische Entartung immun. Die Bolschewiki hatten mindestens so viele revolutionäre Verdienste wie die Italienische Fraktion der Kommunistischen Linken. Sie hatten nicht nur dem Opportunismus der Zweiten Internationale und ihrem Verrat angesichts des imperialistischen Krieges widerstanden; sie hatten nicht nur die Partei gegründet, sondern das Proletariat zum Sieg geführt. Aber all diese glorreiche Vergangenheit - die keine andere Fraktion erreichen kann - immunisierte die bolschewistische Partei nicht. Jeder Irrtum, jeder Fehler ist eine Lücke in der Rüstung der Partei, durch die der Einfluss des Klassenfeindes eindringen kann. Fehler haben ihre logische Konsequenz.
Die Internationalistische Kommunistische Partei Italiens wird "aufgebaut" durch den Zusammenschluss, den Zusammenhalt von Gruppen und Tendenzen, die nicht weniger im Gegensatz zueinander stehen wie Bordigas Abstentionistenfraktion zum Ordino Nuovo bei der Gründung der KP Italiens 1921. In der neuen Partei haben wir als gleichberechtigte Partner die Italienische Fraktion und die Vercesi-Fraktion, die wegen ihrer Teilnahme an der Antifaschistischen Koalition ausgeschlossen wurden. Dies ist nicht nur eine Wiederholung des Methodenfehlers von vor 25 Jahren, sondern eine noch schlimmere Wiederholung.
Indem wir unsere Kritik an der Methode zur Konstituierung der PCInt Italiens formulieren, greifen wir nur die Position auf, die die Italienische Fraktion früher eingenommen hat und die sie heute aufgibt. Und so wie Bordiga die Fortsetzung von Lenin gegen den Irrtum von Lenin selbst war, setzen wir nur die Politik von Lenin und Bordiga gegen die Aufgabe der eigenen Positionen durch die Italienische Fraktion fort.
Die neue Partei ist keine politische Einheit, sondern ein Konglomerat, eine Addition von Strömungen und Tendenzen, die unweigerlich miteinander in Konflikt geraten. Der derzeitige Waffenstillstand kann nur sehr provisorisch sein. Die Eliminierung der einen oder anderen Strömung ist unvermeidlich. Früher oder später wird eine politische und organisatorische Abgrenzung vorgenommen werden müssen. Wie schon vor 25 Jahren stellt sich die Frage: Wer wird sich durchsetzen?
7. Sollten Revolutionäre der PCInt Italiens beitreten?
Wir haben gerade ausführlich untersucht, welchen Platz die Konstituierung der PCInt Italiens in der Geschichte der Arbeiterbewegung einnimmt. Wir haben soeben gesehen, inwieweit die neue Partei als ein Schritt nach vorn, als eine positive Errungenschaft des Proletariats betrachtet werden kann; aber wir haben auch die Unzulänglichkeiten und die negativen Seiten der Partei hervorgehoben.
Unsere Kritik, so scharf sie auch sein mag, führt uns nicht zu der Position der RKD, die die PCInt a priori und endgültig verurteilt. Die Kritik, die wir an der Gründungsmethode der PCInt und an ihrer programmatischen Unzulänglichkeit geübt haben, führt dazu, dass einige Genossen und Gruppen die Frage stellen: Sollen wir dieser Partei beitreten? Sollten wir uns an diesem Experiment beteiligen?
Die "Kommunistische Linke der 13. Stunde" - Vercesis Leute - erröten vor Empörung über die bloße Formulierung einer solchen Frage. Es ist beunruhigend zu sehen, wie in der Internationalen Kommunistischen Linken diese Art von Fetischismus eingeführt wird, der darin besteht, jeden Fehler, der zu einem bestimmten Zeitpunkt, in einer bestimmten Frage, von einer Gruppe oder der gesamten Internationalen Kommunistischen Linken begangen werden könnte, im Voraus freizusprechen.
Dieses politische System, das wir bei den Stalinisten und Trotzkisten zu sehr kennen gelernt haben - das auf die Notwendigkeit der Beweisführung verzichtet, das die Beweisführung durch die Behauptung ersetzt: "Wir hatten Recht, wir haben Recht und wir werden immer Recht haben, weil wir Wir sind!", das nur blinde Zustimmung oder Exkommunikation kennt - ist ein System, das jedes politische Leben in einer Organisation tötet, jede intellektuelle Gärung vernichtet, jede Entwicklung der Kämpfer stoppt und die Bewegung in eine elende bürokratische Instanz verwandelt.
Wer in der Politik jemandem aufs Wort glaubt - sagte Lenin - ist ein unheilbarer Idiot. Und jede politische Organisation, die sich in eine Kirche verwandelt, hört auf, eine Schule für Kämpfer zu sein, und wird zu einer Maschine, die einerseits eine kleine Clique unfehlbarer Bürokraten und andererseits eine Masse von Ja-Sagern hervorbringt.
Frei von jeder leicht empfindlichen Selbstliebe wollen wir jeden Einwand diskutieren, der gegen unsere Positionen und die der Internationalen Kommunistischen Linken erhoben werden könnte. In diesem Sinne nehmen wir die Gelegenheit wahr, die Position der RKD bezüglich der PCInt Italiens zu widerlegen. Die RKD übernimmt teilweise unsere Kritik an der programmatischen Unzulänglichkeit der PCInt, an der falschen Methode, mit der die Partei gegründet wurde, und insbesondere unsere Kritik an der revisionistischen Strömung von Vercesi. Infolgedessen definiert die RKD, scheinbar logisch, die PCInt Italiens als zentristische Partei. Und die RKD kommt zu dem Schluss, dass diese Partei bereits dazu verurteilt ist, sich auf fatale Weise zu opportunistischen und konterrevolutionären Positionen zu entwickeln. Die RKD sieht keine historische Möglichkeit für eine zentristische Partei, den Weg der Revolution zu finden. So verkünden sie die Notwendigkeit für die Revolutionäre in Italien, die PCInt zu verlassen und eine unabhängige Gruppe zu bilden.
Entgegen allen Schemata haben wir es hier mit einer Reihe von logischen Schlussfolgerungen zu tun. Wenn wir die Frage genauer untersuchen, stellen wir fest, dass es sich um eine abstrakte logische Argumentation handelt, eine schematische Sichtweise, die die Realität der konkreten Situation nicht erfasst.
Wie ist die Lage in Italien? Nach 20 Jahren faschistischer Herrschaft tritt das Proletariat in den Wirren der Ereignisse vom Juli 1943 auf die politische und soziale Bühne. Es beginnt ein neuer Kurs der Wiederaufnahme des offensiven Kampfes, der die Konstituierung der Klassenpartei erfordert. Es liegt auf der Hand, dass wir, wenn wir diese neue Situation aus den Augen verlieren, wenn wir sie ignorieren, das Problem der Konstituierung der Partei nicht verstehen, die von da an nur noch ein neues Muster in der Reihe der von den Trotzkisten fabrizierten Parteien zu sein scheint.
Im Gegensatz zu diesen künstlichen Konstruktionen, die künstlich sind, weil sie in einer Situation des Rückzugs des
Proletariats entstanden sind, ist das, was die Konstituierung der Partei in Italien kennzeichnet, eher die Kluft, die zwischen der spontanen Wiederaufnahme des Klassenkampfes und der Verzögerung bei der Organisation des Klassenbewusstseins besteht: die Partei.
Was ist der Gründungsakt der Partei? Es ist die historische Konvergenz zwischen einer objektiven Situation der offensiven Wiederaufnahme des Klassenkampfes und der maximalen Verwirklichung des Programms durch den Klassenorganismus, der die Fraktion darstellt. Diese Konvergenz ist selten perfekt. Die Geschichte lehrt uns, dass die Partei ihr Programm oft erst unter dem Eindruck der Ereignisse ändert und vervollständigt. Das eindrucksvollste Beispiel liefert uns die bolschewistische Partei, die zwischen Februar und Oktober, mitten in der Revolution, zu einer tiefgreifenden Korrektur ihres Programms aufgefordert wird. Auch der Spartakusbund arbeitet in der Hitze der Novemberrevolution 1918 fieberhaft an seinem Programm.
Man kann natürlich die Verspätung der Vorhut beklagen, aber das hilft nicht weiter. Wichtig ist, sich der historischen Aufgabe bewusst zu sein, die den Revolutionären in der Zeit des Rückzugs zufällt, mit der kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der theoretischen Arbeit, der Ausarbeitung der programmatischen Positionen, in denen sich die Klasse in ihrem revolutionären Kampf positionieren kann.
Die italienische Fraktion hatte dieses Bewusstsein in hohem Maße; sie hat sich 20 Jahre lang fast im Alleingang darum bemüht. Und wenn sie noch nicht rechtzeitig entwickelt war, wie zum Beispiel im Jahr 1943, so hat das mehrere Gründe. Sie müssen in den allgemeinen Bedingungen gesucht werden, unter denen die Fraktion leben musste, in ihrer geographischen Entfernung vom Land, in ihrer fast völligen Isolation, in dem größten Rückschlag, den der Kampf des Proletariats je erlebt hat, und auch in ihren eigenen Fehlern und Schwächen.
Aber die Situation in Italien änderte sich. Das Jahr 1943 brachte die seit 20 Jahren unterdrückte Klassenbewegung zum Vorschein. Die Situation berücksichtigte nicht, ob der Klassenorganismus, sein Zustand, vorbereitet ist oder nicht. Sie zwang die Vorhut, einzugreifen und ihre Verantwortung zu übernehmen. Unter dem Eindruck der Situation musste die Vorhut ihre Umgruppierung beschleunigen und ihr Programm vollenden.
Die italienische PCInt, mit all ihren Unzulänglichkeiten, drückte diesen Zustand der Diskrepanz der Vorhut gegenüber der objektiven Situation aus. Dieser Umstand kann mit Bedauern zur Kenntnis genommen werden. Wir müssen die programmatische Reifung beschleunigen, aber wir können diesen Zustand nicht "verurteilen". Dies ist der erste Punkt, den es festzustellen gilt.
Der zweite Fehler der RKD besteht darin, die PCInt als "zentristisch" zu bezeichnen. Was ist Zentrismus? Es handelt sich um eine Reihe von politischen Positionen, die zwischen Revolution und Konterrevolution, zwischen Proletariat und Bourgeoisie angesiedelt sind. Eine politische Organisation, die kein vollständiges Programm vorlegt, das sogar in einer Reihe wichtiger, aber zweitrangiger Fragen Fehler enthält, kann noch nicht als "Zentrismus" bezeichnet werden. Allenfalls kann man von fehlerhaften, verworrenen oder unvollständigen Positionen dieser Organisation sprechen. Aber um ein endgültiges Urteil zu fällen, muss man die allgemeine Ausrichtung, die Entwicklungsrichtung dieser Organisation berücksichtigen. Die bolschewistische Partei zum Beispiel, die in ihrem Programm eine falsche Position zur Revolution in Russland vertrat, die als "demokratische revolutionäre Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft" konzipiert war, hat diesen Irrtum erst nach internen Kämpfen und Krisen unter dem Feuer der Revolution von 1917 überwunden. Die Position der RKD führt direkt dazu, die bolschewistische Partei als zentristische Partei zu betrachten und zu qualifizieren, also ad absurdum. Die RKD argumentiert jedoch, dass die PCInt zentristische Tendenzen in sich trägt. Das ist wahr. Wir würden sogar sagen, dass sie opportunistische Strömungen enthält. Das macht die PCInt noch nicht zu einer zentristischen Organisation, sondern nur zu einer Organisation, in der es zum Kampf zwischen revolutionären und opportunistischen Strömungen kommen wird. Die Plattform der PCInt zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen "Mittelweg" darstellt und nicht ausdrücklich und politisch eine Verurteilung zentristischer Positionen ist. Das ist etwas ganz anderes als eine zentristische Partei zu sein.
Die Position der RKD ist lediglich eine Anwendung ihres infantilen "Axioms" auf die PCInt, das darin besteht, die Notwendigkeit des sofortigen Austritts aus jeder Organisation zu verkünden, in der sich eine opportunistische Strömung manifestiert. Auf der Grundlage dieses "Axioms", das sie für "die revolutionäre Quintessenz" halten, werfen sie Luxemburg und der Deutschen Linken vor, nicht schon lange vor 1914 mit der deutschen Sozialdemokratie organisatorisch gebrochen zu haben. Aus demselben Grund werfen sie den Bolschewiki vor, in der Zweiten Internationale geblieben zu sein. Und unter diesem Gesichtspunkt verurteilen sie die Kommunistische Linke dafür, dass sie die Komintern und die kommunistischen Parteien nicht 1920-21 verlassen hat...
Die RKD stützt sich auf historische Erfahrungen. Es gebe kein Beispiel dafür, dass sich eine Partei, in der sich die opportunistische Krankheit manifestiert habe, erholen konnte; daher dienten die Revolutionäre nur dem Opportunismus, indem sie in diesen Parteien blieben. Eine solche Argumentation ist nicht nur falsch, sondern führt auch ad absurdum. Folgt man dieser Argumentation, wird man zu dem Schluss kommen, dass es nie eine Partei des Proletariats gegeben hat. Die Zweite Internationale enthielt in ihrem Fundament Opportunismus. So auch die Dritte Internationale. Logischerweise sollte die RKD die Revolutionäre nicht dafür verantwortlich machen, dass sie nicht aussteigen, sondern dass sie in diese Parteien eintreten. Das gilt auch für Marx und Engels in der Ersten Internationale. Es ist bekannt, dass Marx sozusagen in der Ersten Internationale Kompromisse eingegangen ist, und dass die von ihm verfasste Eröffnungsrede unendlich viel vager ist als das Kommunistische Manifest, das er 15 Jahre zuvor für den Bund der Kommunisten geschrieben hatte. Die Position der RKD ist in der Summe eine Verurteilung der gesamten Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Es ist nicht verwunderlich, dass sie den Begriff "Fraktion" nie verstanden haben.
Dieser Standpunkt ist historisch falsch. Die Erste Internationale, in der die Marxisten nur eine kleine Minderheit sind, schafft es nach und nach, die kleinbürgerlichen Positionen der Mazzinisten, der Garibaldianer, der Babuninisten usw. aus ihrer Mitte zu entfernen.
Die deutsche Sozialdemokratie beseitigt auch die Positionen der Lassalleaner und von Dühring und bildet eine Zeit lang ein Bollwerk gegen die Strömung Bernsteins und den Millerandismus. Die Bolschewiki überwinden, wie wir bereits gesehen haben, ihre eigenen falschen Positionen und erholen sich - unter dem heftigen Angriff von Lenin und seinen Aprilthesen - aus dem opportunistischen Morast, in dem sie sich im Februar/März 1917 befanden. Selbst die RKD bietet uns das Beispiel einer Organisation, die aus dem Trotzkismus hervorgegangen ist und nach Jahren die opportunistischen Positionen der Einheitsfront und des Selbstbestimmungsrechts der Völker aufgegeben hat.
Die "reine" revolutionäre Partei, die die RKD will, ist ein schöner und kindischer Traum. Solange es Klassen und Klassenkämpfe gibt, kann die Partei des Proletariats nicht absolut frei von und garantiert gegen das Eindringen des Einflusses der gegnerischen Klasse sein. Indem sie sich bewusst einem ständigen und hartnäckigen Kampf gegen den Opportunismus entgegenstellt, strebt die Partei zu ihrer idealen Position der revolutionären Reinheit. Aber in dem Moment, in dem dieser Zustand erreicht wird, d.h. in dem Moment, in dem der Einfluss der feindlichen Klasse aufhört, sich auf die Partei auszuwirken, was nur durch das Verschwinden dieser Klasse der Fall ist, wird auch die Partei selbst aufhören, als solche zu existieren, und wird eine Umwandlung erfahren, die noch niemand voraussehen kann.
Für einige ist die PCInt, was auch immer sie tut, was auch immer ihre konstitutionellen Fehler und programmatischen Unzulänglichkeiten sein mögen, allein aufgrund der Tatsache, dass sie italienisch ist und dass sie sich selbst als Partei der Internationalen Kommunistischen Linken bezeichnet und behauptet, zu ihr zu gehören, über jede Kritik erhaben und wird immer die Partei des Proletariats bleiben.
Für andere, wie die RKD, die teilweise die Unzulänglichkeiten und Fehler der PCInt und das Vorhandensein einer opportunistischen Tendenz in ihr sehen, ist die PCInt bereits zu einer fatalen Degeneration verurteilt. Dies ist eine fatalistische, sterile und hoffnungslose Vorstellung.
Revolutionäre Marxisten sind von der fatalistischen Vorstellung ebenso weit entfernt wie vom fetischistischen Mystizismus.
Weil sie sich bewusst sind, dass die Entwicklung der PCInt einerseits von der Entwicklung der Situation und andererseits von der Fähigkeit der Partei abhängt, die Saat des Opportunismus zu beseitigen, sind sie davon überzeugt, dass es die Pflicht eines jeden Revolutionärs ist, seinen Platz in dieser Partei einzunehmen, mit all seiner Kraft gegen den opportunistischen Wundbrand vorzugehen und die PCInt zum Führer und Architekten des Sieges der kommunistischen Revolution zu machen.
M.
Politische Erklärung - angenommen auf der Konferenz der Italienischen Fraktion im Mai 1944
Der gegenwärtige Zustand der Organisation ist die Fortsetzung einer Krise, die in der Fraktion bereits vor dem Krieg, im Jahr 1937, entstanden war. Sie beginnt mit der Aufgabe der politischen Positionen, die im Bericht über die internationale Lage enthalten sind, der auf dem Fraktionskongress von 1935 angenommen wurde, und mit der grundlegenden Revision der Analyse der historischen Epoche, die 1914 mit der dekadenten Phase des kapitalistischen Regimes begann.
Die marxistische Analyse dieser Phase, die programmatische Grundlage der Dritten Internationale und der Italienischen Fraktion der Kommunistischen Linken, wurde durch einen ganzen theoretischen Korpus einer neuen Doktrin ersetzt:
1. Leugnung der Verschärfung der imperialistischen Antagonismen bis hin zur Negation der Existenz dieser Antagonismen, was zur Leugnung der Unvermeidbarkeit des imperialistischen Krieges und zur Bestätigung des Ausschlusses eines allgemeinen imperialistischen Krieges in der dekadenten Phase des kapitalistischen Systems führte.
2. Ersetzung des imperialistischen Kriegsbegriffs durch die Theorie der "lokalisierten Kriege" und des "Bürgerkriegs der Bourgeoisie gegen das Proletariat".
3. Die Niederlage des Proletariats, eine Voraussetzung für die Eröffnung des Kriegsverlaufs, wurde durch die Theorie des lokalisierten Krieges ersetzt, der die revolutionäre Reifung des Proletariats aufhalten sollte.
4. Die Behauptung der Kommunisten, dass es unmöglich sei, die Lebensbedingungen des Proletariats in der dekadenten Phase zu verbessern, wurde durch die Theorie der Verbesserung der Lebensbedingungen des Proletariats ersetzt, die durch die Entwicklung der Technologie ermöglicht wurde (...).
5. Der Bruch mit der Realität, der Marsch in die entgegengesetzte Richtung zur Entfaltung der Situation spiegelte den Bruch mit der marxistischen Untersuchungsmethode wider und projizierte die ideologische Arbeit der Fraktion in die freien Sphären der reinen Abstraktion und sterilen Spekulation. Unter Missachtung des wirklichen Kurses versuchte das Zentrum der Fraktion, aus dem Kurs zum Krieg den Kurs zur Revolution abzuleiten. Sie arbeitete auf die künstliche Bildung der Fraktion in Frankreich hin und die Aufweichung der programmatischen Prinzipien, im Versuch einer Einheitsfront mit den Maximalisten und den Anarchisten durch die Initiative der Fraktion. Diese politische Linie beraubte die Fraktion jeder Möglichkeit, in den angekündigten Turbulenzen ein politisches und organisatorisches Leben für die Fraktion zu gewährleisten. Bei Ausbruch des Krieges war die Fraktion bereits zutiefst demoralisiert und entwaffnet, so überrascht und entwaffnet, dass sie die einzige Organisation war, die nicht die Kraft fand, ein proletarisches Manifest zu verfassen. Der Ausbruch des Krieges traf die Fraktion mit einer totalen Lähmung die das Internationale Büro mit ins Nichts zog.
6. Es versteht sich von selbst, dass die "orthodoxe" Tendenz diese neue revisionistische Doktrin von dem Moment an, als sie en bloc erschien, ständig bekämpft hat. Sie musste die Aufgabe der Neugruppierung der Fraktion allein bewältigen. Unermüdlich und methodisch, gestärkt durch die Bestätigung ihrer politischen Position durch die Ereignisse, setzte sie die seit 1940 unter unzähligen Schwierigkeiten begonnene Arbeit fort und es gelang ihr, die Fraktion neu zu gruppieren, die Bildung des französischen Kerns zu unterstützen, die belgische Fraktion zu internationalem ideologischem Leben zu erwecken, internationale Verbindungen innerhalb der Kommunistischen Linken und außerhalb mit der Gruppe der Revolutionären Kommunisten Deutschlands zu erneuern. Aber der Krieg, der das Aufblühen der revisionistischen Strömung unterbrochen hat, hat sie nicht politisch liquidiert, sondern nur ihre Entwicklung zum Opportunismus verstärkt, der mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit der Organisation wiederauftauchte. Es liegt in der Natur des Opportunismus, im Moment der revolutionären Flaute mit revolutionärer Phraseologie zu kämpfen, aber wenn es darum geht, an der ideologischen und organisatorischen Zementierung zu arbeiten, um die Organisation in die Lage zu versetzen, die Dampfwalze der Reaktion zu unterstützen. Der Opportunismus äußert sich dann durch sein mangelndes Verständnis der Situation, durch seine Ungeduld. In diesem Moment drängt er nach vorne, er übertreibt, er handelt mit Ungeduld, aber sobald die Ereignisse reifen, sobald die revolutionäre Bewegung einen aufsteigenden Verlauf nimmt, tritt er auf der Stelle, zieht sich zurück, er entdeckt alle möglichen Gespenster, die ihn und die Organisation erschrecken. Die Fraktion ist erschrocken über die Schwierigkeiten, sie warnt vor Aktivismus, sie entdeckt "die objektiven Bedingungen". "Vorwärts, langsam, in kleinen Schritten" ist ihr Motto.
7. Und wir sind Zeugen der vollen Entfaltung der opportunistischen Theorie und Praxis. Die dekadente Phase würde nicht mehr die Phase der Zerstörung, der geschrumpften Reproduktion sein, sondern sie würde (...) dank der Kriegswirtschaft die Phase der "vollen Entwicklung der Produktivkräfte" sein. Die Kriegswirtschaft würde nicht mehr eine Funktion des Krieges sein, sondern ihre eigenen Theorien des Bürgerkrieges der Bourgeoisie gegen das Proletariat werden über Bord geworfen, und es würde der Krieg sein, der zum Markt würde, auf dem die Produkte der Kriegswirtschaft ausgetauscht würde. Es wurde die Theorie erfunden, dass, da der Kapitalismus in der Kriegswirtschaft seinen Mehrwert realisieren kann, der Lohn-Kapital-Antagonismus in der revolutionären Explosion nicht mehr eingedämmt werden könne, und es wird vergessen, dass in der Kriegswirtschaft die Produktion des Mehrwerts durch eine extreme Verschlechterung der Lebensbedingungen des Proletariats bedingt ist, was den Lohn-Kapital-Antagonismus zu einer solchen Intensität bringt, dass er in einem revolutionären Sturm explodiert.
8. Die Kriegswirtschaft sei nicht länger eine Manifestation der permanenten Krise des Regimes, ein Moment der Erschütterung in der Agonie des Kapitalismus (Rosa Luxemburg), sondern sie wurde zum Moment der "größten Produktion von Wert" (Vercesi). Und da die Kriegswirtschaft eine neue Ära der Prosperität darstellen würde, wird die kommunistische Position, nach der die objektiven Bedingungen der Revolution durch die historische Phase, in der wir leben, gegeben sind, mit Füßen getreten werden, und man kehrt zur sozialdemokratischen Position der "Unreife der objektiven Bedingungen" zurück.
9. Der imperialistische Krieg würde nicht mehr die Möglichkeiten und die unausweichliche Notwendigkeit der Wiederaufnahme der Klassenbewegungen des Proletariats hervorbringen, sondern nur eine Krise der Kriegswirtschaft. Indem man die Theorie erfand, wonach die ökonomische Krise der Kriegswirtschaft der sozialen Krise vorausgeht, drückte man sich vor der Erfüllung seiner revolutionären Pflicht und griff die These auf, die Kautsky 1914 gegen Lenin aufstellte, wonach in Kriegszeiten kein Platz für die revolutionäre Organisation des Proletariats ist. Und da die Revolution nicht dem Krieg entspringe, wurde die Position Lenins und der Kommunisten von der "Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg" abgelehnt, um das Motto aller Opportunisten, Zentristen und Pazifisten von der "Beendigung des Krieges" zu übernehmen. So sollten wir uns einer Position anschließen, die, weil sie den Begriff der Arbeiterklasse, der einzig möglichen Opposition gegen den Krieg, nicht enthält, mit einem anderen Klasseninhalt gefüllt ist, dem der Bourgeoisie.
10. Um ihr eigenes Versagen und ihr eigenes Verschwinden zu rechtfertigen, erfand man die Theorie des sozialen Verschwindens des Proletariats seit 1929 und erklärte, dass alle revolutionären Aktivitäten der Avantgarde, weit davon entfernt das Proletariat widerzuspiegeln das es nicht mehr gibt, nur die Klasse ausdrücken, die als einzige noch existiert: die Kapitalistenklasse. Dies diskreditierte die gesamte ideologische Arbeit und die gesamte politische Tätigkeit der Fraktion in den letzten 10 Jahren und reduzierte diese auf ein Minimum.
11. In der Abneigung (und um jede Anstrengung in diese Richtung zunichte zu machen) einer revolutionären Arbeit der Avantgarde wurde die banale Wahrheit verkündet: die Situationen werden nicht durch den Willen der Partei selbst bestimmt, und die marxistische These wurde verwischt, nach der, entsprechend dem Bewusstsein das die Revolutionäre vom historischen Kurs haben und indem sie in die Entfaltung dieses Kurses eingreifen, sie ihn revolutionieren und beschleunigen. Hinter dem marxistischen Anschein verbirgt sich also nur die gemeinsame Neigung aller opportunistischen Thesen zur Spontaneität. Die Funktion der aktiven Partei wird von einer Maschine der Injektion des Bewusstseins in die Kämpfe des Proletariats zu einer Maschine der einfachen Registrierung (zur Kenntnisnahme) umgewandelt. Von ihrer Funktion als Gehirn wird die Partei auf ein einfaches Anhängsel der Klasse reduziert.
12. Das revolutionäre Auftreten des italienischen Proletariats, das das faschistische Gebäude der feindlichen Herrschaft zum Einsturz brächte, die internationale Situation erschüttere und den Weg zur Revolution eröffne, was eine Akzentuierung und Ausweitung der politischen Arbeit der Fraktion in Italien wie auch auf internationaler Ebene erfordern würde, würde seinen Ausdruck in der zentralen Position der "Auflösung der Fraktion" finden. Der Wiedereintritt in Italien als politische Organisation, dem der individuelle Wiedereintritt von Mitgliedern entgegengesetzt wurde, wurde mit dem Bannstrahl und dem Vorwurf des Bruchs mit programmatischen Prinzipien belegt. Nach einigen Monaten des Schweigens sahen wir eine ganze Reihe von Auslegungen, Verwertungen und Interpretationen der Ereignisse des Juli 1945, die alle auf einen zentralen Gedanken hinauslaufen: die Leugnung des proletarischen Charakters der Juli-Ereignisse, die Leugnung der Rolle des Proletariats bei der Bestimmung der Umwälzungen der Situationen. Man suchte nach der Krise der Kriegsindustrie, die nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse der militärischen Fronten zu befriedigen; man suchte nach "der faulen Frucht, die von selbst vom Baum fällt" und man fand die unsinnige Erklärung für die Konflikte zwischen Mussolini und den großen faschistischen Räten. Alles wurde als Mittel benutzt, um die proletarische Bewegung zu deformieren und zu verleugnen. All dies mit dem offensichtlichen Ziel, seine eigene Nichtexistenz und politische Kurzsichtigkeit zu rechtfertigen. Die Krankheit, von der die Fraktion im Laufe der Jahre befallen wurde, hat sie absolut unfähig gemacht, ihre revolutionären Aufgaben zu erfüllen. Nach 25 Jahren der Vorbereitung und des Bestehens war die Fraktion nicht physisch, sondern politisch ausser Gefecht gesetzt. Das ist die schreckliche und einzigartige Tatsache in der Geschichte der Arbeiterbewegung. So groß ist das Ausmaß der Verwüstung innerhalb der Fraktion. Wenn man gezwungen ist, die Fakten der Streiks und Demonstrationen nachdem Sturz des Regimes anzuerkennen, wird man auch dort versuchen, deren Ausmaß und Bedeutung zu minimiere
13. Und in den Reihen der Fraktion fanden sich Männer, die das besiegte und massakrierte Proletariat mit Füßen traten, indem sie von der Unfähigkeit des Proletariats sprachen, die Revolution in Gang zu bringen. Sie suchten nach wissenschaftlichen Beweisen oder Sündenböcken, nach der Unreife der objektiven Bedingungen, der Unfähigkeit des internationalen Proletariats, wobei sie vergaßen und zu verbergen suchten, dass vor allem die Fraktion nicht vorbereitet war. Als opportunistische Tendenz suchte man dann nach verführerischen und (...) selektiven Formeln, die dazu dienen, die eigenen Fehler auf andere abzuwälzen, und man ging so weit, die Abwesenheit (...) von Prinzipien zu benutzen, um es der Organisation unmöglich zu machen, sich wiederaufzurichten, sich anzupassen, die Fehler von gestern zu korrigieren, indem man sie überwindet, und die, in Ermangelung jeder heilsamen revolutionären Selbstkritik, die Fraktion in der Zukunft behindern wird.
14. Da sich die Organisation im Ausland befand und physisch von der Klasse getrennt war, kam man zum Schluss, dass es ihr unmöglich war, die Klasse zu vertreten. Und man brach mit der gesamten Vergangenheit, in der sich die Fraktion als politischer Organismus des italienischen Proletariats darstellte, der im Kampf des Weltproletariats agierte und intervenierte. So wurde die geografische Grenze zu einer politischen Grenze umgewandelt und die Organisation von einem politischen Organismus auf die Rolle marxistischer Gelehrter reduziert, die zur theoretischen Ausarbeitung beitragen.
15. Im Bereich der Organisation wurde eine Einstimmigkeit von politisch heterogenen Elementen erreicht, um die politische Funktion eines Zentrums aufzuheben und es auf einen einfachen Verbindungsorganismus zu reduzieren.
16. Wir sind der Meinung, dass alle diese politischen Positionen einen klaren Bruch mit den politischen Prinzipien des Kommunismus darstellen und keinen Platz in der Fraktion haben können, was eine schnelle politische Lösung erfordert. Der derzeitige Zustand der Anämie der Organisation erlaubt es uns jedoch nicht, in der unmittelbaren Zukunft die notwendige politische Lösung zu finden. In dieser widersprüchlichen Situation können wir nicht länger die politische Verantwortung für die Organisation übernehmen. Um der Organisation die Möglichkeit zu geben, ihre Krise zu überwinden, indem die Diskussion im Hinblick auf eine politische Lösung fortgesetzt wird, und um die interne Situation nicht zu verschlimmern, halten wir es für notwendig, von unserer Funktion als Exekutivkommission zurückzutreten. Indem wir unsere Freiheit und Verantwortung als Tendenz wiedererlangen, setzen wir den kompromisslosen ideologischen und politischen Kampf für die Beseitigung revisionistischer Politik und revisionistischer Praxis fort. Dieser Kampf wird innerhalb der Fraktion in der Internationalen Kommunistischen Linken und vor dem Proletariat unermüdlich weitergeführt werden, bis zum vollständigen Sieg der kommunistischen Position, einer Voraussetzung, die es der Fraktion ermöglichen wird, ihre historische Aufgabe im gegenwärtigen Reifeprozess der revolutionären Explosion zu erfüllen.
Resolution zum Fall Vercesi
Während eines zufälligen Gesprächs zwischen einem unserer Genossen und dem ehemaligen italienischen sozialistischen Abgeordneten Rafrani, das am 16. Januar 1945 in Paris stattfand, teilte dieser ihm mit, dass der Genosse Vercesi Mitglied eines italienischen antifaschistischen linken Komitees in Brüssel ist, in dem Maximalisten, Anarchisten und eine linke Tendenz der Sozialistischen Partei vertreten sind, und dass dieses Komitee ein Organ herausgibt: Prométéo. Die Exekutivkommission der Fraktion nimmt diese Informationen zur Kenntnis, und obwohl diese Informationen aus einer einzigen Quelle stammen, die noch nicht anderweitig bestätigt wurde, hält diese es dennoch für notwendig, ihnen die ganze Aufmerksamkeit zu schenken, die sie aufgrund ihrer Ernsthaftigkeit verdienen, und gibt die folgende Erklärung ab:
1. Die Gesamtheit der politischen Positionen von Vercesi wurde auf der Konferenz unserer Fraktion im Mai 1944 als revisionistisch eingestuft und in einem als "Politische Erklärung" bekannten Dokument festgehalten. Seit den durch die Kriegssituation verursachten Schwierigkeiten und trotz unserer wiederholten Klärungsversuche hat uns Vercesi in absoluter Unkenntnis über seine politische Entwicklung und Tätigkeit gelassen.
2. Die linken antifaschistischen Komitees sind nur Versuche, die unzufriedenen Massen zu bremsen, die mit dem hysterischen Chauvinismus der Stalinisten brechen und sich hin zu revolutionären Klassenpositionen entwickeln. In der Periode des revolutionären Aufschwungs, die sich anbahnt, sind diese links-zentristischen Formationen Versuche, die ultimativen Barrieren des Kapitalismus, die umso gefährlicher sind, als sie sich mit der Maske der revolutionären Phraseologie bedecken, um das Bewusstsein und den revolutionären Willen des Proletariats zu stoppen.
3. In allen Ländern werden, wie 1917, solche Gruppierungen entstehen. In Italien schien Bordiga die Führung in einer solchen Bewegung zu übernehmen. In anderen Ländern erfüllten die trotzkistischen, POUM-Gruppen und andere zentristische Elemente dieselbe Funktion. Im Namen einer größeren Einheit, eines größeren Zusammenschlusses stellten sie in Wirklichkeit die revolutionären Energien des Proletariats unter der ideologischen Vorherrschaft der Strömungen im Dienst der Bourgeoisie dar. Die revolutionäre Kraft des Proletariats liegt nicht in einer formalen Einheit, sondern in der Einheit um das revolutionäre Programm seiner Partei, gegen den imperialistischen Krieg, gegen den Kapitalismus in all seinen Formen: faschistisch, demokratisch oder sowjetisch, für die Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg, für die revolutionäre Machtergreifung durch das Proletariat.
4. Die Fraktion ruft das Proletariat auf, mit den linken Sammelbewegungen zu brechen, in denen der Antifaschismus nur die Maske ist, um das Proletariat der "demokratischen" Bourgeoisie zu unterwerfen. Sie prangert alle Elemente, die diese Politik betreiben, als Konfusionisten und Erfüllungsgehilfen des Kapitalismus an.
5. Innerhalb der Organisation kann die Fraktion die Anwesenheit solcher Elemente nicht einen Moment lang dulden. Für den Fall, dass sich die Informationen über den Genossen Vercesi bestätigen, erklärt die EK seinen sofortigen Ausschluss aus der Fraktion. Die EK ruft die gesamte Organisation auf, gegen die Manifestationen solcher Tendenzen vorzugehen und sofortige Maßnahmen zu ergreifen.
Darüber hinaus hält es die EK für eine dringende Aufgabe der Organisation, ihr Programm zur Anprangerung des konterrevolutionären Charakters dieser linken antifaschistischen Komitees und anderer zentristischer Bewegungen unter den Arbeitern zu intensivieren.
Die Exekutivkommission der Italienischen Fraktion
30.1.1945
[1]Die Konferenz der Italienischen Fraktion im Mai 1944 verurteilte in einer politischen Erklärung alle theoretischen und politischen Positionen der Vercesi-Tendenz, die zu Recht als revisionistisch und opportunistisch bezeichnet wurden, und sah die organische Trennung von dieser Tendenz als unvermeidlich an. In der Folge bestätigte die Vercesi-Tendenz diese Einschätzung dadurch, dass sie die Initiative für ein italienisches antifaschistisches Koalitionskomitee in Brüssel ergriff, wo sie die schändlichste Klassenzusammenarbeit mit den Vertretern aller politischen Parteien des italienischen Kapitalismus praktizierte. Aus diesem Grund wurde die Vercesi-Tendenz 1945 aus der Italienischen Fraktion ausgeschlossen.
[2]Wir wollen hier nicht auf all das eingehen, was an dieser Theorie der Kriegswirtschaft falsch und reine Phantasie ist und direkt zur Abkehr vom Marxismus führt. Wir haben mehrere Studien durchgeführt, in denen wir den revisionistischen Hintergrund und die konterrevolutionären Schlussfolgerungen dieser Theorie aufgedeckt und widerlegt haben. Eine Wiederholung der Kritik würde hier vom Thema ablenken. Wir verweisen den Leser auf unsere früheren Studien und insbesondere auf die Broschüre "Unsere Antwort".
[3]Diese Tatsache ist von großer Bedeutung. Während die belgische Regierung die Veröffentlichung der trotzkistischen Zeitung verbietet, die durch die "Verteidigung der UdSSR" mit dem imperialistischen Krieg in Verbindung gebracht wird, lässt sie völlige Freiheit zu und fördert sogar die Veröffentlichung einer politischen Zeitung durch "Ausländer". Wir wissen, welch strengen Kontrollen Ausländer während des Krieges unterworfen waren, vor allem, wenn sie Staatsangehörige eines feindlichen Landes waren, wie es bei den Italienern der Fall war. Die Zeitung musste mehr als nur Garantien geben, sondern auch Leistungen erbringen, damit ihr gegenüber, eine solche Großzügigkeit praktiziert werden konnte.
[4]Um Missverständnisse zu vermeiden, weisen wir darauf hin, dass wir, wenn wir von der Italienischen Fraktion sprechen, in keiner Weise die Tendenz-Vercesi meinen. Diese Tendenz mag einmal in der Führung der Fraktion gewesen sein, aber seit dem Krieg ist sie nicht nur eine Minderheit, sondern hat sich aufgrund ihrer Position der Unmöglichkeit jeglicher Aktivität und sogar der Aufrechterhaltung der Organisation während des Krieges, praktisch und freiwillig außerhalb der Organisation gestellt. Sie nahm während des Krieges an keiner einzigen Konferenz der Fraktion teil und wurde schließlich im Januar 1945 nach ihrer Teilnahme am Brüsseler Antifaschistischen Koalitionsausschuss offiziell aus der Organisation ausgeschlossen.
Wir «bedanken» uns bei der GIGC (Groupe Internationale de la Gauche Communiste), dass sie uns die Gelegenheit gibt daran zu erinnern, was sie wirklich ist.
Zu diesem Zweck drucken wir unten (vollständig, einschließlich Fußnote) ihren kleinen Artikel ab, der auf unsere angebliche Sackgasse und unsere Widersprüche in der Frage des Parasitismus hinweisen soll - wenn man dem Titel des Artikels der GIGC glauben darf.
Danach geben wir unseren Lesern eine Antwort.
Sackgasse und Widersprüche der IKS in Bezug auf "Parasiten", die IKT [1] und die GIGC
Die politisch verantwortungsvolle und brüderliche Haltung der IKS-Delegation bei der öffentlichen Veranstaltung des Komitees "NoWarButTheClassWar" in Paris - die wir begrüßen - mag überrascht haben. War das Treffen nicht auf Initiative der GIGC, welche die IKS als "parasitäre Gruppe" und "Zweigstelle des bürgerlichen Staates" (Révolution Internationale Nr. 446) anprangerte, und der IKT, die sie für ihre opportunistischen Zugeständnisse gegenüber dem Parasitismus kritisierte, organisiert worden? Gehörten dem aus drei Genossen bestehenden Präsidium dieser Veranstaltung nicht zwei ehemalige ihrer Mitglieder an, Olivier und Juan, die 2002 ausgeschlossen und in ihrer internationalen Presse öffentlich angeprangert und als "Nazis, Stalinisten, Diebe, Erpresser, Schläger, Lumpen, Verleumder, Provokateure, Spitzel" beschimpft wurden? Doch während der öffentlichen Veranstaltung gab es keine Anprangerung der angeblichen Parasiten und Spitzel. Keine Warnung an die anderen Teilnehmer, dass sie an einer Veranstaltung teilnehmen würden, die von einer "Polizeiagentur" abgehalten wird.[2] Kein Ultimatum, das den Ausschluss der eigenen Organisatoren von der Veranstaltung forderte.
Entweder glaubten die aktiven Mitglieder und Sympathisanten der IKS-Delegation den Resolutionen und anderen öffentlichen Artikeln, in denen die GIGC und ihre Mitglieder - die übrigens von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen der IKS ausgeschlossen sind - angeprangert werden, kein einziges Wort, oder die Delegation machte ein besonders schweres opportunistisches Zugeständnis nicht nur gegenüber dem sogenannten Parasitismus, sondern sogar gegenüber den sogenannten "agents provocateurs de l'État" (Provokateuren des Staates).
Wir lassen die IKS sich mit ihren von Mal zu Mal mehr auseinanderklaffenden und schreienden Widersprüchen auseinandersetzen.
GIGC, Dezember 2022
Die GIGC hat Recht, die IKS hat bei der ersten öffentlichen Veranstaltung des NoWarButTheClassWar (NWBTCW) Komitees in Paris mit einer "politisch verantwortungsvollen Haltung" interveniert. Und in der Tat haben wir die beiden Personen im Präsidium, Olivier und Juan, nicht angezeigt, obwohl sie Spitzel sind.
Weshalb?
Die GIGC jubelt und glaubt, darin den Beweis entweder für unsere angeblichen Selbstzweifel oder für unseren angeblichen Opportunismus zu entdecken.
Die Ursache für unser "politisch verantwortungsvolles Verhalten" kann der GIGC nur entgangen sein: Unser Daseinsgrund ist nicht die GIGC, sondern die Arbeiterklasse.
Dieses Treffen war offiziell von einem "Komitee" und nicht von politischen Gruppen einberufen worden. Wir sprachen also auf der öffentlichen Veranstaltung eines Komitees, eines Komitees mit dem Namen NWBTCW, eines Komitees, das ankündigt, sich dem imperialistischen Krieg entgegen zu stellen, eines Komitees, das in seinem Aufruf authentische internationalistische Positionen zeigt, eines Komitees, das an sich die heute seltene, schwierige und wertvolle Anstrengung unserer Klasse repräsentieren soll, sich zu organisieren, um zu debattieren und sich gegen die Barbarei dieses dekadenten Systems zu erheben.
Heute gibt es nur wenige Arbeiterinnen und Arbeiter, die nach Klassenpositionen suchen, und noch weniger versuchen sich zusammenzuschließen. Das ist es, was für uns ein Komitee grundsätzlich sein sollte: ein wertvoller Ort der Klärung unserer Klasse, den es zu verteidigen und zu beleben gilt. In diesem Sinne hatten wir alle unsere Kontakte ermutigt zu kommen und mitzumachen.
Unsere Befürchtung war, dass dieses Komitee seine Teilnehmer in eine Sackgasse führen würde. Weil die Kämpfe der Arbeiterklasse heute nicht gegen den Krieg, sondern gegen die Wirtschaftskrise gerichtet sind, bestand die Gefahr, dass dieses Komitee eine leere Hülle sein würde, ohne wirkliches Leben der Klasse, ein Komitee ohne Grundlage, künstlich und daher seine wenigen Beteiligten zu Aktionen drängend, die nicht der wirklichen Dynamik unserer Klasse entsprechen. Ein Komitee, das letztendlich die Verteidigung des Internationalismus schwächt, Verwirrung stiftet und schlussendlich die spärlichen Kräfte, die entstehen, vergeudet.[3]
Aus diesem Grund hatte sich die IKS bewusst dafür entschieden, entschlossen zu intervenieren, um den Internationalismus, den Hauptpfeiler der Kommunistischen Linken, zu verteidigen und die Teilnehmer vor dem zu warnen, was für uns von vornherein die Zerbrechlichkeit der NWBTCW-Komitees ausmacht, nämlich die künstliche Dimension dieser «Kampf»-Komitees. Dies war die Position, die wir in zwei Redebeiträgen vertraten, und die in der Tat "politisch verantwortungsvoll" ist.
Anstelle von "Kampfkomitees" sind heute vielmehr Diskussions- und Reflexionszirkel, die politisierte Minderheiten zusammenbringen, in Bezug auf den Krieg denkbar. Was die Bildung von Kampforganen betrifft, so könnten diese tatsächlich eine Rolle spielen, wenn sie durch den Bedarf an Klärung und Intervention zur Bewältigung der wirtschaftlichen Attacken motiviert sind.
Dies schien uns die Priorität und das zentrale Thema dieses Treffens und unserer Intervention zu sein.
Auf die Tatsache einzugehen, dass zwei im Saal anwesende Personen tatsächlich zu allem bereit sind, um die IKS zu zerstören, dass dies im Grunde ihr Daseinszweck ist und dass sie bereits eine unglaubliche Liste von Missetaten begangen haben, die bis hin zum Denunzieren (!) reichen, hätte die Debatte auf diese Frage fokussiert und somit die Diskussion in eine andere Richtung gelenkt.
Aber da die GIGC danach fragt, wollen wir sie nicht enttäuschen. Hier ein kurzer Überblick über den Stammbaum dieser beiden Herren.
Diese beiden Personen stammen aus der sogenannten «Internen Fraktion der IKS» (IFIKS), die eine Minigruppierung aus ehemaligen IKS Mitgliedern war, die 2003 während unseres 15. Internationalen Kongresses wegen Spitzelei ausgeschlossen wurden. Dies war nicht die einzige Schandtat, für die diese Elemente verantwortlich waren, da sie nicht nur die grundlegenden Prinzipien kommunistischen Verhaltens verleugneten, sondern sich auch durch typisch schurkenhafte Verhaltensweisen wie Verleumdung, Erpressung und Diebstahl hervorgetan hatten. Für diese anderen Verhaltensweisen, obwohl sie sehr schwerwiegend waren, vollzog die IKS keinen Ausschluss, sondern lediglich eine Suspendierung. Das heißt, dass es für diese Personen immer noch hätte möglich sein könnte, eines Tages in die Organisation zurückzukehren. Dies natürlich unter der Bedingung, dass sie das Material und das Geld, das sie der Organisation gestohlen hatten, zurückgeben und sich verpflichten, auf Verhaltensweisen zu verzichten, die in einer kommunistischen Organisation keinen Platz haben. Der Grund, warum die IKS sie schließlich ausgeschlossen hatte, war, dass sie auf ihrer Website (d.h. für alle Staatssicherheitsdienste und die Polizei der Welt sichtbar) interne Informationen veröffentlicht hatten, die die Arbeit der Polizei erleichterten[4]:
Es sei darauf hingewiesen, dass die IKS vor deren Ausschluss jedes IFIKS-Mitglieds in einem individuellen Brief gefragt hatte, ob es sich individuell mit dieser Spitzelei solidarisieren würde. Auf dieses Schreiben hatte die IFIKS schließlich geantwortet, indem sie sich kollektiv zu diesen schändlichen Verhaltensweisen bekannte. Es muss auch erwähnt werden, dass jedem dieser Personen die Möglichkeit eingeräumt worden war, seine Verteidigung vor dem IKS-Kongress oder auch vor einer Kommission aus fünf Mitgliedern unserer Organisation, von denen drei von den IFIKS Mitgliedern selbst ernannt werden könnten, vorzutragen. Diese «mutigen Individuen» waren sich bewusst, dass ihr Verhalten nicht zu rechtfertigen war, und lehnten diese letzten Vorschläge der IKS ab.
Stattdessen schickte die "IFIKS" dann ein "Kommunistisches Bulletin" an die Abonnenten unserer Publikation in Frankreich (deren Adressdatei die IFIKS Mitglieder vor ihrem Austritt aus unserer Organisation gestohlen hatten), um ihnen die ganze Zeit über zu erzählen, dass die IKS sich in opportunistischer und stalinistischer Entartung befinde.
Doch das ist noch lange nicht alles!
2005 bedrohte eines der IFIKS Mitglieder vor einer unserer öffentlichen Veranstaltungen ein Mitglied der IKS mit dem Tod. Er trug stets ein Messer an seinem Gürtel und flüsterte ihm auf abscheuliche Weise ins Ohr, dass er ihm die Kehle durchschneiden würde.
Tatsächlich könnten wir diese Liste immer weiter fortsetzen, da jedes ihrer "Kommunistischen Bulletins" seinen Anteil an Verleumdungen enthielt.
2013 nahm die IFIKS ihren neuen Namen "Groupe Internationale de la Gauche Communiste" GIGC an. Genauer gesagt ist diese neue Gruppe das Ergebnis der Fusion zwischen einem Teil der Gruppe Klasbatalo aus Montreal und der IFIKS.
Die Politik und die Aktivitäten dieser Gruppe wurden jedoch sofort durch die Sitten der Schläger und den Hass der IFIKS Mitglieder auf die IKS dominiert.
Kaum war die GIGC ins Leben gerufen, begann sie lauthals zu verkünden, dass sie im Besitz der internationalen Bulletins der IKS sei. Indem sie ihre Trophäe zur Schau stellten, war die Botschaft die diese patentierten Spitzel vermitteln wollten klar: Es gibt einen "Maulwurf" in der IKS, der Hand in Hand mit der ehemaligen IFIKS arbeitet! Es handelte sich eindeutig um Polizeiarbeit, die kein anderes Ziel hatte, als in unserer Organisation einen Generalverdacht, Unruhe und Zwietracht zu säen. Es waren die gleichen Methoden, die Stalins politische Polizei, die GPU angewandt hatte, um die politische Bewegung rund um Trotzki in den 1930er Jahren von innen heraus zu zerstören. Es sind dieselben Methoden, die die Mitglieder der ehemaligen IFIKS bereits angewandt hatten, als sie 2001 "Sonderreisen" zu verschiedenen IKS-Sektionen unternahmen, um geheime Treffen zu organisieren und Gerüchte zu verbreiten, dass eine unserer Genossinnen (die "Frau des IKS-Chefs", wie sie sie nannten) ein "Bulle" sei. Dieselbe Methode, mit der sie 2013 versuchten Panik zu verbreiten und die IKS von innen heraus zu zerstören, war noch abscheulicher: Unter dem scheinheiligen Vorwand, den IKS Mitgliedern "die Hand reichen" und sie vor der "Demoralisierung" retten zu wollen, richteten diese professionellen Spitzel in Wirklichkeit folgende Botschaft an alle IKS Mitglieder: "Es gibt einen (oder mehrere) Verräter unter euch, der uns eure internen Bulletins gibt, aber wir werden euch seinen Namen nicht nennen, denn das müsst ihr schon selbst herausfinden!". Das ist das eigentliche und permanente Ziel dieser "internationalen Gruppe": Sie versucht, das Gift des Verdachts und des Misstrauens in die IKS einzuschleusen, um zu versuchen, uns von innen heraus zu zerstören. Es handelt sich um ein echtes Zerstörungsunternehmen, das in seiner Perversion den Methoden der politischen Polizei Stalins oder der Stasi in nichts nachsteht.
Wir haben die GIGC bereits mehrfach öffentlich darauf angesprochen, wie unsere internen Bulletins in ihre Hände gelangt sind. Gab es einen Komplizen, der in unsere Organisation eingeschleust wurde? Hat die Polizei selbst sie erhalten, indem sie unsere Computer gehackt und sie dann auf irgendeine Weise an die GIGC weitergeleitet hat? Wäre die GIGC statt einer Bande eine verantwortungsbewusste Organisation gewesen, hätte sie sich bemüht, dieses Rätsel zu lösen und die Politik über die Ergebnisse ihr Ermittlungen zu informieren. Stattdessen wich sie dieser Frage, die wir ihr immer wieder öffentlich stellten, und stellen werden, stets aus.
Ihr letzter Artikel, den wir oben vollständig wiedergegeben haben, weicht nicht von diesen üblen Methoden ab. Was man der GIGC zumindest zugutehalten kann, ist ihre Beständigkeit…
Nur versucht die GIGC durch diesen Artikel nicht nur innerhalb der IKS, Spaltung, Verdächtigung und Misstrauen zu säen, sondern innerhalb der gesamten Kommunistischen Linken. Wenn die GIGC schreibt: "War das Treffen nicht auf Initiative der GIGC, die sie (die IKS) als "parasitäre Gruppe" und "Zweigstelle des bürgerlichen Staates" ( Révolution Internationale Nr. 446) anprangert, und der IKT, die sie für ihre opportunistischen Zugeständnisse gegenüber dem Parasitentum kritisiert, organisiert worden?", wirft die GIGC bereitwillig unsere Anprangerung der schurkenhaften Sitten dieser parasitären Gruppe und unseren Kampf gegen den Opportunismus der IKT in einen Topf.
Die GIGC, ein würdiger Nachfolger der IFIKS, erfüllt die Funktion, die Prinzipien der Kommunistischen Linken zu zerstören und Misstrauen und Spaltung in der Kommunistischen Linken zu verbreiten. Der Hass der Mitglieder der ehemaligen IFIKS auf uns, die IKS, überwiegt und zeichnet die gesamte Politik dieser Gruppe aus, unabhängig vom Bewusstseinsstand der verschiedenen später integrierten Mitglieder. Es handelt sich also um einen Kampf unsererseits gegen eine Gruppe, die unter dem Deckmantel, die Positionen der Kommunistischen Linken zu verteidigen, objektiv die Interessen des bürgerlichen Lagers[5] vertritt, indem sie dessen schlimmste Sitten und Haltungen übernimmt.
Der Kampf gegen den Opportunismus findet innerhalb des proletarischen Lagers statt. Die gesamte Geschichte der Arbeiterbewegung zeigt, dass es sich dabei um eine ständige Schwäche handelt, die das proletarische Lager durchzieht. Es geht also darum, den Opportunismus durch eine möglichst entschiedene und zugleich brüderliche Polemik innerhalb des Proletarischen Politischen Milieus zu bekämpfen. Dieser Kampf wird nicht nur zwischen revolutionären Organisationen, sondern auch in ihnen selbst geführt. Die Geschichte der IKS zeigt, dass wir in unseren eigenen Reihen seit 50 Jahren gegen solche Auswüchse kämpfen.
Die Methoden der Gleichsetzung und der absichtlichen Verwirrung durch die GIGC, um Verwirrung und Misstrauen zu stiften, sind verabscheuungswürdig.
Ganz im Sinne Rosa Luxemburgs: Lügner, Spitzel, in Verleumdung watend, mit Schmutz bedeckt: So sieht der Parasitismus aus, das ist er. Nicht wenn seine Protagonisten sich auf der Tribüne eines Komitee-Präsidiums als ehrbar und philosophisch, moralisch und offen, debattierend und brüderlich geben, sondern wenn der Parasitismus wie ein wildes Tier aussieht, wenn er den Sabbat der Rowdyhaftigkeit tanzt, wenn er gegenüber der Kommunistischen Linken und ihren Prinzipien Misstrauen sät, dann zeigt er sich wie er wirklich ist.
IKS, 15. Januar 2023
[1] Internationale Kommunistische Tendenz (International Communist Tendency) https://www.leftcom.org/en [67]
[2] Konferenz und Debatte in Marseille über die Kommunistische Linke: Dr. Bourrinet, ein Hochstapler und selbsternannter Historiker https://de.internationalism.org/iksonline/konferenz-marseille-ueber-die-kommunistische-linke-doktor-bourrinet-hochstaple [68]
[3] Wir können hier nicht näher auf unsere Position eingehen und verweisen unsere Leser auf unseren Artikel: https://de.internationalism.org/content/3105/no-war-class-war-ein-komite... [69]
[4] Die GIGC steht sogar zu ihrer polizeilichen Vorgehensweise. Tatsächlich findet man seit 2005 auf ihrer Website "GIGC/Bulletin Communiste International" Dokumente, die sich auf interne Diskussionen innerhalb der IKS beziehen.
[5] Diese Verteidigung erfolgt nicht durch die Verteidigung eines bürgerlichen Programms. Wie wir bereits in unseren Thesen über den Parasitismus schrieben: «(…) Marx und Engels [beschrieben] die Parasiten schon damals als politisierte Elemente (...), welche zwar vorgeben, zum Programm und den Organisationen des Proletariats zu gehören, ihre Energie aber nicht auf den Kampf gegen die herrschende Klasse, sondern gegen die Organisationen der revolutionären Klasse konzentrieren.» https://de.internationalism.org/content/1074/aufbau-der-revolutionaeren-... [70]
Angesichts des neuen Ausbruchs der Barbarei in Israel/Palästina sehen wir uns gezwungen, den Schwerpunkt dieser öffentlichen Veranstaltung, die sich auf die ökologische Krise konzentrieren sollte, zu ändern.
Nach dem Krieg in der Ukraine bestätigt dieser neue Konflikt einmal mehr, dass der Krieg eine zentrale Rolle in dem spielt, was wir den "Wirbelwind-Effekt" genannt haben - die sich beschleunigende Interaktion aller verschiedenen Ausdrucksformen des kapitalistischen Zerfalls, der eine wachsende Bedrohung für das Überleben der Menschheit darstellt.
Für Revolutionäre ist es von entscheidender Bedeutung, eine klare internationalistische Position gegen alle imperialistischen Konfrontationen, die sich auf der ganzen Welt ausbreiten, einzunehmen.
Welche Perspektive ergeben sich für die Arbeiterklasse angesichts dieser ganzen Zerstörungsspirale, die im Kapitalismus weltweit am Werk ist?
Aus unserer Sicht ist nicht alle Hoffnung für die Zukunft verloren. Die Wiederkehr des Klassenkampfes, der vor über einem Jahr in Großbritannien begann und nun auch in den USA seine Spuren hinterlässt, zeigt, dass die Arbeiterklasse nicht besiegt ist und dass ihr Widerstand gegen die Ausbeutung den Keim für einen revolutionären Umsturz der gegenwärtigen Weltordnung in sich trägt.
All diese Fragen werden wir auf der online Diskussionsverstaltung am Freitag, 3. November, 19.00 Uhr zur Sprache bringen.
Wenn ihr teilnehmen wollt, schreibt uns bitte an
[email protected] [47]
Der Marxismus und die Geschichte der Internationalen Arbeiterassoziation (der Ersten Internationale) belegen die Gültigkeit des Begriffs des Parasitismus zur Charakterisierung des destruktiven Verhaltens innerhalb der politischen Organisationen des Proletariats – eines Verhaltens, das den Methoden der Arbeiterklasse völlig fremd ist.
Wie in unseren Thesen zum Parasitismus[1] – aus denen viele der folgenden Entwicklungen entlehnt sind – hervorgehoben wurde, entstand der Parasitismus historisch als Reaktion auf die Gründung der Ersten Internationale, die Engels als „das Mittel zur allmählichen Auflösung und Absorption all dieser kleinen Sekten“ bezeichnete (Engels, Brief an Florence Kelly-Wischnewetzky, 27. Januar 1873). Die IAA war in der Tat ein Instrument, das die verschiedenen Teile der Arbeiterbewegung zwang, sich auf einen kollektiven und öffentlichen Klärungsprozess einzulassen und sich einer einheitlichen, unpersönlichen, proletarischen, organisatorischen Disziplin zu unterwerfen. In der Tat: „Aus den Lehren der Revolutionen von 1848 gezogen, akzeptierte das Proletariat nicht mehr die Führung des radikalen Flügels der Bourgeoisie und kämpfte nun für seine eigene Klassenautonomie. Diese Autonomie setzt jedoch voraus, dass das Proletariat in seinen eigenen Organisationen die Vorherrschaft der Theorien und Organisationskonzepte des Kleinbürgertums, der Bohemiens und deklassierten Elemente usw. überwindet."[2]
Aber der Fortschritt des proletarischen Kampfes brauchte diese Bewegung, die die Auflösung aller nichtproletarischen programmatischen und organisatorischen Besonderheiten und Autonomien auf internationaler Ebene bedeutete. Es war vor allem der Widerstand gegen diese Bewegung, der dem Parasitentum den Krieg gegen die revolutionäre Bewegung erklärte. Es war die IAA, die als erste mit dieser Bedrohung der proletarischen Bewegung konfrontiert wurde, die sie erkannte und bekämpfte. Es war die IAA, die, beginnend mit Marx und Engels, jene politisierten Elemente als Parasiten bezeichnete, die zwar behaupten, dem Programm und den Organisationen des Proletariats anzuhängen, aber ihre Anstrengungen auf den Kampf konzentrieren, nicht gegen die herrschende Klasse, sondern gegen die Organisationen der revolutionären Klasse. Das Wesen ihrer Tätigkeit besteht in der Tat darin, das kommunistische Lager zu verunglimpfen und gegen es zu manövrieren, während sie vorgeben, ihm anzugehören und ihm zu dienen. Dies wird in diesem Satz aus dem Bericht über die Allianz[3] zusammengefasst: „Zum ersten Mal in der Geschichte des Klassenkampfes sind wir mit einer geheimen Verschwörung im Herzen der Arbeiterklasse konfrontiert, die darauf abzielt, nicht das bestehende Ausbeutungsregime zu sabotieren, sondern die Vereinigung selbst, die den erbittertsten Feind dieses Regimes darstellt.“ Was die empfohlene Abhilfe betrifft, so ist sie eindeutig: „Es ist an der Zeit, ein für allemal den internen Streitigkeiten ein Ende zu setzen, die innerhalb unserer Vereinigung jeden Tag aufs Neue durch die Anwesenheit dieses parasitären Organs provoziert werden.“ (Engels: „Der Generalrat an alle Mitglieder der Internationalen Arbeiter Assoziation“)[4]
Wie im Falle der Allianz in der IAA wird der Parasitismus nur in Zeiten, in denen die Arbeiterbewegung von einem Stadium grundlegender Unreife zu einem qualitativ höheren, spezifisch kommunistischen Niveau übergeht, zu ihrem Hauptgegner. In der gegenwärtigen Periode ist diese Unreife nicht das Produkt der Jugend der Arbeiterbewegung als Ganzes, wie es zur Zeit der IAA der Fall war, sondern vor allem das Ergebnis der 50 Jahre Konterrevolution, die auf die Niederlage der revolutionären Welle von 1917–23 folgten. Heute ist es dieser Bruch in der organischen Kontinuität mit den Traditionen früherer Generationen von Revolutionären, der vor allem das Gewicht kleinbürgerlicher, organisationsfeindlicher Reflexe und Verhaltensweisen bei vielen Elementen erklärt, die behaupten, Marxisten und linke Kommunisten zu sein.
Der Parasitismus zielt auf Elemente, die auf der Suche nach Klassenpositionen sind und Schwierigkeiten haben, zwischen echten revolutionären Organisationen und parasitären Strömungen zu unterscheiden. Aus diesem Grund sind die parasitären Aktivitäten seit den 1990er und insbesondere den 2000er Jahren immer destruktiver geworden. Gegenwärtig haben wir es mit einer Vielzahl von informellen, oft im Verborgenen agierenden Gruppierungen zu tun, die behaupten, dem Lager der kommunistischen Linken anzugehören, die aber ihre Energie eher dem Kampf gegen die bestehenden marxistischen Organisationen als gegen das bürgerliche Regime widmen. Wie zu Zeiten von Marx und Engels besteht die Funktion dieser reaktionären parasitären Welle darin, die Entwicklung einer offenen Debatte und proletarischen Aufklärung zu sabotieren und die Aufstellung von Verhaltensregeln zu verhindern, die für alle Mitglieder des proletarischen Lagers verbindlich sind.
Sie wurde maßgeblich durch alle Spaltungen in der Geschichte des IKS genährt. Diese waren weder durch politische Differenzen motiviert noch gerechtfertigt, sondern das Ergebnis von nicht-marxistischem, nicht-proletarischem Organisationsverhalten, wie das von Bakunin in der IAA und den Menschewiki in der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei im Jahr 1903, die ihren Widerstand gegen organisatorische Disziplin und kollektive Prinzipien zum Ausdruck brachten.
Gegenüber der Arbeiterklasse und dem proletarischen politischen Milieu hat die IKS nie einen Hehl aus den Schwierigkeiten gemacht, auf die sie gestoßen ist. Zu Beginn der 1980er Jahre drückte sie sich folgendermaßen aus: „Wenn eine revolutionäre Organisation ihre Probleme und internen Diskussionen öffentlich macht, ist das ein gefundenes Fressen für alle Gegner, die darauf warten, sie zu verunglimpfen. Das gilt auch und sogar besonders für das IKS. Sicherlich werden wir in der bürgerlichen Presse keinen Jubel über die Schwierigkeiten finden, die unsere Organisation heute durchmacht: Das die IKS immer noch zu klein ist, sowohl in seiner Größe als auch in seinem Einfluss unter den arbeitenden Massen, als dass die Bourgeoisie ein Interesse daran hätte, über sie zu sprechen und zu versuchen, sie zu diskreditieren. Die Bourgeoisie zieht es vor, eine Mauer des Schweigens um die Positionen und sogar die Existenz der revolutionären Organisationen zu errichten. Deshalb wird die Arbeit, sie zu verunglimpfen und ihre Intervention zu sabotieren, von einer ganzen Reihe von Gruppen und parasitären Elementen übernommen, deren Funktion es ist, Individuen, die sich den Klassenpositionen nähern, zu vertreiben, sie von jeder Beteiligung an der schwierigen Aufgabe der Entwicklung eines proletarischen politischen Milieus abzuhalten...“ (Vom 11. IKS-Kongress angenommene Resolution: Kampf zur Verteidigung und zum Aufbau der Organisation [71], Internationale Revue Nr. 11)
Alle kommunistischen Gruppen wurden mit den Untaten des Parasitismus konfrontiert, aber es ist die IKS, weil sie heute die wichtigste Organisation im proletarischen Milieu ist, und auch die rigoroseste in Bezug auf die Einhaltung von Prinzipien und Statuten, die Gegenstand der besonderen Aufmerksamkeit des parasitären Milieus ist. Zu letzterem gehörten und gehören in einigen Fällen noch immer Gruppen, die aus der IKS hervorgegangen sind, wie die „Internationalist Communist Group“ (ICG) und ihre Abspaltungen wie „Against the Current“, die inzwischen aufgelöste „Communist Bulletin Group“ (CBG) oder die frühere „Externe Fraktion der IKS“ bzw. die „Interne Fraktion der IKS“, die einige Jahre später zur „Internationalen Gruppe der Kommunistischen Linken“ (GIGC) mutierte, allesamt aus Abspaltungen der IKS hervorgegangen.
Doch der Parasitismus ist nicht auf solche Gruppen beschränkt. Er wird auch von unorganisierten Elementen getragen, oder von denen, die sich von Zeit zu Zeit in flüchtigen Diskussionszirkeln treffen, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, alle möglichen Gerüchte über unsere Organisation zu verbreiten. Dabei handelt es sich oft um ehemalige Militante, die unter dem Druck der kleinbürgerlichen Ideologie nicht die Kraft hatten, ihr Engagement für die Organisation aufrechtzuerhalten, die frustriert waren, dass die Organisation ihre Verdienste nicht in dem Maße „anerkannte“, wie sie es sich selbst vorgestellt hatten, oder die die Kritik, der sie ausgesetzt waren, nicht ertragen konnten. Es gibt auch ehemalige Sympathisanten, die die Organisation nicht integrieren wollte, weil sie der Meinung war, dass sie nicht über genügend Klarheit verfügten, oder die ihr Engagement aufgaben, weil sie befürchteten, ihre „Individualität“ in einem kollektiven Rahmen zu verlieren (dies ist z. B. der Fall bei dem inzwischen aufgelösten „Alptraum-Kollektiv“ in Mexiko oder bei „Kamunist Kranti“ in Indien). In allen Fällen handelt es sich um Elemente, deren Frustration über ihren eigenen Mangel an Mut, Rückgratlosigkeit und Ohnmacht in eine systematische Feindseligkeit gegenüber der Organisation umgeschlagen ist. Diese Elemente sind offensichtlich absolut unfähig, etwas aufzubauen. Andererseits sind sie oft sehr effektiv, indem sie ihre kleinliche Agitation und ihr Geplapper dazu nutzen, das, was die Organisation aufzubauen versucht, zu diskreditieren und zu zerstören.
Wir beschränken uns hier auf die folgenden Gruppen: die Communist Bulletin Group (CBG), die Externe Fraktion des IKS (EFCCI) und die Interne Fraktion des IKS (IFCCI).
Der Kampf gegen die Clans, den der 11. Kongress der IKS einstimmig unterstützt hatte, wird von der CBG in einen Kampf zwischen den Clans verwandelt. Die Zentralorgane sind zwangsläufig „monolithisch“, die Identifizierung des Eindringens nichtproletarischer Einflüsse, die vorrangige Aufgabe der Revolutionäre, wird als Mittel zur Zerschlagung der „Gegner“ dargestellt. Die Methoden der Aufklärung proletarischer Organisationen – offene Debatte in der gesamten Organisation, Veröffentlichung ihrer Ergebnisse zur Information der Arbeiterklasse – werden zur „Gehirnwäsche“-Methode religiöser Sekten.
Es geht nicht nur um die IKS:
„Es ist nicht nur das gesamte gegenwärtige revolutionäre Milieu, das hier angegriffen wird. Es sind die gesamte Geschichte und alle Traditionen der Arbeiterbewegung, die missbraucht werden.
In Wirklichkeit stehen die Lügen und Verleumdungen der CBG ganz im Einklang mit der Kampagne der Weltbourgeoisie über den angeblichen Tod des Kommunismus und des Marxismus. Im Mittelpunkt dieser Propaganda steht die größte Lüge der Geschichte: dass die organisatorische Strenge von Lenin und den Bolschewiki zwangsläufig zum Stalinismus geführt habe. In der Version der CBG dieser Propaganda ist es der Bolschewismus des IKS, der ‚notwendigerweise‘ zu seinem angeblichen ‚Stalinismus‘ führt. Offensichtlich weiß die CBG weder, was das revolutionäre Milieu ist, noch weiß sie, was Stalinismus ist“ (Politischer Parasitismus: Die „CBG“ macht die Arbeit der Bourgeoisie [72], International Review Nr. 83 [engl.]).
In einem Artikel in unserer Internationalen Revue von 1986 schrieben wir:
„Das proletarisch-politische Milieu, das bereits stark vom Gewicht des Sektierertums geprägt ist, wie die IKS oft gezeigt und beklagt hat, ist gerade um eine neue Sekte 'bereichert' worden. Es gibt eine neue Publikation mit dem Titel Internationalistische Perspektiven, Organ der „Externen Fraktion der IKS“ (EFCCI), die „eine Kontinuität mit dem von der IKS entwickelten programmatischen Rahmen behauptet“. Diese Gruppe setzt sich aus Genossen zusammen, die der „Tendenz“ angehörten, die sich in unserer Organisation gebildet hatte und die sie auf ihrem Sechsten Kongress[5] verließ, um „die Plattform der IKS zu verteidigen“. Wir haben heute schon viele Formen von Sektierertum unter Revolutionären kennengelernt, aber die Schaffung einer „externen Fraktion“ der IKS mit denselben programmatischen Positionen der IKS stellt einen nie zuvor erreichten Höhepunkt in diesem Bereich dar. Sie haben auch einen Höhepunkt in der Menge an Dreck erreicht, mit dem das IKS beworfen wurde: nur das Kommunistische Bulletin (CBG) (ebenfalls aus ehemaligen IKS-Mitgliedern gebildet) ist so weit gegangen. Damit begibt sich diese neue Gruppe seit ihrer Gründung auf ein Terrain, das bisher nur von politischen Gangstern (die sich durch den Diebstahl von Material und Geldern der IKS auszeichneten) mit solcher Inbrunst genutzt wurde. Auch wenn die Mitglieder der „externen Fraktion“ in keiner Weise in solche Gangstertaten verwickelt waren, kann man sagen, dass ihr Sektierertum und ihre Vorliebe für grundlose Beleidigungen nichts Gutes für die zukünftige Entwicklung dieser Gruppe und ihre Fähigkeit, einen Beitrag zu den Bemühungen des Proletariats um die Entwicklung seines Bewusstseins zu leisten, verheißt. In der Tat drücken die Spielchen der EFCCI eines aus: eine totale Verantwortungslosigkeit gegenüber den Aufgaben, vor denen die Revolutionäre heute stehen, ein Fliehen vor dem notwendigen Kampf gegen den Kapitalismus“ (Die „Externe Fraktion“ der IKS [73], International Review Nr. 45 [engl.]).
Diese Gruppierung ist zweifellos ein weiterer Schritt in die Schande, der es rechtfertigt, ihr einen großen Teil dieses Textes zu widmen.
Wir berichten hier über einen Teil der Kette von Ereignissen, die zur Bildung der IFCCI (Interne Fraktion der IKS), der Kristallisation eines Fremdkörpers innerhalb der IKS, geführt haben, indem wir aus einem Kommuniqué an unsere Leser zitieren, das über die Aktionen von Mitgliedern unserer Organisation innerhalb und außerhalb unserer Organisation berichtet:
„Problematisch ist jedoch die Tatsache, dass eine gewisse Anzahl von Aktivisten in unserer französischen Sektion seither eine Politik der systematischen Verletzung unserer Organisationsregeln verfolgt. Aus „verletztem Stolz“ heraus haben sie eine anarchistische Haltung eingenommen, indem sie die Beschlüsse des Kongresses verletzten, sie verleumdeten und logen. Nach mehreren Verstößen gegen unsere Organisationsregeln, von denen einige so schwerwiegend waren, dass die Organisation gezwungen war, entschieden zu reagieren, hielten diese Genossen im August 2001 eine Reihe von geheimen Treffen ab. Die Organisation hat inzwischen eine Kopie des Protokolls eines dieser geheimen Treffen erhalten, was die Teilnehmer gerne vermieden hätten. Diese Protokolle haben den anderen Mitgliedern unserer Organisation deutlich gezeigt, dass sich diese Genossen voll und ganz bewusst waren, dass sie ein Komplott gegen die Organisation anzettelten, und dass sie einen völligen Mangel an Loyalität gegenüber dem IKS an den Tag legten, was insbesondere dadurch zum Ausdruck kam:
Seit ihrer Gründung hat sich die IFCCI immer als die beste Verteidigerin der Plattform und der Positionen der IKS präsentiert, mit Ausnahme der „Analyse der letzten Phase der Dekadenz, der des Zerfalls“ und der „Thesen zum politischen Parasitismus“. Die erste Ausnahme diente dazu, mit den anderen Gruppen des proletarisch-politischen Milieus, die die Analyse des Zerfalls nicht teilten, besser übereinstimmen zu können. Die zweite erleichterte es der GIGC, die Tatsache zu widerlegen, dass sie selbst eine parasitäre Gruppierung war, obwohl ihre Mitglieder bis dahin überzeugte Verfechter der Notwendigkeit des Kampfes gegen den Parasitismus gewesen waren.
Die IFCCI-Mitglieder haben sich aufgrund der folgenden Verhaltensweisen bewusst außerhalb unserer Organisation gestellt:
Schließlich wurden die Mitglieder der IFCCI aus unserer Organisation ausgeschlossen, nicht wegen ihres unerträglichen Verhaltens, sondern wegen ihrer Aktivitäten als Informanten, zu denen auch mehrere Fälle von Spitzeltätigkeit gehörten. So veröffentlichten sie auf ihrer Website das Datum einer IKS-Konferenz, die in Mexiko stattfinden sollte und an der Militante aus anderen Ländern teilnahmen. Dieser widerwärtige Akt der IFCCI, die Arbeit der Repressionskräfte des bürgerlichen Staates gegen revolutionäre Aktivisten zu erleichtern, ist umso verabscheuungswürdiger, als die Mitglieder der IFCCI sehr wohl wussten, dass einige unserer Genossen in Mexiko bereits in der Vergangenheit direkte Opfer von Repressionen waren und dass einige gezwungen waren, aus ihren Herkunftsländern zu fliehen.
Aber das verräterische Verhalten von IFCCI-Mitgliedern ist nicht auf diese Episode beschränkt. Vor und nach ihrem Ausschluss aus dem IKS haben sie unsere Organisation systematisch ausspioniert und regelmäßig in ihrem Bulletin über die Ergebnisse berichtet (siehe insbesondere IFCCI-Bulletins Nr. 14, 18 und 19).
Ihre schmutzige Informationssammlung ist durchaus bezeichnend für die Art und Weise, wie diese Leute ihre „Fraktionsarbeit“ (Klatsch und Tratsch, Polizeiberichte) konzipierten. Die Verbreitung solcher Informationen richtete sich in der Tat auch an die IKS als Ganzes, um ihre Aktivisten unter Druck zu setzen, indem sie ihnen zu verstehen gaben, dass sie „unter Beobachtung“ standen, dass nichts, was sie taten, der Wachsamkeit der „Internen Fraktion“ entgehen würde.
Nur weil es den kranken Köpfen von besessenen Verfolgern entspringt, heißt das nicht, dass wir diese Art von Arbeit nicht ernst nehmen sollten, um unsere Organisation und insbesondere einige ihrer Mitglieder zu überwachen.
Abschließend zum polizeilichen Verhalten der IFCCI sei noch auf die Veröffentlichung eines 118-seitigen Textes mit dem Titel The History of the ICC International Secretariat hingewiesen. Laut seinem Untertitel behauptet dieser Text, die Geschichte zu erzählen, „wie der Opportunismus in den zentralen Organen Fuß fasste, bevor er die gesamte Organisation verseuchte und zu zerstören begann...“.
Dieses Dokument verdeutlicht einmal mehr den polizeilichen Charakter des Vorgehens der IFCCI. Es erklärt die angebliche „opportunistische Entwicklung“ der IKS durch die „Intrigen“ einer Reihe böser Figuren, insbesondere der „Begleiterin des Chefs“ (die als Agent des Staates dargestellt wird, die ihre Kontrolle über den „Chef“ ausübt). Es ist, als ob die Entartung und der Verrat der bolschewistischen Partei das Ergebnis des Handelns des größenwahnsinnigen Stalin gewesen wäre und nicht die Folge des Scheiterns der Weltrevolution und der Isolierung der Revolution in Russland. Dieser Text ist die reinste polizeiliche Geschichtsauffassung, die der Marxismus immer abgelehnt hat.
Aber das Abscheulichste an diesem Text ist die Tatsache, dass er zahlreiche Details über die interne Arbeitsweise unserer Organisation offenbart, die für die Polizei ein gefundenes Fressen sind.
Nachdem es dieser kleinen parasitären Gruppe nicht gelungen ist, die Aktivisten der IKS von der Notwendigkeit zu überzeugen, den „Chef“ und die „Begleiterin des Chefs“ auszuschließen, hat sie sich zum Ziel gesetzt, die anderen Gruppen der Kommunistischen Linken hinter ihre Verleumdungen zu ziehen, um einen Cordon sanitaire um die IKS zu errichten und sie zu diskreditieren (siehe unten die Episoden der „öffentlichen IBRP-Veranstaltung in Paris“ und den „Circulo“). In der Tat waren es alle Orte, an denen die IKS aktiv war (Kontakttreffen, öffentliche Veranstaltungen usw.), die die IFCCI ins Visier nahm, obwohl wir ihren Mitgliedern den Zugang zu diesen Orten wegen ihrer verräterischen Aktivitäten verboten hatten[7]. Während wir unseren Beschluss durchsetzten, sie von solchen Orten fernzuhalten, mussten wir manchmal mit Drohungen (einschließlich einer lauten Drohung, einem unserer Genossen die Kehle durchzuschneiden) und Angriffen dieser Schläger rechnen.
Die IFCCI präsentierte sich als „die wahre Nachfolgerin der IKS“, die eine „opportunistische“ und „stalinistische“ Degeneration durchgemacht hatte. Sie erklärte, dass sie die Arbeit fortsetzt, die ihrer Meinung nach von der IKS aufgegeben worden war, nämlich die „wirklichen Positionen dieser Organisation“ in der Arbeiterklasse zu verteidigen, die durch die Entwicklung des Opportunismus innerhalb der IKS bedroht waren, was vor allem die Frage ihrer Arbeitsweise betraf. Wir haben in der Praxis dieser Gruppe ihre eigene Auffassung von der Achtung der Statuten und sogar der elementarsten Verhaltensregeln der Arbeiterbewegung gesehen: Sie behauptet, diese einzuhalten, während sie sie in Wirklichkeit wütend mit Füßen tritt.
Die Methode, die darin besteht, Andeutungen zu machen, während man dem grundlegenden politischen Problem ausweicht, indem man sich auf den „gesunden Menschenverstand“ und die Hexenjagdmethoden des Mittelalters beruft.
Infolgedessen war die IKS Ziel zahlreicher weiterer Anschuldigungen der IFCCI, die bisher nicht erwähnt wurden: Die IKS wurde durch „eine allmähliche Abkehr vom Marxismus und eine wachsende Tendenz zur Förderung (und Verteidigung) modischer bürgerlicher und kleinbürgerlicher Werte – (Jugendkult, Feminismus und vor allem 'Gewaltlosigkeit')“ stigmatisiert; außerdem „spielt die IKS der Repression in die Hände“.
Das IBRP[8] war das Ziel eines gewagten Manövers der IFCCI, das darin bestand, am 2. Oktober 2004 in Paris eine öffentliche Veranstaltung im Namen der IBRP zu organisieren. In Wirklichkeit handelte es sich um eine öffentliche Veranstaltung, das dem Ansehen der IFCCI zum Nachteil der IBRP dienen sollte, und zwar mit dem Ziel, die IKS anzugreifen.
In der Ankündigung des Treffens durch das IBRP wurde als Thema der Irak-Krieg genannt. Andererseits unterstreicht die Ankündigung der IFCCI die Bedeutung ihrer eigenen Initiative: „Auf unsere Anregung hin und mit unserer politischen und materiellen Unterstützung wird das IBRP eine öffentliche Veranstaltung in Paris abhalten (eine Veranstaltung, die, wie wir hoffen, nur die erste sein wird), an der wir alle unsere Leser zur Teilnahme auffordern.“ Aus diesem Aufruf geht die Behauptung hervor, dass diese Organisation der Kommunistischen Linken, die auf internationaler Ebene existiert und seit Jahrzehnten bekannt ist, ohne die IFCCI nicht in der Lage gewesen wäre, die Initiative zu ergreifen und die öffentliche Veranstaltung zu organisieren!
In der Tat hat diese parasitäre Gruppe das IBRP als „Strohmann“ für ihre eigene Werbung benutzt, um ein Zertifikat der Seriosität, die Anerkennung ihrer Mitgliedschaft in der Kommunistischen Linken zu erhalten. Und diese unverschämten Räuber zögerten nicht, das Adressbuch der IKS-Kontakte (das sie vor ihrem Austritt aus der Organisation gestohlen hatten) zu benutzen, um ihren Aufruf zu dieser öffentlichen Veranstaltung zu veröffentlichen.
Im Jahr 2004 war die IKS eine politische Beziehung mit einer kleinen Gruppe in Argentinien, dem NCI (Nucleo Comunista Internacional), eingegangen. Ende Juli 2004 versuchte ein Mitglied der NCI, Herr B., ein gewagtes Manöver: Er forderte die sofortige Integration der Gruppe in die IKS. Er setzte diese Forderung gegen den Widerstand der anderen Genossen der NCI durch, die sich zwar ebenfalls zum Ziel gesetzt hatten, der IKS beizutreten, jedoch der Meinung waren, dass zunächst ein umfassender Klärungs- und Assimilationsprozess durchgeführt werden müsse, da kommunistische Militanz nur auf soliden Überzeugungen beruhen könne. Die IKS lehnte diese Forderung ab, in Übereinstimmung mit unserer Politik, die sich gegen übereilte und unausgereifte Integrationen wendet, die das Risiko der Zerstörung von Kämpfern mit sich bringen und der Organisation schaden können.
Zur gleichen Zeit wurde ein Bündnis zwischen der IFCCI und dem Abenteurer B geschmiedet, sicherlich auf Initiative von B, um ein Manöver gegen die IKS durchzuführen, bei dem sie sich, ohne es zu wissen, der NCI bedienten. Das Manöver bestand darin, im proletarisch-politischen Milieu eine Anprangerung der IKS und seiner „ekelhaften Methoden“ zu verbreiten. Dieser Text schien indirekt von der NCI auszugehen, da er von einem mysteriösen und fiktiven „Circulo de Comunistas Internacionalistas“ (oder kurz „CCI“!) unterzeichnet war, der von Bürger B. angeführt wurde und der nach seinen Angaben die „politische Transzendenz“ der NCI darstellen sollte. Diese Verleumdungen wurden mit Hilfe eines „Circulo“-Flugblattes verbreitet, das von der IFCCI anlässlich der öffentlichen Veranstaltung der IBRP am 2. Oktober 2004 in Paris verteilt wurde. Sie wurden auch online in verschiedenen Sprachen auf der IBRP-Website veröffentlicht. Das Flugblatt richtete sich nicht nur direkt gegen die IKS, sondern verteidigte auch die IFCCI und stellte eine Stellungnahme der NCI vom 22. Mai 2004, die diese Gruppe angeprangert hatte, völlig in Frage.
Die Art und Weise, wie Bürger B. zu seinem Manöver veranlasst wurde, ist typisch für einen Abenteurer, für seinen Ehrgeiz und für seinen völligen Mangel an Skrupel und Sorge um die Sache des Proletariats. Dass die IFCCI die Dienste eines Abenteurers in Anspruch nimmt, um ihren Hass auf die IKS zu befriedigen und durch öffentliche Verunglimpfung zu versuchen, unsere Organisation politisch zu isolieren, ist der kleinlichen und verachtenswerten Charaktere würdig, die die Welt des Kleinbürgertums und der Großbourgeoisie bevölkern.
Die GIGC, die auf uns unbekannte Weise in den Besitz interner Bulletins der IKS gelangt war, machte großes Aufhebens um dieses Ereignis und sah darin den Beweis für eine Krise der IKS. Die Botschaft, die diese Spitzel vermitteln wollten, war eindeutig: „Es gibt einen 'Maulwurf' in der IKS, der Hand in Hand mit dem Ex-IFCCI arbeitet! Es handelte sich eindeutig um Polizeiarbeit, die kein anderes Ziel verfolgte, als weitverbreitetes Misstrauen, Unruhe und Unfrieden innerhalb unserer Organisation zu säen. Das sind die gleichen Methoden, die von der GPU, Stalins politischer Polizei, in den 1930er Jahren angewandt wurden, um die trotzkistische Bewegung von innen heraus zu zerstören. Es sind dieselben Methoden, die von den Mitgliedern der Ex-IFCCI (und insbesondere von zwei von ihnen, Juan und Jonas, den Gründungsmitgliedern der „GIGC“) angewandt wurden, als sie 2001 „besondere“ Reisen zu verschiedenen Sektionen der IKS unternahmen, um geheime Treffen zu organisieren und Gerüchte zu verbreiten, dass eine unserer Genossinnen (die „Frau des Chefs der IKS“, wie sie es ausdrückten) eine „Polizistin“ sei.
Die IKS hatte den Versuch angeprangert, die wahren Ursprünge der Kommunistischen Linken durch einen Blog namens Nuevo Curso zu verfälschen, der von einem Abenteurer, Gaizka, betrieben wird, dessen Ziel nicht darin besteht, zur Klärung und Verteidigung der Positionen dieser Strömung beizutragen, sondern sich im politischen proletarisch Milieu einen Namen zu machen. Dieser Angriff auf die historische Strömung der Kommunistischen Linken zielt darauf ab, sie in eine Bewegung mit unscharfen Konturen zu verwandeln, die der strengen proletarischen Prinzipien, die ihrer Entstehung zugrunde lagen, beraubt ist, was ein Hindernis für die Weitergabe der Errungenschaften des Kampfes der linken Fraktionen gegen den Opportunismus und die Degeneration der Parteien der Kommunistischen Internationale an künftige Generationen von Revolutionären darstellt.
Was den Abenteurer Gaizka anbelangt, so haben wir zahlreiche Informationen über seine Beziehungen zur Welt der bürgerlichen Politiker (vor allem der Linken, aber auch der Rechten) geliefert, die bis heute nicht widerlegt worden sind. Es ist ein Verhalten und ein Persönlichkeitsmerkmal, das er mit Abenteurern teilt – auch wenn er bei weitem nicht die Statur dieser Figuren hat –, die in der Geschichte des 19. Jahrhunderts besser bekannt sind als Ferdinand Lassalle und Johann Baptiste von Schweitzer.
Mit großer Begeisterung und Kriecherei begrüßte die GIGC den Eintritt des Blogs Nuevo Curso in die politische Szene: „Alle Positionen, die er vertritt, sind ganz klar Klassenpositionen und bewegen sich im programmatischen Rahmen der Kommunistischen Linken (...).“ Und nachdem unsere Organisation den Lesern genügend Informationen geliefert hatte, um Gaizka (den Hauptverantwortlichen von Nuevo Curso) als Abenteurer zu charakterisieren, der die Besonderheit hatte, 1992–94 Beziehungen zur damals wichtigsten Partei der Bourgeoisie in Spanien, der PSOE, zu unterhalten, gab es keinen Zweifel mehr an der Bedeutung des Ansatzes von Nuevo Curso, der darauf abzielt, die Kommunistische Linke zu entstellen. Es waren jedoch nicht diese Informationen, die allen zur Verfügung standen (und von niemandem geleugnet wurden, wir wiederholen), die die GIGC daran hinderten, dem Abenteurer Gaizka zu Hilfe zu eilen, angesichts der Offenlegungen, die wir gegen ihn vornahmen: „Wir möchten darauf hinweisen, dass wir bis heute keine Provokationen, Manöver, Verleumdungen oder Gerüchte festgestellt haben, die von Mitgliedern des Nuevo Curso, auch nicht als Einzelpersonen, lanciert wurden, noch irgendeine Politik der Zerstörung gegen andere revolutionäre Gruppen oder Militante.“[10]
Es ist sehr aufschlussreich, dass der Animateur der GIGC, um jeden Verdacht des Abenteurertums in Bezug auf Gaizka auszuschließen, eine Reihe politischer Eigenschaften als Kriterium nimmt, die in erster Linie ihn selbst, aber nicht unbedingt Gaizka im Besonderen charakterisieren: Provokateur, Manövrierer, Verleumder, Rufzerstörer, ... Was Gaizka betrifft, so war er zwar nicht von der Statur eines Lassalle oder eines Schweitzer, aber er „versuchte, am Hofe der Großen mitzuspielen“, und es gelang ihm dank einiger seiner intellektuellen Fähigkeiten sogar, bei einigen von ihnen Anerkennung zu finden, auch wenn es ihm nicht gelang, sich mit den führenden Persönlichkeiten der herrschenden Klasse auf eine Stufe zu stellen, wie dies bei Lassalle mit Bismarck der Fall war[11].
In seinem eigenen kleinen Rahmen stellte sich Gaizka vor, eine Rolle als Vertreter eines Zweigs der kommunistischen Linken (der spanischen kommunistischen Linken) zu spielen, den er selbst erfunden hatte. Der große Ehrgeiz von „Mr. GIGC“ besteht darin, die IKS mit Unrat zu überziehen.
Um unsere Analyse des Phänomens des politischen Parasitismus zu veranschaulichen, haben wir hauptsächlich das Beispiel der GIGC (ehemals IFCCI) herangezogen. Die Tatsache, dass diese Organisation eine Art Karikatur des Parasitismus darstellt, hat es uns ermöglicht, zum einen ihre Schurkerei und ihr Fehlverhalten erneut anzuprangern und zum anderen die wichtigsten Merkmale, die dieses Phänomen kennzeichnen und die auch in anderen Gruppen oder Elementen zu finden sind, deren Aktivitäten Teil eines parasitären Ansatzes sind, wenn auch auf weniger offensichtliche und subtilere Weise, deutlicher herauszustellen. So ist die GIGC-IFCCI unseres Wissens die einzige Gruppe, die bewusst eine Haltung des Verpetzens, des bewussten Agierens in der kapitalistischen Unterdrückung eingenommen hat. Indem sie diese Haltung des bewussten (wenn auch unbezahlten) Agenten des bürgerlichen Staates einnimmt, drückt diese Gruppe jedoch lediglich auf extremste Weise das Wesen und die Funktion des politischen Parasitismus aus (der, wie wir gesehen haben, bereits von Marx und Engels analysiert wurde): im Namen der Verteidigung des proletarischen Programms einen entschlossenen Kampf gegen die wirklichen Organisationen der Arbeiterklasse zu führen. Und dies natürlich zum größeren Nutzen ihres Todfeindes, der Bourgeoisie. Und wenn bestimmte Gruppen auf die Schandtaten der GIGC verzichten und lieber einen „sanften“, subtileren Parasitismus praktizieren, so macht sie das nicht weniger gefährlich, ganz im Gegenteil.
So wie die wahren Organisationen des Proletariats die ihnen von der Arbeiterbewegung anvertraute Rolle nur dann wahrnehmen können, wenn sie einen entschlossenen Kampf gegen den opportunistischen Brandherd führen, wie die gesamte Geschichte der Bewegung gezeigt hat, so können sie ihrer Verantwortung nur dann gerecht werden, wenn sie einen ebenso entschlossenen Kampf gegen die Geißel des Parasitismus führen. Marx und Engels haben dies seit Ende der 1860er Jahre und insbesondere auf dem Haager Kongress der Ersten Internationale 1872 voll und ganz verstanden, auch wenn viele Marxisten, die den Kampf gegen den Opportunismus anführten, wie Franz Mehring, die Bedeutung und Wichtigkeit des Kampfes gegen die Allianz von Bakunin nicht verstanden haben. Dies ist wahrscheinlich einer der Gründe (neben Naivität und opportunistischem Abrutschen), warum die Frage des Parasitismus im proletarischen politischen Milieu nicht verstanden wird. Aber es kann nicht darum gehen, die Schwächen der Arbeiterbewegung als Argument zu benutzen, um sich zu weigern, die Gefahren zu sehen und ihnen zu begegnen, die den historischen Kampf unserer Klasse bedrohen. Ganz im Sinne des eingangs zitierten Satzes von Engels fordern wir: „Es ist an der Zeit, den internen Streitigkeiten, die durch die Anwesenheit dieses parasitären Organs in unserer Assoziation jeden Tag aufs Neue provoziert werden, ein für alle Mal ein Ende zu setzen.“
IKS, 07.08.2023
[1] Thesen über den Parasitismus [75], Internationale Revue Nr. 22
[2] Fragen der Organisation, Teil 3: Der Haager Kongress von 1872: Der Kampf gegen den politischen Parasitismus [76], Internationale Revue Nr. 19
[3] Die von Bakunin gegründete "Allianz der sozialistischen Demokratie", die aufgrund der Schwächen, die noch auf ihr lasteten und die sich aus der politischen Unreife des Proletariats zu jener Zeit ergaben, in wichtigen Bereichen der Internationale auf fruchtbaren Boden fallen sollte. Es handelt sich um ein Proletariat, das sich noch nicht vollständig von den Überresten der vorangegangenen Entwicklungsphase und insbesondere von den sektiererischen Bewegungen befreit hat.
[4] „Dies war die Auffassung Bakunins. Bevor er der IAA betrat, erklärte er seinen Anhängern, weshalb die Internationale keine revolutionäre Organisation sei. Die Proudhonisten seien reformistisch geworden, die Blanquisten alt, die Deutschen wie der von ihnen angeblich beherrschte Generalrat ‚autoritätsgläubig‘. Auffallend ist die Art und Weise, wie Bakunin die Internationale als die Summe ihrer Teile betrachtet. Vor allem mangelte es laut Bakunin an ‚revolutionärem Willen‘. Dafür wollte die Allianz sorgen, indem sie Programm und Statuten der Internationale mit Füßen trat und ihre Mitglieder hinters Licht führte.“ Die 1. Internationale und der Kampf gegen das Sektierertum [77], Internationale Revue Nr. 17
[5] In der International Rewiev Nr. 44 [engl.] wird in dem dem 6. Kongress der IKS gewidmeten Artikel über den Austritt dieser Genossen und ihre Konstituierung als "Fraktion" berichtet. Es wird empfohlen, diesen Artikel zu lesen, ebenso wie die in den International Rewiev Nr. 40 bis 43 [engl.] veröffentlichten Artikel, die die Entwicklung der Debatte innerhalb der IKS widerspiegeln.
[6] Die nachstehend veröffentlichten Informationen sind eine Zusammenfassung eines Teils des Artikels Der Abenteurer Gaizka hat die Beschützer, die er verdient: die Halunken der GIGC [78], in dem die von dieser parasitären Gruppe verursachten Ärgernisse ausführlicher beschrieben werden.
[7] Kein Zugang für Spitzel zu den öffentlichen Veranstaltungen der IKS [79], Weltrevolution Nr. 120
[8] IBRP: Internationales Büro für die Revolutionäre Partei. 1984 von der Partito Comunista Internazionalista (Battaglia Comunista) und der Communist Worker's Organisation (CWO) gegründete Gruppe. Im Jahr 2009 änderte die Gruppe ihren Namen in Internationalistische Kommunistische Tendenz (ICT).
[9] Der Abenteurer Gaizka hat die Beschützer, die er verdient: die Halunken der GIGC [78], Februar 2021
[10] Neuer IKS-Angriff gegen das Internationale Proletarische Lager (1. Februar 2020)
Schon in unseren Berichten zur nationalen Lage vor der Pandemie haben wir auf die Stärke der deutschen Wirtschaft, die sich entgegen dem Trend der Weltwirtschaft bislang auch in der Periode des Zerfalls behaupten konnte[1], als auch auf die Schwächen dieser besonderen Entwicklung und Stellung hingewiesen. Bereits die Pandemie und der wachsende Druck des Zerfalls auch auf die deutsche Bourgeoisie hat neben den politischen Folgen (siehe unsere Artikel dazu) insbesondere auf der ökonomischen Ebene diese spezifische Stärke ins Wanken gebracht. Mit der Auslösung des Krieges in der Ukraine potenzieren sich die ökonomischen Schlachtfelder für die deutsche Bourgeoisie. Die spezielle Beziehung zu Russland ist nachhaltig zerstört, die ökonomisch zentralen Beziehungen zu den USA bzw. zu China ein Minenfeld. In diesem Artikel wollen wir einige dieser Schlachtfelder und Minenfelder aufzeigen, jedoch hauptsächlich betonen, dass mit der Vielzahl von Herausforderungen und Instabilitäten die deutsche Wirtschaft besonders stark betroffen ist und sein wird. Somit reiht sich Deutschland in die allgemeine Tendenz ein, die durch eine Verschärfung der Gegensätze und die wachsende Gefahr der Kettenreaktionen geprägt ist.[2] Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Periode des scheinbar „sicheren Hafens“ von Wohlstand und Stabilität, der natürlich schon immer für große Teile der Arbeiterklasse in Wirklichkeit für Arbeitsverdichtung auf der einen und Verarmung auf der anderen Seite oder auch für beides, stand, bald der Vergangenheit angehört. Wir sollten uns auch in Deutschland auf einen kommenden Sturm vorbereiten, der die beiden Hauptklassen des Kapitalismus, die Bourgeoisie und die Arbeiterklasse, deutlicher und offener in Konflikt bringen wird.
Der Ukrainekrieg ist für Deutschland in vielerlei Hinsicht eine tiefgreifende Zäsur, oder wie Bundeskanzler Scholz es bezeichnete: eine Zeitenwende. Tatsächlich ist Deutschland durch die Rückkehr des Kriegs auf europäischen Boden auf verschiedenen Ebenen mit am heftigsten betroffen. Auf militärischer und ökonomischer Ebene sind die Einschnitte am tiefsten. Die Veränderungen auf militärischer Ebene haben wir in dem vorherigen Artikel behandelt.[3] In diesem Artikel möchten wir uns auf die ökonomischen Auswirkungen konzentrieren. Die ökonomischen Folgen treffen auf kein bis dahin krisenfreies, von den Zuspitzungen der ökonomischen Interessenskonflikte verschontes Land. Im Gegenteil: Die schwerwiegenden Konsequenzen des Krieges stellen eine qualitative Verschärfung einer Kette von sich zuspitzenden Widersprüchen dar. Sie erschüttern ein Land, welches seit Jahren tiefgründig von einer strukturellen Krise unterminiert wurde, die jahrelang durch die Vorteile, die Deutschland aus der besonderen Beziehung zu Russland (Energie- und Rohstoffabkommen) und China (Produktionsstandort und Hauptabnehmer für deutsche Industriegüter) ziehen konnte, überdeckt wurden. Wir haben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass Deutschland bis in die 2000er hinein als „Gewinner“ der weltweiten Zuspitzung des Zerfalls angesehen werden konnte. Diese besondere ökonomische Position wird nun in der Zwickmühle der zunehmenden imperialistischen, ökonomischen, ökologischen und sozialen Zuspitzungen, die die aktuelle Phase des Zerfalls ausmachen,[4] pulverisiert.
1. Corona und Schulden
Ähnlich wie alle anderen Staaten auf der Welt hat auch die deutsche Wirtschaft seit Jahren einen massiven Schuldenberg angehäuft, der durch die staatlichen Interventionen nach 2008 noch rasanter angeschwollen ist. Mit der Ausbreitung der Corona-Pandemie trat das deutsche Kapital eine Art Flucht nach vorne an, indem es ein Rettungspaket nach dem anderen verabschiedete. Zwar hatte man sich anfangs wie viele anderen Staaten auf der Jagd nach medizinischem Gerät und Ausrüstung zu einem Exportstopp solcher Produkte hinreißen lassen, frei nach dem Motto „jeder für sich“, aber in einer weiteren Phase wurden in Abstimmung mit der EU die bis dahin größten Rettungspakete gemeinsam verabschiedet (650 Mrd. EU). Bei dem Gießkannenverfahren erhielten selbst vorher schon insolvenzbedrohte Kaufhäuser wie Karstadt und Galeria Kaufhof (vergebliche) staatliche Finanzspritzen. Die Rechnung für diese Rettungsoperationen aus der Pandemiezeit wird der Arbeiterklasse noch aufgebrummt werden.
2. Umweltzerstörung und Schulden
Hinzu kommen die immer weiter ausufernden Kosten der Zerstörung der Umwelt. Allein die Flutkatastrophe an der Ahr im Juli 2021 hinterließ 8,5 Mrd. Euro Versicherungsschäden, und der Bund musste kurz danach das höchste je in der Bundesrepublik aufgelegte Hilfspaket nach einer Flut beschließen: 30 Milliarden Euro. Die 2022 durch die Hitzewelle aufgetretenen Ernteausfälle und Waldbrandschäden reißen weitere Löcher in die Haushalte. Dabei stehen wir erst am Anfang dieser Lawine von Wetterextremen, die auf der ganzen Welt astronomische Kosten verursachen.
Vor dem Krieg hatten sich schon diese Faktoren angehäuft (alter Schuldenberg, Pandemie-Rettungspakete, Zinsklemme, internationaler Konkurrenzkampf und staatliche Finanzspritzen). Mit dem Krieg wurde eine neue Schwelle überschritten. Der Rechnungshof-Präsident bringt es drastisch auf den Punkt: "In 70 Jahren Bundesrepublik hat der Bund einen Schuldenberg von 1,3 Billionen Euro angehäuft. In nur drei Jahren - 2020 bis 2022 - steigt der Berg um sagenhafte 800 Milliarden Euro auf dann über zwei Billionen Euro"[5]
3. Ukrainekrieg und Schulden
Als der Ukrainekrieg im Februar 2022 ausgelöst wurde, beschloss die Ampelkoalition innerhalb kürzester Zeit eine Verdoppelung des Rüstungshaushaltes, d.h. um 100 Mrd. Euro. Mittlerweile fordert man offen und direkt, die Bundeswehr soll sich auf Angriffe „ohne Vorwarnung“ und „mit großer, gegebenenfalls sogar existenzieller Schadenswirkung“ vorbereiten und dabei in Europa als „Führungsnation“ auftreten. Damit sollen 2023 rund 50,1 Milliarden Euro aus dem regulären Etat zuzüglich 8,4 Milliarden Euro aus dem 100 Milliarden Euro schweren Sonderprogramm für die Armee locker gemacht werden. Der Rüstungswettlauf und die Erneuerung und Erweiterung vieler Waffensysteme hat jetzt erst eingesetzt, aber die Kosten dafür werden auch der Arbeiterklasse aufgehalst werden.
4. Schulden und die Rückkehr der „explodierenden“ Inflation
Mit dem Krieg explodierten die Energiepreise, mit den Energiepreisen die Lebensmittelpreise, mit den Lebensmittelpreisen ging eine allgemeine Erhöhung der Preise einher. Mittlerweile wurden die höchsten Preissteigerungsraten seit 70 Jahren (d.h. seit Anfang der 1950er Jahre) registriert. Diese Preisspirale trifft auf die tieferliegende inflationäre Tendenz in der Periode des Kapitalismus in der Dekadenz, „sie drückt sich in steigenden Preisen aus, ist aber die Folge des Gewichts der unproduktiven Ausgaben in der Gesellschaft, deren Kosten sich auf die produzierten Güter auswirken“ und „ein weiterer Faktor der Inflation ist das Ergebnis der Geldentwertung, die mit der unkontrollierten Ausweitung der weltweiten Verschuldung einhergeht, die sich heute 260 % der Weltproduktion nähert.“[6]
Die Rückkehr der Preisspirale im Herzen Europas ist ein Zeichen für die wachsende Schwäche der deutschen Bourgeoisie. Bisher hatte sie versucht, diese auf die Ränder der EU zu beschränken. Auch wenn sie die Arbeiterklasse treffen, sind sie kein gezielter Angriff auf die Arbeiterklasse, wie die zahllosen Versuche, die Kosten abzumildern (Energiepauschale, Preisdeckel, etc.) zeigen. Gleichzeitig trifft die Preisspirale die produzierende Industrie und erhöht den Wettbewerbsdruck auf die deutsche Industrie massiv, was wiederum durch staatliche Subventionen beantwortet wird.
1. Subventionskrieg mit den USA
Begünstigt durch die Tatsache, dass die Verschuldungspolitik bis zu diesem Wendepunkt noch durch eine lange Phase der Niedrigzinsen (gar Null- und Negativzinsen) gewissermaßen noch verlockender gemacht worden, griff der Staat mit riesigen zinsgünstigen finanziellen Zuwendungen der Wirtschaft unter die Arme, um im internationalen Konkurrenzkampf mithalten zu können. Aufwendige Modernisierungsinvestitionen zur Förderung der Abwehrkraft gegen chinesische Konkurrenz wurden in neue Fabriken gesteckt, während man gleichzeitig seit Jahren bei der Infrastruktur (Bahn, Straßen, Brücken, Datenverkehr), der Verwaltung, im Erziehungswesen oder Gesundheitswesen den Rotstift angesetzt hatte, so dass in vielen Schulen keine oder nur völlig unzureichende Internetstrukturen und Geräte vorhanden waren, die Internetversorgung in ganzen Regionen sträflich unterentwickelt war und die Verhältnisse sich im Gesundheitswesen radikal verschlechterten.
Das Herz der deutschen Industrie ist nach wie vor wettbewerbsfähig[7], sogar marktführend geblieben. Somit ist Deutschland eines der wenigen EU-Länder, das sein verarbeitendes Gewerbe in den vergangenen Jahrzehnten halten konnte. Das staatskapitalistische Instrumentarium z.B. der Hermes-Kredite für Exporte und Investitionsgarantien hat deutschen Unternehmen geholfen, neue Märkte zu erschließen und der Konkurrenz besser standzuhalten. Aber die neuen Schlachtfelder um die Halbleiterindustrie oder die Batterieproduktion (ganz zu schweigen von den höchst spekulativen Projekten der Wasserstoffproduktion) sind ohne staatliche Hilfen nicht denkbar. Hier steht Deutschland in unmittelbarer Konkurrenz mit der klar imperialistisch ausgerichteten Investitionspolitik des chinesischen und US-amerikanischen Kapitals (die ersteren offen staatlich-militärisch, die letzteren in dieser verdeckt militärisch-privaten Zwitterform, die die Unternehmen des Silicon-Valley ausmachen). Deutschland hat beispielsweise angekündigt, in den folgenden Jahren bis zu 15 Milliarden Euro für die Förderung der Mikroelektronikbranche zur Verfügung zu stellen, doch das erste Investitionsvorhaben in Magdeburg mit 2,7 Mrd. Euro wird der US-amerikanische Hersteller Intel erhalten.[8]
2. Aber all das treibt die Schuldenspirale weiter voran
Hinzu kommt, dass die USA gezielt sowohl Investitionsprogramme auflegen, um die Re-Industrialisierung der USA zu fördern (eine von Obama über Trump zu Biden ungebrochene Politik des „Make America Great Again“) als auch Sanktionsprogramme einsetzt, um ihre ökonomische Stellung gegenüber der europäischen Wirtschaftskraft (und in ihrem Zentrum Deutschland) zu stärken. US-Investitionsprogramme versprechen deutlich höhere Staatszuschüsse, um so Investoren vom Bau neuer Fabriken im Ausland abzuhalten.[9] Die Folge: Die Tendenz zu einer Art partieller Reindustrialisierung der Vereinigten Staaten ginge dann mit der Tendenz zur Deindustrialisierung in gewissen Gebieten Deutschlands einher. Auch haben die USA Russland durch die Sanktionen als Großlieferanten für Energie ersetzt, genauer gesagt: verdrängt. Prognosen sagen voraus, dass die USA 2030 der mit erheblichem Abstand wichtigste Erdgaslieferant Europas sein werden – mit einem Jahresvolumen von wohl 170 Milliarden Kubikmetern; das ist deutlich mehr, als im Jahr 2021 Russland lieferte (155 Milliarden Kubikmeter). Subventionen und Sanktionen (unter dem Deckmäntelchen der Klimarettung, der Kriegsfolgen oder der Inflationsbekämpfung) werden als imperialistische Druckmittel zur Niederringung des europäischen Partners und Rivalen eingesetzt.
3. Die Abhängigkeit von China
Die USA haben China zu einem Gegner erklärt, der bis 2030 ökonomisch niedergerungen werden soll. Neben der vorher entstandenen fatalen Energieabhängigkeit von Russland, die Deutschland nunmehr entscheidend geschwächt hat, ist das deutsche Kapital äußerst besorgt wegen der stark gewachsenen Abhängigkeit von China. China ist mit einem Handelsvolumen von 246 Milliarden Euro im Jahr 2021 zum sechsten Mal Deutschlands wichtigster Handelspartner. Deutschland importiert aus keinem anderen Land der Welt mehr Produkte als aus China. Laut einer Umfrage des ifo-Instituts sind 46 Prozent der Unternehmen, die Rohstoffe oder Produkte weiterverarbeiten, auf China angewiesen, besonders betroffen die Automobil, die Chemie- oder die Elektroindustrie. Eine kritische Abhängigkeit besteht auch bei Seltenen Erden, die unter anderem für den Bau von Elektromotoren oder Windturbinen gebraucht werden. In vielen Branchen ist die Abhängigkeit noch größer. Im Pharmabereich wurde durch die Billigproduktion in China und anderen Produktionsstätten in Asien eine extreme Abhängigkeit von diesen Lieferanten aufgebaut, die nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern auch aus militärischer Sicht nicht länger vom Standpunkt des deutschen Kapitals hingenommen werden kann. Insofern möchte das deutsche Kapital seine Abhängigkeit von China verringern, auch wenn alleine am China-Geschäft mehr als eine Million Arbeitsplätze hängen und deutsche Autobauer wie VW, BMW und Daimler mehr Autos in China als in Deutschland produzieren. Die Investitionen deutscher Unternehmen in der Volksrepublik nähern sich mittlerweile dem Wert von 100 Milliarden Euro.[10] Der Run zum Aufbau verstärkter Beziehungen zu anderen asiatischen Staaten hat längst eingesetzt. Diese Lockerung der Abhängigkeit von China, wie wir schon im voran gegangenen Artikel betont haben[11], entspricht dem ureigensten Interesse des deutschen Kapitals und ist gleichzeitig Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen in dessen Reihen.
Hinzu kommt jedoch, dass die USA im Zuge ihrer Offensive gegen China Deutschland (wie natürlich auch andere Staaten) stark einbinden, ja für die USA „dienstbar“ machen wollen, was wiederum auf Kosten des deutschen Kapitals ginge. Während die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft gegenüber Russland vor allem im Energiebereich bestand, ist die Abhängigkeit gegenüber China sehr viel größer und eine wesentliche Reduzierung, gar Unterbrechung des Geschäfts mit China wäre wie ein Schlaganfall für das deutsche Kapital. Es muss sich deshalb mit Händen und Füßen gegen den Druck der USA wehren. Deshalb werden sich die Auseinandersetzungen auf allen Ebenen - weltweit, zwischen den USA und Europa – vor allem Deutschland und Frankreich - innerhalb der Regierung, innerhalb der Parteien weiter um die Frage, welche Haltung gegenüber China und den USA, verschärfen.
Das deutsche Kapital ist sich dessen bewusst, dass beim Kampf der USA gegen deren wichtigsten Herausforderer China eine relative Einheit unter den beiden rivalisierenden Parteien in den USA Demokraten und Republikaner herrscht. Sollte Trump wiedergewählt werden, haben deutsche Autobauer und andere Kapitalvertreter Trumps Äußerungen nicht vergessen, dass er deutsche Mercedes auf New Yorker Straßen als eine Bedrohung wahrnimmt, mit anderen Worten, er nimmt offen deutsche Produkte als Konkurrenz ins Visier.
Da die USA nunmehr im Windschatten der Russlandsanktionen ebenso Strafmaßnahmen gegenüber Firmen angeordnet haben, die in bestimmten Branchen in China tätig sind, und weil aufgrund enger deutscher Verflechtungen mit China deutsche Firmen davon besonders hart getroffen sein werden, sieht sich das deutsche Kapital deshalb der Gefahr ausgesetzt, nicht nur von der chinesischen Konkurrenz immer mehr bedroht zu werden, sondern auch von den USA selbst. Bislang ist die deutsche Industrie – trotz einiger Vorteile in einigen Bereichen – von China immer mehr bedrängt und gar übertroffen worden. China hat erst kürzlich Deutschland als zweitgrößten Autoexporteur der Welt überholt. Bei E-Mobilität hat China die Nase schon lange vorn. Klar ist: Wie auch immer die Entscheidungen getroffen werden, jede wird Nachteile nach sich ziehen. Bleibt man in China, geht man ein unberechenbares geopolitisches Risiko ein. Geht man nicht tiefer hinein, wird z.B. in der Automobilbranche der Druck der chinesischen Konkurrenz und Tesla der deutschen Autoindustrie noch mehr zusetzen. Auch wenn die US-Regierung unter Biden in einer anderen Tonart spricht, ist der reale Druck gegenüber den europäischen Staaten, insbesondere gegenüber Deutschland nicht geringer als der durch Trumps Republikaner. Wie oben erwähnt hat kein Land in der Größenordnung für den Ukrainekrieg solch einen hohen Preis gezahlt. Und mit dem zu erwartenden steigenden Druck der USA gegenüber China zeichnet sich ein Überlebenskampf für das deutsche Kapital ab.
In welchem Maße man dabei gemeinsam mit der EU, insbesondere mit Frankreich reagieren kann, steht im Augenblick in den Sternen, denn ähnlich wie zu Beginn der Pandemie, als Deutschland auch im Alleingang Exportverbote erließ, handelte die deutsche Regierung ohne entsprechende Abstimmung bei der Verabschiedung des Wumms-Paketes (d.h. bei dem 200 Mrd. Energiepflaster) oder als Scholz entgegen dem Vorschlag von Macron, der diesen nach China begleiten wollte, ohne EU-Absprache deutsche Interessen ausfechten wollte.
Zu all diesen Bedrohungsfaktoren kommt eine weitere Dynamik hinzu, die auch neue Ausmaße erreicht hat. Waren im Laufe der letzten Jahrzehnte durch die jüngste Phase der Globalisierung neue Produktionsstätten in vielen Ländern mit Billiglöhnen hochgezogen und damit neue Lieferketten entstanden, hat damit auch eine neue Abhängigkeit Einzug gehalten und damit auch neue Gefahren gebracht. Eine Unterbrechung der Lieferketten z.B. allein durch frenetische Lockdowns in China bedeutet, dass entweder die entsprechenden Vorprodukte nicht produziert werden, oder irgendwo in den Containern auf Schiffen oder in Häfen festhängen. Derzeit stecken mehr als 13% der Güter weltweit in Staus. Bei der Verknappung von Chips wirkt sich dies nicht weniger dramatisch aus.[12]
Den irren Gesetzen des Kapitalismus zufolge bedeutet Verknappung der Waren aber gleichzeitig die Möglichkeit von zusätzlichen Preissteigerungen und höheren Gewinnchancen. So melden sämtliche Hersteller steigende Gewinnmargen und Rekordergebnisse. Dahinter stecken zum Teil lediglich die Verknappung und Unterbrechung des zuvor relativ ungestörten, von politischen Restriktionen freien Welthandels.[13] Mit der Pandemie und dem Krieg hat sich auch hier das Blatt gewendet. Ein weiterer Aspekt dieses irren Wahnsinns: „Produktionsstillstand wegen Materialmangels. Autos sind Mangelware geworden! Nach einer Analyse des Ifo-Instituts hat sich bei deutschen Autoherstellern inklusive Zulieferer ein Rekordwert an unerledigten Aufträgen angehäuft. Die Auftragsreichweite in dieser Schlüsselindustrie ist mit 7,4 Monaten ungewöhnlich groß geworden. Die Hersteller selber, vor allem BMW und Daimler, vermelden für einzelne Modelle Lieferzeiten von bis zu 12 Monaten und mehr. VW nimmt teilweise sogar gar keine Aufträge mehr an. Stark betroffen sind dabei vor allem Elektro-Fahrzeuge.[14]
Der Weltmarkt und die Tiefe der Produktionsketten (die Weltfabrik) haben im Zerfall neue Höhen erklommen. Doch nun entfesselt sich das altbekannte „launische Spiel“ der kapitalistischen Anarchie, welches schon Rosa Luxemburg so treffend herausgearbeitet hatte.[15] Wenn nunmehr Produktions- und Lieferunterbrechungen wie die direkte Schließung von Pipelines wie Northstream 2 mit anschließender Sprengung, die Blockade von Lebensmittellieferungen aus russischen und ukrainischen Häfen, die Spätfolgen der Lockdowns und anschließenden Staus in Häfen weltweit noch mehr Chaos und Anarchie verursachen, steckt die Wurzel all dieses Übels im Kapitalismus. Die Folge: Wegen der weltumspannenden und tiefen sektoralen Verflechtung ihrer globalen Liefer- und Produktionsnetzwerke wird die deutsche Wirtschaft besonders arg in Mitleidenschaft gezogen.
Wir dürfen an dieser Stelle eine neue Geißel nicht vergessen, die nicht zum klassischen Erscheinungsbild der Krise gehört, aber viele Kernländer des Kapitalismus (und nun auch China[16]) betrifft. In der Regel bauten die Unternehmer unter dem Druck der Krise immer weiter Personal ab – so wie es z.B. im Gesundheitswesen, im öffentlichen Dienst, Bildungsbereich und in vielen anderen Branchen seit Jahren gängige Praxis ist. Gleichzeitig sind die Unternehmer jedoch in vielen Branchen und Berufen verzweifelt auf der Suche nach qualifiziertem und selbst wenig oder nicht qualifiziertem Personal. Der Fachkräftemangel übertreffe in manchen Bereichen Hunderttausende. In Deutschland fehlen ca. 100.000 LKW-Fahrer (in Europa ca. 400.000). Allein dieser Faktor fehlendes Personal verursacht immer wieder Produktionsausfälle und oft leere Regale.[17] Trotz der Millionenfachen Arbeitsmigration aus den Osteuropäischen Ländern kämpft Deutschland mit einem wachsenden Arbeitskräftemangel, der auch durch eine offenere Migrationspolitik nicht bekämpft werden konnte. Wie sich dieser in manchen Branchen „leergefegte“ Arbeitsmarkt auf die Lohnentwicklung und Arbeitsbedingungen auswirken wird, ist im Augenblick schwer zu kalkulieren, wird aber als eine weitere Bürde für das Kapital wirken (wir werden in einem zukünftigen Artikel darauf eingehen).
Trotz all dieser Minenfelder, die das deutsche Kapital unausweichlich in Zugzwang bringen werden, hat die Kapitalistenklasse bislang noch nicht zum massiven Angriff auf die Arbeiterklasse geblasen. Während der Pandemie hat man versucht zu beschwichtigen, zu beruhigen, indem z.B. über lange Zeit Kurzarbeitergeld geleistet und viele andere Finanzspritzen gesetzt wurden. Nun zwingen die Folgekosten aus der Gesamtlage mit dem Brandbeschleuniger Ukrainekrieg den Staat immer weiter den Kredithahn aufzudrehen. Große Summen fließen in Entlastungen für viele Haushalte zum Beispiel durch einen Heizkostenzuschuss und einen Sofortzuschlag für Familien mit Kindern. Für alle Steuerzahler steigt der Grundfreibetrag, auf den man keine Einkommensteuer zahlt. Außerdem werden für drei Monate die Energiesteuern auf Sprit gesenkt. Alle einkommensteuerpflichtig Beschäftigten bekommen eine Energiepreispauschale von 300 Euro. Rentner, Studenten, Auszubildende bekommen ebenfalls Zuschüsse von 200 Euro usw. Die jüngsten Tarifabschlüsse im Metallbereich von 5% 2023 und 3,2% 2024 sowie eine Einmalzahlung von 3000 Euro für die gesamte Laufzeit bei einer gegenwärtigen Inflation von 10% zeigen, dass man durch gewisse Zugeständnisse das Schlimmste abfedern will. Unterdessen schreitet aber die Verarmung weiter fort (wir werden in einem späteren Artikel näher darauf eingehen).
Der Blick auf dieses ganze Minenfeld zeigt, dass an mehreren Stellen explosive Sprengkraft für die Wirtschaft vorhanden ist. Keiner dieser Faktoren lässt sich „zurückschrauben“ oder reduzieren. Welche Auswirkungen dies auf die Politik der herrschenden Klasse, ihre Vorgehensweise usw. haben wird sowie welche Konsequenzen sich damit für die Arbeiterklasse ergeben, werden wir in einem weiteren Artikel behandeln.
WT, Ende Dez. 2022
[1]„Nach der Verabschiedung der Agenda 2010 und den damit verbundenen Angriffen gegen die Arbeitsbedingungen der Beschäftigen galt Deutschland jahrelang als der "Gewinner" der Wirtschaftskrise nach 2008, als ein scheinbar sicherer Hafen in einem instabilen Umfeld. Sowohl innerhalb der EU als auch international insgesamt u.a. dank der Schwächung der globalen Führungsrolle der USA und durch ein geschicktes Taktieren mit China und Russland (die von den USA heftig attackiert werden) konnte Deutschland lange Zeit seine Führungsposition als exportstarke Nation ausbauen.“ https://de.internationalism.org/content/2993/pandemie-deutschland [82], und siehe unsere Berichte 2016 und 2018 https://de.internationalism.org/content/bericht-zur-nationalen-lage-deutschlands-fruehjahr-2018 [83]
https://de.internationalism.org/content/2675/bericht-und-praesentation-u... [84]
[4]Siehe dazu unsere Analyse des letzten Kongresses: https://de.internationalism.org/content/2999/24-internationaler-kongress-der-iks-bericht-ueber-die-pandemie-und-die-entwicklung-des [87] sowie weitere Texte, die zu unserer Analyse der Lage erscheinen.
[6] Siehe dazu unseren englisch-sprachigen Artikel: https://en.internationalism.org/content/17259/world-economy-hit-accelera... [89]
[7] Das Herzstück bildet nach wie vor der mittelständische Maschinenbau, der Automobilsektor und die Elektro-, Mess- und Regeltechnik die jede Massenproduktion benötigt https://die-deutsche-wirtschaft.de/lexikon-der-deutschen-weltmarktfuehrer/ [90]
[8] https://www.gole [91] m.de/news/halbleiter-chipbranche-in-deutschland-erhaelt-milliardenfoerderung-2205-165763.html
[9] Siehe der Streit um das 369 Mrd. Dollar Paket der US Regierung zu Förderung strategischer Sektoren für „saubere Energie“ Inflation Reduction Act https://www.tagesschau.de/ausland/europa/us-subventionen-101.html [92] und https://www.manager-magazin.de/unternehmen/industrie/robert-habeck-wirts... [93]
[10] Rund 68 Prozent der Produktionsorte von Pharma-Wirkstoffen, die für Europa bestimmt sind, liegen im kostengünstigeren Asien, heißt es in einer Studie des Pharmaverbands vfa. Allein China sei für rund 40 Prozent der weltweiten Antibiotikaexporte verantwortlich.
[12] In der Autoindustrie heißt das, dass der Absatz im "Heimatmarkt" Europa lag im April 2022 um 20,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. In Italien betrug das Minus sogar 33 Prozent, in Frankreich waren es 22,6 Prozent und in Deutschland auch 21,5 Prozent, in China, bisher der Wachstumsmotor der Branche, brachen die Verkäufe im April um 43,1 (!) Prozent ein. In den USA waren es noch 19,2 Prozent, in Japan 15,3 Prozent und in Brasilien 16,7 Prozent. Als Folge der Produktionsstörungen (insbesondere wegen fehlender Speicherchips) werden laut "Automobilwoche" im Inland 2022 etwa 700.000 Autos weniger gebaut werden können und damit rund ein Drittel der geplanten Jahresproduktion. Mit Ausnahme von Porsche sind alle Hersteller betroffen, vor allem aber VW. Laut Prognosen von IHS Markit wird allein die Marke VW in diesem Jahr global über eine halbe Million Einheiten verlieren. Bei den Premiummarken BMW und Mercedes-Benz fehlen bis Jahresende 100.000 beziehungsweise 80.000 Fahrzeuge.
[13] Ohne russische Lieferungen von Aluminium, Magnesium, Palladium und Platin für den Bau von Katalysatoren und Elektrobatterien können Autos "made in Germany" nur noch in geringen Stückzahlen gebaut werden. Und ohne Speicherchips aus China und Asien überhaupt keins.
[15] „Wo jedoch die Bourgeoisie zu Hause ist, da herrscht als alleiniges Gesetz über den Wirtschaftsverhältnissen die freie Konkurrenz. Damit ist aber jeglicher Plan, jegliche Organisation aus der Wirtschaft verschwunden. Freilich, blicken wir in einen einzelnen Privatbetrieb, in eine moderne Fabrik oder einen gewaltigen Komplex von Fabriken und Werken, wie bei Krupp, in eine landwirtschaftliche Bonanzafarm in Nordamerika, so finden wir dort die strengste Organisation, die weitgehendste Arbeitsteilung, die raffinierteste, auf wissenschaftlicher Erkenntnis basierte Planmäßigkeit. Dort klappt alles aufs Wunderbarste, von einem Willen, einem Bewußtsein geleitet. Kaum verlassen wir aber die Tore der Fabrik oder der Farm, als uns auch schon das Chaos empfängt. Während die zahllosen Einzelteile - und ein heutiger Privatbetrieb, auch der riesigste, ist nur ein Splitter der großen Wirtschaftsbande, die sich über die ganze Erde erstrecken -, während die Einzelteile aufs strengste organisiert sind, ist das Ganze der sogenannten "Volkswirtschaft", das heißt der kapitalistischen Weltwirtschaft, völlig unorganisiert. In dem Ganzen, das sich über Ozeane und Weltteile schlingt, macht sich kein Plan, kein Bewußtsein, keine Regelung geltend; nur blindes Walten unbekannter, ungebändigter Kräfte treibt mit dem Wirtschaftsschicksal der Menschen sein launisches Spiel. Ein übermächtiger Herrscher regiert freilich auch heute die arbeitende Menschheit: das Kapital. Aber seine Regierungsform ist nicht Despotie, sondern Anarchie.
Und diese eben macht es, daß die gesellschaftliche Wirtschaft Resultate hervorbringt, die den beteiligten Menschen selbst unerwartet und rätselhaft sind, sie macht es, daß die gesellschaftliche Wirtschaft zu einer uns fremden, entäußerten, von uns unabhängigen Erscheinung geworden ist, deren Gesetze wir ebenso ergründen müssen, wie wir die Erscheinungen der äußeren Natur untersuchen, wie wir die Gesetze zu ergründen suchen, die das Leben des Pflanzenreichs und des Tierreichs, die Veränderungen in der Erdrinde und die Bewegungen der Himmelskörper beherrschen. Die wissenschaftliche Erkenntnis muß hinterdrein den Sinn und die Regel der gesellschaftlichen Wirtschaft aufdecken, die der bewußte Plan ihr nicht von vornherein diktiert hat.
Es ist nun klar, weshalb es den bürgerlichen Nationalökonomen unmöglich ist, das Wesen ihrer Wissenschaft klar herauszuheben, den Finger in die Wunde ihrer Gesellschaftsordnung zu legen, sie in ihrer inneren Gebrechlichkeit zu denunzieren. Erkennen und bekennen, daß Anarchie das Lebenselement der Kapitalsherrschaft ist, heißt in gleichem Atem des Todes.“ Einführung in die Nationalökonomie, Rosa Luxemburg, Bd. 5, S. 579
[16] „Die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter zwischen 16 und 59 ging innerhalb der vergangenen fünf Jahre um 20 Millionen Menschen zurück. Bei diesem Tempo wird die erwerbstätige Bevölkerung vom einstigen Höchststand von 925 Millionen im Jahr 2011 bis 2050 auf 700 Millionen Menschen geschrumpft sein. Dann ist jeder dritte Chinese ein Rentner. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt schon jetzt bei stolzen 77 Jahren und das mit einem Pro-Kopf-Einkommen von Bulgarien. Für das ökonomische und soziale Gleichgewicht des Landes bringt das große Herausforderungen: Immer weniger Arbeitskräfte müssen die Altersversorgung der über 60-Jährigen gewährleisten. Das relativ schlecht ausgebaute Gesundheits- und Sozialsystem gerät unter Druck.“ - https://www.dw.com/de/sierens-china-das-schrumpfende-volk/a-48177620 [96], 03.04.2019
Das gegenwärtige imperialistische Blutbad im Nahen Osten ist nur das letzte in einem Jahrhundert fast permanenter Kriege, die den Weltkapitalismus seit 1914 prägen.
Die millionenfachen Massaker an wehrlosen Zivilisten, die Völkermorde, die Zerstörung von Städten, ja ganzer Länder in Schutt und Asche haben nichts anderes gebracht als das Versprechen auf weitere und schlimmere Gräueltaten in der Zukunft.
Die Rechtfertigungen oder "Lösungen", die von den verschiedenen rivalisierenden imperialistischen Mächten, ob groß oder klein, für das gegenwärtige Gemetzel vorgeschlagen werden, sind, wie alle vorherigen, eine gigantische Täuschung, um die ausgebeutete Arbeiterklasse zu beruhigen, zu spalten und auf ein brudermörderisches Gemetzel im Namen einer nationalen Bourgeoisie gegen eine andere vorzubereiten.
Heute regnet eine Flut von Feuer und Stahl auf die Menschen in Israel und Gaza nieder. Auf der einen Seite die Hamas. Auf der anderen Seite die israelische Armee. Dazwischen Arbeiter, die bombardiert, erschossen, hingerichtet und als Geiseln genommen werden. Tausende haben bereits ihr Leben verloren.
Überall auf der Welt fordert die Bourgeoisie uns auf, uns für eine Seite zu entscheiden. Für den palästinensischen Widerstand gegen die israelische Unterdrückung. Oder für die israelische Antwort auf den palästinensischen Terrorismus. Jeder prangert die Barbarei des anderen an, um den Krieg zu rechtfertigen. Der israelische Staat unterdrückt das palästinensische Volk seit Jahrzehnten mit Blockaden, Schikanen, Checkpoints und Demütigungen. Palästinensische Organisationen töten unschuldige Menschen mit Messerattacken und Bombenanschlägen. Jede Seite ruft dazu auf, das Blut der anderen zu vergießen.
Diese tödliche Logik ist die Logik des imperialistischen Krieges! Es sind unsere Ausbeuter und ihre Staaten, die immer einen gnadenlosen Krieg führen, um ihre eigenen Interessen zu verteidigen. Und wir, die Arbeiterklasse, die Ausgebeuteten, sind es, die immer den Preis dafür zahlen, mit unserem Leben.
Für uns Proletarier gibt es keine Seite zu wählen, wir haben kein Vaterland, keine Nation zu verteidigen! Auf beiden Seiten der Grenze sind wir Klassenbrüder! Weder Israel, noch Palästina!
Nur das vereinte internationale Proletariat kann diesen zunehmenden Massakern und den dahinter stehenden imperialistischen Interessen ein Ende setzen. Diese einzigartige, internationalistische Lösung, die von einer Handvoll Kommunisten der Zimmerwalder Linken vorbereitet wurde, wurde im Oktober 1917 bestätigt, als der revolutionäre Kampf der Arbeiterklasse das kapitalistische Regime in Russland stürzte und seine eigene politische Klassenmacht etablierte. Durch sein Beispiel inspirierte der Oktober 1917 eine breitere, internationale revolutionäre Bewegung, die das Ende des Ersten Weltkriegs erzwang.
Die einzige politische Strömung, die die Niederlage dieser revolutionären Welle überlebt und die militante Verteidigung des internationalistischen Prinzips beibehalten hat, ist die Kommunistische Linke. In den dreißiger Jahren bewahrte sie diese grundlegende Linie der Arbeiterklasse während des spanischen Krieges und des chinesisch-japanischen Krieges, während andere politische Strömungen wie die Stalinisten, Trotzkisten oder Anarchisten ihr imperialistisches Lager wählten, das diese Konflikte anzettelte. Die Kommunistische Linke behielt ihren Internationalismus während des Zweiten Weltkriegs bei, während diese anderen Strömungen sich an dem imperialistischen Gemetzel beteiligten, das als Kampf zwischen "Faschismus und Antifaschismus" und/oder Verteidigung der "Sowjetunion" verkleidet wurde.
Heute halten die spärlich organisierten kämpferischen Kräfte der kommunistischen Linken immer noch an dieser internationalistischen Unnachgiebigkeit fest, aber ihre spärlichen Ressourcen werden durch die Zersplitterung in mehrere verschiedene Gruppen und einen gegenseitig feindlichen, sektiererischen Geist noch weiter geschwächt.
Deshalb müssen diese ungleichen Kräfte angesichts des zunehmenden Abstiegs in die imperialistische Barbarei eine gemeinsame Erklärung gegen alle imperialistischen Mächte, gegen die Aufrufe zur nationalen Verteidigung hinter den Ausbeutern, gegen die heuchlerischen Plädoyers für den "Frieden" und für den proletarischen Klassenkampf, der zur kommunistischen Revolution führt, abgeben.
ARBEITER DER WELT, VEREINIGT EUCH!
Internationale Kommunistische Strömung
Internationalist Voice
17.10.2023
Erst vor 20 Monaten, nach der russischen Invasion in der Ukraine, wurde den Gruppen der Kommunistischen Linken von der IKS eine ähnliche gemeinsame Erklärung vorgeschlagen. Die Gruppen, die sie neben der IKS unterschrieben haben - Istituto Onorato Damen, Internationalist Voice, International Communist Perspective (Südkorea) - haben daraufhin zwei Diskussionsbulletins von Gruppen der Kommunistischen Linken herausgegeben, in denen sie ihre jeweiligen Positionen und Differenzen erörtert und gemeinsame öffentliche Treffen abgehalten haben.
Andere Gruppen der Kommunistischen Linken weigerten sich jedoch, den Appell zu unterzeichnen (oder antworteten überhaupt nicht), obwohl sie mit dem internationalistischen Grundsatz des Appells einverstanden waren. In Anbetracht der noch größeren Dringlichkeit, dieses Prinzip heute gemeinsam zu verteidigen, bitten wir diese Gruppen - die unten aufgelistet sind -, diesen Aufruf zu überdenken und zu unterzeichnen.
Ein Argument gegen die Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zur Ukraine war, dass andere Unterschiede zwischen den Gruppen zu groß seien, um sie zuzulassen. Es ist nicht zu leugnen, dass es diese wichtigen Unterschiede gibt, sei es in Fragen der Analyse, in theoretischen Fragen, in der Konzeption der politischen Partei oder sogar in den Bedingungen für die Mitgliedschaft von Militanten. Aber das dringlichste und grundlegendste Prinzip des proletarischen Internationalismus, die Klassengrenze, die die allgemeinen revolutionären Organisationen unterscheidet, ist weitaus wichtiger. Und eine gemeinsame Erklärung zu dieser Frage bedeutet nicht, dass die anderen Unterschiede vergessen werden. Im Gegenteil, die Diskussionsbulletins zeigen, dass ein Forum für die Debatte darüber möglich und notwendig ist.
Ein weiteres Argument war, dass ein größerer praktischer Einfluss der internationalistischen Perspektive in der Arbeiterklasse, der über einen bloßen Appell an die kommunistische Linke hinausgeht, erforderlich ist. Natürlich wollen alle internationalistischen militanten kommunistischen Organisationen mehr Einfluss in der Arbeiterklasse. Aber wenn internationalistische Organisationen der kommunistischen Linken nicht einmal in der Lage sind, in entscheidenden Momenten des imperialistischen Konflikts praktisch gemeinsam nach ihrem Grundprinzip zu handeln, wie können sie dann erwarten, von breiteren Teilen des Proletariats ernst genommen zu werden?[1]
Der gegenwärtige Konflikt zwischen Israel und Palästina, der gefährlicher und brisanter ist als alle vorherigen, weniger als zwei Jahre nach dem Wiederaufflammen des imperialistischen Krieges in der Ukraine und neben vielen anderen imperialistischen Konflikten, die in letzter Zeit wieder aufgeflammt sind (Serbien/Kosovo, Aserbaidschan/Armenien und die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China wegen Taiwan), bedeutet, dass eine gemeinsame internationalistische Erklärung noch dringlicher ist als zuvor.
Deshalb fordern wir die folgenden Gruppen direkt und öffentlich auf, ihre Bereitschaft zur Mitunterzeichnung der oben abgedruckten Erklärung gegen den imperialistischen Krieg zu zeigen, die dann gegebenenfalls entsprechend ihrer gemeinsamen internationalistischen Zielsetzung geändert oder umformuliert werden kann:
An:
Internationalist Communist Tendency
PCI (Programma Comunista)
PCI (Il Partito Comunista)
PCI (Le Prolétaire, Il Comunista)
Istituto Onorato Damen
Andere Gruppen, die ihren Ursprung nicht in der Kommunistischen Linken haben, aber mit den internationalistischen Positionen übereinstimmen, die in dem Aufruf vertreten werden, können ihre Unterstützung für ihn bekunden und diesen auch verbreiten.
[1] Für mehr Argumente zu dieser vertieften Debatte siehe: Correspondence on the Joint Statement of groups of the Communist Left on the war in Ukraine [98]
"Es ist kein 49.3, der uns in die Knie zwingen wird!"
Angesichts der Ankündigung, dass die Rentenreform sofort verabschiedet werden sollte, war die Reaktion blitzartig. Überall in Frankreich explodierte die Wut. In den Stadtzentren versammelten sich Arbeitnehmer, Rentner, Arbeitslose, junge zukünftige Arbeitnehmer zu Tausenden, um unsere Weigerung herauszuschreien, bis zum Alter von 64 Jahren unter unerträglichen Arbeitsbedingungen ausgebeutet zu werden und am Ende mit einer Armutsrente abgespeist zu werden. "Eruption", "Wut", "Glut" - so lauteten die Schlagworte der ausländischen Presse. Die Bilder der Stunde für Stunde größer werdenden Menschenmenge auf dem Place de la Concorde in Paris gingen um die Welt.
Die Botschaft ist klar:
- Wir werden nicht länger jedes Opfer akzeptieren!
- Wir werden uns nicht mehr unter den Befehlen der Bourgeoisie beugen!
- Wir finden den Weg zurück zum Kampf!
- Wir sind die Arbeiterklasse!
Von Anfang an haben einige Politiker, von Hollande bis Bayrou, Macron vor dem "Timing" der Reform gewarnt: "Es ist nicht der richtige Zeitpunkt", "Es besteht die Gefahr einer sozialen Spaltung". Und sie hatten Recht!
Dieser Angriff löste eine soziale Bewegung aus, deren Ausmaß seit Jahrzehnten nicht mehr bekannt war. Die Streiks häufen sich und vor allem die Demonstrationen bringen uns zu Millionen auf die Straße. Dank dieses Kampfes beginnen wir zu verstehen, wer dieses "Wir" ist! Eine soziale, internationale Kraft, die alles produziert und vereint und solidarisch kämpfen muss: die Arbeiterklasse! "Entweder wir kämpfen gemeinsam, oder wir werden am Ende auf der Straße schlafen!" Das kam letzten Donnerstag bei der Demonstration zur Unterstützung der Müllmänner von Ivry, die von der Polizei vertrieben werden sollten, deutlich zum Ausdruck: Gemeinsam sind wir stärker!
Und diese Solidaritätsreflexe tauchen nicht nur in Frankreich auf. In vielen Ländern häufen sich Streiks und soziale Bewegungen. In Großbritannien angesichts der Inflation, in Spanien angesichts des Zusammenbruchs des Gesundheitssystems, in Südkorea angesichts der Verlängerung der Arbeitszeit... überall verteidigt sich die Arbeiterklasse durch Kampf.
In Griechenland kam es vor drei Wochen zu einem Zugunglück: 57 Tote. Die Bourgeoisie wollte die Schuld natürlich einem Arbeiter in die Schuhe schieben. Der diensthabende Weichensteller wurde ins Gefängnis geworfen. Doch die Arbeiterklasse durchschaute den Schwindel sofort. Zu Tausenden gingen die Demonstranten auf die Straße, um die wahre Ursache für diesen tödlichen Unfall anzuprangern: Personalmangel und fehlende Mittel. Seitdem ist die Wut nicht abgeklungen. Im Gegenteil, der Kampf wird größer und breiter: Mit Rufen wie "Gegen Niedriglöhne!", "Wir haben die Schnauze voll!". Oder auch: "Wir können seit der Krise nicht mehr wie anständige Menschen arbeiten, aber bringt uns wenigstens nicht um!"
Unsere Bewegung gegen die Rentenreform beteiligt sich an dieser Entwicklung der Kampfkraft und des Denkens unserer Klasse auf globaler Ebene. Unsere Bewegung zeigt, dass wir in der Lage sind, massiv zu kämpfen und die Bourgeoisie zu erschüttern. Schon jetzt sagen alle Experten und Doktoren der Politik voraus, dass es für Macron sehr kompliziert sein wird, bis zum Ende seiner fünfjährigen Amtszeit weitere umfassende Reformen und Angriffe durchzusetzen.
Die Bourgeoisie ist sich dieses Problems bewusst. Sie stellt uns daher Fallen, lenkt uns von den Kampfmethoden ab, die uns zusammenhalten und stark machen, und versucht, uns in Sackgassen zu schicken.
Seit der Ankündigung des 49.3 drängen uns die linken Parteien und Gewerkschaften, das "parlamentarische Leben" angesichts der Manöver und der "Demokratieverweigerung" Macrons zu verteidigen.
Doch Jahrzehnte der "repräsentativen Demokratie" haben eines definitiv bewiesen: Ob rechts oder links, von gemäßigt bis radikal, sobald sie an der Macht sind, führen sie alle die gleichen Angriffe durch und brechen alle ihre Versprechen. Schlimmer noch, der Ruf nach Neuwahlen ist die hinterhältigste aller Fallen. Sie hat keine andere Funktion, als das Proletariat von seiner kollektiven Kraft abzuschneiden. Wahlen degradieren uns zu atomisierten "Bürgern", die der Dampfwalze der bürgerlichen Propaganda gegenüberstehen. Die Wahlkabine trägt ihren Namen zu Recht!
"Das Parlament verteidigen", "auf Wahlen hoffen"... Sie versuchen uns glauben zu machen, dass ein anderer Kapitalismus möglich ist, ein menschlicherer, gerechterer und sogar, warum nicht, ein umweltfreundlicherer Kapitalismus. Es würde genügen, wenn er gut regiert würde. Das ist eine Lüge! Der Kapitalismus ist ein heute dekadentes Ausbeutungssystem, das die gesamte Menschheit nach und nach in immer mehr Elend und Krieg, Zerstörung und Chaos treibt. Das einzige Programm der Bourgeoisie, unabhängig von ihrer politischen Farbe und der Maske, die sie trägt, ist immer mehr Ausbeutung!
Die bürgerliche Demokratie ist die heuchlerische Maske der kapitalistischen Diktatur!
Angesichts der "Taubheit" der Regierung wächst die Vorstellung, dass die einzige Möglichkeit, sich "Gehör zu verschaffen", darin besteht, die Wirtschaft zu blockieren. Es ist das wachsende Verständnis für die zentrale Rolle der Arbeiterklasse in der Gesellschaft: Durch unsere gemeinsame Arbeit produzieren wir allen Reichtum. Der Streik der Müllabfuhr in Paris zeigt dies auf eindrucksvolle Weise: Ohne ihre Tätigkeit wird die Stadt innerhalb weniger Tage unbewohnbar.
Doch die Linke und die Gewerkschaften lenken diese Idee in eine Sackgasse. Sie drängen auf Blockadeaktionen, jeder in seiner Zunft, jeder an seinem Arbeitsplatz. Dadurch werden die Streikenden in ihren Ecken isoliert, von den anderen Arbeitnehmern getrennt und unserer größten Stärke beraubt: der Einheit und Solidarität im Kampf.
In Großbritannien sind die Streikenden seit fast zehn Monaten trotz ihrer Wut und Entschlossenheit machtlos, weil sie in "Streikposten" aufgeteilt sind, von denen jeder in seinem eigenen Betrieb blockiert. Die historische Niederlage der englischen Bergarbeiter im Kampf gegen Thatcher 1984-85 war bereits das Ergebnis derselben Falle: Von den Gewerkschaften angetrieben, hatten sie versucht, die Wirtschaft zu blockieren, indem sie einen Kohlemangel verursachten. Sie hatten über ein Jahr lang durchgehalten und waren erschöpft, zermürbt und demoralisiert aus der Krise hervorgegangen. Ihre Niederlage war die Niederlage der gesamten britischen Arbeiterklasse gewesen!
Ein Teil der Demonstranten beginnt sogar, sich Gedanken darüber zu machen, dass man zu härteren Aktionsformen übergehen sollte: "Ich bin überhaupt nicht gewalttätig, aber hier spürt man, dass man etwas tun muss, damit die Regierung reagiert. Das Beispiel der Gelbwesten wird zunehmend hervorgehoben. Eine gewisse Sympathie für die Plünderungen des Schwarzen Blocks macht sich breit.
Zu glauben, dass der bürgerliche Staat und sein riesiger Unterdrückungsapparat (Polizei, Armee, Geheimdienst usw.) sich von brennenden Mülltonnen und zerbrochenen Schaufenstern auch nur ein bisschen abschrecken lassen könnte, ist eine Illusion. Es handelt sich dabei lediglich um Mückenstiche auf der Haut eines Elefanten. Andererseits werden all diese "hyperradikalen" scheinbaren Aktionen von der Bourgeoisie perfekt ausgenutzt, um ... die kollektive Kraft der Bewegung zu brechen:
- Indem die Medien das kleinste zerbrochene Schaufenster in den Vordergrund stellen, schrecken sie einen ganzen Teil der Arbeiter ab, die sich den Demonstrationen anschließen möchten.
- Indem sie systematisch Zwischenfälle provozieren, vergasen die Ordnungskräfte, zerstreuen und verhindern so jede Möglichkeit, sich am Ende der Demonstration zu versammeln und zu diskutieren.
Die gewalttätige Minderheitsaktion der Schlägertrupps ist in Wirklichkeit genau das Gegenteil dessen, was die Stärke unserer Klasse wirklich ausmacht.
In den letzten Tagen haben die Zeitungen auf die Möglichkeit eines "Szenarios à la CPE" hingewiesen. Im Jahr 2006 war die Regierung gezwungen, ihren Contrat Première Embauche zurückzuziehen, der die Jugend in noch größere Unsicherheit stürzen sollte. Damals war die Bourgeoisie erschrocken über das wachsende Ausmaß der Proteste, die begannen, über die Jugendbewegung, die prekären Studenten und die jungen Arbeiter hinauszugehen und sich mit einheitlichen und solidarischen Parolen auf andere Bereiche auszudehnen: "Junge Speckwürfel, alte Croûtons, alle denselben Salat" war auf den Schildern zu lesen.
Diese Fähigkeit, die Bewegung auszuweiten, war das Ergebnis von Debatten in echten, souveränen und für alle offenen Generalversammlungen. Diese AGs waren die Lunge der Bewegung und versuchten ständig, sich nicht im Geist einer belagerten Zitadelle in den Unis oder an den Arbeitsplätzen einzuschließen, um sie um jeden Preis zu blockieren, sondern den Kampf auszuweiten, mit massiven Delegationen in benachbarte Betriebe. Das ist es, was die Bourgeoisie zurückgeworfen hat! Das ist es, was die Stärke unserer Bewegung ausgemacht hat! Das sind die Lektionen, die wir uns heute wieder aneignen müssen!
Die Stärke unserer Klasse liegt in unserer Einheit, unserem Klassenbewusstsein, unserer Fähigkeit, unsere Solidarität zu entwickeln und damit die Bewegung auf alle Sektoren auszuweiten. Das ist der Stachel, der unsere Kämpfe leiten muss.
Im Kampf können wir uns nur auf uns selbst verlassen! Weder auf die Politiker noch auf die Gewerkschaften! Es ist die Arbeiterklasse und ihr Kampf, die eine Alternative tragen, die des Sturzes des Kapitalismus, die der Revolution!
Heute ist es immer noch schwierig, uns zu Generalversammlungen zu versammeln und uns selbst zu organisieren. Dies ist jedoch der einzig mögliche Weg. Diese AGs müssen Orte sein, an denen wir wirklich über die Führung der Bewegung entscheiden, an denen wir uns vereint fühlen und auf unsere kollektive Stärke vertrauen, an denen wir gemeinsam immer stärker vereinende Forderungen verabschieden und in Massendelegationen aufbrechen können, um unsere Klassenbrüder und -schwestern in den nächstgelegenen Fabriken, Krankenhäusern, Schulen, Geschäften und Behörden zu treffen.
Heute oder morgen werden die Kämpfe weitergehen, weil der Kapitalismus immer tiefer in die Krise rutscht und weil das Proletariat keine andere Wahl hat. Aus diesem Grund treten die Arbeiter überall auf der Welt in den Kampf ein.
Die Bourgeoisie wird ihre Angriffe fortsetzen: Inflation, Entlassungen, Unsicherheit, Knappheit... Angesichts dieser Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen wird die internationale Arbeiterklasse immer massiver wieder den Weg des Kampfes einschlagen.
Wo immer wir können, auf der Straße, nach und vor Demonstrationen, an Streikposten, in Cafés und an Arbeitsplätzen, müssen wir uns also versammeln, debattieren und aus den vergangenen Kämpfen lernen, um unsere aktuellen Kämpfe weiterzuentwickeln und die kommenden Kämpfe vorzubereiten.
Die Zukunft gehört dem Klassenkampf!
Internationale Kommunistische Strömung, 20. März 2023
Jacques Camatte ist zweifellos einer der Gründerväter der sogenannten "Kommunisierungs"-Strömung. Bei der Entwicklung einer marxistischen Kritik an den tiefgreifenden Irrtümern dieser Strömung halten wir es für nützlich, Camattes politische Wanderung vom orthodoxen Bordigismus zur völligen Ablehnung der "Theorie des Proletariats" und einer Theoretisierung der Flucht aus dem Klassenkampf darzulegen. Unserer Meinung nach sind zwar nur wenige der "Kommunisierungs"-Strömung Camatte bis zu seinen endgültigen Schlussfolgerungen gefolgt, doch zeigt sein Weg in vielerlei Hinsicht die wahre Dynamik dieser Strömung auf.
Unser Ziel ist es hier nicht, Camattes Biografie zu schreiben, sondern seinen Weg im Lichte einiger seiner wichtigsten theoretischen Produkte zu untersuchen.
Laut Wikipedia war Camatte im Alter von 18 Jahren bereits 1953 Mitglied der Französischen Fraktion der Kommunistischen Linken[1] – also kurz nach der Spaltung des Partito Comunista Internazionalista (PCInt) in Italien zwischen der Tendenz um Damen und der Tendenz um Bordiga. Die Französische Fraktion wurde später in die französische Sektion der bordigistischen Internationalen Kommunistischen Partei (IKP) umgewandelt, die Programme Communiste und Le Prolétaire herausgab. Camatte spielte eine immer wichtigere Rolle in der theoretischen Arbeit dieser Organisation und entwickelte eine enge Zusammenarbeit mit Bordiga. Anfang der 60er Jahre war er jedoch unzufrieden mit der Richtung, die die Organisation einschlug – eine aktivistische, gewerkschaftliche Praxis, die sich auf die Produktion von "Arbeiterzeitungen" konzentrierte. Camatte vertrat die Ansicht, dass die Aufgaben der PCI vor allem theoretischer Natur seien, da die Zeit weiterhin im Wesentlichen von der Konterrevolution beherrscht wurde: die Anprangerung aller Formen des Revisionismus und die Wiederherstellung des kommunistischen Programms. 1966 trennte sich Camatte von der IKP und gründete die Zeitschrift Invariance, deren Grundsatzerklärung auf der Innenseite der ersten Ausgabe eine klare Kontinuität mit der bordigistischen Tradition aufweist[2]:
„Invarianz der Theorie des Proletariats:
- Verteidigt im Bund der Kommunisten (Kommunistisches Manifest 1848), in der IAA (Arbeit des von Marx geleiteten Generalrats in London), zur Zeit der Kommune, in der II. Internationale, gegen die Entartung und das Scheitern der Letzteren (Die sozialistische Linke in Deutschland, die Bolschewiki, die sozialistische Linke in Italien - die abstentionistische Fraktion);
- die 1917 in Russland und international triumphierte: Moskau 1919, Gründung der III. Internationale; Livorno 1921: der Bruch mit der Demokratie;
- verteidigt von der Kommunistischen Linken gegen die Degeneration Moskaus und gegen die Heilige Union des Widerstands gegen den Faschismus;
- die wiederhergestellt werden muss, wie auch die Kommunistische Partei – Organ der proletarischen Klasse – außerhalb jeglichen Demokratismus, Karrierismus, Individualismus, gegen den Immediatismus und jeden revisionistischen Zweifel an der Doktrin;
- das Ziel der Invarianz ist die Wiedererrichtung der Kommunistischen Partei".
Invariance Nr. 6, die im April 1969 unter dem Titel La Revolution Communiste, Theses de Travail (Die kommunistische Revolution, Arbeitsthesen) veröffentlicht wurde, ist ein umfangreiches Werk, das mehr als 150 DIN-A4-Seiten umfasst und einen Überblick über die wichtigsten politischen Schlussfolgerungen und Orientierungen der Zeitschrift zu diesem Zeitpunkt bietet. Diese sind vor allem deshalb interessant, weil sie dazu neigen, einige der heiligen Wahrheiten des Bordigismus zu verwerfen.
Invariance Nr. 6 ist in mehrere Kapitel unterteilt, die sich mit der Geschichte der proletarischen Bewegung von ihren Anfängen bis zur Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg befassen, einschließlich des Charakters des stalinistischen Russlands, der Kolonialfrage, der Wirtschaftskrise und der Entwicklung des Kapitalismus.
Das erste Kapitel "Kurze Geschichte der Bewegung der proletarischen Klasse im euro-amerikanischen Raum von ihren Anfängen bis zu unseren Tagen" bestätigt, dass der Ausgangspunkt von Invariance immer noch die marxistische Tradition und die Theorie des Proletariats war, die durch die revolutionäre Welle, die auf den Ersten Weltkrieg folgte, bestätigt wurde. Zumindest an diesem Punkt scheint Camatte der Idee verpflichtet zu sein, dass die künftige kommunistische Revolution allein die Aufgabe des Proletariats ist. Im ersten Kapitel wird auch eine ziemlich kohärente Analyse der Abfolge der verschiedenen Phasen von Aufschwung und Konterrevolution in der Geschichte des Proletariats entwickelt, insbesondere der Niederlage der revolutionären Welle und des Kampfes der Kommunistischen Linken gegen die Degeneration der Kommunistischen Internationale. Aber im Gegensatz zu den "traditionelleren" Bordigisten schließt der Text von der Kommunistischen Linken Strömungen wie die KAPD nicht aus, deren Thesen zur Partei zusammen mit dem Manifest der Miasnikow-Gruppe in Russland in späteren Ausgaben von Invariance veröffentlicht werden sollten: "Ein grundlegendes Element für die Wiedererlangung der Totalität der Doktrin liefert der Beitrag der Kommunistischen Linken Italiens. Es könnten jedoch auch viele parallele Elemente notwendig sein: Tribunisten, KAPD, verschiedene Bewegungen, die sich auf die Räte berufen, Lukacs ... die Arbeit der Vereinigung impliziert die Ablehnung von Anathemata". (These 1.5.20, S. 37)
Gleichzeitig wird in dem Text die Kritik an der aktivistischen und opportunistischen Ausrichtung der offiziellen Bordigisten dargelegt: "1962 glaubte die IKP, dass es möglich sei – nach der 1960 begonnenen und im Laufe des Jahres verstärkten Agitation – ein Gewerkschaftsorgan zu schaffen: Spartaco …, aber wenn man anfängt, keinen materialistischen, nicht voluntaristischen Ansatz mehr zu haben, ist der Fehler unvermeidlich. Das Erscheinen dieses Blattes war die erste theoretische Niederlage, denn es bedeutete die Aufgabe der Forderung, die unmittelbare Aktion (gewerkschaftlich oder anders, je nach Organisation: Fabrikkomitees, Betriebsräte usw.) und den vermittelnden, "politischen" Kampf in einer unauflöslichen Einheit zu verbinden. All das, weil man mit diesem Blatt hoffte, durchlässiger für die Klasse zu sein ... 1963 ließ die Bewegung ihre ursprünglichen Positionen hinter sich und stellte sich auf eine Stufe mit der trotzkistischen Bewegung, mit der sie in Konkurrenz trat. All dies zeigte auch die Unzulänglichkeit der These der Linken über die Gewerkschaften, da sie deren Entwicklung, ihre Integration in den Staat und das Verhalten der Arbeiter ihnen gegenüber nicht mehr genau definierte: Desertion." (1.5.10, S. 33)
Es ist auch festzustellen, dass sich die Auffassung von Invariance über die Bedingungen für die Parteibildung allmählich der Position von Bilan in den 30er Jahren und der GCF in den 40er Jahren annähert, und damit der Erkenntnis, dass die "formale" bordigistische Partei eigentlich gar keine Partei war: "Die Partei kann nur durch das Zusammentreffen zweier Bewegungen wiedererschaffen werden: der Rückkehr zur Totalität der Theorie des Proletariats und der Bewegung zur Vereinigung der Klasse ... ihre formale Existenz ist heute eine Peinlichkeit, und sei es nur, weil sie am Ende einer bestimmten Periode und als Ergebnis des vorherrschenden politischen Nebels dazu neigt, sich für einen deus ex machina zu halten und zu glauben, dass alles über sie laufen muss, dass sie alles gerade dann führen muss, wenn sie von der wirklichen Bewegung am wenigsten anerkannt wird" (Invariance 6, 1.5.18-19, S. 36-37).
Dies ist zweifellos eine Anspielung auf die lächerliche Intervention der IKP in der Bewegung vom Mai 1968, wo die Bordigisten, obwohl sie dazu neigten, die gesamte Bewegung als kleinbürgerlich abzulehnen, nichts anderes anbieten konnten als einen Aufruf an die Massen, sich hinter dem Banner der Partei zu sammeln. Im Gegensatz dazu zeigen mehrere Passagen in den Thesen, dass die frühe Invariance den Mai 68 als einen echten Bruch mit der Konterrevolution ansah.
Ein weiteres positives Element der Thesen ist die Anerkennung (die sie eindeutig mit Bordiga[3] teilte) der wachsenden Tendenz des Kapitals zur Zerstörung der Natur:
"Die Vorhersagen von Marx (über die Erschöpfung des Bodens durch die kapitalistische Landwirtschaft) werden heute täglich bestätigt. Die Entwicklung des Kapitals stellt sich als eine gewaltige Naturkatastrophe dar: Erschöpfung des Bodens, Zerstörung von Flora und Fauna. Das Kapital ist die Verdinglichung des Menschen und die Mineralisierung der Natur" (a.a.O. 4.3.3, S. 111)
Gleichzeitig gelingt es den Thesen nicht, über einige der wichtigsten theoretischen Schwächen der bordigistischen Tradition hinauszugehen:
- In der Vorstellung vom Marxismus als einer invarianten Theorie, als einer "Doktrin", die nur wiederhergestellt werden müsse.[4] Es ist sicherlich richtig, dass sich bestimmte Prinzipien der Arbeiterbewegung - wie die Notwendigkeit des Internationalismus und der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von der Bourgeoisie – im Laufe der Geschichte der Bewegung nicht ändern. Aber sie müssen dennoch entsprechend den spezifischen historischen Bedingungen angewandt werden, was zum Beispiel bedeutet, dass die Marxisten in der Periode der Herausbildung des Kapitals als Weltsystem bestimmte nationale Kämpfe unterstützen konnten. Dies wurde jedoch unmöglich, als das System in seine Epoche des Niedergangs eintrat. Die Vorstellung eines unveränderlichen Programms, das nichts mit der historischen Erfahrung der Arbeiterklasse zu tun hat, entspringt einem idealistischen, ja religiösen Ausgangspunkt.
- In der Unterscheidung zwischen der formalen und der historischen Partei, einer Idee, die als Mittel zur Rechtfertigung des Fehlers der Gründung des PCInt in den Jahren 1943-5 und zur Ablehnung des Konzepts der Fraktion, wie es von der Italienischen Linken in der Zwischenkriegszeit entwickelt wurde, entstanden ist. Es stimmt, wie wir festgestellt haben, dass es in Invariance 6 eine gewisse Bewegung in Richtung eines materialistischen Verständnisses gab, dass die Partei nicht zu jedem Zeitpunkt im Leben der Klasse gebildet werden kann; was ihr aber nicht gelingt, ist, sich mit dem Beitrag von Bilan über die Beziehung zwischen Fraktion und Partei auseinanderzusetzen. Somit bleibt die partielle Kritik am bordigistischen Idealismus in dieser Frage in der Luft hängen.
- In der Ablehnung der Theorie des Kapitalismus seit 1914 als global dekadentes System und damit der Verteidigung der Vorstellung von der Oktoberrevolution als Doppelrevolution: Da der proletarische Aufstand vom Oktober nicht in der Lage war, sich international auszudehnen, mutierte das bolschewistische Russland nach Ansicht der Thesen zu einer Art bürgerlicher Revolution. Diese Ansicht stand in grundlegendem Widerspruch zur Position der Italienischen Fraktion, die darauf bestand, dass eine proletarische Revolution möglich wird, weil das kapitalistische System als Ganzes und nicht Region für Region in seine dekadente Phase eintritt[5], was jede Möglichkeit fortschrittlicher bürgerlicher Revolutionen ausschließt.
- Da in den Thesen argumentiert wird, dass es immer noch Gegenden auf der Welt gebe, in denen der Kapitalismus noch in den Kinderschuhen stecke, haben wir die Vorstellung, dass "koloniale Revolutionen" nicht nur immer noch möglich waren, sondern dass sie in Ländern wie Vietnam und Kuba tatsächlich stattfanden ... Die Thesen sprechen vom "unbestreitbaren Verdienst" der Theorien von Castro, Fanon, Césaire ("am Anfang" zumindest ...) und kommen zu dem Schluss, dass "der Einfluss, der aus den kolonialen Revolutionen hervorgegangenen Ideologien im Westen sowie die Rückkehr zu überholten Positionen der Arbeiterbewegung (ein gewisser Messianismus in Afrika, Lateinamerika und den USA zum Beispiel) immer noch Ausdruck einer sozialen Erneuerung sind. Diese ergibt sich aus dem Verschwinden der proletarischen Revolution von 1917-23. Das Proletariat hat schließlich im Weltmaßstab eine bürgerliche Revolution durchgeführt oder unterstützt" (a.a.O. 4.6.12, S. 132).
In ähnlicher Weise "hat die maoistische Ideologie in China insofern einen revolutionären Charakter, als sie sich als Ersatz für die alte chinesische Zivilisation darstellt (sie zerstört den alten, um den Ahnenkult herum errichteten Überbau)" (a.a.O. 3.4.11, S. 87).
Diese falschen und gefährlichen Positionen, die den interimperialistischen Charakter der gewaltsamen Kämpfe um die ehemaligen Kolonialgebiete völlig unterschätzten, sollten ihre verhängnisvollen Quittungen in der offenen Unterstützung der arabischen Staaten in den imperialistischen Kriegen im Nahen Osten durch die algerische Gruppe der IKP und der daraus resultierenden Explosion der Organisation erhalten.
Andererseits liegt das vielleicht wichtigste Element gegen Ende der Thesen weniger in der Unfähigkeit, das bordigistische Dogma zu kritisieren, als vielmehr in der Tendenz, bestimmten modernistischen Ideen, die sich in der Folgezeit sehr schnell entwickeln sollten, die Tür zu öffnen. So sehen wir in der These 4.6.1 den Beginn einer neuen "Periodisierung" des Kapitals, in der der Krieg von 1914 nicht den endgültigen Beginn der dekadenten Epoche des Kapitals markiert, wie die Kommunistische Internationale proklamierte, sondern den Übergang von der "formellen" zur "reellen Subsumtion" des Kapitals, und von dort aus war es für Camatte nur ein kurzer Schritt zu behaupten, dass das Kapital völlig autonom geworden sei und eine totale Herrschaft über die Menschheit erlangt habe, so dass die gesamte Menschheit und nicht nur die Arbeiterklasse zum Subjekt der Revolution werden müsse. Dieser Schritt war noch nicht vollzogen: "Die gesamte Menschheit hat die Tendenz, sich dem Kapital zu widersetzen, sich gegen es aufzulehnen. Aber welche ist die Klasse, die ein Maximum an revolutionärer Kohärenz haben kann, die ein radikales Programm für die Zerstörung des Kapitals haben kann und gleichzeitig die zukünftige Gesellschaft, den Kommunismus, beschreiben kann? Es ist das Proletariat ... Die Arbeiterklasse wird, indem sie sich als Klasse und damit als Partei konstituiert, zum historischen Subjekt ... Der Mensch ist die Negation des Kapitals, aber seine aktive, positive Negation ist das Proletariat" (These 4.7.20, S. 139).
Invariance Nummer 8, die den Zeitraum Juli bis Dezember 1969 abdeckt, trägt den Titel "Übergang". Die vorangegangene Ausgabe hatte die "Theses de Travail" fortgesetzt und bestand aus einer ganzen Reihe von "unterstützenden Texten" der Kommunistischen Parteien Italiens und der USA, der KAPD, Beiträgen von Pannekoek, Gorter, Lukacs, Pankhurst. In Nummer 8 finden wir die Thesen der KAPD über die Partei und die Interventionen der KAPD während der Debatte über die Gewerkschaften auf dem Dritten Kongress der Kommunistischen Internationale; einen Text von Jehan aus dem Jahr 1937 über den Krieg in Spanien, der die Position der Italienischen Fraktion verteidigt; und zwei Nachdrucke aus Programma Comunista – "Relativität und Determinismus, zum Tod von Albert Einstein", Nr. 9 1955; und "Programme du communisme integral et theorie marxiste de la connaissance", vom Mailänder Treffen der IKP im Juni 1962.
Auf einer Ebene setzte Invariance Nr. 8 also die offenere Haltung gegenüber den verschiedenen Strömungen der kommunistischen Linken fort, die wir bereits in Nummer 6 gesehen haben. Die eigentliche Bedeutung der Ausgabe liegt jedoch in zwei kurzen Artikeln zu Beginn der Ausgabe: ein Leitartikel mit dem Titel "Übergang" und ein zweiter Artikel mit dem Titel "Kapitalismus und die Entwicklung der Bandenkriminalität".
Der erste Artikel beginnt wie folgt:
"Der Ausgangspunkt für die Kritik der bestehenden Gesellschaft des Kapitals muss die Neuformulierung der Begriffe 'formelle' und 'reelle Subsumtion' als historische Phasen der kapitalistischen Entwicklung sein. Alle anderen Periodisierungen des Prozesses der Autonomisierung des Werts, wie Konkurrenz-, Monopol-, Staatsmonopol-, bürokratischer usw. Kapitalismus, verlassen das Feld der Theorie des Proletariats, d.h. der Kritik der politischen Ökonomie, um mit dem Vokabular der Praxis der Sozialdemokratie oder der "leninistischen" Ideologie, kodifiziert durch den Stalinismus, zu beginnen.
All diese Phraseologie, mit der man vorgibt, "neue" Phänomene zu erklären, mystifiziert in Wirklichkeit nur den Übergang des Werts zu seiner völligen Autonomie, d.h. die Objektivierung der abstrakten Größe im Prozess in der konkreten Gemeinschaft.
Das Kapital als gesellschaftliche Produktionsweise vollendet seine reelle Subsumtion, wenn es ihm gelingt, alle vorher bestehenden sozialen und natürlichen Voraussetzungen durch seine eigenen besonderen "Organisationsformen" zu ersetzen, die die Unterwerfung des gesamten physischen und sozialen Lebens unter seine wirklichen Verwertungsbedürfnisse vermitteln. Das Wesen der "Gemeinschaft" [im Original deutsch geschrieben] des Kapitals ist die Organisation.
Die Politik als Instrument zur Vermittlung zwischen Despotie und Kapital verschwindet in der Phase der reellen Subsumtion des Kapitals. Nachdem sie in der Periode der formellen Subsumtion voll zum Einsatz gekommen ist, kann sie entsorgt werden, wenn das Kapital als totales Wesen das Leben und die Erfahrung seiner Untergebenen rigide zu organisieren beginnt. Der Staat als starrer und autoritärer Verwalter der Ausdehnung der äquivalenten Formen im gesellschaftlichen Verhältnis ("Urtext" [deutsch]) wird zu einem elastischen Instrument in der Unternehmenssphäre. Folglich sind der Staat oder direkt die "Politik" weniger denn je das Subjekt der Wirtschaft und der "Bosse" des Kapitals. Heute findet das Kapital mehr denn je seine eigene reale Stärke in der Trägheit des Prozesses, der seine spezifischen Verwertungsbedürfnisse als menschliche Bedürfnisse im Allgemeinen produziert und reproduziert".
Wir haben bereits festgestellt, dass die Ausgabe 6 einige der Prämissen der modernistischen Sichtweise enthielt, die mit der Theorie des Übergangs von formeller zu reeller Subsumtion verbunden sind. Aber hier wird der "Übergang" endgültig.
Wie wir an anderer Stelle[6] festgestellt haben, ist Marx' Konzept des Übergangs von formeller zu reeller Subsumtion weithin falsch interpretiert worden, insbesondere in modernistischen Kreisen. In einem Kapitel von Das Kapital, das bis in die 1930er Jahre unveröffentlicht blieb und erst in den späten 1960er Jahren in größerem Umfang übersetzt und veröffentlicht wurde, "Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses", beschrieb Marx damit die Entwicklung des Kapitals von einer Phase, in der seine Herrschaft über die Arbeit in dem Sinne formell blieb, dass sie noch durch vorkapitalistische, insbesondere handwerkliche Produktionsmethoden geprägt war; das Kapital hatte den einzelnen Produzenten seiner Unabhängigkeit beraubt, indem es ihn zu Lohnarbeitern degradierte, aber die eigentliche Produktionsmethode blieb halbindividuell und umfasste weiterhin viele Stufen der Herstellung des Gesamtprodukts, selbst wenn die Produzenten in "Produktionszentren" zusammengefasst waren.
Das voll entwickelte Fabriksystem, das sich auf eine hochentwickelte Maschinerie stützt, reduziert die Tätigkeit der Arbeiter auf eine Reihe von fragmentierten Gesten, d. h. auf die Unterordnung unter das Fließband, wobei alle diese handwerklichen Spuren mehr und mehr verschwinden; diese Entwicklung entspricht auch dem Übergang von der Gewinnung des absoluten Mehrwerts (bei der die Ausbeutungsrate in hohem Maße von der Verlängerung des Arbeitstages abhängt) zur Gewinnung des relativen Mehrwerts, der einen kürzeren Arbeitstag, aber auch eine effizientere Ausbeutung der produktiven Arbeit ermöglicht: "Die reale Subsumtion der Arbeit unter das Kapital wird entwickelt in allen Formen, die den relativen Mehrwert im Unterschied vom absoluten entwickeln".[7]
Für eine Reihe von Gruppen, von denen einige aus dem Bordigismus hervorgingen oder auf einen vollwertigen Modernismus zusteuerten, wie z. B. die Gruppe Internationalistische Perspektive, war dieser Übergang mehr oder weniger gleichbedeutend mit dem "alten" Übergang vom aufsteigenden zum dekadenten Kapitalismus und bot eine alternative Sichtweise auf die wichtigsten Phänomene der dekadenten Periode, wie z. B. den Staatskapitalismus, wobei einige – wie Camatte in den Theses de Travail (Arbeitsthesen) – den entscheidenden Moment sogar im Jahr 1914 sahen. Aber wie wir bereits ausführten, sprach Marx sehr deutlich von einem Prozess, der sich bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entfaltete und – wie Rosa Luxemburg 1913 betonte, gehörten weite Teile der Erde damals im Wesentlichen noch zur vorkapitalistischen Welt, auch wenn der Imperialismus die alten Formen mehr und mehr zerstörte und den Kolonien seine politische Herrschaft aufzwang – insofern war der Übergang zu den modernen Formen der kapitalistischen Ausbeutung ein Prozess, der das ganze 20. Jahrhundert hindurch andauerte und der immer noch nicht abgeschlossen ist. Als Mittel zum Verständnis, dass der Kapitalismus in seine "Epoche der sozialen Revolution" eingetreten ist, war dieser Begriff nicht geeignet, außer insofern, als ein gewisses Niveau der globalen kapitalistischen Entwicklung offensichtlich erfordert war, damit die Weltrevolution möglich und notwendig wurde. Doch während die Verwendung des Begriffs durch Marx zwar eine wichtige, aber doch untergeordnete Bedeutung hatte, wurde dieser Begriff für Camatte zum "Ausgangspunkt" für eine vollständige Umwälzung des Marxismus. Ihm zufolge stand er für die Ankündigung einer Welt, in der das Kapital autonom geworden, ja zur "materiellen Gemeinschaft" geworden sei und die totale Herrschaft über die Menschheit und das Proletariat erlangt habe, was das Ende des "Mythos des Proletariats" als revolutionäres Subjekt bedeutet.
Auf einige dieser Ideen werden wir in einem zweiten Teil des Artikels zurückkommen. Nicht weniger bedeutsam ist aber der kurze Beitrag über die Entwicklung des "Bandenwesens" (Gang-Racket), der die theoretische Grundlage für die Aufgabe jeder Form von proletarischer politischer Organisation und damit für Camattes individuelle Flucht vor dem politischen Engagement innerhalb der Arbeiterklasse liefert:
"Mit der Konstituierung des Kapitals als materielles Wesen und damit als soziale Gemeinschaft kommt es zum Verschwinden des Kapitalismus in seiner traditionellen persönlichen Form, zum relativen und manchmal absoluten Schwund der Proletarier und zum Wachstum der neuen Mittelschichten. Jede menschliche Gemeinschaft, wie klein sie auch sein mag, ist durch die Seinsweise der materiellen Gemeinschaft bedingt. Diese Seinsweise ergibt sich aus der Tatsache, dass das Kapital sich nur dann verwerten und somit existieren, sein Wesen entwickeln kann, wenn ein Teil von ihm, während es sich autonomisiert, dem gesellschaftlichen Ganzen gegenübersteht, sich in Bezug auf das vergesellschaftete Gesamtäquivalent, das Kapital, definiert. Es braucht diese Konfrontation (Konkurrenz, Nachahmung), weil es nur durch Differenzierung existiert. Auf dieser Grundlage bildet sich ein soziales Gewebe, das auf dem Wettbewerb zwischen rivalisierenden "Organisationen" (Rackets) beruht.
Die verschiedenen Gruppierungen sind so Banden, die sich gegenseitig konfrontieren, wobei sie die Vergottung des Proletariats als ihr allgemeines Äquivalent haben.“
Die Absicht, die im Leitartikel mit der Überschrift "Übergang" verfolgt wird, ist offensichtlich: Die Aufgabe der Zeitschrift Invariance "besteht also nicht darin, das Organ einer formellen oder informellen Gruppe zu sein, sondern gegen alle falschen 'Theorien' zu kämpfen, die in vergangenen Epochen produziert wurden, und gleichzeitig in die kommunistische Zukunft zu weisen".
Eine Zeitschrift, die nicht das Produkt einer formellen oder wenigstens informellen Gruppe ist, kann nur das Eigentum eines brillanten Individuums sein, das irgendwie dem Schicksal entgangen ist, das das Kapital unerbittlich allen Bemühungen auferlegt, sich zum Kampf gegen die kapitalistische Herrschaft zusammenzuschließen. Camatte setzte diese Argumentation in einem Brief vom 04.09.1969 fort, in dem er die "theoretischen" Grundlagen des Begriffs der Organisation als Gang weiter ausarbeitete, der später als Broschüre "Über die Organisation" in mehreren Sprachen veröffentlicht wurde. In der Einleitung zu diesem Text von 1972 wird behauptet, dass diese Position nicht als "Rückkehr zu einem mehr oder weniger Stirnerschen Individualismus" interpretiert werden sollte, und er scheint die Möglichkeit einer zukünftigen "Vereinigung" der revolutionären Kräfte in Aussicht zu stellen. Unseres Erachtens kann jedoch alles in diesem Text sowie der gesamte weitere politische Werdegang von Camatte nur diese Rückkehr zur Logik des "Egoismus" von Sankt Max bestätigen, den Marx in der Deutschen Ideologie so scharf angegriffen hatte.
Die theoretische Rechtfertigung für diesen Rückfall findet sich wiederum in Camattes Verwendung des Begriffs der „reellen Subsumtion unter das Kapital“, der dazu tendiert, das kapitalistische Gesellschaftsverhältnis zu entpersönlichen und die Herrschaft des einzelnen Kapitalisten durch die anonyme, kollektive Organisation des Kapitals zu ersetzen, entweder durch riesige "private" Unternehmen oder durch das größte aller Unternehmen, den Staat. Und in der Tat hatte Marx bereits festgestellt, dass der Kapitalist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dazu tendiert, ein bloßer Funktionär des Kapitals zu werden. Camatte zitiert auch Bordigas Studie Die wirtschaftliche und soziale Struktur im heutigen Russland, in der es heißt: "Die Organisation ist nicht nur der moderne entpersönlichte Kapitalist, sondern auch der Kapitalist ohne Kapital, weil er keines braucht". All dies ist richtig und ergibt sich aus dem grundlegenden marxistischen Grundsatz, dass das Kapital von Natur aus ein unpersönliches soziales Verhältnis ist – und aus der von der Kommunistischen Linken am deutlichsten entwickelten Erkenntnis, dass die Organisation des Kapitalismus durch den Staat zunehmend Teil der Überlebensweise des Systems in seiner historischen Krisenepoche geworden ist (die Camatte, wie wir gesehen haben, mit der Periode der "reellen Subsumtion" gleichzusetzen pflegt). Aber von hier aus macht Camatte einen theoretischen Sprung, den weder Marx noch Bordiga jemals gebilligt hätten.
"Mit dem Übergang zur reellen Subsumtion schuf das Kapital sein eigenes allgemeines Äquivalent, das nicht mehr so starr sein konnte, wie es in der Periode der einfachen Zirkulation gewesen war. Der Staat selbst musste seine Starrheit verlieren und zu einer Bande werden, die zwischen den verschiedenen Banden und zwischen dem Gesamtkapital und den Einzelkapitalen vermittelt".
Von dieser – in einigen Aspekten akzeptablen – Beschreibung der Entwicklung des Staatskapitalismus springen wir zur "politischen Sphäre". Und zwar nicht nur zur politischen Sphäre der herrschenden Klasse, sondern zu den politischen Organisationen des Proletariats:
"Wir können die gleiche Art von Transformation in der politischen Sphäre sehen. Das Zentralkomitee einer Partei oder das Zentrum jeder Art von Gruppierung spielt die gleiche Rolle wie der Staat. Der demokratische Zentralismus ahmt lediglich die parlamentarische Form nach, die für die formelle Subsumtion charakteristisch ist. Und der organische Zentralismus, der lediglich in negativer Weise als Ablehnung der Demokratie und ihrer Form (Unterwerfung der Minderheit unter die Mehrheit, Abstimmungen, Kongresse usw.) bekräftigt wird, bleibt in Wirklichkeit nur in den moderneren Formen gefangen. Dies führt zu einer Mystifizierung der Organisation (wie beim Faschismus). So hat sich die Internationale Kommunistische Partei zu einer Bande entwickelt".
Der Trick besteht hier darin, den Klassenkampf aus der Gleichung zu entfernen. Es wird kein Unterschied mehr gemacht zwischen der politischen Sphäre der Bourgeoisie und der des Proletariats, das aufhört, den vorherrschenden Merkmalen der bestehenden Ordnung eine Gegenkraft zu bieten.
Es ist sicherlich richtig, wie Marx und Rosa Luxemburg betonten, dass das Kapital das Bedürfnis hat, jeden Winkel des Planeten und jeden Bereich menschlicher Tätigkeit zu durchdringen. Seine ideologischen und moralischen Weltanschauungen neigen dazu, gänzlich alles zu vergiften, nicht zuletzt die Bemühungen der Arbeiterklasse, sich zu verbinden, zu organisieren, Widerstand zu leisten, ihr eigenes theoretisches Verständnis der sozialen Wirklichkeit zu entwickeln. Deshalb ist jede Form der proletarischen Organisation der Gefahr der Anpassung an die kapitalistische Ordnung, der Tendenz zum Opportunismus und zur Degeneration ausgesetzt. Wenn aber eine andere Gesellschaftsform möglich bleibt, wenn der Kommunismus die einzige menschliche Zukunft darstellt, dann eben deshalb, weil das Proletariat, die Arbeiterklasse, tatsächlich ein Gegenmittel gegen das Gift des Kapitals darstellt. Seine Organisationen kein passives Spiegelbild der herrschenden Ideologie, sondern vielmehr eine Arena des Kampfes zwischen der proletarischen Weltsicht und den Übergriffen der kapitalistischen Gewohnheiten und Ideologie.
Für Camatte mag dies früher auch der Fall gewesen sein, aber heute ist es das nicht mehr. "Da das Proletariat vernichtet wurde, stößt diese Tendenz des Kapitals auf keinen wirklichen Widerstand und kann sich daher umso effizienter selbst produzieren. Das wirkliche Wesen des Proletariats wurde geleugnet und es existiert nur noch als Objekt des Kapitals. Ebenso wurde die Theorie des Proletariats, der Marxismus zerstört, indem sie zunächst von Kautsky revidiert und dann von Bernstein liquidiert wurde".
Und mit einem Federstrich ist der Kampf der Linken in der Zweiten und Dritten Internationale gegen diese Versuche, den Marxismus zu revidieren und zu liquidieren, vom Tisch. Somit sind auch alle nachfolgenden Bemühungen der Gruppen der Kommunistischen Linken, für proletarische Prinzipien und gegen das Eindringen der kapitalistischen Ideologie zu kämpfen, zum Scheitern und zur Vereinnahmung verurteilt.
Es stimmt, dass die IKP, die aus einer Strömung hervorging, die aus dem Widerstand gegen die Degeneration der KI entstanden war, selbst alle Anzeichen einer degenerierten Organisation aufwies; und Camatte hat wenig Mühe zu zeigen, dass die politischen Verwirrungen der IKP bürgerlichen Praktiken Tür und Tor öffneten: die Theorie des organischen Zentralismus als Rechtfertigung für hierarchische, bürokratische Methoden; die sektiererische Vision von sich selbst als einzige proletarische politische Organisation bis hin zu einer Haltung der Konkurrenz und Verunglimpfung anderer proletarischer Strömungen. In diesem Sinne stimmt es, dass das allgegenwärtige bandenmäßige Verhalten (einschließlich seiner vulgärsten Formen wie Diebstahl und Gewalt gegen andere Proletarier) – vor allem in der Phase des kapitalistischen Zerfalls – zu einer echten Gefahr für das bestehende proletarische politische Lager geworden ist. Aber für Camatte kann es schlichtweg kein proletarisches Lager mehr geben: "Alle Formen von politischen Organisationen der Arbeiterklasse sind verschwunden. An ihre Stelle sind Banden getreten, die in einem obszönen Wettbewerb miteinander konkurrieren, regelrechte Schlägerbanden, die in dem, was sie anbieten, miteinander konkurrieren, aber in ihrem Wesen identisch sind".
Kurzum: Der Versuch, sich politisch gegen das Kapital zu organisieren, sei schicksalshaft dazu verdammt, das Kapital zu reproduzieren. Es habe also keinen Sinn, es im Verbund mit anderen Genossen zu bekämpfen. Am besten sei es, sich in die Reinheit des eigenen, individuellen Denkens zurückzuziehen. Der Einzige und sein Eigentum – in der Tat.
Das Schlimme daran ist, dass Camatte die Militanten der proletarischen Bewegung zitiert, um diesen Kurs des politischen Selbstmords zu rechtfertigen. Wie auch bei allen späteren Anhängern der Kommunisierung wird der Verweis von Marx auf das Proletariat als Verkörperung der realen Bewegung zum Kommunismus herangezogen: zu Recht in Bezug auf die Organisation einer Klassenbewegung, die ihre frühe, sektiererische Phase überwinden konnte, aber mit radikal falschen Schlussfolgerungen für die Epoche der "reellen Subsumtion": "Zu Marx' Zeiten war die Überwindung der Sekten in der Einheit der Arbeiterbewegung zu finden. Heute zeigen die Parteien, diese Gruppierungen, nicht nur einen Mangel an Einheit, sondern auch das Fehlen des Klassenkampfes. Sie streiten sich über die Überreste des Proletariats. Sie theoretisieren über das Proletariat in seiner unmittelbaren Realität und stellen sich gegen seine Bewegung. In diesem Sinne erfüllen sie die Stabilisierungserfordernisse des Kapitals. Das Proletariat muss sie also nicht verdrängen, sondern vernichten".
Das wäre vielleicht richtig, wenn Camatte mit den Gruppierungen die Organisationen der Linken des Kapitals meinen würde, die das Proletariat in der Tat zerstören muss. Aber indem er die Fähigkeit der kommunistischen Proletarier leugnet, sich zusammenzuschließen und den Einfluss der bürgerlichen Ideologie in ihren radikalsten Formen zu bekämpfen, spricht er dem Proletariat die Möglichkeit ab, seinen unzähligen falschen Vertretern, von den Gewerkschaften bis zu den trotzkistischen oder maoistischen Organisationen, wirklich entgegenzutreten und sie zu zerstören.
Vielleicht zeigt Camatte mit dieser Idee des Proletariats, das die Hindernisse auf dem Weg zum Kommunismus zerstören muss, eine schwache Nostalgie für den Klassenkampf, für den ursprünglichen Impuls, der ihn zur proletarischen Militanz führte. Aber jetzt, da er zu der Idee übergegangen ist, dass das Proletariat und der Marxismus zerstört sind, klingen seine Verweise auf Marx, auf Luxemburg und auf frühere proletarische Aufstände (1905, 1917, 1968) hohl. Diese Aufstände, so sagt er uns, ließen die "verblüfften, entgeisterten" Gruppierungen hinter der Bewegung zurück; und er erinnert uns daran, dass Luxemburg, die sich auf die Erfahrung des Massenstreiks von 1905 stützte, uns eine kohärente Theorie der Kreativität der Massen anbietet, die die "leninistische" Theorie des von außen in die Klasse eingebrachten Klassenbewusstseins radikal widerlegt (eine Position, die Lenin selbst später ablehnte). Aber diese Teilwahrheiten sind Teil dessen, was zu einer Bemühung geworden ist, das Wesentliche zu verbergen: dass Marx, auch wenn er Momente erlebte, in denen er bereit war, sich zu isolieren und sein organisatorisches Leben auf die Zusammenarbeit mit ein paar wenigen Genossen zu beschränken, oder Luxemburg 1914, als sie sah, dass die Zweite Internationale zu einer "stinkenden Leiche" geworden war, nie aufgehört haben, für die Wiederherstellung und Wiederbelebung der proletarischen politischen Organisation zu kämpfen, basierend auf ihrer tiefen Überzeugung vom revolutionären Charakter der Arbeiterklasse, der Klasse der Assoziation, der Solidarität und des Bewusstseins.
Es wäre eine Sache, wenn Camattes Verzicht auf diesen Kampf nur eine individuelle Flucht wäre, ein Eingeständnis, dass er es vorzog, lieber seinen eigenen Garten zu pflegen. Aber die Theoretisierung dieser Fahnenflucht, die seit Jahrzehnten andauert und von Camattes Nachkommen in der Kommunisierungsströmung fortgesetzt wird, ist eine aktive Ermutigung anderer, sich der Flucht anzuschließen. Sie hat damit dem schwierigen Kampf um den Aufbau einer proletarischen politischen Organisation einen unabsehbaren Schaden zugefügt.
Im zweiten Teil dieses Artikels werden wir einige der Schlüsseltexte näher untersuchen, die Camattes Abkehr vom Klassenkampf rechtfertigen sollten, insbesondere Errance de l’humanité [Die Irrungen der Menschheit].
CDW, Mai 2023
[1] Bei dieser Darstellung ist jedoch Vorsicht geboten, denn der eigentliche Wortlaut lautet: "Camatte engagierte sich schon in jungen Jahren in der radikalen Politik und schloss sich 1953 zum ersten Mal der Fraction Française de la Gauche Communiste Internationale (FFGCI) an, einer linkskommunistischen Organisation, die mit Marc Chirik und Onorato Damen verbunden war". In der Tat hatte sich die Französische Fraktion 1945 in zwei Teile gespalten, wobei ein Teil die PCInt in Italien unterstützte (in der Damen eine führende Rolle spielte) und der andere Teil die Gauche Communiste de France um Marc Chirik bildete. Für einen Bericht über diese frühere Spaltung siehe die Italienische Kommunistische Linke, S. 156 f.
[2] Ein Problem der proletarischen Moral wurde durch die Umstände der Spaltung aufgeworfen: wieder aus dem Wikipedia-Eintrag: "1966 trennten sich Camatte und Dangeville nach einem weiteren kontroversen Schriftwechsel innerhalb der Partei zusammen mit elf weiteren Mitgliedern von der Partei. Diese Spaltung war besonders schmerzhaft, denn, wie Camatte sich erinnert, 'wer die Partei verlässt, ist für die Partei tot'. Da Camatte der Bibliothekar der Zeitschriften- und Literatursammlung der IKP war, musste er sich in seiner Wohnung verbarrikadieren, um sie aufzubewahren. Schließlich war er gezwungen, die gesamte Sammlung, die nicht von Bordiga stammte, zu verbrennen, um zu beweisen, dass er kein "Akademiker" war. Bordiga bezeichnete dies später als ‚einen Akt des Gangstertums‘.“ (https://en.wikipedia.org/wiki/Jacques_Camatte#cite_note-Biography-2 [100], aufgerufen am 20.08.2023) Die Zitate stammen aus dem Cercle-Marx-Interview von 2019: Das Interview wurde auf libcom teilweise auf Englisch transkribiert, hier, mit dem folgenden Disclaimer, auf den wir in einem zweiten Artikel zurückkommen werden. "Hinweis: Die Gruppe, die dieses Interview geführt hat, Cercle Marx, ist eine rassistische pseudo-debordistische/bordigistische Gruppe, die sich auf den rot-braunen Allianz-'Marxismus' von Schriftstellern wie Francis Cousin konzentriert. Wir haben nicht die Absicht, diese Standpunkte zu vertreten, aber wir glauben, dass der Großteil des Interviews immer noch wertvoll ist, da es dazu beiträgt, die Entwicklung von Camattes Denken nachzuvollziehen, das vom englischsprachigen Publikum lange Zeit mehr oder weniger ignoriert worden ist. Wir hoffen, dass die Leser von Libcom den Text genießen und ihm etwas Nützliches abgewinnen können".
[3] Vgl. Bordiga und die Großstadt [101], IKSonline Juli 2020
[4] Für eine ausführlichere Kritik am Konzept der Invarianz siehe Internationale Revue Nr. 3, Eine Karikatur der Partei : die bordigistische Partei -Antwort an ”Kommunistisches Programm” [102]; und Die 1950er und 60er Jahre: Damen, Bordiga und die Leidenschaft für den Kommunismus [103], IKSonline Juni 2020
[5] Siehe International Review Nr. 128, Communism Vol. 3, Part 5 - The problems of the period of transition (I) [Die Probleme der Übergangsperdiode]
[6] Siehe den Artikel in International Review Nr. 60, The 'real domination' of capitalism and the real confusions of the proletarian milieu [104] [Die 'reelle Subsumtion' des Kapitalismus und die reellen Verwirrungen des proletarischen Milieus].
[7] Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses, Abschnitt zur "Reellen Subsumtion der Arbeit unter das Kapital", Verlag Neue Kritik Frankfurt, S. 60). Die französische Ausgabe war von Roger Dangeville übersetzt worden, der Camatte während seiner Zeit in der IKP nahe gestanden hatte, sich dann aber in eine ganz andere Richtung entwickelte: Dangeville veröffentlichte Le Fil du Temps [Der Faden der Zeit], einen Versuch, eine reine – und extrem sektiererische – Form des Bordigismus wiederherzustellen. Es ist jedoch anzumerken, dass Dangevilles Interpretation des Übergangs von der formellen zur reellen Subsumtion einige der gleichen Fehler enthält wie die von Camatte. Camatte beschuldigte Dangeville auch, seine Originalübersetzung zu plagiieren ...
„Hältst du die Klappe oder soll ich noch mal anfangen? Ah! Du fängst an zu stottern, vielleicht willst du ja noch einen, um deinen Kiefer wieder gerade zu machen?“
„Als ich dich gepackt habe, hast du angefangen zu zittern, ich war es, der dich mit dem Schlagstock bearbeitet hat!“
„Keine Sorge, dein Köpfchen haben wir schon fotografiert. Du musst dich nur bei der nächsten Demo wieder auf der Straße zeigen: Ich kann dir sagen, dass wir uns deine Fratze merken. Du kannst sicher sein, dass du beim nächsten Mal, wenn wir kommen, nicht in den Bus zur Polizeiwache einsteigst, sondern in ein anderes Ding, das wir "Krankenwagen" nennen, um ins Krankenhaus zu fahren!“
„Du hast Glück, wir werden uns an anderen Leuten rächen. Wenn du die Gelegenheit hast, fernzusehen, schau genau hin, dann wirst du sehen, was dich erwartet, wenn du zurückkommst.“
Diese Äußerungen wurden von Polizisten der Brav-M (Greiftrupp) während der Demonstration am 23. März in Paris gemacht. Sie wurden von einem der Festgenommenen aufgezeichnet, gingen durch die Medien und lösten unter Experten Debatten über die Ausbildung der Beamten aus, die diese Sondereinheit bilden.
Mit anderen Worten: Man will uns glauben machen, dass es sich um einen Ausrutscher einiger weniger handelt. Das ist eine Lüge! Überall in Frankreich, in Rennes, Nantes, Lyon... schlägt und provoziert die Polizei. Diese Gleichzeitigkeit der Repressionen ist kein Zufall. Es handelt sich um eine völlig bewusste Politik der Machthaber. Das Ziel ist einfach und sogar ein Klassiker:
- Die wütendsten Jugendlichen in eine sinnlose Konfrontation mit den Ordnungskräften verwickeln;
- der Mehrheit der Demonstranten Angst machen und sie davon abhalten, auf die Straße zu gehen;
- jede Möglichkeit zur Diskussion verhindern, indem sie systematisch am Ende der Demonstrationen angreifen, wenn normalerweise ein günstiger Zeitpunkt für Versammlungen und Debatten ist;
- die Bewegung unpopulär machen, indem sie den Eindruck erwecken, dass jeder soziale Kampf automatisch in blinde Gewalt und Chaos ausartet, während die Machthaber der Garant für Ordnung und Frieden wären.
Ja, unsere Wut ist riesig! Ja, wir können nicht anders als empört und kämpferisch sein!
Aber unsere Stärke liegt nicht in der sinnlosen Konfrontation mit den hochgerüsteten und besonders ausgebildeten Trupps der CRS, der mobilen Gendarmerie und anderen Waffenträgern der "Ordnung" der Ausbeuter.
Ebenso besteht unser Kampf nicht darin, Schaufenster einzuschlagen und Mülltonnen anzuzünden. Gewalttaten von Minderheiten stärken die Bewegung nicht. Im Gegenteil, sie schwächen sie!
Wir sind die Arbeiterklasse! Wir sind eine kollektive Kraft, die in der Lage ist, massiv in den Kampf zu ziehen, sich zu organisieren, solidarisch und vereint zu sein, zu debattieren und sich gemeinsam der Macht entgegenzustellen, um die ständige Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen abzulehnen, um dieses System abzulehnen, das die Menschheit in Elend und Krieg stürzt.
Das ist es, was die Bourgeoisie wirklich beunruhigt: wenn wir als Klasse so kämpfen. Deshalb stellt sie uns heute die Falle, uns in sinnlose Gewalt verstricken zu lassen und Chaos zu verursachen. Sie will die laufende Dynamik und den Prozess, der sich seit Monaten auf internationaler Ebene entwickelt, zerschlagen.
Seit der Ankündigung der Rentenreform häufen sich die Streiks und in den Demonstrationen kommen wir zu Millionen auf die Straße. Dank dieses Kampfes beginnen wir zu verstehen, wer dieses "Wir" ist! Eine soziale, internationale Kraft, die praktisch alles produziert und vereint und solidarisch kämpfen muss: Die Arbeiterklasse! "Entweder wir kämpfen gemeinsam, oder wir werden am Ende auf der Straße schlafen!" Das kommt zum Beispiel bei den Demonstrationen zur Unterstützung der Müllmänner von Ivry, die regelmäßig von der Polizei auseinander getrieben werden, deutlich zum Ausdruck: Gemeinsam sind wir stärker!
Und diese Solidaritätsreflexe tauchen nicht nur in Frankreich auf. In vielen Ländern häufen sich Streiks und soziale Bewegungen. In Großbritannien angesichts der Inflation, in Spanien angesichts des Zusammenbruchs des Gesundheitssystems, in Südkorea angesichts der Verlängerung der Arbeitszeit, in Deutschland gegen niedrige Löhne... überall verteidigt sich die Arbeiterklasse durch den Kampf.
In Griechenland gab es vor drei Wochen ein Zugunglück: 57 Tote. Die Bourgeoisie wollte die Schuld natürlich einem Beschäftigten in die Schuhe schieben. Der diensthabende Weichensteller wurde verhaftet. Doch die Arbeiterklasse durchschaute den Schwindel sofort. Zu Tausenden gingen die Demonstranten auf die Straße, um die wahre Ursache für diesen tödlichen Unfall anzuprangern: Personalmangel und fehlende Sicherheitsvorkehrungen. Seitdem ist die Wut nicht abgeklungen. Im Gegenteil, der Kampf wird immer stärker und breiter, mit Rufen wie "Gegen Niedriglöhne!", "Wir haben die Schnauze voll!". Oder auch: "Wir können seit der Krise nicht mehr wie anständige Menschen arbeiten, aber bringt uns wenigstens nicht um!“
Unsere Bewegung gegen die Rentenreform ist ein Teil dieser Entwicklung der Kampfkraft und des Nachdenkens unserer Klasse auf globaler Ebene.
Unsere Bewegung zeigt, dass wir in der Lage sind, massiv zu kämpfen und die Bourgeoisie zu erschüttern. Schon jetzt sagen alle Experten und Doktoren der Politik voraus, dass es für Macron sehr kompliziert sein wird, bis zum Ende seiner fünfjährigen Amtszeit weitere umfassende Reformen und Angriffe durchzusetzen.
Um diese Stärke der sozialen Bewegung in Frankreich vor den Arbeitern in anderen Ländern zu verbergen, berichten alle Medien weltweit in Dauerschleife über brennende Mülltonnen und Steinwürfe. Sie reduzieren den gesamten Kampf gegen die Rentenreform absichtlich auf einen einzigen zerstörerischen Aufstand. Doch ihre plumpen Lügen werden immer unglaubwürdiger: In Deutschland bezieht man sich in den sich jüngsten Streiks auf die Bewegung in Frankreich und dass man sich von dieser habe inspirieren lassen.
Es gibt hier den Ansatz einer internationalen Verbindung. Im Übrigen hatte die Belegschaft des Mobilier national, die gegen die Rentenreform streikte, kurz bevor der Besuch des englischen Königs in Versailles abgesagt wurde, erklärt: "Wir sind solidarisch mit den englischen Arbeitern, die seit Wochen für höhere Löhne streiken".
Dieser Reflex der internationalen Solidarität ist das genaue Gegenteil der kapitalistischen Welt, die in konkurrierende Nationen gespaltet ist, bis hin zum Krieg! Dieser Reflex der internationalen Solidarität erinnert an den Schlachtruf unserer Klasse seit 1848: "Die Proletarier haben kein Vaterland! Proletarier aller Länder, vereinigt euch!".
Gegen all die Fallen und Lügen der Bourgeoisie und ihrer Befehlsmedien in allen Ländern liegt es an uns, unsere Kampfmethoden zu verteidigen. Wir müssen verstehen, was unsere Stärke und unsere Einheit als Klasse ausmacht; es ist unsere Aufgabe, die Lehren aus den vergangenen Kämpfen für die aktuellen und zukünftigen Kämpfe zu ziehen.
Zum Beispiel haben die Zeitungen in den letzten Tagen auf die Möglichkeit eines "Szenarios à la CPE" hingewiesen, ohne auch nur ein Wort über das zu verlieren, was ihr Herzstück und ihre Stärke ausmachte: Die Vollversammlungen. Im Jahr 2006 war die Regierung gezwungen, ihren Contrat Première Embauche zurückzuziehen, der die Jugend in eine noch größere Unsicherheit stürzen sollte.
Damals war die Bourgeoisie erschrocken über das wachsende Ausmaß der Proteste, die begannen, über die Jugendbewegung, die prekären Studenten und die jungen Arbeiter hinauszugehen und sich mit vereinigenden und solidarischen Parolen auf andere Bereiche auszudehnen: "Junge Speckwürfel, alte Croûtons, alle denselben Salat" war auf den Spruchbändern zu lesen.
Diese Fähigkeit, die Bewegung auszuweiten, war das Ergebnis von Debatten in echten, souveränen und offenen Vollversammlungen. Diese Vollversammlungen waren das Herz der Bewegung und versuchten ständig, sich nicht wie bei einer belagerten Burg in den Unis oder an den Arbeitsplätzen einzuschließen, um alles um jeden Preis zu blockieren, sondern den Kampf auszuweiten, mit massiven Delegationen in benachbarte Betriebe und andere Stadtteile. Das ist es, was die Bourgeoisie zum Nachgeben gezwungen hat! Das hat die Stärke unserer Bewegung ausgemacht! Das sind die Lektionen, die wir uns heute wieder aneignen müssen!
Die Stärke unserer Klasse liegt in unserer Einheit, unserem Klassenbewusstsein, unserer Fähigkeit, Solidarität zu entwickeln und damit die Bewegung auf alle Bereiche auszudehnen. Das ist der Kompass, dem unsere Kämpfe folgen müssen.
Im Kampf können wir uns nur auf uns selbst verlassen! Weder auf die Politiker noch auf die Gewerkschaften! Es ist die Arbeiterklasse und ihr Kampf, die eine Alternative in sich bergen, die des Sturzes des Kapitalismus, die der Revolution!
Heute ist es noch schwierig, in Vollversammlungen zusammenzukommen und uns selbst zu organisieren. Dies ist jedoch der einzig mögliche Weg. Diese Vollversammlungen müssen Orte sein, an denen wir wirklich über die Führung der Bewegung entscheiden. Sie sind der einzige Ort, an dem wir die Antwort auf die Repression und die Verteidigung unserer Kampfmittel organisieren können, wie es bei den Vollversammlungen des CPE im Jahr 2006 der Fall war. Diese Vollversammlungen sind der Ort, an dem wir uns vereint fühlen und auf unsere kollektive Stärke vertrauen, an dem die Verantwortung und das Engagement jedes Einzelnen zum Ausdruck kommen, an dem wir gemeinsam zunehmend vereinigende Forderungen verabschieden und in Massendelegationen aufbrechen können, um unsere Klassenbrüder und -schwestern in den nächstgelegenen Fabriken, Krankenhäusern, Schulen, Geschäften und Verwaltungen zu treffen. Es ist die schnelle Ausweitung des Kampfes auf andere Bereiche, die die Regierung zum Einlenken bringen wird.
Heute oder morgen werden die Kämpfe weitergehen, weil der Kapitalismus immer tiefer in die Krise rutscht und weil das Proletariat keine andere Wahl hat. Aus diesem Grund treten die Arbeiter überall auf der Welt in den Kampf ein.
Die Bourgeoisie wird ihre Angriffe (Kriegswirtschaft, Inflation, Entlassungen, Unsicherheit, Knappheit), ihre Unterdrückung und ihre Provokationen fortsetzen. Angesichts dieser Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen wird die internationale Arbeiterklasse immer massiver den Weg des Kampfes wieder aufnehmen und dabei allen Fallen ausweichen müssen, die ihr in den Weg gelegt werden.
Wo immer wir können, auf der Straße, nach und vor Demonstrationen, an Streikposten, in Cafés und an Arbeitsplätzen, müssen wir zusammenkommen, debattieren und aus den vergangenen Kämpfen lernen, um unsere aktuellen Kämpfe weiterzuentwickeln und die kommenden Kämpfe vorzubereiten.
Die Zukunft gehört dem Klassenkampf!
Internationale Kommunistische Strömung, 27. März 2023
deutsch@internationalism.org [105]
www.internationalism.org [106]
Bereits mehr als ein Jahr entsetzlicher Gemetzel; Hunderttausende von Soldaten auf beiden Seiten massakriert; mehr als ein Jahr wahlloser Bombardierungen und Hinrichtungen, bei denen Zehntausende von Zivilisten ermordet wurden; mehr als ein Jahr systematischer Zerstörung, die das Land in ein riesiges Trümmerfeld verwandelt hat, während die Zahl der Vertriebenen in die Millionen geht; mehr als ein Jahr, in dem auf beiden Seiten riesige Summen in dieses Gemetzel geflossen sind (Russland wendet inzwischen etwa 50 % seines Staatshaushalts für den Krieg auf, während der hypothetische Wiederaufbau der zerstörten Ukraine mehr als 400 Milliarden Dollar erfordern würde). Und diese Tragödie ist noch lange nicht zu Ende.
Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine war ein wichtiger qualitativer Schritt beim Abgleiten der kapitalistischen Gesellschaft in Krieg und Militarismus. Zwar haben seit 1989 verschiedene kriegerische Ereignisse den Planeten erschüttert (die Kriege in Kuwait, im Irak, in Afghanistan, in Syrien...), doch handelte es sich dabei nie um eine Konfrontation zwischen großen imperialistischen Mächten. Der Ukraine-Krieg jedoch, ist die erste militärische Konfrontation dieser Größenordnung zwischen Staaten, die seit 1940-45 vor den Toren Europas stattfindet. Er betrifft die beiden größten Länder Europas, von denen eines über nukleare oder andere Massenvernichtungswaffen verfügt und das andere von der NATO finanziell und militärisch unterstützt wird, und hat das Potenzial, zu einer Katastrophe für die Menschheit zu führen.
Abgesehen von der Empörung und der Abscheu, die dieses große Gemetzel hervorruft, ist es die Aufgabe der Revolutionäre, sich nicht auf allgemeine und abstrakte Verurteilungen zu beschränken, sondern die wichtigsten Lehren aus dem Ukraine-Krieg zu ziehen, um die Dynamik der imperialistischen Konfrontationen zu verstehen und die Arbeiterklasse vor der Verschärfung des Chaos und der Intensivierung der militärischen Barbarei zu warnen.
Während Russland in die Ukraine einmarschiert ist, besteht eine wichtige Lehre dieses Kriegsjahres zweifellos darin, dass hinter den Protagonisten auf dem Schlachtfeld der US-Imperialismus in die Offensive geht.
Angesichts des Niedergangs ihrer Hegemonie verfolgen die USA seit den 1990er Jahren eine aggressive Politik zur Verteidigung ihrer Interessen, insbesondere gegenüber dem ehemaligen Anführer des rivalisierenden Blocks, Russland. Trotz der nach dem Zerfall der UdSSR eingegangenen Verpflichtung, die NATO nicht zu erweitern, hat die USA alle Länder des ehemaligen Warschauer Paktes in dieses Bündnis integriert. Im Jahr 2014 ersetzte die "Orange Revolution" das pro-russische Regime in der Ukraine durch eine pro-westliche Regierung, und einige Jahre später bedrohte ein Volksaufstand das pro-russische Regime in Weißrussland. Putins Regime reagierte auf diese Strategie der Einkreisung mit dem Einsatz seiner militärischen Stärke, dem Überbleibsel seiner Vergangenheit als Blockführer. Nach Putins Übernahme der Krim und des Donbass im Jahr 2014 begannen die USA, die Ukraine zu bewaffnen und ihr Militär für den Einsatz modernerer Waffen zu schulen. Als Russland seine Armee an die ukrainischen Grenzen verlegte, spannten sie die Falle, indem sie behaupteten, Putin würde in die Ukraine einmarschieren, während sie versicherten, dass sie selbst nicht vor Ort intervenieren würden. Mit dieser Strategie der Einkreisung Russlands haben die USA eine „Meisterleistung“ vollbracht, die ein viel ehrgeizigeres Ziel verfolgt, als nur die russischen Ambitionen zu stoppen:
- Der Krieg in der Ukraine führt ab sofort zu einer deutlichen Schwächung der verbliebenen militärischen Macht Moskaus und zu einem Zurückdrängen seiner imperialistischen Ambitionen. Er demonstriert auch die absolute Überlegenheit der US-Militärtechnologie, die die Grundlage für das "Wunder der kleinen Ukraine" ist, die den "russischen Bären" zurückdrängt;
- Der Krieg ermöglichte es den USA auch, die Schrauben innerhalb der NATO anzuziehen, da die europäischen Länder gezwungen sind, sich der amerikanischen Position anzuschließen, insbesondere Frankreich und Deutschland, die ihre eigene Politik gegenüber Russland entwickelten und die NATO ignorierten, die der französische Präsident Macron bis vor zwei Jahren für "hirntot" hielt;
- Das Hauptziel der USA, Russland eine Lektion zu erteilen, war zweifellos eine unmissverständliche Warnung an ihren größten Herausforderer, China. In den letzten zehn Jahren haben die USA ihre Führungsrolle gegen den Aufstieg des chinesischen Herausforderers verteidigt. Zunächst während der Trump-Präsidentschaft durch einen offenen Handelskrieg; jetzt hat die Biden-Administration den Druck militärisch erhöht (die Spannungen um Taiwan). So hat der Krieg in der Ukraine den einzigen wichtigen militärischen Verbündeten Chinas geschwächt und belastet das Projekt der Neuen Seidenstraße, bei dem eine Achse durch die Ukraine führte.
Die sich allmählich abzeichnende Polarisierung der imperialistischen Spannungen zwischen den USA und China ist das Ergebnis einer systematischen Politik der dominierenden imperialistischen Macht USA, die versucht, den unumkehrbaren Niedergang ihrer Führungsrolle aufzuhalten. Nach dem Krieg von Bush-senior gegen den Irak und der Polarisierung von Bush-junior gegen die "Achse des Bösen" (Irak, Iran, Nordkorea) zielt die Offensive der USA heute darauf ab, das Auftauchen von größeren Herausforderern zu verhindern. Dreißig Jahre einer solchen Politik haben keine Disziplin und Ordnung in die imperialistischen Beziehungen gebracht. Im Gegenteil, sie hat das „Jeder für sich“, das Chaos und die Barbarei verschärft. Die USA sind heute ein wichtiges Instrument für die erschreckende Ausweitung der militärischen Konfrontationen.
Im Gegensatz zu oberflächlichen journalistischen Darstellungen zeigt die Entwicklung der Ereignisse, dass der Konflikt in der Ukraine keineswegs zu einer "Rationalisierung" der Widersprüche geführt hat. Neben den großen imperialistischen Staaten, die unter dem Druck der US-Offensive stehen, verstärkt die Explosion einer Vielzahl von Ambitionen und Rivalitäten den absolut chaotischen und irrationalen Charakter der imperialistischen Beziehungen.
Die Verschärfung des amerikanischen Drucks auf die anderen großen imperialistischen Staaten kann diese nur zu einer Reaktion zwingen:
- Für den russischen Imperialismus ist es eine Frage des Überlebens, denn es ist bereits klar, dass Russland, wie auch immer der Konflikt ausgeht, deutlich geschwächt aus dem Abenteuer hervorgehen wird, das ihm seine militärischen und wirtschaftlichen Grenzen aufgezeigt hat. Es ist militärisch erschöpft, denn es hat bereits zweihunderttausend Soldaten verloren, insbesondere seine erfahrensten Eliteeinheiten, sowie eine große Anzahl von Panzern, Flugzeugen und modernen Hubschraubern. Wirtschaftlich ist es durch die enormen Kosten des Krieges und den durch die westlichen Sanktionen verursachten Zusammenbruch der Wirtschaft geschwächt. Während die Putin-Fraktion mit allen Mitteln versucht, an der Macht zu bleiben, kommt es innerhalb der russischen Bourgeoisie zu Spannungen, insbesondere mit den eher nationalistischen Fraktionen oder bestimmten "Kriegsherren" (z.B. Prigoschin, der Anführer der Wagner-Söldnergruppe). Diese ungünstigen militärischen und instabilen politischen Bedingungen könnten Russland sogar dazu bringen, auf taktische Atomwaffen zurückzugreifen.
- Die europäischen Staaten, insbesondere Frankreich und Deutschland, hatten Putin gedrängt, nicht in den Krieg zu ziehen, und waren, wie die Indiskretionen von Boris Johnson zeigten, sogar bereit, einen in Umfang und Zeit begrenzten Angriff zur Ablösung des Regimes in Kiew zu befürworten. Angesichts des Scheiterns der russischen Streitkräfte und des unerwarteten Widerstands der Ukrainer mussten sich Macron und Scholz kleinlaut der US-geführten NATO-Position anschließen. Es ist jedoch keine Rede davon, sich der US-Politik zu unterwerfen und die eigenen imperialistischen Interessen aufzugeben, wie die jüngsten Reisen von Scholz und Macron nach Peking zeigen. Darüber hinaus haben beide Länder ihre Militärbudgets im Hinblick auf eine massive Aufrüstung ihrer Streitkräfte gigantisch erhöht (eine Verdoppelung für Deutschland, d.h. 107 Milliarden Euro). Diese Politik hat auch zu Spannungen in der deutsch-französischen Partnerschaft geführt, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung gemeinsamer Rüstungsprogramme und die Wirtschaftspolitik der EU.
- China hat sich in Bezug auf den Ukraine-Krieg angesichts der Schwierigkeiten seines russischen "Verbündeten" und der kaum verhüllten Drohungen der USA sehr vorsichtig positioniert. Für die chinesische Bourgeoisie ist die Lektion bitter: Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass alle globalen imperialistischen Ambitionen illusorisch sind, wenn es keine militärische und wirtschaftliche Macht gibt, die mit der Supermacht USA konkurrieren kann. Heute ist China, das noch nicht über die Streitkräfte verfügt, die seiner wirtschaftlichen Expansion entsprechen würden, dem amerikanischen Druck und den Kriegswirren in seiner Umgebung schutzlos ausgeliefert. Natürlich gibt die chinesische Bourgeoisie ihre imperialistischen Ambitionen nicht auf, insbesondere die Rückeroberung Taiwans, aber sie kann nur langfristig Fortschritte machen, indem sie den zahlreichen amerikanischen Provokationen ("Spionage"-Ballons, Verbot der TikTok-Anwendung...) nicht nachgibt und eine breit angelegte diplomatische Charmeoffensive durchführt, die darauf abzielt, jegliche internationale Isolation zu vermeiden: Empfang zahlreicher Staatschefs in Peking, von China unterstützte iranisch-saudische Annäherung, Vorschlag eines Plans zur Beendigung des Krieges in der Ukraine. ..
Auf der anderen Seite führt das imperialistische „Jeder gegen Jeden“ Prinzip zu einer explosionsartigen Vergrößerung der Zahl potenzieller Konfliktzonen. In Europa führt der Druck auf Deutschland zu einem Zerwürfnis mit Frankreich, und die EU hat mit Wut auf den Protektionismus von Bidens Inflationsbekämpfungsgesetz reagiert, das als eine echte Kriegserklärung an die europäischen Exporte in die USA angesehen wird. In Zentralasien geht der Niedergang der russischen Macht Hand in Hand mit einer raschen Ausweitung des Einflusses anderer Mächte wie China, der Türkei, dem Iran oder den USA in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Im Fernen Osten besteht weiterhin die Gefahr von Konflikten zwischen China einerseits und Indien (mit regelmäßigen Grenzkonflikten) oder Japan (das massiv aufrüstet), ganz zu schweigen von den Spannungen zwischen Indien und Pakistan und den wiederkehrenden Spannungen zwischen Nord- und Südkorea. Im Nahen Osten werden die Schwächung Russlands, die innere Destabilisierung wichtiger Protagonisten wie des Iran (Volksaufstände, Kämpfe zwischen den Fraktionen innerhalb der herrschenden Klasse und imperialistischer Druck) oder der Türkei (katastrophale wirtschaftliche Lage) große Auswirkungen auf die imperialistischen Beziehungen haben. In Afrika schließlich führen die Energie- und Nahrungsmittelkrise und die kriegerischen Konflikte in verschiedenen Regionen (Äthiopien, Sudan, Libyen, Westsahara) zu einem aggressiven Wettbewerb zwischen den imperialistischen Geiern, der zu Destabilisierung und Chaos führt.
Ein Jahr Krieg in der Ukraine hat vor allem deutlich gemacht, dass der kapitalistische Zerfall einen der verhängnisvollsten Charakterzüge des Krieges in der Epoche der Dekadenz des Kapitalismus noch verstärkt: seine Irrationalität. Die Auswirkungen des Militarismus werden in der Tat immer unvorhersehbarer und katastrophaler, meist unabhängig von den ursprünglichen Ambitionen:
- Die USA haben die beiden Golfkriege sowie den Krieg in Afghanistan geführt, um ihre Führungsrolle auf dem Planeten zu behaupten, aber in all diesen Fällen war das Ergebnis eine Explosion von Chaos, von Instabilität und führt zu immensen Flüchtlingsströmen;
- Was auch immer die Ziele der vielen imperialistischen Geier (Russland, Türkei, Iran, Israel, USA, europäische Staaten) waren, die in die schrecklichen Bürgerkriege in Syrien oder Libyen eingriffen, sie hinterließen ein Land in Trümmern, zersplittert und in Clans gespalten, mit Millionen von Flüchtlingen, die in die Nachbarländer oder in die Industrieländer flohen.
Der Krieg in der Ukraine ist eine beispielhafte Bestätigung dafür. Unabhängig von den geostrategischen Zielen des russischen oder amerikanischen Imperialismus ist das Ergebnis ein verwüstetes Land (Ukraine), ein wirtschaftlich und militärisch ruiniertes Land (Russland), eine noch angespanntere und chaotischere imperialistische Situation in der Welt und Millionen von Flüchtlingen.
Die zunehmende Irrationalität der Kriegsführung führt zu einer erschreckenden Ausweitung der militärischen Barbarei auf dem gesamten Globus. In diesem Zusammenhang können Ad-hoc-Bündnisse für bestimmte Ziele gebildet werden. So verfolgt beispielsweise die Türkei, ein Mitglied der NATO, in der Ukraine eine Politik der Neutralität gegenüber Russland und hofft, dies nutzen zu können, um sich mit Russland in Syrien gegen die von den USA unterstützten kurdischen Milizen zu verbünden.
Entgegen der bürgerlichen Propaganda führt der Ukraine-Krieg jedoch nicht zu einer Umgruppierung der großen imperialistischen Staaten in Blöcke und eröffnet somit nicht die Dynamik eines dritten Weltkriegs, sondern eher eine erschreckende Ausweitung des ebenso blutigen Chaos: Wichtige imperialistische Mächte wie Indien, Südafrika, Brasilien und sogar Saudi-Arabien behalten eindeutig ihre Autonomie gegenüber den Protagonisten; das Band zwischen China und Russland hat sich nicht enger geknüpft, im Gegenteil. Und während die USA den Krieg nutzen, um ihre Politik innerhalb der NATO durchzusetzen, gehen Mitgliedsländer wie die Türkei oder Ungarn offen auf eigene Faust vor, während Deutschland und Frankreich auf alle möglichen Arten versuchen, ihre eigene Politik zu entwickeln. Außerdem muss der Führer eines potenziellen Blocks in der Lage sein, Vertrauen unter den Mitgliedsländern zu schaffen und die Sicherheit seiner Verbündeten zu gewährleisten. China hat seinen russischen Verbündeten jedoch nur sehr zurückhaltend unterstützt. Was die USA betrifft, so verfolgt Biden nach Trumps "America First" Politik, der die "Verbündeten" verunsichert hatte, im Grunde dieselbe Linie: Er lässt sie einen hohen Energiepreis für den Boykott der russischen Wirtschaft zahlen, während die USA in diesem Bereich autark sind und die "Anti-China"-Gesetze die europäischen Importe hart treffen werden. Genau dieser Mangel an Sicherheitsgarantien hat Saudi-Arabien dazu bewogen, ein Abkommen mit China und dem Iran zu schließen. Schließlich ist ein wesentliches Hindernis für eine Dynamik in Richtung eines dritten Weltkriegs, dass das Proletariat in den zentralen Industrieländern nicht besiegt und ideologisch im Dienste der Nation mobilisiert werden kann, wie die aktuellen Klassenkämpfe in verschiedenen europäischen Ländern zeigen. Eine ideologische Waffe, die in der Lage ist, das Proletariat in den Krieg zu mobilisieren, wie der Faschismus und der Antifaschismus in den 1930er Jahren, gibt es heute nicht.
Die Situation ist umso gravierender, weil die "ukrainische Krise" nicht ein isoliertes Phänomen ist, sondern als eine der Manifestationen dieser "Polykrise"[1], der Anhäufung und Wechselwirkung von Gesundheits-, Wirtschafts-, Umwelt-, Ernährungs- und Kriegs-Krisen, die die 2020er Jahre charakterisieren. Und der Krieg in der Ukraine stellt in diesem Zusammenhang einen echten Multiplikator und Verstärker von Barbarei und Chaos auf globaler Ebene dar:
„Nun führt die Aggregation und Interaktion dieser zerstörerischen Phänomene zu einem 'Wirbeleffekt' (...) In diesem Zusammenhang muss die führende Rolle des Krieges als eine von den kapitalistischen Staaten gewollte und geplante Aktion hervorgehoben werden, die zum mächtigsten und schwerwiegendsten Faktor für Chaos und Zerstörung wurde."[2] Tatsächlich haben der Krieg in der Ukraine und seine wirtschaftlichen Auswirkungen den Aufschwung von Covid (wie in China) begünstigt, den Anstieg der Inflation und die Rezession in verschiedenen Regionen der Welt verschärft, eine Nahrungsmittel- und Energiekrise ausgelöst, einen Rückschlag in der Klimapolitik verursacht (Atom- und sogar Kohlekraftwerke sind wieder in Betrieb) und zu neuen Flüchtlingsströmen geführt. Ganz zu schweigen von der allgegenwärtigen Gefahr der Bombardierung von Kernkraftwerken, wie sie noch immer in der Umgebung von Saporischschja zu beobachten ist, oder des Einsatzes von chemischen, bakteriologischen oder nuklearen Waffen.
Kurzum, ein Jahr Krieg in der Ukraine macht deutlich, wie sehr er die "große Aufrüstung der Welt" verstärkt hat, die durch die massiven militärischen Investitionen der beiden großen Verlierer des Zweiten Weltkriegs symbolisiert wird: Japan, das in fünf Jahren 320 Milliarden Dollar in seine Armee investiert hat, die größte Aufrüstungsanstrengung seit 1945, und vor allem Deutschland, das seinen Verteidigungshaushalt verdoppelt hat.
Als offensichtlich bewusstes Produkt der herrschenden Klasse verdeutlicht das Gemetzel in der Ukraine den Bankrott des kapitalistischen Systems. Die durch den Krieg hervorgerufenen Gefühle der Ohnmacht und des Entsetzens begünstigen jedoch nicht die Entwicklung eines proletarischen Widerstandes gegen den heutigen Konflikt. Andererseits zwingt die deutliche Verschärfung der Wirtschaftskrise und die daraus resultierenden Angriffe auf die Arbeiterklasse diese dazu, sich auf ihrem Klassenterrain zu mobilisieren, um ihre Lebensbedingungen zu verteidigen. In der Dynamik der erneuten Klassenkämpfe wird die kriegerische Barbarei dennoch ein Auslöser des Bewusstseins über den Bankrott des kapitalistischen Systems sein, das heute aber noch auf kleine Minderheiten der Arbeiterklasse beschränkt ist.
R. Havanais, 25. März 2023
[1]Der Begriff wird von der Bourgeoisie selbst im „Global Risks Report 2023“ verwendet, der auf dem Weltwirtschaftsforum im Januar 2023 in Davos vorgestellt wurde
"Eine zunehmend gewalttätige Mobilisierung" (The Times), "Ein Feuer, das fasziniert und zerstört" (El Pais), "Feuer vor dem Rathaus von Bordeaux" (Der Spiegel).
Die Zusammenstöße zwischen Gruppen des Schwarzen Blocks und der Polizei bei den Demonstrationen gegen die Rentenreform in Frankreich machten in vielen Zeitungen in Europa und anderswo Schlagzeilen. Auch die ausländischen Medien zeigten Videos von brennenden Mülltonnen, zerbrochenen Fensterscheiben, Wurfgeschossen oder Granaten, die geschickt wie eine echte Apokalypse inszeniert werden. Während die Bewegung gegen die Rentenreform in Frankreich bisher ausgeblendet wurde, sind die internationalen Medien plötzlich aus ihrer Erstarrung erwacht, um das, was sich seit Mitte Januar auf den Straßen aller französischen Städte abgespielt hat, völlig zu entstellen.
Die soziale Bewegung auf Krawalle zu reduzieren, die in Wirklichkeit sehr unbedeutend und marginal sind, war schon immer eine Methode, um den Kampf der Arbeiterklasse zu diskreditieren. Das Echo des Kampfes in Frankreich gegen die Rentenreform in der Arbeiterklasse in Italien, Großbritannien oder Deutschland hat den Eifer der Bourgeoisie diese großen Lügen zu verbreiten nur noch verstärkt.
Weit entfernt von den wenigen «Ansammlungen von Brandstiftern" haben sich Millionen von Menschen nun Woche für Woche in lebhaften Demonstrationen zusammengefunden, entschlossen zu kämpfen und diesen Angriff zurückzuschlagen. Die Aktivierung von Artikel 49.3 der Verfassung durch die Regierung Macrons am 16. März, der die Verabschiedung des Gesetzes ohne Abstimmung der Abgeordneten ermöglicht, und einige Tage später die verächtliche Stellungnahme von Macron, der die Demonstranten mit "Schlägern" vergleicht (sie seien ähnlich wie die hasserfüllten und lautstarken Truppen von Trump oder Bolsonaro), haben die Wut und den Willen die Regierung zum Einlenken zu zwingen noch weiter verstärkt.
Am neunten Tag der Mobilisierung, dem 23. März, versammelten sich zwischen 2 und 3 Millionen Menschen. Arbeiter und Arbeiterinnen, Rentner, Arbeitslose, Schüler und Studenten... Alle waren auf der Straße, um ihre Weigerung zu bekunden, sich bis zum Alter von 64 Jahren ausbeuten zu lassen. Die wahllosen Ausschreitungen einiger hundert Mitglieder schwarzen Blocks, die in den Nachrichten übertragen und international verbreitet werden, haben mit dem Wesen dieser Bewegung überhaupt nichts zu tun.
Diese sterilen und nutzlosen Aktionen dienen der CRS, der BRAV-M und anderen «Ordnungshütern" der Ausbeuter als Vorwand, um Repression auszuüben und Terror zu verbreiten. All dies geschieht mit dem Ziel, die Arbeiter und Arbeiterinnen von der Teilnahme an den Demonstrationen abzuhalten und Kundgebungen und Diskussionen zu verhindern.
Trotzdem ist die von der Regierung bewusst orchestrierte Strategie, die Bewegung durch Gewalt zu ersticken, im Moment nicht aufgegangen. Die Massivität und Entschlossenheit der Demonstranten in den zwei Tagen nach dem 23. März veranlasste Teile der herrschenden Klasse anderer Länder sogar dazu, Macron und seine Regierung via Europarat oder die UNO vor der "exzessiven Anwendung von Gewalt" zu warnen, da der Tod eines Demonstranten eine durchschlagende Wirkung auf das gesamte Proletariat in Westeuropa haben könnte.
Trotz der Provokationen und der zahlreichen Fallen, die von der Regierung, den Gewerkschaften und allen anderen Kräften der herrschenden Klasse gestellt werden, geht der Kampf in Frankreich also weiter! Die Massenhaftigkeit, die Kampfbereitschaft und die Solidarität bleiben intakt. Dies beunruhigt Teile der französischen Bourgeoisie, die angesichts der Isolation und der Unnachgiebigkeit von Macron und seiner Regierung entschlossen nach einem Ausweg suchen[i].
Das Ausmaß dieser Bewegung ist so groß, dass sie die Arbeiter und Arbeiterinnen in mehreren Ländern inspiriert. In Italien fragen wir uns, warum "niemand einen Finger gerührt hat", als 2011 das Rentenalter auf 67 Jahre erhöht wurde? Warum haben wir uns nicht geweigert, weiter ausgebeutet zu werden, wie es die Arbeiterklasse in Frankreich heute tut? Streikende Transportarbeiter in Deutschland haben offen erklärt, dass sie von der Bewegung in Frankreich inspiriert wurden. Das Gleiche gilt für Großbritannien und die Tschechei, auch in Bezug auf die Renten. Der Kampf gegen die Rentenreform ist also keineswegs eine Besonderheit der "gallischen Unnachgiebigkeit", sondern trägt aktiv zur Entwicklung der Kampfbereitschaft und der Reflexion der Arbeiterklasse auf internationaler Ebene bei.
Warum ist das so? Weil die Arbeiterklasse weltweit von der Inflation, den staatlichen Angriffen, der Verschlechterung der Lebensbedingungen und der Verschärfung der Ausbeutung am Arbeitsplatz betroffen ist.
Deshalb sind das "enough is enough", das in Großbritannien seit Monaten von den Arbeitern und Arbeiterinnen vieler Sektoren skandiert wird, das "ça suffit!" der Demonstranten in Frankreich, die Reaktion der Arbeitnehmer in Griechenland nach einem Eisenbahnunfall[ii] allesamt Teil derselben internationalen Bewegung der Wut und Unzufriedenheit: Spanien, Deutschland, Griechenland, Südkorea, Mexiko, China, Italien… überall Streiks und Demonstrationen, überall der gleiche Kampf, um sich gegen die schlimmsten Auswirkungen der Krise des Kapitalismus zu wehren.
Wie der internationale Widerhall des Kampfes in Frankreich zeigt, entsteht allmählich ein Keim von Verbindungen zwischen den Arbeitern, der über die Grenzen hinausgeht. Diese Solidaritätsreflexe sind das genaue Gegenteil der kapitalistischen Welt, die in konkurrierende Nationen aufgeteilt ist und ständig den Kult des Vaterlandes preist! Im Gegenteil, sie erinnern an die Losung der Arbeiterklasse seit 1848, den des Kommunistischen Manifests von Marx und Engels: "Die Proletarier haben kein Vaterland! Proletarier aller Länder, vereinigt euch!"
Die gegenwärtigen Kämpfe sind also der günstigste Boden für die Erkenntnis, dass "wir alle im selben Boot sitzen", wie die Demonstranten in Griechenland kürzlich betonten. Auch wenn es sich noch um einen sehr zerbrechlichen und verworrenen Prozess handelt, erlauben uns all diese Kämpfe, uns nach und nach bewusst zu machen, dass es möglich ist, als geeinte und kollektive Kraft zu kämpfen, als Klasse, als weltweite Arbeiterklasse!
Wenn Kampfkraft und Massivität allein die Bourgeoisie bisher nicht zum Nachgeben bewegen konnten, so ist allein die Tatsache, dass wir den kollektiven Kampf erlebt haben, die Sackgassen erkannt haben, mit den Fallen der Bourgeoisie konfrontiert sind und darüber nachdenken können, um Lehren daraus zu ziehen, bereits ein Sieg und ein weiterer Schritt für zukünftige Kämpfe: "Hin und wieder sind die Arbeiter siegreich, aber nur für eine gewisse Zeit. Die wirkliche Frucht ihrer Kämpfe liegt nicht im unmittelbaren Ergebnis, sondern in der sich immer weiter ausbreitenden Einheit der Arbeiter".[iii]
Jede Woche werden auf den Demonstrationen Slogans wie "Ihr sagt 64, wir geben euch wieder 68", "März 2023 ist der neue Mai 68" geäußert. Auch der Kampf gegen den Erstbeschäftigungsvertrag CPE im Jahr 2006 ist noch in aller Munde[iv]. Diese Erfahrungen aus der Geschichte der Arbeiterklasse sind sehr wertvoll für die Entwicklung der Kämpfe. Sie bilden einen Kompass, der es der Klasse ermöglicht, den Weg der Ausweitung und der Einheit des Kampfes zu finden.
1968 zwang das Proletariat in Frankreich die Regierung und die Gewerkschaften durch massive Arbeitsniederlegungen und die Ausbreitung von Vollversammlungen in Fabriken und anderen Betrieben, sich auf höhere Löhne zu einigen.
In den Jahren 1969 und 1972 gelang es den Bergarbeitern in Großbritannien ebenfalls, ein für die Arbeiterklasse günstiges Kräfteverhältnis zu schaffen, indem sie durch die Ausweitung des Kampfes aus der korporatistischen, berufsbornierten Logik ausbrechen konnten: Zu Dutzenden und Hunderten waren sie zu den Häfen, Stahlwerken, Kohlelagern und Kraftwerken gegangen, um diese zu blockieren und die dortigen Arbeiter davon zu überzeugen, sich ihnen im Kampf anzuschließen. Diese Methode, die als "fliegende Streikposten" berühmt wurde, brachte die kollektive Stärke, Solidarität und Einheit der Arbeiterklasse zum Ausdruck.
1980 erschütterte die Arbeiterklasse in Polen die Bourgeoisie in allen Ländern, indem sie sich in riesigen Vollversammlungen versammelte und Streikkomitees (das MKS) wählte, die über Forderungen und Kampfmaßnahmen entschieden, wobei sie stets bemüht waren, den Kampf auszuweiten.
Im Jahr 2006 waren es in Frankreich die von den Studenten organisierten Vollversammlungen, die für alle offen waren (Arbeiter, Arbeitslose, Rentner...), die das Zentrum eines Kampfes waren, der angesichts seiner dynamischen Ausweitung die Regierung Chirac dazu zwang, den Erstbeschäftigungsvertrag (CPE) zurück zu ziehen.
All diese Bewegungen zeigen, dass die Arbeiterklasse die Angriffe zurückschlagen und die herrschende Klasse zum Rückzug zwingen kann, sobald sie wirklich in der Lage ist, die Kontrolle über ihre Kämpfe zu übernehmen, um sie auszuweiten und sie auf der Grundlage gemeinsamer Forderungen und Aktionsmittel zu vereinigen.
Das Stillschweigen der Medien über das massive Ausmaß des Kampfes in Frankreich zielt ebenso wie die Verteufelung der Gewalt der Minderheiten in der Öffentlichkeit darauf ab, das Proletariat daran zu hindern, an diese Vergangenheit anzuknüpfen und sich ihrer Stärke bewusst zu werden. Deshalb muss heute die Entwicklung echter Diskussionsorte wie eigenständige, für alle offene Vollversammlungen als Aktionsmittel verteidigt werden, als das Mittel schlechthin, um darüber nachzudenken, wie man Kämpfe entwickeln und vereinheitlichen kann. Die Wiederaneignung der Lehren vergangener Kämpfe ist ein grundlegender Meilenstein in diesem Prozess der Wiedererlangung des Bewusstseins, ein und derselben Klasse anzugehören, die die Kraft in sich trägt das kapitalistische System zu überwinden.
Vinzenz, 7. April 2023
[i] Seit Wochen bemühen sich die Gewerkschaften die Regierung Macrons zu überzeugen die Bewegung zu beruhigen. Bisher blieb diese aber unnachgiebig.
[iii] Marx/Engels, "Kommunistisches Manifest" (1848)
[iv] Auch wenn sie weder dieselbe Bedeutung noch dieselbe historische Bedeutung wie der Mai 68 haben.
Vor ca. drei Woche trafen sich ungefähr 30 osteuropäische LKW-Fahrer auf der Autobahnraststätte Gräfenhausen an der A5 …um nicht mehr weiter zu fahren[1]. Mittlerweile ist diese Gruppe auf über 60 Fahrer, meist aus Georgien, Usbekistan und anderen osteuropäischen Ländern angewachsen. Ein Streik in einem Sektor, welches als düsterstes Beispiel für Überausbeutung gilt. Der Transportsektor zu dem die LKW-Fahrer gehören, ist ganz im Allgemeinen mit der Bedingung konfrontiert, dass sie durch die atomisierte und „einsame“ Arbeit kaum Gelegenheit zu gemeinsamen Diskussionen über ihre Situation haben, was ein gemeinsames Handeln enorm erschwert. Der Widerstand den wir jetzt sehen - auch wenn er nur klein ist – stellt auf diesem Hintergrund einen Schritt nach vorne dar.
Der internationale Transportsektor schlägt den Puls der internationalen Lieferketten, die in den letzten 30 Jahren ein enormes Wachstum erfahren haben. Hier sind die Arbeitsbedingungen mit am schärfsten verschlechtert worden, in dem hunderttausende Arbeiter und Arbeiterinnen aus den Überresten der ehemaligen Sowjetunion und des Ostblocks angeheuert wurden. Hier gelten unverblümt die Gesetze der Expansion westlicher Firmen, die überall in den auseinandergefallenen Ländern des ehemaligen Ostblocks ihren Profit scheffelten. Die Verhältnisse sind hier eher vergleichbar mit denen im Bausektor oder sogar der Prostitution, als mit denjenigen schon sehr schlechten in den aus dem Boden gestampften Zulieferer-Fabriken. Sie sind ein typischerweise unkontrollierter Sektor, in dem der Staat bewusst freie Hand für mieseste Bedingung lässt und sich kaum um die Einhaltung minimalster Sicherheiten für die Arbeiter und Arbeiterinnen schert.
Der konkrete Anlass des Streiks liegt wohl darin begründet, dass das polnische Unternehmen, das als Vertragspartner für große Transportdienstleiter tätig ist, seit Monaten keine Löhne mehr gezahlt hat. Das polnische Unternehmen reagiert, wie es schon seit Jahren praktiziert wurde: Mit einem paramilitärischen Schlägertrupp, der mit einem gepanzerten Fahrzeug nach Deutschland geschickt wurde, um den Streikenden eine kleine Abreibung zu verpassen, sie sofort zur Aufgabe ihres Widerstandes zu zwingen, die LKW`s zu kapern und zurück zu führen. Soviel zu den empörenden Fakten.
Diese Bedingungen, die der Streik mit einem grellen Scheinwerferlicht aus seiner düsteren Normalität ans Tageslicht zerrt, sind die Bedingungen, die den Kern der kapitalistischen Produktionsweise ausmachen: Wir sind gezwungen unsere Arbeitskraft zu verkaufen, wir sind gezwungen unter Bedingungen zu leben und zu schuften, die uns diktiert werden.
Nachdem unter den für die Arbeiterklasse ausbeuterischen Bedingungen der ehemaligen Sowjetunion durch den Staat gewisse Marktmechanismen wie Arbeitslosigkeit oder Konkurrenzkampf umgangen wurden, ist nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 in weiten Teilen Ost-Europas ein unkontrolliertes Schlaraffenland für das Kapital entstanden. Auch in Westdeutschland wurde nach 1989 eine Phase der Privatisierung (Post, Bahn, Gesundheitssektor, Teile der Verwaltung) und Umstrukturierung der Produktionsketten eingeführt, vor dem Hintergrund einer geschwächten und verwirrten Arbeiterklasse.
Dort wo die Arbeiterklasse aus den unterschiedlichsten Gründen geschwächt ist, hält das Kapital so lange wie möglich mit wohlwollender Begleitung durch die bürgerlichen Gesetze des (demokratischen) Staates an diesen brutalen Bedingungen fest. Wir sehen dies in den Schlachthäusern in Niedersachsen, den Erdbeerfeldern in der Pfalz oder auf den Autobahnraststätten im ganzen Land. Wenn sich die Arbeiterklasse bewegt, dann wird deutlich, dass diese Verhältnisse keine vor- oder frühkapitalistische Ausnahme sind, sondern den grundsätzlichen Charakter der Ausbeutung im Kapitalismus darstellen.
Seit letztem Sommer sehen wir nun eine Welle von internationalen Kämpfen, die sich mit dem Slogan „genug ist genug“ von Großbritannien nach Frankreich, Portugal und Spanien ausweitet. In Deutschland streikt(e) insbesondere der arg von Privatisierungen und Vernachlässigung gekennzeichnete Öffentliche Sektor (Post, Gesundheitssektor, Schulen und auch die Bahn), wenn auch unter der totalen Kontrolle der Gewerkschaften die ein Teil des kapitalistischen Staates sind.
Der Streik der LKW-Fahrer, so klein und isoliert er auch ist, reiht sich ein in diese Streikwelle. Die Streikenden sind Teil der internationalen Arbeiterklasse. Durch ihren Kampf machen sie heute einen Schritt vom überausgebeuteten Rand der Arbeiterklasse auf diese internationale Kampfbewegung zu und werden Teil davon. Er ist ein Zeichen dafür, dass es auch unter schwierigsten Bedingungen möglich ist Widerstand zu leisten, mit der notwenigen Perspektive eines Zusammenschlusses, nicht nur mit anderen Teilen des Transportsektors, sondern mit der gesamten Arbeiterklasse. Die Arbeiterklasse kann ihre Schwächen nur überwinden, wenn sie sich selbst als Klasse mobilisiert!
Gerald, 19. 04. 2023
"Genug ist genug!" - Großbritannien. "Nicht ein Jahr mehr, nicht einen Euro weniger" - Frankreich. "Die Empörung sitzt tief" - Spanien. "Für uns alle" - Deutschland. All diese Slogans, die in den letzten Monaten bei Streiks in der ganzen Welt skandiert wurden, zeigen, wie sehr die aktuellen Kämpfe der Arbeiter und Arbeiterinnen die Ablehnung der allgemeinen Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen zum Ausdruck bringen. In Dänemark, Portugal, den Niederlanden, den USA, Kanada, Mexiko, China... die gleichen Streiks gegen die gleiche, immer unerträglichere Ausbeutung. "Die wirkliche Not: nicht heizen, essen, für sich sorgen, zur Arbeit fahren können!"
Aber unsere Kämpfe sind noch viel mehr als das. Bei Demonstrationen begannen wir auf einigen Plakaten die Ablehnung des Krieges in der Ukraine auszudrücken, die Weigerung, immer mehr Waffen und Bomben zu produzieren, den Gürtel im Namen der Entwicklung der Kriegswirtschaft enger schnallen zu müssen: "Kein Geld für den Krieg, kein Geld für Waffen, Geld für Löhne, Geld für Renten", war bei Demonstrationen in Frankreich zu hören. Sie drücken auch die Weigerung aus, die Zerstörung des Planeten im Namen des Profits zu akzeptieren.
Unsere Kämpfe sind das Einzige, was sich dieser selbstzerstörerischen Dynamik entgegenstellt, das Einzige, was sich dem Untergang entgegenstellt, den der Kapitalismus der gesamten Menschheit noch bieten kann. Denn dieses dekadente System wird, wenn man es seiner eigenen Logik überlässt, immer größere Teile der Menschheit in Krieg und Elend stürzen, es wird den Planeten mit Treibhausgasen verwüsteten, Wälder zerstören und Bomben säen.
Die Klasse, die die Welt beherrscht, die Bourgeoisie, ist sich dieser Realität und der barbarischen Zukunft, die ihr dekadentes System uns verspricht, teilweise bewusst. Man muss nur die Studien und Vorhersagen ihrer formidablen Experten lesen.
So heißt es im "Global Risks Report", der im Januar 2023 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellt wurde: "Die ersten Jahre dieses Jahrzehnts haben eine besonders zerstörerische Periode in der Geschichte der Menschheit eingeläutet. Die Rückkehr zu einer 'neuen Normalität' nach der COVID-19-Pandemie wurde durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine schnell unterbrochen und leitete eine neue Reihe von Lebensmittel- und Energiekrisen ein [...]. Zu Beginn des Jahres 2023 sieht sich die Welt mit einer Reihe von Risiken konfrontiert [...]: Inflation, Lebenshaltungskostenkrisen, Handelskriege [...], geopolitische Konfrontation und das Schreckgespenst eines Atomkriegs [...], ein unhaltbares Schuldenniveau [...], ein Rückgang der menschlichen Entwicklung [...], der wachsende Druck durch die Auswirkungen des Klimawandels und die Ambitionen [...]. Zusammengenommen werden diese Faktoren ein einzigartiges, unsicheres und turbulentes Jahrzehnt prägen".
In Wirklichkeit ist das kommende Jahrzehnt gar nicht so "ungewiss", wie es im selben Bericht heißt: "Das nächste Jahrzehnt wird geprägt sein von ökologischen und gesellschaftlichen Krisen [...], der 'Lebenskostenkrise' [...], dem Verlust der biologischen Vielfalt und dem Zusammenbruch von Ökosystemen [...], geoökonomischen Konfrontationen [...], unfreiwilliger Migration in großem Maßstab [...], globaler wirtschaftlicher Fragmentierung, geopolitischen Spannungen [...]. Wirtschaftskriege werden zur Norm, mit zunehmender Konfrontation zwischen den Weltmächten [...]. Der jüngste Anstieg der Militärausgaben [...] könnte zu einem globalen Wettrüsten führen [...], mit dem gezielten Einsatz von New-Tech-Waffen in einem potenziell zerstörerischen Ausmaß wie in den letzten Jahrzehnten."
Angesichts dieser erdrückenden Perspektiven ist die Bourgeoisie machtlos. Sie und ihr System sind nicht die Lösung, sie sind die Ursache des Problems. Wenn sie uns in den Mainstream-Medien weismachen will, dass sie alles tut, um die globale Erwärmung zu bekämpfen, dass ein "grüner" und "nachhaltiger" Kapitalismus möglich sei, weiß sie um das Ausmaß ihrer eigenen Lügen. Denn, wie der "Global Risks Report" hervorhebt: "Heute haben die atmosphärischen Konzentrationen von Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid alle Rekordwerte erreicht. Aufgrund der Emissionsentwicklung ist es sehr unwahrscheinlich, dass die angestrebte Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C erreicht werden kann. Die jüngsten Ereignisse haben eine Divergenz zwischen dem, was wissenschaftlich notwendig ist, und dem, was politisch zweckmäßig ist, offenbart."
In Wirklichkeit ist diese "Divergenz" nicht auf die Klimafrage beschränkt. Sie ist Ausdruck des grundlegenden Widerspruchs eines Wirtschaftssystems, das nicht auf der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, sondern auf Profit und Wettbewerb basiert, auf dem Raubbau an den natürlichen Ressourcen und der grausamen Ausbeutung der Klasse, die den größten Teil des gesellschaftlichen Reichtums produziert: des Proletariats, der Lohnarbeiter aller Länder.
Der Kapitalismus und seine herrschende Klasse sind einer der beiden Pole der Gesellschaft, derjenige, der die Menschheit in Armut und Krieg, in Barbarei und Zerstörung führt. Der andere Pol ist das Proletariat und sein Kampf. Seit einem Jahr halten in den sozialen Bewegungen, die sich in Frankreich, Großbritannien und Spanien entwickelt haben, Beschäftigte, Rentner, Arbeitslose und Studenten zusammen. Diese aktive Solidarität, diese kollektive Kampfbereitschaft zeugt vom tiefgreifenden Charakter des Kampfes der Arbeiter: ein Kampf für eine radikal andere Welt, eine Welt ohne Ausbeutung und soziale Klassen, ohne Konkurrenz, ohne Grenzen und Nationen. "Arbeiter halten zusammen", rufen die Streikenden in Großbritannien. "Entweder wir kämpfen gemeinsam oder wir werden auf der Straße schlafen", bekräftigen die Demonstrierenden in Frankreich. Die Losung "Für uns alle", unter dem der Streik gegen die Angriffe auf den Lebensstandard am 27. März in Deutschland stattfand, zeigt deutlich das allgemeine Gefühl, das in der Arbeiterklasse wächst: Wir sitzen alle im selben Boot und wir kämpfen alle füreinander. Die Streiks in Deutschland, Großbritannien und Frankreich haben sich gegenseitig inspiriert. In Frankreich streikten die Arbeiter und Arbeiterinnen ausdrücklich in Solidarität mit ihren kämpfenden Klassenbrüdern und -schwestern in Großbritannien: "Wir sind solidarisch mit den britischen Arbeitern, die seit Wochen für höhere Löhne streiken". Dieser Reflex der internationalen Solidarität ist das genaue Gegenteil der kapitalistischen Welt, die in konkurrierende Nationen aufgeteilt ist, bis hin zum Krieg. Er erinnert an die Losung unserer Klasse seit 1848: "Das Proletariat hat kein Vaterland! Proletarier aller Länder vereinigt euch!"
Überall auf der Welt ändert sich die Stimmung in der Gesellschaft. Nach jahrzehntelanger Passivität und Zurückhaltung beginnt die Arbeiterklasse, zum Kampf und zu Selbstvertrauen zurückzufinden. Das haben der "Sommer des Zorns" und die Rückkehr der Streiks in Großbritannien gezeigt, fast vierzig Jahre nach der Niederlage der Bergarbeiter durch Thatcher im Jahr 1985.
Aber wir alle spüren die Schwierigkeiten und die derzeitigen Grenzen unserer Kämpfe. Angesichts der Dampfwalze der Wirtschaftskrise, der Inflation und der Angriffe der Regierung, die sie "Reformen" nennen, sind wir noch nicht in der Lage, ein Gleichgewicht der Kräfte zu unseren Gunsten herzustellen. Oftmals isoliert in einzelnen Streiks oder frustriert durch Demonstrationen, die sich auf bloße Umzüge beschränken, ohne Versammlungen oder Diskussionen, ohne Generalversammlungen oder kollektive Organisationen, streben wir alle nach einer breiteren, stärkeren und geeinten Bewegung. Bei den Demonstrationen in Frankreich wird immer wieder der Ruf nach einem neuen Mai 68 laut. Angesichts der "Reform", die das Renteneintrittsalter auf 64 Jahre verschiebt, war der beliebteste Slogan auf den Plakaten: "Ihr gebt uns 64, wir geben euch den Mai 68".
1968 schloss sich das Proletariat in Frankreich zusammen und nahm den Kampf selbst in die Hand. Nach den großen Demonstrationen vom 13. Mai gegen die Polizeirepression welche gegen die Studenten ausgeübt wurde, verbreiteten sich Arbeitsniederlegungen und Generalversammlungen wie ein Lauffeuer in den Fabriken und an allen Arbeitsplätzen und mündeten mit 9 Millionen Streikenden in den größten Streik in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Angesichts dieser Dynamik der Ausweitung und Einheit des Arbeiterkampfes beeilten sich die Regierung und die Gewerkschaften Hand in Hand, eine Vereinbarung über eine allgemeine Lohnerhöhung zu unterzeichnen, um die Bewegung zu stoppen. Gleichzeitig mit dieser Wiederbelebung des Arbeiterkampfes von 1968 gab es eine starke Rückkehr zur Idee und Perspektive der Revolution, die von vielen Arbeitern und Arbeiterinnen im Kampf diskutiert wurde.
Ein Ereignis dieses Ausmaßes zeugt von einem grundlegenden Wandel im Leben der Gesellschaft: Es war das Ende der schrecklichen Konterrevolution, die die Arbeiterklasse seit Ende der 1920er Jahre (mit dem Scheitern der weltrevolutionären Welle nach ihrem ersten Erfolg im Oktober 1917 in Russland) erfasst hatte. Eine Konterrevolution, die das abscheuliche Gesicht des Stalinismus und des Faschismus angenommen hatte, die dem Zweiten Weltkrieg mit seinen 60 Millionen Toten die Tür geöffnet hatte und dann noch zwei Jahrzehnte weiterging. Aber das Wiederaufleben des Kampfes, das 1968 in Frankreich begann, wurde schnell in allen Teilen der Welt durch eine Reihe von Kämpfen in einem seit Jahrzehnten unbekannten Ausmaß bestätigt:
- Der «Heiße Herbst» 1969 in Italien, der auch als "zügelloser Mai" bezeichnet wird und in dem es zu massiven Kämpfen in den wichtigsten Industriezentren kam und die Gewerkschaftsführungen deutlich in Frage gestellt wurde.
- Der Arbeiteraufstand im argentinischen Córdoba im selben Jahr.
- Die massiven Streiks der Arbeiter in Polen im Winter 1970/71.
- Zahlreiche weitere Kämpfe in den folgenden Jahren in praktisch allen europäischen Ländern, insbesondere in Großbritannien.
- In Polen trugen die Streikenden 1980 angesichts der steigenden Lebensmittelpreise diese internationale Welle noch weiter, indem sie ihre Kämpfe selbst in die Hand nahmen, sich in großen Vollversammlungen versammelten, selbst entschieden, welche Forderungen sie stellen und welche Aktionen sie durchführen wollten, und vor allem, indem sie sich ständig bemühten, den Kampf auszuweiten. Angesichts dieser Machtdemonstration der Arbeiter zitterte nicht nur die polnische Bourgeoisie, sondern die herrschende Klasse in allen Ländern.
In zwei Jahrzehnten, von 1968 bis 1989, hat eine ganze Generation von Arbeitern Erfahrungen im Kampf gesammelt. Die vielen Niederlagen und manchmal auch Siege haben es dieser Generation ermöglicht, den vielen Fallen zu begegnen, die die Bourgeoisie aufgestellt hat, um zu sabotieren, zu spalten und zu demoralisieren. Aus ihren Kämpfen müssen wir wichtige Lehren für unsere gegenwärtigen und zukünftigen Kämpfe ziehen: Nur wenn wir uns in offenen und massiven Vollversammlungen versammeln, autonom und wirklich über die Richtung der Bewegung entscheiden, außerhalb und sogar gegen die Kontrolle der Gewerkschaften, können wir die Grundlage für einen vereinten und wachsenden Kampf schaffen, der in Solidarität zwischen allen Sektoren, allen Generationen geführt wird. Massenversammlungen, in denen wir uns geeint und in unserer kollektiven Stärke sicher fühlen. Massenversammlungen, auf denen wir gemeinsam immer mehr vereinheitlichende Forderungen aufstellen können. Massenversammlungen, in denen wir uns versammeln und von denen aus wir uns in großen Delegationen auf den Weg machen können, um unsere Klassenbrüder und -schwestern zu treffen, Arbeiter in Fabriken, Krankenhäusern, Schulen, Einkaufszentren, Büros... jene, die uns am nächsten sind.
Die neue Generation der Arbeiter und Arbeiterinnen, die jetzt die Fackel in die Hand nimmt, muss zusammenkommen, diskutieren, um die großen Lehren aus den vergangenen Kämpfen neu zu lernen. Die ältere Generation muss der jüngeren Generation von ihren Kämpfen erzählen, damit die gesammelten Erfahrungen weitergegeben werden und zu einer Waffe in den kommenden Kämpfen werden können.
Aber wir müssen weiter gehen. Die Welle des internationalen Kampfes, die im Mai 1968 begann, war eine Reaktion auf die Verlangsamung des Wachstums und das Wiederauftreten der Massenarbeitslosigkeit. Heute ist die Lage noch viel ernster. Der katastrophale Zustand des Kapitalismus setzt das Überleben der Menschheit aufs Spiel. Wenn es uns nicht gelingt, ihn zu überwinden, wird die Barbarei allmählich die Oberhand gewinnen.
Der Schwung des Mai-68 wurde durch eine doppelte Lüge der Bourgeoisie zunichte gemacht: Als die stalinistischen Regime 1989-91 zusammenbrachen, behaupteten sie, dass der Zusammenbruch des Stalinismus den Tod des Kommunismus bedeute und dass eine neue Ära des Friedens und des Wohlstands anbreche. Drei Jahrzehnte später wissen wir aus Erfahrung, dass wir statt Frieden und Wohlstand nur Krieg und Elend bekommen haben. Wir müssen immer noch verstehen, dass der Stalinismus das Gegenteil des Kommunismus ist, dass er eine besonders brutale Form des Staatskapitalismus ist, die aus der Konterrevolution der 1920er Jahre hervorgegangen ist. Indem sie die Geschichte verfälschte, indem sie den Stalinismus als Kommunismus ausgab (wie die UdSSR von gestern und China, Kuba, Venezuela oder Nordkorea von heute!), gelang es der Bourgeoisie, die Arbeiterklasse glauben zu machen, dass ihr revolutionäres Befreiungsprojekt nur in die Katastrophe führen konnte - so lange, bis Argwohn und Misstrauen mit dem Wort «Revolution» in Verbindung gebracht wurde.
Aber im Kampf werden wir nach und nach unsere kollektive Stärke, unser Selbstvertrauen, unsere Solidarität, unsere Einheit, unsere Selbstorganisation entwickeln. Im Kampf werden wir allmählich erkennen, dass wir, die Arbeiterklasse, in der Lage sind, eine andere Perspektive zu bieten als den Alptraum, den ein zerfallendes kapitalistisches System verspricht: die kommunistische Revolution.
Die Perspektive der proletarischen Revolution wächst, in unseren Köpfen und in unseren Kämpfen.
Die Zukunft gehört dem Klassenkampf!
Internationale Kommunistische Strömung, 22. April 2023
Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Mexiko, China.... Wir müssen weiter gehen als 1968.
Genug ist genug!" - Großbritannien. "Nicht ein Jahr mehr, nicht einen Euro weniger" - Frankreich. "Die Empörung sitzt tief" - Spanien. "Für uns alle" - Deutschland. All diese Slogans, die in den letzten Monaten bei den Streiks in der ganzen Welt skandiert wurden, zeigen, wie sehr der aktuelle Kampf der Arbeiter und Arbeiterinnen die Ablehnung der allgemeinen Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen zum Ausdruck bringt.
In Frankreich riefen die Arbeiter und Arbeiterinnen auch die Parole "Ihr gebt uns 64, wir geben euch Mai 68". Angesichts der Erhöhung der Lohnarbeitsjahre von 62 auf 64 kehren wir zu den massiven Kämpfen vom Mai 1968 zurück.
Aber wir müssen noch weiter gehen. Die Welle der internationalen Kämpfe, die im Mai 1968 begann, war eine Reaktion auf die ersten Anzeichen der Weltwirtschaftskrise. Heute ist die Lage noch viel ernster. Der katastrophale Zustand des Kapitalismus setzt das Überleben der Menschheit aufs Spiel.
Der Schwung des Mai 68 wurde durch die Lügen der Bourgeoisie gebrochen. Als die UdSSR 1990 zusammenbrach, behauptete sie, dass der Zusammenbruch des Stalinismus den «Tod des Kommunismus» bedeute und dass eine neue «Ära des Friedens und des Wohlstands» anbreche. Drei Jahrzehnte später wissen wir aus Erfahrung, dass wir statt Frieden und Wohlstand nur Krieg und Elend bekommen haben.
Wir müssen begreifen, dass der Stalinismus das absolute Gegenteil des Kommunismus war, dass er ein barbarisches kapitalistisches Regime war, das aus der Niederschlagung der Arbeiterklasse der 1920er Jahre hervorging. Durch die Verfälschung der Geschichte, durch die Darstellung des Stalinismus als Kommunismus, ist es der herrschenden Klasse gelungen, die Arbeiterklasse glauben zu machen, dass ihr Projekt der revolutionären Emanzipation nur in einer Katastrophe enden kann.
Aber im Kampf gegen die heutigen Bedingungen werden wir nach und nach unsere kollektive Stärke, unsere Einheit und unsere Selbstorganisation entwickeln. Im Kampf werden wir allmählich erkennen, dass wir - die Arbeiterklasse - in der Lage sind, eine andere Perspektive zu bieten als den Alptraum, den ein zerfallendes kapitalistisches System offenbart.
Diskutiert mit uns die Lehren des Mai 68 für die Kämpfe von heute!
Wenn ihr teilnehmen wollt, schreibt uns an [email protected] [47], und wir schicken euch die Details.
Fünf Monate Kampf, vierzehn Aktionstage, Millionen von Demonstranten, eine Vielzahl von Streiks und Blockaden, Mobilisierungsrekorde... Kurz gesagt, eine soziale Bewegung von einem Ausmaß, das in Frankreich seit 1968 unbekannt war. Dennoch wurde die Rentenreform verabschiedet. War also alles umsonst? Absolut nicht!
Diese Bewegung ist ein Versprechen für die Zukunft. Sie ist ein Zeichen dafür, dass wir, die Arbeiterklasse, begonnen haben, uns wieder zu erheben. Wir ziehen im Kampf wieder an einem Strang. Jahrzehntelang haben wir die unaufhörlichen Angriffe der aufeinanderfolgenden Regierungen - sowohl der rechten als auch der linken - hinnehmen müssen.
Aber von nun an lehnen wir diese ständige Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen ab. Das zeigt die Massivität unserer Bewegung.
Bereits bei der ersten Demonstration, der vom 19. Januar, machte sich die große Mehrheit keine Illusionen: Die Regierung würde nicht zurückweichen. Doch Woche für Woche waren wir zu Millionen auf der Straße, nicht bereit uns zu unterwerfen. Indem wir uns weigerten zu resignieren, indem wir alle gemeinsam kämpften, die Solidarität zwischen den Branchen wie auch zwischen den Generationen entwickelten, haben wir einen ersten Sieg errungen: die Tatsache, dass wir den Kampf aufgenommen haben.
"Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter, aber nur vorübergehend. Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der unmittelbare Erfolg, sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter.” (Marx und Engels, Kommunistisches Manifest, 1848)
Dieser Sieg ist wertvoll für die Zukunft. Denn wir wissen, dass die Angriffe noch zunehmen werden. Die Preise für Lebensmittel, Strom, Mieten, Treibstoff... werden weiter steigen. Sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst werden die prekäre Arbeitsverhältnisse, Unterbesetzung, höllischer Arbeitsrhythmus und schlechte Bezahlung sich immer weiter verschlechtern. Der Staat wird weiterhin das Gesundheitssystem, das Bildungssystem, das Transportwesen usw. zerstören. Nur die Ausgaben für Rüstung und Repression werden erhöht!
Wir müssen also weiterkämpfen und uns dabei auf die Erfahrungen unserer jetzigen Bewegung stützen. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir uns überall wo es möglich ist versammeln (nach dem Abschluss von Demonstrationen, an unseren Arbeitsplätzen, in Kampfkomitees oder Diskussionszirkeln, bei Treffen revolutionärer Organisationen), um zu diskutieren und die Lehren ziehen. Ja, diese Bewegung ist lehrreich:
- In den letzten Jahrzehnten waren wir zahlreichen Angriffen ausgesetzt, blieben voneinander isoliert und hilflos. Wir hatten das Vertrauen in unsere Fähigkeit verloren, uns zu vereinen, massenhaft zu kämpfen. Schlimmer noch, wir hatten sogar vergessen, dass unsere Stärke – die kollektive Kraft – überhaupt existieren kann. Diese Zeiten sind vorbei.
- Indem wir alle gemeinsam im Kampf standen, begannen wir uns bewusst zu werden, dass wir eine einzige Kraft sind. Wir sind die Arbeiterklasse! Arbeitslose, Rentnerinnen und Rentner, prekär beschäftigte Studenten, Beschäftigte in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst, im Blaumann oder im weißen Kittel, in den Werkstätten oder in den Büros; wir sind alle Ausgebeutete, die, atomisiert jeder in seiner Ecke, nichts gegen das Kapital ausrichten können, aber die, wenn vereint im Kampf, zur größten sozialen Kraft der Geschichte werden.
- Es ist genau diese Rückeroberung unserer Klassenidentität, die dafür gesorgt hat, dass die Erfahrungen unserer vergangenen Kämpfe wieder lebendig werden. Es ist kein Zufall, dass der häufigste Slogan auf den Plakaten lautete: "Nein zu 64, ja zu Mai 68”. Noch spektakulärer ist, dass in den Diskussionen wieder auf die Bewegung gegen den CPE von 2006 Bezug genommen wird, während diese Erfahrung bislang völlig ignoriert wurde, als ob sie ausgelöscht worden wäre und nie stattgefunden hätte. Indem wir wieder anfangen als Arbeiterklasse zu kämpfen, ermöglichen wir den Beginn der Wiederaneignung unserer Geschichte, unserer Erfahrungen, unserer Siege und unserer Niederlagen, um in Zukunft geeinter, organisierter und stärker zu sein.
- Im Gegensatz zu 2018, als die Eisenbahner wochenlang und bis zur Erschöpfung allein streikten, während die anderen Bereiche zum "Stellvertreterstreik" und zur platonischer Solidarität aufgerufen wurden, blieb dieses Mal kein Bereich isoliert, ging kein Bereich niedergeschlagen aus den Protesten hervor. Selbst nicht die Beschäftigtgen der Raffinerien, die obwohl sie Monat für Monat dazu gedrängt wurden, sich im Namen der Blockade der Wirtschaft auf ihren Arbeitsplatz zurückzuziehen. Diesmal hat sich die Dynamik der aktiven Solidarität im Kampf durchgesetzt. Die klassische Falle der Spaltung und Isolation hat nicht funktioniert.
- Durch bruale Repression und schändliche Provokation hoffte der französische Staat, die Mehrheit der Arbeiter in Angst und Schrecken zu versetzen und eine Minderheit in die unfruchtbare und verlorene Konfrontation mit den Ordnungskräften zu treiben. Auch hier konnten wir diese Falle vermeiden, trotz der großen berechtigten Wut über die Prügel und Beleidigungen.
- Dieser Staatsterror auf der Straße, wie auch das Durchpeitschen der Rentenreform dank der Mechanismen der verfassungsmäßigen Ordnung der Republik auf völlig legale Weise, haben sogar begonnen, die Maske der bürgerlichen Demokratie zu lüften und das, was sich dahinter verbirgt, sichtbar zu machen: die kapitalistische Diktatur.
- Schließlich, und vielleicht am wichtigsten, hat diese Bewegung dazu beigetragen, dass eine für die Zukunft wesentliche Frage auftauchte: Wie kann ein günstiges Kräfteverhältnis geschaffen werden? Wir sind monatelang mehrfach in Millionenstärke auf die Straße gegangen, und dennoch hat die französische Bourgeoisie nicht nachgegeben. Woran lag das? Was hat dieser Bewegung gefehlt, um die Regierung zum Rückzug zu bewegen?
Um das zu verstehen, um beim nächsten Mal weiter zu gehen, müssen wir genau den Weg, den diese Bewegung eingeschlagen hat, weitergehen: Erinnern wir uns an unsere vergangene Kampferfahrungen und ihre Lehren.
Einige Kämpfe in der Vergangenheit zeigen, dass es möglich ist, eine Regierung zurückzudrängen und ihre Angriffe zu bremsen. 1968 vereinigte sich das Proletariat in Frankreich, indem es seine Kämpfe selbst in die Hand nahm. Nach den riesigen Demonstrationen am 13. Mai, um gegen die von den Studenten erlittene Polizeirepression zu protestieren, breiteten sich Arbeitsniederlegungen und Vollversammlungen wie ein Lauffeuer in den Fabriken und Betrieben aus und führte mit 9 Millionen Streikenden zum größten Streik in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Angesichts dieser Dynamik der Ausweitung und der Einheit des Kampfes beeilten sich die Regierung und die Gewerkschaften, ein Abkommen über allgemeine Lohnerhöhungen zu unterzeichnen, um die Bewegung zu stoppen.
Im August 1980 gingen in Polen angesichts der steigenden Preise die Streikenden noch einen Schritt weiter bei der eigenständigen Organisierung der Kämpfe. Sie strömten zusammen in riesigen Vollversammlungen, entschieden selbst über Forderungen und Aktionen und vor allem waren sie ständig bestrebt, den Kampf auszudehnen. Angesichts dieser Kraft zitterte nicht nur die polnische Bourgeoisie, sondern die aller Länder.
Im Jahr 2006 zog in Frankreich nach nur wenigen Wochen der Mobilisierung die Regierung ihren "Contrat Première Embauche" zurück. Was erschreckte die Bourgeoisie so sehr, dass sie so schnell den Rückzug antrat? Prekäre Studenten organisierten an den Universitäten große Vollversammlungen, offen für Arbeiter, Arbeitslose und Rentner... Sie stellten ein einigendes Motto in den Vordergrund: den Kampf gegen die Prekarisierung und die Arbeitslosigkeit. Die Vollversammlungen waren das Zentrum der Bewegung, wo die Debatten geführt und die Entscheidungen getroffen wurden. An jedem Wochenende umfassten die Demonstrationen immer mehr Bereiche. Die Lohnabhängigen und Rentner hatten sich den Studenten angeschlossen, unter dem Motto: "Junge Speckrollen, alte Knacker, alle gleich”.
Denn die größte Stärke eines Kampfes besteht darin, dass er die Angelegenheit aller Ausgebeuteten und nicht die von "Spezialisten" ist. In Wirklichkeit ist es so, dass alle von den Gewerkschaften vorgeschlagenen "Aktionen" gerade darauf abzielen, zu verhindern, dass sie von uns "überrannt" werden, und die Dynamik dieser siegreichen Bewegungen nicht wieder aufkommt. Sie wollen verhindern, dass wir diskutieren und selbst entscheiden wie wir uns verhalten sollen. Mahnwachen, Streiks, Demonstrationen, Blockade der Wirtschaft... solange diese Aktionen unter der Kontrolle der Gewerkschaften organisiert sind, kann dies nur zu einer Niederlage führen.
Was machen die Gewerkschaften in Großbritannien seit nunmehr fast einem Jahr? Sie zersplittern die Gegenwehr der Arbeiter: jeden Tag ein anderer Bereich im Streik, Jeder in seiner Ecke, Jeder getrennt von den Anderen an seinem Streikposten. Keine Vollversammlung, keine kollektive Debatte, keine wirkliche Einheit im Kampf. Es handelt sich hierbei nicht etwa um einen Strategiefehler, sondern um eine bewusste Spaltung. Bereits 1984/85, gelang es der Thatcher-Regierung, das Rückgrat der Arbeiterklasse durch die gleiche schmutzige Arbeit der Gewerkschaften zu brechen. Sie isolierten die Bergarbeiter von den Beschäftigten aus den anderen Bereichen. Sie trieben sie in einen langen und hilflosen Kampf. Über ein Jahr lang besetzten die Bergarbeiter unter dem Motto der "Blockade der Wirtschaft" die Schächte. Allein und hilflos, kämpften die Streikenden bis ans Ende ihrer Kräfte und ihres Mutes. Und ihre Niederlage war die Niederlage der gesamten Arbeiterklasse! Die Arbeiter in Großbritannien erheben ihren Kopf erst heute wieder, mehr als dreißig Jahre später! Diese Niederlage ist also eine eine teuer bezahlte Lektion, die das Weltproletariat nicht vergessen darf.
Nur die Zusammenkunft in offenen, massenhaften, selbständigen Vollversammlungen die wirklich die Führung über die Bewegung übernehmen, kann die Grundlage für einen geeinten und sich ausdehnenden Kampf bilden, der von der Solidarität zwischen allen Bereichen und allen Generationen getragen wird. Vollversammlungen, in denen wir gemeinsam die Forderungen aufstellen, die uns immer mehr vereinen. Vollversammlungen, in denen wir zusammenkommen und von denen aus wir in Massendelegationen Kontakt aufnehmen mit anderen Arbeitern und Arbeiterinnen, den Beschäftigten in den Betrieben, den Krankenhäusern, den Schulen, den Verwaltungen usw, die sich in unserer Nähe befinden.
Heute fehlt es uns immer noch an Selbstvertrauen, an Vertrauen in unsere kollektive Stärke, um es zu wagen, unsere Kämpfe selbst in die Hand zu nehmen. Das ist die derzeitige Grenze unserer Bewegung. Deshalb hat die französische Bourgeoisie nicht gezittert, deshalb ist ihre Regierung nicht zurückgewichen. Aber unsere Geschichte beweist, dass wir dazu in der Lage sind. Und es gibt ohnehin keinen anderen Weg.
Der Kapitalismus wird uns weiterhin in Elend und Barbarei stürzen. Seiner eigenen Logik überlassen, wird dieses dekadente System immer größere Teile der Menschheit in Krieg und Elend stürzen, es wird die Umwelt immer mehr zerstören, immer mehr Wälder abholzen und immer mehr Bomben werfen.
Das Gefühl der Solidarität, dass wir alle im selben Boot sitzen, das Bedürfnis, dass wir zwischen den verschiedenen Bereichen und zwischen den verschiedenen Generationen zusammenhalten, offenbart das tiefere Wesen des Kampfes der Arbeiterklasse, ein Kampf für eine vollkommen andere Welt, ohne Ausbeutung und ohne Klassen, ohne Grenzen und ohne Auseinandersetzungen zwischen Nationen, in der der "Krieg aller gegen alle" durch die Solidarität aller Menschen ersetzt wird: Kommunismus.
Unser historischer Kampf gegen den Kapitalismus ist ein internationaler Kampf. In den letzten zwölf Monaten kam es zu einer Reihe von soziale Bewegungen in einem seit den 1980er Jahren nicht mehr gekannten Ausmaß in Großbritannien, in Spanien, Deutschland, Dänemark, in Portugal, in den Niederlanden, in den USA, in Kanada, in Mexiko, in China... die gleichen Streiks gegen die gleiche Ausbeutung, die immer unhaltbarer wird. "Die Arbeiter halten zusammen", riefen die Streikenden in Großbritannien. "Entweder wir kämpfen zusammen, oder wir werden am Ende auf der Straße schlafen!", riefen die Demonstranten in Frankreich. Das Motto "Für uns alle ", unter dem der Streik in Deutschland am 27. März stattfand, ist besonders bezeichnend für dieses allgemeine Gefühl, das in der Arbeiterklasse wächst: Wir kämpfen alle füreinander.
Im Kampf gegen die Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen, insbesondere gegen die Inflation, werden wir nach und nach unsere kollektive Stärke, unser Selbstvertrauen, unsere Solidarität und unsere Einheit entwickeln. Im Kampf werden wir nach und nach erkennen, dass wir, die Arbeiterklasse, in der Lage sind, unsere Kämpfe selbst in die Hand zu nehmen, uns zu organisieren, uns in Vollversammlungen zu versammeln, um über unsere Losungen und Aktionen zu entscheiden. Wir werden nach und nach feststellen, dass wir in der Lage sind, eine andere Perspektive zu entwickeln als die des todgeweihten, zerfallenden Systems: die proletarische Revolution.
Die Perspektive der proletarischen Revolution wird in unseren Köpfe wieder auftauchen und in unsere Kämpfe zurückkehren.
Die Zukunft gehört dem Klassenkampf!
Internationale Kommunistische Strömung IKS
4. Juni 2023
Nach zehn Monaten Streiks in mehreren Sektoren kann die herrschende Klasse sowohl auf dem europäischen Kontinent als auch in Großbritannien nicht länger die Tatsache verbergen, dass die Arbeiterklasse erneut ihr Haupt erhoben hat. Die bürgerlichen Medien die anfangs zurückhaltend berichteten, müssen nun zugeben, dass die Streiks alle Rekorde gebrochen haben – nicht nur in Bezug auf die Zahl der beteiligten Arbeiter und Arbeiterinnen und der verschiedenen Sektoren, sondern auch in Bezug auf die Dynamik einer ausgedehnten Streikwelle.[1]
Die Internationalist Communist Tendency (Internationale Kommunistische Tendenz IKT) hat durch ihre Mitgliedsorganisation in Großbritannien, die Communist Workers' Organisation, eine Organisation welche der Kommunistischen Linken angehört, in einer Reihe von Artikeln und Flugblättern zu den Mobilisierungen und Streiks Stellung bezogen. Sie verteidigt im Allgemeinen proletarische Klassenpositionen und betont, dass der Kapitalismus keinen Ausweg aus seiner sich verschärfenden Krise hat und gezwungen ist, seinen Angriff auf die Arbeiterklasse zu verstärken. Ebenso vertritt sie die Position, dass die Arbeiterklasse aus dem Gewerkschaftsgefängnis ausbrechen muss, wenn sie die Spaltungen überwinden will, und dass dies bedeutet, die Organisation des Kampfes in die eigenen Hände zu nehmen.
Es reicht jedoch nicht aus abstrakte Positionen vorzuschlagen die mit willkürlichen Analysen durchsetzt sind. Revolutionäre Organisationen haben die Aufgabe, das Kräfteverhältnis und den Kontext in dem Kämpfe stattfinden genau zu bewerten, um konkrete Perspektiven für den Klassenkampf aufzuzeigen. In dieser Hinsicht ist die Analyse der IKT über die Bedeutung der Streikwelle in Großbritannien sehr widersprüchlich und offenbart ihren ungenügenden Rahmen für das Verständnis des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen.
Die ersten Ausdrucksformen des Kampfes in Großbritannien lösten bei der IKT zunächst eine Begeisterung aus: „Die Frontalangriffe auf die Arbeitsbedingungen provozieren den Beginn eines neuen Widerstands (...) nach Jahrzehnten des Rückzugs der Klasse“ und „In der aktuellen Welle wilder Streiks sehen wir bereits die Möglichkeit, sowohl den gewerkschaftlichen als auch den gesetzlichen Rahmen des kapitalistischen Staates zu sprengen“[2]. Doch dann kühlte der Enthusiasmus der IKT deutlich ab: „In diesem Sinne sind wir noch weit von der Militanz der 1970er Jahre entfernt, auch wenn die Gefahr der „money militancy“ (Geldmilitanz) besteht, bei der sich isolierte Teile der Arbeiter und Arbeiterinnen in kräftezehrenden Streiks erschöpfen und letztlich nur um Brosamen kämpfen“.[3]
Die IKT bezieht sich hier auf ihre Position zu den Kämpfen der 1970er Jahre: „In den 1970er Jahren forderte jeder Sektor der von den Gewerkschaften gespaltenen Arbeiter immer höhere Prozentsätze für eine Lohnerhöhung. Dies führte nicht zu einer Infragestellung des Lohnsystems, sondern stärkte es sogar“[4]. Doch überraschenderweise lässt sich die IKT in einem ihrer jüngsten Artikel zu folgender Aussage hinreißen: „Am ersten Februar 2023 war der größte Streiktag seit über einem Jahrzehnt. Dies ist nur der Beginn einer Streikwelle“.[5]
Abgesehen davon, dass die Bourgeoisie dies schon lange vor der IKT festgestellt hat, möchten wir die Gesamteinschätzung der IKT zu den Kämpfen in Großbritannien verstehen: Sieht die IKT darin „den Beginn einer Streikwelle“ oder „isolierte Teile der Arbeiterklasse, (die sich) in ziemlich kräftezehrenden Streiks erschöpfen“? Handelt es sich bei dieser Bewegung um „den Beginn eines neuen Widerstands (...) nach Jahrzehnten des Rückzugs der Klasse,“ oder führte es „nicht zu einer Infragestellung des Lohnsystems, sondern stärkte es sogar“?
Seit dem Sommer 2022 hat die Ausweitung der Arbeiterkämpfe in Großbritannien Mobilisierungen in anderen Ländern inspiriert. Daher ist eine Einschätzung der Mobilisierungen in Großbritannien unmöglich, wenn sie von der Entwicklung des Klassenkampfes auf internationaler Ebene abgekoppelt wird. Dennoch betrachtet die IKT die Auseinandersetzungen fast ausschließlich durch die „britische Brille“. In den sieben Artikeln über die Streiks in Großbritannien fehlt der Bezug zu den Kämpfen die sich anderswo entwickeln. Es ist als ob die Arbeiterklasse in jedem Land ihren eigenen Kampf führte und Alles lediglich die Summe nationaler Kämpfe sei, und nicht Ausdruck einer internationalen Dynamik.
Selbstverständlich schreibt die IKT Artikel über Arbeitskämpfe in anderen Teilen der Welt, aber sie sieht die Bedeutung der Bewegung in Großbritannien nicht als Ausdruck einer internationalen Tendenz des Proletariats, mit der früheren Periode geringer Kampfbereitschaft und mangelndem Selbstbewusstsein zu brechen. Die IKT weiß, dass die Kämpfe in Großbritannien und Frankreich auf proletarischem Terrain stattfinden, konkret verkennt sie aber die Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Teilen der Arbeiterklasse.
Die verzerrte Sichtweise der IKT auf die internationale Dimension des proletarischen Kampfes wird beispielsweise ihrem Artikel über den Kampf der Telekommunikationsarbeiter in Spanien 2015 deutlich, in dem sie schreibt, dass „es hier konkrete Möglichkeiten für eine internationale Ausweitung des Kampfes gibt, da Teleafonica in fünf Ländern tätig ist“[6], während in Wirklichkeit das unmittelbare Bedürfnis der streikenden Arbeiter darin bestand, mit den am Kampf beteiligten Arbeitern „in der nächstgelegenen Fabrik, im Krankenhaus, in der Schule, in der Verwaltung“[7] in direkten Kontakt zu treten. Diese von der IKT beschriebene Art der „internationalen“ sektoralen Ausweitung des Kampfes fördert nur den Korporatismus innerhalb der Arbeiterklasse und untergräbt ihre internationale Einheit.
Um die Bedeutung einer Bewegung innerhalb der Arbeiterklasse zu verstehen, ist es unerlässlich, sie in einen größeren historischen und globalen Kontext zu stellen. Für uns, die IKS, sind die aktuellen Kämpfe wichtig, weil sie einen Bruch mit einer Periode des Rückzugs darstellen, die bis auf die späten 1980er Jahre und die Implosion des angeblich „kommunistischen“ Blocks zurückgeht. Aber auch, weil sie bestätigen, dass dieser Rückzug nicht identisch war mit der Tiefe der globalen historischen Niederlage, die die Arbeiterklasse nach der Zerschlagung der weltrevolutionären Welle zwischen 1917 und 1923 erlebte – einer Periode, die mit dem internationalen Wiederaufleben des Klassenkampfs im Jahr 1968 zu Ende ging.
In diesen Fragen bestätigt die IKT ihre Inkonsequenz. Vor zehn Jahren stellte sie unverblümt fest, dass wir immer noch in einer konterrevolutionären Periode leben: „Die Fragmentierung und Zerstreuung der Klasse (...) hat die Fähigkeit der Arbeiterklasse sich zu wehren verringert, und die andauernden Behauptungen, dass es keine Alternative zum Kapitalismus gibt sind alles Beweise dafür, dass die Klasse die schwere Niederlage der 1920er Jahre noch immer nicht überwunden hat“[8]. In den Jahren 2016-2017 behauptete die IKT jedoch vorsichtiger, dass „sich die Klasse derzeit langsam von Jahrzehnten des Rückzugs und der Umstrukturierung erholt“[9]. Sie zog diese Analyse jedoch schnell zurück, um zu behaupten, dass „wir immer noch darum kämpfen, das Gleichgewicht wiederherzustellen, das wir seit 40 Jahren als Rückzug betrachten“.[10]
Der deutlichste Beweis für das Unvermögen der IKT den historischen Zusammenhang zu begreifen, ist die Tatsache, dass ihre Unterschätzung der Bedeutung der aktuellen Kämpfe Hand in Hand geht mit dem grossen Engagement das sie in ihre NoWarButClassWar-Kampagne investiert, die auf der Illusion beruht, dass die Arbeiterklasse bereits in der Lage sei, einen direkten Anti-Kriegs Kampf zu führen, jedoch ohne zu erkennen, dass eine solche Erwartung völlig unvereinbar ist mit ihrer Vorstellung, dass das Proletariat immer noch unter der Last einer historischen Niederlage agiert.
Obwohl die IKT die Spaltungspolitik der Gewerkschaften konsequent anprangert, wissen wir, dass sie dazu neigt, in die Falle der Basisgewerkschaften zu tappen sobald diese sich einer radikaleren Sprache bedienen und sich auch den Slogan der „Streikkomitees“ auf die Fahnen schreiben, was in Wirklichkeit nur eine Anpassung der Gewerkschaftsstrukturen ist, um ihre Kontrolle über die Arbeiter aufrecht zu erhalten. Für die IKT können diese Gewerkschaftsgremien ein Schritt nach vorne sein, wie das Beispiel des von Unite gegründeten Bus Workers Combine zeigt. Laut IKT ist dies „ein Versuch, den Kampf für bessere Löhne und Bedingungen in den verschiedenen Depots zu koordinieren. Es ist unglaublich wichtig, dass verschiedene Gruppen von Arbeitnehmern ihre Kämpfe vereinen, und das ist unsere beste Chance auf Erfolg.“[11]
Diese opportunistische Haltung gegenüber den Basisgewerkschaften hängt mit der Verwirrung der IKT über das Verhältnis zwischen wirtschaftlichem und politischem Kampf zusammen. Der Begriff der „Geldmilitanz“ (siehe Zitat oben) drückt in Wirklichkeit eine Abwertung der wirtschaftlichen Kämpfe aus, eine Unterschätzung ihrer politischen Dimension.
Für uns ist der Kampf auf dem ökonomischen Terrain eine wesentliche und unabdingbare Dimension, die die Werkzeuge der revolutionären Bewegung von morgen schmiedet. Mit anderen Worten, jeder proletarische Kampf „ist gleichzeitig für unmittelbare Forderungen und er ist revolutionär. Das Stellen von Forderungen, der Widerstand gegen die kapitalistische Ausbeutung, ist die Grundlage und der Motor der revolutionären Aktion der Klasse. [...] In der Geschichte der Arbeiterbewegung gibt es keinen einzigen proletarisch-revolutionären Kampf, der nicht gleichzeitig ein Kampf um Forderungen war. Und wie könnte es auch anders sein, da es sich um den revolutionären Kampf einer Klasse handelt, die durch ihre ökonomische Position charakterisiert und durch ihre gemeinsame materielle Situation geeint ist.“[12]
Für die IKT hingegen „entsteht der ökonomische Kampf, er produziert was er auf der Ebene der Forderungen produzieren kann, und geht dann zurück ohne eine politische Spur zu hinterlassen. Das heißt, es sei denn, die revolutionäre Partei greift ein“.[13] Die Arbeiterklasse ist also nicht in der Lage, ihren Kampf zu politisieren, dies könne nur durch das Eingreifen der „Partei“ geschehen, die hier als deus ex machina fungiert, um den Gegensatz zwischen den beiden Dimensionen des Kampfes zu überwinden.
Kurzum, angesichts der Bewegungen in Großbritannien aber auch in ganz Europa, ist es besonders besorgniserregend, dass eine Organisation die behauptet, Orientierungen für den revolutionären Kampf des Proletariats zu geben, nicht in der Lage ist, diese Kämpfe in ihrem historischen Kontext zu sehen und ihre internationale Dimension zu begreifen. Aber für die IKT scheint diese Verantwortung nicht notwendig zu sein, da „die Partei“ wie Superman erscheinen wird, um alles mit einem Schwung des Zauberstabs zu lösen!
D.&R. 12.4.2023
[1] Als Beispiele: „Les syndicats mènent leurs plus grandes grèves depuis trente ans“ (Le Monde), „The UK is experiencing historic strikes“ (Washington Post)
[4] „Unions – whose side they on [112]?“
[5] „Unite the strikes [113]“
[7] Internationales Flugblatt der IKS: „Großbritannien, Frankreich, Spanien, Deutschland, Mexiko, China… Überall die gleiche Frage: Wie können wir den Kampf weiterentwickeln? Wie können wir die Regierungen zum Rückzug bewegen? [115]“
[8] Cleishbotham (2.9.11) ICT Forum, „ICC theses on decomposition [116]“
[9] „A Crisis of the Entire System [117]“
[10] Cleishbotham, February 2019, ICT Forum: „The Party, Fractions and Periodisation [118]“
Der tragische Tod des jungen Nahel, der von einem Polizisten im Pariser Vorort Nanterre erschossen wurde, hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Sofort brachen in den Städten Frankreichs Ausschreitungen gegen diese schändliche Tat aus.
Wie auf dem Video ersichtlich, das sofort in den sozialen Netzwerken zirkulierte, wurde Nahel wegen einer einfachen Befehlsverweigerung kaltblütig aus nächster Nähe erschossen. Dieser Mord steht auf eine lange Liste von Tötungen und Verletzungen durch die Polizei, die meist ungestraft bleiben.
Die Zunahme von Gesichtskontrollen, schamloser Diskriminierung und systematischer Belästigung von Jugendlichen mit einer etwas „zu dunklen" Hautfarbe sind Alltag. Ein ganzer Teil der Bevölkerung, oft arm und ausgegrenzt, kann den ständigen Rassismus, dem er ausgesetzt ist, nicht mehr ertragen. Das arrogante und erniedrigende Verhalten vieler Polizisten ist unerträglich, ebenso wie die Hassreden, die tagtäglich im Fernsehen und im Internet verbreitet werden. Die schändliche Mitteilung der Gewerkschaft Alliance, die sich als "im Krieg" gegen „Schädlinge“ und „wilde Horden" sieht, veranschaulicht diese unerträgliche Realität.
Die widerlichen fremdenfeindlichen Untertöne vieler Polizisten ermöglichen es aber auch allen Verteidigern der "Demokratie" und des "Rechtsstaates", den immer offensichtlicheren Terror und die Gewalt, die der bürgerliche Staat und seine Polizei auf die Gesellschaft ausüben, zu verschleiern. Denn der Mord an Nahel ist Ausdruck der Zunahme staatlicher Gewalt und einer kaum verhüllten Absicht, uns angesichts der unaufhaltsamen Krise des Kapitalismus, der unvermeidlichen Reaktionen der Arbeiterklasse sowie auch angesichts der Risiken einer sozialen Explosion (Aufstände, Plünderungen, usw.), die in Zukunft immer häufiger auftreten werden, zu terrorisieren und zu unterdrücken.
Diese Gewalt manifestiert sich ganz alltäglich in der Unterdrückung der Ausgebeuteten an ihren Arbeitsplätzen, in den ständigen Demütigungen und der sozialen Gewalt, die den Arbeitslosen und allen Opfern des Kapitalismus angetan wird, sie drückt sich aber auch im immer gewalttätigeren Verhalten eines überwiegenden Teils der Polizei, der Justiz und des gesamten staatlichen Repressionsarsenals aus, sei es im Alltag in den Banlieues oder gegen soziale Bewegungen.
Seit dem Gesetz von 2017, mit dem die Bedingungen, unter denen die Polizei schießen darf, gelockert wurden, hat sich die Zahl der Morde verfünffacht. Seit diesem Gesetz, das von der linken Hollande-Regierung verabschiedet wurde, haben die Polizisten fast einen Freipass zum Schießen! Gleichzeitig hat die Unterdrückung sozialer Bewegungen in den letzten Jahren stetig zugenommen, wie die Gelbwesten-Bewegung mit einer Vielzahl von Verletzten beweist. Im Frühjahr kam es durch die zahlreichen Angriffe der Sonderpolizei BRAV-M (Brigade de répression de l`action violante motorisée) zu einem schrecklichen Gewaltausbruch gegen die Proteste gegen die Rentenreform. Auch die Gegner der Mega-Bassins von Sainte-Soline oder die illegalen Einwanderer, die aus Mayotte vertrieben wurden, waren Opfer gewalttätigster Repression. Sogar die UNO verurteilte "die mangelnde Zurückhaltung bei der Anwendung von Gewalt" und die "kriminalisierende Rhetorik" des französischen Staates. Und das aus gutem Grund! Das Arsenal von Ordnungskräften in Frankreich ist eines der umfangreichsten und gefährlichsten in Europa. Der zunehmende Einsatz von Gummischrot und Tränengas, der Einsatz von Anti-Aufruhr-Panzern usw. führt dazu, dass soziale Bewegungen in regelrechte Kriegsschauplätze verwandelt werden, in einem Krieg gegen Leute, die von den Behörden schamlos als "Kriminelle" oder "Terroristen" bezeichnet werden.
Die jüngsten Ausschreitungen waren wieder eine Gelegenheit für die Bourgeoisie, mit 45.000 Polizisten, den Eliteeinheiten BRI und RAID, Panzerwagen der Gendarmerie, Überwachungsdrohnen, Schützenpanzern, Wasserwerfern, Hubschraubern usw. hart durchzugreifen. 2005 hatten die Ausschreitungen in den Vorstädten drei Wochen gedauert, weil die Bourgeoisie versucht hatte, die Lage zu beruhigen, indem sie weitere Tote vermieden hatte. Heute muss sich die Bourgeoisie sofort mit Gewalt durchsetzen und verhindern, dass ihr die Situation entgleitet. Gegen die weitaus heftigeren und ausgedehnteren Ausschreitungen als 2005 schlägt sie heute mit zehnfacher brutaler Kraft zu.
Je mehr sich die Lage verschlechtert, desto mehr ist der Staat in Frankreich wie überall auf der Welt in seiner eigenen Logik gezwungen, mit Gewalt und einem Arsenal an repressiven Mitteln zu reagieren. Doch die Anwendung physischer und juristischer Gewalt[1] verstärkt paradoxerweise die Unordnung und das Chaos, das die Bourgeoisie einzudämmen versucht. Indem sie seit Jahren ihre Bluthunde auf die am stärksten leidenden Bevölkerungsgruppen hetzt und die Hass- und Rassismus-Parolen auf höchster Ebene des Staates und in den Medien vervielfacht, hat sie selbst die Bedingungen für einen gewaltigen Ausbruch von Wut und Gewalt geschaffen. In Zukunft wird die brutale Niederschlagung der Ausschreitungen, die Frankreich in den
vergangenen Tagen erschüttert haben, mit Sicherheit zu noch mehr Gewalt und Chaos führen. Die Regierung Macrons hat lediglich einen Deckel auf ein Feuer gelegt, das weiter schwelen wird.
Der Mord an Nahel brachte das Fass zum Überlaufen. In ganz Frankreich, bis hin nach Belgien und in die Schweiz, brach eine riesige Wut aus. Überall kam es zu sehr gewalttätigen Zusammenstößen mit den Ordnungskräften, insbesondere in den großen städtischen Zentren um Paris, Lyon oder Marseille. Überall wurden öffentliche Gebäude, Geschäfte, Busse, Straßenbahnen und zahlreiche Fahrzeuge von zum Teil sehr jungen Leuten, die oft erst 13 oder 14 Jahre alt waren, zerstört. Es kam zu Bränden in Einkaufszentren, Rathäusern, Polizeistationen, aber auch in Schulen, Turnhallen, Bibliotheken usw. Die meisten dieser Brände wurden von der Polizei gelöscht. In Geschäften und Supermärkten kam es schnell zu Plünderungen, meist für ein paar Kleidungsstücke oder Lebensmittel.
Diese Ausschreitungen brachten einen Hass auf das Verhalten der Polizei zum Ausdruck, auf deren ständige Gewalt, auf die Demütigungen, das Gefühl der Ungerechtigkeit und die Straflosigkeit der Peiniger. Aber wie lässt sich das Ausmaß der Gewalt und das Ausmaß des Chaos erklären, obwohl die Regierung nach dem Mord an Nahel anfänglich ein Theater der Empörung vorspielte und exemplarische Strafen versprach?
Der tragische Tod eines Jugendlichen war der Auslöser dieser Ausschreitungen, ein Funke. Aber der Kontext der sich vertiefenden Krise des Kapitalismus mit all ihren Folgen für die am stärksten gefährdeten und am meisten abgelehnten Bevölkerungsgruppen ist die wahre Ursache und der Antrieb der Revolte. Die Ursache ist ein tiefes Unbehagen, das schließlich explodiert ist. Entgegen den Erklärungen von Macron und seiner Clique, die die Verantwortung auf "Videospiele, die die Jugendlichen vergiften", oder auf die Eltern, die ihren Kindern "zwei Ohrfeigen" verpassen sollten, schieben, sind die Jugendlichen in den Vorstädten, die bereits Opfer einer chronischen Diskriminierung sind, mit voller Wucht von der Krise, der zunehmenden Marginalisierung, der extremen Verarmung und dem Phänomen des individuellen Durchwurstelns betroffen. Dies zwingt sie oft dazu, auch in den Handel mit allem Möglichen einzusteigen. Kurz gesagt, sie sind betroffen von Vernachlässigung und Perspektivlosigkeit.
Die Ausschreitungen waren keineswegs eine organisierte Gewalt, die sich ihrer Ziele bewusst war, sondern vielmehr ein Ausbruch blinder Wut von Jugendlichen ohne Kompass, die verzweifelt und ohne Perspektive handelten. Die ersten Ausschreitungen in den Vorstädten Frankreichs traten zu Beginn der Zerfallsphase des Kapitalismus auf – von den Riots in Vaulx-en-Velin bei Lyon im Jahr 1979 bis zu den heutigen Ausschreitungen. Wie wir bereits in der Vergangenheit betont haben, ist den Ausschreitungen gemeinsam, dass sie ein "Ausdruck der Verzweiflung und der daraus resultierenden No-Future-Stimmung sind, die sich in ihrer völligen Absurdität manifestiert. Dies gilt auch für die Ausschreitungen, die im November 2005 in den Vorstädten Frankreichs aufflammten [...]. Die Tatsache, dass die eigenen Familien, Nachbarn oder Verwandten die Hauptopfer der Verwüstungen waren, offenbart den völlig blinden, verzweifelten und selbstmörderischen Charakter dieser Art von Ausschreitungen. Die Autos der in diesen Vierteln lebenden Arbeiter wurden angezündet, Schulen und Sporthallen, die von ihren Brüdern und Schwestern oder den Kindern ihrer Nachbarn besucht werden, wurden zerstört. Und gerade wegen der Absurdität dieser Ausschreitungen konnte die Bourgeoisie sie benutzen und gegen die Arbeiterklasse wenden." [2]
Im Gegensatz zu 2005, als die Ausschreitungen mehrheitlich auf die Vorstädte beschränkt blieben, wie etwa in Clichy-sous-Bois, erfassten die jetzigen nun auch die urbanen Zentren, die bislang geschützten Stadtkerne und sogar kleine, früher verschonte Provinzstädte wie Amboise, Pithiviers oder Bourges, in denen es zu Gewaltausbrüchen gekommen ist. Die Verschärfung der Spannungen und die tiefe Verzweiflung, welche die Beteiligten antreibt, haben dieses Phänomen nur noch verstärkt und ausgeweitet.
Im Gegensatz zu allem, was die Parteien der Linken des Kapitals, allen voran die Trotzkisten des NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste) und Anarchisten behaupten, sind die Ausschreitungen weder ein günstiges Terrain für den Klassenkampf noch ein Ausdruck desselben, sondern im Gegenteil eine Gefahr für den Klassenkampf. Denn die Bourgeoisie kann das von den Ausschreitungen vermittelte Bild des Chaos umso leichter instrumentalisieren und die Arbeiterklasse zu Kollateralopfern machen:
- durch die angerichteten Schäden und Zerstörungen, die die Jugendlichen selbst und ihre Nachbarn betreffen;
- durch die Stigmatisierung der "Banlieusards", die als "Wilde" dargestellt werden, die für alle Übel der Gesellschaft verantwortlich sind;
- durch die Repression, die hier eine billige Begründung findet, um verstärkt gegen alle sozialen Bewegungen und damit insbesondere gegen die Kämpfe der Arbeiterklasse vorzugehen.
Diese Ausschreitungen ermöglichen es der Bourgeoisie, eine ganze Propaganda zu entfesseln, um die Arbeiterklasse noch weiter von den rebellierenden Vorstadtjugendlichen abzusondern. Wie 2005 "ermöglichte es ihre exzessive mediale Berichterstattung der herrschenden Klasse, möglichst viele Arbeiter und Arbeiterinnen in den Arbeitervierteln dazu zu bringen, die randalierenden Jugendlichen nicht als Opfer des krisengeschüttelten Kapitalismus, sondern als "Rowdys" zu betrachten. Dies um jede Reaktion der Solidarität der Arbeiterklasse mit den Jugendlichen zu untergraben". [3]
Der Bourgeoisie und ihren Medien gelingt es leicht, die Ereignisse zu instrumentalisieren, indem sie die Vermischung von solchen Ausschreitungen und dem Kampf der Arbeiterklasse, von unkontrollierter Gewalt, sterilen Zusammenstößen mit der Polizei und dem, was im Gegenteil zum bewussten und organisierten Klassenkampf gehört, begünstigen. Indem die Bourgeoisie solche Ausschreitungen kriminalisiert, kann sie immer mehr Gewalt gegen den Klassenkampf entfesseln! Es ist kein Zufall, dass während der Bewegung gegen die Rentenreform die Bilder, die auf den Fernsehkanälen der ganzen Welt in Endlosschleife liefen, Szenen von Zusammenstößen mit der Polizei, Gewalt und Mülltonnenbränden waren. Es ging darum, eine Gleichsetzung dieser beiden radikal aber komplett verschiedenen Ausdrucksformen sozialer Kämpfe zu vollziehen, um zu versuchen, das Bild einer Kontinuität und einer gefährlichen Unordnung zu vermitteln. Ziel war es, die Arbeiterklasse auszulaugen und daran zu hindern, die Lehren aus ihren eigenen Kämpfen zu ziehen, und das begonnene Nachdenken über die Frage der Klassenidentität zu sabotieren. Die jüngsten Ausschreitungen in Frankreich waren die perfekte Gelegenheit, diese Vermischung zu verstärken.
Die Arbeiterklasse hat ihre eigenen Kampfmethoden, die im radikalen Gegensatz zu Ausschreitungen und einfachen Stadtrevolten stehen. Der Klassenkampf hat absolut nichts mit wahlloser Zerstörung und Gewalt, Brandstiftung, Rachegefühlen und Plünderungen zu tun, die keine Perspektive bieten.
Obwohl sie sich über soziale Netzwerke koordinieren können, ist das Vorgehen der Beteiligten in den Zusammenstößen unmittelbar und rein individuell, geleitet vom Instinkt zur wilden Bewegung, geprägt von der Dynamik der Rache und Zerstörung. Der Kampf der Arbeiterklasse ist das genaue Gegenteil dieser Praktiken. Eine Klasse, deren unmittelbare Kämpfe stattdessen in einer historischen Tradition stehen, in einem bewussten, organisierten Kampf für den weltweiten Sturz der kapitalistischen Gesellschaft. In diesem Sinne muss die Arbeiterklasse aufpassen, dass sie sich nicht auf den morschen Boden krawallartiger Ausschreitungen, auf den Abhang der blinden und schlussendlich sinnlosen Gewalt und schon gar nicht in sterile Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften ziehen lässt, die nur die Unterdrückung rechtfertigen.
Im Gegensatz zu krawallartigen Ausschreitungen, die den bewaffneten Arm des Staates stärken, können Arbeiterkämpfe, wenn sie einheitlich und aufsteigend sind, der Repression die Stirn bieten. Im Mai 1968 beispielsweise hatten angesichts der Unterdrückung der Studenten und Studentinnen die massiven Bewegungen und die Einheit der Arbeiterklasse die Gewalt der Polizei eingeschränkt und zurückgedrängt. Ebenso hatten die polnische Arbeiterklasse, als sie sich 1980 in weniger als 48 Stunden landesweit mobilisierten, durch ihre Einheit und Selbstorganisation vor der extremen Brutalität des "sozialistischen" Staates geschützt. Erst als sie ihren Kampf in die Hände der Gewerkschaft Solidarnosc legten, als diese wieder die Kontrolle über den Kampf übernahm, als die Arbeiterklasse auf diese Weise gespalten und der Führung des Kampfes beraubt wurden, kam es zu einer brutalen Unterdrückung.
Die Arbeiterklasse muss vorsichtig sein gegenüber der Gefahr, die von blinder Gewalt ausgeht, damit sie ihre eigene Klassengewalt aufbauen kann, die einzige, welche eine Zukunft hat.
WH, 3. Juli 2023
[1] Nach dem harten Durchgreifen der Polizei wurden Tausende verhaftete Jugendliche in Schnellverfahren zu sehr hohen Strafen verurteilt.
[2] Quelle différence entre les émeutes de la faim et les émeutes des banlieues [122] („Was ist der Unterschied zwischen den Hungerrevolten und den Ausschreitungen in den Vorstädten?“), Révolution Internationale Nr. 394 (Oktober 2008)
[3] ebenda
"Die ACG, Angry Workers, Plan C und Communist Workers Organisation werden die jüngsten und zukünftigen Streiks in Großbritannien und anderswo diskutieren. Es wird viel Zeit für Fragen, Antworten und Diskussionen geben."
Mit diesen Worten kündigte die Anarchist Communist Group ACG ihre öffentliche Diskussionsveranstaltung am 12. Mai 2023 an. Ziel des Treffens war es, "die Idee der Basisorganisationen gegen die Machenschaften der Gewerkschaftsbürokraten durchzusetzen, welche die Streiks sowohl hier in Grossbritannien als auch im Ausland behindern und sabotieren".[1]
Die ACG spaltete sich vor fünf Jahren von der Anarchistischen Föderation (AF) in der Frage der sog. "Identitätspolitik" ab, um den Schwerpunkt stärker auf den Kampf der Arbeiterklasse zu legen. Sie vertrat eine grundsätzlich internationalistische Haltung gegen den Krieg in der Ukraine, wenn auch mit deutlichen Schwächen.[2]
Die Angry Workers of the World AWW ist eine eher "arbeitertümlerische" Gruppe, die in West-London entstand und in ihren Ideen und Methoden dem anarchistischen Milieu sehr nahesteht. Ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Krieges hatte es die Gruppe noch immer nicht zustande gebracht, einheitliche Position dazu zu formulieren. Und trotz einer kürzlich geführten Diskussion über unsere Kritik am revolutionären Defätismus vertritt sie immer noch keine eindeutig internationalistische Position.[3]
Plan C ist eine eindeutig linksbürgerliche Organisation, ohne eine klar definierte Ideologie und die sich selbst als experimentell und undogmatisch charakterisiert. Am 25. Juni 2022 hatte sie eine Versammlung in "Solidarität mit der ukrainischen Arbeiterklasse" (und nicht gleichzeitig mit der Arbeiterklasse in Russland!) abgehalten, mit Rednern und einem Film über Anarchisten in der Ukraine, die ihren Nachbarn helfen und die kämpfenden Soldaten unterstützen…
Die Communist Workers Organisation CWO ist eine Organisation des revolutionären proletarischen Milieus, die Teil der Internationalistischen Kommunistischen Tendenz IKT ist und im Gegensatz dazu eine klare internationalistische Position gegen den Krieg vertritt.
Schon im Oktober 2022, vor der damaligen Diskussionsveranstaltung der ACG in London, erhielten wir von ihnen eine E-Mail, in der es hieß: "Falls die IKS daran denkt, an der öffentlichen Diskussionsveranstaltung heute Abend teilzunehmen, so überdenkt dies bitte noch einmal, da wir entschieden haben, dass eure Anwesenheit schädlich wäre". Wir schrieben zurück und baten die ACG um eine Erklärung, erhielten jedoch keine Antwort.
Als wir am 12. Mai 2023 an der ACG-Diskussionsveranstaltung eintrafen, wurden wir als IKS aus dem Treffen verwiesen. Wir protestierten dagegen und erinnerten die ACG daran, dass ja sie selbst im Herbst 2022 von der Anarchistischen Buchmesse ausgeschlossen worden war, weil sie gegen den Krieg in der Ukraine Stellung bezogen hatte. Wir wiesen auch die Ausrede zurück, dass die IKS "zu viel redet", da es unsere Praxis ist, die Regeln der Organisation, die ein Treffen veranstaltet, zu respektieren. Unsere Einwände wurden ignoriert, und wir hatten keine andere Wahl als unsere Flugblätter und unsere Presse draußen zu verteilen und aufzulegen.
Wir wissen nicht, was die ACG dazu bewogen hat, öffentliche Diskussionsveranstaltungen mit einer linksbürgerlichen Gruppe wie Plan C zu organisieren, aber wenn sie glaubt, dass dies ihre Fähigkeit proletarische Positionen zu verteidigen stärkt, dann irrt sie sich. Viele Beispiele aus der Geschichte der Arbeiterbewegung zeigen, dass gemeinsame Aktivitäten zwischen einer bürgerlichen Organisation und einer Organisation, die sich an proletarischen Positionen orientiert, immer zum Nachteil der Letzteren sind.
Das deutlichste Beispiel dafür war die CNT (Confederation Nacional del Trabajo) in Spanien, die eine revolutionäre Organisation des Proletariats war und sogar erwog, die Mitgliedschaft in der Komintern zu beantragen. Doch im Laufe der 1920er Jahre begann sie, sich immer mehr mit bürgerlichen politischen Organisationen zu verbünden, bis sie 1936 beschloss, sich an den Regierungen sowohl der katalanischen Generalitat als auch der Madrider Republik zu beteiligen. Diese Wendung war kein Zufall, denn danach, während des Zweiten Weltkriegs, kämpfte die CNT in Frankreich, vom Antifaschismus erfasst, in den offiziellen Armeen der französischen Résistance gegen die deutsche Besatzung. Die CNT hatte sich damit endgültig in eine bürgerliche Organisation verwandelt.[4]
Heute ist die ACG durchaus bereit, ein Treffen mit Denjenigen zu veranstalten, die sich als absolut unfähig erweisen, eine klare internationalistische Haltung einzunehmen, wie die AWW, und, was noch schlimmer ist, mit einer Gruppe wie Plan C, die klar im Lager der Bourgeoisie steht.
Gleichzeitig schließt die ACG eine Organisation (uns, die IKS) von ihrer Versammlung aus, die genau wie die ACG selbst, den proletarischen Internationalismus und die Perspektive des Kommunismus verteidigt. Wie erklärt die ACG diesen Widerspruch?
Eine weiterer Widerspruch der ACG ist die Tatsache, dass sie öffentlich ihren Standpunkt zum Klassenkampf vertritt, diesen aber nicht in einer öffentlichen Debatte mit uns konfrontieren will, obwohl ihre Position in dieser Frage keineswegs antagonistisch zu unserer ist, wie wir z.B. in folgendem Zitat aus einem Artikel der ACG sehen: "Da immer mehr Arbeiter gezwungen sind, Kampfmaßnahmen zu ergreifen, wird es immer notwendiger, neue Formen der Organisation zu schaffen. Diese sollten einen effektiven und einheitlichen Kampf ermöglichen, der die Gewerkschaftsbürokraten umgeht und über die Gewerkschaften hinausgeht" [5]. Wie Jeder, der unsere Presse liest, weiss, ist diese Position unserer sehr nahe, auch wenn sie wahrscheinlich mit anderen Argumenten verteidigt wird. Aber eine öffentliche Debatte würde zeigen, welche Argumente die klarsten sind. Die Fragen sind also: Warum vermeidet die ACG eine politische Debatte mit der IKS und warum ist sie der Meinung, dass eine Debatte mit uns über den Klassenkampf "schädlich" für die Entwicklung einer proletarischen Perspektive ist?
Die Communist Workers Organisation gehört zum selben Milieu der revolutionären Organisationen der Kommunistischen Linken wie die IKS. Dieses Milieu stützt sich auf bestimmte Prinzipien, die alle Organisationen respektieren sollten. Ein Prinzip ist, dass ein Angriff auf eine dieser Organisation als ein Angriff auf die gesamte Kommunistische Linke verstanden wird. Wenn also eine Gruppe in diesem Milieu angegriffen, boykottiert oder ausgeschlossen wird, sind damit alle Organisationen angegriffen und sollten als einheitliches Ganzes reagieren. Denn jeder Angriff auf eine revolutionäre Organisation stellt eine Bedrohung für den historischen Prozess des Parteiaufbaus dar.
So hatten wir, als die Internationale Kommunistische Partei IKP, welche sich vor allem auf die Positionen von Bordiga beruft, attackiert wurde, nachdem sie die Broschüre Auschwitz oder das große Alibi von 1961 wiederveröffentlicht hatte, unsere volle Unterstützung gegeben. Im Jahr 2015 veröffentlichten wir eine Solidaritätserklärung für die IKT (zu der die CWO gehört), als die Aktivisten dieser Organisation von ehemaligen Mitgliedern der IKT-Sektion in Italien angegriffen wurden. Doch wie reagiert nun die CWO auf das Verbot uns gegenüber, an der öffentlichen Diskussionsveranstaltung der ACG teilnehmen zu dürfen? Wir hatten die CWO bereits am 8. November 2022 angeschrieben und um eine Stellungnahme zu diesem Thema gebeten, aber nie eine Antwort erhalten.
Als später Genossen der CWO, nach dem ausgesprochenen Verbot uns gegenüber durch die ACG, zu unserer eigenen öffentlichen Diskussionsveranstaltung am 12. November 2022 kamen, baten wir sie, zu dem Vorfall Stellung zu nehmen. Aber stattdessen wichen die Genossen der Frage aus, was sie davon halten, dass die ACG uns ausgeschlossen hatte und wie ACG-Mitglieder dies ihnen gegenüber rechtfertigten. Es schien fast als wären sie deren "Gefolgschaft". Die ACG hat gehandelt und die CWO hat die Pflicht, dazu eine klare Position einzunehmen.
Der Genosse, der die CWO auf dieser jüngsten Diskussionsveranstaltung der ACG am 12. Mai vertrat, erklärte bei seiner Ankunft, er habe nicht gewusst, dass die IKS von der Veranstaltung ausgeschlossen worden sei, und er habe auch nicht gewusst, dass die CWO in der Werbung für die Sitzung als eine der teilnehmenden Gruppen erwähnt wurde. War ihm bewusst, dass er an einer Debatte mit einer klar bürgerlichen linken Organisation teilnahm? Unwissenheit ist ein schlechtes Argument, um sich dahinter zu verstecken, aber in der Zwischenzeit war er von uns über unseren Ausschluss von der Sitzung informiert worden, und dennoch bezog er keinen klaren Standpunkt!
Es ist klar, dass die CWO, nachdem sie parasitären Gruppen und Spitzeln die Tür geöffnet hat (wie z.B. rund um das Pariser Komitee No War But The Class War [6]), nun auch Organisationen die Tür öffnet, die offen bürgerliche Positionen verteidigen, wie z.B. Plan C. Aber revolutionäre Organisationen können sich nicht auf eine öffentliche Diskussion über den Klassenkampf mit Organisationen einlassen, die keine internationalistische Position vertreten. Solche Organisationen stehen den historischen Interessen der Arbeiterklasse grundsätzlich feindlich gegenüber. Aber die CWO, die beides haben will, hat nicht den Mut offen zu sagen, dass sie eine Annäherung und eine Zusammenarbeit mit einer "undogmatischen" linken Gruppe wie Plan C der Solidarität mit uns vorzieht.
In ihrer Politik der "Offenheit" will die CWO nicht, dass die IKS Zeuge ihrer "Romanze" mit anarchistischen oder linken Gruppen wird. Deshalb ist sie bereit, das Prinzip der Solidarität innerhalb der Kommunistischen Linken unter den Teppich zu kehren und weigert sich, den Ausschluss der IKS von der ACG-Diskussionsveranstaltung zu verurteilen.
Letztlich hat die CWO gezeigt, dass sie das Prinzip der Verteidigung anderer Organisationen der kommunistischen Linken gegen Angriffe von außen aufgibt. "Aber keine proletarische Organisation kann diese elementare Notwendigkeit [der Solidarität] ignorieren, ohne einen sehr hohen Preis zu zahlen".[7]
IKS, 14. Juli 2023
[2] Siehe auf ICConline: https://en.internationalism.org/content/17185/between-internationalism-a... [124]
[3] Siehe auf ICConline: https://en.internationalism.org/content/17250/aww-and-ukraine-war-there-... [125]
[4] Siehe: https://en.internationalism.org/ir/131/CNT-1921-31 [126]
Im Mai 2023 veranstaltete die IKS in verschiedenen Ländern öffentliche Treffen zum Thema: "Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Mexiko, China... Über 1968 hinausgehen!" Ziel war es, ein besseres Verständnis der politischen, globalen und historischen Bedeutung dieser Kämpfe, der Perspektiven die sie bieten, aber auch der großen Schwächen zu erlangen, die die Arbeiterklasse überwinden muss, wenn sie die wirtschaftliche und politische Dimension ihres Kampfes entwickeln will. Die aktive Beteiligung an den geführten Debatten ist ein Beispiel für die langsame Reifung des Bewusstseins in der Arbeiterklasse weltweit, die besonders bei den kleinen Minderheiten einer neuen Generation zu beobachten ist. Auf diese Weise knüpfen sie allmählich wieder an die Erfahrungen der Arbeiterbewegung und der Kommunistischen Linken an.
Bei der Gegenüberstellung verschiedener Positionen auf diesen Treffen wurde der Wunsch nach Klärung deutlich. So wurden in den Antworten auf die Analyse der IKS Unterstützung, Nuancen, Zweifel und Fragen, aber auch Meinungsverschiedenheiten zum Ausdruck gebracht. Der Zweck dieses Artikels ist es, einige Details dieser Debatten wiederzugeben, um eine zukünftige Debatte zu fördern.
Angesichts des zunehmenden Chaos der kapitalistischen Produktionsweise, ihres zerstörerischen Charakters, der durch den Krieg in der Ukraine verdeutlicht wird, und der Aussicht auf ein immer tieferes Abgleiten in die Wirtschaftskrise wurde in den Redebeiträgen allgemein die Tatsache anerkannt, dass es im letzten Jahr zu einer weit verbreiteten Entwicklung der Kämpfe der Arbeiterklasse auf internationaler Ebene gekommen ist - ein Kampf gegen die zunehmenden Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse.
Einige Teilnehmer zogen Parallelen zwischen der aktuellen Situation und dem Mai '68.[1] 1968 läutete die Rückkehr der Arbeitslosigkeit (wenn auch auf einem viel niedrigeren Niveau als heute) das Ende der als "Nachkriegsboom" bezeichneten Periode ein, mit dem Wiederauftreten der offenen Krise, einer neuen Rezessionsperiode, dann einer Erholung, gefolgt von einer noch tieferen Rezession. Heute ist zweifellos die brutale Verschärfung der Wirtschaftskrise und die zunehmende Inflation Triebfeder des Widerstandes der Arbeiterklasse. Einige Teilnehmer wiesen darauf hin, dass die Gemeinsamkeit zwischen Mai 68 und der gegenwärtigen Periode im Ausbruch grosser Mobilisierungen der Arbeiterklasse liegt. Ein Teilnehmer aus Großbritannien erklärte, dass "der Hauptunterschied zu '68 die derzeitige Tiefe der Wirtschaftskrise ist".
Ein anderer Teilnehmer bekräftigte, dass "der Mai 68 das Ende der Konterrevolution bedeutet hat". Nach dem Scheitern der revolutionären Welle der 1920er Jahre und dem brutalen Gewicht des Stalinismus, das auf die Niederlage des Weltproletariats folgte, bedeutete der Mai '68 in der Tat das Wiedererstarken des Kampfes der internationalen Arbeiterklasse. In Paris beschrieb ein Teilnehmer die subjektiven Bedingungen des Kampfes der Arbeiterklasse im Jahr 1968 und heute wie folgt:
"Der Verweis auf den Mai '68 ist richtig. Dieses Ereignis fiel mit dem Aufkommen einer neuen Generation der Arbeiterklasse zusammen, die im Gegensatz zu ihren Eltern nicht dem ideologischen Druck der Konterrevolution und insbesondere dem übermächtigen Einfluss des Stalinismus ausgesetzt war. Heute braucht es eine neue Generation, um die Ideologie vom 'Tod des Kommunismus' abzuschütteln". Bemerkenswerterweise stimmten die Teilnehmer in Brasilien fast "selbstverständlich" der Analyse zu, dass das Proletariat in den westeuropäischen Ländern, die Arbeiterklasse im Herzen des kapitalistischen Systems, eine Vorreiterrolle bei der Mobilisierung der internationalen Kämpfe spielen. Ein Teilnehmer aus Großbritannien meinte, dass "die derzeitigen Kämpfe wichtig sind. Sie stellen die Möglichkeit einer echten Erneuerung des Klassenkampfes dar".
Aber im selben Diskussionsbeitrag - und auch in anderen, insbesondere in Brasilien - zeigte sich der Teilnehmer besorgt über "die Schwäche der Arbeiterklasse" und "die Manöver der Bourgeoisie und ihre Fähigkeit, die Kontrolle zu behalten, insbesondere durch ihr Instrument der Gewerkschaften".
Einige der Diskussionsbeiträge versuchten in der Tat, Parallelen zwischen Mai 68 und der gegenwärtigen Periode aufzuzeigen, während andere die beiden Ereignisse einander gegenüberstellten. Doch abgesehen von der Suche nach Parallelen und Unterschieden zwischen diesen beiden historischen Momenten hatten alle Teilnehmer Schwierigkeiten zu verstehen, was unter einem "Bruch" im Kontext des Klassenkampfes zu verstehen ist, sowohl 1968 als auch heute.
1968 beendete mit dem globalen Aufschwung der Kämpfe der Arbeiterklasse ein halbes Jahrhundert der Konterrevolution, welche das Ergebnis einer tiefgreifenden physischen und ideologischen Niederlage des Proletariats nach der Zerschlagung der revolutionären Welle von 1917-23 war. Der heutige Bruch von 2022, der durch die Mobilisierung des Proletariats in Großbritannien eingeläutet wurde, signalisierte eine Wiederbelebung des Kampfes einer Arbeiterklasse, die zwar keine vernichtende physische Niederlage erlitten hat welche mit der weltweiten Konterrevolution vergleichbar ist, die aber andererseits die volle Wucht der bürgerlichen Kampagnen über den "Tod des Kommunismus" und das "Verschwinden der Arbeiterklasse" nach dem Zusammenbruch der beiden imperialistischen Blöcke 1989 zu spüren bekam.
In den letzten dreißig Jahren hatte sich die Arbeiterklasse weltweit, desorientiert und mit verlorener Klassenidentität, als unfähig erwiesen, sich gegen die Angriffe der herrschenden Klasse zu wehren. Erst nach dieser enorm langen Periode unerbittlicher, weit verbreiteter und zunehmend unerträglicher Angriffe auf ihre Lebensbedingungen ist die Arbeiterklasse nun in der Lage, sich in einem Ausmaß zu mobilisieren wie wir es seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben (seit den Arbeitskämpfen 1985 Großbritannien). Dies ist ein klarer Bruch mit der Situation die seit 1990 international vorherrschte. Da die Arbeiterklasse aber als Ganzes dreißig Jahre lang nicht komplett niedergeschlagen werden konnte, entwickelte sich ein Reflexionsprozess (die unterirdische Reifung des Klassenbewusstseins), der zu einem zunehmenden Verlust von Illusionen über die Zukunft die der Kapitalismus noch zu bieten habe, und zur Gewissheit führte, dass sich die Situation nur noch zuspitzen kann. Auf diese Weise ist eine Wut angewachsen, die in der Haltung der Streikenden in Großbritannien deutlich wurde: "enough is enough".
Die Dynamik der letzten dreißig Jahre wurde nicht wirklich verstanden, und die Diskussionen hatten zu verschiedenen Missverständnissen geführt. So sprach ein Teilnehmer in Toulouse von einer angeblichen "Kontinuität" des Kampfes in den letzten dreißig Jahren, geprägt von Siegen und Niederlagen, insbesondere der Mobilisierung gegen den CPE in Frankreich (2006), gegen die Rentenreform von Sarkozy-Fillon (2010) und auch der Indignados-Bewegung (2011). Doch gerade in dieser Zeit gab es keine wirkliche Kontinuität (in der aktuelle Kämpfe ein Echo vergangener Kämpfe darstellten), da die Arbeiterklasse nicht in der Lage war, diese seltenen neuen Erfahrungen in ihr kollektives Gedächtnis aufzunehmen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff des "qualitativen Sprungs", der von einigen Teilnehmern, insbesondere in Brasilien, verwendet wurde, um den Ausbruch der Kämpfe in Großbritannien und Frankreich zu charakterisieren. Eine solche Auffassung, die im Allgemeinen dazu neigt, das Bewusstsein auf ein einfaches Produkt oder eine Reaktion des unmittelbaren Kampfes selbst zu reduzieren, spielt alle anderen Dimensionen des Prozesses, durch den sich das Bewusstsein entwickelt, herunter. Die Idee eines "qualitativen Sprungs" kann nur nachteilig sein, da sie impliziert, dass die Arbeiterklasse ganz plötzlich viele ihrer Schwächen überwunden hat.
Andererseits tendierten einige Diskussionsbeiträge in Mexiko dazu, den Kampf des Proletariats zu verwässern, indem sie den Klassenkampf in Bereiche wie umweltpolitische Kampagnen oder Feminismus ablenkten, und sie wurden zu Recht kritisiert. Die diesen Bereichen zugrunde liegende Ideologie, die direkt zu einem Verlust der Klassenidentität führt, stellt in der Tat eine eindeutige Bedrohung für den autonomen Kampf des Proletariats dar, der den einzig möglichen Weg zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme durch die Überwindung des Kapitalismus darstellt.
Auch wenn die Teilnehmer auf den Treffen das Ausmaß der aktuellen Kämpfe anerkannten, muss gesagt werden, dass sie im Allgemeinen nicht in der Lage waren, deren Bedeutung als grundlegendes Element des Bruchs zu verstehen. Millionen von Arbeitern und Arbeiterinnen, die in einigen wenigen westeuropäischen Ländern konzentriert sind, haben sich trotz der finanziellen Einbussen die sie damit auf ihre Schultern nehmen müssen mobilisiert, und kämpfen in Solidarität mit ihren Kollegen gegen das Elend, das der Kapitalismus ihnen durch Ausbeutung und Spaltung zufügen will. Das allein ist schon ein großer Sieg.
Einige Teilnehmer kritisierten, dass die IKS ihrer Meinung nach die Bewegung überschätzt. So waren zum Beispiel in Großbritannien und Frankreich folgende Kommentare zu hören:
- "Ich finde, dass die IKS den Ablauf des Kampfes überschätzt. Ich verstehe die Methode der unterirdischen Reifung nicht. Es gibt ein Zusammentreffen von Ideen, dies ist nicht massiv, wir beziehen uns nur auf aktive Minderheiten."
- "Es stimmt, dass es am Ende der Demonstrationen natürlich Diskussionen gab, aber keine Streiks! Ohne Streiks ist die Bewegung zum Stillstand gekommen. Das Problem ist, dass die Waffe des Proletariats der Generalstreik ist[2]. Im Mai 68 gab es einen Generalstreik, aber das ist hier nicht der Fall gewesen [...]. Ich will das Bild nicht trüben, aber ich bin mir nicht sicher, ob die Tiefe der Bewegung zu Überschätzung [wie es die IKS tut] eine Hilfe ist."
In diesem Fall scheint man vergessen zu haben, dass Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Arbeitern und Arbeiterinnen in Frankreich auf die Straße gingen, um zu demonstrieren - sie streikten!
An mehreren Orten (in Nantes in Frankreich, in Brasilien...) versuchten einige Teilnehmer, die von der IKS aufgezeigte Realität des Bruchs im Klassenkampf mit der Tatsache zu relativieren, dass die Gewerkschaften nicht in Frage gestellt worden seien. Einige Teilnehmer in Nantes konterten diesen Einwand jedoch mit der folgenden Analyse: "Zugegeben, die Gewerkschaften wurden nicht in Frage gestellt, es gab keine Selbstorganisation, aber die Unzufriedenheit bleibt sehr stark und dauerhaft, auch wenn es keinen neuen spektakulären Kampf gibt. Man muss sehen, woher die Klasse kommt - sie kommt aus einer Periode von dreißig Jahren voller Schwierigkeiten. In der Tat hat es keine politische Niederlage gegeben. Die Klasse sammelt ihre Kräfte, um weiter zu gehen". Dem ist hinzuzufügen, dass die Bourgeoisie in Frankreich (aber nicht nur dort) die Wut der Arbeiter und Arbeiterinnen vorweggenommen hat und die Gewerkschaften alles getan haben, um zu verhindern, dass sie von ihnen herausgefordert werden. Angesichts der Notwendigkeit und des Willens der kämpfenden Arbeiter und Arbeiterinnen, sich über Sektoren und Unternehmen hinweg zu vereinigen, konnten die Gewerkschaften ihre Führungsrolle nur durchsetzen, indem sie von Anfang bis Ende eine möglichst breite gewerkschaftliche Einheitsfront aufrechterhielten, die sich der Rentenreform angeblich "vehement widersetzte".
Während einige Beiträge dazu neigten, nach "Beweisen" und "Fakten" zu suchen, um andere oder sich selbst von der Realität des Bruchs zu überzeugen, versuchten andere Teilnehmer die Veränderung der Situation zu veranschaulichen durch die Fähigkeit "erfahrener Gewerkschaften" (insbesondere in Frankreich), "mit der Bewegung Schritt zu halten", mit "Aufrufen zur Einheit", indem sie "die Falle der Intersyndicale" nutzten. Damit unterstrichen diese Teilnehmer auch das Zusammenspiel verschiedener Fraktionen der Bourgeoisie bei der Isolierung bestimmter Zentren des Kampfes durch ein sorgfältig dosiertes Blackout: "Warum verheimlicht die Bourgeoisie die Streiks im Ausland? Die Bourgeoisie kennt ihren Klassenfeind sehr gut. Das ist ein weiteres Zeichen für unsere Reife. Wir müssen eine globale, internationale Vision haben". Einige Teilnehmer betonten zu Recht, dass wir uns nicht auf ein einzelnes Element konzentrieren sollten, sondern dass es besser sei, "ein Muster von Beweisen zu sehen und zu wissen, wie es zu interpretieren ist", und verwiesen in diesem Sinne auf den Ansatz von Marx, aber auch auf den von Lenin, der "die Fähigkeit hatte, Veränderungen in der politischen Haltung des Proletariats wahrzunehmen".
Die IKS versuchte demgegenüber die Dinge zu klären und weiter zu gehen, indem sie das Konzept der "unterirdischen Reifung des Klassenbewusstseins", eines Bruchs mit der Vergangenheit und nicht das eines "qualitativen Sprungs" verteidigte. Die IKS hat vor allem darauf bestanden, die Fragen zu erweitern und methodisch zu stellen, wie in einer Präsentation in Paris: "Es werden Fragen aufgeworfen, die wir seit Jahren nicht mehr diskutiert haben. Wie gehen wir damit um? Wie analysieren wir es? Stellen wir es in einen breiteren, globalen Kontext? Anstatt die Dinge durch ein Mikroskop zu betrachten, müssen wir einen Schritt zurücktreten und durch ein Teleskop schauen; mit anderen Worten, wir müssen einen historischen und internationalen Ansatz wählen. Wir befinden uns in einer Zeit, in der der Kapitalismus die Menschheit in den Untergang führt. Die Arbeiterklasse hat das Potenzial zu kämpfen und sich in den Kampf für eine Revolution einzureihen. International haben wir in den letzten drei Jahrzehnten einen Rückgang der Kämpfe und einen Rückschritt des Bewusstseins erlebt. Die Klasse hatte das Bewusstsein über sich selbst, die Klassenidentität verloren. Aber letzten Sommer gab es in Großbritannien eine riesige Bewegung, wie wir sie seit vierzig Jahren nicht mehr gesehen haben! War das nur in Großbritannien so? Es hat sich weltweit etwas grundlegend verändert. Wir sehen die Fähigkeit, angesichts der sich verschärfenden Wirtschaftskrise zurückzuschlagen. Wir sehen Kämpfe in vielen Ländern. Dies ist der Hintergrund des Kampfes gegen die Rentenreform in Frankreich. Wir haben drei Monate lang Kämpfe und einen Kampfgeist erlebt. Zusätzlich tauchen jetzt Parolen auf, wie wir sie seit den 1980er Jahren nicht mehr gesehen haben. Es herrscht ein allgemeines Gefühl der Unzufriedenheit, ein Versuch, aus der Geschichte zu lernen. Das ist es, was hinter dem Slogan 'Ihr wollt 64 (Rentenreform), wir geben euch 68' steht. Es gibt eine Tendenz, sich die Vergangenheit wieder anzueignen, wie bei den Reflexionen über die CPE-Erfahrung von 2006, obwohl man unmittelbar danach wenig davon gehört hat. Warum ist dies wieder aufgetaucht? Es gibt Fragen einer Minderheit - wie man eine Revolution macht? Einige Leute denken darüber nach, was Kommunismus ist. Es gibt eine Anstrengung innerhalb der Arbeiterklasse. Es geht nicht nur um die Frage, ob der Kampf gegen die Rentenreform ein Erfolg oder ein Misserfolg ist. Wir müssen die Lehren daraus ziehen. Wie können wir weitermachen? Wie können wir uns wehren? Darum geht es geht".
Die grundlegende Lehre ist , dass wir in unseren Analysen den internationalen und historischen Kontext berücksichtigen müssen: eine Beschleunigung des Zerfalls der kapitalistischen Gesellschaft, ihren zerstörerischen "Strudel-Effekt", den Ernst und die Gefahr des gegenwärtigen Krieges und gleichzeitig die brutale Beschleunigung der Wirtschaftskrise, mit der Inflation als mächtigem Ansporn für den Klassenkampf. Wir müssen auch erkennen, dass das Proletariat, wenn es auf seinem eigenen Klassenterrain in großem Umfang kämpft, allmählich Vertrauen in seine eigene Stärke gewinnen und ein wachsendes Bewusstsein für die Notwendigkeit entwickeln kann, den Kampf über Unternehmen und Berufssektoren hinaus auszuweiten. Die heutigen Kämpfe sind an sich schon ein erster Erfolg für unsere Klasse.
WH, 26. Juni 2023
[1] Es ist zu erwähnen, dass die meisten dieser Treffen an einem symbolischen Datum stattfanden, dem Jahrestag der Massendemonstrationen vom 13. Mai 1968 in Frankreich. In diesem Zusammenhang empfehlen wir unseren Lesern unseren zweiteiligen Artikel: «Mai 68 und die revolutionäre Perspektive»
https://de.internationalism.org/content/1713/mai-68-und-die-revolutionaere-perspektive-ii [130]
[2] Aus Zeitgründen konnte die Frage des Unterschieds zwischen "Generalstreik" und "Massenstreik" nicht behandelt werden. Wir haben jedoch betont, dass wir mit der Gleichsetzung dieser beiden Begriffe nicht einverstanden sind. Der Generalstreik, auch wenn er ein Zeichen der Unzufriedenheit in der Klasse ist, bezieht sich dennoch auf die Organisation (und damit die Kontrolle) des Kampfes durch die Gewerkschaften. In diesem Sinne kann er in den Händen der Gewerkschaften auch ein direktes Mittel zur Erschöpfung des Kampfes darstellen. Dem Generalstreik stellen wir den Massenstreik entgegen, wie er sich 1905 in Russland manifestiert hatte, indem er sich sein eigenes Mittel zur Zentralisierung des Kampfes gab, indem er wirtschaftliche und politische Forderungen verband.
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Schon seit langem ist offensichtlich, dass die Welt auf eine ökologische Katastrophe zusteuert. Doch in den 2020er Jahren erleben wir eine deutliche Beschleunigung, die zunehmend mit anderen Faktoren der kapitalistischen Krise und des Zerfalls verbunden ist: Krieg, Wirtschaftskrise, Pandemien - das, was wir als "Strudel" bezeichnen, der immer mehr Teile des Planeten unbewohnbar macht und damit die wachsende Zahl von Flüchtlingen, die aus ihren Heimatländern fliehen, noch verstärkt.
Ziel dieses Diskussionstreffens ist es, aufzuzeigen, dass die herrschende Klasse keine Lösung für die ökologische Krise hat, die der kapitalistischen Produktionsweise immanent ist. Sie legt "grüne Alternativen" auf den Tisch, die behaupten, dass das Problem innerhalb des gegenwärtigen Systems gelöst werden kann. "Proteste" werden schmackhaft gemacht, die die Tatsache verbergen, dass nur der Kampf der Arbeiterklasse den Kapitalismus überwinden und durch eine Gesellschaft ersetzen kann, die auf den wirklichen Bedürfnissen der Menschheit und einer neuen Beziehung zum Rest der Natur basiert.
Mittwoch 20. September 19.00 Uhr
Um online an dieser Diskussion teilnehmen zu können, schreib uns genug früh für Details:
[email protected] [47]
Unser Genosse Antonio hat uns in diesem Frühjahr, am Vorabend des 25. Internationalen Kongresses der IKS, verlassen. Er war eines der alten Gründungsmitglieder von Révolution internationale (RI – der französischen Sektion der IKS), die noch immer in der Organisation tätig sind. Der Kongress zollte ihm eine erste Anerkennung, indem er "seinen Mut und seine Bescheidenheit" hervorhob, sowohl in seinem persönlichen Leben als auch als Aktivist.
Wie andere Studenten der Universität Madrid, die von der Entwicklung der Arbeiterkämpfe in Asturien betroffen waren, begann er 1965, sich in einem Kontext politisch zu engagieren, in dem der Klassenstandpunkt seinen Weg durch die Verwirrung der Sirenengesänge der "demokratischen Opposition" zum Regime finden musste. Antonio misstraute dem PCE (der Kommunistischen Partei Spaniens) wegen ihres Stalinismus, aber er musste auch lernen, dem Diskurs der Handvoll trotzkistischer und maoistischer Gruppen zu misstrauen, die zu dieser Zeit auftauchten und die, obwohl sie offener und "linker" als der PCE erschienen, lediglich eine radikalere Version der Linken des Kapitals und genauso konterrevolutionär waren. Dieses Interesse an revolutionären Positionen führte zu seiner Emigration nach Frankreich, wo er 1967 in Toulouse ankam.
Sein kulturelles Interesse – er spielt damals spanischsprachiges Theater – wird er nie aufgeben, auch wenn es oft familiären oder politischen Zwängen weichen muss. In der Atmosphäre der politischen Aufregung, des Nachdenkens und der Diskussion vor 1968 und vor allem während der Ereignisse dieses Jahres fand er Antworten auf die Fragen, die er sich stellte. In diesem Kontext konnte er von Anfang an eine wirklich internationalistische Perspektive einnehmen, die sich für die historischen Erfahrungen des Proletariats interessierte, ohne in die Falle eines auf die Situation und die Geschichte des Herkunftslandes fixierten "immigrierten" Ansatzes zu geraten.
Wie er selbst sagte, war die erste Diskussion in Frankreich, die ihm half, sich von der linken Atmosphäre in Madrid zu lösen, diejenige, die er mit einigen der Gründungsmitglieder von Révolution internationale über den imperialistischen Charakter des Vietnamkriegs, über die notwendige Verteidigung des proletarischen Internationalismus und der Arbeitersolidarität führte, und zwar im Gegensatz zu der von den Trotzkisten und Maoisten vertretenen Idee eines "revolutionären Krieges".
Später lernt er Marc Chirik (MC) bei einem Treffen 1968 mit den anderen Gründungsmitgliedern von Révolution internationale und einigen situationistischen "Militanten" kennen. MC verteidigte den proletarischen Charakter der Russischen Revolution von 1917, die Realität der Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt der Geschichte und die Notwendigkeit einer revolutionären Organisation. Im selben Jahr nahm er auch an der Versammlung teil, die die erste Plattform von Révolution internationale verabschiedete, die auf den politischen Prinzipien von Internacionalismo (Venezuela) basierte, die MC von der Gauche Communiste de France (GCF) geerbt und dann weitergegeben hatte.
Er kehrte 1969 nach Frankreich zurück, zu einer Zeit, als der ursprüngliche Kern von Révolution internationale durch eine Reihe von Austritten, aber auch durch den Umzug der meisten Aktiven aus Toulouse in die Hauptstadt an Stärke verliert.
Obwohl er später sagte: "Ich war kein Militanter", was sich auf die Zeit von 1968 bezog, wurde er 1970 wieder voll in Révolution internationale aktiv und nahm 1972 an der Umgruppierung mit den Cahiers du Communisme de Conseils von Marseille und der Gruppe von Clermont Ferrand teil, aus der die zweite Plattform von RI als politische Gruppe mit einer territorialen Basis, die internationale Kontakte sucht, hervorging. Im Jahr 1975 nimmt er am ersten IKS-Kongress teil und bleibt bis an sein Lebensende Mitglied. Zu einer Zeit, als die klassenkämpferische Bewegung in Spanien auf ihrem Höhepunkt war und der Staat seine Politik des "demokratischen Übergangs" beschleunigte, konnte das Erscheinen von Acción Proletaria (AP) in Spanien nicht mehr gewährleistet werden.
Deshalb beschloss die IKS auf ihrem ersten internationalen Kongress, die regelmäßige Herausgabe von AP aufrechtzuerhalten, indem sie die Zeitung in Frankreich produzierte und sie in den letzten Tagen des Franquismus nach Spanien schmuggelte. Seine Mitarbeit an dieser Publikation wurde damals besonders geschätzt, weil er in der Lage war, die demokratischen Manöver des "Übergangs" in Spanien eingehend zu analysieren und sie gründlich anzuprangern. Aufgrund seiner Beherrschung von zwei Sprachen – er war Spanischlehrer in Frankreich – war er ab 1975 auch an der spanischsprachigen Produktion der Internationalen Revue beteiligt. Der Genosse stellte die Erfüllung dieser Aufgaben immer in eine internationale und historische Perspektive.
Um die spanischsprachige Intervention und die Suche nach Kontakten in der spanischsprachigen Welt zu organisieren und zu systematisieren, ergriff die neu gegründete IKS die Initiative, eine spanischsprachige Kommission zu ernennen, der Antonio angehörte. In der Folge nahm Antonio regelmäßig an Reisen nach Spanien und an Gesprächen mit Kontaktpersonen teil und brachte seine Überzeugung und das Verständnis der IKS-Positionen ein. Die Genossinnen und Genossen, die mit ihm reisten, konnten seine große Sympathie, sein umfangreiches enzyklopädisches Wissen und vor allem seinen Humor schätzen. Wir werden darauf zurückkommen!
Antonio nahm an fast allen internationalen Kongressen des IKS teil, wo er Teil von bemerkenswert effizienten Simultanübersetzungsteams war – so sehr, dass Wissenschaftler, die zu einer Kongresssitzung eingeladen waren, von der Qualität der Arbeit beeindruckt waren. Sie waren aber auch von Antonios Kommentaren in den Pausen überrascht, mit denen er die Kollegen der spanischen, mexikanischen oder venezolanischen Delegationen über Teile der Rede aufklären wollte, die sie missverstanden hatten, .... aber sie waren auch von Antonios Nutzung des Mikrofons für Witze überrascht.
In den schwierigen Momenten des Kampfes der Organisation gegen den Zirkelgeist und für den Parteigeist entschied sich Antonio immer für die Verteidigung der Organisation. Obwohl er von Natur aus dazu neigte, sich mit den Genossen anzufreunden, lässt er sich nie dazu hinreißen, "seine Freunde" gegen die Organisationsprinzipien der IKS zu verteidigen. Und als einige von ihnen die Organisation mit Ressentiments gegen sie verließen, hielt Antonio seine Loyalität zur IKS aufrecht, auch wenn dies bedeutete, sich persönlich von seinen ehemaligen Freunden zu distanzieren.
Der Genosse räumte zwar einige seiner Fehler oder Nachlässigkeiten, gelegentliche Unaufmerksamkeiten oder mangelndes Engagement ein, bezeichnete sie aber oft als seine "Antonionaden". Diese Kategorie umfasste sogar Sketche, in denen der Genosse zur Belustigung aller den "Clown" spielte.
Bei feierlichen Anlässen wie dem Jahreswechsel konnte unser Genosse oft seinen guten Humor zeigen, der nie bissig, sondern oft neckisch, subtil und freundlich gegenüber seinen Genossen war. Zu seinem Repertoire gehörten auch einige improvisierte Sketche mit Freunden und Genossen aus der Organisation. Im Dienste seiner "Kunst" verstand er es, die Feinheiten und Tücken der französischen und spanischen Sprache – manchmal sogar des Okzitanischen – zu nutzen. So konnte er stundenlang freundschaftliche Treffen mit seinen Genossinnen und Genossen veranstalten und seine gute Laune mit ihnen teilen.
Die "Antonionade" konnte sich aber auch in ganz anderen Situationen manifestieren, die nichts Festliches an sich hatten und eine besondere Kühnheit unseres Genossen widerspiegelten.
In den 1980er Jahren zum Beispiel stieß ein IKS-Team bei einer Flugblattaktion in den Docks von Marseille – einer Zitadelle der CGT-Wächter der kapitalistischen Ordnung – schnell auf eine Patrouille von CGT-"Großmäulern", die uns aus dem Weg räumen wollten. In solchen Momenten geht es darum, so lange wie möglich durchzuhalten, um so viele Flugblätter wie möglich zu verteilen, was keine leichte Aufgabe ist, vor allem, wenn nur wenige Leute eingelassen werden. Und Antonio lachte zum Erstaunen aller: "Ach, aber ich kann nicht aufgeben, ich habe einen Auftrag, den ich erfüllen muss. Ich muss diese Verteilung zu Ende bringen!"
Die Fassungslosigkeit, die dies in den Reihen der Gewerkschaft auslöste, ermöglichte es uns, wertvolle Minuten für die Verteilung zu gewinnen, an deren Ende der Strom der Hafenarbeiter, die den Arbeitsplatz betraten, uns vor Einschüchterung schützte.
Sein militantes Leben bestand jedoch nicht nur aus Antonionaden, wie seine regelmäßige Beteiligung am Leben der Organisation und die Tatsache zeigen, dass es derselbe Antonio war, der an einer Episode beteiligt war, in der er eine Demonstration gegen den Versuch der Bullen verteidigte, in die Demonstration einzudringen, um einen jungen Mann mitzunehmen, der sich schuldig gemacht hatte, eine Wand besprüht zu haben. Bei dieser Gelegenheit konnten die Bullen zurückgeschlagen werden.[1]
In seinem Berufsleben waren einige seiner "Antonionaden" reiner Humor, wie einer seiner Universitätskollegen, der an seiner Beerdigung teilnahm, berichtete und illustrierte und der auch betonte, wie sehr Antonio seine Studentinnen und Studenten respektierte: Eines Tages, als sie seiner Vorlesung nicht zuzuhören schienen und sich im Hörsaal unterhielten, machte Antonio keine besondere Bemerkung, sondern unterbrach sich selbst. Die überraschten Studierenden hörten auf zu plaudern und fragten sich, was los war. Dann ergriff Antonio wieder das Wort und erzählte ihnen: "Heute fühle ich mich wie in einer spanischen Bar. In spanischen Bars ist der Fernseher die ganze Zeit an, aber niemand schaut oder hört zu. Aber wenn jemand den Fernseher ausschaltet, ist immer jemand da, der sagt: 'Wer hat den Fernseher ausgeschaltet?‘ Heute bin ich der Fernseher der Bar." Welch Taktgefühl und Pädagogik!
Er hatte zunächst eine Tochter, die seine Militanz stets unterstützte und politische Sympathien für die IKS hegte. Sein zweites Kind wurde mit einer schweren körperlichen und geistigen Beeinträchtigung geboren. Um sich mit ihm verständigen zu können, lernte Antonio die Gebärdensprache und achtete stets darauf, dass die Beeinträchtigung seines Sohnes ihn nicht von allem und jedem fernhielt. Und gemeinsam gelang es der Familie! Nicht zuletzt wegen Antonios unermüdlichem Einsatz. Das Engagement unseres Genossen für seine Familie war noch größer, als seine Partnerin schwer erkrankte. Jahrelang kämpften sie Seite an Seite gegen eine Krebserkrankung, der sie schließlich, erschöpft vom Kampf, erlag.
Das Spannungsverhältnis zwischen Antonios persönlicher und kämpferischer Verantwortung wurde bei vielen Gelegenheiten bis zum Äußersten ausgereizt. Wie er selbst sagte, war er mehrmals kurz davor, den politischen Kampf aufzugeben, aber am Ende blieb er sich, seiner Familie und der Organisation treu und richtete sein Leben und die Versorgung seiner Familie nach dem aus, was seine Leidenschaft und Überzeugung war: kommunistische Militanz.
Wir möchten an dieser Stelle hinzufügen, dass das Leben dieses Genossen, der es geschafft hat, seine Militanz mehr als ein halbes Jahrhundert lang (von 1968 bis 2023) gegen alle Arten von Druck aufrechtzuerhalten, ein Beispiel dafür ist, was wir an die neue Generation von Militanten weitergeben müssen.
Obwohl er lange Zeit gezwungen war, sein militantes Engagement einzuschränken, konnte er in den letzten Jahren die Flamme dieser Leidenschaft wiederentdecken, indem er an gemeinsamen Treffen mit den Genossen von AP (Spanien), RI (Frankreich) und Rivoluzione internazionale (Italien) teilnahm und sich an organisatorischen Aufgaben beteiligte.
Ein weiteres Paradoxon unseres Genossen, oder ein Ausdruck seiner großen Bescheidenheit oder seines mangelnden Selbstbewusstseins: Bei mehreren Gelegenheiten sagte er den Genossinnen und Genossen, dass es ihm schwerfalle, die Bedeutung unseres Konzepts, "die Militanz in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen", zu verinnerlichen. Aber genau das hat er sein ganzes Leben lang getan!
Kurz nach dem Tod seiner Lebensgefährtin erlitt Antonio einen Herzinfarkt, den er allein bewältigte, indem er mitten in der Nacht in die Notaufnahme ging. Einen Tag später waren seine Arterien wieder frei und er war wieder einsatzbereit. Es stellte sich heraus, dass er noch andere Herzprobleme hatte, die zwar behandelt und nicht als kritisch eingestuft wurden, die aber dennoch die Ursache für seinen plötzlichen Tod kurze Zeit später gewesen sein könnten. Als wir ihn aufforderten, uns regelmäßiger über seinen Gesundheitszustand zu informieren, antwortete er, dass in seinem Heimatdorf manche Leute, die sagten, "Ich halte euch auf dem Laufenden", in Wirklichkeit meinten "Ich halte euch auf Abstand". Noch eine Antonionade! Die letzte.
Auch wenn der Genosse darauf bedacht war, die anderen nicht zu "stören", so war er sich doch der sozialen und politischen Notwendigkeit bewusst – und hatte dies bereits unter Beweis gestellt –, die Organisation und ihre Militanten bei Bedarf aufzusuchen. In der Tat hat er uns regelmäßig über seinen Gesundheitszustand informiert.
Dennoch waren wir alle von seinem "überstürzten Abgang" überrascht. Gute Reise, Genosse und Freund.
Andererseits waren wir nicht überrascht von der großen Anzahl von Menschen, die an der Beerdigung unseres Kameraden teilnahmen, darunter einige seiner ehemaligen Kollegen, die rührende, aber nicht überraschende Zeugnisse über Antonios großen Respekt für seine Studentinnen und Studenten ablegten.
Die IKS wird in den kommenden Monaten eine politische Hommage für unseren Genossen Antonio organisieren. Genossinnen und Genossen, die daran teilnehmen möchten, sollten an die IKS schreiben, und wir werden sie über Datum und Ort informieren.
IKS 8.8.23
[1] Für weitere Details dieses Ereignisses verweisen wir auf folgenden Artikel auf unserer französischsprachigen Webseite: Solidarité avec les lycéens en lutte contre la répression policière (Zeugnis eines Lesers) [132], ICC online, Oktober 2010
Der folgende Artikel ist eine Übersetzung eines Artikels unserer französischen Sektion, der den zersetzenden Einfluss durch die vorgeblich radikale Haltung der trotzkistischen Organisation Révolution Permanente während der Kampfwelle in Frankreich analysiert. Auch wenn die internationale Kampfwelle bisher in Deutschland einen verhalteneren Ausdruck gefunden hat, stellen wir auch hier eine neue Ausrichtung der linksradikalen Gruppen des Kapitals fest. Es ist bemerkenswert, dass die trotzkistischen Gruppen, die in den letzten Jahren jede Bewegung der Partei Die Linken mitgemacht haben, nun die Notwendigkeit des Bruchs mit der Partei betonen. Mitte Januar 2023 gab es eine Konferenz dieser trotzkistischen Gruppen in Berlin und es wurde eine Fraktion Revolutionärer Bruch[1] konstituiert, die sich das erklärte Ziel gab, möglichst viele unzufriedene und politisierte Elemente aus der Partei Die Linke abzuwerben.
In den vorherigen Jahren gab es bereits eine große Auffächerung und Spaltungsorgie innerhalb der trotzkistischen Szene. Die SAV (bekannt, da sie mit Lucy Redler gar eine Vertretung im Bundesvorstand der Partei Die Linke platzieren konnten) spaltete sich in die SOL und die SAV. Die Gruppe ArbeiterInnenmacht spaltete sich in die GAM und RIO. Die Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands hat sich gespalten und die neue Internationalistische Gruppe, die in Deutschland die Zeitschrift Permanente Revolution herausbringen, hervorgebracht. Doch diese Spaltungen sind nicht national zu verstehen, sondern sie sind immer eine Widerspiegelung von Auseinandersetzungen der jeweiligen trotzkistischen Internationalen. Hier findet eine permanente Neubewertung und Arbeitsteilung statt: Wie können die jeweiligen Organisationen am besten den Notwendigkeiten der Bourgeoisie im Klassenkampf entsprechen? Durch ihr scheinbar kämpferisches Auftreten, ihre Intervention in Streiks und Demonstrationen und ihre Scharnierstellung zu den Gewerkschaften haben sie die Möglichkeit, die unterirdische Reifung in der Arbeiterklasse zu „erspüren“ und schnell zu reagieren, wie dieses am besten einzuhegen ist.
Révolution Permanente und RIO (besser bekannt als Klasse gegen Klasse) sind beide Sektionen (die sich selbst nur noch als Internationales Netzwerk bezeichnet) der Trotzkistische Fraktion für die Vierte Internationale, die Hauptauseinandersetzung, die zu dieser Neugründung führte, sind sicherlich die unterschiedlichen Lehren aus der französischen Bewegung und insbesondere der Frust mit der NPA (Nouveau Partie Anticapitaliste) und daher ist der Artikel unserer französischen Sektion auch für Deutschland von großer Bedeutung, da er die strategische Bedeutung der linksradikalen Organisationen des Kapitals entblößt.
Auch in Deutschland hat sich RIO mit der Zeitschrift Klasse gegen Klasse als Speerspitze der interventionistischen und aktivistischen Verblender etabliert und erfüllt dabei ihre Aufgabe in dem sie junge, politisierte Elemente anzieht und politisch unschädlich macht. Eine Entwicklung die wir nicht nur beobachten müssen, sondern die wir auch aufdecken und angreifen müssen.
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Kaum zwei Jahre nach ihrer Abspaltung von der NPA, in der sie fast ein Jahrzehnt lang tätig war, ist Révolution Permanente, eine neue Organisation in der trotzkistischen Landschaft, fast ein Medienhit geworden. Sie ist auf Demonstrationen, an Universitäten, in Betrieben und im Internet präsent und hat einen sehr attraktiven Diskurs: Aufruf zur Solidarität, zum radikalen Kampf, zur gegenseitigen Unterstützung, zur Verteidigung unterdrückter Minderheiten, Kritik an Gewerkschaftszentralen und Wahlen, Verteidigung der Selbstorganisation der Arbeiter, offizielle Unterstützung für den Internationalismus...
Während der gesamten Bewegung gegen die Rentenreform konnte Révolution Permanente ihre Rhetorik an die Stimmung im Proletariat anpassen. Während die von den Gewerkschaften organisierten vereinzelten Demonstrationen dem Kampfgeist und der Unzufriedenheit der Arbeiter nicht gerecht wurden, prangerte Révolution Permanente die "isolierten Daten, die von Intersyndicale[2] gestellt wurden [...] als weit unter dem Potenzial und den an der Basis vorhandenen Bestrebungen" an.
Diese scheinbar innovative und radikale Rhetorik hat es in sich. In Wirklichkeit hat die Bourgeoisie klar erkannt, dass die Kampfbereitschaft innerhalb der Arbeiterklasse wieder zunimmt und dass in den Minderheiten, die auf der Suche nach Klassenpositionen sind, sich ein Nachdenken entwickelt. Mit Révolution Permanente hat sich die Bourgeoisie ein neues, leistungsfähigeres Instrument geschaffen, das offensichtlich über beträchtliche Mittel verfügt und genauso bürgerlich ist wie die NPA. Denn in strikter Kontinuität mit dem Trotzkismus recycelt Révolution Permanente nur die alten traditionellen Positionen der extremen Linken des Kapitals.
"Angesichts der Strategie der Niederlage der Intersyndicale muss der Streik vom 28. März die Frage der Organisation an der Basis aufwerfen, um den Streik auszuweiten, die Mobilisierung der Branchen für die Streikwiederaufnahme zu unterstützen und die Solidarität gegen die Polizeirepression zu organisieren." In der Tat wurde die Kampfstrategie der Gewerkschaften von kleinen Arbeiterminderheiten kritisiert. Warum liegen die Termine für die Demonstrationen so weit auseinander? Warum gibt es so wenige Vollversammlungen und Diskussionen am Ende der Demonstrationen? Warum gelingt es uns trotz einer "wie nie zuvor geeinten" Intersyndicale nicht, die Regierung zum Rückzug zu bewegen? Auf all diese Fragen antwortet Révolution Permanente scheinbar radikal: "In der gegenwärtigen Epoche der imperialistischen Krise sind die Gewerkschaften und ihre Führungen zu Werkzeugen des Kapitalismus geworden".
Doch hinter diesen revolutionären Scheinreden verbirgt sich eine raffinierte Falle, die so alt ist wie der Linksradikalismus: Um Verwirrung über die bürgerliche und staatliche Natur aller Gewerkschaftsorganisationen zu stiften, führt Révolution Permanente eine Unterscheidung zwischen "den Gewerkschaftsführern" und den Arbeitern an der "Basis" ein. Es ist nicht die Gewerkschaftsbewegung an sich, die nicht mehr an die Bedürfnisse des Kampfes angepasst ist und sich schließlich in den Staatsapparat integriert hat, sondern es angeblich ist ein Problem der korrupten und verräterischen Bürokraten. Und folgerichtig fügt Révolution Permanente nach der Feststellung, dass die Gewerkschaften "Werkzeuge des Kapitalismus" sind, gleich hinzu: "Die Arbeiter an der Basis müssen kämpfen, um den Bürokratien die Kontrolle zu entreißen und die Gewerkschaftsführungen zu besiegen, damit sie ihre Gewerkschaften demokratisch kontrollieren und sie als Werkzeuge des Klassenkampfes gegen die Bosse und den Staat einsetzen können". Révolution Permanente verschleiert damit die wahre Funktion der Gewerkschaften innerhalb des Staatsapparats: die Kämpfe der Arbeiterklasse zu sabotieren, sie machtlos zu machen, indem sie sie in die Sichtweise der bürgerlichen Ordnung einsperrt...
Diese neue Form des Linksradikalismus bedient sich der gleichen alten Tricks wie alle trotzkistischen Gruppen vor ihr: eine radikale Rhetorik gegenüber den Gewerkschaften, um die Arbeiterklasse in Richtung ... Syndikalismus zu lenken. Diese Doppelzüngigkeit ist typisch für trotzkistische Organisationen: Sie sagen etwas und gleichzeitig das Gegenteil, um absichtlich Verwirrung zu stiften.
Entrismus oder Unterwanderung, um "die Gewerkschaften in die richtige Richtung zu lenken", wird von den Vorfahren von Révolution Permanente schon seit Ewigkeiten praktiziert. Diese Praxis hat Generationen von Arbeitern gefesselt und mystifiziert, um sie in die Fallen der radikalen Gewerkschaftsarbeit zu locken und von der zentralen Frage der Selbstorganisation abzulenken, d.h. der Übernahme der Kämpfe durch die Arbeiter selbst außerhalb und gegen die Gewerkschaften.
Die Geschichte der Arbeiterbewegung lehrt uns genau das Gegenteil von dem, was Révolution Permanente behauptet. In Polen zum Beispiel traten die Arbeiter 1980 angesichts eines zahlreichen Angriffe auf ihre Lebensbedingungen (in diesem Fall eine 60-prozentige Erhöhung der Fleischpreise) spontan in den Streik und konnten ihren Massenstreik schnell auf das ganze Land ausdehnen und drohten sogar, ihn darüber hinaus auszuweiten. Ihre Waffe? Selbstorganisation und die Abhaltung von Vollversammlungen (genannt MKS)! Die Arbeiter und Arbeiterinnen gaben nicht nur Erklärungen ab, sondern ergriffen selbst die Initiative für die Kämpfe und ihre Ausweitung - ohne die Gewerkschaften, die direkt als in den stalinistischen Staat integriert wahrgenommen wurden. Diese Dynamik machte es möglich, dass sich ein für die Arbeiter günstiges Kräfteverhältnis entwickeln konnte. Die Vollversammlungen waren offen und wurden live über Lautsprecher auf die Straße übertragen, wo sich die Massen befanden, die Delegierten waren abwählbar. Wenn sie die Positionen, für die sie mandatiert waren, nicht korrekt vertraten, wurden sie von den Versammlungen ausgetauscht. Diese Bewegung, die in den Händen der Klasse gehalten wurde, ließ die gesamte polnische und internationale Bourgeoisie erzittern!
Das ist übrigens auch der Grund, warum die europäischen Bourgeoisien der polnischen Regierung schnell zu Hilfe kamen... mit der Gründung einer neuen Gewerkschaft! Um die Lücke zu füllen, die eine völlig diskreditierte offizielle Gewerkschaft hinterlassen hatte, und um der Übernahme des Kampfes durch die Arbeiter selbst ein Ende zu setzen, gründete die Bourgeoisie Solidarnosc aus dem Nichts, mit aktiver Unterstützung der damaligen "radikalen" Gewerkschaft: der französischen CFDT. Als freie, moderne, demokratische Gewerkschaft angepriesen und mit einem als sehr kämpferisch geltenden Arbeiter, Lech Wałęsa, an der Spitze, konnte Solidarnosc das Vertrauen der
Arbeiter erschleichen, um ihnen dann die Kontrolle über den Kampf zu entreißen und die Führung der Bewegung in einem einzigen Interesse zu übernehmen: dem des Staates.
Das Ergebnis war sofort sichtbar: Keine Lautsprecher mehr, um die Verhandlungen zu verfolgen (wegen angeblicher "technischer" Probleme), keine abwählbaren Delegierten mehr, keine souveränen Versammlungen mehr... die "Kampfexperten" hatten übernommen. Die Sabotagearbeit hatte begonnen. Die ursprünglich politischen und wirtschaftlichen Forderungen (u.a. höhere Löhne) konzentrierten sich nun eher auf die Interessen der Gewerkschaften (Anerkennung unabhängiger Gewerkschaften) als auf die der Arbeiter. Nach und nach trug Lech Wałęsa zur Erwürgung der Kampfbereitschaft bei: "Wir brauchen keine weiteren Streiks, denn sie treiben unser Land in den Abgrund, wir müssen uns beruhigen".
Schließlich wurden Ende 1981 und im Laufe des Jahres 1982 die letzten Bastionen der Kampfbereitschaft, die isoliert und erschöpft waren, gewaltsam unterdrückt: Verhaftungen und tödliche Repressionen waren die Folgen der Unterminierungsarbeit der Solidarnosc! Und der ehemalige Gewerkschafter Wałęsa wurde später sogar ... polnisches Staatsoberhaupt.
Der "basisdemokratische" Syndikalismus, dieses Gift, das uns Révolution Permanente und alle anderen trotzkistischen Organisationen vor ihr verkaufen, ist nichts als Augenwischerei, um die Realität besser zu verbergen: Wie auch immer man sie nennen mag, eine Gewerkschaftsinstanz ist eine Waffe der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse!
Um den Nagel seiner Pseudo-Radikalität gegenüber der Arbeiterklasse noch ein bisschen tiefer in den Sarg zu schlagen, übernimmt Révolution Permanente alle trotzkistischen Tricks über die Arbeit der "Koordinationen"! "Während die Bewegung gegen die Rentenreform und die Macron-Regierung in der Jugend immer stärker wird, ist die Koordinierung der Vollversammlungen der mobilisierten Universitäten eine Schlüsselfrage, um einen Sieg zu erringen. In diesem Sinne ist der Aufbau der nationalen Studentenkoordination am 1. und 2. April eine zentrale Aufgabe für alle mobilisierten Studierenden". Um diesen scheinbar radikalen und kompromisslosen Diskurs zu entmystifizieren, genügt es weiterhin, an die Erfahrungen der Arbeiterbewegung zu erinnern.
Ende der 1980er Jahre gab es in Frankreich mehrere Wellen von Kämpfen, die alle von "Koordinationen" erfasst wurden, während das Vertrauen in die Gewerkschaften nach 20 Jahren systematischer Sabotage der Kämpfe weitgehend verschwunden war. 1988 prangerten wir diese Manöver an: Die Koordinationen "tauchen auf oder kommen ans Tageslicht, wenn die Arbeiterklasse in einer Branche mobilisiert wird, und verschwinden mit ihnen. So war es zum Beispiel bei den Koordinationen, die während des Streiks bei der französischen Eisenbahn Ende 1986 entstanden waren. Und es ist gerade dieser "nur vorübergehend bestehende" Charakter, der ihnen eine so heimtückische Wirkung ermöglicht, indem er den Eindruck erweckt, sie seien Organe, die von der Klasse speziell für und im Kampf gebildet wurden". "In Wirklichkeit hat uns die Erfahrung gezeigt, dass solche Organe, wenn sie nicht seit vielen Monaten im Voraus von bestimmten politischen Kräften der Bourgeoisie vorbereitet wurden, von diesen in eine Kampfbewegung "eingeschleust" wurden, um sie zu sabotieren. Bereits im französischen Eisenbahnstreik konnten wir feststellen, dass die "Koordination der Lokführer", die von ihren Versammlungen alle ausschloss, die nicht Lokführer waren, einen sehr wichtigen Beitrag zur Isolierung der Bewegung und zu ihrer Niederlage leistete. Diese "Koordination" hatte sich auf der Grundlage von Delegierten gebildet, die von den Vollversammlungen der Abstellbahnhöfe gewählt worden waren. Dennoch war sie sofort von Militanten der Ligue Communiste (Sektion der trotzkistischen 4. Internationale) [Vorläufer der NPA und Révolution Permanente] kontrolliert worden, die natürlich die Sabotage des Kampfes übernahmen, wie es ihre Aufgabe ist. Aber bei den anderen "Koordinationen", die später entstanden, schon bei der "branchenübergreifenden Koordination der Eisenbahner" (die vorgab, die korporatistische Isolation zu bekämpfen) und noch mehr bei der "Koordination der Lehrer", die einige Wochen später auftauchte, stellte man fest, dass diese Organe präventiv gebildet worden waren, bevor die Vollversammlungen überhaupt begonnen hatten, Delegierte zu entsenden. Und am Anfang dieser Bildung stand immer eine linke oder linksgerichtete bürgerliche Kraft, was beweist, dass die Bourgeoisie den Nutzen verstanden hatte, den sie aus diesen Organen ziehen konnte".[3] Diese Koordinationen waren manchmal selbst gewerkschaftlich getarnte Organisationen, die von "Basis"-Gewerkschaftern geleitet wurden. Hinter ihrer Tarnkappe steckten dann oft offizielle Gewerkschaftsvertreter oder Mitglieder einer trotzkistischen Organisation.
Um sich als authentische proletarische Organisation darzustellen, stellt Révolution Permanente die Verteidigung der Interessen der Schwächsten in den Vordergrund. Schon auf ihrer Homepage stehen Themen wie "Rassismus und staatliche Gewalt" oder "Gender und Sexualität" an herausragender Stelle. In dieser verrottenden Welt können sich die übelsten Ideologien immer leichter ihren Weg bahnen. Und mit Abscheu und Entsetzen muss man mit ansehen, wie sich Diskriminierung, Rassismus, Homophobie usw. verschärfen.
Ja, das ist empörend! Man möchte vor Wut schreien! Man möchte sich wehren, jetzt, hier, sofort! Deshalb behauptet Révolution Permanente, "auf der Seite der Arbeiter, der Jugend, der Frauen, der LGBT-Personen, der Arbeiterviertel und aller Ausgebeuteten und Unterdrückten" zu stehen. Aber Révolution Permanente zu folgen ist immer noch eine echte Falle!
Teilkämpfe stellen eine Gefahr für die Klasse dar, insbesondere für die junge Generation von Arbeitern und Arbeiterinnen, die keine Erfahrung haben, aber über den Zustand der Gesellschaft zutiefst empört sind. Das Proletariat hat heute Orientierungen verloren und erkennt sich noch nicht wirklich als revolutionäre Klasse. Dies ist jedoch der erste Schritt, um den Weg zurück zum revolutionären Kampf zu finden, der allein in der Lage ist, all die empörenden Ungleichheiten gegenüber Frauen, Homosexuellen, Ausländern und all die anderen Folgen dieser verwesenden Welt wie die Umweltkrise, den Welthunger, die rassistische Polizeigewalt usw. zu beenden. Und nur die Arbeiterklasse, die einzige revolutionäre Klasse, kann diesen Zustand ändern!
Révolution Permanente versucht, indem sie die Unterdrückung "der Arbeiter, der Jugend, der Frauen, der LGBT-Personen, der Arbeiterviertel und aller Ausgebeuteten und Unterdrückten" in den Vordergrund stellt, in Wirklichkeit die Arbeiterklasse zu zersplittern und sie in Teilkämpfe abzulenken, die nur Sackgassen sind.
Konkret: Wenn eine Bewegung gegen Rassismus, gegen die Ungleichheit von Mann und Frau, gegen Polizeigewalt usw. anläuft, ist das Ziel der meisten Demonstranten, den Rassismus, die Ungleichheit von Mann und Frau usw. zurückzudrängen. Mit anderen Worten: den Kapitalismus zu verbessern, ihn "menschlicher" oder "demokratischer" zu machen. Wenn die Arbeiterklasse gegen ihre Arbeits- und Lebensbedingungen kämpft, kämpft sie gegen das, was den Kapitalismus begründet: die Ausbeutung. Deshalb steht im Grunde hinter jedem Streik die Frage nach der Revolution. Und nur diese Dynamik kann tatsächlich die Wurzeln von Diskriminierung und Ungleichheit angehen.
Durch die Befürwortung von Teilkämpfen hindert die Gruppe Révolution Permanente in der Kontinuität der NPA das Proletariat daran, sein Denken als ausgebeutete Klasse zu entwickeln. Durch die Befürwortung von Teilkämpfen führt Révolution Permanente die Arbeiter auf den Boden klassenübergreifender und kleinbürgerlicher Kämpfe zurück, auf den Boden der Anpassung an den Kapitalismus, während dieser immer barbarischer wird und immer mehr Spaltungen verursacht. Révolution Permanente verhindert jegliches proletarische Denken, indem es versucht, die Klassenidentität auszulöschen und sie durch die Identität der Frauen oder der Schwarzen oder irgendeiner unterdrückten Minderheit zu ersetzen!
Révolution Permanente übernimmt also das gesamte Know-how des Trotzkismus, mit einer vorgegaukelten Neubewertung, um die kämpferischsten und bewusstesten Arbeiter und Arbeiterinnen besser auf das Terrain der Bourgeoisie zu treiben und das Denken der Arbeiterklasse auf der Suche nach Klassenpositionen in die Irre zu führen. Es handelt sich um dieselbe heuchlerische und mystifizierende Doppelzüngigkeit hinsichtlich der Gewerkschaften und der Mittel des Kampfes als auch der Wahlen und der zersplitterten Kämpfe - wie zuvor bei der NPA, der Ligue Communiste Révolutionnaire oder Lutte Ouvrière vor ihr. Seit seiner „kritischen Unterstützung“ des russischen Imperialismus während des Zweiten Weltkriegs ist der Trotzkismus endgültig ins Lager der Bourgeoisie übergegangen. Révolution Permanente, eine neue Hilfskraft der Bourgeoisie, ist da keine Ausnahme!
Élise, 15. September 2023
[1] https://revolutionaererbruch.wordpress.com/ [133] und hier der Bericht der RIO „Am 14. Januar fand in Berlin die Konferenz der Fraktion Revolutionärer Bruch statt. Die Fraktion gründete sich aus Mitgliedern der Linksjugend und LINKE Anfang Oktober vergangenen Jahres und zog eine politische Bilanz der Partei. Auf der Konferenz wurden verschiedene Strategien diskutiert, theoretische Workshops angeboten und die Notwendigkeit gezogen, dass die LINKE für die Arbeiter:innenklasse keine politische Heimat mehr sein kann. Neben Mitgliedern der Fraktion haben die Revolutionär Internationalistische Organisation (RIO), die Revolutionär-Sozialistische Organisation (RSO), die Gruppe Arbeiter:innenmacht (GAM), die Jugendorganisation REVOLUTION, Palästina Spricht, Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht (BAGA), internationale Gäste aus Frankreich von Révolution Permanente und der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) sowie Vertreter:innen von der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands und des Funken teilgenommen. Letztere zog nun nach zwei Monaten eine Bilanz und schlussfolgert, dass ein Bruch mit der LINKEN „fatal“ und „grundlegend falsch sei“.“ https://www.klassegegenklasse.org/revolutionaerer-bruch-der-funke-will-den-marxismus-gatekeepen/ [134]
[2] Intersyndicale: gewerkschaftsübergreifender informeller und oft punktueller Zusammenschluss
[3]Oktober 1988: Bilanz des Kampfes der Krankenschwestern (...) Die Koordinationen: die neue Waffe der Bourgeoisie. Diese Broschüre ist online auf Französisch auf unserer Website verfügbar.
China erlebt die größte Wirtschaftskrise seit 50 Jahren vor dem Hintergrund eines starken wirtschaftlichen und militärischen Drucks seitens der USA: "China ist in die globale Krisendynamik verwickelt, sein Finanzsystem ist durch das Platzen der Immobilienblase bedroht. Der Niedergang des russischen Partners und die Unterbrechung der „Seidenstraßen“ nach Europa durch bewaffnete Konflikte oder das herrschende Chaos richten erheblichen Schaden an. Der starke Druck der USA verschärft die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes weiter. Und angesichts der wirtschaftlichen, gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Probleme stellt die angeborene Schwäche der stalinistischen Staatsstruktur ein großes Handicap dar."[1]
Vor diesem Hintergrund kann das Abrutschen der wichtigsten Wirtschaftsindikatoren des Landes in den roten Bereich für den stalinistischen Parteienstaat nur von größter Bedeutung sein. Das Wirtschaftswachstum ist auf dem niedrigsten Stand seit 45 Jahren (weniger als 5 %), die Exporte sind rückläufig (-8,3 % im Jahresvergleich) und der Binnenkonsum ist minim. Während sich die Inlandsnachfrage in einer Deflationsspirale befindet, sind die Staatsverschuldung - insbesondere die der regionalen Behörden - und die Unternehmensverschuldung kolossal. Die öffentliche und private Verschuldung Chinas, die 2021 über 250 % des BIP lag, wird bis Mitte 2023 300 % des BIP erreichen (nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, Schweiz). Das katastrophale Ausmaß der Probleme zeigt sich besonders im Immobiliensektor, der fast 30 % des chinesischen BIP ausmacht: Nach dem Konkurs von Evergrande und dem angekündigten Zahlungsausfall von Country Garden, das viermal so viele Projekte wie Evergrande hat, gab es Ende August 648 Millionen unverkaufte Wohnungen[2]. Das Banken- und Kreditsystem steht also unter Druck angesichts einer Vertrauenskrise der Verbraucher und einer abwartenden Haltung der Unternehmen, die sich mit Investitionen zurückhalten, um abzuwarten, wie es weitergeht.
Noch beunruhigender für die chinesische Bourgeoisie ist die Kapitalflucht, der Rückgang der Auslandsinvestitionen auf den niedrigsten Stand seit 25 Jahren, den Peking mit massiven Kampagnen für Investoren einzudämmen versucht. Die Wiederwahl Xi Jinpings und seine Behandlung "privater chinesischer Unternehmer" wie Jack Ma (Grupo Ant und Alibabá), von denen viele nach Japan fliehen mussten, sind jedoch nicht vertrauenserweckend. Die Kapitalflucht in andere Länder wie Vietnam, Indonesien, Indien und Mexiko ist nicht nur Ausdruck fehlender "Garantien" in China; die Transportkosten und Löhne sind dort so stark gestiegen, dass heute Indien und in geringerem Maße auch Vietnam und andere indopazifische Länder mit China konkurrieren: "Alle wollen entweder ihre Produkte in China verkaufen oder, wenn sie in China produzieren, suchen sie nach alternativen Standorten. Die Situation hat sich im Vergleich zu noch vor fünf Jahren dramatisch verändert."[3]
Kurz gesagt: China ist weit davon entfernt, der Motor zu sein, der die Weltwirtschaft 2008 wiederbelebte, und befindet sich in einer tiefen Wirtschaftskrise, die den Rest der Welt in weitere wirtschaftliche Turbulenzen zu stürzen droht und deren soziale Auswirkungen zunehmend auch im Land selbst zu spüren sind. Der Zusammenbruch des Immobilienmarktes führt zu Demonstrationen von Kleinsparern, die ihre Ersparnisse in Rauch aufgehen sehen. Ebenso besorgniserregend ist die Beschäftigungssituation für junge Menschen: 21,3 % der jungen Chinesen sind nach den jüngsten offiziellen Zahlen (17. Juli 2023) arbeitslos. Lokalen Wirtschaftswissenschaftlern zufolge ist die Arbeitslosenquote unter den 16- bis 24-Jährigen sogar doppelt so hoch (46,5 % statt 19,7 % im März!), da fast 20 % der jungen Stadtbewohner "tangping" (wörtlich: "herumliegen") sind. Die chinesische Regierung manipuliert die Veröffentlichung der Zahlen aus Angst, die Investoren in Panik zu versetzen, was die derzeitige Krise weiter verschärfen und sogar die soziale und politische Stabilität gefährden würde. In der Tat wächst die soziale Unzufriedenheit nach Jahren der unmenschlichen Enge im Zusammenhang mit der "Null-Covid"-Politik und den neuen Regulierungsmaßnahmen im Gesundheitswesen. Die wirtschaftliche und soziale Destabilisierung verschärft auch die Kämpfe der Beschäftigten gegen Lohnrückstände und Betriebsschließungen oder -verlagerungen, die häufig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsdiensten der Unternehmen führen. Diese Streiks und Proteste haben im Jahr 2023 stark zugenommen und die Zahl der Streiks im Vergleich zu 2022 verdoppelt.[4]
Diese Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage führt auch zu politischen Umwälzungen, die immer deutlicher bis in die Spitze des Staates sichtbar werden, wie die auffällige Abwesenheit von Xi Jinping bei internationalen Foren (BRICS-Wirtschaftsforum in Südafrika, G20-Treffen in Indien) und das "Verschwinden" von Außenminister Qin Gang und Verteidigungsminister Li Shangfu sowie mehrerer Generäle, die an der Spitze der "Raketentruppe" und der Abteilung für Ausrüstungsentwicklung der chinesischen Armee stehen. Die Absetzung von Xi Jinping nahestehenden und von ihm nach dem letzten KPCh-Kongress ernannten Führungspersönlichkeiten wegen "persönlichen Verhaltens" oder "Korruption" unterstreicht die Tatsache, dass Xi Jinping zunehmend persönlich zur Verantwortung gezogen wird, insbesondere seit seiner katastrophalen "Null-Covid"-Politik, die erhebliche wirtschaftliche und soziale Schäden verursacht hat. Im August soll er auf dem traditionellen Sommertreffen der Spitzen des Regimes im Badeort Beidaihe, bei dem eine Bilanz der Lage Chinas gezogen wird, scharf kritisiert worden sein. Ehemalige Führungspersönlichkeiten im Ruhestand sollen ihm mit einer noch nie dagewesenen Schärfe Vorwürfe gemacht haben, was darauf hinzudeuten scheint, dass sich die Konfrontationen zwischen "Ökonomen" und "Nationalisten" angesichts der Gefahr einer wirtschaftlichen und sozialen Destabilisierung, die dieses stalinistische Regime fürchtet, wieder verschärfen. Innerhalb der KPCh haben sich eine giftige Atmosphäre und extreme Spannungen entwickelt. In einem solchen Klima der Fraktionskämpfe innerhalb des Parteistaats ist die Zukunft ungewiss, und Xi Jinping könnte den Hebel eines überstürzten Aufbruchs in einen verschärften Nationalismus ansetzen, um sich durchzusetzen, wie es in China schon oft der Fall war, wenn sich innenpolitische Probleme häuften.
Xi Jinpings Projekt "Großchina", welches er bis 2050 zu konsolidieren hoffte, scheint nun ernsthaft bedroht zu sein: Die gegenwärtigen Trends deuten darauf hin, dass das Land in absehbarer Zeit nicht die führende Wirtschaftsmacht der Welt werden wird. Angesichts einer Wirtschafts- und Finanzkrise, die das Land in ein weitverbreitetes soziales Chaos zu stürzen droht, eines zunehmenden Drucks seitens der USA und einer wachsenden Opposition innerhalb der Partei wird Xi Jinpings Politik mehr denn je von Unberechenbarkeit geprägt sein, aber auch von der Gefahr irrationaler Entscheidungen, die die Welt in einen Strudel aus Chaos, Barbarei und einer beispiellosen militärischen Konfrontation zu ziehen drohen.
Fo & RH, 9.10.2023
[1]Resolution zur internationalen Lage, 25. IKS-Kongress, Internationale Revue Nr. 59, 2023.
https://de.internationalism.org/content/3120/resolution-des-25-internati... [135]
[2]Siehe: P.-A. Donnet, Chine : comment la folie des grandeurs mène l'économie à la ruine, Asiayst, 01.10.23
[3]Ein britischer Spezialist für Portfolio-Management, zitiert in P. Donnet, Chine : la crise économique, prélude d'un hiver politique et social ? Asialyst, 07.09.23
[4] Siehe: China Labour Bulletin
Während die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten die Aufmerksamkeit der Medien auf der ganzen Welt auf sich ziehen, gibt es im Hintergrund immer die Konfrontation zwischen den beiden heutigen Großmächten, den Vereinigten Staaten und ihrem Hauptherausforderer, China, die sich immer offener und gewaltsamer zuspitzt. Innerhalb der amerikanischen Bourgeoisie sind sich die wichtigsten Fraktionen darin einig, dass China um jeden Preis daran gehindert werden muss, seine Position als Weltmacht mit Ambitionen zur Entthronung der Vereinigten Staaten zu stärken: "Die Reaktion der USA auf ihren eigenen Niedergang und den Aufstieg Chinas bestand nicht darin, sich aus dem Weltgeschehen zurückzuziehen, im Gegenteil. Die USA haben ihre eigene Offensive gestartet, die darauf abzielt, den Vormarsch Chinas einzuschränken, von Obamas „Schwenk nach Osten“ über Trumps Fokus auf Handelskrieg bis hin zu Bidens direkterem militärischen Ansatz (Provokationen rund um Taiwan, Abschuss chinesischer Spionageballons, die Gründung von AUKUS, die neue US-Basis auf den Philippinen usw.). Ziel dieser Offensive ist es, eine Brandmauer um China zu errichten, die dessen Fähigkeit, sich als Weltmacht zu entwickeln, blockiert." (25. IKS-Kongress, Resolution zur internationalen Situation, Punkt 4, International Revue 59, 2023[1])
Militärisch ist China trotz einer beeindruckenden Aufrüstung in den letzten zehn Jahren den USA immer noch weitgehend unterlegen und entwickelt daher eine langfristige Strategie, die darauf abzielt, die globalen wirtschaftlichen Grundlagen für seinen Aufstieg zur imperialistischen Macht zu schaffen. Kurz gesagt, China braucht Zeit, und genau die ist Onkel Sam absolut nicht bereit, ihm zu geben.
Die Vereinigten Staaten haben Pekings "strategischen Verbündeten", Russland, stark geschwächt, indem sie es in einen zunehmend zerstörerischen Krieg in der Ukraine verwickelt haben. China hat die Warnung der Amerikaner verstanden und reagiert zurückhaltend, denn es will nicht mit Sanktionen belegt werden, die seine wirtschaftliche Lage noch komplizierter machen würden. Die Ausbreitung des Kriegschaos und die Anhäufung von Schulden durch die beteiligten Staaten haben dazu geführt, dass sein pharaonisches imperialistisches Projekt, die Neue Seidenstraße, stagniert oder sogar blockiert wird, was ein weiterer Faktor ist, der China in Schwierigkeiten bringt. Andererseits übt der unter der Trump-Administration begonnene und von Biden verschärfte Handelskrieg einen erdrückenden Druck auf die chinesische Wirtschaft aus: man denke nur an das Verbot für Huawei, die Systeme von Google zu nutzen, und die Zölle auf chinesisches Aluminium oder das Verbot für amerikanische Investoren, in China in die Entwicklung und Produktion von Mikroprozessoren zu investieren, und den Druck auf "verbündete" Staaten, keine Maschinen nach China zu exportieren, die zur Herstellung von Mikrochips verwendet werden können.
An der militärischen Front haben die Vereinigten Staaten ihre Blockade der chinesischen Küste genauer abgestimmt und damit den Druck auf China erhöht. Im August wurde in Camp David ein gegenseitiges Verteidigungsabkommen zwischen Japan, Südkorea und den Vereinigten Staaten unterzeichnet. Biden bekräftigte die Zusage der Vereinigten Staaten, Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch zu verteidigen, und stellte massive Waffenlieferungen bereit. Schließlich hat die aggressive Haltung Chinas im Chinesischen Meer es den Amerikanern ermöglicht, ihre Beziehungen zu den Philippinen und Vietnam zu verstärken, insbesondere durch Bidens Besuch in Hanoi im September, um einem Land, mit dem amerikanische Militärunternehmen wie Lockheed Martin und Boeing bereits wichtige wirtschaftliche Beziehungen unterhalten, eine "strategische Allianz" vorzuschlagen. Nimmt man noch die US-Stützpunkte auf den Inseln Okinawa und Guam hinzu, so wird deutlich, dass der amerikanische Vormarsch Chinas Ambitionen in Bezug auf die Seewege zunehmend einschränkt. Schließlich erklärte QUAD (Japan, Indien, die Vereinigten Staaten und Australien), eine Gruppe für "gegenseitige Verteidigung", deren Ziel es ist, den indopazifischen Raum zu einem Ort des "Friedens und des Wohlstands" (sic!) zu machen, auf ihrem jüngsten Treffen in Hiroshima im Mai: "Wir lehnen eine Destabilisierung oder einseitige Aktionen zur Veränderung des Status quo durch Gewalt oder Zwang entschieden ab". Obwohl China und seine Drohungen gegen Taiwan nicht erwähnt werden, ist die Botschaft dennoch eindeutig.
Angesichts einer solchen Situation ist Peking gezwungen zu reagieren, aber die heuchlerische Mischung aus Provokation und Diplomatie seitens der Amerikaner (sie haben in den letzten drei Monaten 13 Delegationen nach Peking geschickt, um zu "verhandeln") führt dazu, dass China in verschiedene Richtungen reagiert.
Einerseits werden die militärischen Aktionen gegenüber Taiwan immer bedrohlicher: China verstärkt seine Militärübungen in der Straße von Taiwan, um den Eindruck zu erwecken, dass eine mögliche Invasion vorbereitet wird, und es baut künstliche Inseln auf umstrittenen Riffen im Chinesischen Meer, um dort neue Militärstützpunkte einzurichten, mit dem Ziel, ein Gebiet zu kontrollieren, durch das 60 % des weltweiten Seehandels fließen. Auch das Wettrüsten zur Stärkung des Militärapparats, insbesondere der Kriegsflotte, wird intensiviert. Der chinesische Verteidigungsminister Wei Fenghe erklärte: "Wenn jemand es wagt, Taiwan von China abzutrennen, werden wir nicht zögern zu kämpfen. Wir werden um jeden Preis und bis zum bitteren Ende kämpfen. Das ist die einzige Möglichkeit".
Chinas Aggression richtet sich nicht nur gegen die Vereinigten Staaten, sondern auch gegen seine Nachbarn: Peking ist in einen Territorialstreit mit Indien verwickelt, der regelmäßig zu bewaffneten Zusammenstößen führt; Chinas Reaktion auf Japans Einleitung von radioaktiv verseuchtem Wasser in den Pazifik ist ein weiteres Beispiel für die angespannten Beziehungen zwischen den beiden Nationen, denn China hat japanischen Fischereierzeugnissen die Einfuhr in sein Hoheitsgebiet untersagt, da die japanische Fischereiindustrie für die japanische Wirtschaft sehr wichtig ist. Auf wirtschaftlicher Ebene hat China ebenfalls Vergeltungsmaßnahmen gegen die Vereinigten Staaten ergriffen, indem es beispielsweise Anfang September beschloss, die Verwendung von iPhones in seinen öffentlichen Diensten zu verbieten. Dies hat Apple zwar sofort einen Verlust von 200 Milliarden Dollar an der Börse eingebracht, aber die Irrationalität dieser Maßnahme wird durch die Tatsache unterstrichen, dass China der Haupthersteller dieser Mobiltelefone ist und dass Apple infolgedessen möglicherweise chinesische Arbeiter entlassen muss.
Andererseits hat China eine groß angelegte diplomatische Operation gestartet, um zu zeigen, dass es eine "Friedensmacht" ist und die Amerikaner eine Kriegspolitik betreiben: Es war der Architekt der spektakulären Versöhnung zwischen Iran und Saudi-Arabien und hat sogar seine guten Dienste für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine angeboten. Auf dem jüngsten BRICS-Treffen in Südafrika drängte Xi Jinping auf die Erweiterung der BRICS, indem er sechs neue Mitglieder und die Schaffung einer gemeinsamen Währung vorschlug. Während der letztgenannte Vorschlag bei Indien auf Ablehnung stieß, wurden Saudi-Arabien, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Äthiopien und Argentinien als neue Mitglieder aufgenommen. Diese Politik Chinas zeigt seinen wachsenden Einfluss im Nahen Osten. Da China nicht über militärische Kapazitäten verfügt, die mit denen der Vereinigten Staaten konkurrieren können, nutzt es hauptsächlich die "Finanzkreditdiplomatie", um Einfluss in der Welt zu gewinnen. Diese Waffe birgt jedoch viele Risiken. So hindert beispielsweise der Bankrott Sri Lankas China daran, die Schulden Pakistans vorläufig zu erlassen, da die Gefahr besteht, dass sich das Rückzahlungsproblem ausweitet.
Die Abwesenheit von Xi Jinping beim G20-Treffen in Neu-Delhi im September war eine Premiere für den chinesischen Präsidenten, der bisher immer an den Treffen dieser Ländergruppe teilgenommen hatte, und zeigt deutlich das Dilemma, in dem sich China befindet: Einerseits wollte Xi zeigen, dass er die von den Vereinigten Staaten diktierte und aus dem Zweiten Weltkrieg stammende Weltordnung nicht mehr anerkennen will, doch im Grunde ist seine Abwesenheit ein Eingeständnis der Schwäche angesichts der amerikanischen Aggression im Indopazifik, der Stärkung der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Modis Indien sowie seiner eigenen wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten.
Angesichts der amerikanischen Offensive manövriert China, um Zeit zu gewinnen, aber die Amerikaner sind nicht bereit, diese zu geben. Die amerikanischen Provokationen und ihre Eindämmungspolitik nehmen zu und zielen darauf ab, den chinesischen Drachen zu erwürgen. Dies kann die Unvorhersehbarkeit der Situation und das Risiko irrationaler Reaktionen nur verstärken, die kriegerische Konfrontationen vervielfachen und das Chaos verschärfen werden.
Fo & HR, 9.10.23
Die israelische Regierung hat verkündet, dass das Ziel ihrer verheerenden Bombenangriffe und der Landinvasion in Gaza die Zerstörung der Hamas ist und dass sie nicht auf Zivilisten zielt, sondern auf die Infrastruktur und die Kommandozentralen der Hamas. Aber die "kollaterale" Tötung tausender ziviler Männer, Frauen und Kinder ist zweifellos der beste Weg, um weitere Anhänger für den so genannten "palästinensischen Widerstand" zu rekrutieren, selbst wenn dieser sich neu formiert und umbenennt, beflügelt von einem wachsenden Wunsch nach Rache, sei es in Gaza, im Westjordanland oder in Israel selbst.
Ein Sprecher der israelischen Regierung, Avi Dichter, Landwirtschaftsminister und ehemaliges Mitglied des Shin Beth (Geheimdienstes), gab in einem unkontrollierten Moment einen besseren Einblick in die wahren Ziele des israelischen Angriffs: "Wir sind dabei, die Nakba des Gazastreifens zu verwirklichen. Aus operativer Sicht ist es unmöglich, einen Krieg - wie ihn die Israel Defence Forces in Gaza führen will - mit Massen zwischen den Panzern und den Soldaten zu führen."[1]
In der Nakba oder Katastrophe von 1948 flohen über 700.000 palästinensische Flüchtlinge aus dem als Israel bezeichneten Gebiet. Sie wurden durch die terroristischen Gräueltaten der zionistischen Miliz (am bekanntesten ist das Gemetzel in Deir Yassin durch die Stern-Bande) zum Verlassen des Landes "angeregt" und durch die triumphale Verkündigung der einmarschierenden arabischen Staaten, die versprachen, dass die Flüchtlinge nach ihrem bevorstehenden militärischen Sieg zurückkehren würden, weiter ermutigt. Die arabischen Armeen wurden besiegt, und die Flüchtlinge durften nie zurückkehren; Hunderttausende leben seither unter miserablen Bedingungen in Flüchtlingslagern. Kurz gesagt, die Nakba war die ethnische Säuberung Israels, also wäre die Nakba des Gazastreifens die Vertreibung der großen Mehrheit seiner Bewohner, die vor Tod, Zerstörung und einer permanenten Blockade fliehen. Eine solche "Lösung" spiegelt das völlige Fehlen einer langfristigen Perspektive der derzeitigen israelischen Regierung wider, da sie nur ein Vorspiel für weitere Instabilität und Kriege sein kann. Doch die grausame Politik der Netanjahu-Regierung spiegelt lediglich eine tiefere Realität wider: dass die herrschende Klasse in allen Ländern, die Hüter einer zerfallenden kapitalistischen Weltordnung, der Menschheit keine Perspektive zu bieten hat und immer mehr in einer irrationalen und selbstmörderischen Spirale der Zerstörung versinkt. Der Versuch der NATO, Russland im Krieg in der Ukraine auszubluten, und Russlands verbissenen Bemühungen, den Osten der Ukraine zu annektieren, sind der Beweis dafür, dass diese Spirale auch vor den größten Mächten des Planeten nicht Halt macht.
Hunderttausende haben weltweit an Demonstrationen teilgenommen, die die Verwüstung des Gazastreifens anprangerten und einen Waffenstillstand forderten. Es besteht kein Zweifel daran, dass viele, vielleicht sogar die meisten, aus echter Empörung über die gnadenlose Bombardierung des Gazastreifens an diesen Demonstrationen teilnehmen, die bisher rund 16.000 Opfer gefordert und noch viel mehr Verwundete und Obdachlose hinterlassen hat. Trotzdem nehmen sie in Wahrheit an in ihrem Charakter kriegsbefürwortenden Demonstrationen teil, bei denen die Leitparole "Palästina wird frei sein, vom Fluss bis zum Meer" nur durch die militärische Zerstörung Israels und die massenhafte Ermordung und Vertreibung der israelischen Juden erreicht werden kann - eine umgekehrte Nakba. Und dann auf den Ruinen ein islamisches Palästina nach dem Vorbild des Iran?[2] Das von der Hamas am 7. Oktober verübte wahllose Massaker, das auf diesen Demonstrationen fast nie verurteilt und sogar offen gefeiert wurde, hat die wahren Methoden und Ziele des "Widerstands" deutlich gemacht
Die Unmöglichkeit eines "freien Palästinas" spiegelt auch eine tiefere Realität wider, die mehr denn je den fortschreitenden Zerfall des kapitalistischen Systems zum Ausdruck bringt: die Unmöglichkeit, dass alle so genannten "nationalen Befreiungskämpfe" und nationalistischen Bewegungen mehr sind als lediglich Anhängsel der blutigen Rivalität der großen und kleinen imperialistischen Mächte um die Kontrolle des Planeten.
Die Menschheit wird erst frei sein, wenn das kapitalistische Gefängnis des Nationalstaates überwunden ist und sie in einer Weltgemeinschaft ohne Ausbeutung und ohne nationale Grenzen lebt.
Es gibt tatsächlich Menschen, die sowohl die Zerbombung des Gazastreifens als auch die Gräueltaten der Hamas verurteilen. Einige engagieren sich für den Dialog zwischen Israelis und Palästinensern trotz der wachsenden Mauer des Hasses, die durch diesen Krieg entstanden ist. Sie setzen ihre Hoffnungen auf eine "politische Lösung", bei der sich die lokalen und globalen Mächte zusammensetzen und zu einer tragfähigen Einigung kommen, insbesondere auf die Idee einer friedlichen Koexistenz zwischen Israel und einem neu gegründeten palästinensischen Staat.
Aber all die Appelle an den guten Willen der imperialistischen Staaten hat noch nie Kriege verhindert, und weder ein "liberaleres" Israel noch ein künftiger palästinensischer Staat könnten sich dem Drang nach Krieg und Imperialismus entziehen, dem sich, wie Rosa Luxemburg 1915 erklärte, "keine Nation entziehen kann". Wie wir in unserem internationalen Flugblatt sagen:
"Die Geschichte hat gezeigt, dass die einzige Kraft, die den kapitalistischen Krieg beenden kann, die ausgebeutete Klasse ist, das Proletariat, der direkte Feind der Bourgeoisie. Das war der Fall, als die ArbeiterInnen in Russland im Oktober 1917 den bürgerlichen Staat stürzten und die ArbeiterInnen und Soldaten in Deutschland im November 1918 revoltierten: Diese großen Kampfbewegungen des Proletariats zwangen die Regierungen, den Waffenstillstand zu unterzeichnen. Das war es, was den Ersten Weltkrieg beendete: die Kraft des revolutionären Proletariats! Den wirklichen und endgültigen Frieden überall muss die Arbeiterklasse erobern, indem sie den Kapitalismus weltweit stürzt."[3]
Unabhängig von ihren guten Absichten verbreiten diejenigen, die auf die Slogans des Pazifismus hereinfallen, Illusionen über den inhärent gewalttätigen Charakter des gegenwärtigen kapitalistischen Ausbeutungssystems. Der Weg zu einer menschlichen Weltgemeinschaft führt über den Klassenkampf in allen Ländern, und dieser Kampf ist notwendigerweise gezwungen, Mittel zu entwickeln, um sich gegen die Angriffe einer herrschenden Klasse zu verteidigen, die bis zum Tod für die Verteidigung ihrer Privilegien kämpfen wird. Pazifistische Illusionen entwaffnen die Arbeiterklasse ideologisch und materiell.
Angesichts der Flut von Wahnvorstellungen und falschen Parolen, die alle kapitalistischen Kriege hervorbringen, bleibt das Prinzip des proletarischen Internationalismus, die Solidarität der Ausgebeuteten in der ganzen Welt, unsere einzige Verteidigung und die einzige Grundlage, um zu verstehen, wie wir reagieren sollen.
Amos, Dezember 2023
[1] https://www.haaretz.com/israel-news/2023-11-12/ty-article/israeli-securi... [136]. Diese Aussage, die wahrscheinlich als Kritik an der offiziellen Politik gemeint ist, hat das Verdienst, "die Katze aus dem Sack zu lassen", was die Kriegsziele der israelischen Regierung betrifft.
[2] Ein weiterer Slogan, der auf diesen Demonstrationen häufig zu hören ist: "2-4-6-8, Israel ist ein terroristischer Staat". Und das ist in der Tat wahr. Aber man findet keinen Staat in der Welt des Kapitalismus, der nicht auf Terror zurückgreift, sei es, um abweichende Meinungen im eigenen Land zu unterdrücken, sei es, um seine Kriege zu führen. Der Hauptunterstützer der Hamas, der Iran, ist ein gutes Beispiel dafür: Nachdem er die "Frau, Leben, Freiheit"-Demonstrationen auf den Straßen seiner Städte brutal niedergeschlagen hat, hat er seit Beginn des jüngsten israelisch-palästinensischen Krieges 127 Menschen hingerichtet, von denen viele an den Protesten teilgenommen hatten. https://www.theguardian.com/global-development/2023/dec/02/iran-using-ga [137]...
Ende Juli wurden Flüchtlinge die wie Skelette aussahen, Männer, Frauen und Kinder die verdurstet waren, an der libyschen Grenze von der Küstenwache aufgegriffen. Etwas weiter, in der Sahara-Wüste, wurden mehrere Leichen gefunden, darunter eine Mutter und ihr kleines Mädchen. Unerträgliche Bilder! Der Vater war von der Todesnachricht erschüttert und sagte verzweifelt, dass er "eine Zukunft für seine Tochter" wollte. Ein schreckliches Ereignis unter Tausenden von anderen, in einer kapitalistischen Welt ohne Perspektiven.
Wenige Wochen zuvor, am 14. Juli, sank nach einer gescheiterten Abschiebung durch die griechische Küstenwache, das x-te Flüchtlingsboot aus Libyen, mit 750 Menschen an Bord[1]. Angesichts dieser schrecklichen Ereignisse war die Medienberichterstattung spärlich. Im Gegensatz dazu wurde nur acht Tage später über das Verschwinden von fünf VIP-Touristen, die auf einer Reise zum Wrack der Titanic waren, in den Medien ausführlich berichtet. Dieser Kontrast sagt viel über die Politik der Regierungen aus, die eine dramatische Nachricht nutzen, um die Leichen der ertrunkenen Migranten im Mittelmeer vergessen zu lassen.
Die sich verschlechternde globale Situation führt zu immer längeren, komplexeren und riskanteren Flüchtlingsbewegungen. Heute gibt es weltweit eine Rekordzahl von 110 Millionen Flüchtlingen und immer mehr Opfer, insbesondere im Mittelmeer, wo die Situation mit mehr als 2000 Toten seit Anfang 2023 zu den schlimmsten der Welt gehört. Und je mehr Migranten es gibt, desto weniger Zugang haben sie zu den westlichen Ländern. Es handelt sich um eine unmenschliche Politik, die immer härter wird und faktisch jedes Bedürfnis nach Asyl und Schutz unterdrückt.
Angesichts der zunehmenden Barbarei, der Instabilität und des Chaos in der kapitalistischen Welt, begnügen sich die Regierungen nicht mehr damit, ihre Länder als uneinnehmbare Festungen zu präsentieren, die von kilometerlangem Stacheldraht und hohen Mauern abgeschottet sind. Sie haben sich mit Überwachungstechnologien und Spionageinstrumenten ausgestattet, um den Zugang zu den Grenzen zu blockieren. Die schlimmsten Opfer sind wahrscheinlich die Migranten aus den Ländern südlich der Sahara und vom Horn von Afrika. Diese Bevölkerungsgruppen sind bereits Opfer der kapitalistischen Logik, mit ihren Kriegen, den bewaffneten kriminellen Banden, der Unsicherheit und dem Klimawandel der zu Dürre und Hungersnöten führt. Sie sind gezwungen, als letzten Ausweg zu fliehen.
Während der bankrotte Kapitalismus dazu neigt, die Menschheit in den Abgrund und in die absolute Armut zu reißen, wirken sich die zerstörerischen Auswirkungen der Krise, die sich seit Jahrzehnten mehr in den Ländern der Peripherie manifestierten, nun auch stärker auf die westlichen Länder aus. Diese weigern sich unerbittlich, auch nur den kleinsten "unnützen Mund" zu sättigen. Nur die Flüchtlinge aus der Ukraine, für die Zwecke der Kriegspropaganda misbraucht, oder die Reichsten und am besten Ausgebildeten, die in "unter Druck stehenden" wirtschaftliche Sektoren eingesetzt werden können und unter harten Bedingungen und zu erbärmlichen Löhnen arbeiten, können nach administrativen Schikanen auf ein hypothetisches Asyl, im Austausch gegen eine unerbittliche Ausbeutung, hoffen. Doch für die Mehrheit der "Hungerflüchtlinge" ist die EU zu einem unerreichbaren und sogar tödlichen Ziel geworden.
Gleichzeitig haben die demokratischen Länder ihr juristisches Arsenal mit beispielloser Brutalität verschärft um abschreckend zu wirken[2], indem sie die Migranten und die NGO`s die den Schiffbrüchigen zu Hilfe kommen, weiter kriminalisieren.[3]
Und um die Drecksarbeit loszuwerden und sich die Hände nicht zu schmutzig zu machen, haben die EU-Mitgliedstaaten ihre Massnahmen erweitert, indem sie ihre eigenen Grenzen ausdehnten, "Drittstaaten" an den Küsten des Mittelmeers ein Mandat zur Inhaftierung von Migranten erteilten, und die Aufrechterhaltung von "Recht und Ordnung" an abgelegene Lager außerhalb des europäischen Territoriums und abseits der Kameras delegierten. Gegen Geld werden die Lager "offshore" verwaltet, wo Missbrauch, Menschenhandel und Folter an der Tagesordnung sind, und wo die Lebensbedingungen oft den schmutzigsten Gefängnisbedingungen ähneln. Diese Politik wird von der EU in vollem Umfang gestützt, insbesondere durch die Finanzierung der Frontex-Agentur, die es den Küstenwachen dieser Drittländer ermöglicht, Rückschiebungen durchzuführen, obwohl diese Praktiken nach westlichem Recht "illegal" sind.
Getreu den Anweisungen der EU, haben beispielsweise die tunesischen Behörden, wie die Tragödien in der Sahara gezeigt haben, nicht gezögert, Flüchtlinge absichtlich ohne Nahrung und Wasser in der Wüste auszusetzen, damit sie dort sterben. Eine widerwärtige Politik, die neben der Erpressung von Drittländern bei dieser Gelegenheit, die Migranten als reines Druckmittel benutzt. Die De-facto-Komplizenschaft der EU mit diesen Staaten und ihren grauenhaften Methoden zielt darauf ab, Asylanträge zu verhindern: entweder indem sie potenzielle Flüchtlinge durch die Schließung der Grenzen fernhalten oder sie zum Tod im Mittelmeer (oder in der Wüste) verurteilen. Das ist die traurige Realität!
Die bürgerlichen Staaten sind unter ihrem demokratischen Deckmantel nichts anders als Mörder! Selbst das elementarste Bedürfnis nach Asyl wird mit Füßen getreten, selbst für verfolgte und in Not geratene Kinder, selbst für misshandelte und verstümmelte Menschen. Unaushaltbar! Vor allem, wenn Migranten auf Anweisung der EU von Wachleuten aus der Türkei, Libyen, Ägypten usw. gegen ihren Willen in Lagern eingeschlossen werden.
Die zynische Art und Weise, in der die Schiffbrüchigen dem Tod überlassen werden, und die zunehmende Zahl von Schiffbrüchigen und Leichen zeugen nicht nur von der Heuchelei und dem Zynismus der EU, sondern vor allem auch von ihren kriminellen Praktiken und ihrem Wunsch, "Unerwünschte" kaltblütig zu liquidieren.
Die verabscheuungswürdigen, schrecklichen und abstoßenden Praktiken der Bourgeoisie beschränken sich nicht darauf, diejenigen zu vertreiben oder zu eliminieren, die sie auf ihrem Boden nicht akzeptiert. Sie schüren Ängste, indem sie die schlimmsten fremdenfeindlichen Reflexe ausnutzt, die Lohnabhängigen gegeneinander aufstachelt, und die einheimische Bevölkerung gegen die Migranten ausspielt, welche als gefährliche Konkurrenten dargestellt werden, welche gekommen seien um "ihren Platz wegzunehmen" und "ihre Lebensbedingungen zu verschlechtern". Dies beginnt bereits in den Ländern, an welche die Drecksarbeit delegiert wird: "Indem der tunesische Staatschef die Subsahara-Migration als "kriminellen Plan zur Veränderung der Zusammensetzung der demografischen Landschaft in Tunesien" bezeichnete, machte er jeden Subsahara-Migranten zum mutmaßlichen Komplizen in diesem angeblichen Komplott"[4]. Eine solche Politik fördert Aggression, Verfolgung und andere Formen der Gewalt gegen Migranten, wie es in der tunesischen Hafenstadt Sfax, die sich schnell zu einer wahren Hinrichtungsstätte für Exilanten entwickelt hat, bereits mehrfach geschehen ist.
Und für die Migranten, die es doch noch geschafft haben in den westlichen Ländern anzukommen, setzt sich das Leiden in Form von Ausgrenzung und rassistischen Vorurteilen fort, die einerseits durch rechtsextreme Theorien, die vom kapitalistischen Staat in verabscheuungswürdiger Weise ausgenutzt werden, geschürt werden. Andererseits aber auch, und vor allem, durch linke "antirassistische" Propaganda der "Verteidigung der bürgerlichen juristischen Rechte", die sich hinterhältig und auf den ersten Blick in ihrer Logik kaum ersichtlich, gegen Lohnabhängige und Migranten richtet, indem sie das "schlechte Gewissen" der Menschen einem gemeinsamen Kampf der Lohnabhängigen entgegenstellt. "Die Arbeiterklasse muss auch die von der Bourgeoisie gestellten Fallen rund um die Ein-Themen-Kämpfe (oder auch Teilkämpfe genannt: zur Rettung der Umwelt, gegen Rassenunterdrückung, Feminismus usw.) ablehnen, die sie von ihrem eigenen Klassenterrain ablenken."[5]
Die einzige wirkliche Unterstützung die die Arbeiter und Arbeiterinnen den verfolgten Migranten zukommen lassen können, ist der Kampf gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen und die zunehmende Barbarei dieses Systems, um langfristig die alleinige tatsächliche Lösung durchzusetzen: den Kapitalismus zu stürzen, um ihn durch eine Gesellschaft ohne Ausbeutung zu ersetzen.
WH 1. September 2023
[1] Siehe unseren Artikel: Shipwreck of migrants in the Mediterranean: capitalism kills to defend its borders [139]
[2] In Grossbritannien beispielsweise, das nicht mehr Mitglied von Frontex ist, verbietet das Gesetz über die illegale Einwanderung den Flüchtlingen Asyl oder einen anderen Schutz im Rahmen ihrer Grundrechte zu beantragen, unabhängig davon wie ernst die Situation ist in der sie sich befinden ist. Darüber hinaus sieht das Gesetz ihre Abschiebung in ein anderes Land (wie Ruanda) vor, ohne dass sie dort den notwendigen Schutz erhalten können.
[3] Italien, Griechenland und Malta haben strafrechtliche Ermittlungen gegen NGO`s eingeleitet, die Leben retten. Italien hat bereits Festnahmen und Geldstrafen verhängt.
[4] Siehe den Artikel auf der Website von le Monde.fr vom 29. Juni: "Tunisie: dans la ville portuaire de Sfax, l’espoir blessé des migrants subsahariens"
[5] Resolution des 25. Internationalen Kongresses der IKS zur internationalen Lage, Internationale Revue Nr. 59 https://de.internationalism.org/content/3120/resolution-des-25-internati... [135]
Kürzlich, nach einer Intervention unserer Mitglieder bei dem Treffen des Komitees NWBTCW (No War But The Class War / Kein Krieg außer den Klassenkrieg) in Paris[1], wo ein Mitglied der GIGC (Groupe International de la Gauche Communiste / Internationale Gruppe der Kommunistischen Linken) Seite an Seite mit einem Mitglied der IKT (Internationalistische Kommunistischen Tendenz) im Präsidium saß, kommentierte die GIGC ironisch, dass die Sitzung zeige, dass die IKS selbst kein Wort von ihrer Analyse des "Parasitismus" der GIGC glaube[2]. Im Artikel Uns, die IKS, attackieren: Die Existenzgrundlage der GIGC [140] wiesen wir auf diesen zusätzlichen Ausdruck des parasitären Charakters dieser Gruppierung hin, deren grundlegendes Ziel es ist, die politischen Organisationen der Kommunistischen Linken anzugreifen und die Entwicklung des Proletarischen Politischen Milieus zu untergraben.
Vor zwei Jahren haben wir einen Artikel geschrieben, in dem wir die Aktivitäten der GIGC (ehemals "Interne Fraktion der IKS") anprangerten, weil sie einen Versuch der Usurpation der Kommunistischen Linken durch einen politischen Abenteurer namens Gaizka[3] unterstützt, dessen Werdegang wir aufgedeckt haben. Seitdem hat die GIGC ihre Angriffe gegen die IKS vervielfacht, mit dem einzigen Ziel, unsere Organisation zu diskreditieren und Misstrauen gegen uns zu säen.
Aus diesem Grund haben wir beschlossen, eine Reihe von Artikeln in einem "Dossier" zu veröffentlichen, welches unsere verschiedenen Antworten auf die Verleumdungen der GIGC zusammenfasst: ein Artikel über das Konzept des politischen Parasitismus als Teil des Erbes der Arbeiterbewegung; - unsere Anprangerung des politischen Abenteurertums und seiner Unterstützung durch die GIGC; - die revolutionäre Kohärenz unserer Plattform; - unsere Analyse der gegenwärtigen Phase der Dekadenz des Kapitalismus, der Phase des Zerfalls; - unsere Intervention in der Weltlage, als Antwort sowohl auf den Krieg als auch auf den Klassenkampf; - oder wiederum unsere Position des anarchistischen Milieus zur Frage des Internationalismus und seines Verrats. Diese Fragen werden in den folgenden Artikeln behandelt:
Weiter Artikel werden zu gegebener Zeit erscheinen:
Diese Reihe von Bloßstellungen der Aktivitäten der GIGC ist notwendig, weil wir die Verleumdungen und Verfälschungen die gegen die IKS gerichtet sind nicht ohne Antwort lassen können. Wir hätten es natürlich vorgezogen, unsere Kräfte anderen Aktivitäten zu widmen, die der Weltlage besser entsprechen, aber wir sehen uns mit einer Situation konfrontiert, die mit der des Generalrats der Ersten Internationale vergleichbar ist, der sich mit einem internen Feind konfrontiert sah, der aus der Allianz von Bakunin bestand. Heute ist die GIGC ein solcher "innerer Feind" der Kommunistischen Linken.
Internationale Kommunistische Strömung
[1] siehe unseren englischen Artikel On the recent meeting of NWBTCW in Paris [143]
Seit Samstag regnet eine Flut von Feuer und Stahl auf die Menschen in Israel und Gaza. Auf der einen Seite die Hamas. Auf der anderen Seite die israelische Armee. Dazwischen Zivilisten, die bombardiert, erschossen, hingerichtet und als Geiseln genommen werden. Tausende haben bereits ihr Leben gelassen.
Überall auf der Welt ruft uns die herrschende Klasse dazu auf, uns für eine Seite zu entscheiden. Für den palästinensischen Widerstand gegen die israelische Unterdrückung. Oder für die israelische Antwort auf den palästinensischen Terrorismus. Jeder prangert die Barbarei des anderen an, um den Krieg zu rechtfertigen. Der israelische Staat unterdrückt die palästinensische Bevölkerung seit Jahrzehnten durch Blockaden, Schikanen, Checkpoints und Demütigungen: Darum sei Rache legitim. Palästinensische Organisationen töten Unschuldige durch Anschläge, Messerstechereien oder Bombenattentate: Darum sei Repression gerechtfertigt. Jede Seite ruft dazu auf, das Blut der anderen Seite zu vergießen.
Diese tödliche Logik ist die Logik des imperialistischen Krieges! Es sind die Ausbeuter und ihre Staaten, die immer einen gnadenlosen Krieg führen, um ihre eigenen Interessen zu verteidigen. Und wir, die Arbeiterklasse, die Ausgebeuteten, sind es, die immer den Preis dafür zahlen, mit unserem Leben.
Für uns, die Arbeiterklasse, gibt es keine Seite zu wählen, wir haben kein Vaterland, keine Nation zu verteidigen! Auf beiden Seiten der Grenze sind wir Klassenbrüder und -schwestern! Weder Israel, noch Palästina!
Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Kriege, der grausamsten Kriege in der Geschichte der Menschheit, und keiner von ihnen diente den Interessen der Arbeiterklasse. Wir wurden stets aufgefordert, zu Millionen für die Interessen ihrer Ausbeuter in den Tod zu gehen, im Namen der Verteidigung des "Vaterlandes", der "Zivilisation", der "Demokratie", ja sogar des "sozialistischen Vaterlandes" (wie einige die UdSSR unter Stalin und dem Gulag nannten).
Heute gibt es einen neuen Krieg im Nahen Osten. Auf beiden Seiten rufen die herrschenden Cliquen die Ausgebeuteten dazu auf, "die Heimat zu verteidigen", sei sie nun jüdisch oder palästinensisch. Die jüdischen Arbeiter, die in Israel von jüdischen Kapitalisten ausgebeutet werden, die palästinensischen Arbeiter, die von jüdischen Kapitalisten oder von arabischen Kapitalisten ausgebeutet werden (und oft noch viel grausamer als von jüdischen Kapitalisten, da in palästinensischen Unternehmen noch das Arbeitsrecht des ehemaligen Osmanischen Reiches gilt).
Die jüdischen Arbeiter und Arbeiterinnen haben in den fünf Kriegen, die sie seit 1948 erlitten haben, bereits einen hohen Preis für den Kriegswahnsinn der Bourgeoisie bezahlt. Die Großeltern derer, die heute die Uniform der Tsahal (Israelische Verteidigungsstreitkräfte) tragen, wurden, sobald sie aus den Konzentrationslagern und Ghettos eines vom Weltkrieg verwüsteten Europas kamen, in den Krieg zwischen Israel und den arabischen Ländern hineingezogen. Ihre Eltern haben dann in den Kriegen von '67, '73 und '82 den Preis mit Blut bezahlt. Diese Soldaten sind keine hässlichen Bestien, deren einziger Gedanke es ist, palästinensische Kinder zu töten. Es sind junge Wehrpflichtige, meist Arbeiter, die in Angst und Abscheu sterben, die gezwungen sind, als Polizisten zu fungieren und deren Köpfe mit Propaganda über die "Barbarei" der Araber gefüllt sind.
Auch die palästinensischen Arbeiter und Arbeiterinnen haben bereits einen schrecklichen Preis mit Blut bezahlt. Sie wurden 1948 durch den von ihren Führern angezettelten Krieg aus ihrer Heimat vertrieben und haben den größten Teil ihres Lebens in Lagern verbracht und wurden als Jugendliche von der Fatah, der PFLP oder den Hamas-Milizen rekrutiert.
Die größten Massaker an Palästinensern wurden nicht von den israelischen Armeen verübt, sondern von den Armeen der Länder, in denen sie interniert waren, wie Jordanien und Libanon: Im September 1970 ("Schwarzer September") wurden sie vom "kleinen König" Hussein massenhaft ermordet, so dass einige von ihnen nach Israel flüchteten, um dem Tod zu entgehen. Im September 1982 wurden sie in den Lagern Sabra und Schatila in Beirut von (allerdings christlichen und mit Israel verbündeten) arabischen Milizen massakriert.
Heute werden im Namen des "palästinensischen Heimatlandes" erneut arabische Arbeiter und Arbeiterinnen gegen die Israelis mobilisiert, die mehrheitlich israelische Lohnabhängige sind, während letztere aufgefordert werden, zur Verteidigung des "gelobten Landes" getötet zu werden.
Die nationalistische Propaganda, die von beiden Seiten in widerlicher Weise ausgestrahlt wird, ist eine betäubende Propaganda, die darauf abzielt, die Menschen in wilde Bestien zu verwandeln. Die israelische und die arabische herrschende Klasse schüren diese nationalistische Propaganda seit mehr als einem halben Jahrhundert. Den israelischen und arabischen Arbeitern und Arbeiterinnen wurde immer wieder gesagt, sie müssten das Land ihrer Vorfahren verteidigen. Bei den Ersteren hat die systematische Militarisierung der Gesellschaft eine Psychose der Einkreisung entwickelt, um sie zu "guten Soldaten" zu machen. Letzteren wurde der Wunsch eingeimpft, gegen Israel zu kämpfen, um eine Heimat zu finden. Zu diesem Zweck wurden sie von den Führern der arabischen Länder, in die sie geflüchtet waren, jahrzehntelang in Lagern unter unerträglichen Lebensbedingungen gehalten.
Der Nationalismus ist eine der schlimmsten Ideologien, die die herrschende Klasse benutzt. Es ist die Ideologie, die es ihr erlaubt, den Antagonismus zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten zu verschleiern, sie alle hinter derselben Fahne zu vereinen, für die die Ausgebeuteten im Dienste der Ausbeuter getötet werden, um die Interessen und Privilegien der herrschenden Klasse zu verteidigen.
Auch kommt in diesem Krieg noch das Gift der religiösen Propaganda hinzu, die den wahnsinnigsten Fanatismus hervorruft. Die Juden werden aufgefordert, die Klagemauer des salomonischen Tempels mit ihrem Blut zu verteidigen. Muslime müssen ihr Leben für die Moschee von Omar und die heiligen Stätten des Islam opfern. Was heute in Israel und Palästina geschieht, bestätigt eindeutig, dass die Religion "Opium für das Volk" ist, wie es die Revolutionäre des 19. Jahrhunderts beschrieben. Der Zweck der Religion ist es, die Ausgebeuteten und Unterdrückten zu trösten. Denjenigen, für die das Leben auf der Erde die Hölle ist, wird gesagt, dass sie nach ihrem Tod glücklich sein werden, wenn sie es verstehen, sich ihre Erlösung zu verdienen. Und diese Erlösung wird gegen Aufopferung, Unterwerfung, ja sogar gegen die Aufgabe ihres Lebens im Dienste des "heiligen Krieges" eingetauscht.
Die Tatsache, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts Ideologien und Aberglauben aus der Antike oder dem Mittelalter immer noch weit verbreitet sind, um Menschen dazu zu bringen, ihr Leben zu opfern, spricht Bände über den Zustand der Barbarei, in den der Nahe Osten, wie auch viele andere Teile der Welt, versunken ist.
Es sind die Führer der Großmächte, die die höllische Situation geschaffen haben, in der die ausgebeuteten Menschen dieser Region heute zu Tausenden sterben. Es war die europäische herrschende Klasse, insbesondere die britische, mit ihrer "Balfour-Erklärung" von 1917, die, um zu teilen und zu erobern, die Schaffung einer "jüdischen Heimstätte" in Palästina zuließ und damit die chauvinistischen Utopien des Zionismus förderte. Es waren dieselben herrschenden Klassen, die nach dem Zweiten Weltkrieg, den sie gerade gewonnen hatten, dafür sorgten, dass Hunderttausende mitteleuropäischer Juden nach Palästina transportiert und abgeschoben wurden, nachdem sie die Lager verlassen hatten oder weit von ihrem Herkunftsgebiet weggezogen waren. So brauchten sie sie nicht zu Hause aufzunehmen.
Es waren dieselben herrschenden Klassen, zunächst die britische und französische, dann die amerikanische, die den Staat Israel bis an die Zähne bewaffneten, um ihm während des Kalten Krieges die Rolle der Speerspitze des westlichen Blocks in dieser Region zu geben, während die UdSSR ihrerseits ihre arabischen Verbündeten so gut wie möglich bewaffnete. Ohne diese großen "Sponsoren" hätten die Kriege von 1956, 67, 73 und 82 nicht stattfinden können.
Heute bewaffnen und unterstützen die Herrschenden des Libanon, des Iran und wahrscheinlich auch Russlands die Hamas. Die USA haben gerade ihren größten Flugzeugträger ins Mittelmeer geschickt und neue Waffenlieferungen an Israel angekündigt. In der Tat sind alle Großmächte mehr oder weniger direkt an diesem Krieg und diesen Massakern beteiligt!
Dieser neue Krieg droht, den gesamten Nahen Osten ins Chaos zu stürzen! Dies ist nicht lediglich die x-te blutige Konfrontation, die diesen Teil der Welt in Trauer stürzt. Das Ausmaß des Mordens zeigt, dass die Barbarei ein neues Niveau erreicht hat: tanzende Jugendliche auf einem Festival, die mit Maschinengewehren niedergemäht werden, Frauen und Kinder, die auf der Straße aus nächster Nähe erschossen werden, ohne ein anderes Ziel als die Befriedigung eines blinden Rachegefühls, ein Bombenteppich, der ganze Teile der Bevölkerung auslöscht; zwei Millionen Menschen in Gaza, denen alles genommen wird, Wasser, Strom, Gas, Nahrung... Es gibt keine militärische Logik für all diese Gräueltaten, für all diese Verbrechen! Beide Seiten schwelgen in der entsetzlichsten und irrationalsten Mordwut!
Aber es gibt etwas noch Schlimmeres: Diese Büchse der Pandora wird sich nie wieder schließen. Wie im Irak, in Afghanistan, Syrien und Libyen wird es kein Zurück mehr geben, keine "Rückkehr zum Frieden". Der Kapitalismus zieht immer größere Teile der Menschheit in den Krieg, in den Tod und in den Zerfall der Gesellschaft. Der Krieg in der Ukraine dauert nun schon fast zwei Jahre an und ist ein endloses Gemetzel. Auch in Berg-Karabach sind Massaker im Gange. Und es droht bereits ein neuer Krieg zwischen den Nationen des ehemaligen Jugoslawiens. Kapitalismus ist Krieg!
Die Arbeiterklasse aller Länder muss sich weigern, für das eine oder andere Kriegslager Partei zu ergreifen. Insbesondere müssen sie sich weigern, sich von der Rhetorik der Parteien täuschen zu lassen, die sich als "Arbeiterparteien" ausgeben, der Parteien der Linken und der extremen Linken, die sie auffordern, "Solidarität mit den palästinensischen Massen" in ihrem Streben nach ihrem Recht auf ein "Heimatland" zu zeigen. Das palästinensische "Heimatland" wird nie etwas anderes sein als ein bürgerlicher Staat im Dienste der Ausbeuterklasse und zur Unterdrückung eben dieser Massen, mit Repression und Gefängnissen. Die Solidarität der Arbeiterklasse der entwickeltsten kapitalistischen Länder gilt nicht den "Palästinensern", genauso wenig wie sie den "Israelis" gilt, unter denen es Ausbeuter und Ausgebeutete gibt. Sie geht an die Arbeiter und Arbeiterinnen und Arbeitslosen in Israel und in Palästina (die im Übrigen trotz aller Gehirnwäsche, der sie unterzogen wurden, bereits Kämpfe gegen ihre Ausbeuter geführt haben), genauso wie an die Arbeiter und Arbeiterinnen aller anderen Länder der Welt. Die beste Solidarität besteht darin, ihre nationalistischen Illusionen nicht zu fördern.
Diese Solidarität bedeutet vor allem, den Kampf gegen das kapitalistische System zu führen, das für alle Kriege verantwortlich ist, einen Kampf gegen die "eigene" herrschende Klasse.
Die Arbeiterklasse muss den Frieden gewinnen, indem sie den Kapitalismus auf globaler Ebene stürzt, und das bedeutet heute, dass sie ihre Kämpfe auf dem Terrain der Klasse entwickeln muss, gegen die immer härteren wirtschaftlichen Angriffe, die ihr von einem System in einer unüberwindbaren Krise aufgezwungen werden.
Gegen den Nationalismus, gegen die Kriege, in die eure Ausbeuter euch hineinziehen wollen:
Arbeiterinnen und Arbeiter aller Länder, vereinigt euch!
IKS, 9. Oktober 2023
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[3] https://de.internationalism.org/content/745/die-funktion-der-revolutionaeren-organisation
[4] https://de.internationalism.org/content/1075/bericht-zur-struktur-und-funktionsweise-der-organisation-der-revolutionaere
[5] https://de.internationalism.org/content/733/ueber-die-partei-und-ihre-beziehung-zur-klasse
[6] https://de.internationalism.org/content/2667/bericht-ueber-die-rolle-der-iks-als-fraktion
[7] https://en.internationalism.org/ir/100_theses.htm
[8] https://en.internationalism.org/icc/200412/609/4-state-capitalism
[9] https://de.internationalism.org/content/1390/oktober-1917-anfang-der-proletarischen-revolution-teil-2
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[16] https://en.internationalism.org/ir/123_30years
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[130] https://de.internationalism.org/content/1713/mai-68-und-die-revolutionaere-perspektive-ii
[131] https://de.internationalism.org/files/de/oekologische-krise-im-strudel-des-kapitalistischen-zerfalls.pdf
[132] https://fr.internationalism.org/icconline/2010/solidarite_avec_les_lyceens_en_lutte_contre_la_repression_policiere.html
[133] https://revolutionaererbruch.wordpress.com/
[134] https://www.klassegegenklasse.org/revolutionaerer-bruch-der-funke-will-den-marxismus-gatekeepen/
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[137] https://www.theguardian.com/global-development/2023/dec/02/iran-using-ga
[138] https://de.internationalism.org/content/3151/massaker-und-kriege-israel-gaza-der-ukraine-aserbaidschan-der-kapitalismus-saet-den-tod
[139] https://en.internationalism.org/content/17383/shipwreck-migrants-mediterranean-capitalism-kills-defend-its-borders
[140] https://de.internationalism.org/content/3109/uns-die-iks-attackieren-die-existenzgrundlage-der-gigc
[141] https://de.internationalism.org/content/3137/die-marxistischen-grundlagen-des-begriffs-des-politischen-parasitismus-und-der-kampf
[142] https://en.internationalism.org/content/17393/igcls-pseudo-critique-icc-platform-sham-analysis-discredit-icc-and-its-political
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[144] http://www.igcl.org/Impasse-et-contradictions-du-CCI